Baccara Weekend Band 51

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

EIN KÖNIGLICHER VERFÜHRER von MICHELLE CELMER

Herzklopfen beim bloßen Anblick eines Mannes? Unmöglich! Daran glaubt Prinzessin Melissa nicht. Doch dann verliebt sie sich Hals über Kopf in Kronprinz Christian und genießt sinnliche Stunden – bis sie erfährt, dass er eine Braut sucht, die seine Affären toleriert!

NOCH EINE NACHT IM BETT DES WÜSTENPRINZEN von KRISTI GOLD

Eigentlich soll PR-Beraterin Madison nur das Image des Kronprinzen aufpolieren und ihn auf seine Krönung vorbereiten – von atemloser Leidenschaft stand nichts in ihrem Vertrag. Vor allem nicht, da Zain, wenn er den Thron bestiegen hat, eine standesgemäße Frau suchen muss …

WER EINMAL DEN FALSCHEN PRINZEN KÜSST … von SANDRA HYATT

In der Presse wird Rafe Marconi der Playboy-Prinz genannt. Für Alexia ist er der Froschprinz, der sie früher geärgert hat. Doch wenn sie sich an die warmen Schauer erinnert, die ihr beim Tanz mit ihm über den Rücken gerieselt sind, verspürt sie eine gefährliche Sehnsucht …


  • Erscheinungstag 12.07.2025
  • Bandnummer 51
  • ISBN / Artikelnummer 8095250051
  • Seitenanzahl 400

Leseprobe

Michelle Celmer, Kristi Gold, Sandra Hyatt

BACCARA WEEKEND BAND 51

Michelle Celmer

1. KAPITEL

Melissa Thornsby brachte eigentlich so leicht nichts aus der Ruhe.

Sie war in der sehr eigenwilligen High Society von New Orleans groß geworden, wo es ihrer Erfahrung nach nicht unüblich war, sein Gegenüber freundlich anzulächeln und ihm dabei hinterrücks – wenn auch nur sprichwörtlich – ein Messer in den Rücken zu rammen.

Nach dem Hurrikan hatte Melissa vor einigen Jahren eine Stiftung ins Leben gerufen, die den Wiederaufbau der Stadt tatkräftig unterstützte. Beinah täglich hatte sie in ihrer Funktion als Stiftungsgründerin mit unzähligen Staatsoberhäuptern, Schauspielern, Musikern und anderen Berühmtheiten zu tun gehabt. Alle waren auf einmal von Wohltätigkeit regelrecht besessen, und bald war es für Melissa nichts Besonderes mehr, jeden Tag Prominenten zu begegnen. Als sie vor Kurzem vollkommen überraschend erfahren hatte, dass sie die uneheliche Tochter des früheren Königs von Morgan Isle war, hatte auch das Melissa kaum aus der Ruhe gebracht. Ganz im Gegenteil, sie hatte sich sogar dafür entschieden, nach Morgan Isle zu ziehen, obwohl die Königsfamilie ihr offensichtlich misstraute. Doch Melissa folgte stets dem Rat ihrer verstorbenen Mutter und betrachtete alles Neue im Leben als ein großes Abenteuer.

Deswegen war es für sie eigentlich auch nichts Besonderes gewesen, der Nachbarinsel Thomas Isle und der dort ansässigen Herrscherfamilie einen Besuch abzustatten. Die Beziehungen zwischen den beiden Reichen waren lange Zeit sehr angespannt gewesen, weswegen Melissas Besuch große diplomatische Bedeutung beigemessen wurde – was die Prinzessin mit der ihr üblichen Gelassenheit anging.

Bis sie ihn sah, wie er auf dem kleinen Privatflughafen auf sie wartete. Ein schwarzer, auf Hochglanz polierter Bentley stand in der hellen Nachmittagssonne zur Abfahrt bereit, zwei finster dreinblickende Bodyguards wachten an der Seite des Mannes. Ihn schön zu nennen wäre schlichtweg eine Untertreibung gewesen. Er war groß und trug einen maßgeschneiderten dunkelgrauen Nadelstreifenanzug. Nicht zu übersehen, dass der Mann sich in bester körperlicher Verfassung befand.

Prinz Christian James Ernst Alexander, Thronerbe von Thomas Isle. Seines Zeichens eingefleischter Junggeselle und schamloser Playboy. In Wirklichkeit sah er noch viel besser aus als auf den Fotos, die Melissa bisher von ihm gesehen hatte.

Sie stieg die Stufen herunter, und er kam ihr so atemberaubend lächelnd entgegen, dass ihr beinah das Herz stehen blieb. Plötzlich hatte sie das Gefühl, als ob Schmetterlinge in ihrem Bauch wild zu flattern begannen, und sie wagte kaum zu hoffen, dass dieser Mann in den nächsten zwei Wochen ihr Begleiter sein würde. Ihrer Erfahrung nach war das eigentlich die Aufgabe der Prinzessinnen, während sich der Prinz darauf vorzubereiten hatte, eines Tages das Land zu regieren.

Melissa traf ihren Gastgeber auf halbem Wege. Sie wurde begleitet von ihrem eigenen Sicherheitstrupp, den ihr ihr Halbbruder König Phillip förmlich aufgedrängt hatte. Als sie sich gegenüberstanden, nickte Prinz Christian ihr höflich zu und sagte mit voller, wohlklingender Stimme, sodass Melissa plötzlich an den zarten Schmelz ihrer Lieblingsschokolade denken musste: „Willkommen auf Thomas Isle, Eure Hoheit.“

„Eure Hoheit.“ Mit dem geübten Charme einer Südstaatenschönheit machte sie einen vollendeten Knicks. „Mir ist es eine Ehre, hier zu sein.“

„Die Ehre ist ganz auf unserer Seite“, erwiderte er mit diesem Lächeln, das sie wie ein gewaltiger Energiefluss von Kopf bis Fuß zu durchströmen schien.

Während er sie aufmerksam musterte, blickte sie in seine grünen Augen, in denen sich Übermut spiegelte und die Melissa unwillkürlich an das geheimnisvolle Wesen einer Katze erinnerten.

Er nahm ihren Sicherheitstrupp mit leicht gehobener Augenbraue zur Kenntnis. „Erwarten Sie eine Revolution, Eure Hoheit?“

Sie nickte in Richtung seiner Leibwächter. „Komisch. Das Gleiche wollte ich Sie auch gerade fragen.“

Falls seine Frage als eine Art Test gemeint war, dann hatte sie ihn offensichtlich bestanden. Er lächelte so verschmitzt und überaus sexy, was die Schmetterlinge in ihrem Bauch erneut aufgeregt flattern ließ. Was war bloß los mit ihr? Das war nun wirklich nicht ihre Art, sie war schließlich daran gewöhnt, dass Männer mit ihr flirteten. Junge und alte, reiche und arme, und sie alle waren hinter dem aberwitzig großen Vermögen her, das ihre Großtante und ihr Großonkel ihr hinterlassen hatten. Aber irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass der Prinz an Geld dachte. Nach dem, was sie gehört hatte, übertraf sein Reichtum den ihren bei Weitem.

„Die Bodyguards sind eine Idee von König Phillip“, erklärte sie.

„Natürlich steht es Ihnen frei, sie überallhin mitzunehmen“, entgegnete er, „aber das ist sicher nicht nötig.“

Phillip hatte zwar darauf bestanden, dass Melissa die Leibwachen mitnahm, er hatte aber nicht ausdrücklich gesagt, dass sie sich die ganze Zeit über von ihnen begleiten lassen musste. Darüber hinaus wäre es eine nette Geste, ihr Wohlergehen vertrauensvoll in die Hände des Mitarbeiterstabes von Prinz Christian zu legen. Angesichts der langen Auseinandersetzung, die ihre beiden Länder miteinander geführt hatten, steckte der Frieden zwischen ihnen sozusagen noch in den Kinderschuhen. Melissa empfand es als ihre Pflicht, alles zu tun, um ihn weiter zu stärken.

„Könnten Sie dafür sorgen, dass meine Sicherheitsleute zurückgeflogen werden?“, fragte sie.

