Collection Baccara Band 396

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Reese Ryan

Süßer Rausch in starken Armen

Savannah will Rache! Die Abbotts haben ihrem Großvater ein Bourbon-Rezept gestohlen und damit ein Vermögen gemacht. Um das zu beweisen, nimmt sie einen Job in der Whiskey-Brennerei der Familie an, und trifft auf Blake Abbott. Ihren Feind - der berauschend sexy ist…

Joanne Rock

Karibische Liebesnächte mit dem Boss

Immer freundlich und geduldig: Auch bei dem anspruchsvollen neuen Gast verliert die hübsche Hotelangestellte Maresa nie die Nerven. Doch dann erfährt sie schockiert, dass es sich um Cameron McNeill handelt - ihren Boss. Und der hat einen skandalösen Wunsch!

Jessica Lemmon

Sommer, Sonne und ein Traummann

"Das ist meine Verlobte." Wie bitte? Penelope verschluckt sich fast an ihrem Champagner! Aber das freche Lächeln des attraktiven Milliardärs lässt keinen Zweifel: Zachary will, dass alle auf der Party sie beide für ein Paar halten. Soll Penelope einfach mitspielen?


  • Erscheinungstag 14.08.2018
  • Bandnummer 396
  • ISBN / Artikelnummer 9783733724993
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Reese Ryan, Joanne Rock, Jessica Lemmon

COLLECTION BACCARA BAND 396

REESE RYAN

Süßer Rausch in starken Armen

Seit die schöne Savannah in der Whiskey-Destillerie seiner Familie arbeitet, ist Juniorchef Blake Abbott verrückt nach ihr. Er will sie! Als sie beide wegen einer Überschwemmung ein Wochenende lang von der Außenwelt abgeschnitten sind, erfüllt sich sein heißer Wunsch. Aber Blake ahnt nicht, dass Savannah sich an seiner Familie rächen will …

JOANNE ROCK

Karibische Liebesnächte mit dem Boss

Boss undercover: Als anspruchsvoller Gast getarnt, will Cameron McNeill herausfinden, wie gut der Service in seiner exklusiven Hotelanlage ist. Tatsächlich macht Maresa einen hervorragenden Job, dazu ist sie umwerfend attraktiv und hat verführerische Kurven … Plötzlich regt sich ein Wunsch in Cameron, der über Minibar und Wellness weit hinausgeht!

JESSICA LEMMON

Sommer, Sonne und ein Traummann

Sie ist süß und hat Temperament – eine Liebesnacht mit der bildhübschen Penelope ist für Zachary genau das Richtige. Doch eine Nacht ist nicht genug. Kurzerhand gibt er Penelope auf einer Party als seine Verlobte aus. Und schon ist sie offiziell seine Geliebte! Allerdings kann auch ein Milliardär wie er nicht alles kaufen …

1. KAPITEL

Blake Abbott rieb sich die Stirn und stöhnte. Viel lieber wäre er jetzt in seiner Destillerie, um die neue Produkteinführung vorzubereiten, statt sich erneut mit den Daten der Marktanalyse herumzuschlagen. Denn die Destillerie war der Ort der Magie, wo die Herstellung ihres weltberühmten Bourbons stattfand.

Seine Assistentin Daisy klopfte an die offene Bürotür. „Blake, vergessen Sie nicht das Bewerbungsgespräch für die Stelle des neuen Eventmanagers. In fünfzehn Minuten ist es so weit.“

Er fluchte leise. Sein Bruder Max hatte ihn darum gebeten, das Gespräch durchzuführen. Eigentlich fiel dieser Job in dessen Bereich, denn seine Aufgabe war das Marketing. Aber Max war auf einer Messe in Vegas und flirtete in diesem Moment wahrscheinlich heftig herum, während er, Blake, im Büro schuften musste.

Ihre Mutter – die sich normalerweise um besondere Events kümmerte – war in Florida, um ihrer Schwester nach einer Operation beizustehen.

Verdammt, wieder mal bleibt alles an mir hängen.

Dabei gab es wesentlich wichtigere Dinge, um die er sich kümmern müsste. Sie waren zwei Wochen im Verzug mit der limitierten Sonderproduktion von Moonshine, dem Whiskey, mit dem sie das fünfzigste Jubiläum von King’s Finest Distillery feiern wollten. Was einst von ihrem Urgroßvater in den Hügeln von Tennessee als nächtliche Schwarzbrennerei begann, hatte sich unter ihrem Großvater zu einer legalen Destillerie für hochwertige Spirituosen entwickelt.

Und wie hätte man ihr goldenes Jubiläum besser feiern können, als noch einmal den Whiskey herzustellen, mit dem alles angefangen hatte?

Diese Operation in Gang zu setzen war wesentlich wichtiger, als einen überbezahlten Partyplaner anzustellen. Blake stöhnte, er studierte weiterhin die Zahlen auf dem Monitor. „Ist es zu spät, um das Interview zu verschieben?“

„Technisch gesprochen? Nein“, kam die Antwort einer leicht heiseren Frauenstimme mit schleppendem Südstaatenakzent. „Aber nun bin ich ja schon da.“

Überrascht sah er auf. Als er das Lächeln der Frau und ihre braunen Augen sah, die in der Sonne funkelten, stieg augenblicklich seine Körpertemperatur.

Ihr dunkles Haar war zu einem Knoten gebunden. Und falls sie das graue Businesskostüm trug, um von ihren spektakulären Formen abzulenken, so gelang ihr das in keiner Weise.

„Blake, tut mir leid“, erklärte Daisy, deren Wangen gerötet waren, und sah die Frau nervös an. „Ich hätte wohl …“

„Ist schon okay, Daisy.“ Blake unterdrückte nur mit Mühe ein Grinsen. Er stand auf und ging auf die unbekannte Frau zu. „Ich übernehme ab hier, danke.“

Seine Assistentin drückte ihm eine Mappe in die Hand. „Hier ist ihr Lebenslauf. Nur falls Sie die Kopie nicht finden, die ich Ihnen vorhin gegeben habe.“

Blake dankte ihr. Daisy kannte ihn gut und wusste mit seiner gelegentlichen Gereiztheit umzugehen. Das war einer der Gründe, weshalb er alles tat, um sie zu halten.

„Nun, Miss …“

„Carlisle.“ Sie streckte ihm die Hand hin. „Aber bitte nennen Sie mich doch Savannah.“

Blake gab ihr die Hand und war überrascht, wie weich sich ihre Haut anfühlte. Es war, als würde ihn ein kleiner elektrischer Schlag treffen. Schnell zog er seine Finger zurück und schob sie in die Hosentasche.

„Miss … Savannah, bitte setzen Sie sich doch!“ Er zeigte auf den Stuhl vor dem Schreibtisch.

Sie setzte sich und lächelte leicht, was seine Aufmerksamkeit auf ihre pinkfarben geschminkten Lippen zog. Waren sie so voll, wie sie aussahen? Er schluckte und versuchte, seine Neugier zu bekämpfen.

Langsam ließ er sich auf seinen Stuhl sinken und war froh über die Distanz zwischen ihnen. Dabei war doch er hier die Autoritätsperson. Warum kam es ihm trotzdem so vor, als würde sie versuchen, ihn einzuschätzen?

Entspann dich. Bleib fokussiert.

Er verhielt sich ja gerade so, als hätte er noch nie eine umwerfend schöne Frau gesehen.

„Erzählen Sie mir ein bisschen über sich, Savannah.“

Das war zwar die Standarderöffnung eines jeden Bewerbungsgesprächs, aber er wollte tatsächlich alles über sie wissen.

Savannah schlug die langen Beine übereinander, wobei sich ihr Rock leicht hochschob, was den Blick auf ihre gebräunten Oberschenkel freigab.

„Ich stamme aus West Virginia, wo ich bis heute lebe. In den letzten zehn Jahren habe ich als Eventmanagerin einen familiengeführten Bankettsaal vermarktet und danach war ich in einem mittelgroßen Hotel tätig. In beiden Unternehmen habe ich die Umsätze verdoppelt, wie Sie aus meinen Empfehlungsschreiben erkennen können.“

Sie wirkte sehr selbstbewusst und sachlich, was ihre Leistungen betraf.

„Beeindruckend.“ Unabhängig davon, wie attraktiv sie war, er würde sie nur einstellen, wenn sie die Richtige für den Job war. „Sie sind hier ziemlich weit weg von West Virginia. Was bringt Sie denn in unsere kleine Stadt Magnolia Lake?“

„Ganz ehrlich? Ich bin wegen dieses Jobangebots hier.“

Als er die Augen zusammenkniff, lachte sie. Es klang süß, und er hätte es gern noch einmal gehört. Am liebsten, wenn er dichter bei ihr wäre und der Schreibtisch nicht zwischen ihnen stünde.

„Damit möchte ich mich natürlich nicht bei Ihnen einschmeicheln. Es sei denn, es funktioniert“, fügte sie hinzu. „Doch tatsächlich bietet dieser Job die perfekte Mischung für meine Talente und meine Interessen.“

„Und wie genau?“, fragte er fasziniert.

„Seit ich während meiner Collegezeit in einer Brauerei gearbeitet habe, bin ich von Destillerien begeistert. Damals habe ich Touristengruppen hindurchgeführt.“

Er lehnte sich vor und stützte die Hände auf den Schreibtisch. „Und wenn Sie den Job nicht bekommen?“

„Dann werde ich an mir arbeiten, bis ich ihn habe.“

Blake versuchte, ihr nicht zu zeigen, wie sehr ihm ihre Antwort gefiel. „Es gibt ja noch viele andere Destillerien. Warum bewerben Sie sich nicht woanders?“

„Weil ich an Ihre Produkte glaube. Nicht, weil ich eine Trinkerin bin“, erklärte sie und lachte nervös. „Sondern weil ich als Eventmanagerin der festen Überzeugung bin, dass es kaum etwas Besseres als King’s Finest gibt. Er hat den weichsten Abgang.“

Darauf antwortete er nicht und ließ eine kleine Pause eintreten. Das funktioniert oft am besten in Bewerbungsgesprächen, denn dann kamen die Kandidaten meist aus sich heraus.

