Collection Baccara Band 401

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GEWAGTES SPIEL, GEWAGTE KÜSSE von SCHIELD, CAT
Bauunternehmer Shane Delgado ist ein Frauenschwarm. Nur Brandee scheint gegen seinen Charme immun. Wie gut, dass er an ihrem Land interessiert ist und nicht an einem Flirt! Doch als die schöne Rancherin ihn zu einer Wette herausfordert, erwacht das Verlangen in Shane …

SINNLICHE SEHNSUCHT NACH DIR von ROCK, JOANNE
Als seine Frau spurlos verschwindet, sucht Damon McNeill die ganze Welt nach ihr ab - vergeblich. Ein Jahr später steht Caroline plötzlich vor seiner Villa, und der Software-Millionär ist außer sich vor Glück. Fatal, denn Caroline scheint ihn nicht mehr zu kennen!

TANGO, STARS UND LEIDENSCHAFT von JEFFRIES, J.M.
Für seine Tanzshow ist Roxanne die Richtige - das weiß Nick Torres genau. Die Herzen des Publikums erobert sie sofort. Und auch in Nick entfacht sie ein sinnliches Feuerwerk. Aber kann er Roxanne wirklich geben, wonach sie sich sehnt?


  • Erscheinungstag 02.01.2019
  • Bandnummer 0401
  • ISBN / Artikelnummer 9783733724726
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cat Schield, Joanne Rock, J.M. Jeffries, Clare Connelly

COLLECTION BACCARA BAND 401

CAT SCHIELD

Gewagtes Spiel, gewagte Küsse

Luxusvillen auf ihrem Weideland? Für Brandee undenkbar! Niemals wird sie ihre Ranch verkaufen – erst recht nicht an den unverschämt attraktiven Bauunternehmer Shane Delgado. Kurzerhand beschließt Brandee, Shane zu verführen. Ein Fehler! Denn als er sie sinnlich küsst, droht sie plötzlich nicht nur ihr Land zu verlieren, sondern auch ihr Herz …

JOANNE ROCK

Sinnliche Sehnsucht nach dir

Caroline ist überglücklich, als sie und IT-Tycoon Damon McNeill einander das Jawort geben. Das Problem? Ihr Vater wirft ihr Verrat vor, denn Damon ist sein größter Konkurrent. Aber die funkelnde Leidenschaft in Damons Augen lässt sie jeden Zweifel vergessen. Bis ihr Leben aus den Fugen gerät und Caroline nicht mehr weiß, ob sie ihrem Ehemann trauen kann …

J.M. JEFFRIES

Tango, Stars und Leidenschaft

„Als würde sie auf Wolken tanzen.“ Ganz privat darf Roxanne mit dem attraktiven Choreographen Nick Torres für seine bekannte Fernsehtanzshow trainieren. In seinen Armen fühlt Roxanne sich wie eine Göttin, und bald sprühen zwischen ihnen nur so die Funken. Doch eine Familienintrige stellt ihr Liebesglück auf eine harte Probe …

1. KAPITEL

Brandee Lawless tat immer, was sie für richtig hielt. Bevor sie nach Royal in Texas gekommen war, hatte ihr kaum jemals jemand etwas Gutes getan. Von ihrem Vater einmal abgesehen. Falls das der Grund für ihre kratzbürstige Art war, dann hatte sie nicht vor, sich dafür zu entschuldigen. Sie sagte, was sie dachte, und das kam nicht immer gut an.

Vor allem hatte sie ein Trio von Frauen gegen sich aufgebracht, das neu war im Texas Cattleman’s Club. Cecelia Morgan, Simone Parker und Naomi Price sorgten für Unruhe, seit sie als Mitglieder aufgenommen worden waren, und Brandee gab ihnen stets Kontra.

Brandee hatte sich mit ihrer besten Freundin, Chelsea Hunt, zum Essen im Klub verabredet. Von der Größe her war Brandee zwar keine imposante Figur, aber sie wusste aufzutreten. An diesem Tag trug sie statt der gewohnten Kleidung – Jeans, Stiefel, ein Arbeitshemd und ihr Cowboyhut – ein eng anliegendes Kleid aus grauem Strick mit Spitzenbesatz. Ihr langes blondes Haar hatte sie zu einem Zopf geflochten, der von strassbesetzten Spangen gehalten wurde.

Sie spürte förmlich, wie drei Augenpaare ihren Gang durch den Speisesaal des Klubs verfolgten, und sie konnte sich die Kommentare über ihr Outfit nur zu gut vorstellen. Um die drei spüren zu lassen, dass ihre Meinung sie nicht im Geringsten interessierte, ließ sie sich Zeit damit, den Tisch am Fenster zu erreichen.

Chelsea sah von der Speisekarte auf, als Brandee näherkam. „Wow! Du siehst ja toll aus“, begrüßte ihre Freundin sie.

Brandee freute sich über das Kompliment. „Das ist ein Stück aus der neuen Kollektion.“ Sie betrieb nicht nur eine höchst profitable Ranch in Royal, zudem entwarf Brandee gelegentlich auch noch Kleider und Accessoires für das Modelabel, das sie vor zwölf Jahren gegründet und inzwischen verkauft hatte. „Wie findest du die Stiefel?“

„Ich bin ganz grün vor Neid.“ Chelsea betrachtete die leuchtend lilafarbenen Stiefel der Edelmarke Tres Outlaws. „Ich hoffe, du leihst sie mir mal.“

„Natürlich.“

Brandee setzte sich mit einem unverkennbaren Gefühl weiblicher Zufriedenheit. Da sie auf der Ranch stets mit anpackte, sahen die meisten in ihr eher den burschikosen Typ. Dabei hatte sie einen ganzen Schrank voll extravaganter Kleider, aber es kam nur selten vor, dass sie eines davon anzog, um sich ein entspanntes Essen in der Stadt zu gönnen. Heute gab es etwas zu feiern. Ihr erster Monatskurs für gefährdete Teenager war ausgebucht. In diesem Sommer sollte das Hope Springs Camp diesen Kids neue Perspektiven aufzeigen.

„Du hast einen ganz schönen Eindruck auf die drei gemacht.“ Chelsea deutete mit dem Kopf leicht in Richtung der neuen Mitglieder des Klubs, denen man bereits in der Schulzeit den Spitznamen „drei Hexen“ gegeben hatte. „Sie starren zu uns herüber und flüstern etwas.“

„Wahrscheinlich ziehen sie über mein Outfit her. Als ob es mich interessierte, was sie über mich denken!“

Es war ein bisschen wie in den Zeiten der Highschool, als sich die drei hübschen Mädchen über alle hermachten, die ihnen als leichte Beute erschienen. Auch wenn Brandee nicht in diese Kategorie fiel, denn sie genoss hohes Ansehen im Klub und generell in der Stadt.

„Typisches Gangverhalten“, fuhr sie jetzt fort. „Jede allein ist schwach, aber sobald sie in der Gruppe sind, fühlen sie sich stark.“

„Unter den Umständen ist es wohl keine Hilfe, dass du erfolgreicher bist als sie.“

„Oder dass ich verhindert habe, dass sie im Klub tun und lassen können, was sie wollen. Diese Machtspielchen sind mir zutiefst zuwider. Da bleibe ich doch lieber zu Hause und arbeite auf der Ranch.“

„Ich bin sicher, das wäre ihnen auch lieber. Vor allem, wenn du in einem solchen Kleid hier auftauchst.“ Chelsea lachte leise. „Das sieht ziemlich teuer aus und muss ihnen so richtig gegen den Strich gehen.“

„Dabei ist es eine Mode, die sich jeder leisten kann. Ich habe mein Label ja damals extra mit der Absicht gestartet, Mode auf den Markt zu bringen, die sich auch Frauen leisten können, denen Designermode sonst zu teuer ist.“

„Ich glaube, es geht eher darum, wie du mit deinem Erfolg umgehst. Du bist sehr selbstbewusst, ohne jemand anderen deswegen runtermachen zu müssen.“

„Das liegt wohl daran, dass ich meine Fehler akzeptiere.“

„Du hast Fehler?“

Brandee lachte leise. Das Gespräch mit ihrer besten Freundin tat ihr doch immer wieder gut. Chelsea hatte sich früher einmal als Hackerin betätigt. Jetzt war sie die Technische Direktorin von Hunt & Co., einer Kette von Steak-Restaurants. Die Natur hatte es gut mit Chelsea gemeint: Sie hatte Köpfchen und sah auch noch gut aus. Vom ersten Moment an hatte Brandee sie für ihre entspannte Haltung bewundert.

„Jeder hat etwas, das ihm an sich nicht gefällt“, sagte Brandee. „Meine Lippen sind zu schmal und meine Ohren zu groß. Mein Dad sagte immer, sie seien gut dafür, den Hut so hoch zu halten, dass er mir nicht über die Augen rutscht.“

Wie immer versetzte der Gedanke an ihren Vater Brandee einen bittersüßen Stich. Sie hatte ihn durch einen Unfall verloren, als sie gerade einmal zwölf gewesen war. Bis dahin war er ihr Ein und Alles gewesen. Er hatte ihr alles beigebracht, was auf einer Ranch zu tun war. Von ihm hatte sie gelernt, hart zu arbeiten und stolz auf das Ergebnis zu sein. Ohne seine Stimme im Hinterkopf hätte sie nie den Mut gehabt, sich mit siebzehn aus einer schwierigen Situation mit ihrer Mutter zu lösen und nach einigen Zwischenstationen eine erfolgreiche Rancherin zu werden.

„Du hast doch als Model für deine eigenen Designs gearbeitet“, bemerkte Chelsea. „Wie konntest du das tun, wenn du mit deinem Äußeren unzufrieden bist?“

„Ich finde, dass Auffälligkeiten einen Menschen interessant machen. Das prägt sich ein. Denk doch nur an all die Frauen, die bei den Schönheitswettbewerben antreten. In Erinnerung bleiben nur die, die etwas falsch machen oder sonst wie aus dem Rahmen fallen.“

„Willst du damit sagen, unsere drei Schönheiten da drüben fallen in die Rubrik ‚Sehen und Vergessen‘?“

„Was mich betrifft schon.“ Brandee lachte leise. „Ich glaube, sie wissen es selbst. Deswegen bemühen sie sich ja so aufzufallen.“

Sie hatte es kaum ausgesprochen, als ein leichter Luftzug ihr die Nackenhaare sträuben ließ. Eine Sekunde später erschien ein großer, athletisch gebauter Mann neben ihrem Tisch und blockierte den Blick zu den drei Frauen. Shane Delgado. Brandee hatte den Duft seines Aftershaves schon eine Sekunde in der Nase, bevor sie ihn sah.

„Hey, Shane!“ Chelsea schmolz sichtlich dahin unter Shanes charismatischem Lächeln. Brandee widerstand der Versuchung, die Augen zu rollen.

„Schön, dich zu sehen, Chelsea. Hallo, Brandee.“

„Delgado.“ Sie würdigte ihn keines Blickes und tat möglichst desinteressiert. Unter gar keinen Umständen sollte er merken, dass seine Gegenwart ihren Puls schneller gehen ließ.

„Du siehst ja heute ganz besonders bezaubernd aus.“

Chelsea ließ den Blick mit emporgezogenen Brauen zwischen Brandee und Shane hin und her wandern.