Er nickte. „Selbstverständlich, Eure Hoheit.“

Sie zuckte unwillkürlich zusammen, denn sie hatte sich immer noch nicht an den königlichen Titel gewöhnt. „Bitte, nennen Sie mich einfach Melissa.“

„Melissa“, wiederholte er mit seinem sexy englischen Akzent. „Das gefällt mir.“

Und ihr gefiel die Art, wie er es sagte.

„Sie können Chris zu mir sagen. Ich denke, es ist das Beste, wenn wir die Förmlichkeiten vergessen, zumal wir in den nächsten zwei Wochen sehr viel Zeit miteinander verbringen werden.“

Ach ja? Erneut machte sich das nervöse Flattern in ihrem Magen bemerkbar. „Sie werden also mein Begleiter sein?“, erkundigte sie sich.

„Wenn Sie nichts dagegen haben“, entgegnete er.

Als ob sie etwas dagegen haben könnte, zwei Wochen mit einem überaus attraktiven und charmanten Prinzen zu verbringen!

Er deutete auf die wartende Limousine. „Wollen wir?“

Mit wenigen Worten entband Melissa ihre Bodyguards von ihren Pflichten. „Danke, meine Herren.“

Die Männer schwiegen zwar, warfen sich jedoch zweifelnde Blicke zu. Ihnen war klar, Phillip würde nicht erfreut darüber sein, wenn er erfuhr, dass die Prinzessin sie wieder nach Hause geschickt hatte. Aber ihre neue Familie war bereits daran gewöhnt, dass Melissa ihren Kopf durchsetzte. Sie war zwar überaus dankbar dafür, nach dem Tod ihrer Eltern wieder nahe Verwandte zu haben und wollte auch unbedingt von ihnen akzeptiert werden. Das bedeutete aber nicht, dass sie bereit war, etwas von ihrer Freiheit aufzugeben. Mit dreiunddreißig Jahren war es vermutlich auch schon zu spät, das noch zu ändern.

Der Prinz fasste sie sacht am Ellbogen, um sie zum Wagen zu führen, und obwohl ihre Kostümjacke aus leichter Seide und feinem Leinen war, wurde ihr siedend heiß bei seiner Berührung. Wann hatte sie zum letzten Mal eine derartig knisternde Verbindung zu einem Mann gespürt? Oder vielleicht sollte sie besser fragen, wann sie sich zum letzten Mal gestattet hatte, so zu empfinden? Da die nächsten vierzehn Tage nicht nur eine Geschäftsreise sein würden, sprach eigentlich nichts dagegen, auch ein bisschen Spaß an der Sache zu haben.

Chris half ihr in den Bentley, und sie ließ sich in den gemütlichen Ledersitz sinken. Er ging um den Wagen herum, um auf der anderen Seite Platz zu nehmen, und Melissa stieg sein warmer und verlockender Duft, der das Innere der Limousine erfüllte, in den Kopf. Zu Hause in den Südstaaten hätte sie die große Hitze für ihr Schwindelgefühl verantwortlich machen können. Auf Thomas Isle herrschten jedoch noch nicht einmal dreißig Grad, und auch die Luftfeuchtigkeit war kaum der Rede wert.

Nachdem die Türen geschlossen waren, fuhren sie zum Schloss, das nicht weit entfernt sein konnte, weil sie es kurz vor ihrer Landung aus dem Flugzeug gesehen hatte. Aus der Luft hatte es gewaltig ausgesehen, sie schätzte, dass es wesentlich größer war als der modernere Palast auf Morgan Isle. Um das Schloss herum erstreckten sich Quadratkilometer grüner Rasenflächen, hübscher Grünanlagen, und sogar einen Irrgarten hatte sie entdeckt.

Sie konnte kaum erwarten, das alles zu erkunden, denn sie liebte die Natur über alles, was sie ihrer Mutter verdankte, die eine begeisterte Gärtnerin gewesen war. Das Anwesen auf Morgan Isle, wo Melissa in ihrer Kindheit gewohnt hatte, war weithin berühmt für seine preisgekrönten Gärten gewesen, und sie hatte diese Leidenschaft mit nach New Orleans genommen. Ihr war es zwar schwergefallen, ihr Zuhause zu verlassen und wieder in ihr Geburtsland zurückzukehren, aber eigentlich waren die USA nie richtig ihre Heimat gewesen. Und um ehrlich zu sein, hatte sie sich seit dem Tod ihrer Eltern nirgendwo heimisch gefühlt.

„Meine Eltern, der König und die Königin, freuen sich darauf, Sie zu treffen“, sagte Chris.

„Das beruht auf Gegenseitigkeit.“ Sie drehte sich zu ihm und sah, dass er sie neugierig betrachtete. „Was haben Sie denn?“

„Ihr Akzent“, erwiderte er, „woher stammen Sie? Ich kann es nicht heraushören.“

„Das können Sie auch nicht, weil es ein Mischmasch aus verschiedenen Dialekten ist“, erklärte sie. „Überall, wo ich gelebt habe, hab ich etwas aufgeschnappt, und das kommt hin und wieder zum Vorschein.“

„Wo haben Sie denn überall gelebt?“

„Warten Sie …“ Sie zählte an ihren Fingern ab. „Auf Morgan Isle habe ich bis zu meinem zehnten Lebensjahr gelebt, danach bin ich nach New Orleans gekommen, dann ins Internat nach Frankreich, Sommerferien in Kalifornien, danach war ich an der Ostküste auf dem College und bin anschließend wieder nach New Orleans zurück.“

„Klingt spannend“, meinte er.

Das konnte man meinen, aber in Wahrheit hatte sie sich immer danach gesehnt, endlich irgendwo sesshaft zu werden. Als sie es allerdings das letzte Mal getan hatte, hatte es sich nicht richtig angefühlt. Ihre Hoffnungen, auf Morgan Isle ein echtes Zuhause zu finden, hatten sich nicht erfüllt, denn sie kam sich immer noch wie eine Außenseiterin in der königlichen Familie vor. Manchmal fragte sie sich, ob es überhaupt eine Heimat für sie gab.

„Und was ist mit Ihnen?“, fragte sie den Prinzen.

„Auf meinen diplomatischen Reisen bin ich zwar weit herumgekommen in der Welt, aber ich lebe seit meiner Kindheit hier bei meiner Familie.“

Sie glaubte, einen leichten Unterton der Verbitterung in seiner Stimme zu hören. Für sie klang das einfach wundervoll. Nach dem Tod ihrer Eltern war sie in die USA zu ihrer Großtante und deren Mann gekommen, die selbst keine Kinder gewollt hatten und die Waise als Eindringling ansahen. So dauerte es nicht lange, bis sie das Mädchen auf ein Internat schickten und sie die Sommerferien in Feriencamps verbringen ließen. Melissa machte ihnen keinen Vorwurf, denn sie hatten sich wirklich bemüht. Hätten sie das verwaiste Mädchen nicht bei sich aufgenommen, wäre sie als Pflegekind in staatlicher Obhut gelandet, und wer weiß, wie ihre Lebensgeschichte dann verlaufen wäre.

Als ihr auffiel, dass der Wagen eine Anhöhe hochfuhr, wusste sie, dass sie bald am Ziel waren. Der dichte Baumbewuchs lichtete sich und gab schließlich den Blick auf das königliche Schloss frei. Ihr kam es wie eine Illustration aus einem Kinderbuch vor: Auf einem Kliff hoch über dem Meer wachte es über das bezaubernde Städtchen zu seinen Füßen. Es war zwar bei Weitem nicht so modern wie der Palast auf Morgan Isle, dachte sie mit einem Anflug von Stolz, aber trotzdem nicht weniger prachtvoll. Sie glaubte, eine Zeitreise gemacht zu haben und in einem vergangenen Jahrhundert gelandet zu sein.

Bei ihren Recherchen hatte sie erfahren, dass Morgan Isle modern und innovativ war und sich zu einem attraktiven Urlaubsziel entwickelte. Thomas Isle hingegen war eher traditionsbewusst, und man blieb gern unter sich. Die Wirtschaft des kleinen Reiches begründete sich hauptsächlich auf den Export von Meeresfrüchten und Produkten aus biologischem Anbau. Obwohl manch einer das wahrscheinlich als veraltet betrachtete, empfand Melissa es hingegen als idyllisch und reizvoll.

