Blitzhochzeit mit dem falschen Milliardär?

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Elodie Wallace hat sich geschworen, kein zweites Mal zu heiraten. Aber als ihre blutjunge Schwester zu einer Ehe mit dem Multimilliardär Ramon Fernandez erpresst wird, will sie das um jeden Preis verhindern. Sie wird deren Stelle einnehmen! Wütend stürmt sie in die Luxusvilla des Bräutigams. Doch als sie ihm bittere Vorwürfe macht, verspürt sie plötzlich eine unerklärliche Anziehung zu diesem umwerfend attraktiven Spanier, der sie arrogant anlächelt. Noch ahnt Elodie nicht: Sie hat den falschen Milliardär erwischt …


  • Erscheinungstag 16.09.2025
  • Bandnummer 2719
  • ISBN / Artikelnummer 9783751535083
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Natalie Anderson

Blitzhochzeit mit dem falschen Milliardär?

1. KAPITEL

Irgendwo im Herzen Londons ließ Elodie Wallace den Blick über elegante Hausfassaden schweifen. Hier lebten die Reichen und Schönen. Die bedeutendsten und mächtigsten Menschen der Welt – und vermutlich auch die korruptesten. Die Art von Menschen, deren Privilegien wie lästiges Unkraut durch die Jahrhunderte wucherten.

Zynisch? Ja, so war Elodie. Theatralisch? Sicherlich auch.

Denn in diesen Tagen brach das Unglück von allen Seiten zugleich über sie herein. Ihre Traumkarriere stand unheilvoll schwankend auf der Kippe, und im schlimmsten Fall würde sie die Lebensgrundlage ihrer Kollegin und besten Freundin Bethan mit in den Abgrund reißen. Und zu allem Überfluss war die Zukunft ihrer jüngeren Schwester Ashleigh gefährdet.

Elodie blieb keine Wahl. Sie musste sich in die Arena wagen, den Drachen besiegen und die Prinzessin retten. Vielleicht hätte sie Verstärkung mitbringen sollen. Doch Phoebe und Bethan, ihre treuen Genossinnen im Krieg um weibliche Selbstbestimmung, kämpften derzeit an ihren eigenen Fronten. Phoebe gönnte sich den ersten Urlaub ihres Lebens, während Bethan die Wunden einer schmerzlichen Enttäuschung leckte. Deshalb hatte Elodie ihnen weder von Ashleighs Anruf erzählt noch von dem Plan, der sie heute in diese exklusive Londoner Wohngegend führte.

Ein Schritt nach dem anderen.

Solche Klischees würden ihr helfen. Das taten sie immer. Elodie liebte es, Erwartungen auf den Kopf zu stellen. Darin lag ihre größte Stärke.

Entschlossen hob sie den Blick. Die Hausnummer prangte in schwarzen Ziffern auf zwei Marmorsäulen neben einem gusseisernen Tor. Hier war sie richtig. Natürlich bemerkte sie die Kameras. Dezent platziert, aber doch gut sichtbar. Diese Villa war wie eine Festung. Elodie nahm einen tiefen Atemzug, dann begann sie zu klettern. Niemand hielt sie auf. Jenseits des Zaunes führte ein Kiesweg auf die breite Haustür zu. Mit einem unverblümten Grinsen in die Überwachungskamera legte sie den Finger auf die Klingel.

Zu ihrer Überraschung wurde die Tür beinahe sofort geöffnet. Ein schwarz gekleideter Mann blickte mit ausdrucksloser Miene auf sie herab. Muskelbepackt, Knopf im Ohr. Sie bemerkte die Beule unter dem Jackett, die auf eine Waffe hindeutete. Vielleicht ging aber nur ihre blühende Fantasie mit ihr durch.

„Elodie Wallace“, stellte sie sich mit fester Stimme vor. „Ich möchte zu Ramon Fernandez.“

Sie war gut darin, anderen etwas vorzuspielen. Schließlich designte sie tagtäglich knifflige Escape-Rooms, die dazu anspornten, um die Ecke zu denken. Ihr selbstsicheres Auftreten hatte ihr außerdem Einlass in die exklusivsten Clubs der Stadt gewährt. Doch heute brauchte sie mehr Mut als je zuvor.