„Allerdings ist dies nur zum Teil der Grund, warum ich gern für Sie arbeiten möchte. Mir gefällt, dass es ein Familienunternehmen ist. Und ich finde es unglaublich interessant, wie es Ihrem Großvater gelungen ist, aus der Schwarzbrennerei eine legale Firma für seine Erben zu machen.“

Sie war nicht die erste Bewerberin, die versuchte, sich auf diese Weise bei ihm einzuschmeicheln. Das Funkeln in ihren Augen verriet jedoch tatsächlich Bewunderung, vielleicht sogar Verehrung.

„Sie haben offensichtlich Ihre Hausaufgaben gemacht und kennen unsere Geschichte.“ Blake lehnte sich zurück. „Mir geht es allerdings vor allem um das, was vor uns liegt. Wie wollen Sie die Zukunft von King’s Finest gestalten?“

„Das ist eine ausgezeichnete Frage.“ Savannah zog eine Ledermappe aus ihrer Aktentasche. „Eine, auf die ich mich vorbereitet habe. Lassen Sie uns über Ihr bevorstehendes Firmenjubiläum reden. Da treffen Vergangenheit und Gegenwart Ihres Unternehmens doch perfekt aufeinander, oder?“

„Die Veranstaltung ist noch Monate entfernt, und wir haben das meiste dafür bereits geplant. Niemand von uns erwartet, dass plötzlich jemand hier erscheint und Wunder vollbringt. Wir wollen nur, dass es ein besonderes Ereignis für unsere Angestellten und die Bewohner von Magnolia Lake wird. Etwas, das sie stolz darauf macht, eine Rolle in der Geschichte unserer Firma zu spielen, und das Lust auf die Zukunft macht.“

Sie lächelte breit. „Geben Sie mir zwei Monate, dann verwandle ich dieses Jubiläum in ein spektakuläres Marketing-Event, das Händler und Konsumenten nach Ihrer Marke süchtig werden lässt.“

Das klang zwar ambitioniert, aber auch faszinierend.

Ihr Bourbon hatte in den Staaten und im Ausland viele Preise gewonnen und verkaufte sich gut. Trotzdem waren in letzter Zeit Konkurrenten mit kleinen Destillerien aufgetaucht, die ihnen das Leben schwer machten.

„Sie haben meine uneingeschränkte Aufmerksamkeit“, sagte er gespannt. „Überraschen Sie mich!“

Savannah unterbreitete ihm ihren bis ins letzte Detail ausgearbeiteten Plan, der aus ihrem Firmenjubiläum ein Ereignis machen sollte, das sich sowohl auf die Wurzeln der Firmengeschichte besann als auch die Zukunftsplanung mit einschloss.

„Ja, gefällt mir gut.“ Er nickte. „Aber glauben Sie wirklich, dass Sie das in nur zwei Monaten hinkriegen werden?“

„Absolut.“ Sie klappte die Mappe zu und steckte sie wieder in die Tasche. „Wenn ich die Chance dazu bekomme.“

Blake betrachtete nachdenklich die schöne Frau vor sich. Kein Wunder, dass man sie ihm so empfahl. Auch Max und seine Mutter, die kurz mit ihr am Telefon gesprochen hatten, hatten ihm geraten, ihr ein Angebot zu machen.

Savannah Carlisle war smart und überzeugend. Es gab nur ein einziges Problem, das ihn davon abhielt, sie zu engagieren. Er fühlte sich zu ihr hingezogen. Mehr als zu jeder anderen Frau, der er in den vergangenen zwei Jahren begegnet war, nachdem seine letzte Beziehung in die Brüche gegangen war.

Die Vorstellung, Savannah Carlisle täglich zu sehen, entzückte ihn geradezu. Allerdings gab es eine ungeschriebene Regel in seiner Familie: niemals eine Angestellte daten.

Das war problematisch, da er sich die letzte halbe Stunde gefragt hatte, wie er es anstellen könnte, sie noch einmal zu berühren. Und dabei kreisten seine Gedanken nicht um so etwas Harmloses wie das Händeschütteln.

Seine Gefühle waren ein Problem, aber er würde sie in den Griff bekommen.

„Na gut, Savannah Carlisle. Dann wollen wir mal sehen, was Sie so fertigbringen können.“

Sie verhandelten ihr Gehalt und Blake schickte sie in die Buchhaltung, damit sie die nötigen Papiere ausfüllte. Sein Blick fokussierte ihren ansehnlichen Po und ihre langen Beine, als sie sein Büro verließ.

Blake schüttelte den Kopf und seufzte. Vielleicht hatte er sich dieses Mal doch etwas übernommen.

2. KAPITEL

Savannah hatte sich bisher noch nie auf ihren Sex-Appeal verlassen, um etwas zu erreichen.

Doch heute war es anders.

Wenn ihr Plan aufging, würde es das Leben ihrer Familie verändern. Geld wäre kein Thema mehr. Nicht jetzt und auch nicht für die kommenden Generationen.

Endlich würde ihrem Großvater Anerkennung und Gerechtigkeit widerfahren. Und ihre Schwester würde keine Kredite mehr aufnehmen müssen, um ihr Studium zu finanzieren. Deshalb kam ein Scheitern nicht infrage. Selbst wenn sie dafür mit den niederen Instinkten eines Idioten wie Blake Abbott spielen musste.

Dabei hatte er keine eindeutigen Anspielungen gemacht, das musste sie ihm lassen. Die Intensität seiner Blicke hatte das Interview allerdings fast zu so etwas wie einem Blind Date werden lassen.

Ja, der Blick aus seinen warmen braunen Augen war ihr unter die Haut gegangen. Das hatte sie nicht erwartet. Zumal sie die Wahrheit über ihn und seine Familie kannte.

Sie waren Diebe, nicht mehr und nicht weniger.

Die Art von Menschen, die andere dessen beraubten, was ihnen rechtmäßig zustand. Die mit ihren Opfern kein Mitleid hatten, denen es egal war, ob ein Mann und seine Familie ihretwegen im Elend leben mussten.

Deshalb vergaß sie die Wahrheit nicht, selbst wenn Blake sie noch so nett anlächelte. Die Abbotts waren herzlos und grausam. Aber sie würde der ganzen Welt beweisen, was für Schlangen sie waren und sich den Teil der Firma zurückholen, der ihrem Großvater rechtmäßig zustand.

Nachdem sie in ihrem kleinen Auto vom Parkplatz gefahren war, rief sie gleich ihre Schwester Delany in West Virginia an.

„Ich habe den Job“, platzte sie heraus.

„Wow!“

„Ich weiß, du bist nicht damit einverstanden, Laney, aber ich tue das für uns alle. Besonders für dich und Harper!“

„Vanna, komm nach Hause!“, krähte ihre zweijährige Nichte im Hintergrund.

„Hast du gehört? Wenn du wirklich etwas für uns tun willst, pack deine Sachen zusammen und komm zurück. Nichts anderes wollen wir.“

„Aber das ist, was Großvater verdient hat. Was wir alle verdient haben.“ Savannah bog in die Straße ein, die in die Stadt führte. „Das hier wird die Zukunft unserer Familie verändern, und zwar zum Guten.“

„Ach, komm schon, sei ehrlich. In Wirklichkeit geht es dir doch nur um deinen Stolz. Und um den von Großvater.“

Savannah zählte still bis zehn, denn sie wollte sich nicht mit ihrer Schwester streiten. Zumal sie genau wusste, dass sie das Richtige tat.

Nach dem Tod ihrer Eltern hatte Martin McDowell, ihr Großvater, sie und ihre Schwester großgezogen. Sein Leben lang hatte er ihretwegen Opfer gebracht. Und jetzt litt er an einer Nierenerkrankung, die ihm nicht mehr viel Zeit ließ.

„Großvater ist fast neunzig. Dank der Abbotts ist ihm außer uns nur sein Stolz geblieben. Deshalb finde ich, dass es wert ist, dafür zu kämpfen.“

Delany antwortete nichts darauf, was Savannah nicht überraschte, doch sie wusste, dass ihre Schwester ihr irgendwann einmal recht geben würde.

Als Kind hatte sie immer fasziniert den Geschichten ihres Großvaters gelauscht, wie er als junger Mann in den Hügeln von Tennessee illegal Schnaps gebrannt hatte. Joseph Abbott, der Gründer von King’s Finest Distillery hatte seinen Betrieb auf den Rezepturen ihres Großvaters aufgebaut. Dann hatte er die Firma zu Ruhm und Ehre geführt und ein Vermögen gemacht.

„Denkst du wirklich, es ist eine gute Idee, dich bei ihnen einzuschleichen? Glaubst du, du brauchst nur auf der Bildfläche zu erscheinen, und sie geben zu, dass sie das Rezept für ihren berühmten Bourbon von unserem Großvater gestohlen haben?“

„Aber ich schleiche mich ja gar nicht bei ihnen ein! Ich bin für diesen Job ausgesprochen gut qualifiziert. Bestimmt kann ich ihnen dabei helfen, mit der Firma zu expandieren.“

„Unsinn, wenn sie deine Beweggründe herausfinden, wirst du im Gefängnis landen, das ist alles. Und wenn Großvater sterben sollte …“ Ihre Schwester verstummte. „Du bist alles an Familie, was Harper und ich noch haben. Wir können es nicht riskieren, dich zu verlieren. Daher vergiss die ganze Sache endlich und komm nach Hause!“

Savannah wollte ihre Schwester nicht beunruhigen. Mit ihrer Arbeit, der Pflege ihres Großvaters und ihrer zweijährigen Tochter hatte Delany mehr als genug zu tun. Trotzdem war sie überzeugt, dass sie es machen musste.

Und wenn sie erfolgreich war, würde es das Risiko wert gewesen sein.

„Ich liebe dich und Harper, Laney. Aber du musst mir vertrauen, dass ich in unser aller Interesse handle. Und natürlich kein Wort zu Großvater, okay?“

„Super. Jetzt muss ich ihn auch noch anlügen.“ Delany stöhnte. „Na gut, aber sei vorsichtig, ja? Und denk daran, dass es keine Schande ist, solltest du irgendwann das Handtuch werfen. Ich liebe dich!“

„Ja, ich dich auch.“

Nachdem sie das Gespräch beendet hatte, seufzte Savannah tief und konzentrierte sich auf die Straße. Nach und nach kamen die bunten Läden der kleinen Stadt Magnolia Lake in Sicht.