„Äußerst beeindruckend“, bemerkte sie, während sie aus dem Fenster schaute.

„Kennen Sie sich in der Vergangenheit unserer beiden Länder aus?“, erkundigte sich der Prinz.

„Ich weiß nur, dass sie viele Jahre lang Rivalen waren.“

„Eine spannende Geschichte. Wussten Sie, dass beide Inseln früher einmal von einer Familie regiert wurden? Von einem Königspaar mit zwei Söhnen. Sie waren Zwillinge, um genau zu sein, die nur wenige Minuten nacheinander auf die Welt gekommen waren.“

„Sie hießen nicht zufällig Thomas und Morgan, oder?“

Er lächelte. „Ja, so hießen sie. Als der König starb, stritten die beiden Brüder um den Thron, denn jeder von ihnen fühlte sich für das Amt berufen. Als sie keine Einigung erzielten, forderte einer den anderen zum Duell heraus.“ Er machte eine Pause, um die Spannung zu steigern. „Sie hatten vor, auf Leben und Tod zu kämpfen, und der Sieger sollte König werden. Ihre Mutter wollte aber keinen ihrer Söhne verlieren und flehte sie an, nicht gegeneinander anzutreten. Sie schlug als Kompromiss vor, das Reich aufzuteilen, sodass jeder von ihnen eine Insel bekam. Die Brüder willigten ein, aber ihr Zerwürfnis war so tief, dass sie nie wieder ein Wort miteinander sprachen.“

„Eine traurige Geschichte.“

„Um sich gegenseitig zu ärgern, wählte jeder von ihnen seinen eigenen Namen für sein Reich. Ihren Untertanen verboten sie, die jeweils andere Insel zu besuchen oder auch nur mit deren Bewohnern zu sprechen. Viele Familien zerbrachen daran, und zahlreiche erfolgreiche Händler wurden in den Ruin getrieben.“

„Und was ist mit der Königin? Für welche Insel hat sie sich entschieden?“

„Sie hat sich geweigert, einem ihrer Söhne den Vorzug zu geben und ist deshalb aus beiden Königreichen verbannt worden.“

Melissa drückte eine Hand aufs Herz. „Du meine Güte, das ist ja grauenhaft!“, rief sie. Wie hatten sie nur ihre eigene Mutter verbannen können?

„Ein paar hundert Jahre hat es gedauert, bis wir unsere Vergangenheit hinter uns gelassen haben“, erzählte Chris. „Das ist der Grund, weswegen wir die Abkommen zwischen unseren beiden Ländern schließen. Wenn wir unsere Ressourcen zusammenlegen, helfen wir Thomas und Morgan Isle, unseren Völkern und Familien.“

„König Phillip ist derselben Ansicht“, versicherte sie ihm. „Und aus diesem Grund bin ich hier.“

„Ich bin erleichtert, das zu hören. Angelegenheiten wie diese können sehr heikel sein.“

„Ich bin eine Prinzessin, die mit dem Strom schwimmt“, gestand sie, und das stimmte zumindest größtenteils. „Jedenfalls nehme ich meine neue Rolle sehr ernst und möchte nur das Beste für mein Land.“

Er bedachte sie mit einem weiteren betörenden Lächeln. „Dann bin ich mir sicher, dass wir sehr gut miteinander auskommen.“

Sie fuhren die Auffahrt hoch, an deren Ende bereits ein Pulk von Presseleuten mit gezückten Mikrofonen und startbereiten Kameras auf sie lauerte.

Als die Tore aufschwangen, trat ein Wächter in Uniform heraus, um die Menge in Schach zu halten. Sie fuhren hinter die steinerne Mauer, die sich meilenweit in alle Richtungen zu erstrecken schien, und als Melissa einen Blick auf die andere Seite warf, stockte ihr der Atem. Überall sattes Grün, alles schien so lebendig. Das Schloss selbst ragte hoch empor wie ein sorgfältig erhaltenes Kunstwerk aus Stein und farbenfroh verzierten Glasfenstern.

„Willkommen auf Schloss Sparrowfax“, sagte Chris.

Als sie die Einfahrt hinter sich gelassen hatten, wurde ihr mit einem Mal klar, dass man hier alle Register zog, um ihr einen wahrhaft fürstlichen Empfang zu bereiten. Die königliche Familie und alle Bediensteten standen in einer Reihe bereit, in Erwartung ihrer Ankunft. Melissas Magen machte sich abermals nervös bemerkbar.

Sie fand, dass das verdammt viel Aufwand für einen normalen diplomatischen Besuch war, obwohl sie sich der Wichtigkeit dieser Reise für ihre Familie und ihr Land bewusst war. Von nun an musste sie auf ihr Benehmen achtgeben und ganz besonders auf ihr loses Mundwerk, das manchmal auf Südstaatenart schneller war als ihr Kopf.

Nachdem die Limousine angehalten hatte, öffneten uniformierte Diener die Türen. Melissa ergriff die Hand, die man ihr entgegenstreckte, und ließ sich heraushelfen. Plötzlich kam ihr das elegante Leinenkostüm, das sie trug, viel zu schlicht vor, denn die Familie des Prinzen war wie für einen königlichen Empfang gekleidet. Zum ersten Mal, seitdem sie erwachsen war, sorgte sich Melissa darüber, einer Herausforderung nicht angemessen gegenüberzutreten, und fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut.

Chris’ Eltern, der König und die Königin, traten auf sie zu, um sie zu begrüßen. Obgleich sie bereits etwas älter waren, wirkten sie gesund und lebensfroh. Ihre anderen Kinder, Chris’ Bruder und seine Zwillingsschwestern, waren genauso atemberaubend attraktiv wie ihr Bruder. Was für ein Privileg mochte es sein, zu einer derartig schönen Familie zu gehören, überlegte Melissa. Da kam es einem Wunder gleich, dass keiner von ihnen bisher verheiratet war.

Andererseits war gutes Aussehen nicht alles. Nach allem, was sie bisher gehört hatte, konnten die Geschwister auch recht unhöflich sein.

Als Chris an ihre Seite trat, fühlte sie sich aus irgendeinem Grund plötzlich ruhiger, und ihre Aufregung legte sich.

„Ist das alles meinetwegen?“, wollte sie wissen.

Ihre Frage schien ihn zu verwirren. „Natürlich, Sie sind unser Ehrengast. Ihr Besuch ist der Beginn einer neuen Ära für unsere Reiche.“

Tatsächlich? Ihr war bisher nicht klar gewesen, dass ihre Anwesenheit hier solche Wellen schlug. Ihre eigene Familie hatte nicht so einen Aufwand betrieben, als sie von New Orleans wieder nach Morgan Isle zurückgekehrt war. Alles war eher klammheimlich und eilig über die Bühne gegangen, da man den Medienrummel hatte vermeiden wollen.

Aber sie würde sich sicher nicht über die Aufmerksamkeit beschweren, die man ihr zuteilwerden ließ. Welche Frau genoss es nicht, hin und wieder im Mittelpunkt zu stehen?

Chris bot ihr seinen Arm an. „Sind Sie bereit, meine Familie zu treffen?“

Sie hakte sich bei ihm unter und genoss die beruhigende Wirkung, die sein warmer Körper auf sie hatte.

Lächelnd nickte sie ihm zu. In New Orleans hatte sie gesellschaftlich ganz weit oben mitgemischt. Doch das war hier nicht von Bedeutung, denn auf Morgan und Thomas Isle war sie nicht mehr als die uneheliche Tochter des seligen König Frederick, der in vielen Betten zu Hause gewesen war.

Sie wurde den Verdacht nicht los, dass man sie ihr ganzes Leben daran erinnern würde.

2. KAPITEL

Bereits nach fünf Minuten vermutete Chris, dass er und Prinzessin Melissa ziemlich gut miteinander auskommen würden.

