Das Herz der stolzen Wikingermaid

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Bjorn ist aus der Verbannung zurück! Die schöne Ilsa, sonst eher nüchterne Gelehrte, droht von ihren Gefühlen überwältigt zu werden. Einst war Bjorn ein lebenslustiger Junge, nun steht ein gestählter Krieger vor ihr. Aus seinen Augen blitzt Eiseskälte, doch seine heißen Küsse lassen erahnen, dass in ihm noch Leidenschaft lodert. Nichts ersehnt Ilsa mehr, als sein erstarrtes Herz erneut zu rühren. Aber dabei muss sie vorsichtig vorgehen: Bjorn setzt alles daran, der neue Wikingerfürst zu werden. Und das würde ihn zum Gegenspieler von Ilsa machen, die heimlich die Befreiung der Leibeigenen plant! Sie muss sich entscheiden – zwischen der Gerechtigkeit und der Liebe ihres Lebens …


  • Erscheinungstag 11.10.2025
  • Bandnummer 420
  • ISBN / Artikelnummer 0871250420
  • Seitenanzahl 384

Leseprobe

Gina Conkle

Das Herz der stolzen Wikingermaid

Gina Conkle

Gina Conkle schreibt sinnliche, meist in der georgianischen Ära angesiedelte Liebesromane. Ihre erfrischende Art, das Genre des historischen Liebesromans mit originellen Dialogen und erotischem Prickeln zu würzen, macht ihre Bücher so beliebt. Ihre Schriftstellerkarriere begann in Südkalifornien, und trotz des vielen Sonnenscheins begeistert sie sich mehr für Bücher als für den Strand und zieht Steinburgen solchen aus Sand vor.

1. KAPITEL

930 n. Chr.

Björn stand vor einem Regenfass und wusch Schmutz und Blut von seinem erhitzten Körper. Sein Spiegelbild im Wasser wogte leicht. Er sah einen zähen Nordmann, der Eisen kaute und Schlachten atmete. Heute gehörte der Sieg ihm, eine Erkenntnis, die ihn niemals aus der Ruhe brachte. Die Neuigkeiten, die er zu überbringen hatte, jedoch schon. Vier Männer der Bretonenkönigin waren ehrenvoll durch seine Hand gestorben. Einer der Krieger hatte im Gras gelegen und unter mattem Stöhnen etwas über Spione gesagt, die in Rouen lebten. Zwei Frauen.

Er spritzte sich Wasser ins Gesicht. Er würde sich nicht auf die Jagd nach ihnen machen. Er weigerte sich – etwas, das er seinem Jarl erklären musste.

Aus den geöffneten Fensterläden der großen Halle drangen Licht und Gelächter. Falls Gefahr lauerte, sah er nichts davon. Der Rest von Rouen war friedlich wie der Schlaf einer Jungfrau. Die Türen fest verschlossen. An den Kreuzungen flackerten Fackeln. Auf der Seine lagen Schiffe vor Anker wie zahme Tiere. Selbst die steinerne Abtei der Christen war für die Nacht abgeschlossen, ein Hort der Unschuld unter den Unheiligen.

Er kämmte sich mit den Fingern durch das nasse Haar und machte sich auf den Weg in Langschwerts Halle. Er stieß an die Schultern von Bauern und Kriegern, deren Gespräche von den Balken der Halle widerhallten. Met, Bier und Frankenwein flossen zur Feier der diesjährigen Ernte in Strömen. Es war eine Zeit der Dankbarkeit und eine Zeit, um unerledigte Angelegenheiten zu klären. Mitten in der Menge wollten seine Füße nicht weitergehen. Ein Blick aus schwarz umrandeten Augen, die die Farbe des Ägäischen Meeres hatten, traf ihn. Sie gehörten zu einer Frau in Weiß auf der anderen Seite des Langhauses, einem Neuankömmling. Sie musterte ihn mit hoch erhobenem Kopf wie ein Händler, der neue Ware begutachtete.