„Erwartet er Sie?“

„Ich bin die Schwester seiner Verlobten“, erklärte sie knapp. „Wir planen die Feierlichkeiten am kommenden Wochenende.“

Die Augenbrauen des Bodyguards zuckten kaum merklich. Sie hatte ihn kalt erwischt! Elodie selbst wahrte ihre kühle und höfliche Miene. Bluffen war eine Kunst, und zum Glück hatte sie ziemlich viel Übung darin. Lächelnd hielt sie seinem durchdringenden Blick stand. Seine Augen wurden schmal. Sicher erhielt er Anweisungen über den Knopf in seinem Ohr. Sie reckte das Kinn. Ramon Fernandez war irgendwo da drinnen, und sie würde sich nicht abwimmeln lassen! Zur Not würde sie sich an eine Säule ketten, und Zeter und Mordio schreien. Es ging schließlich um Ashleighs Zukunft!

Ihr Gegenüber sog hörbar die Luft ein. „Bitte treten Sie ein.“

Mit einem tiefen Atemzug überschritt Elodie die Schwelle. Vor ihr tat sich eine riesige Eingangshalle mit hohen Decken auf. Im Vergleich zur Sommerhitze draußen herrschten im Inneren der Festung angenehm kühle Temperaturen.

„Bitte nehmen Sie dort Platz.“ Der Butler, Bodyguard oder Meuchelmörder – wer auch immer er war – wies auf einen bequem aussehenden Sessel. „Señor Fernandez wird gleich für Sie Zeit haben.“

„Ich bleibe lieber stehen.“ Sie lächelte eiskalt, obwohl kleine Schauer ihre Wirbelsäule hinab prickelten. Ihr Herz klopfte hektisch, kalter Schweiß bedeckte ihre Haut.

Der Mann legte zwei Finger auf den Knopf in seinem Ohr.

„Bitte folgen Sie mir.“ Diesmal machte er keinen Hehl aus seiner Überraschung. „Señor Fernandez freut sich, Sie zu sehen.“

Das bezweifelte sie. Ramon Fernandez stand kurz davor, eine arrangierte Ehe mit ihrer jüngeren Schwester Ashleigh einzugehen. Diese Idee würde sie ihm ein für alle Mal austreiben! Obwohl sie noch nicht genau wusste, wie sie das anstellen sollte.

Während sie dem Bodyguard folgte, ließ sie den Blick schweifen. Sie hatte überbordende Dekorationen erwartet. Eine Galerie mit wertvollen Porträts in goldenen Rahmen, glänzende Skulpturen auf Marmorsockeln, handgewebte Teppiche, die mindestens hundert Jahre alt waren …

Doch an den schwarz gestrichenen Wänden hing nur hie und da ein schlichter Leuchter. Spärliche Beleuchtung. Dunkle Holzdielen. Dieser Weg schien tiefer und tiefer in eine Höhle zu führen. In den düsteren Rückzugsort eines gefährlichen Raubtiers.

Viel zu dramatisch …

Dies war keiner der Escape-Rooms, die sie entwarf, rief Elodie sich in Erinnerung. Sie zog die Ärmel ihres Blazers ein wenig weiter über die Handgelenke und wischte die feuchten Hände an ihrer Hose ab. Dies war das echte Leben. Und sie hatte sich für den bevorstehenden Kampf gerüstet: Ihr Make-up war tadellos, und unter dem schwarzen Blazer ihres maßgeschneiderten Anzugs trug sie einen Body mit orangen und goldenen Perlen. Zwar bissen die sich farblich mit ihrem roten Haar, aber dieser Kontrast war gewollt. So signalisierte sie Furchtlosigkeit. Sie scheute nicht davor zurück, die Regeln zu brechen. Sie war wagemutig und forsch. Ihr Erscheinen bedeutete eine unerwartete Herausforderung für jeden Gegner, möglicherweise sogar eine Bedrohung.

Im Grunde war auch ihr Outfit ein Bluff, doch jetzt ging es um alles. Heute hatte sie ihre Rüstung mit Wut gestählt.

„Señor Fernandez.“ Der Butler oder Bodyguard hielt an der Schwelle einer weit geöffneten Holztür inne. „Ms. Wallace ist hier.“

„Wundervoll!“

Wie affektiert! Wollte er sich über sie lustig machen?