Sie stellte den Wagen hinter dem Gebäude ab, in dem sie momentan wohnte. Im Erdgeschoss befand sich ein Juweliergeschäft, darüber gab es zwei Apartments. Das Haus gehörte Kayleigh Jemison, die auch ihre Nachbarin war.

In ihrer möblierten Einzimmerwohnung stieg Savannah aus ihren hohen Schuhen und warf ihr Jackett über einen Stuhl. Erneut dachte sie an Blake Abbott. Sie hatte sich ihn anders vorgestellt. Er war nicht der skrupellose Halsabschneider, als den ihr Großvater ihn geschildert hatte. Blake war hochgewachsen und attraktiv, sein leicht bronzener Teint schien von innen zu leuchten. Er war charmant, hatte ein umwerfendes Lächeln und warme braune Augen, deren Blick ihr unter die Haut ging.

Ihr Großvater hatte allerdings auch nur Joseph Abbott persönlich gekannt. Vielleicht irrte er sich ja, was Blake betraf.

„Du fühlst dich nicht zu ihm hingezogen“, redete sie sich selbst ein. „Nicht ein klitzekleines bisschen. Er ist der Feind, nur ein Mittel zum Zweck.“

Doch offensichtlich fühlte er sich zu ihr hingezogen. Und das war eine Schwäche, die sie ausnutzen konnte. Es beschlich sie jedoch ein unangenehmes Gefühl, als sie daran dachte, was ihre Schwester wohl dazu sagen würde, wenn sie es wüsste.

Die Lösung war ganz einfach. Sie musste Blake Abbott unter allen Umständen aus dem Weg gehen!

3. KAPITEL

Savannah unterschrieb den Anstellungsvertrag und schob ihn über den Schreibtisch zurück.

Daisy überprüfte das Dokument und nickte zufrieden und lächelte breit. „Jetzt sind Sie offiziell Mitarbeiterin von King’s Finest. Willkommen im Team!“

„Wunderbar.“ Savannah erwiderte das Lächeln. „Wie geht’s jetzt weiter?“

In diesem Moment wurde die Tür zum Konferenzraum aufgerissen.

Blake Abbott.

Er sah noch besser aus als bei ihrer ersten Begegnung. Der Dreitagebart ließ ihn extrem sexy erscheinen, und erneut machte sich ein Gefühl des Unbehagens in ihrem Magen breit.

„Daisy, Savannah … tut mir leid, ich wusste nicht, dass ihr den Konferenzraum benutzt.“

„Wir wollten gerade gehen“, erklärte Daisy und sammelte ihre Sachen zusammen. „Findet hier denn ein Meeting statt? Davon habe ich gar nichts gewusst.“

„Nein, wir haben es erst in letzter Sekunde beschlossen. Wir wollen gemeinsam über Savannahs Pläne für unser Firmenjubiläum sprechen.“ Er wandte ihr seine Aufmerksamkeit zu. „Das wäre übrigens eine großartige Gelegenheit für Sie, den Rest meiner Familie, das heißt, unser Führungsteam, kennenzulernen.“

Savannah war nicht in der Position, ihm diese Bitte abzuschlagen, daher nickte sie. „Ich habe mich schon sehr darauf gefreut, den Firmengründer kennenzulernen.“ Voller Unbehagen dachte sie daran, dass ihr in wenigen Augenblicken eine Begegnung mit dem gesamten Abbott-Clan bevorstand. Besonders mit Joseph Abbott – dem Mann, der ihren Großvater betrogen hatte.

„Oh, ich fürchte, da müssen Sie sich noch etwas gedulden. Wir wollen unseren Großvater überraschen. Ich weiß, dass das ein bisschen plötzlich kommt, aber würde es Ihnen etwas ausmachen, Ihre Pläne unserem restlichen Team zu präsentieren?“

Savannah riss die Augen auf. „Jetzt?“

„Sie sind alle wirklich sehr nett“, sagte Daisy beruhigend. „Leider habe ich noch etwas anderes zu tun. Viel Glück!“ Damit eilte sie aus dem Konferenzraum und ließ sie beide allein.

„Ich habe meinem Vater und meinem Bruder schon von Ihren Vorschlägen erzählt“, sagte Blake. „Bestimmt werden sie von Ihnen genauso beeindruckt sein, wie ich es bin.“

Natürlich war Savannah davon ausgegangen, dass sie nach und nach die einzelnen Familienmitglieder kennenlernen würde, alle gleichzeitig zu treffen und das am ersten Tag, hatte allerdings etwas Einschüchterndes.

„Also, ich habe natürlich meine Notizen dabei“, sagte sie und zeigte auf ihre Mappe. „Aber mit ein bisschen mehr Zeit könnte ich eine richtige Präsentation vorbereiten.“

„Was Sie mir gezeigt haben, ist schon überzeugend genug.“ Blake ließ sich am Tisch nieder. „Bestimmt wird es den anderen gefallen.“

In diesem Moment wurde erneut die Tür geöffnet. „Hey Blake, hast du etwa alle …“, erklang eine Frauenstimme und brach dann erschrocken ab. „Oh, bitte entschuldige. Ich wusste nicht, dass du nicht allein bist.“

„Kein Problem.“ Er winkte sie herein. „Zora, das ist unsere neue Eventmanagerin Savannah Carlisle. Savannah, das ist meine Schwester Zora Abbott, unser Küken und die Vertriebschefin der Firma.“

„Das mit dem Küken wird mir immer wieder unter die Nase gerieben“, sagte Zora und schüttelte ihr die Hand. „Willkommen an Bord, Savannah. Wir brauchen Sie hier dringend. Offensichtlich ist es Ihnen gelungen, meinen großen Bruder zu beeindrucken, was wirklich selten vorkommt.“

Blake errötete leicht und schien erleichtert zu sein, als ein weiterer Mann den Raum betrat.

„Max, das ist unsere neue Eventmanagerin Savannah Carlisle“, informierte Zora den Neuankömmling und fügte an sie gewandt hinzu: „Mein Bruder Max ist der Chef unserer Marketingabteilung. Sie werden vor allem mit ihm und unserer Mutter, die heute nicht da ist, zusammenarbeiten.“

Es bestand kein Zweifel daran, dass Max und Blake Brüder waren. Sie hatten das gleiche ausgeprägte Kinn und die gleichen durchdringenden braunen Augen. Sowie die gleiche Nase – sehr gerade, mit leicht gewölbten Nasenlöchern.

Max trug sein lockiges Haar länger als Blake. Außerdem war er ein bisschen dunkler und auch etwas größer und schlanker.

„Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen“, erklärte Max. Er setzte sich neben sie, schüttelte ihr die Hand und lächelte sie an. „Und ich bin schon sehr gespannt auf Ihre Ideen für unser Jubiläum.“

In diesem Moment betraten zwei weitere Männer den Raum. „Ich wusste gar nicht, dass wir Gäste haben“, erklärte der jüngere von beiden missgelaunt.

„Mein Bruder Parker.“ Zora verdrehte die Augen. „Unser Finanzvorstand, ein notorischer Sparfuchs.“

Parker war nicht amüsiert, doch der ältere Mann, den Zora als ihren Vater Duke vorstellte, schmunzelte und begrüßte sie herzlich. Parker hingegen nickte ihr nur zu und wandte sich dann an Blake: „Ich dachte, dass wir dieses Angebot unter uns besprechen würden.“

„Das werden wir auch“, sagte Blake. „Aber ich finde, Savannah sollte von Anfang an mitbekommen, wie wir unsere Firma führen. Außerdem kann sie dir deine Fragen bezüglich der Einkünfte beantworten, die wir erwarten dürfen.“

„Na gut“, erwiderte Parker und sagte an sie gewandt: „Ich bin für meine Nüchternheit bekannt. Nehmen Sie das nicht persönlich.“

„Kein Problem.“ Savannah zuckte mit keiner Wimper.

Die anderen Geschwister tauschten belustigte Blicke aus.

„Offensichtlich hast du jemanden gefunden, der sich von Parker nicht einschüchtern lässt“, meinte Zora zu Blake. „Gute Arbeit!“

Savannah beschlich ein unbehagliches Gefühl, denn die Abbotts entsprachen in keiner Weise ihren Erwartungen. Ihr Großvater hatte sie stets als skrupellose Halsabschneider bezeichnet, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht waren.

Lass dich von ihrem Charme bloß nicht einwickeln.

„Okay, sind Sie jetzt bereit für Ihre Präsentation?“

„Absolut.“ Savannah stand auf und griff nach ihrer Mappe. Blakes Lächeln ermutigte sie, und sie holte tief Luft.

„Also, Folgendes möchte ich Ihnen vorschlagen …“

Blake tippte gerade etwas in sein Smartphone ein, als Savannah ihre Präsentation beendete. Sie hatte jeden im Raum überzeugt, und alle waren mit ihren Plänen einverstanden – selbst sein Pfennigfuchserbruder Parker.

Das Event hatte sich von einer kleinen Feier zu einer großen Gala gemausert. Eine Gala, die in der alten Scheune auf dem Anwesen der Abbotts stattfinden würde. Außerdem hatte Savannah vorgeschlagen, dass auch in anderen Städten Jubiläumsfeiern abgehalten werden sollten.

„Aber warum denn?“, fragte Parker verwirrt. „Das verstehe ich nicht.“

„Nun, um unseren Wirkungskreis zu vergrößern und damit wir unsere Komfortzone verlassen“, erwiderte sie.

Parker verschränkte die Arme vor der Brust und schien nicht überzeugt zu sein.

„Sie hat recht.“ Blake legte sein Handy zur Seite. „Ich habe deswegen schon mit einigen unserer Vertriebspartner in England, Kalifornien und New York gesprochen. Sie lieben unsere Produkte und können es kaum erwarten, sie einem größeren Kundenkreis vorzustellen. Ich sage dir, Park, damit können wir enorme Gewinne erzielen.“

Savannah schenkte ihm ein dankbares Lächeln, und sein Magen zog sich zusammen.