Obwohl er normalerweise Blondinen bevorzugte, empfand er Melissa dunkles Haar, ihre grauen Augen und den warmen Ton ihres Teints überraschenderweise als sehr attraktiv. Sie sah aber nicht nur gut aus, sondern verfügte offensichtlich auch über Charme, einen guten Charakter und Witz. Genau, wie König Phillip gesagt hatte. Solche Charakterzüge mochten vielleicht nicht alle Menschen für besonders wünschenswert halten, sie waren Chris’ Meinung nach aber unerlässlich für die Art von Abmachung, welche die Königshäuser getroffen hatten.

Er begleitete Melissa zu seiner Familie, um sie einander vorzustellen. Man hatte schon im Voraus festgelegt, wie sich jeder Einzelne zu verhalten hatte. Es war unbedingt erforderlich, dass Melissa sich vom ersten Moment an wie zu Hause fühlte.

„Melissa, ich möchte Sie meinen Eltern vorstellen, König und Königin von Thomas Isle.“

Die Prinzessin knickste. „Mir ist es eine Ehre, Eure Majestäten.“

Seine Mutter ergriff Melissas Hand und sagte freundlich: „Die Ehre ist ganz auf unserer Seite. Wir sind so glücklich, dass Sie uns besuchen.“

„Ich hoffe, dass es für beide Seiten gleichermaßen dienlich ist“, fügte Chris’ Vater mit ernster Stimme hinzu.

„Da bin ich mir ganz sicher“, erwiderte Melissa und lächelte ihn herzlich an.

Der König warf Chris einen Seitenblick zu, der besagte, dass er die Sache auf gar keinen Fall vermasseln sollte. Trotz seiner anfänglichen Bedenken, sesshaft zu werden, musste Chris gestehen, dass eine Allianz mit der Königsfamilie von Morgan Isle ein geschickter Schachzug war – sowohl politisch als auch finanziell.

„Mein Bruder und meine Schwestern“, erklärte Chris und stellte sie der Reihe nach vor. „Prinz Aaron Felix Gastel und die Prinzessinnen Anne Charlotte Amalia und Louisa Josephine Elisabeth.“

„Eine Freude, Sie kennenzulernen“, sagte Melissa und schüttelte ihnen allen die Hand. Wie geplant, wurde ihr von den Geschwistern ein warmherziger Empfang bereitet. Aaron war einfach nur froh, dass es Chris und nicht ihn getroffen hatte, obwohl er mit einunddreißig durchaus die Verantwortung hätte tragen können.

Louisa, die genau fünf Minuten nach ihrer Schwester auf die Welt gekommen war, begrüßte Melissa mit ihrer üblichen übersprudelnden Begeisterung. Seit ihrer Kindheit liebte Louisa jeden Menschen, auch wenn es ihr manchmal eher schadete als nutzte. Ihre Geschwister hatten bisher eine Menge Zeit damit verbracht, sie vor leidvollen Erfahrungen zu bewahren.

Anne war die Ältere und Vorsichtigere. Zu oft war ihr Vertrauen von Leuten missbraucht worden, die sie für ihre Freunde gehalten hatte. Aber heute gab sie ihr Bestes und begrüßte Melissa freundlich. Wie alle anderen wusste auch sie, wie wichtig es war, dass dieser Besuch reibungslos verlief.

Nachdem die Begrüßung vorüber war, gab Chris der Hausangestellten, die sich um Melissa für die Zeit ihres Aufenthaltes kümmern würde, ein Zeichen.

„Elise, würden Sie unseren Gast bitte zu seinen Räumen führen?“ Dann wandte er sich an Melissa. „Was glauben Sie, wie viel Zeit Sie brauchen, um sich einzurichten?“

„Nicht lange“, antwortete sie, und ihre Augen leuchteten vor Aufregung. „Ich kann es kaum erwarten, die Gartenanlage zu sehen. Bereits vom Flugzeug aus hat sie einen großen Eindruck auf mich gemacht.“

„Dann beginnen wir genau damit“, legte er fest. „Reicht Ihnen eine Stunde?“

Sie nickte. „Ich erwarte Sie dann in einer Stunde.“

Elise machte einen Knicks. „Hier entlang, Eure Hoheit.“

Als die beiden im Schloss verschwunden und außer Hörweite waren, wurde das Personal entlassen, um sich seinen Pflichten zu widmen. Alle Angehörigen der Königsfamilie schienen gleichzeitig erleichtert aufzuatmen.

„Ich glaube, das lief ganz gut“, meinte die Königin.

„Hast du mit ihr darüber gesprochen?“, wollte der König von seinem ältesten Sohn wissen.

Chris unterdrückte ein Augenverdrehen und versuchte, sich seinen Frust nicht anmerken zu lassen. „Natürlich nicht, Vater. Wir haben uns ja gerade erst getroffen.“

Die Königin warf ihrem Mann einen strengen Blick zu. „Lass ihnen Zeit, James“, mahnte sie und wandte sich dann an ihren Sohn. „Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst, Liebling. Eine Entscheidung wie diese sollte nicht übereilt getroffen werden. Allerdings muss ich anmerken, dass ich sie ganz reizend finde.“

„Aber sie ist unehelich“, erinnerte der König sie.

„Das ist ja wohl kaum ihre Schuld“, erwiderte seine Frau. „Und überhaupt hat ja gewiss jede Familie ihre Skandale und Geheimnisse.“

„Nur dass einige mehr als andere haben“, stichelte Aaron und erntete dafür einen strengen Blick von seiner Mutter.

„Also, ich mag sie“, meinte Louisa begeistert.

Anne warf ihr einen verärgerten Blick zu. „Du magst ja auch jeden.“

Louisa zeichnete sich wirklich nicht durch überragende Menschenkenntnis aus, aber in diesem Fall hoffte Chris, dass sie richtig mit ihrer Einschätzung lag.

„Wir müssen uns alle von unserer besten Seite zeigen“, bestimmte die Königin. „Sie soll sich willkommen fühlen.“ Sie nahm Chris’ Hand in die ihre und drückte sie. „Ich glaube, sie ist die Richtige, Liebling.“

Obwohl er anfänglich Widerstand geleistet hatte, war Chris jetzt geneigt, ihr zuzustimmen. Er war sich sogar ziemlich sicher, dass Melissa eine passende Ehefrau abgeben würde.

„Wir müssen reden“, sagte Aaron leise zu Chris, als der Rest der Familie gegangen war.

Chris nickte und folgte seinem Bruder aus dem Schloss, um ungestört mit ihm sprechen zu können. „Gibt es ein Problem?“

„Vielleicht“, erwiderte Aaron und runzelte besorgt die Stirn, was gar nicht zu ihm passte. Da musste es schon etwas sehr Ernstes sein, das ihn dazu brachte.

„Hat es mit Melissa zu tun?“

Aaron schüttelte den Kopf. „Nein, etwas ganz anderes. Ich habe eine Nachricht von unserem Vorarbeiter auf den Ostfeldern erhalten. Er sagte, dass er mich so schnell wie möglich treffen muss, und deswegen bin ich heute Morgen runtergefahren.“

Die Ostfelder machten etwa ein Drittel der ausgedehnten Ländereien aus, die sich im Besitz der Königsfamilie befanden. Auf ihnen wurde hauptsächlich Soja angebaut, und außerdem befand sich dort eine der größten Forschungseinrichtungen des Landes. „Und was hat er gewollt?“

„Die gesamte Ernte ist von einer neuen, ihm unbekannten Art von Mehltau bedroht.“

Im biologischen Anbau gaben Pflanzenkrankheiten und Schädlinge gelegentlich Grund zur Besorgnis. „Kann man etwas dagegen unternehmen?“, wollte Chris wissen.