Elodie erstarrte, als ihr unfreiwilliger Gastgeber hinter einem schmalen Schreibtisch hervortrat. Eisblaue Augen. Tiefschwarzes Haar. Die markantesten Wangenknochen, die sie je gesehen hatte. Kantig, männlich, imposant. Von seiner stattlichen Höhe herab musterte er sie mit dem scharfen Blick eines Adlers. Einen zeitlosen Moment lang stand sie reglos da. Bis er einen Schritt tat. Mit einem Mal wollte sie fliehen, aber sie konnte sich nicht bewegen.

Für den Bruchteil einer Sekunde hatte sie Hoffnung geschöpft. Sicher konnte dieser Mann nicht das Monster sein, das ihre Schwester am Telefon beschrieben hatte? Ashleigh hatte ihren zukünftigen Ehemann als schleimig und schwächlich bezeichnet, und außer seiner Londoner Adresse hatte Elodie im Internet nichts über ihn herausgefunden. So war sie keineswegs darauf vorbereitet, Ramon Fernandez nun in voller Größe und Perfektion gegenüberzustehen. Dieser Mann wirkte nicht wie ein mieser Schurke oder ein rückgratloser Günstling, der eine viel zu junge Frau zur Ehe nötigte. Nein, dieser Mann verkörperte die Hollywoodversion des edlen und starken Ritters.

Sie blinzelte.

Ramon Fernandez sah einfach atemberaubend aus. Selbst am helllichten Tag trug er einen Smoking. Abendgarderobe ließ die meisten Männer größer, breiter und eleganter wirken, aber dieser Anzug setzte noch eins drauf. Unter dem Stoff zeichnete sich sein wohlgeformter Körper ab, und er strahlte eine Klarheit aus, die anderen Männern fehlte. Was sie jedoch am meisten in den Bann schlug, war das Leuchten seiner Augen.

„Sie sind viel zu alt für sie“, hauchte sie. Der erste Gedanke, der ihr in den Sinn kam, drängte prompt über ihre Lippen.

Nicht nur zu alt! Zu reich. Zu schön. Zu erfolgreich. Zu selbstzufrieden.

Lässig trat er einen weiteren Schritt auf sie zu. Scheinbar entspannt und doch zum Angriff bereit. Er schien es zu genießen, sie zappeln zu lassen. Warum um alles in der Welt wollte sich dieser Mann eine viel zu junge Braut kaufen?

„Finden Sie?“ Sein Ton war beiläufig, als hielten sie Small Talk.

Also stimmte es. Er versuchte nicht einmal, das Arrangement abzustreiten. Bittere Enttäuschung erstickte den Hoffnungsschimmer in Elodies Herz, und ihre Wut kehrte mit Macht zurück. Dabei stand sie immer noch unter seinem Bann. Er war einfach überwältigend! So groß, so dunkel, so unglaublich gut aussehend. Sie durfte sich nicht täuschen lassen! Hinter dieser verführerischen Fassade lauerte der Teufel. Elodies Herz schlug heftig.

„Ihnen ist klar, dass sie erst vor Kurzem volljährig geworden ist“, schleuderte sie ihm hasserfüllt entgegen.

Wieder trat er einen Schritt näher. So nah, dass er gerade noch die Grenzen einer höflichen Unterhaltung wahrte. Nicht dass er sich etwas aus solchen Konventionen zu machen schien. Seine Überheblichkeit strahlte aus jeder Pore.

„Sie hat vor Kurzem erst die Schule abgeschlossen!“, rief Elodie in sein Schweigen hinein. „Sie ist wunderschön, ja. Aber sie ist ein Kind!“

Sein Blick wanderte zu den Perlen in ihrem Dekolleté. Er zog die Brauen hoch, während er sie musterte. Als wäre sie ein Ausstellungsstück. Zu ihrem Entsetzen reagierte ihr Körper ganz unwillkürlich. Sie errötete. Sie errötete wirklich! Unter seinem gnadenlosen Blick wallte Hitze in ihr auf. Heftig und unbeherrschbar. Wut! Was auch sonst?

„Haben Sie nichts dazu zu sagen?“

„Wir wollen die Feierlichkeiten am kommenden Wochenende besprechen. Welche Rolle spielt das Alter Ihrer Schwester?“

Einen Augenblick lang verschlug es ihr die Sprache. Dann überwältigte sie rasender Zorn. „Es sollte gar keine Verlobungsparty geben!“, empörte sie sich. „Wenn Sie auch nur einen Funken Anstand hätten, würden Sie diesen unsäglichen Deal canceln.“

Ohne den Blick abzuwenden, neigte er leicht den Kopf. „Welchen Deal?“

Ein leichtes Kräuseln umspielte seine Lippen. Der Anflug eines Lächelns, das sie beinahe um den Verstand brachte.