„Sieht ganz so aus, als hätten Savannah und Blake ihre Hausaufgaben gemacht.“ Ihr Vater nickte. „Ich bin dafür. Hat jemand etwas dagegen?“

Parker runzelte die Stirn, schüttelte jedoch den Kopf.

„Wunderbar. Savannah, dürfte ich Sie bitten, ein kleines Protokoll unserer Sitzung anzufertigen und es meiner Frau zu mailen?“

„Sehr gern, Mr. Abbott. Das mache ich noch heute.“

„Nennen Sie mich Duke, das reicht. So, und jetzt werde ich eine Runde Golf spielen.“

„Diese Gala wird sensationell“, rief Zora begeistert. „Denkst du nicht auch, Max?“

„Auf jeden Fall“, stimmte ihr Bruder ihr zu.

„Und teuer“, warf Parker ein.

„Unsinn“, widersprach seine Schwester energisch. „Ich sage dir voraus, dass die Einnahmen die Ausgaben um ein Vielfaches übersteigen werden.“ Damit machte sie klar, dass sie nicht nur die Jüngste war, sondern auch die Vertriebschefin der Firma.

„Okay, ich gebe mich geschlagen“, erklärte Parker. „Und nur, um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, ich bin genau wie alle anderen dafür, dass wir expandieren. Ich hoffe einfach nur, dass Savannahs Kalkulation aufgeht.“

„Kommen Sie“, sagte Max und erhob sich. „Ich zeige Ihnen Ihr Büro. Es ist direkt neben meinem.“

Blake bemühte sich, seine Enttäuschung zu verbergen, als Savannah den Konferenzraum mit Max, Zora und ihrem Vater verließ. Eigentlich hatte er ihr die Firmenräume zeigen wollen.

„Pass gut auf“, warnte Parker ihn, nachdem die Tür ins Schloss gefallen war.

„Was meinst du?“

„Ach, komm schon, mir kannst du nichts vormachen. Du konntest die ganze Zeit ja kaum die Augen von ihr lassen.“

„Ist das nicht ein bisschen übertrieben?“

„Keineswegs“, erwiderte Parker und erhob sich. „Ich kenne schließlich die Zeichen. Aber bitte vergiss unsere oberste Regel nicht: Wir fangen nie etwas mit einer Angestellten an.“

Blake nickte. „Ja, ist mir klar. Mach dir keine Sorgen, Brüderchen. Ich würde nie etwas tun, was du nicht auch tun würdest.“

Damit ließ er seinen Bruder stehen. Er brauchte Parker nicht, um sich daran zu erinnern, dass er die Hände von Savannah Carlisle lassen musste.

4. KAPITEL

Staunend betrachtete Savannah die glänzenden Kupferkessel und die Leitungsrohre, die den größten Platz in der Destillerie einnahmen. „Sie sind wunderschön.“

Ja, sie war zu Hause. Genau da, wo sie sein sollte, hätte es den Betrug von Joseph Abbott nicht gegeben.

„Bestimmt haben Sie recht“, sagte Daisy und sah verstohlen auf ihre Armbanduhr.

Blakes Assistentin war sehr nett, aber sie hatte nicht viel Erfahrung, was die Herstellung von Whiskey betraf. Doch da sie beweisen wollte, dass die Abbotts das Rezept ihres Großvaters gestohlen hatten, musste sie alles darüber wissen.

„Hätten Sie nicht längst bei Ihrer Tochter sein sollen?“, ertönte in diesem Moment eine Männerstimme.

Blake – schon wieder.

„Ja, in einer Stunde beginnt ihr Softballspiel“, erwiderte Daisy.

Das war also der Grund dafür, weshalb sie so bedacht darauf gewesen war, die Tour abzukürzen.

„Dann ab mit Ihnen. Ich übernehme hier gern“, erklärte er.

„Super, denn wir sind noch längst nicht fertig. Savannah hat eine Menge Fragen, und ich habe mir Mühe gegeben, sie alle zu beantworten.“

„Das haben Sie großartig gemacht“, versicherte Savannah ihr. „Aber jetzt fahren Sie bitte zu Ihrer Tochter. Wir können ein anderes Mal weitermachen.“

„Kommt gar nicht infrage“, widersprach Blake und fügte an Daisy gewandt hinzu: „Und jetzt los mit Ihnen. Keine Widerrede!“

Seine Assistentin dankte ihm und eilte davon.

„Sie wollen also alles über die Whiskyproduktion erfahren?“, fragte er und sah sie forschend an.

Sein herber, männlicher Duft stieg Savannah in die Nase, und am liebsten hätte sie ihren Kopf an seine Brust gelehnt.

„Das hatte ich Ihnen im Vorstellungsgespräch ja gesagt.“ Mit aller Macht versuchte sie, die Anziehung zu ignorieren, die sie ihm gegenüber verspürte, denn er war ein Abbott und damit der Feind. Doch es fiel ihr nicht leicht. „Wollen Sie wirklich die Tour mit mir weitermachen?“

„Oh ja.“

Er setzte sich in Bewegung, und sie hatte Mühe, mit seinen langen Schritten mitzuhalten.

„Sind Sie sicher?“, hakte sie nach. „Ich meine, ich habe heute ja schon fast eine Familienkrise ausgelöst. Wenn Sie also zu Hause Frau und Kinder haben sollten, die Sie erwarten …“

„Falls das ein subtiler Versuch sein sollte, herauszufinden, ob ich verheiratet bin, können Sie sich den Umweg sparen.“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, bin ich nicht. Und meine Geschwister sind es auch nicht. Zum Kummer unserer Mutter, die sich natürlich sehnlichst Enkel wünscht.“

Sie gingen an den Silos vorbei und schlugen einen Pfad ein, der vom Magazin wegführte. Das Anwesen erstreckte sich meilenweit, eine pittoreske Landschaft wie auf einer Postkarte.

„Jemand aus der Stadt hat mir gesagt, dass Sie noch einen Bruder haben, der nicht Teil der Firma ist.“

Blake nickte. „Ja, Cole hat das größte Bauunternehmen hier in der Gegend. Und da die Immobilienpreise im Moment in die Höhe schießen, hat er noch weniger Zeit als wir alle.“

„Keine guten Voraussetzungen für Enkelkinder.“

Er zuckte die Achseln. „Stimmt genau. Meine Mutter ist davon überzeugt, dass die anderen wie Dominosteine folgen werden, wenn einer den ersten Schritt macht.“

„Die Liebe ist also so was wie eine Plage.“

„Da haben Sie nicht ganz unrecht.“

Obwohl er lächelte, wirkte er ein bisschen traurig. Offensichtlich lag hier eine Geschichte verborgen, die er nicht erzählen wollte.

Der Pfad war matschig, und ihre Absätze sanken im Schlamm ein. „Wohin gehen wir eigentlich?“, fragte sie. „Die Silos liegen doch schon hinter uns.“

Er blieb stehen und sah sie an. „Wissen Sie überhaupt, warum die meisten Destillerien in unserem Land in Kentucky oder Tennessee beheimatet sind?“

Savannah schüttelte den Kopf. Darüber hatte sie noch nie nachgedacht.

„Ein Whiskey mit einer weichen Note fängt mit der richtigen Wasserquelle an.“ Er zeigte auf die saftig grünen Hügel am Rand des Anwesens. „Sehen Sie dort das Kalkgestein? Die verborgenen Quellen darin speisen King’s Lake – unsere einzige Wasserquelle. Der Kalk fügt dem Wasser Kalzium zu und filtert Unreinheiten wie Eisen heraus, das den Whiskey bitter machen würde.“

Savannah musterte die Adern im Gestein. „Das heißt, mit anderem Wasser könnte man niemals denselben Whiskey herstellen?“

„Nein, nicht einmal, wenn man die gleiche Rezeptur verwenden würde.“ Blake stand neben ihr und betrachtete ehrfurchtsvoll den steinernen Berg. „Außerdem geht es auch noch um die Hefe, die wir für die Fermentierung einsetzen. All das sind Bestandteile der Mixtur, die mein Urgroßvater vor fünfundsiebzig Jahren für seine Schwarzbrennerei ausgetüftelt hat.“

„Die meisten Destillerien veröffentlichen ihre Rezeptur, nur King’s Finest nicht. Warum?“

„Weil mein Großvater das nicht möchte. Er fühlt sich strikt der Tradition verpflichtet. Deshalb kontrollieren wir unsere Maische-Zutaten und die Hefezugabe auch aufs Schärfste.“

In Wirklichkeit war der Grund dafür wohl, dass Blakes Großvater die Rezeptur von ihrem Großvater gestohlen hatte. Aber natürlich verlor sie darüber kein Wort.

„Langweile ich Sie?“, fragte er in diesem Moment.

Savannah schüttelte den Kopf. „Oh nein. Ich finde das alles total faszinierend.“

„Wirklich? Also, ich ja auch. Doch noch nie hat eine Frau dieses Wort dafür benutzt.“

„Wollen Sie etwa behaupten, ich würde mein Interesse nur heucheln?“

Blakes Mundwinkel zuckten, er ging jedoch nicht auf ihre Frage ein. „Ich denke, wir sollten jetzt besser zurückgehen.“

Als Nächstes zeigte er ihr die Bottiche mit Mais, Roggen und mit der zu Malz versetzter Gerste und danach das riesige Metallfass, in dem das Korn gekocht und zu Maische verarbeitet wurde. Im Fermentierungsraum standen große, offene Wannen aus Zedernholz, in denen der Whiskey gärte. Die Luft roch säuerlich.

Im Destillationsraum gab er ihr einen Schluck Bourbon zum Probieren.

„Er ist klar.“ Savannah gab Blake die Metalltasse mit dem langen Griff zurück, mit dem er eine Probe des sogenannten ‚High Wines‘ entnommen hatte.

Ihre Finger berührten sich dabei und fast hätte er die Tasse fallen lassen.

„Die Bernsteinfarbe entsteht erst durch die Reifung“, erklärte er und führte sie in den Raum, in dem der ‚High Wine‘ in neuen dunklen Eichenfässern lagerte.

Dann gingen sie durch den Lagerraum, wo fünf Lagen Whiskeyfässer übereinandergestapelt waren. Savannah fächerte sich Luft zu, denn es war heiß hier.