„Du bist ja auch ganz erträglich.“ Sie musste ihn nicht ansehen, um zu wissen, dass er wie immer atemberaubend aussah in seinen engen Jeans und dem frisch gebügelten hellen Hemd, das seine breiten Schultern betonte. „Kann ich etwas für dich tun, Delgado?“ Sie hasste es, etwas zu ihm sagen zu müssen, aber sie wusste, dass sie sonst keine Chance hatte, ihn wieder loszuwerden.

„Ob du etwas für mich tun kannst?“ Er ließ sich den Satz förmlich auf der Zunge zergehen.

Sie erkannte ihren Fehler, aber der Schaden war angerichtet. Leicht gereizt stellte sie klar: „Bist du nur gekommen, um Hallo zu sagen, oder willst du etwas?“

„Du weißt, was ich will.“ Bei jedem anderen Mann hätte es abgedroschen geklungen, aber Shane hatte das Flirten zu einer Kunstform entwickelt.

Brandee musterte ihn durchdringend. „Meine Ranch?“ Seit Jahren ging er sie schon darum an, ihm ihr Land zu verkaufen, damit er die Gegend mit Luxusvillen verschandeln konnte.

„Unter anderem.“ Trotz ihrer Feindseligkeit blieb er freundlich gelassen.

„Du verschwendest deine Zeit“, beschied sie ihn knapp. „Ich verkaufe nicht.“

„Ich würde Zeit mit dir niemals als verschwendet betrachten.“ Er schenkte ihr sein charmantestes Lächeln.

Brandee spürte ein leichtes Kribbeln im Bauch. In den vergangenen Jahren hatte sie mehrfach erwogen, sich mit ihm einzulassen. Er hatte einen göttlichen Körper, und Sex mit ihm wäre mit Sicherheit explosiv und unvergesslich. Vielleicht sogar zu viel des Guten. Wahrscheinlich würde sie sich dann für den Rest ihres Lebens nach mehr sehnen. Soweit sie wusste, war Shane nicht der Typ für lange Beziehungen. Ihr war zwar nicht selbst daran gelegen, aber eine Frau konnte sich an Dinge gewöhnen, die nicht unbedingt gut für sie waren.

„Ich muss sogar sagen, dass ich unsere kleinen Gespräche sehr genieße“, setzte er hinzu.

„Unsere Gespräche enden immer damit, dass ich dir einen Korb gebe. Willst du behaupten, dass dir das ein Genuss ist?“

„Ach, weißt du, ich schrecke vor keiner Herausforderung zurück.“

Er ließ seinen Blick über ihre Lippen hinunter zu ihren Brüsten wandern. Die unverhohlene Bewunderung, die aus seinem Blick sprach, ließ ihr den Atem stocken.

„War schön, euch beide gesehen zu haben.“ Shane nickte ihnen zu und schlenderte davon.

„Wow“, entfuhr es Chelsea.

„Was ist?“ Brandees Frage kam etwas schärfer als beabsichtigt. Sie bemerkte, dass sie die Hände geballt hatte, und bemühte sich, ihre Finger zu entspannen. Es half nichts. Ihr Puls raste immer noch – ob vor Lust oder vor Zorn, hätte sie nicht zu sagen vermocht.

„Zwischen euch beiden funkt es ja richtig. Wieso weiß ich nichts davon?“ Chelsea sah sie fragend an.

„Ach, das bildest du dir nur ein. Du weißt doch, dass er mein Land will und ich nicht die Absicht habe, es zu verkaufen.“

Ihre Freundin ließ sich nicht beirren. „Wieso hast du nicht mal einen Testlauf mit ihm gemacht?“

„Bist du verrückt? Es geht ihm doch nur um die Ranch, um nichts weiter.“

„Vielleicht ist das nur ein Vorwand für ihn, dich zu sehen? Erinnerst du dich nicht mehr, wie er am Tag nach dem Tornado vorbeigekommen und dann geblieben ist, um zu helfen?“

Vor zweieinhalb Jahren war Royal von einem Tornado der Stärke F4 heimgesucht worden – der stärkste Tornado seit mehr als achtzig Jahren. Er hatte insbesondere im Westen der Stadt große Schäden angerichtet. Ein Flügel des Royal Memorial Hospitals war zerstört worden, bevor der Tornado weitergerast war und etliche Ranchgebäude der Umgebung in Mitleidenschaft gezogen hatte.

„Das war keine christliche Nächstenliebe. Er wollte nur herumschnüffeln und sehen, wie groß der Schaden an der Ranch war, um herauszufinden, ob ich vielleicht verkaufen müsste.“

„Ich glaube, du irrst dich. Dafür hätte er nicht vier Tage bleiben und beim Aufräumen helfen müssen.“

Brandee schüttelte den Kopf. Chelsea begriff einfach nicht, wie gut Shane seine wahren Motive verbarg. Der Mann war aalglatt. Er wollte die Hope Springs Ranch für sich ergattern, nicht mehr und nicht weniger. Falls Brandee an ihn verkaufte, hatte er sein Ziel erreicht, und sie würde nie wieder etwas von ihm hören.

„Was Shane Delgado anbetrifft, lass uns einfach übereinkommen, dass wir da nicht einer Meinung sind.“

„Okay.“ Chelsea beugte sich vor. „Dann erzähl mir die guten Neuigkeiten. Wieso sind wir hier? Was ist passiert?“

„Ich habe heute Morgen festgestellt, dass der erste Sommerkurs komplett ausgebucht ist.“

„Wow, Brandee! Das ist ja fantastisch!“

Seit Brandee das Land gekauft und ihre Ranch aufgebaut hatte, war es ihr Wunsch, ein Programm für gefährdete Teenager anzubieten. Es sollte helfen, Aggressionen abzubauen und das Selbstwertgefühl zu fördern. Brandees eigene schwierige Jugend hatte ihr gezeigt, wie wichtig es war, sich Ziele zu setzen und Fertigkeiten zu entwickeln, mit denen man das Leben meistern konnte.

„Ich kann gar nicht glauben, wie gut es läuft. Allerdings muss ich noch dafür sorgen, dass die Gebäude für das Camp rechtzeitig fertig werden.“

„Das wirst du schaffen. Ich kenne keinen anderen Menschen, der so gut organisiert ist wie du.“

„Danke für die Blumen.“

Es hatte Jahre harter Arbeit gekostet, gepaart mit viel starkem Willen und Optimismus, aber sie hatte es geschafft. Ihr Vater wäre stolz auf den Erfolg, den Brandee mit der Ranch hatte. Und nun konnte sie auch noch ihren Traum vom Camp verwirklichen. Das Leben war perfekt.

Shane spürte deutlich, dass auch seine letzte Begegnung mit Brandee nicht ohne Blessuren für sein männliches Ego ausgegangen war. Im Laufe der Jahre hatte er schon manchen Schlagabtausch mit dieser selbstbewussten Frau gehabt und sich jedes Mal eingeredet, er wäre als Sieger vom Platz gegangen – auch wenn ihm klar war, dass er sich da etwas vormachte.

Sie war erkennbar nie besonders glücklich darüber, ihn zu sehen. Das war unfair, denn umgekehrt war es so, dass alles an ihr seinen Tag erhellte. Normalerweise fuhr er zu ihrer Ranch und traf sie bei der Arbeit mit ihren Cowboys an. Sie trieb mit ihnen das Vieh von einer Weidefläche auf die nächste, kümmerte sich um die Pferde oder half dabei, ihr Camp aufzubauen. Dabei trug sie stets alte Jeans, verblichene karierte Hemden und staubige Stiefel. Ihre graublauen Augen blitzten in einem Gesicht, das von Staub und Schweiß bedeckt war. Sie roch nach Tieren, Heu und harter Arbeit. Und doch war sie ganz Frau. Er begehrte sie. Jeden Zentimeter dieses zierlichen Persönchens.

Sie hingegen schien vollkommen immun gegen ihn zu sein. Da er bei ihr stets gegen eine Mauer stieß, hätte er einfach aufgeben können. Es gab genügend Frauen, die seinen Avancen offen gegenüberstanden und gern Spaß mit ihm hatten, während er in Brandees kühlem Blick nur unverhohlenes Misstrauen erblickte.

Sie war eine Herausforderung. Wenn es ihm aber gelang, sie einmal in seinen Bann zu ziehen, dann würde er ihre vollkommene Hingabe genießen und als triumphierender Sieger vom Platz gehen. Er hatte nicht die Absicht, sich an die Leine legen zu lassen. Nach allem, was er von Brandees sozialem Leben mitbekommen hatte, stand auch sie nicht auf feste Beziehungen.

Also suchte er immer wieder unter irgendeinem Vorwand den Kontakt zu ihr, auch wenn er wusste, dass sie ihm stets wieder neue Qualen bereiten würde. Heute war es der Duft ihres Parfums gewesen. Ein leicht blumiger Duft, der in ihm das Verlangen weckte, seine Hände in ihr Haar zu schieben und sein Gesicht an die goldene Mähne zu drücken.

„Shane.“

Jäh wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Vage nickte er den drei Frauen zu, an deren Tisch er gerade vorbeigegangen war. Er wusste nicht, welche von ihnen ihn angesprochen hatte. Er wusste nur: Diese drei bedeuteten Ärger. Cecelia, Simone und Naomi. Eine Blonde, eine Brünette und eine Rothaarige. Alle drei ausgesprochen attraktiv – und alle drei gefährlich, wenn man sie gegen sich hatte.

Sie waren erst unlängst im Texas Cattleman’s Club aufgenommen worden und sorgten allgemein für Unruhe mit ihrer Forderung, dem Klub einen etwas weiblicheren Touch zu verpassen. Sie hatten dem überkommenen Altherrenstil den Kampf angesagt. Dafür war ihnen jedes Mittel recht, um Stimmen auf ihre Seite zu ziehen.

Brandee war ihre aktivste Gegnerin. Unermüdlich sammelte sie die nötigen Stimmen gegen die Frauen. Brandee hatte sich an die ältesten und einflussreichsten Mitglieder gewandt, um jeden Vorschlag, den die drei Frauen einbrachten, ins Leere laufen zu lassen. Es war amüsant, das Ganze von außen zu betrachten.

Shane reagierte auf Naomis Winken, indem er an ihren Tisch trat. „Ladys.“

„Setz dich doch zu uns“, bat Cecelia. Sie war eine attraktive Blondine mit dem durchdringenden Blick einer Eiskönigin. Als Inhaberin von „To The Moon“, einer Firma, die sich auf anspruchsvolle Möbel für Kinder spezialisiert hatte, war Cecelia es offenbar gewohnt, dass man ihrer Bitte Folge leistete.