„Ich weiß Bescheid“, stieß sie hervor. In ihrem Körper tobte ein Feuer, das ihre Beherrschung restlos verbrannt hatte. „Ich weiß, dass Sie für diese Ehe zahlen.“

„Denken Sie das wirklich?“

Wie konnte er so kaltblütig sein?

Ihre Wut wuchs ins Unermessliche. „Sie investieren in das Hotel meiner Familie. Das ist verrückt! Es wirft seit Jahren keinen Gewinn ab. Warum lassen Sie sich darauf ein?“

Er blieb entspannt. „Sicher kennen Sie meine Erfolgsquote in der Branche.“

„Natürlich. Deswegen verstehe ich nicht, warum sie sich auf ein derart aussichtsloses Unterfangen einlassen.“

„Vielleicht liebe ich die Herausforderung.“

Wie konnte er so ruhig bleiben?

„Ist Ihnen langweilig? Brauchen Sie nur Ablenkung?“ Nun schwenkte sie auf Sarkasmus um. „Treten Sie einem Scrabble-Club bei. Oder besser noch: Buchen Sie einen Clown.“

Etwas Undefinierbares flackerte in seinem Blick auf. Doch er schwieg beharrlich.

„Nicht gut genug für Sie?“, höhnte sie. „Sie brauchen etwas Besseres, stimmt’s?“

Wieder kräuselten sich seine wunderschön geschwungenen Lippen. Doch er erwiderte nichts.

In schierem Unglauben schüttelte sie den Kopf. „Warum wollen Sie überhaupt heiraten? Wollen Sie Ihr Image aufpolieren? Vergessen Sie’s! Das werde ich Ihnen gründlich vermiesen.“ Ihr fiel keine andere Strategie ein, als ihn zu beschämen. „Ich werde die Medien einschalten. Einen Skandal verursachen. Und ich werde …“

„… Ihre eigene Familie in den Schlamm ziehen?“

Sie verstummte. Offensichtlich wusste er nicht, in welch tiefen Schlamm sie ihre Familie bereits gezogen hatte. Damals, mit neunzehn, als ihr Vater sie in die Arme eines Mannes getrieben hatte, den sie nicht liebte.

Zeit ihres Lebens hatten Elodie, ihre Schwester und ihre Mutter sich dem Willen des Vaters gebeugt. Lange hatte sie seinen Kontrollwahn für normal gehalten. Sie hatte im Hotel mitgearbeitet und war davon ausgegangen, dass sie einmal den Managerposten übernehmen würde.

Dann war Callum Henderson aufgetaucht, der Sohn des Bürgermeisters. Drei Jahre älter als Elodie. Zu ihrer Überraschung hatte es ihrem Vater nichts ausgemacht, dass er sich häufig mit Elodie unterhielt. Er hatte sie sogar aufgefordert, besonders nett zu ihm zu sein. Zum ersten Mal hatte sie das Gefühl gehabt, es ihm recht zu machen.

Der Heiratsantrag war aus heiterem Himmel gekommen. Callum hatte im Beisein ihrer Eltern und der halben Hotelbelegschaft um ihre Hand angehalten. Die Augen ihres Vaters hatten geleuchtet. Seine Tochter sollte sich geehrt fühlen, dass ein Mann wie Callum sich mit einem Mädchen wie ihr abgab.

Bis zu diesem Moment war Elodie noch nicht einmal in den Sinn gekommen, dass Callum mehr für sie empfand als Freundschaft. Natürlich hatte sie sich geschmeichelt gefühlt, wenn er sich mit ihr unterhielt. Sie hatte geglaubt, dass er sich wirklich für ihre Ideen interessierte.

Am Tag nach der Verlobung hatte ihr Vater seinen neuen Schwiegersohn zum Manager befördert. Nach der Hochzeit hatte Callum das Hotel renoviert. Elodie hatte sich seinen Plänen gefügt, und erst als es beinahe zu spät war, hatte sie die Flucht ergriffen.