„Wie lange muss der Bourbon reifen?“

„Die Premiummarke? Fünf Jahre. Aber wir haben auch exklusive Sorten, die zehn Jahre oder noch länger gelagert werden.“ Blake betrachtete die oberen Reihen, bevor sein Blick wieder zu ihr zurückkehrte. „Mein Großvater hat viele Opfer gebracht, um uns dieses Erbe zu hinterlassen. Daran muss ich immer denken, wenn ich hier bin.“

Er sprach von seinem Großvater wie von einem Heiligen, obwohl der ein Lügner und Betrüger war. Savannah schossen Tränen in die Augen, als sie sich vergegenwärtigte, wie sehr ihre Familie deswegen hatte leiden müssen. Plötzlich hielt sie es in dem überhitzten Raum nicht mehr aus. Sie hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen.

„Hey, alles in Ordnung?“, fragte Blake besorgt und legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter.

„Ja, alles okay.“

„Es ist ziemlich heiß hier. Wir sind auch fast durch mit der Tour. Jetzt möchte ich Ihnen nur noch zeigen, wie der Whiskey in Flaschen gefüllt wird.“

„Nein, lassen Sie es gut sein. Ich habe Ihrem Vater versprochen, das Protokoll unserer Sitzung an Ihre Mutter zu schicken. Das hat jetzt Vorrang.“

„Ach, Unsinn, das hat doch Zeit bis morgen.“

„Keineswegs!“ Savannah schüttelte den Kopf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Ich habe ihm mein Wort gegeben und das bedeutet etwas für mich.“

5. KAPITEL

Blake begriff, dass er Savannah verletzt hatte, anders konnte er sich ihre Reaktion nicht erklären.

Aber wodurch?

Er ließ sich das Gespräch noch einmal durch den Kopf gehen, kam jedoch zu keinem Ergebnis, das ihn befriedigt hätte. Daher nickte er nur und sagte: „Na gut, wenn Ihnen das so wichtig ist, möchte ich Sie nicht aufhalten.“

Sie beeilte sich, zum Haupthaus zurückzukehren, wobei ihre Schuhe wie vorhin im Schlamm versanken.

Im nächsten Moment war er an ihrer Seite. „Sie würden es mir doch sagen, wenn ich Ihnen in irgendeiner Form zu nahe getreten bin, oder?“

„Natürlich. Ich möchte nur …“

Einer ihrer Absätze blieb an etwas hängen und sie stolperte. Blake fing sie gerade noch auf. Er genoss es, ihre Kurven an seinem Körper zu spüren, ließ sie aber sofort wieder los.

„Gut, jetzt möchte ich gern meine Arbeit machen“, sagte sie und lächelte verunsichert. „Bis morgen dann!“

Als sie außer Sichtweite war, stieß Blake einen tiefen Seufzer aus. Auch wenn sie es abgestritten hatte, war klar, dass er sie verletzt hatte. Aber konnte ihm das nicht eigentlich egal sein? Was hatte er mit Savannah Carlisle zu schaffen? Sie war nur eine Angestellte, das durfte er nicht vergessen.

Er kehrte in sein Büro zurück, ließ sich hinter dem Schreibtisch nieder und lockerte seine Krawatte. Entschlossen fuhr er den Laptop hoch und versuchte, sich auf die Zahlen und Statistiken zu konzentrieren, doch er konnte nur an Savannah denken.

Es erstaunte ihn, dass er überhaupt noch Gefühle für einen anderen Menschen entwickelte. Es war das erste Mal seit zwei Jahren – seit Gavrilla ihn verlassen hatte.

Seitdem hatte er sich gelegentlich mit einem One-Night-Stand auf Geschäftsreisen begnügt, weit weg von zu Hause, wo jeder alles über jeden wusste.

Savannah war ihm jedoch vom ersten Moment an unter die Haut gegangen. Sie war mutig und selbstbewusst, und die Art, wie sie sich präsentiert hatte, imponierte ihm sehr.

Es wäre idiotisch von ihm gewesen, sie nicht zu engagieren.

Eigentlich glaubte er nicht an so etwas wie Liebe auf den ersten Blick. Und doch hätte er schwören können, dass Amor einen Pfeil auf ihn abgeschossen hatte, als sie durch die Tür seines Büros getreten war.

Blake öffnete die obersten Knöpfe seines Hemds. Wenn Parker wüsste, wie sehr er sich zu Savannah hingezogen fühlte, würde er großen Ärger bekommen. Er musste diese Gefühle unterdrücken, koste es, was es wolle.

Nie wieder wollte er den Schmerz von vor zwei Jahren erleben, als Gavrilla ihn für jemand anderen verließ. Ohne Vorwarnung und ohne ihm den leisesten Hinweis darauf zu geben, dass sie unglücklich war.

Im Nachhinein hatte er erkennen müssen, dass sie ihm einen Gefallen getan hatte, denn sie hatten nicht wirklich zueinander gepasst.

Blake stieß einen tiefen Seufzer aus. Vielleicht sollte er eine Geschäftsreise unternehmen und Distanz zwischen sich und Savannah bringen.

Blake sah auf die Uhr und runzelte die Stirn. Kurz nach sieben, und er saß noch immer im Büro, weil er auf Savannahs Angebot wartete, das bis jetzt nicht gekommen war.

Was wohl bedeutete, dass sie nach wie vor daran arbeitete.

Müde rieb er sich das Kinn. Vielleicht hatte sie ja auch ein Problem, denn immerhin war es ihr erster Arbeitstag. Wahrscheinlich sollte er einmal schauen, ob sie Hilfe benötigte.

Er fuhr den Laptop herunter, verschloss die Tür zu seinem Büro und ging den Flur hinunter. Dabei stöhnte er leicht, denn natürlich wusste er, dass das keine gute Idee war.

„Hey“, sagte er, als er ihr Büro betrat. „Sind Sie noch immer bei der Arbeit?“

„Bin gerade fertig geworden. Sie haben doch nicht etwa auf mich gewartet?“

„Nein, ich habe auch gerade erst Feierabend gemacht. Aber da ich nun schon einmal hier bin, kann ich Sie auch zu Ihrem Wagen bringen.“

„Wieso? Ich dachte, Kleinstädte wie Magnolia Lake wären bombensicher“, erwiderte sie mit einem sarkastischen Lächeln und griff nach ihrer Tasche.

„Sind Sie auch. Sie zu begleiten, ist für mich eine Frage der Höflichkeit und des gesunden Menschenverstands.“ Er öffnete die Tür für sie und schloss sie hinter ihr.

Schweigend verließen sie das Gebäude und gingen auf den Parkplatz zu, doch plötzlich blieb Savannah stehen.

„Wegen vorhin … also, ich wollte nicht unhöflich sein.“

„Offensichtlich habe ich etwas gesagt, das Sie verletzt hat.“

„Es wird nicht wieder passieren, das verspreche ich Ihnen.“

„Gute Nacht, Savannah.“ Er würde nicht auf diesem Punkt herumreiten, wenn sie nicht darüber sprechen wollte. Schließlich waren sie kein Liebespaar und brauchten auch keine Freunde zu sein. Solange sie ihren Job gut machte, war alles okay.

Er wartete, bis sie ins Auto gestiegen und weggefahren war, dann ging er zu seiner Limousine. Er war heilfroh, dass Savannah Carlisle ihn vor sich selbst gerettet hatte.

Savannah betrat ihr Apartment. Sie war erleichtert, dass der Tag endlich vorbei war.

Im Wohnzimmer griff sie nach einer Kladde und notierte sich alles, was sie heute über die Abbotts erfahren hatte, wie sie ihren Whiskey herstellten und wie sie die einzelnen Familienmitglieder einschätzte.

Als sie fertig war, merkte sie, wie erschöpft und hungrig sie war. Sie holte sich etwas zu essen aus der Küche und setzte sich damit vor den Fernseher.

Dann klingelte ihr Handy. Laney.

„Hey, wie war dein erster Tag?“, begrüßte ihre Schwester sie.

„Ganz schön lang. Ich bin gerade erst nach Hause gekommen. Heute habe ich der Familie mein Angebot unterbreitet.“

„Hast du alle Abbotts kennengelernt?“

„Alle bis auf ihre Mutter Iris und Joseph Abbott.“ Savannah war froh, dass sie nicht in die Augen des kaltherzigen Bastards hatte sehen müssen, der das Leben ihres Großvaters ruiniert hatte.

„Und? Wie sind sie? So schlimm, wie du erwartet hast?“

„Nein, aber schließlich kann man vom ersten Eindruck nicht viel sagen. Ach, ich habe ja noch einen vergessen. Cole Abbott war ebenfalls nicht da, er hat sein eigenes Bauunternehmen.“

„Und die anderen? Nun lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen!“

„Also, Zora ist sehr nett, Max ist lustig und Parker scheint ein ziemlicher Mistkerl zu sein.“

„Was ist mit Blake Abbott? Das war heute doch euer zweites Treffen, oder? Wie ist es denn verlaufen?“

„Ziemlich gut, muss ich sagen.“ Blake hatte die Tour mit ihr gemacht, und er schien in jeder Hinsicht ein idealer Boss zu sein, wie sie zugeben musste.

„Heißt das, du wirst jetzt endlich diesen idiotischen Racheplan fallen lassen?“

„Ich habe ja gar nichts gegen die Enkel von Joseph Abbott, aber unserer Familie sollte von Rechts wegen die Hälfte der Firma gehören. Und wenn sie das nicht wollen, müssen sie uns auszahlen. So einfach ist das.“

Laney stieß frustriert einen Seufzer aus. Offensichtlich glaubte sie nicht an dieses Vorhaben.

„Um das hinzukriegen, musst du ihr Vertrauen gewinnen und sie dann ausspionieren. Das könnte ich nicht.“

„Ich habe ja nicht vor, die Informationen über sie an einen Konkurrenten weiterzugeben. Alles, was ich mache, ist, Beweise zu sammeln, um Großvaters Anspruch zu rechtfertigen.“ Sie unterdrückte das Defensive in ihrem Ton.