Shane schüttelte den Kopf. „Nichts lieber als das, aber ich bin ohnehin schon spät dran.“ Er sah zu seinem besten Freund, Gabriel Walsh, hinüber, der sich mit jemandem am Telefon unterhielt, vor sich auf dem Tisch ein halb leeres Glas Scotch. „Kann ich etwas für euch tun?“

„Wir haben gesehen, dass du dich mit Brandee Lawless unterhalten hast“, bemerkte Simone. Sie beugte sich so vor, dass er einen einladenden Blick auf ihr üppiges Dekolleté bekam. Mit ihrem kurvenreichen Körper, den herrlichen blauen Augen und dem langen schwarzen Haar war auch sie eine faszinierende Kombination aus Schönheit und Verstand. „Wir wollten dir einen freundlichen Rat geben, was sie betrifft.“

Hatten die Frauen bemerkt, dass er sich zu Brandee hingezogen fühlte? Falls ja, dann ließ er offensichtlich nach. Shane stützte die Hände auf die Rückenlehne des unbesetzten vierten Stuhls. „Einen Ratschlag von so schönen Frauen nehme ich doch gern an.“

Cecelia nickte, als könne sie ihn zu seiner Klugheit nur beglückwünschen. „Sie interessiert sich doch nur für dich, weil sie deine Stimme gegen die Renovierung des Klubhauses möchte.“

Shane sah sie verblüfft an. Brandee zeigte Interesse an ihm? Was hatten diese drei Frauen gesehen, was ihm entgangen war?

„Sobald die Abstimmung durch ist“, fuhr Simone fort, „hakt sie dich ab. Einfach so.“ Sie schnippte mit den Fingern.

„Brandee interessiert sich für mich?“ Shane hoffte, dass seine übertriebene Überraschung die Frauen animierte, etwas mehr ins Detail zu gehen. „Ich dachte, sie wäre einfach nur nett.“

Die Frauen tauschten Blicke. Naomi ergriff das Wort. „Sie ist nicht nett, sie versucht, dich zu manipulieren. Ist dir nicht aufgefallen, wie sie mit dir geflirtet hat? Sie weiß, wie beliebt du bist, und will deine Popularität nutzen, um die Wahl zu beeinflussen.“

Shane überlegte. Flirtete Brandee mit ihm? Für einen Moment genoss er diese Vorstellung. Kämpfte sie womöglich gegen dieselbe Flut der Gefühle, die ihn jedes Mal überkam, wenn sie sich trafen? Er verwarf die Idee. Nein. Ihre Kommunikation bestand aus einer Serie verbaler Attacken, die nur das eine Ziel hatten: ihn im übertragenen Sinne von seinem hohen Ross direkt mit dem Hintern in den Staub zu werfen.

„Danke für die Warnung, Ladys.“ Auch wenn sie überflüssig gewesen war. „Ich werde mich in Acht nehmen.“

„Wir helfen doch gern.“ Naomi lächelte zufrieden.

„Wir stehen immer hinter dir“, versicherte Cecelia, und die anderen nickten zustimmend.

„Ich werde es mir merken.“ Mit einem freundlichen Lächeln verließ Shane das Trio und ging zu Gabe.

Der frühere Ranger sah ihm grinsend entgegen. „Was war da denn los? Hast du die drei Katzen mit Kanarienvögeln gefüttert?“

„Wie meinst du das?“ Shane ließ sich auf einen Hocker sinken und winkte der Bedienung zu. Nach dieser geballten Weiblichkeit brauchte er jetzt erst einmal einen starken Drink.

„Die drei wirkten wie drei sehr zufriedene Katzen.“

„Ich habe ihnen gegeben, was sie wollten.“

„Tust du das nicht immer?“

„Warum auch nicht?“ Shane grinste breit.

„Was wollten sie?“, erkundigte sich Gabe.

„Mich vor Brandee Lawless warnen.“

„Musst du da gewarnt werden?“

„Bestimmt nicht.“ Shane genehmigte sich einen üppigen Schluck des Scotchs, der ihm gerade gebracht worden war. „Du weißt ja, wie wir zueinander stehen. Wären wir Kinder, würde sie mich zu Boden werfen und sich auf mich setzen.“

„Und du würdest es zulassen, weil du sie dann kitzeln könntest.“

„Ich? Sie kitzeln?“ Shane sah seinen Freund gespielt entrüstet an. „Eher hätte ich sie verprügelt!“

Gabes Smartphone zeigte den Eingang einer SMS an. „Verdammt“, murmelte er, nachdem er einen Blick auf das Display geworfen hatte.

„Schlechte Nachrichten?“

„Der Tumor meines Onkels kann nicht mehr operiert werden.“

Vor einigen Wochen hatte man bei Dusty einen Hirntumor festgestellt.

„Das ist ja schrecklich.“

Dale „Dusty“ Walsh war ein Bär von einem Mann. Er hatte Royals Privatdetektei „The Walsh Group“ gegründet und Gabe in die Firma geholt, nachdem er seinen Dienst bei den Rangers beendet hatte.

„Ja, mein Dad ist ganz schön fertig. Er hat mir die Nachricht geschickt.“

Shane hatte seinen Freund immer um die enge Beziehung zu seinem Vater beneidet. Sein eigener Vater war an einem Herzinfarkt gestorben, als Shane Anfang zwanzig gewesen war. Sie hatten nie ein gutes Verhältnis gehabt.

„Vielleicht fällt den Ärzten ja noch etwas ein, um Dusty helfen zu können.“

„Das ist zu hoffen.“

Das Gespräch wandte sich Shanes neuestem Projekt zu: Luxushäuser in der Art der Sommerresistenz von George Vanderbilt, der damit im 19. Jahrhundert den französischen Renaissancestil in den Staaten populär gemacht hatte. Das Ganze natürlich ausgestattet mit der neuesten Technik. Sie sprachen gerade über dieses Konzept, als Shane eine Hand auf seiner Schulter spürte. Auch ohne sich umzudrehen, wusste er, wer zu ihnen getreten war.

„Hallo, Gabe“, sagte sie. „Wie läuft es in der Walsh Group?“

„Bestens.“ Gabe unterdrückte ein Grinsen, als er bemerkte, wie Shane die Zähne zusammenbiss. „Und wie geht es auf Hope Springs?“

„Im Moment ist es ziemlich hektisch. Zweiundneunzig Kälber sind schon da, und an die zweihundert erwarten wir noch bis Ende März.“ Brandee nahm die Hand nicht von Shanes Schulter, während sie sprach. „Vielen Dank für die Überprüfung der letzten Gruppe freiwilliger Helfer.“

„Jederzeit.“

Shane genoss den warmen Klang ihrer Stimme, während er versuchte, sich nicht so sehr auf sie zu konzentrieren. Ihre Nähe ließ ihm keine Chance.

„Dann bis später.“ Brandee drückte Shanes Schulter leicht, bevor sie ging.

„Bye, Brandee“, rief Gabe ihr nach.

Shane wollte sich zusammenreißen und ihr nicht nachsehen, aber er musste doch wenigstens einen kurzen Blick über die Schulter werfen. Er wünschte sofort, er hätte es nicht getan. Sie schien zwischen den Tischen hindurchzuschweben wie eine zarte graue Wolke. Eine Wolke mit Stiefeln von der Farbe leuchtend lilafarbener Lupinen. Er musste ein Stöhnen unterdrücken.

„Das hat sie doch nur gemacht, um die drei dort zu ärgern“, bemerkte Gabe, als Shane sich wieder herumdrehte. „Sie glauben, Brandee führt etwas gegen sie im Schilde, und Brandee hat ihrem Verdacht nur noch Zunder gegeben.“

„Ich weiß.“ Er musste ihre clevere Taktik bewundern, auch wenn sie seiner Libido nicht gutgetan hatte. „Eine Frau ganz nach meinem Herzen.“

Gabe lachte. „Wie gut, dass du keines zu vergeben hast.“

Shane trank seinem Freund zu. „Wo du recht hast, hast du recht.“

2. KAPITEL

Das Licht der Nachmittagssonne schob sich durch die Jalousien vor dem großen, nach Westen gerichteten Fenster von Brandees Büro. Sie hatte am Budget für ihr Sommercamp gearbeitet und versucht herauszufinden, ob sie noch irgendwo etwas einsparen konnte, um von dem Geld drei weitere gut trainierte Pferde zu kaufen.

Sie hatte schon weit mehr in die Gebäude gesteckt, als sie ursprünglich vorgehabt hatte. Da die erste von drei geplanten Schlafbaracken rechtzeitig zum Beginn des Sommercamps stehen musste, brauchte sie zusätzliche Kräfte, um fertig zu werden.

Brandee sah aus dem Fenster, das auf die überdachte Terrasse hinausging mit ihrem großen Kamin aus Naturstein und der Outdoor-Küche. Sie liebte es, ihre Zeit draußen zu verbringen, auch im Winter.

Vor vier Jahren hatte sie diese zweitausend Hektar Land am Stadtrand von Royal gekauft. Es war die Chance, ihren Traum und den ihres Vaters zu erfüllen. Es hatte ihr nichts ausgemacht, die Gebäude quasi von Grund auf neu errichten zu müssen, als der Tornado fast alles zerstörte. Im Gegenteil, es hatte ihr Spaß gemacht, noch einmal nach ihren Vorstellungen von vorne anzufangen und allem ihren ganz persönlichen Stempel aufzudrücken. Das L-förmige Wohnhaus stand eine halbe Meile von der Straße entfernt. Es war eine Viertelmeile bis zu den Gebäuden, in denen ihre Helfer untergebracht waren, und zu den Gebäuden der Ranch.

Das Haus des vorherigen Besitzers war viel größer gewesen als ihr jetziges und zudem schlecht gebaut. Beaux Cook war ein bekannter Schauspieler, der davon träumte, ein echter Cowboy zu sein. Jedoch hatte er keine Ahnung von der Arbeit auf einer Ranch. Innerhalb von anderthalb Jahren hatte er alles so heruntergewirtschaftet, dass Brandee das Land stark unter Wert kaufen konnte.

Brandee war die dritte Besitzerin des Landes, seit es vor zehn Jahren vom Staat zum Verkauf freigegeben worden war, weil seit Jahrzehnten niemand einen Anspruch darauf erhoben hatte. Zunächst erwarb Emmitt Shaw das Land, weil es direkt neben seiner Ranch lag. Gesundheitliche Gründe zwangen ihn später, an Beaux zu verkaufen. Von dem Geld beglich er seine Arztrechnungen und hielt seine ursprüngliche Ranch am Laufen.

Nach dem furchtbaren Tornado machte Shane Delgado sich die schlechte Gesundheit des alten Ranchers und seine Verluste durch den Sturm zunutze und kaufte seine Ranch, um auf dem Land Luxusvillen zu errichten. Hätte Brandee geahnt, wie schlecht es um Emmitt bestellt war, hätte sie selbst seine Ranch gekauft.

Sie liebte die Weite des Landes mit seinen Rindern, Kaninchen, Vögeln und dem gelegentlichen Berglöwen, so wie es schon ihr Vater getan hatte. Mit Sicherheit wäre er nicht erbaut gewesen von der Vision, die Shane Delgado für das Land seiner Tochter hatte.

Brandees Smartphone zeigte den Eingang einer SMS an. Ihr stockte der Atem.

Hope Springs Ranch gehört rechtmäßig Shane Delgado. Maverick

Brandee war zu aufgebracht, um lange nachzudenken, und schrieb spontan zurück:

Wer sind Sie? Wovon reden Sie?

Sekunden später erhielt sie wieder eine Nachricht. Der Absender war erneut Maverick.