„Also?“ Ramon Fernandez wartete auf eine Antwort. „Wie weit wollen Sie gehen, um die Verlobung Ihrer Schwester zu lösen?“

„So weit, wie ich muss.“ Hastig blinzelte sie die schamerfüllten Erinnerungen fort. Sie sollte jetzt nicht an sich selbst denken. Es ging um Ashleigh! Sie konnte dem Vater nicht selbst entgegentreten. Das verstand Elodie nur zu gut. „Aber sagen Sie mir: Was ist so abstoßend an Ihnen, dass Sie sich eine Braut kaufen müssen?“

Wieder umspielte dieses langsame Kräuseln seine vollen Lippen. Sanft neigte er den Kopf. „Sag du es mir“, lud er sie flüsternd ein. „Wie abstoßend findest du mich?“

Wie überheblich er war! Wie unverfroren!

„Blas die Hochzeit ab!“ Sie erwiderte sein plötzliches Du.

„Dann wird deine Familie …“

„… das Hotel verlieren.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Das ist mir egal. Ashleigh steht nicht zum Verkauf.“

„Ashleigh“, wiederholte er versonnen. „Sie hat dich gar nicht erwähnt.“

Natürlich nicht. Für ihre Familie existierte Elodie nicht mehr. Ashleigh hatte sich das Telefon einer Freundin leihen müssen, um mit ihr in Kontakt treten zu können.

„Das hätte sie nie gewagt.“

Endlich blickte er ernst drein. „Weil du eine Gefahr für den Deal bist.“

„Ja.“

Das atemberaubende Blau seiner Augen verschwand beinahe, als seine Pupillen sich weiteten. Unwillkürlich sank sie in ihre unergründlichen Tiefen. Angezogen und angetrieben von einer nie gekannten Macht. Ein Prickeln breitete sich auf ihrer Haut aus. Zu ihrem Entsetzen musste sie sich eingestehen, dass das Feuer in ihrem Inneren nicht nur von ihrer Wut geschürt wurde. Ihr Puls raste. Eine Welle türmte sich auf, der sie nichts entgegenzusetzen hatte. Und schon brach sich ihr Verlangen ungehindert Bahn. So etwas hatte sie noch nie erlebt! So plötzlich. So überwältigend. So unangemessen. Verzweifelt sog sie die Luft ein.

„Und du bist eine Gefahr für mich.“ Mit einem Mal war er ganz nah.

„Ganz genau!“ Sie bluffte. Das Gegenteil war der Fall: Er war eine Gefahr für sie. Trotzdem durfte sie jetzt keinen Rückzieher machen! Sie musste sich diesem Gegner stellen. Auch wenn er seine eigenen Ziele verfolgte – ohne Umschweife, ohne Reue, ohne nur einen Gedanken an die Gefühle anderer zu verschwenden. Wie ein Reh im Scheinwerferlicht harrte sie aus. Nicht mehr als einen Herzschlag von ihm entfernt.

„Wie genau?“, hauchte er.

Zu ihrem Erstaunen schien auch sein Gesicht leicht gerötet. Sein Blick ruhte auf ihren Lippen. Er wollte sie küssen! Instinktiv öffnete sie den Mund. Nur ein klein wenig. Um Luft zu holen. Seine Nähe raubte ihr den Atem, doch sie wich nicht zurück. Sie würde sich nicht von ihm einschüchtern lassen! In dem Moment nahm sie einen Hauch seines kräftigen, erdigen Dufts wahr. Seine langen Wimpern senkten sich, und mit einem Mal waren seine Lippen nur eine Atemlänge von den ihren entfernt.

Mit dem letzten Funken Widerstand entzog sie sich ihm.

„So leichtfertig würdest du deine Verlobte hintergehen?“

„So leichtfertig würdest du deine Schwester hintergehen?“

„Ich hintergehe sie nicht. Ich würde alles tun, um diese Verlobung zu unterbinden.“

Ja, sie würde sich sogar zwischen ihn und ihre Schwester drängen.

Seine Lippen verzogen sich zu einem triumphierenden Lächeln. Mit einem seltsamen Glitzern in den Augen sah er sie an. Sie befeuchtete ihre Lippen. Er hatte nicht vorgehabt, sie zu küssen. Er hatte sie auf die Probe gestellt. Und dass sie nun eine gewisse Enttäuschung verspürte, war fürchterlich.