„Er hat verschiedene Mittel ausprobiert, aber bisher hat nichts angeschlagen. Er hat einen Botaniker von der Universität zurate gezogen, von dem er hofft, dass er helfen kann. Wenn der Mehltau sich weiterhin so schnell ausbreitet, könnten wir die Hälfte der Ernte verlieren. Oder sogar mehr.“

Das wäre zwar ein schwerer Schlag, aber sie würden den Verlust verschmerzen können. Natürlich nur, wenn der Befall sich nicht weiter ausbreitete. „Und er ist auf die Ostfelder begrenzt?“

„Ja, bisher jedenfalls.“

„Die ansässigen Bauern haben noch keine Schäden gemeldet?“

„Nicht, dass ich wüsste.“

„Gut. Dann lass uns hoffen, dass es dabei bleibt. Was wir jetzt am wenigsten gebrauchen können, ist eine Epidemie. Oder die Angst vor einer.“ Was beinah genauso schlimm wäre, dachte Chris. Das Timing hätte nicht schlechter sein können. „Wir sollten Vater nichts davon erzählen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist.“

„Ich sehe zu, dass die Angelegenheit diskret behandelt wird“, versicherte Aaron. „Aber wenn die Krankheit sich ausbreitet, haben wir keine Wahl, dann müssen wir es landesweit bekannt geben.“

„Lass uns hoffen, dass es nicht dazu kommt.“ Eine stabile Wirtschaftslage und ein Herrscher, der sein Land erwiesenermaßen gut zu führen verstand, waren die Voraussetzung für eine Allianz mit Morgan Isle. Der Gesundheitszustand ihres Vaters war deshalb nur der Familie und dem Leibarzt des Königs bekannt. Chris wollte, dass es dabei blieb, obwohl er vermutlich eher früher als später König werden und die Wahrheit unweigerlich ans Licht kommen würde. Er brauchte für seine Regierungszeit ein starkes Fundament.

„Mach dir mal keine Sorgen und konzentrier dich lieber auf deine Prinzessin.“ Aaron lächelte ihm verschmitzt zu. „Sie ist nun wirklich keine Bürde, wie ich finde, sondern sehr attraktiv.“

„Und sobald ich verheiratet bin, bist du als Nächster dran.“

Aaron lachte laut. „An deiner Stelle würde ich nicht so schnell damit rechnen. Nur der älteste Sohn muss heiraten und einen Erben zeugen.“

„Das hält Mutter aber nicht davon ab, dich mit jeder geeigneten Frau auf dieser Insel zu verkuppeln.“

„So dumm ist sie nicht.“

„Da machst du dir wohl selbst was vor. Merk dir meine Worte: Sobald ich in festen Händen bin, bist du dran.“

Aaron warf ihm einen trotzigen Blick zu. „Musst du nicht noch eine Prinzessin verführen?“

Ja, das musste er, und Verführung war genau das, was er im Sinn hatte.

Das Innere des Schlosses war nicht weniger prächtig als sein Äußeres.

Während das Zimmermädchen sie zu dem Raum führte, in dem sie für die Dauer ihres Besuches wohnen würde, sah Melissa sich voller Staunen um. Sie konnte den Blick kaum abwenden von den geschmackvoll verzierten Decken, den Buntglasfenstern, der originalgetreuen Einrichtung aus der Gründungszeit des Schlosses, den Wandteppichen und den wertvollen Orientläufern, die den schimmernden Holzfußboden und die marmornen Bodenmosaike bedeckten. An den Wänden hingen Landschaftsmalerei und Porträts, aber auch abstrakte Kunst.

In New Orleans hatte sie viele prunkvolle Wohnsitze besucht – ihr eigenes Haus war häufig in den Hochglanzmagazinen abgelichtet worden –, und auch der Palast auf Morgan Isle war ein Inbegriff für stilvollen Luxus. Das alles verblasste jedoch angesichts der Herrlichkeit von Sparrowfax Castle. Sie hatte in dem Steinbau eine dunkle, feuchte Atmosphäre vermutet, doch innen war es überraschend hell und luftig, und auch ihr Zimmer bildete da keine Ausnahme.

Während man ihre Koffer auspackte, zog sie sich um und frischte ihr Make-up auf, bevor sie ihre Unterkunft näher erkundete. Der Raum war, verglichen mit Melissas Suite im Palast von Morgan Isle, nicht besonders groß. Doch machte er diesen Mangel durch einen Überfluss an Luxus wieder wett. Die Einrichtung war von erlesenem Geschmack und befand sich in einem ausgezeichneten Zustand.

Das Badezimmer hatte gigantische Ausmaße und war mit allen erdenklichen modernen Annehmlichkeiten wie Whirlpool und Massagedusche ausgestattet. Die Duschkabine war groß genug für zwei, und Melissa versuchte sich vorzustellen, wie großartig Prinz Christian erst ohne seine Kleidung aussehen musste.

Ruhig Blut, ermahnte sie sich selbst.

Sie packte ihren Laptop aus, startete ihn und gab das Passwort ein, sodass der Rechner automatisch nach einer kabellosen Verbindung suchen konnte. Ihre Familie erwartete tägliche Berichte über den Verlauf ihres Besuches und vertraute offensichtlich auf die Sicherheit der verschlüsselten E-Mails, obwohl diese mit Leichtigkeit abgefangen werden konnten. Melissa glaubte zwar nicht, dass man sie ausspionieren würde, aber man konnte nie sicher genug sein.

Nachdem sie eine Verbindung hergestellt hatte, öffnete sie ihr E-Mail-Programm und schrieb eine Nachricht an Phillip: „Bin sicher angekommen. Herzliche Begrüßung. Bis jetzt nichts zu berichten.“

Als es an der Tür klopfte, verschickte sie schnell die E-Mail und klappte den Laptop zu, bevor sie sich erhob, um ihren Besucher zu empfangen.

Chris stand vor der Tür und trug statt seines Anzugs schwarze Hosen und ein gleichfarbiges Seidenhemd. Er sah umwerfend aus, dunkel und sexy und irgendwie auch ein bisschen geheimnisvoll.

„Ich hoffe, ich störe nicht“, sagte er.

„Natürlich nicht“, entgegnete sie lächelnd und nahm wahr, wie er den Blick langsam und ohne jede Scheu über sie und ihr hauchdünnes Seidenkleid wandern ließ, dessen warmes Dunkelblau ihre grauen Augen besonders gut betonte. Sie hatte ihr Haar sorgfältig gebürstet und trug es offen, sodass die schweren, dunklen Locken ihr über die Schultern fielen.

Sie wusste, dass sie sich so von ihrer besten Seite zeigte, und das blieb Chris offensichtlich nicht verborgen.

„Sie sehen entzückend aus“, sagte er, und in seinen Augen schienen Flammen zu lodern. „Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich die nächsten zwei Wochen mit einer so schönen Frau verbringen darf.“

Als er das sagte, schienen ihr die Knie plötzlich weich zu werden, und sie widerstand der Versuchung, etwas zu erwidern wie: Sie sind auch nicht gerade zu verachten, mein Lieber. Aber sie wollte zumindest den Anschein erwecken, nicht so leicht zu haben zu sein. Stattdessen klimperte sie mit den Wimpern und versuchte es mit ihrem Südstaatencharme. „Sie schmeicheln mir, Eure Hoheit.“

Sein Lächeln erinnerte sie an einen ausgehungerten Wolf, der einen Blick auf seine nächste Mahlzeit warf. Und bei Gott, wie sehr sie hoffte, seine Beute zu werden!

„Ist das Zimmer zu Ihrer Zufriedenheit?“, erkundigte er sich.

„Auf jeden Fall“, sagte sie. „Alles, was ich vom Schloss gesehen habe, ist atemberaubend.“

„Wollen Sie den Garten besichtigen?“

Lieber, als er es sich vorstellen konnte. „Oh ja, sehr gern.“

Er bot ihr seinen Arm an, und als sie ihren darunter schob, war sie sich erneut der aufregenden Nähe und Anziehungskraft bewusst, die von diesem Mann ausging. Die Hitze in seinem Blick verriet ihr, dass es ihm ähnlich erging.

Er führte sie die Treppe hinunter und deutete dabei auf dies und das, und meistens waren es Erbstücke, die seit Jahrhunderten im Besitz der Familie waren. Melissa dachte daran, wie wenig ihr von ihrer eigenen Familie geblieben war. Nachdem ihre Mutter und der Mann, den sie für ihren Vater gehalten hatte, ums Leben gekommen waren, hatten ihr Onkel und ihre Tante deren ganzen Besitz versteigert und den Erlös zu einem Treuhandvermögen zusammengefasst. Statt des Geldes hätte Melissa allerdings viel lieber die persönlichen Gegenstände behalten, um etwas zu haben, das sie an ihre Eltern erinnerte.