Geben Sie Ihre Mitgliedschaft im Texas Cattleman’s Club auf und überweisen Sie fünfzigtausend Dollar an unten genanntes Konto, andernfalls lasse ich den Beweis über die Besitzverhältnisse Delgado zukommen. Ich gebe Ihnen zwei Wochen Zeit.

Brandee ignorierte die Bankdaten und klickte auf den Anhang. Es war der Scan eines verblichenen, handschriftlichen Dokuments vom 21. März 1899, ausgestellt von einem gewissen Jasper Crowley. Er versprach dem Mann, der seine Tochter Amelia heiratete, zweitausend Hektar Land als Mitgift. Es folgte eine genaue Beschreibung der Lage des Landes, aus der Brandee unschwer erkennen konnte, dass es sich um das Land der Hope Springs Ranch handelte.

Ihre Empörung wich einem tiefen Unbehagen. Das Ganze musste ein schlechter Scherz sein! Nichts an dem Dokument deutete auf Shane hin. Der Name Maverick stach ihr ins Auge. Sie hatte ihn schon einmal gehört, aber wo? Richtig, Cecelia Morgan hatte ihn im Klub erwähnt. Steckte sie dahinter? Die Art der Forderung schien dafür zu sprechen.

Brandee hatte ihr Bestes getan, um Cecelia, Simone und Naomi gegen sich aufzubringen. War dies der Versuch der drei Frauen, sie auszuschalten?

Sie schrieb: Das beweist gar nichts.

Die Antwort kam prompt: Dies ist keine leere Drohung. Emmitt Shaw hat nicht nach Crowleys Nachkommen gesucht – im Gegensatz zu mir.

Offenbar hatte Maverick eine Verbindung zwischen Crowley und Shane gefunden. Vielleicht sollte sie das Ganze doch ernst nehmen. Brandee fluchte. Sie verließ das Büro, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

Es war ein Albtraum. Sie hatte alles, was sie besaß, in die Ranch gesteckt – in das Land und die Kühe. Falls man ihr das Land streitig machte, war sie ruiniert. Natürlich konnte sie die Rinder verkaufen, aber damit bekam sie nicht genügend Kapital für einen Neustart. Und was wurde aus ihrem Camp?

Brandee spürte, wie ihr der Schweiß auf die Stirn trat. Sie ging auf die Veranda. Trotz des kühlen Februarwetters setzte sie sich in einen Schaukelstuhl und zog die Knie an die Brust. Für gewöhnlich vermittelte der Ausblick ihr ein Gefühl des Friedens, aber nicht heute.

Was, wenn dieses Dokument echt war und mit Shane verknüpft war? Sie legte die Stirn gegen die Knie und stöhnte. War das Ganze nur ein grausamer Scherz? Wer auch immer Maverick war – es durfte nicht sein, dass er recht hatte.

Niemand hatte Anspruch auf das Land erhoben. Die Steuern waren nicht mehr bezahlt worden. Das bedeutete, dass das Land nach einer bestimmten Frist wieder an den Staat fiel. Sicher gab es eine gewisse Prozedur, der zu folgen war, wenn es darum ging, solches Land zu erwerben. Sie konnte nur davon ausgehen, dass Emmitt sich daran gehalten hatte. Und was, wenn nicht? Was sollte sie dann machen? Sie wollte ihre Ranch nicht verlieren. Und schon gar nicht an jemanden wie Shane Delgado!

Es dauerte lange, bis Brandees Panik nachließ. Völlig durchkühlt begab sie sich wieder ins Haus und begann zu planen. Zuerst einmal musste sie herausfinden, ob das Dokument echt war. Dann musste sie eine Verbindung zwischen Jasper Crowley und Shane finden.

Der Erpresser hatte ihr eine Frist von zwei Wochen gesetzt. Das war nicht viel Zeit, aber sie war höchst motiviert. Und falls sich bei ihren Recherchen ergab, dass Shane der Besitzer ihres Landes war? Dann konnte sie Mavericks Forderungen erfüllen. Fünfzigtausend Dollar waren keine Kleinigkeit, aber sie würde auch die dreifache Summe zahlen, um zu verhindern, dass Shane Delgado ihr Land in seine gierigen Finger bekam.

Was ihre Mitgliedschaft im Texas Cattleman’s Club betraf, so konnte sie die ohne Herzblut zurückgeben. Sie war dazu gekommen wie alle alten Mitglieder des Klubs: indem sie Hope Springs zu einer erfolgreichen Ranch gemacht und sich damit als wahrer Cattleman, als Rinderzüchterin, erwiesen hatte. Sie würde es hassen, das Feld zu räumen, aber sie würde es tun, wenn sie damit die Ranch und ihr Programm für gefährdete Teenager retten konnte.

Bei dem Gedanken an das triumphierende Lächeln der drei Hexen spürte Brandee Wut in sich aufsteigen. Wie oft hatte sie sich in der Schule gegen dieses gehässige Trio zur Wehr setzen müssen? Sie hatten sich über ihren unkonventionellen Stil lustig gemacht und jeden unter Druck gesetzt, der mutig genug war, mit ihr befreundet zu sein. Im Gegenzug hatte Brandee die Freunde der drei dazu gebracht, sich von ihnen abzuwenden. Außerdem hatte sie ihre Machenschaften vor der ganzen Schule offengelegt.

Brandee war im Nachhinein nicht stolz auf ihre Methoden, aber sie war nicht in der Verfassung gewesen, das Ganze cool an sich ablaufen zu lassen. Wenn es darum ging, sich zu verteidigen, kannte sie alle schmutzigen Tricks. Die Cowboys ihres Vaters hatten sie wie eine kleine Schwester behandelt und ihr Tipps gegeben, wie sie in jeder Situation die Oberhand behalten konnte. Brandee hatte ihre Ratschläge mehr als nützlich gefunden, als sie zu ihrer Mutter gezogen war und mit deren ständig wechselnden Lovern fertig werden musste.

Nicht alle Freunde ihrer Mutter waren Ekelpakete gewesen, aber einige von ihnen hatten sich ihr zu nähern versucht. Was blieb ihr anderes übrig, als sich zu schützen, indem sie alle Tricks der Manipulation anwandte?

Brandee war entschlossen, auch jetzt mit allen Mitteln um ihre Ranch zu kämpfen. Gnade Gott demjenigen, der es wagen sollte, sich ihr in den Weg zu stellen!

Shane stand an dem Ort, der einmal unter dem Namen Pure der Wellness-Bereich seines Hotelkomplexes The Bellamy werden sollte. Unzufrieden ließ er seinen Blick über die Baustelle gleiten. In einigen Monaten würde Pure die beeindruckendste Wellness-Oase von ganz Royal sein: die moderne Version eines altrömischen Bades mit verschiedenen Bereichen, in denen die Gäste sich entspannen konnten.

Im Moment war es einfach nur ein Chaos.

„Ich möchte, dass sich die Gäste in einem perfekt designten Ambiente wohlfühlen“, erinnerte Shane den Projektleiter. „Was ist an diesem Stein perfekt?“ Er hielt dem Mann ein Muster der Steine hin, die sein Missfallen erregt hatten. „Das ist nicht das, was ich bestellt habe.“

„Ich überprüfe das.“

„Und dann die Decke.“ Shane deutete nach oben. „Das Design habe ich nicht freigegeben.“

„Ich sehe mir die Unterlagen an.“

Shanes Smartphone summte und erinnerte ihn an seinen nächsten Termin.

„Wir machen gleich morgen früh weiter.“ Er hätte gern noch fünfzig weitere Details angesprochen, aber er musste jetzt gehen. In einer Viertelstunde erwartete seine Mutter ihn zu ihrem wöchentlichen gemeinsamen Essen, und bis zu ihrem Haus brauchte er wenigstens zwanzig Minuten.

Shane suchte sich einen Weg über die Baustelle und sah überall Dinge, um die er sich noch kümmern musste. Er hatte sich mit dem Hotelier Deacon Chase zusammengetan, um dieses architektonische Meisterwerk auf die Beine zu stellen. Der Umfang des Projekts – und der Investitionen – war kolossal.

Das Areal des Hotelkomplexes mit seinen zweihundertfünfzig Luxussuiten erstreckte sich mit der großen Parklandschaft insgesamt über zwanzig Hektar. Es sollte an nichts fehlen. Jedes Detail musste perfekt sein.

Bevor er seinen Wagen startete, schickte er seiner Mutter eine SMS, um sie wissen zu lassen, dass er sich verspätete. Ihre pikierte Reaktion brachte ihn zum Lächeln. Elyse Flynn hatte ihre Heimatstadt Boston im Alter von zweiundzwanzig mit einem Abschluss in Geowissenschaften verlassen und war nach Royal gekommen, um an einer Feldstudie zu Ölbohrungen in der Nähe der Stadt teilzunehmen. Dabei hatte sie Shanes Vater, Landon, kennengelernt. Nach einer stürmischen Romanze heirateten sie sechs Monate später, und Elyse zog auf Bullseye ein, der Ranch der Delgados.

Nachdem Landon gestorben war und Shane die Ranch übernommen hatte, zog Elyse in eine noble Wohnanlage in Pine Valley, die über einen eigenen Pool und einen Achtzehn-Loch-Golfplatz verfügte. Auch wenn sie sich dort wohlzufühlen schien, kaufte Elyse sich in Shanes Projekt ein und erstand eines der zwei Hektar großen Grundstücke, in die er das Areal aufgeteilt hatte. Hier sollte ihr Traumhaus entstehen.

Jede Woche, wenn er sie besuchte, zeigte sie ihm einen neuen Plan. Im vergangenen Jahr hatte sie mit nicht weniger als zwölf Architekten zusammengearbeitet. Ihre Wunschliste wuchs mit jeder Neuheit, die sie irgendwo entdeckte. Es gab Tage, an denen Shane sich fragte, ob sie sich je für einen Plan entscheiden würde. Und irgendwie fürchtete er diesen Tag, weil er vorhersah, dass sie zu der schrecklichsten Auftraggeberin werden würde, die er je gehabt hatte.

Als er das Haus betrat, stand sie mit einem Glas Rotwein in der Hand in der Tür zur Bibliothek.

„Da bist du ja endlich.“ Sie winkte ihn zu sich zu einem Wangenkuss. „Sieh dir nur an, wie brillant Thomas ist. Sein neuester Plan ist einfach fantastisch.“

Thomas Kitt war der Architekt der Stunde. Elyse hatte sich noch nicht endgültig für seine Ideen entschieden, aber seit einem Monat lobte sie ihn in den höchsten Tönen.

„Er hat die Küchenwand um ein paar Zentimeter versetzt, sodass ich noch Platz für den Weinkühlschrank habe. Jetzt muss ich mich nur noch entscheiden, ob ich das Modell mit oder ohne Schubladen für Käse und andere Snacks nehme.“

Sie reichte Shane ein Glas Wein und deutete einladend auf den Teller mit den Appetizern.

Shane trat an das Whiteboard, auf dem sie die neuesten Pläne befestigt hatte. „Ich würde das große Modell nehmen. Darin hast du noch Platz für sechzig weitere Flaschen.“

„Du hast recht.“ Elyse strahlte ihren Sohn an. „Sieht so aus, als müsste ich bald eine Fahrt nach Napa machen, um einzukaufen.“

„Wieso wartest du nicht wenigstens bis zur Grundsteinlegung?“ So oft wie seine Mutter ihre Pläne änderte, konnte er sich nicht vorstellen, dass mit dem Start der Bauarbeiten zu ihrem Haus vor Herbst zu rechnen war.