„Du liebst sie nicht.“

„Nein.“

Wie konnte er so hart und brutal sein? Eine wilde Mischung aus Schmerz, Zorn und Demütigung wallte in ihr auf. Wie konnte er – wie konnten ihre Eltern – so gewissenlos handeln?

„Also ist Ashleigh nur ein Bauernopfer in deinem abgekarteten Spiel.“ Hasserfüllt funkelte sie ihn an.

„Wäre es so schlimm, mit mir verheiratet zu sein?“

Er war noch immer viel zu ruhig.

„Offensichtlich. Warum sonst solltest du einen Deal brauchen, um eine Frau zu finden?“

Sein Grinsen machte sie nur noch rasender.

„Dir geht es nur um dich selbst!“, brach es aus ihr hervor. „Um deine Bedürfnisse. Deinen Status. Deine Privilegien.“

„Vielleicht hätte es ja auch Vorzüge, mit mir verheiratet zu sein?“

„Keine, die es wert wären.“ Jedenfalls nicht Ashleighs Unschuld, ihre Freiheit und ihre Träume.

Elodie selbst hatte hart für ihre Freiheit gekämpft. Sie hatte schreckliche Dinge erlebt und ebenso schreckliche Dinge getan. Aber sie konnte noch mehr aushalten, wenn sie damit ihre Schwester rettete.

„Du möchtest heiraten“, fasste sie zusammen. „Im Prinzip ist egal, wer die Unglückliche ist.“

Er betrachtete sie mit ausdrucksloser Miene. „Was schlägst du vor?“

Ramon Fernandez sah umwerfend gut aus. Er verfügte über unvorstellbaren Reichtum, doch ihm fehlte jegliches Mitgefühl. Trotz allem wurde Elodie von nie gekannten Gefühlen überwältigt. Begehren. Sehnsucht. Und eine ebenso unstillbare Wut. Vielleicht war es diese brisante Mischung, von der sie sich hinreißen ließ, als sie im nächsten Moment sagte: „Wenn du so verzweifelt bist, kannst du auch mich heiraten.“

2. KAPITEL

Juan Ramon Fernandez spannte jede Faser seines Körpers an. Nicht weil er sonst zurückgewichen wäre. Vielmehr verspürte er einen unbändigen Drang, diese Fremde an sich zu ziehen und das unerwartete Angebot mit einem feurigen Kuss zu besiegeln.

Er wollte nicht heiraten. Er hatte noch nie eine Ehefrau gewollt. Doch er konnte nicht leugnen, dass er unter den gegebenen Umständen sehr wohl eine brauchte. Das war der einzige Grund, warum er ihrem Angebot mit einigen expliziten Worten zustimmte. Warum er sie in seine Arme zerren wollte, bevor sie es sich anders überlegte. Warum er sie zum nächsten Altar tragen wollte, und zwar sofort! Und warum ihn das unerwartet froh stimmte. Denn wenn sie erst verheiratet wären, könnte er endlich das Bett mit ihr teilen.

Glücklicherweise bannte ihn die tiefe Verachtung in Elodie Wallaces Blick an Ort und Stelle. Nichts anderes hätte die Welle der Leidenschaft, die sich in seinem Inneren auftürmte, einzudämmen vermocht.

Leidenschaft? Wohl eher Besessenheit. Einen Augenblick lang war er wie von Sinnen gewesen. Nun riss er sich los und stakste zu der gläsernen Anrichte hinter seinem Schreibtisch.

„Möchtest du etwas trinken?“, fragte er mit etwas wackeliger Stimme. Am liebsten würde er direkt aus der Flasche trinken. Doch damit hätte er seinen Kontrollverlust allzu offensichtlich zur Schau gestellt.

„Ich werde nicht gehen, bevor du Ashleigh nicht aus diesem widerlichen Deal entlassen hast.“

Er goss vier Fingerbreit Whiskey in ein Glas, bevor er sich der rothaarigen Furie wieder zuwandte. Sie hatte Mut, das musste er ihr lassen. Forsch war sie … und unglaublich schön. Der Kristallleuchter musste kürzlich entstaubt worden sein, oder vielleicht hatte Piotr die Birnen gewechselt. Jedenfalls glitzerte das Licht so intensiv auf ihrer Haut, dass es aussah, als leuchte sie von innen. Und wenn sie in ihrer Wut und Verachtung den Kopf schüttelte, fiel ihre rote Mähne wie ein feuriger Wasserfall über ihre Schultern. Er konnte seinen Blick nicht von ihr wenden. Was wiederum ein weiterer Kontrollverlust war, der ihm ganz und gar nicht gefiel.