„Und was ist mit Blake?“

„Was soll mit ihm sein?“

„Du magst ihn, das spüre ich doch. Was passiert, wenn er die Wahrheit erfährt?“

Savannahs Magen zog sich zusammen. „Wenn er wirklich ein so integrer Mann ist, wie alle zu glauben scheinen, wird er alles tun, damit uns Gerechtigkeit widerfährt. Davon gehe ich jedenfalls aus.“

6. KAPITEL

Savannah lächelte, als sie die E-Mail von Max las, der ihr bestätigte, dass sie für die Gala einen jungen Mann aus Magnolia Lake engagiert hatten, der sich zu einem weltberühmten Schauspieler gemausert hatte. Mit seinem Charme und seiner Bodenständigkeit würde er den perfekten Moderator abgeben.

Ihre Pläne für das Jubiläum waren inzwischen weit gediehen. Das Fest, das in der alten Scheune der Abbotts stattfinden würde, sollte eine Feier zu Ehren der Firma, ihrer Angestellten und der Vertriebshändler werden, und das Interesse der Medien war ihnen jetzt schon gewiss.

Sie arbeitete nun seit fast einem Monat für die Destillerie. Die Bewohner des kleinen Ortes taten alles, damit sie sich wohlfühlte. Jeden Freitag musste sie Einladungen ablehnen, nach der Arbeit noch auf einen Drink mitzukommen. Und eine dieser Einladungen kam unweigerlich immer von Blake.

Blake – wenn sie nur an sein Lächeln und seine braunen Augen dachte, lief ihr ein Schauer über den Rücken. Doch sie zwang sich, die Gedanken an ihn auszublenden, obwohl es ihr schwerfiel.

In diesem Moment ertönte ein Donnerschlag, und sie sah aus dem Fenster. Es war erst sieben, aber die dunklen Wolken am Himmel und der Regen ließen es später erscheinen.

Savannah hatte in den letzten Tagen immer bis in die Nacht hinein gearbeitet, denn die Gala stand kurz bevor und es gab viel zu tun. Weil ihr die Arbeit so viel Spaß machte, merkte sie oft gar nicht, wie schnell die Zeit verstrich.

Ein zweiter Blitz erhellte den Himmel, und der folgende Donnerschlag war so laut, dass ihr Herzschlag ins Stolpern geriet.

Sie hasste es, durch ein Unwetter zu fahren. Noch immer kannte sie die Gegend nicht gut genug. Eine falsche Abzweigung und sie würde im Graben landen.

Bei dieser Vorstellung holte sie tief Luft. Vielleicht sollte sie warten, bis der Sturm vorüberging. Letztlich entschied sie sich dagegen, schließlich konnte das Unwetter Stunden andauern. Sie sammelte ihre Sachen zusammen und verließ das Gebäude in Richtung Parkplatz.

Mist, sie hatte nicht einmal einen Schirm dabei!

Als sie vor ihrem Auto stand, war sie bereits bis auf die Knochen durchnässt. Sie riss die Fahrertür auf, ließ sich schwer atmend hinters Steuer fallen und wischte sich den Regen aus dem Gesicht, dann startete sie den Motor.

Erneut blitzte es, gefolgt von Donnergrollen. In diesem Augenblick klopfte jemand an die Fensterscheibe und Savannah schrie auf. Das Herz schlug ihr bis zum Halse hinauf.

Ein hochgewachsener Mann in einem Regenmantel stand draußen.

Ihr war kalt, sie war ganz allein und würde eventuell gleich angegriffen werden, aber sie war niemand, der kampflos aufgab.

Panisch öffnete sie ihr Handschuhfach und suchte nach etwas, das sich als Waffe benutzen ließ. Schließlich fand sie die Taschenlampe, die ihr Großvater ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Sie knipste sie an und beleuchtete das Gesicht des Mannes.

„Blake?“ Ungläubig legte sie die Taschenlampe beiseite und kurbelte das Fenster herunter.

„Haben Sie jemand anderen erwartet?“

Klugscheißer!

Würde sie nicht für die Abbotts arbeiten und wäre sie nicht so froh darüber, in dem schrecklichen Sturm nicht allein zu sein, hätte sie ihm gesagt, was sie von seiner Besserwisserei hielt.

„Was machen Sie hier?“

„Mein Wagen steht dort drüben.“ Er zeigte in die entgegengesetzte Richtung. „Und ich hätte nicht gedacht, hier draußen noch jemanden vorzufinden.“

„Mir war gar nicht klar, dass es schon so spät ist und der Sturm so heftig geworden ist. Ich wollte gerade nach Hause fahren.“

„Damit?“ Er zeigte auf ihr kleines Auto.

Sie zog die Brauen hoch. „Meine fliegende Untertasse steht in der Garage.“ Savannah wusste, das hätte sie nicht sagen sollen, aber die Worte waren ihr einfach herausgerutscht.

Blake schien deswegen nicht sauer zu sein, er zog nur eine Fratze.

„Das ist echt schade, denn nur damit könnten Sie es über die Brücke schaffen“, sagte er.

„Wovon reden Sie überhaupt?“

„Sie haben Ihre Wohnung doch von Kayleigh Jemison in der Stadt gemietet, richtig?“

„Woher wissen …?“

„Wir sind in Magnolia Lake. Hier kennt jeder jeden“, erklärte er nüchtern. „Momentan werden überall Hochwasserwarnungen ausgegeben. Nie im Leben wird dieser kleine Wagen es durch die niedrig gelegene Ebene zwischen hier und der Stadt schaffen.“

„Hochwasserwarnungen?“ Savannahs Panik verstärkte sich. „Gibt es denn keine andere Route, die ich nehmen könnte?“

„Nein, aber ich könnte Sie natürlich in meinem SUV mitnehmen. Sie müssten nur Ihr Auto hier stehen lassen.“

Sie zögerte, hatte jedoch keine andere Wahl und stieg aus.

„Haben Sie alles, was Sie brauchen?“, fragte er.

„Sie tun ja fast so, als würde ich mein Auto nie mehr wiedersehen.“

„Nun, das hängt ganz davon ab, wie lange es braucht, bis der Fluss wieder seinen normalen Pegel erreicht hat.“

Savannah nahm ein paar Dinge aus ihrem Wagen, bevor sie ihn abschloss. Dann folgte sie Blake zu seinem großen schwarzen Fahrzeug.

Er wartete, bis sie sich auf dem Beifahrersitz niedergelassen hatte und erklärte: „Ich muss noch ein paar Sachen aus meinem Büro holen. Bin gleich wieder da!“ Damit verschwand er im strömenden Regen und eilte auf das Firmengebäude zu.

Sobald ihre Atmung sich beruhigt hatte, sah Savannah sich in dem luxuriösen Vehikel um, das offensichtlich brandneu war. Typisch für ihn, dachte sie.

In diesem Moment erschütterte ein heftiger Windstoß den Wagen. Blitze erhellten den Himmel, ein ohrenbetäubender Donner folgte, sodass sie die Zähne zusammenbiss.

Sie würde einiges dafür geben, läge sie in ihrem Bett und könnte sich die Decke über den Kopf ziehen.

Jetzt reiß dich mal zusammen. Alles wird gut.

Sie kniff die Augen zu und zählte bis zehn, um sich zu beruhigen. Als sie sie wieder aufmachte, sah sie, dass Blake eine gelbe Plane über ihr kleines Auto ausbreitete. Mein Ritter in schimmernder Rüstung, dachte sie spöttisch.

Das war ihm gegenüber unfair, wie sie genau wusste. Er tat nur das, was jeder andere Mann an seiner Stelle auch getan hätte.

Als er nun auf sein Auto zukam, war es praktisch unmöglich, ihn nicht zu mögen.

Entspann dich. Es ist doch nur eine Fahrt nach Hause.

Zwanzig Minuten mit Blake Abbott würde sie ja wohl überstehen.

Blake stand vor seinem Wagen, während der Regen auf ihn niederprasselte. Immer wieder ging ihm Parkers Warnung durch den Kopf.

Lass dich ja nicht auf sie ein. Das bringt nur Ärger.

Er wusste, dass sein Bruder recht hatte, und doch … irgendetwas gab es an dieser Frau, das seinen Beschützerinstinkt weckte.

Seufzend machte er die Autotür auf und sah, dass Savannah am ganzen Leib zitterte.

„Sie frieren ja!“ Er stieg schnell ein und stellte die Heizung an, obwohl er sie sehr viel lieber in die Arme genommen hätte, um sie zu wärmen. „Ist es jetzt besser?“, fragte er, als die Luft im Auto sich langsam aufheizte.

Sie rieb die Hände gegeneinander und blies darüber. „Ja, danke.“

Er griff nach seinem Jackett, das auf dem Rücksitz lag, und reichte es ihr. „Hier, ziehen Sie das an!“

Sie zögerte für den Bruchteil einer Sekunde, nickte dann und legte es sich um. Blake half ihr hinein, aber selbst diese Geste war ihm schon zu intim.

„Also, dann mal los!“ Er stellte den Motor an und schlug den Weg zur Straße ein, die sie über den Fluss und in die Stadt bringen würde.

Eine Weile sprach keiner von ihnen ein Wort, doch das Schweigen war nicht unangenehm.

Fast waren sie am Ziel, Savannahs Wohnung lag gleich hinter der Brücke, da stießen sie auf eine Straßensperre und gelbe Warnschilder. Der Wasserpegel war zu hoch.

„Es gibt doch sicher noch einen anderen Weg in die Stadt, oder?“, fragte sie nervös.

Blake registrierte ihre Panik und schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein, nur über diese Brücke gelangt man zu Ihrer Wohnung.“

„Was? Ich kann nicht nach Hause?“ Ihre Stimme klang schrill.

„Also, heute nicht mehr, aber vielleicht morgen. In meinem schweren Wagen kann ich die Fahrt über die Brücke nicht riskieren.“

„Ja, aber was soll ich dann die nächsten Tage machen? Im Büro übernachten, bis das Wasser wieder zurückgegangen ist?“

„Nein, natürlich nicht.“ Blake wusste, dass ihr die Alternative nicht gefallen würde. „Mein Haus liegt auf dem Hügel hinter dem Weg dahinten.“

„Wie bitte? Ich soll in Ihrem Haus übernachten?“

Sie riss die Augen auf und sah ihn so empört an, als hätte er das ganze Unwetter nur zu diesem Zweck inszeniert.