„Dein Vater war immer der Praktische in der Familie.“ Elyses Lächeln verblasste bei der Erinnerung an ihren verstorbenen Mann. „Jetzt hast du seine Rolle übernommen. Er wäre stolz auf dich.“

Landon Delgado war nie stolz auf seinen Sohn gewesen. Du kannst doch nichts weiter als gut reden und herumstolzieren wie Graf Koks von der Gasanstalt! Das war sein Standardsatz gewesen.

Elyse schien nicht zu bemerken, wie die Miene ihres Sohnes sich verfinsterte. Sie war in die Pläne für die Küche vertieft. „Ist es nicht verrückt, dass ich dieses industrielle Design mag?“ Sie deutete auf eine Broschüre mit hochmodernen Geräten.

Shane sah, wie viel Spaß sie an ihrem Projekt hatte. Er legte einen Arm um sie und hauchte ihr einen Kuss auf den Kopf. „Wie auch immer du dich entscheidest – ich bin sicher, es wird ein Hit.“

„Das will ich hoffen. Suzanne redet nur noch von dem neuen Haus, das sie auf deinem Areal baut. Ich kann es nicht mehr hören! Ich könnte sie und diesen eingebildeten Architekten, den sie sich genommen hat, umbringen.“

Elyse war mit vier älteren Brüdern aufgewachsen. Daher war sie seit Kindesbeinen auf Wettkampf eingestellt und suchte sich dafür jetzt ein kreatives Ventil. Ihr Mann hatte ihre künstlerischen Interessen nie geteilt. Landon Delgado liebte die Ranch. Harte Arbeit war ihm wichtiger als ästhetische Gedankenspielereien. Er verbrachte oft viele Stunden im Sattel, trieb Rinder oder kontrollierte Zäune. Seine Tage begannen vor Sonnenaufgang und endeten meist erst spät nach dem Abendessen. Wenn er nicht draußen war, kümmerte er sich im Büro um die geschäftliche Seite der Ranch.

Bestürzt registrierte Landon damals, dass Shane seine Liebe zur Ranch nicht teilte. Vielleicht lag es daran, dass er seinen Sohn, als er kaum sitzen konnte, auf ein Pferd setzte und erwartete, dass der Junge begeistert war. Shane hasste es. Hasste es, dass er von Kindesbeinen an jede freie Minute mit Pflichten verbringen musste, die sein Vater ihm auferlegte.

Ohne harte Arbeit wirst du es nie zu etwas bringen.

Als Shane in die Pubertät kam, artete sein Verhalten in offene Rebellion aus. Er trieb sich mit älteren Freunden herum, die bereits ihre eigenen Autos hatten. Sie feierten gern. Er hatte seit dem dritten Lebensjahr ständig auf der Ranch arbeiten müssen. Hatte er nicht auch ein wenig Spaß verdient?

Die Antwort seines Vaters auf diese Frage war ein klares Nein. Du irrst dich, wenn du glaubst, dass dein Grinsen dich in der Welt weiterbringt.

„Was hast du denn heute Schönes für uns gekocht?“, erkundigte Shane sich, als er seiner Mutter in die riesige Küche hinten im Haus folgte.

„Lachs mit Aprikose und Senf.“ Elyse hatte zwar eine Haushälterin, aber sie kochte gern selbst. „Das Rezept habe ich von dem Mann, der die Dinner-Party von Janice Hunt ausgerichtet hat. Ich glaube, er ist der Richtige für unsere Hundertjahrfeier.“

Elyse zog eine Braue in die Höhe, als sie die verständnislose Miene ihres Sohnes sah.

Shane war so beschäftigt mit seinem Bellamy-Projekt, dass er das Jubiläum der Ranch vollkommen vergessen hatte. „Ach, Gott, ja. Wann ist die Feier noch mal?“

„Am 21. März. Ich habe mit Vincent ein Probeessen am 24. Februar verabredet, damit wir uns entscheiden können, was wir nehmen.“

„Wir?“ Shane hatte Mühe, ein Stöhnen zu unterdrücken. „Kann dir nicht eine deiner Freundinnen dabei helfen?“

„Es ist deine Ranch, die wir feiern, und dein Erbe.“

„Ja, natürlich.“ Doch Shane hatte keinerlei Interesse daran, eine große Party für die Ranch zu geben, aber er schenkte seiner Mutter ein strahlendes Lächeln. „Hundert Jahre sind ein großer Meilenstein. Das gehört gefeiert.“

Elyse war sehr gesellig. Als Shane aufwuchs, hatte es oft Grillpartys am Pool gegeben. Shane hatte sich manches Mal gefragt, wie eine lebensfrohe, attraktive Städterin wie seine Mutter es mit so einem ernsten, rauen Rancher aushielt. Aber es gab keinen Zweifel: So verschieden seine Eltern auch sein mochten, sie liebten einander. Dies war der einzige Punkt, in dem Shane einer Meinung mit seinem Vater war.

In diesem Moment schoss ihm Brandee Lawless in den Sinn. Das war eine Frau, die er am liebsten in seine Arme gezogen und nie wieder losgelassen hätte. Er stellte sich vor, wie er ihren Hut runterschob, um seine Finger durch ihr langes blondes Haar gleiten zu lassen, und wie er sie dann innbrünstig küsste.

Das Problem war: In ihrem Blick erkannte er dieselbe Skepsis, der er bereits bei seinem Vater begegnet war. Ihr konnte er mit seiner charmanten Maske, die er der Welt zeigte, nichts vormachen. Es war irritierend. Wenn sie ihn ansah, schien sie irgendwie … mehr zu erwarten.

Irgendwann begreifen die Leute, dass bei dir alles nur Fassade ist und nichts dahintersteckt.

Bisher hatte er Glück gehabt, und diese Prophezeiung seines Vaters war nicht eingetroffen. Aber was Brandee betraf, schien seine Glücksphase sich dem Ende zu nähern.

3. KAPITEL

Brandee hatte nur wenige Stunden geschlafen. Rasch erledigte sie ihre üblichen Morgenarbeiten und fuhr dann zum Historischen Museum von Royal. Sie hatte sich keine Zeit für das Frühstück genommen. Ihr war ganz übel, wenn sie das plötzliche Chaos in ihrem Leben betrachtete.

Nur, weil ein Stück Papier aufgetaucht war, lief sie Gefahr, alles zu verlieren. In den frühen Morgenstunden war sie sogar schon so weit gewesen, Maverick die fünfzigtausend zu zahlen und den Klub zu verlassen. Es war wichtiger, ihre Ranch zu retten, als über die drei Hexen zu siegen. Aber Kneifen war noch nie ihre Art gewesen. Und so echt das Dokument auch wirken mochte – bislang gab es keinen Beweis, dass es tatsächlich echt war.

Eine halbe Stunde später saß sie am Tisch des kleinen Lesesaals und fand ihre größten Befürchtungen bestätigt. Vor ihr lag das Dokument, das sie auf dem Foto gesehen hatte, geschützt in einer Plastikhülle. Sie löste den Blick von dem Papier und sah zu dem sehr hilfsbereiten Kurator auf. Rueben Walkers Überraschung darüber, sie schon vor der Tür zu sehen, als er das Museum öffnete, verriet, dass Besucher zu dieser Tageszeit eher selten waren.

„Sie sagen, das ist ein Teil der Sammlung, die das Museum nach dem Tod von Jasper Crowley erhalten hat?“ Brandee fragte sich im Stillen, welche bösen Überraschungen wohl noch in den Archiven des Museums verborgen sein mochten.

„Ja, Jasper Crowley war eines der Gründungsmitglieder des Texas Cattleman’s Klubs. Leider hat er die Eröffnung des Klubhauses im Jahre 1910 nicht mehr erlebt.“

„Was gehört sonst noch zu der Sammlung?“

„Das Übliche. Seine Heiratsurkunde. Seine Frau war Sarah McKellan. Dann die Geburtsurkunde ihrer Tochter Amelia. Sarahs Sterbeurkunde. Jasper hat sie um fast dreißig Jahre überlebt, aber er hat kein zweites Mal geheiratet. Dann gab es noch diverse Kaufverträge.“

Brandee interessierte sich natürlich am meisten für Jaspers Tochter. Das Land war ihre Mitgift gewesen. Wieso hatte sie sie nicht in Anspruch genommen? „Gibt es noch irgendwelche Dokumente zu Amelia? Hat sie je geheiratet?“

Walker überlegte einen Moment. „Ich kann mich nicht erinnern, je etwas davon gelesen zu haben. Sie könnten das Archiv der Zeitung durchsehen. Jasper war ein wichtiger Mann. Über die Hochzeit seiner Tochter wäre mit Sicherheit berichtet worden.“

Brandee hatte weder die Zeit noch die Geduld, um sich durch Jahrzehnte alter Zeitungen zu wühlen. „Kennen Sie vielleicht jemanden, der mir bei der Suche helfen könnte? Selbstverständlich zahle ich dafür.“

„Ich habe einen Assistenten in Teilzeit, der ein paarmal die Woche ins Haus kommt. Er könnte Ihnen helfen, sobald er seiner Schwester bei ihrem Umzug nach Utah geholfen hat.“

„Wann wäre das?“

„Ich nehme an, Mitte der kommenden Woche.“

Maverick hatte ihr eine Frist von zwei Wochen gesetzt. Falls die Ansprüche berechtigt waren, hatte sie keine Zeit zu verlieren. Brandee überlegte. „Ist das Zeitungsarchiv hier?“

Der Kurator schüttelte den Kopf. „Nein, es befindet sich in der Bibliothek, abgespeichert auf Mikrofiches.“

„Danke für Ihre Hilfe.“ Brandee eilte hinaus.

Die Bibliothek war nur ein paar Blocks entfernt, dafür musste sie nicht den Wagen nehmen. Auf dem Weg kam sie am Royal Diner vorbei. Ihr Magen knurrte vernehmlich. Sosehr es sie auch danach drängte, sich auf die Recherchen zu stürzen, sie würde effektiver arbeiten, wenn sie dabei keine Hungerschübe bekam.

Im Royal Diner schien die Zeit in den 1950ern stehen geblieben zu sein. Eine Seite wurde ganz von Nischen eingenommen. Das rote Lederimitat der Bänke hob sich leuchtend vom schwarz-weißen Schachbrettmuster der Bodenfliesen ab. Gegenüber den Nischen befand sich die Bar, deren Hocker mit dem gleichen Lederimitat bezogen waren.

Wie immer war der Diner gut besucht. Brandee sah, dass Adam Haskell dem Ausgang zustrebte. Offensichtlich hatte er einen Platz hinten am Tresen freigemacht. Sie bahnte sich ihren Weg hinüber und erkannte zu spät, dass der freie Platz zwei Nachbarn hatte: zur einen Seite einen ihr unbekannten Cowboy, zur anderen ausgerechnet Shane Delgado. Am liebsten hätte sie auf der Stelle kehrtgemacht, aber sie wusste, dass das albern gewesen wäre. Also gab sie sich einen Ruck und schob sich auf den freien Platz.