Noch nicht einmal die Fotos und Alben waren ihr geblieben, die ihre Mutter sorgfältig gehütet hatte. Vermutlich waren sie fortgeworfen worden, weil man sie für wertlos gehalten hatte. Ihre einzige Erinnerung bestand aus einem kleinen Schnappschuss, der nur wenige Wochen vor dem Unfall entstanden war und Melissa gemeinsam mit ihren Eltern zeigte.

„Es muss wunderbar sein, so sehr mit seiner Familie verbunden zu sein“, sagte sie.

Er zuckte mit den Schultern. „Ich schätze, das hängt immer vom Blickwinkel ab.“

„Ich jedenfalls finde es ziemlich gut.“ Sie hatte gehofft, zu ihren Halbgeschwistern so eine Verbundenheit aufzubauen, aber irgendwie fehlte etwas. Obwohl sie sich wirklich darum bemühten, sie mit einzubeziehen, fühlte sie sich immer noch wie eine Außenseiterin. Vermutlich würde das immer so bleiben.

Sie war die Älteste von ihnen und hatte, unehelich oder nicht, ein Recht auf die Krone. Aber obwohl sie schriftlich beeidigt hatte, Phillip niemals den Thron streitig zu machen, glaubte sie nicht, dass ihre Geschwister ihr vollständig trauten. Vielleicht eines Tages. Oder auch nicht.

Chris führte sie durch einen riesigen Raum zu einer Hintertür auf eine Schieferterrasse. Diese war von einem sorgsam gepflegten Garten umgeben, der so farbenfroh war, dass Melissa vor Bewunderung der Atem stockte.

„Großartig!“, brachte sie hervor. Auf der Terrasse standen Stühle, Chaiselongues und schmiedeeiserne Tische. Sie konnte sich gut vorstellen, morgens hier zu sitzen und Kaffee zu trinken oder am Nachmittag in Ruhe ein Buch zu lesen. Mit geschlossenen Augen atmete sie die salzige Meeresluft tief ein und lauschte den Wellen, die in der Ferne gegen den felsigen Steilhang schlugen.

Das war wie im Paradies.

„Sind Sie oft hier draußen?“, wollte sie wissen.

Er schüttelte den Kopf. „Nein, nur sehr selten, aber manchmal macht Louisa ihre Yogaübungen hier.“

Melissa wusste, dass sie bei schönem Wetter jeden Tag an diesem Ort hier verbringen würde, wenn sie im Schloss wohnen würde. Aber natürlich war das leicht gesagt, denn sie hatte auch nicht annähernd so viel Zeit in ihren Gärten in New Orleans verbracht, wie sie es gern getan hätte. Immer hatte es irgendwelche dringenden Geschäfte gegeben, die ihre Aufmerksamkeit erfordert hatten.

„Können wir zu den Felsen gehen?“, fragte sie.

„Natürlich.“ Sie hakte sich bei ihm unter, und gemeinsam gingen sie über einen gewundenen, mit Sandstein gepflasterten Pfad durch die Gärten. Sie war genauso beeindruckt von seinem Wissen über zahlreiche Blumenarten und Stauden wie von der Stärke seines Armes und seiner beruhigenden Gegenwart. Obwohl Melissa sich in fast jeder Situation zu behaupten wusste, mochte sie es gelegentlich genauso gern, verwöhnt und umgarnt zu werden.

„Kann ich Sie etwas Persönliches fragen, Melissa?“

Sie wusste auch jetzt schon, was ihm auf dem Herzen lag. Sie hörte es an seiner Stimme und sah es an der Neugier, die in seinen Augen flackerte. Genau diesen Blick hatte sie in der letzten Zeit von vielen Menschen zu sehen bekommen.

„Lassen Sie mich raten: Sie fragen sich, ob es ein Schock für mich war zu erfahren, dass ich die uneheliche Tochter eines Königs bin?“

Er lächelte verlegen. „So was in der Art, ja.“

Melissa schämte sich keinesfalls dafür. Sie konnte ja auch nicht verantwortlich für das sein, was ihre Mutter getan hatte, die sie vor dreiundzwanzig Jahren verloren hatte. Und für die Taten ihres Vaters, den sie niemals kennengelernt hatte. Auch zögerte sie nicht, darüber zu sprechen, denn was machte es für einen Sinn, etwas zu verheimlichen, was ohnehin schon jeder wusste. Das würde nur bedeuten, das Offensichtliche zu leugnen. Sie war nun einmal die, die sie war, und die Leute konnten es akzeptieren oder es lassen, sie lieben oder hassen.

„Ich habe mich ein bisschen so wie in Plötzlich Prinzessin gefühlt“, gestand sie.

Er sah sie verwundert an. „Plötzlich Prinzessin?“

„Ein Film. Natürlich war ich ziemlich verblüfft, denn ich hatte vorher nicht den blassesten Schimmer, dass ich nicht die Tochter meines Vaters sein könnte.“

„Haben Sie es Ihren Eltern übel genommen, Ihnen nicht die Wahrheit erzählt zu haben?“

„Teilweise schon. Aber um ehrlich zu sein, ich hatte keinen Grund, mich zu beklagen. Falls mein Vater gewusst hat, dass ich nicht seine Tochter war, so hat er es mich nie spüren lassen. Ich hatte eine sehr glückliche Kindheit. Und mein richtiger Vater … ich glaube, er hat mir einen großen Gefallen getan, indem er sich nicht in mein Leben eingemischt hat. Obwohl ich es gut gefunden hätte, wenn er mich nach dem Tod meiner Eltern zu sich genommen hätte. Ich verstehe aber, warum er es nicht getan hat.“

„Nach dem Tod Ihrer Eltern waren Sie bestimmt sehr unglücklich.“

Seine Offenheit überraschte sie ein wenig. Die meisten Menschen vermieden es, davon zu sprechen. Beinah kam es ihr so vor, als würde er sie testen, um zu sehen, wie stark sie wirklich war.

„Um Nietzsche zu zitieren“, erwiderte sie, „das, was mich nicht umbringt, macht mich nur noch stärker.“

Chris lächelte. „Ich glaube, er hat auch gesagt: Kein Preis ist zu hoch für das Privileg, sein eigener Herr sein zu dürfen.“

Und sie war ihr eigener Herr, trotz allem, was vorgefallen war. Sie bestimmte ihr Leben, ihr Schicksal und würde alles daran setzen, es auch in Zukunft zu tun.

Am Ende des Pfades öffnete sich die Gartenanlage dem steinigen, scheinbar endlos langen Steilufer. Vom Rand aus sah man nichts außer wolkenlosen Himmel, das blau schimmernde Meer und in der Ferne die Küste von Morgan Isle. Auf dem Meer zwischen den Inseln waren Fischerboote auszumachen, und vor der Küste von Morgan Isle fuhren einige moderne Touristenschiffe.

Vorsichtig trat sie an die Felskante heran und spähte neugierig in die Tiefe zu den zerklüfteten Felsen. Sie lagen schätzungsweise zwanzig Meter unter ihr, und sie konnte keinen Abstieg entdecken. Fragend sah sie zu Chris. „Gibt es einen Weg nach unten?“

Er schüttelte den Kopf. „Weit und breit nicht. Es geht wirklich steil zum Wasser hinunter. Taktisch gesehen, war es für meine Vorfahren der ideale Platz, um ein Schloss zu bauen. Mögliche Angreifer hätten ihre Schiffe Meilen entfernt von hier anlanden müssen, um an Land zu kommen.“

Sie beugte sich weiter vor, um einen Blick über den scharfkantigen Felsvorsprung zu erhaschen.

„Seien Sie vorsichtig!“, warnte er sie mit besorgter Stimme.

„Ich bin immer vorsichtig.“ Zumindest meistens.

„Sie haben anscheinend keine Höhenangst.“

Sie zuckte mit den Schultern und trat wieder zurück. „Ich habe eigentlich vor gar nichts Angst.“

Er sah sie voller Neugier an. „Jeder hat vor irgendetwas Angst.“

Sie dachte einen Moment nach und sagte dann: „Tausendfüßler.“

„Tausendfüßler?“, fragte er belustigt.