Aber wem redete er da etwas ein? Sie gefiel ihm. Und sie bot eine willkommene Abwechslung. Denn auch in ihm tobte der Zorn. In Wahrheit konnte er ihre Schwester nicht aus dieser Verlobung entlassen, denn da hatte seine Tante ihre Finger im Spiel. Offenbar gab sie sich nicht mit ihrem Anteil des Firmenvermögens zufrieden und benutzte nun ihren Sohn, um das wertvollste Juwel in der Schatzkiste zu stehlen.

„Ich meine es ernst“, erklärte Elodie trotzig und warf den Kopf in den Nacken. Das Licht funkelte auf ihrem Haar.

Vergnügen ergriff ihn. Ein Gefühl, das er sich versagte, da es auf gefährliche Weise mit Lust verknüpft war. Er nippte an seinem Whiskey. Normalerweise trank er nicht. Doch er hoffte, der Alkohol würde das drängende Begehren unterdrücken, das sich all seiner Sinne bemächtigte. Er trank einen größeren Schluck. Dann gab er auf. Nur eine drastische Aktion konnte dieses Problem lösen.

„Piotr!“, rief er laut. „Planänderung“, erklärte er brüsk, als sein Assistent erschien. „Ich bleibe zu Hause. Bitte bereiten Sie ein Abendessen für zwei, und richten Sie das Gästezimmer her.“

Heimliche Freude regte sich in seinem Herzen, als sie ihn entsetzt ansah. Doch nur einen Augenblick später erlangte sie ihre Fassung zurück.

„Das Gästezimmer?“ In ihrer Stimme triefte eiskalter Hohn.

„Ein gemeinsames Schlafzimmer halte ich für verfrüht. Aber wenn es dir lieber ist, bist du herzlich eingeladen“, schnurrte er.

Sie starrte ihn mit offenem Mund an. „Du bist …“ Sie klappte den Mund zu.

Auch ihm fehlten die Worte. Er konnte nur still in sich hinein fluchen.

Ramon gab gerne zu, dass sein durchgetaktetes Leben ziemlich eintönig war. Aber er hatte sich bewusst dafür entschieden. Gier – der Hunger nach Ausschweifung in all ihren Formen – war der Fluch seiner Familie. Das maßlose Liebesleben seines Vaters hatte die Familie zerstört. Und als Ramon einen ähnlich nagenden Appetit in sich entdeckte, hatte er diese Energie ganz auf seine Arbeit gerichtet. So war es ihm gelungen, das Familienunternehmen aus seiner angespannten Lage zu holen und zu ungeahnten Erfolgen zu führen. Zwar mochte er die Fernandez-Gene geerbt haben. Aber er würde keiner Frau solches Leid antun wie sein Vater seiner Mutter.

Deshalb ließ sich Ramon nie auf langfristige Beziehungen ein. Die meisten Frauen schätzten es ohnehin nicht, dass seine Arbeit an erster Stelle stand. Oder dass er viel allein reiste. Nahm seine Lust überhand, gönnte er sich hin und wieder einen One-Night-Stand. Aber der letzte lag lange zurück. Vielleicht verdrehte ihm diese forsche Schönheit deswegen den Kopf? Schon als sie in die Sicherheitskamera geblickt hatte, war er von Sinnen gewesen. Als sie auch noch behauptet hatte, sie sei die Schwester seiner Verlobten, hatte er nicht widerstehen können. Er wollte hören, was sie zu sagen hatte. Indem er wenig zugab und ihren Zorn weiter anfachte, hatte er allmählich verstanden, worum es ging: Ihre Schwester sollte seinen Cousin heiraten. Damit machte seine Tante einen Riesenfehler. 

Elodie presste ihre üppigen Lippen aufeinander. Öffnete sie leicht, wie um etwas zu sagen. Doch sie schien immer noch keine Worte zu finden. Eine leichte Röte überzog ihre Wangen, und zu seinem Entsetzen fühlte er eine ähnliche Hitze in sein Gesicht steigen.

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