Sein Herz schlug plötzlich schneller. Er erwiderte den Blick, sein männlicher Instinkt traf auf weibliche Selbstsicherheit. Sie war eine mächtige Wikingerfrau, Freyja selbst mit breiten goldenen Ohrringen, die an ihrem Hals glänzten. Ihr glatte Haut sprach von Jugend, ihre markanten Wangen von Erfahrung. Sie war weise und stolz und hatte eine kleine, gerade Nase. Das Leben hatte sie annähernd dreißig Jahre lang geformt, sie musste in seinem Alter sein, eine Frau, die gut gelebt hatte und sich nichts entgehen lassen wollte. Sie war ein schöner Anblick, wenn sie aus ihrem in Silber gefassten Horn trank und Ademar, dem Halbbruder des Jarl, zuhörte. Björn grinste. Sie ertrug ihn wohl eher, ihrem gelangweilten Nicken nach zu urteilen.

Sie verzog ihre verführerischen Lippen immer weiter, je länger sie Björn musterte. Lächelnd wirkte sie viel weicher. In der Aufmerksamkeit der Dame zu schwelgen war wie in ein kühles Meer zu fallen. Tief. Erfrischend. In seinem Geiste …

„Willst du den ganzen Abend da herumstehen?“ Thorvald schlug mit einer Faust auf den Tisch, so dass die hölzernen Teller klapperten. „Komm. Iss.“

Typisch Thorvald. Sich den Bauch vollzuschlagen kam immer zuerst. „Ich habe Neuigkeiten für den Jarl.“ Er sah zu dessen Tisch hinüber und erstarrte. Langschwert und die Frau steckten vertraulich die Köpfe zusammen.

„Die müssen warten.“ Thorvald wackelte mit den buschigen Augenbrauen. „Er ist beschäftigt.“

„Wer ist sie?“ Björn rutschte auf die Bank und kehrte ihr den Rücken zu. Die mit Edelsteinen besetzten Ohrringe hätten ihm gleich sagen sollen, dass die Frau in Weiß nichts für ihn war. Ihr Ehrenplatz zwischen Wilhelm Langschwert und seinem Halbbruder erst recht. Der Jarl aß nicht aus Spaß zwei Stufen über dem Lehmboden der Halle. Es war weise, sie zu vergessen.

„Keine Ahnung.“ Thorfinn, Thorvalds Zwillingsbruder, winkte eine Leibeigene heran. „Wir haben gerade über wichtigere Dinge gesprochen als Frauen.“

„Nämlich?“

„Land.“ Erik stach sein Messer in eine gut gefüllte Platte mit Fleisch.

Gunnar wischte seine Klinge an seiner Armstulpe ab. „Er will damit sagen, dass wir gerade darüber gesprochen haben, wer von uns der nächste Grundbesitzer sein wird.“

Björn brach ein Stück Brot ab und bestrich es mit Butter. Die Vergessenen Söhne, seine Waffenbrüder, hungerten nach Land. Es war eine Krankheit, die ihre Gespräche bestimmte, wenn sie sich im Kampf übten, wenn sie aßen und wahrscheinlich drang sie auch bis in ihre Träume ein, wenn sie schliefen. In seine nicht. Er war ein einfacher Krieger, dem ihr altes Leben lieber war, von Land zu Land zu streifen, Kalifen, Wesiren und Königen zu dienen. Doch jetzt waren sie Männer von Rouen.

Nur einer von ihnen würde der nächste Grundbesitzer werden.

Das Gelage in der Halle umschloss ihn, es war eine gute Abwechslung von den Aufregungen des Kämpfens. Das Feuer der Schlacht ebbte langsam in ihm ab und mit ihm verschwand seine stetige Wachsamkeit. Die Bretonenkönigin war eine gefährliche Wespe, die ihr Nest verteidigte. Er konnte ihr keinen Vorwurf aus ihrer Bissigkeit machen, aber ihre Methoden waren schmutzig. Sie machte sich arme Stämme mit Lügen gefügig, nahm ihnen die Söhne – und neuerdings auch die Töchter –, um ihre Schlachten zu schlagen. Doch jetzt war nicht die Zeit, Langschwert mit solch gewichtigen Neuigkeiten zu kommen.