Shane sah von seinem Smartphone auf und grinste, als er sie entdeckte. „Hallo! Das scheint ja mein Glückstag zu sein.“

Seine volle, tiefe Stimme ließ ihr einen Schauer über den Rücken laufen. Sie stieß mit ihrer Schulter gegen seine, als sie ihre Tasche an den Haken unter dem Tresen hängen wollte. Prompt richteten sich die Härchen auf ihren Armen auf. Sie hasste es, wie ihr Körper auf seine Nähe reagierte.

Brandee schoss Shane einen scharfen Blick zu. „Ich bin nicht in Stimmung, um mit dir zu streiten.“ Sie war noch schroffer als sonst, was ihn sichtlich überraschte. „Können wir uns einfach nur über das Wetter oder die Ölpreise unterhalten?“

„Soweit ich gehört habe, soll es den Rest der Woche sonnig bleiben.“ Sein breites Grinsen verriet, dass er seinen Spaß daran hatte, sie aus der Ruhe zu bringen. „Die Regenwahrscheinlichkeit liegt bei dreißig Prozent.“

„Wir könnten Regen gebrauchen.“

Heidi brachte Shanes Frühstück und nahm Brandees Bestellung auf. Eine Sekunde später brachte sie bereits eine Tasse Kaffee.

„Alles in Ordnung?“ Sie flirtete unverhohlen mit Shane.

„Perfekt wie immer.“

„Das höre ich doch gern.“

„Du hast noch keinen einzigen Bissen gegessen“, bemerkte Brandee empört, als die junge Frau verschwunden war. „Woher willst du wissen, dass es perfekt ist?“

„Ich frühstücke zweimal die Woche hier, und es ist immer gleich gut.“ Shane pikte die Gabel in das Ei. Das weiche Eigelb lief über seinen Teller.

Brandee schüttelte sich.

„Was ist?“ Shane biss in ein Stück Toast. Er hatte sie nicht angesehen, schien aber zu spüren, dass etwas sie irritierte.

„Nichts. Wieso?“

„Du wirkst noch angewiderter als sonst.“ Sein leises Lachen ließ ihren Puls rasen.

„Es sind die Eier. Ich mag es nicht, wenn sie so weich sind.“ So wie Menschen sich nicht von dem Anblick von Autounfällen lösen konnten, so konnte Brandee ihren Blick nicht von Shanes Teller wenden. Es ekelte sie.

„Wirklich?“ Er schob das Eigelb auf dem Teller herum, als wollte er sie extra quälen. „Aber mit Bratkartoffeln und Corned Beef isst man sie nun einmal so.“

„Wieso isst du nicht Biskuits mit Soße?“

„Das wäre gegen meine irischen Wurzeln.“

„Du bist Ire?“

„Von der Seite meiner Mutter, ja. Sie kommt aus Boston.“

„Oh.“

„Oh – was?“

„Ich habe mich immer gefragt, woher dein Akzent kommt.“

„Du hast über mich nachgedacht?“ Er schien höchst erfreut.

Brandee musste sich zusammenreißen, um nicht die Augen zu rollen. Dem Mann musste man nur einen kleinen Finger reichen, und schon nahm er die ganze Hand! „Nicht über dich, sondern über deinen Akzent“, korrigierte sie ihn trocken. „Er ist nicht reines Texasenglisch, sondern hat eine Spur Ostküste.“

Shane nickte. „Das ist die Schuld meiner Mom. Sie spricht auch nach vierzig Jahren noch Ostküstenenglisch.“

„Was hat sie nach Texas verschlagen?“ Noch während Brandee fragte, wurde ihr bewusst, dass dies die erste wirklich normale Unterhaltung war, die sie beide pflegten. Normalerweise hatten sie eher so etwas wie einen verbalen Schlagabtausch oder sogar einen richtigen Streit.

„Sie kam nach dem Studium hierher, um Feldstudien zu Ölbohrungen zu machen. Dabei hat sie meinen Dad kennengelernt. Nach sechs Monaten haben sie geheiratet, und seither ist sie hier.“ Shane benutzte seine Scheibe Toast, um den Rest des Eigelbs aufzustippen. „Nach dem Tod meines Vaters ist sie für fast ein Jahr nach Boston zurückgekehrt, stellte dann aber fest, dass sie Royal vermisst.“

„Ich bin sicher, sie hat nicht Royal, sondern dich vermisst.“

Shane nickte. „Ich bin ihr Augapfel.“

„Natürlich.“ Brandee dankte Heidi, die ihr das Frühstück gebracht hatte. Sie hätte das Gespräch jetzt einschlafen lassen können, aber etwas bewegte sie zu fragen: „Hat sie nicht wieder geheiratet?“

Brandee kannte Elyse Delgado flüchtig, weil sie ihren Sohn nach dem Tod ihres Mannes zu mehreren Anlässen im Texas Cattleman’s Club begleitet hatte. Sie hatte sich nie mit ihr unterhalten, sah man einmal von einem flüchtigen Hallo ab. Dabei hätte sie Elyse Delgado gern näher kennengelernt, wäre da nicht ihr Sohn gewesen.

„Sie hat ein paar Dates gehabt, aber es hat sich nichts Ernstes daraus ergeben. Sie hat meinen Vater sehr geliebt. Ich glaube, im Moment genießt sie ihre Freiheit.“

„Das kann ich verstehen“, bemerkte Brandee nachdenklich. „Ich genieße es auch, meine Ranch so führen zu können, wie ich es will, und nicht immer die Meinung eines anderen berücksichtigen zu müssen.“

„Das klingt ja fast so, als wolltest du nie heiraten.“ Shane klang überrascht, fast ein wenig betroffen.

Brandee spürte, wie sich ihr die Nackenhaare aufstellten. Er hatte ihr wahrscheinlich nicht zu nahe treten wollen, aber in der von Männern dominierten Welt der Rinderzucht in Texas hatte sie mehr als genug mit Chauvinismus zu tun.

„Ich brauche keinen Mann, der mir hilft oder mich ergänzt“, erklärte sie hitzig.

Shane hob die Hände. „Das habe ich nicht gemeint.“

„Nein?“ Sie schnaubte verächtlich. „Dann sag mir, dass du dich nicht fragst, wie ich die Ranch ohne einen Mann an meiner Seite manage!“ Sie sah die Bestätigung in seiner Körpersprache, noch ehe er dazu kam, es in Worte zu fassen. „Dank meinem Dad weiß ich mehr über das Führen einer Ranch als die Hälfte der Männer hier.“

„Daran habe ich keinen Zweifel.“

„Aber du findest trotzdem, dass ich jemanden brauche.“

„Ja.“ Shane grinste. „Und sei es nur, um dich um den Verstand zu küssen und dein Temperament etwas zu zügeln.“

Brandees Blick wurde kühl. Shane begriff, dass er besser den Mund gehalten hätte. Da hatten sie sich endlich einmal normal unterhalten, und er musste alles wieder kaputt machen! Aber ihr ganzes Reden davon, dass sie keinen Mann brauchte, hatte ihn einfach aufgebracht. Er wusste selbst nicht, warum.

„Niemand muss mein Temperament zügeln. Frag jeden in der Stadt, und er wird dir bestätigen, dass ich immer höflich bin.“

„Außer, wenn ich in der Nähe bin.“

Sie musste wider Willen lächeln. „Du provozierst mich eben ständig.“

Und aus irgendeinem Grund ging es ihm umgekehrt ebenso. „Ich würde das gern ändern.“ Aber zuerst einmal musste er es lernen, in ihrer Gegenwart zuerst den Verstand einzuschalten, bevor er das Mundwerk in Betrieb nahm.

„Wieso?“

„Weil du mich interessierst.“

„Als jemand, der hinter deine glatte Fassade sieht?“

„Ich gebe zu, du bist eine Herausforderung für mich.“ Normalerweise fiel es ihm nicht schwer, zu bekommen, was er wollte. In Brandees Fall mochte es eine Extraanstrengung wert sein.

„Ich frage mich, ob es inzwischen eine Art Spiel für dich geworden ist, mich zu bitten, dir meine Ranch zu verkaufen.“

„Natürlich hätte ich dein Land gern, um mein Projekt zu erweitern, aber ich bin noch in einem frühen Stadium, um dich zu werben.“

„Um mich zu werben?“ Um ihre Mundwinkel zuckte es verdächtig. „Du hast wirklich eine Art mit Worten, Shane Delgado!“

„Das hast du mir schon öfter vorgeworfen. Aber das heißt nicht, dass ich es nicht ernst meine.“

Brandee schob die Reste ihres Frühstücks beiseite und widmete Shane ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. „Nur, damit ich das richtig verstehe: Du möchtest, dass wir miteinander ausgehen?“ Sie lachte über diese Absurdität.

Er hatte es mehrfach erwogen, aber niemals ernsthaft. Die Chemie zwischen ihnen war zu explosiv. Sie glich eher einem Strohfeuer als einer Dauerflamme. Er hatte einen Punkt in seinem Leben erreicht, wo er sich mit einer Frau gern Zeit ließ.

„Okay. Wir wollen es nicht gleich übertreiben.“ Er begegnete ihrer Skepsis mit leichtem Geplänkel. „Wie wäre es, wenn wir einen einwöchigen Waffenstillstand ausrufen und sehen, was das bringt?“

Ihr Lächeln verriet, dass sie geradezu erleichtert war. Ein erneuter Schlag für sein Ego. Hatte die Vorstellung eines Dates mit ihm sie wirklich entsetzt? Die meisten Frauen wären mehr als angetan gewesen. Wieder einmal musste er sich in Erinnerung rufen, dass sie einzigartig war und nicht mit irgendeiner anderen Frau auf dem Planeten zu vergleichen.

„Heißt das, eine Woche lang wirst du nicht versuchen, mich zum Verkauf meiner Ranch zu bewegen?“ Sie lächelte, aber ihr Blick war ernst.

„Richtig.“

„Dann lass es uns auf zwei Wochen ausdehnen.“

Zu seiner Überraschung reichte sie ihm die Hand, als handle es sich wirklich um einen großen Deal. Ihm fiel auf, dass sie sich bisher zwar Wortgefechte geliefert, dass sie sich aber noch nie berührt hatten. Der Kontakt enttäuschte ihn nicht.

Der Druck ihrer Hand war fest, aber nicht zu fest. Angenehm. Er fühlte die Schwielen in der Handinnenfläche und die seidig glatte Haut des Handrückens. Ein Kontrast, wie er typisch zu sein schien für sie.

Shane spürte Verlangen in sich aufsteigen, aber schon ließ sie seine Hand los und griff nach ihrem Kassenbon. Mit einer raschen Bewegung ließ sie sich in den schmalen Spalt zwischen ihrem und seinem Hocker gleiten. Dabei berührte ihre Brust seinen Oberarm, und er spürte die Kurve ihres Körpers auch durch ihren Pullover und seine Jacke hindurch.

„Bis dann, Delgado.“

Ehe er etwas sagen konnte, war sie bereits mit Jacke und Tasche auf dem Weg zur Kasse. Fasziniert sah er ihr nach und genoss den leichten Schwung ihrer Hüften und den Anblick ihres festen, runden Pos in den engen Jeans. Die Frau wusste einen Abgang zu inszenieren!