„Ich fürchte, Sie haben keine andere Wahl, Savannah.“ Er studierte ihre Züge, während sie ihre Optionen abwog.

„Sieht ganz so aus“, sagte sie, wickelte sein Jackett noch enger um sich und betrachtete die Straße vor und hinter ihnen.

Blakes Magen zog sich zusammen. Insgeheim hatte er gehofft, sie würde darauf beharren, ins Büro zurückzufahren, denn in dem Fall wäre er nicht der Folter ausgesetzt worden, sie unter seinem Dach zu beherbergen.

„Dann also los.“ Er legte den Rückwärtsgang ein und bog auf die Straße ein, die in das exklusive Stadtviertel führte, in dem Zora und er wohnten. Als sie den Hügel hinauffuhren, kam die Handvoll Häuser in Sicht, die um den See herum lagen. Ein greller Blitz erhellte in diesem Moment den Himmel.

Savannah zuckte zusammen, dann noch einmal, als ein ohrenbetäubender Donnerschlag ertönte. Sie versuchte, cool zu bleiben, hatte die Hände aber zu Fäusten geballt.

Warum machte ihr der Sturm nur solche Angst?

Das hätte Blake gern gewusst, doch die Frage kam ihm zu persönlich vor. Und alles an Savannahs Verhalten wies darauf hin, dass Persönliches für sie nicht infrage kam. Sie hielt andere Menschen auf Distanz.

Sobald sie sein Haus erreicht hatten, fuhr er den Wagen in die Garage.

„Sind Sie sicher, dass es Ihnen nicht zu viele Umstände macht? Ich meine, wenn das jemand herausfindet …“ Erneut drohte Panik sie zu überwältigen.

„Niemand wird davon erfahren“, beruhigte er sie. „Hätten Sie es vorgezogen, wenn ich Sie auf dem Parkplatz alleingelassen hätte?“

„Nein, natürlich nicht. Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Hilfe.“

Blake nickte, stieg aus dem Wagen und streckte ihr die Hand entgegen. Nach kurzem Zögern ergriff Savannah sie und ließ sich von ihm heraushelfen.

Ihm stockte einen Moment lang der Atem. Sie war bis auf die Knochen durchnässt und das Haar klebte ihr am Kopf. Trotzdem fand er sie wunderschön. Wie ferngelenkt ruhte sein Blick auf ihren vollen Lippen.

Küss sie. Jetzt.

Savannah entzog ihm ihre Hand, doch da sie zitterte, rieb er mit den Händen ihre Arme hoch und runter, um sie zu wärmen.

Viel zu spät merkte er, dass auch diese Geste missverstanden werden konnte.

„Oh, bitte entschuldigen Sie, ich …“ Er löste sich von ihr und strich sich nervös durch das nasse Haar.

„Nein, nein, das war sehr nett von Ihnen. Aber alles, was ich jetzt brauche, ist eine heiße Dusche und ein Schlafplatz.“

„Selbstverständlich.“ Blake zog die tropfende Regenjacke aus und hängte sie an einen Haken. Dann schloss er das Garagentor. „Ich hoffe, Sie haben keine Angst vor Hunden.“

„Nein, nicht direkt.“

„Gut.“ Er stellte seine wasserdurchtränkten Schuhe vor der Eingangstür ab. Als er sie öffnete, sprangen zwei Hunde jaulend auf ihn zu und er tätschelte sie. Sie wandten ihre Aufmerksamkeit Savannah zu.

„Das hier ist Sam.“ Blake zeigte auf den Windhund an seiner Seite. „Er ist ein pensionierter Rennhund, den ich gerettet habe. Und das hier ist Benny.“

„Hi, Benny“, sagte sie und ließ es zu, dass der kleine Hund mit dem rostbraunen Fell an ihrer Hand schnüffelte. „Freut mich, dich kennenzulernen. Haben Sie Benny auch gerettet?“

„Nein.“ Blake versuchte, den Knoten herunterzuschlucken, der sich in seiner Kehle bildete, weil er an den Tag dachte, an dem er Benny als Welpen nach Hause gebracht hatte. Er sollte eine Überraschung für seine Exfreundin sein. Doch dann war Gavrilla es, die ihn überraschte, indem sie verkündete, dass sie ihn wegen eines anderen Mannes verlassen würde.

„Oh.“

Savannah hakte nicht weiter nach, wofür er ihr dankbar war.

Er schaltete das Licht an und machte eine auffordernde Geste. „Nach Ihnen!“

7. KAPITEL

Hör auf, dich wie das arme Mädchen zu verhalten, das im falschen Teil der Stadt groß geworden ist. Selbst wenn es stimmt.

Savannah kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als Blake sie durch sein wunderschönes Haus führte. Natürlich hatte sie gewusst, dass die Abbotts reich waren. Doch sie hatte nicht mit einem solch luxuriösen Anwesen gerechnet, das direkt am See lag und einen atemberaubenden Blick auf die Berge in der Ferne bot.

Die Einrichtung hatte rustikalen Charme mit einem modernen Touch. Es war die Art von Zuhause, die sie auch gern gehabt hätte. Ein Zuhause, das ihr zugestanden hätte, wenn Joseph Abbott ihren Großvater nicht ausgetrickst hätte.

Bei diesem Gedanken ballte sie unwillkürlich die Hände zu Fäusten.

„Bestimmt sind Sie müde“, sagte Blake mitfühlend. „Ich bringe Sie ins Gästezimmer. Wir können die Tour auch ein anderes Mal fortsetzen.“

Savannah nickte stumm. Es berührte sie, wie aufmerksam er ihre kleinsten Stimmungswechsel registrierte, aber sie durfte nie vergessen, weshalb sie hier war. Sie hatte eine Mission, und sie würde alles tun, um sie zu erfüllen.

„Ja, ich bin wirklich sehr müde. Und mir ist immer noch kalt. Also entschuldigen Sie bitte, wenn ich ein bisschen gereizt bin.“

Blake nickte. „Das kann ich gut nachvollziehen.“

Er führte sie die geschwungene Treppe hinauf in den zweiten Stock. Sam und Benny folgten ihnen.

„Ähm, ich frage Sie das nicht gern … aber könnten Sie mir vielleicht ein T-Shirt und ein Paar Shorts leihen?“

„Also, ich weiß nicht, ob ich irgendetwas habe, das Ihnen passt“, erwiderte er und blieb vor einer geschlossenen Tür stehen.

Sein prüfender Blick glitt über ihr schwarzes Kleid, das ihr wie eine zweite Haut am Körper klebte. Er schluckte.

„Mal sehen, was ich tun kann.“

Er öffnete die Tür zu einem geräumigen Gästezimmer mit einer Terrasse. An einer Wand stand ein großes, mit weißer Bettwäsche bezogenes Bett, die übrigen Möbel waren in beruhigenden Pastelltönen gehalten. Durch das Fenster sah man den See und einen Anlegesteg mit einem Boot.

Vielleicht war es am Ende gar nicht so schlecht, Blake Abbotts Gast zu sein.

„Vielen Dank, Blake. Ich hoffe, ich falle Ihnen nicht zu lange zur Last.“

Er schüttelte den Kopf. „Sie fallen mir gar nicht zur Last. Ich bin froh, dass ich Sie noch rechtzeitig gefunden habe.“ Er wies auf eine Tür. „Im Badezimmer finden Sie alles, was Sie brauchen, um sich frisch zu machen.“

„Nochmals vielen Dank.“ Savannah stellte ihre Tasche auf dem Boden neben dem Bett ab.

Einen Moment lang blieben sie beide stumm. Es kam ihr vor, als müsste Blake sich zwingen, den Blick von ihr abzuwenden.

„Ich sehe mal nach, ob ich etwas für Sie zum Anziehen finde. Und dann werde ich uns eine Kleinigkeit zu essen machen.“

Erst jetzt merkte Savannah, dass sie riesigen Hunger hatte. Seit dem Mittag hatte sie nichts mehr zu sich genommen. „Alles klar“, erwiderte sie und nickte.

„Okay, Jungs“, sagte Blake zu den beiden Hunden. „Dann lassen wir die Lady mal allein.“ Damit drehte er sich um und verließ das Zimmer.

Savannah sah ihm mit gemischten Gefühlen hinterher.

Wage es nicht, auch nur daran zu denken. Blake Abbott ist absolut tabu.

„Hey.“ Bei Savannahs Anblick machte Blakes Herz einen Satz.

Sie trug sein übergroßes ‚University of Texas‘ T-Shirt und das Haar fiel ihr offen auf die Schultern. Sie war nicht geschminkt und hatte offenbar gerade geduscht. Ihre natürliche Schönheit ließ sie praktisch von innen leuchten.

Er merkte, dass er den Mund aufriss und sie anstarrte und gab sich Mühe, sich wieder zu fangen.

„Hey“, erwiderte sie lächelnd. „Wo sind Sam und Benny?“

„Unten im Zwinger. Ich wollte nicht, dass sie beim Essen dabei sind, denn wenn sie anfangen zu betteln, bin ich verloren.“ Er zeigte auf sein T-Shirt. „Steht Ihnen gut.“

„Ein bisschen zu groß, würde ich sagen.“

Das ließ sich nicht abstreiten, und doch waren die Konturen ihrer Brüste darunter deutlich zu erkennen. Es reichte ihr gerade über die Hüften, und Blake merkte, dass er regelrecht eifersüchtig war.

An den Füßen trug sie warme Socken, und als sie sich nach vorn beugte, um sie hochzuziehen, erhaschte er einen Blick auf ihre Oberschenkel.

Verdammt, es ließ sich nicht leugnen – er begehrte diese Frau.

„Was gibt es denn?“, fragte sie.

Offensichtlich hatte sie nichts gemerkt, worüber er froh war.

„Ach, ich habe etwas Schinken und Reis.“ Er wandte sich wieder dem Herd zu und rührte in der Pfanne. „Deshalb habe ich noch ein Ei reingeschlagen und ein bisschen Gemüse gedünstet.“

„Hmm, das klingt köstlich.“

„Ich hoffe, es schmeckt Ihnen.“ Er füllte das Essen auf zwei Teller und trug sie hinüber ins Esszimmer, wo er schon ein Bier für sich und ein Glas Wein für sie auf den Tisch gestellt hatte. Dann zog er den Stuhl für Savannah zurecht.