„All diese Beine.“ Sie erschauderte. „Das ist wirklich gruselig.“

„Dann brauchen Sie sich vor nichts zu fürchten“, bemerkte er, während er sie wieder zum Schloss führte. „Hier gibt es nicht viele Tausendfüßler.“

Aber es gab noch eine andere Sache, vor der sie Angst hatte, mehr sogar als vor einer ganzen Horde Tausendfüßler.

Sie hatte Angst davor, sich in Prinz Christian zu verlieben und an gebrochenem Herzen zu leiden, wie schon so viele Male zuvor.

3. KAPITEL

Melissa und Chris schlenderten zum Schloss zurück. Sie sprachen über das Wetter und darüber, was für Blumen und Feldfrüchte auf der Insel wuchsen. Und er genoss ihre anregende und angenehme Gesellschaft. Sie war an allem aufrichtig interessiert und lauschte aufmerksam seinen Erklärungen. Doch als sie am Irrgarten vorbeikamen, leuchteten ihre Augen vor Aufregung und sie blieb neben dem Eingang stehen. „Er ist noch viel höher, als ich dachte.“

„Ungefähr drei Meter“, entgegnete Chris. „Ein ganzes Team von Gärtnern braucht einen Tag, um ihn in Form zu bringen.“

„Das lohnt sich auf jeden Fall.“

„Er ist einige hundert Jahre alt.“

Ihre Augen glänzten vor Abenteuerlust. „Können wir reingehen?“

„Soll ich Sie durchführen?“

„Oh nein, ich möchte es selbst versuchen.“

Chris schaute auf seine Uhr. „Leider haben wir jetzt keine Zeit. Meine Eltern erwarten uns vor dem Abendessen zu einem Drink.“

„Wie lange dauert das denn normalerweise?“

„Was? Die Drinks oder das Abendessen?“

Sie lachte. „Nein, der Irrgarten.“

„Wenn Sie den Weg wissen, nicht lange. Vielleicht zehn Minuten. Ein Anfänger kann sich aber leicht verirren, ich habe Leute schon Stunden in dem Garten herumlaufen sehen.“

Sie lächelte ihn übermutig an. „Ich wette, dass ich ohne Probleme durchfinde.“

„Das ist schwieriger, als Sie denken.“

„Ich habe einen sehr guten Orientierungssinn. Und ich liebe die Herausforderung.“

Er bezweifelte nicht, dass sie mutig war, und das mochte er an ihr. Seiner Meinung konnte nur eine starke und unabhängige Frau mit einer Vernunftehe zurechtkommen. Melissa schien diese Voraussetzung zu erfüllen. Er hoffte nur, dass sie das genauso sah.

„Ich glaube trotzdem, wir sollten es sicherheitshalber ein anderes Mal versuchen.“

Sie war sichtlich enttäuscht, bestand aber nicht weiter darauf. Pflicht war nun einmal Pflicht, damit schien sie sich abzufinden. Ein weiterer Pluspunkt, wie er fand.

„Dann morgen?“, wollte sie wissen.

„Natürlich.“

Sie blinzelte ihn unter ihren langen, dunklen Wimpern hervor an, und ein listiges Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. „Versprochen?“

„Ich stehe zu meinem Wort“, versprach er.

„Sie wissen bestimmt, dass man behauptet, es gibt keine Ritterlichkeit mehr.“

„Aber bestimmt noch auf Morgan Isle, oder?“ Er sah ihr tief in die Augen und glaubte für einen winzigen Moment, Kummer in ihnen aufflackern zu sehen. Entweder hatte er sich das nur eingebildet, oder sie war gar nicht so stark, wie sie die Leute gern glauben ließ.

„Sind Sie jetzt bereit für die Drinks mit meinen Eltern?“, erkundigte er sich.

„Eigentlich schon.“ Sie holte tief Luft. „Gibt es irgendetwas, was ich vorher wissen sollte? Es ist wichtig, dass ich einen guten Eindruck hinterlasse.“

„Seien Sie einfach Sie selbst, und ich bin mir sicher, dass meine Eltern Sie genauso bezaubernd und interessant finden wie ich.“

Melissas Lächeln verriet ihm, wie sehr ihr seine Antwort gefiel. „Ich mag Sie, Eure Hoheit“, gestand sie.

Er erwiderte das Lächeln. „Ich würde sagen, das trifft sich gut.“

„Warum?“

„Weil ich Sie ebenfalls mag, Prinzessin.“

Und es war genauso, wie Melissa befürchtet hatte: Drinks mit dem Königspaar bedeutete, dass sie nicht nur von Chris Eltern, sondern auch von seinem Bruder und den Zwillingsschwestern unter die Lupe genommen wurde. Anscheinend wollten sie alles über sie, ihre Halbgeschwister und Morgan Isle wissen. Sie versuchte, so ehrlich wie möglich zu antworten, ohne zu viel preiszugeben oder mit Informationen hinter dem Berg zu halten. Allerdings war sie erst so kurze Zeit mit ihrer neuen Familie zusammen, dass sie auf manche Fragen einfach keine Antwort wusste.

Zum Abendessen gab es ein Fünf-Gänge-Menü aus Meeresfrüchten, Biogemüse und frisch gebackenem Brot. Anschließend wurde ein Nachtisch serviert, der so köstlich war, dass Melissa beinah um Nachschlag gebeten hätte.

Obwohl sie noch nie besonders großen Wert auf Bio-Lebensmittel gelegt hatte, bemerkte sie jetzt aber den Unterschied. Sie glaubte, nie zuvor etwas Leckereres gegessen zu haben.

Um halb zehn war das Dinner beendet, und sie erwartete noch eine Runde Drinks, in der sie sich weiteren Fragen stellen musste. Stattdessen zogen Chris’ Eltern sich zurück. Der König sah erschöpft aus, und Melissa vermutete, dass das normal war, wenn man den ganzen Tag mit dem Regieren eines Landes zubrachte. Auch, wenn er noch nicht zum alten Eisen zählte, war er auch nicht mehr der Jüngste. Sie schätzte ihn auf Ende sechzig, war aber zu höflich, um sich nach seinem Alter zu erkundigen.

Ebenfalls entging ihr nicht, wie die Geschwister ihren Vater umhegten und ihm verstohlene Blicke zuwarfen, wenn sie sich unbeobachtet glaubten. Melissa wurde den Verdacht nicht los, dass mit der königlichen Hoheit etwas nicht stimmte und man nicht wollte, dass sie irgendwas bemerkte.

Nachdem alle – auch Aaron und die beiden Prinzessinnen – Gute Nacht gewünscht hatten, führte Chris sie aus dem Zimmer. Sie bezweifelte, dass seine Geschwister tatsächlich so zeitig schlafen gingen.

„Man zieht sich hier wohl früh zurück“, meinte sie, als sie an ihrer Zimmertür ankamen.

Er lehnte sich an den Türpfosten. „Das ist nun mal so in der Landwirtschaft: früh zu Bett, früh wieder raus.“

„Wenn ich in New Orleans um ein Uhr nachts ins Bett gekommen bin, konnte ich schon von Glück sagen. Andere Länder, andere Sitten.“

„Um ehrlich zu sein“, gestand er, „ich bin eigentlich auch eher ein Nachtmensch.“

„Möchten Sie noch für eine Weile mit reinkommen?“, fragte sie und deutete in ihr Zimmer. „Wir könnten etwas trinken und … reden.“

Er sah an ihr vorbei in das Schlafzimmer. Eine Lampe leuchtete neben dem Bett, und das Zimmermädchen hatte die Decken zurückgeschlagen. Ohne Zweifel sah es sehr einladend aus. „Ich würde ja gern, aber ich sollte besser nicht.“

„Na, sind Sie meiner schon überdrüssig?“, stichelte sie.