„Verdammt“, murmelte er und bedeutete der Serviererin, ihm noch einmal Kaffee nachzuschenken. In einer halben Stunde hatte er einen Termin, aber vorher musste er sich erst wieder in den Griff bekommen.

Eine Tasse Kaffee später war er so weit, dass er den Diner verlassen konnte. Suchend sah er sich nach dem Kassenbon um, konnte ihn aber nicht finden. Er erinnerte sich deutlich daran, dass Heidi ihn ihm zugeschoben hatte. Er fing einen Blick von ihr auf, und sie kam mit der Kanne.

„Noch einen Kaffee, Shane?“

„Nein, ich muss gehen, aber ich kann meinen Bon nicht finden. Ist er vielleicht dahinter gefallen?“ Er deutete auf ihre Seite der Bar.

„Es ist alles erledigt.“

„Ich verstehe nicht …“

„Brandee hat deinen Bon übernommen.“

Hatte sie sich deswegen so an ihm vorübergeschoben? In dem Moment, als sie ihm so nah war, hatte er nichts anderes mehr wahrgenommen. Er verstand, wieso sie seine Rechnung gezahlt hatte: Es war eine Demonstration ihrer Unabhängigkeit.

„Danke, Heidi.“ Er konnte nicht anders: Er musste seine Männlichkeit bestätigen, indem er eine Zehn-Dollar-Note als Trinkgeld zurückließ, bevor er nach draußen eilte.

Während er zu seinem SUV ging, überdachte er sein eigenes Verhalten. Hätte er auch ein solches Trinkgeld gegeben, wenn Gabe oder Deacon seine Rechnung übernommen hätten? Wahrscheinlich nicht. Offensichtlich machte es ihm etwas aus, wenn eine Frau sein Frühstück bezahlte. Vielleicht nicht jede Frau, aber zumindest diese eine …

Wieso hatte er die Idee des Datens so schnell verworfen? Aller Wahrscheinlichkeit nach würden sie einander im Bett um den Verstand bringen. Und danach konnte es auch nicht schlechter zwischen ihnen laufen als jetzt. Es sah doch ganz so aus, als hätte er nichts zu verlieren, aber heißen Sex zu gewinnen.

Während er zum Bellamy fuhr, um zu sehen, wie das Projekt voranging, waren seine Gedanken bei Brandee. Alles, womit er eine Frau normalerweise für sich einnahm, war für sie eindeutig zu wenig. Außerdem hatte sie ja bereits erklärt, nicht an einem Date interessiert zu sein. Oder?

Shane begriff, wie schwer die Aufgabe war, die vor ihm lag. Je mehr er darüber nachdachte, desto entschlossener war er, Brandee dazu zu bewegen, ihnen beiden eine Chance zu geben. Aber wie sollte er das erreichen, wenn die Frau von vornherein so skeptisch war?

Plötzlich hatte er die Lösung. Sie fand sich in dem Projekt, das ihrem Herzen am nächsten stand: das Hope Springs Camp für gefährdete Teenager. Irgendwie würde er herausfinden, was sie am dringendsten brauchte, und dafür sorgen, dass sie es bekam.

Brandee verließ den Royal Diner in der freudigen Gewissheit, Shane verärgert zu haben, indem sie seine Rechnung übernommen hatte. Ihre gute Laune verflog bald, als sie im Archiv versuchte herauszufinden, ob Mavericks Behauptung stimmte, dass Shane ein direkter Nachfahre von Amelia Crowley war.

Sie brauchte fast fünf Stunden, und dreimal war sie kurz davor aufzugeben. Nach langem Suchen fand sie endlich ihren ersten Anhaltspunkt: eine Notiz, dass Amelia mit einem Mann namens Tobias Stone durchgebrannt war.

Unter dem Namen Stone entdeckte sie die Geburtsurkunde von Amelias Tochter Beverly. Die Stones hatten sich nicht in Royal niedergelassen, sondern in einem Nachbarbezirk. Glücklicherweise hatte die Stadt, in der sie lebten, alle Ausgaben der lokalen Zeitung online gestellt.

Brandee übersprang siebzehn Jahre und suchte nach einem Hinweis auf Beverly Stones Heirat. Bingo! Sie war die Frau von Charles Delgado geworden. Danach wurde die Suche leichter. Das letzte Teil ihres Puzzles war Shanes Geburtsurkunde. Damit hatte Brandee es nun schwarz auf weiß: Das Land, auf dem sich ihre Ranch befand, gehörte Shane Delgado.

Bedrückt verließ sie die Bibliothek. Die Suche hatte sie mehr erschöpft als ein ganzer Tag im Sattel. Sie brauchte unbedingt ein heißes Bad, um die Spannung aus ihren Schultern zu vertreiben, und ein Glas Wein für die Betäubung ihrer Gefühle.

Am meisten sehnte sie sich danach, nicht mehr an Shane Delgado denken zu müssen. Das erwies sich jedoch als unmöglich. An den Mann zu denken, während sie nackt in ihrem Schaumbad lag, war kontraproduktiv. Insbesondere, wenn sie an seinen Ausdruck dachte, als es darum ging, sie um den Verstand zu küssen …

Brandee seufzte gequält. Als ob sich ihre momentanen Probleme damit lösen ließen. Sogar wenn Shane nicht im Mittelpunkt ihres größten Albtraums stünde, könnte sich zwischen ihnen nichts Sinnvolles ergeben.

Aber musste es denn überhaupt sinnvoll sein? Konnte sie nicht einmal einfach nur Frau sein? Einfach einmal einem anderen die Führung überlassen? Und wenn dieser andere Shane Delgado war? Zumindest hätte sie ihren Spaß dabei.

Entsetzt stellte Brandee fest, dass sie sich in Gedanken eine ganze Stunde mit Shanes eindrucksvollem Körper befasst hatte. Das Badewasser war beträchtlich abgekühlt, und ihre Finger waren schon ganz schrumpelig.

Während sie sich abtrocknete, hörte sie das Telefon in ihrem Büro klingeln. Es war ungewöhnlich, dass jemand die Ranch am Abend anrief, aber durchaus nicht ausgeschlossen. Sie schlüpfte in einen Schlafanzug und begab sich in ihr Büro, um den Anrufbeantworter abzuhören.

„Ich habe gehört, du suchst noch Pferde für dein Sommercamp.“ Unverkennbar die Stimme von Shane Delgado. „Liam Wade hat einen Hengst, der inzwischen zu alt ist für Rennen. Er sucht ein neues Zuhause für das Tier und wäre bereit, ihn dir für deinen Zweck kostenlos zu überlassen.“

Brandee hatte ein festes Budget für jedes ihrer Projekte. Natürlich gab es auch immer wieder unvorhergesehene Ausgaben. Unter diesen Umständen war ein hoch qualifiziertes, gut trainiertes Pferd von Liam Wade einfach ein Geschenk des Himmels! Sie hatte bereits drei Pferde für das Camp und hoffte, letztlich auf sechs zu kommen.

Brandee wählte spontan Shanes Nummer. Während sie darauf wartete, dass er abnahm, fragte sie sich, was er für eine Gegenleistung erwarten mochte.

Nach dem dritten Klingeln meldete er sich. „Ich gehe mal davon aus, dass du an dem Pferd interessiert bist.“

„Sehr. Vielen Dank, dass du das organisiert hast.“

„Keine Ursache.“

„Das war wirklich nett von dir.“ Nicht einmal der Gedanke daran, dass es in seiner Macht stand, alles zu vernichten, was sie aufgebaut hatte, konnte ihr Gefühl der Dankbarkeit stoppen. „Ich nehme an, ich bin dir etwas schuldig …“ Was konnte sie ihm anbieten?

„Du schuldest mir nichts.“

Brandee wurde misstrauisch. Er forderte nichts? War das irgendein neues Spiel? Sie musste an den Erpresser Maverick denken. Hatte Shane etwas damit zu tun? Sie verwarf den Gedanken sofort wieder. Hätte er eine Ahnung, dass ihr Land eigentlich ihm gehörte, würde er es offen zur Sprache bringen.

„Also gut. Nochmals vielen Dank“, sagte sie unbeholfen.

„War mir eine Freude.“

Sie legte auf und grübelte. Es war ihm eine Freude? Das klang doch ebenso aufgesetzt wie seine Beteuerung, sie sei ihm nichts schuldig. Was hatte er nur vor? Da sie keine Antwort auf ihre Frage fand, begab Brandee sich in ihr Schlafzimmer und schaltete den Fernseher ein, aber nichts konnte ihre Aufmerksamkeit fesseln.

Schließlich ging sie in die Küche, um sich einen beruhigenden Kräutertee aufzugießen. Danach war sie jedoch wacher denn je. Also stellte sie die Waschmaschine an und erledigte ein paar Hausarbeiten. Da sie allein im Haus lebte, kam ihre Köchin und Haushaltshilfe May nur ein paarmal in der Woche.

Frustriert stand Brandee in ihrem Wohnzimmer. Sie verfluchte diesen Maverick. Falls sie herausfand, wer hinter dieser Erpressung stand, sollte er dafür zahlen! In der Zwischenzeit musste sie sich überlegen, was sie tun wollte. Sie ließ sich auf ihr Sofa sinken und zog sich eine Decke um die Schultern.

Im Grunde hatte sie keine Wahl. Sie musste die fünfzigtausend Dollar zahlen und ihre Mitgliedschaft im Klub aufgeben. Auch wenn es ihr widerstrebte nachzugeben, konnte sie nicht das Risiko eingehen, ihr Zuhause zu verlieren. Im Geiste sah sie das triumphierende Lächeln der drei Hexen vor sich. Es war wirklich bitter.

Und was, wenn Maverick nichts mit den Dreien zu tun hatte? Was, wenn sie die Situation falsch gedeutet hatte und jemand anderes dahinter steckte? Sie hatte keine Garantie, dass Maverick Ruhe gab, wenn sie seine Forderungen erfüllte. Die Vorstellung, für den Rest ihres Lebens seinen Erpressungen ausgesetzt zu sein, hatte nichts Verlockendes. Aber was konnte sie tun?

Ihre Gedanken wanderten wieder zu Shane. Konnte sie ihn vielleicht dazu bewegen, seine Ansprüche auf ihr Land aufzugeben? Was würde ihr Vater von der Idee halten? Sie wagte nicht, es sich auszumalen. Buck Lawless hatte nie irgendjemanden betrogen oder hinters Licht geführt. Er würde sich dafür schämen, dass sie es auch nur in Erwägung zog.

Aber Buck hatte auch nie ein Umfeld ertragen müssen wie Brandee nach seinem Tod. Im Haus ihrer Mutter hatte sie eine schnelle und unerfreuliche Lektion zum Thema Selbsterhaltung gelernt. Die Position ihres Vaters als Vorarbeiter auf der Ranch hatte dazu geführt, dass Brandee mit den Cowboys leben und arbeiten konnte, ohne befürchten zu müssen, sie könnten ihr etwas antun. Bei den Lovern ihrer Mutter war das nicht der Fall gewesen.