Sie dankte ihm und setzte sich. „Ich wusste gar nicht, dass Sie kochen können. Hat Ihre Mutter Ihnen das beigebracht?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, als ich irgendwann die Nase voll von Fast Food hatte, habe ich in Kochbüchern geschmökert und angefangen zu experimentieren.“

„Mit Erfolg, wie ich sehe“, erwiderte sie, nachdem sie einen Bissen probiert hatte.

„Und ich hätte gedacht, es würde immer einen Platz für Sie am Tisch Ihrer Eltern geben.“

„Ja, das stimmt auch. Doch damals hatte ich eine Freundin, die sich nicht besonders gut mit meiner Mutter und meiner Schwester verstand.“

„Ach, ja?“ Savannah sah ihn neugierig an.

Das war nicht die Art von Gespräch, die ihm vorgeschwebt hatte. Eigentlich wollte er mehr über sie erfahren, doch nun war sie es, die ihn ausfragte.

„Wir haben uns am College kennengelernt“, sagte er widerstrebend. „Als sie meine Familie traf, war ich in die ganze Sache schon viel zu sehr verstrickt. Ein Fehler, den ich mit Sicherheit nicht noch einmal machen werde.“

„Hat es deshalb mit ihr nicht geklappt? Weil Ihre Familie sie nicht mochte?“

Blake lachte bitter. „Oh nein, sie hat mich verlassen. Für einen anderen Mann.“

Die Wunde in seinem Herzen öffnete sich erneut. Nicht weil er seine Exfreundin vermisste oder sie zurückhaben wollte, sondern weil er sich nicht verzeihen konnte, dass sie ihm wichtiger gewesen war als seine Familie.

Auch wenn er das damals natürlich anders gesehen hatte.

Nach dem College war er nach Hause zurückgekehrt und hatte angefangen, in der Destillerie zu arbeiten. Gavrilla und er führten deshalb eine Fernbeziehung. Als er dann zum Geschäftsführer aufstieg, bat er sie, zu ihm nach Magnolia Lake zu ziehen.

Das war der Anfang vom Ende.

Bis zu diesem Punkt hatten seine Mutter und seine Schwester versucht, ihre Abneigung gegen seine Freundin zu verbergen. Doch als sie erst einmal am selben Ort wohnten, riss der dünne Faden der Höflichkeit schnell.

Blake stieß seine Familie vor den Kopf, denn er liebte Gavrilla. Und sie zahlte ihm seine Loyalität mit Verrat heim.

Diese Lektion vergaß er nie, sie war auch der Grund, weshalb er sich hütete, einem Menschen sein Herz zu öffnen.

„Bitte entschuldigen Sie, dass ich nachgehakt habe. Ich wusste nicht, dass damit so negative Erinnerungen verbunden sind.“

„Das konnten Sie ja auch nicht wissen. Ich spreche für gewöhnlich nicht darüber.“

„Dann nehme ich es mal als Kompliment, dass Sie es mir gegenüber überhaupt erwähnt haben.“

Er nickte. „Ich glaube kaum, dass meine Zurückhaltung Sie überraschen dürfte. Sie gehören schließlich auch nicht zu den Menschen, die ihr Herz auf der Zunge tragen, oder?“

Sie errötete. „Worauf wollen Sie hinaus? Dass ich bei der Arbeit ein bisschen distanziert bin?“

„Nun ja, Sie …“

„Mache ich etwa keinen guten Job?“, unterbrach sie ihn.

„Sie machen bisher einen ganz wunderbaren Job. Und alles, was ich sagen will, ist … Sie sind neu in der Stadt und haben noch nicht viele Freunde, aber wenn Sie vielleicht ein bisschen mehr …“

Erneut schnitt sie ihm mitten im Satz das Wort ab: „Ich bin nicht nach Magnolia Lake gekommen, um Freunde zu gewinnen, Blake. Außerdem habe ich schon eine Familie.“

Sie hatte klargemacht, dass sie nicht weiter über dieses Thema sprechen wollte. Doch so leicht gab er sich nicht geschlagen.

„Dann erzählen Sie mir ein bisschen darüber“, forderte er sie auf.

8. KAPITEL

Sie hatten schon so viel über Blakes Familie gesprochen. Es hätte Savannah also nicht überraschen sollen, dass er mehr über ihren Hintergrund erfahren wollte.

So waren die Menschen in den Südstaaten nun mal … sehr gesellig. Und wenn sie nicht gute Gründe gehabt hätte, ihr Privatleben für sich zu behalten, hätte sie sich über das allgemeine Interesse vielleicht sogar gefreut. Doch natürlich lag die Sache in ihrem Fall anders.

„Ich habe eine Schwester, die ein paar Jahre jünger ist als ich“, begann sie widerstrebend.

„Haben Sie noch mehr Geschwister?“

„Nein.“

„Wie ist sie denn so?“

„Laney ist brillant. Sie hat Angebote für eine Dozentur von zwei erstklassigen Universitäten bekommen. Und das, obwohl sie eine zweijährige Tochter hat.“ Savannah lächelte bei dem Gedanken an Harper. „Irgendwann wird meine Schwester die Welt verändern, das weiß ich sicher.“

„Klingt genau wie Parker.“ Blake grinste. „Während wir alle gespielt haben, hat er sich schon als Kind nur für Bücher interessiert. Es war eine Strafe für ihn, rausgehen zu müssen. Sie und Ihre Schwester …“

„Ihr richtiger Name ist Delany.“

„Stehen Sie sich nahe?“

„Ja, sehr. Aber weil ich ein ganzes Stück älter bin als sie und weil wir beide unsere Eltern früh verloren haben, führe ich mich manchmal wie ihre Mutter auf. Sie können sich vorstellen, dass ihr das nicht immer gefällt.“

„Oh, das mit Ihren Eltern tut mir leid. Wie haben Sie sie denn verloren, wenn ich fragen darf?“

Am liebsten hätte Savannah nicht darauf geantwortet, aber sie wusste, dass sie sein Vertrauen gewinnen musste.

„Es gab einen Brand in dem kleinen Haus, in dem wir gewohnt haben. Der Blitz ist eingeschlagen und das ganze Gebäude ging in Flammen auf.“ Sie spürte jetzt noch die Hitze und sah den Rauch. Jedes kleine Detail dieser Nacht hatte sich ihr unauslöschlich ins Gedächtnis gebrannt. „Viele Familien aus unserem Bekanntenkreis haben damals ihr Zuhause verloren.“

„Wie ist es Ihnen und Ihrer Schwester gelungen, zu entkommen?“

Savannah holte tief Luft. „Mein Vater hatte damals seine zweite Schicht gearbeitet. Als er nach Hause kam, stand das Haus bereits in Flammen. Er hat mich und Laney gerettet und ging noch einmal hinein, um meine Mutter zu holen. Doch dann …“ Ihre Brust zog sich zusammen, sie konnte nicht weitersprechen. Tränen stiegen ihr in die Augen, aber sie drängte sie zurück. „Sie haben es nicht mehr rausgeschafft.“

„Savannah …“ Blake legte eine Hand auf ihre. „Das tut mir so leid.“

Die kleine Geste berührte sie tief. Und doch war ihr klar, dass seine Familie an ihrer Armut schuld war. Wenn alles anders gelaufen wäre, hätten sie nicht in dieser heruntergekommenen Gegend wohnen müssen, und vielleicht wären ihre Eltern dann jetzt noch am Leben.

„Danke“, sagte sie daher steif und zog die Hand zurück. „Es ist wirklich schon lange her. Ich war neun Jahre alt und meine Schwester vier. Sie erinnert sich kaum an unsere Eltern.“

„Wer hat Sie denn großgezogen?“

„Mein Großvater.“ Plötzlich musste sie lächeln. „Eigentlich wollte ich damals gar nicht zu ihm ziehen, denn als meine Eltern noch lebten, war er immer so mürrisch gewesen. Doch ich glaube, es hing damit zusammen, dass er meinen Dad nicht mochte. Er hätte seiner Tochter einen Mann gewünscht, der ihr finanziell mehr bieten konnte. Als mein Vater sein Leben verlor beim Versuch, sie zu retten, hat er seine Meinung geändert.“

In gedrückter Stimmung aßen sie weiter.

„Bereuen Sie ihre Frage?“, erkundigte sie sich, bevor sie aufstand und ihren Teller in die Küche trug.

„Nein, überhaupt nicht“, erwiderte er und folgte ihr. „Jetzt verstehe ich, wieso Sie nicht über sich oder Ihre Familie sprechen möchten.“

„Also, ich möchte lieber höflich als distanziert wirken, wenn Sie wissen, was ich meine.“

Ein weiterer Donnerschlag erschütterte in diesem Moment das Haus. Savannah hatte den Eindruck, der Sturm war in der letzten Stunde noch stärker geworden.

„Es regnet schon wieder.“ Blake sah aus dem Küchenfenster.

Als er sie anschaute, blitzte ein Funke von Verständnis in seinem Blick auf.

„Ihre Eltern … jene Nacht … deshalb haben Sie also so große Angst vor Unwettern.“

Savannah hätte ihn am liebsten gefragt, ob er eine Belohnung für seine brillante Erkenntnis erwartete, doch im Moment ging es ihr um Wichtigeres.

„Wo haben Sie denn Ihren Whiskey versteckt?“

Er schmunzelte. „Ich wollte ihn eigentlich für nach dem Essen aufbewahren.“

„Es ist schon nach dem Essen.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich glaube, ich könnte jetzt wirklich eine kleine Stärkung vertragen.“

„Kein Problem, kommen Sie mit!“

Er ließ die Hunde aus dem Zwinger und ging mit ihr ins Untergeschoss. Sie betraten einen riesigen Raum mit einem Kartenspieltisch, einem Billardtisch und drei Flachbildfernsehschirmen an den Wänden, offenbar der Freizeitraum. Kleine Sitzgruppen wirkten einladend und gemütlich.

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Joanne Rock
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