„Eigentlich eher das Gegenteil.“ Er kam einen Schritt auf sie zu, und in seinen Augen konnte sie deutlich das Verlangen sehen. „Würde ich heute Abend mit Ihnen in diesem Zimmer sein, dann würden wir mehr tun als nur reden, das wissen Sie genau. Ist es das, was Sie möchten?“

Obwohl der neugierige, leichtsinnige und auch einsame Teil von ihr diese Frage bejahen wollte, wusste sie, dass es nicht richtig sein würde. Schließlich hatte sie ihn vor einigen Stunden zum ersten Mal getroffen. Und sollte sie ihn nicht ein bisschen besser kennenlernen, bevor sie ihre Hormone für sich entscheiden ließ? Ehe sie sich in das Unvermeidliche ergab? Ihr war klar, dass sie mit Chris schlafen würde, bevor sie wieder zurück nach Morgan Isle flog.

Aber nicht heute Nacht.

„Nein.“ Sie trat einen Schritt zurück, um der Versuchung nicht zu erliegen, ihm die Arme um den Hals zu legen und in einem tiefen Kuss mit ihm zu verschmelzen.

Er wirkte zwar enttäuscht, aber nicht allzu überrascht. „Ich hatte mir überlegt, dass wir vielleicht morgen eine Inselbesichtigung machen. Dann können Sie sich die Stadt und die Felder ansehen, die uns gehören.“

Sie lächelte. „Sehr gern.“

„Wollen wir vorher zusammen frühstücken? Sagen wir gegen acht, falls Ihnen das nicht zu früh ist?“

Sie bezweifelte, dass sie lange schlafen würde, wenn sie überhaupt diese Nacht Schlaf fand. „Das wäre toll.“

„Gute Nacht, Melissa, erholen Sie sich gut.“

„Gute Nacht, Chris.“

Er führte Melissas Hand an seinen Mund und hauchte einen Kuss darauf. Für einen Moment glaubte sie, dass er sie umarmen und richtig küssen würde, aber dann ließ er ihre Hand wieder los. Er lächelte sie ein letztes Mal an, und sie konnte das Knistern in der Luft förmlich spüren, bevor er sich umdrehte und den Flur hinunterging.

Sie schloss die Tür und lehnte sich von innen dagegen. Wow. Ihr Herz schlug heftig, und sie fühlte sich wie berauscht von dem Gefühl, seine Lippen auf der Haut zu spüren.

Melissa war klar, dass sie von ihm träumen würde, falls sie wirklich einschlafen sollte. Sie zog ihr Lieblingsnachthemd aus Seide an – was außerdem auch noch sehr sexy war, obwohl das außer ihr niemand wusste. Weil sie jedoch überhaupt nicht müde war, checkte sie ihre E-Mails.

In ihrem Posteingang fand sie eine Nachricht von Phillip, in der er sich einfach nur erkundigte, ob sie mit dem König und der Königin gesprochen hatte. Kein Wort darüber, wie ihre Reise gewesen war, ob sie Spaß hatte oder warum sie die Bodyguards wieder nach Hause geschickt hatte. Melissa wurde das Gefühl nicht los, dass Phillip über ihr Fortgehen erleichtert war. Vermutlich bildete sie sich das nur ein, denn der König von Morgan Isle konnte nicht unbedingt herzlich genannt werden. Er ähnelte vermutlich ihrem Vater – mit Ausnahme seiner „Schlafgewohnheiten“, denn Phillip war seiner Ehefrau treu ergeben, während ihr Vater keine Gelegenheit ausgelassen hatte, fremde Betten zu erkunden.

Sie schrieb eine E-Mail, in der sie kurz über ihren bisherigen Aufenthalt berichtete. Dass sie beinah mit Prinz Christian im Bett gelandet wäre, behielt sie allerdings lieber für sich. Phillip wollte, dass sie sich mit der Königsfamilie von Thomas Isle eng anfreundete, und ganz besonders mit dem zukünftigen Herrscher, aber sie glaubte nicht, dass er dabei an eine so enge Beziehung gedacht hatte.

Nie war es ihre Art gewesen, mit jedem gleich ins Bett zu gehen, obwohl sie alles andere als prüde war. Vielleicht steckte ja doch mehr von ihrem Vater in ihr, als sie zugeben wollte.

Nachdem sie die E-Mail verschickt hatte, fiel ihr nichts Besseres ein, als ihr Lieblingskartenspiel auf dem Laptop zu öffnen, aber schon nach fünfzehn Minuten hatte sie jegliches Interesse daran verloren. Gelangweilt rollte sie sich ins Bett und versuchte zu lesen, doch sie konnte sich einfach nicht konzentrieren.

Sie bestellte in der Küche eine Tasse Kräutertee, aber auch die half nicht, ihre Nerven zu beruhigen. In New Orleans war ein Spaziergang im Garten im Mondschein immer ein todsicheres Mittel gegen Schlaflosigkeit gewesen. Sie bezweifelte, dass es irgendjemanden stören würde, wenn sie einen kleinen Ausflug unternahm. Wahrscheinlich würde es auch niemand mitbekommen. Im Gegensatz zu ihr schliefen die übrigen Schlossbewohner vermutlich tief und fest.

Sie zog ihren Morgenmantel über, öffnete die Tür und spähte in den Gang hinaus. Im Palast auf Morgan Isle war Tag und Nacht immer was los, entweder wollte eins der Kinder um Mitternacht gefüttert werden oder die Windeln gewechselt bekommen, oder einer der Wachleute machte seine Runden. Im Vergleich dazu war Sparrowfax Castle still und dunkel.

Melissa trat in den Flur und schlich nach unten bis zu der Nebentür, die zur Terrasse führte. Sie trat hinaus und spürte den warmen Schiefer unter den nackten Füßen. Die Luft war kühl und feucht, und der Vollmond warf sein silbernes, fast geisterhaftes Licht auf das Land. In der Ferne schlugen die Wellen sacht gegen die Klippen, aber ansonsten war die Nacht unheimlich still.

Im Osten, außerhalb des Gartens, ragte der Irrgarten unheilvoll aus der Dunkelheit hervor und schien sie zu sich zu rufen. Wenn es bei Tageslicht eine Herausforderung war, was für ein Nervenkitzel würde es dann sein, im Mondschein nach dem Weg zu suchen?

Sie sah zum Schloss, das im Dunkeln hinter ihr lag und dachte sich, warum zum Teufel eigentlich nicht? Schließlich hatte sie so etwas wie Ferien. Außerdem konnte nichts Schlimmeres passieren, als dass sie sich verlief und die ganze Nacht herumirrte.

Sie trat von der Terrasse auf das kühle, feuchte Gras und überquerte den Rasen bis zum Eingang des Irrgartens. Vor Aufregung begann ihr Herz schneller zu schlagen. Gleich würde sich herausstellen, ob sie sich selbst überschätzte.

Sie machte ein Schritt vorwärts, und es kam ihr so vor, als hatte der Irrgarten auf sie gewartet wie ein hungriges Tier auf seine Beute. Innen war es dunkel und ruhig, so als verschluckten die mächtigen grünen Wände jedes Geräusch von außen.

Sie wartete, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten und sie die erste Biegung des Weges vor sich erkennen konnte. Immer tiefer drang sie auf dem kühlen und feuchten Gras in das Labyrinth vor. Als sie um die erste Ecke bog, fand sie sich vor einem unheilvoll aussehenden Gang wieder. Während sie langsam weiterging, zählte sie ihre Schritte für den Fall, dass sie diesen Weg zurückgehen musste. Dann entdeckte sie einen weiteren Durchgang zu ihrer Rechten. Sollte sie ihren gegenwärtigen Kurs beibehalten oder dem Weg fo...

Autor

Kristi Gold
Mehr erfahren
Sandra Hyatt
<p>Nachdem Sandra Hyatt ihr Betriebswirtschaftstudium erfolgreich beendet hatte, entschloss sie sich erst einmal zu reisen. Ihre berufliche Laufbahn startete sie danach zunächst im Marketing. Doch dann erlebte sie einer dieser „Aha“- Momente und entdeckte während ihres Mutterschaftsurlaubs, dass das Schreiben von Liebesromanen ihrer wahren Bestimmung entspricht. Die Autorin liebt es,...
Mehr erfahren