Sie war nicht stolz darauf, gelernt zu haben, wie man die Gefühle und Wünsche anderer manipulieren konnte, aber sie war froh, diese finsteren Zeiten halbwegs heil überstanden zu haben und schließlich so erfolgreich mit ihrer Ranch geworden zu sein, wie ihr Vater es sich immer gewünscht hatte. Und was Shane betraf – solange er nichts wusste von seinem Anspruch auf ihr Land, solange würde es ihm nicht wehtun. Sie musste nur dafür sorgen, dass er ahnungslos blieb, bis sie einen Weg gefunden hatte, das Land behalten zu können.

4. KAPITEL

Shane saß auf dem Ledersofa in seinem Arbeitszimmer und hatte die Füße auf den Kaffeetisch gelegt, in der linken Hand ein noch unberührtes Glas Scotch. Fast vierundzwanzig Stunden waren vergangen, seit Brandee angerufen hatte, um sich für das Pferd zu bedanken. Seither hatte er unablässig an sie denken müssen. Sie hatte irgendwie zurückhaltend geklungen, so als erwartete sie, er würde eine Gegenleistung für seine Hilfe verlangen. Es war nicht die Reaktion, die er sich erhofft hatte, aber typisch Brandee.

Was zum Teufel stimmte nicht mit dieser Frau? Wieso konnte sie eine nette Geste nicht einfach so hinnehmen? Andererseits hatte sie ja recht. Er wollte tatsächlich etwas von ihr, aber nicht ihre Ranch. Würde sie das je glauben?

Es klingelte an der Tür. Shane stellte das Glas ab und ging öffnen. Er erwartete niemanden.

Auf der Veranda stand Brandee. Sie trug ihr übliches Jeans-Outfit, im Arm eine verpackte Flasche. Sie lächelte über seine entgeisterte Miene. Ganz offensichtlich genoss sie es, ihn überrascht zu haben.

„Ich habe dir ein kleines Dankeschön gebracht.“ Sie reichte ihm die Flasche. „Ich weiß, du magst Scotch, und dachte, der könnte dir schmecken.“

„Danke.“ Er deutete ihr hereinzukommen.

„Nett hast du es hier.“ Brandee schob die Hände in die Taschen ihrer Jeans, während sie sich in seinem Wohnzimmer umsah.

„Das Kompliment gebe ich an meine Mutter weiter. Sie hat sich um die Einrichtung gekümmert.“

„Sie hätte Innenarchitektin werden sollen.“

„Das habe ich ihr auch schon gesagt.“ Shane wickelte die Flasche aus und stieß einen Pfiff durch die Zähne, als er das Label sah. „Das ist ja etwas ganz Besonderes!“

„Freut mich, dass er dir gefällt. Ich habe den Barkeeper vom Klub gefragt, was er empfiehlt. Das ist sein Vorschlag.“

„Eine gute Wahl.“ Die Marke war wesentlich teurer als alles, was Shane im Haus hatte, und er brannte darauf, sie zu probieren. „Trinkst du ein Glas mit?“

„Nur einen Schluck. Ich muss ja noch fahren.“

Shane trat an den Schrank, in dem er seine Spirituosen und die Gläser aufbewahrte. Er füllte zwei kleine tulpenförmige Gläser mit dem Scotch und reichte ihr eines.

Brandee betrachtete es interessiert. „Ich dachte, man trinkt Scotch aus einem Tumbler.“

„Normalerweise ja, aber das, was du gebracht hast, ist ein besonderer Scotch.“ Er hob das Glas gegen das Licht, um die Farbe zu prüfen. „Er hat ein Whiskey-Glas verdient.“

„Worauf wollen wir trinken?“

Er konnte den Blick nicht von ihr wenden und sagte den ersten Unsinn, der ihm in den Kopf schoss. „Auf den Weltfrieden?“

„Auf den Weltfrieden.“ Sie stieß ihr Glas leicht gegen seines.

Ehe Shane trank, schwenkte er den Scotch ein wenig. Er hob das Glas an die Nase und sog den Duft ein. Ein Scotch dieser Klasse war es wert, ihn ausgiebig zu genießen. Er ließ den ersten Schluck genießerisch über die Zunge rollen. Schließlich atmete er tief durch und wartete. Nach ungefähr sechs Sekunden belohnte der Scotch ihn mit dem ganzen Reichtum seiner Geschmacksnuancen: ein Hauch von Zitrone, Birne, Äpfeln und Pflaumen von den Sherry-Fässern, in denen er gelagert gewesen war. Dazu eine Note von Schokolade und zum Schluss eine Spur von Lakritz.

„Fantastisch“, stöhnte er.

Brandee beobachtete ihn mit unverhohlener Neugier. „Ich habe nie viel Scotch getrunken, aber wenn ich dir so zusehe, habe ich den Eindruck, etwas verpasst zu haben. Zeigst du mir, wie man ihn genießt?“

Mit nichts hätte sie ihm eine größere Freude machen können.

„Gern.“ Schritt für Schritt weihte er sie in die Kunst des Trinkens ein.

Ihre Augen leuchteten auf, als sie die letzte Stufe erreicht hatte.

„Eine Mischung aus Mandarine und Pflaume“, hauchte sie fast ehrfurchtsvoll.

Sie gönnten sich einen weiteren Schluck. Der Genuss, den Shane dabei empfand, war noch größer als sonst, weil er die Erfahrung mit Brandee teilen konnte. Sie rollte nicht die Augen oder verzog das Gesicht, wie viele andere Frauen, die er kannte, es getan hätten.

In dieser kurzen Zeit erreichten sie eine Stufe der Vertrautheit miteinander wie in all den vier Jahren nicht, die sie sich schon kannten. Er lernte eine ganz neue Seite an Brandee kennen. Eine warme, herzliche Seite. Er war mehr als froh darüber, sie mit Liam zusammengebracht zu haben. Unter den Umständen sollte es wesentlich leichter als erwartet sein, ihr die Idee des Datens schmackhaft zu machen.

Brandee stellte ihr Glas beiseite. „Ich bin nicht nur gekommen, um mich bei dir zu bedanken.“

Schweigend wartete Shane auf das, was da noch kommen mochte.

„Ich habe über das nachgedacht, was du gestern im Diner gesagt hast.“

„Darüber, dass jemand dich um den Verstand küssen sollte?“ Er grinste, als er sah, wie sie die Brauen zusammenzog.

„Darüber, dass wir einen zweiwöchigen Waffenstillstand ausrufen“, korrigierte sie ihn. „Ich weiß, wie du bist. Nach den zwei Wochen wäre wieder alles beim Alten und du würdest mich wieder bedrängen zu verkaufen.“

Im Moment interessierte ihn nichts weniger als der Kauf ihrer Ranch. „Hast du eine Lösung?“

„Wie wäre es mit einer Wette?“

„Wie sollte die aussehen?“

„Falls ich gewinne, verzichtest du für immer darauf, Ansprüche auf meine Ranch und das dazugehörige Land zu erheben.“

„Und wenn du verlierst?“

„Dann verkaufe ich dir die Ranch.“

Das Schweigen zwischen ihnen zog sich in die Länge. Brandee musste sich ihrer Sache sehr sicher sein, wenn sie eine solche Wette einging. Was hatte sie vor?

„Nur, damit ich das richtig verstehe“, begann er. „Jahrelang hast du dich geweigert, mir dein Land zu verkaufen, und nun plötzlich bist du bereit, es bei einer Wette einzusetzen? Mit dem Risiko, es zu verlieren?“ Er schüttelte den Kopf. „Ich kann es einfach nicht glauben. Du liebst diese Ranch viel zu sehr, um dich so leicht davon zu trennen.“

„Erstens ist ja die Frage, ob du überhaupt gewinnst. Du kennst die Bedingungen noch nicht.“

„Und zweitens?“

„Ich habe gesagt, ich würde dir das Land verkaufen. Ich habe nicht gesagt, zu welchem Preis.“

Er hatte ja schon immer gewusst, dass sie clever war. Er genoss es, sich mit ihr zu messen. „Ich biete zehn Millionen. Das ist mehr als der Marktwert.“

Sie kniff die Augen zusammen. Kein anderer würde ihr so viel bieten. Sie wussten es beide.

„Gut. Zehn Millionen.“

Die Geschwindigkeit, mit der sie zustimmte, machte ihn misstrauisch. Worauf hatte er sich da eingelassen? „Und die Bedingungen der Wette?“

„Ganz einfach.“ Ein strahlendes Lächeln glitt über ihre Züge. „Du ziehst für zwei Wochen zu mir und hilfst mir auf der Ranch. Die Kühe stehen kurz vor dem Abkalben. Da kann ich im Moment jede zusätzliche Kraft gebrauchen.“

Fast hätte Shane vor Erleichterung laut aufgelacht. Das war nun wirklich das Letzte, was er erwartet hätte. Glaubte sie, er würde sich vor zwei Wochen körperlicher Arbeit drücken?

„Du brauchst jemanden, der seine Hände gebrauchen kann.“ Er grinste anzüglich. „Ich bin dein Mann.“

„Außerdem brauche ich dich für das Mini-Camp, das am nächsten Wochenende stattfindet.“

Jetzt verstand er ihre Logik. Wahrscheinlich dachte sie, sobald er ihr Programm für gefährdete Teenager kennenlernte, würde er vor lauter Begeisterung darüber alle Versuche aufgeben, ihr Land zu kaufen. Die Wette würde sie verlieren. Nichts interessierte ihn weniger als ein Camp für einen Haufen durchgeknallter Kids, die wahrscheinlich nichts weiter brauchten als Eltern, die ihnen klare Grenzen setzten.

„Das ist alles?“ Ihm entging irgendetwas, aber er wusste nicht, was. „Ich ziehe bei dir ein und helfe dir bei der Arbeit?“ Das war doch wie ein Traum, der wahr wurde! Er konnte ein paar Tage harter Arbeit ertragen, wenn er dafür genügend Zeit hatte, ihr klarzumachen, dass sie eine Weile ihren Spaß zusammen haben konnten.

„Ich sehe förmlich, in welche Richtung deine Gedanken gerade gehen. Ja …“ Sie legte eine dramatische Pause ein. „… du wirst auch genügend Gelegenheit haben, mich dazu zu bringen, mit dir ins Bett zu gehen.“

Er musste an sich halten. Es war unfassbar! „Das nennst du eine Wette?“ Er wusste selbst nicht, woher er noch die Kraft nahm, zu witzeln. „Das ist doch wie Entenjagd in einer Tonne.“

Ihr Lächeln hätte ihn warnen sollen. „Die Wette geht nicht darum, ob du mich in dein Bett bekommst oder nicht. Du hattest recht – mir fehlt männliche Gesellschaft.“

Er musste sich räuspern. „Ich habe gesagt, jemand sollte dich um den Verstand küssen.“

Sie rollte die Augen. „Ja. Ja. Es ist eine Weile her, seit ich ein Date hatte. Und ich gebe zu, dass ich ein- oder zweimal daran gedacht habe, wie es wäre mit uns beiden …“

Autor

Cat Schield

Cat Schield lebt gemeinsam mit ihrer Tochter, zwei Birma-Katzen und einem Dobermann in Minnesota, USA und ist die Gewinnerin des Romance Writers of America 2010 Golden Heart ® für romantische Serienromane. Wenn sie nicht gerade neue romantisch-heiße Geschichten schreibt, trifft sie sie sich mit ihren Freunden um auf dem St....

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