Die Leibeigene Gyda, ein Liebling der Söhne, kam an ihren Tisch. Sie hatte Honigflecken auf der Schürze, offensichtlich hatte sie Met gebraut. Wahrscheinlich hatte sie seit Sonnenaufgang gearbeitet, um das Fest zu einem Erfolg zu machen, und sie würde bis weit nach Mitternacht arbeiten, bis es zu Ende ging. Still, ohne sich zu beklagen.

Braune Strähnen klebten an ihren rosigen Wangen, als sie seinen Becher füllte. „Ihr seid früh zurück.“

„Um deinen Met zu probieren, bevor diese Meute hier ihn ausgetrunken hat.“ Er vergaß das Brot und süffelte stattdessen den gewürzten Honigwein, seine scharfe Süße strömte ihm in den Mund.

Er sah sich nach Erik um, der ihn auf dem heutigen Ritt begleitet hatte. Ein leichtes Kopfschütteln von Erik schien zu sagen Ich habe zu unseren Brüdern kein Wort von den Spionen gesagt. Treue zu Langschwert kam als Erstes – noch etwas, an das er sich gewöhnen musste.

Thorvald nagte an einem dicken Stück Fleisch und sagte zwischen zwei Bissen: „Björn sollte als Nächster eigene Ländereien bekommen.“

„Warum?“ Gunnar breitete die Arme aus. „Weil er der zweite Anführer ist?“

Björn runzelte die Stirn. Dieser Kindskopf.

„Die Götter gehen nicht nach Stellung.“ Thorvald zeigte mit einem Schweinerippchen auf Gunnar. „Langschwert vielleicht, aber die Götter nicht.“

Gunnar schaufelte sich von einer Platte gebutterte Rüben auf den Teller. „Wenn das so ist, warum sitzt Rurik dann bei Langschwert am Tisch und wir nicht?“

Fünf wölfische Augenpaare musterten Rurik, dessen Mund zu einem lüsternen Lächeln verzogen war, während er auf das hörte, was seine Braut ihm ins Ohr flüsterte. Er war der Anführer der Vergessenen Söhne, aber er hatte am meisten davon profitiert, dass sie in Rouen geblieben waren. Eine schöne Frau. Reichtum. Ländereien, die so groß waren, dass man zwei Tage brauchte, um sie einmal zu durchreiten.

An der Wand hinter dem Tisch des Jarl breitete eine geschnitzte Yggdrasil vom Boden bis zur Decke die Äste ihrer mächtigen Krone aus. Glaubten die Götter, dass Rurik von ihnen am meisten Verdienste vorweisen konnte? Der breite Silberreif, den er am Oberarm trug, wies ihn als den Mann mit dem dritthöchsten Rang in Rouen aus. Er hatte schon als Junge die Söhne angeführt. Damals waren sie noch verarmte Unruhestifter in Birka gewesen. Skalden sangen jetzt schon Loblieder auf Rurik, den hartgesottenen Wikinger, der aus dem Nichts aufgestiegen war.

Björn trank weiter von seinem Met, er verspürte kein bisschen Neid. Rurik hatte sich seinen Platz verdient. Solange die Söhne zusammenblieben, war alles andere unwichtig.

„Geht es Euch wirklich darum, dass Rurik am Tisch des Jarl isst?“, fragte Gyda. „Ihr seid alle in Langschwerts Halle willkommen. Ist das nicht genug?“ Sie war eine zierliche Frau, die sich jetzt vorbeugte und goldenen Met in Eriks Becher schüttete. „Ihr könnt mit Eurem Geist doch sicher etwas Besseres anfangen.“

„Was wäre denn besser?“ Eriks Gesicht war beinahe bösartig, was nicht selten war.

„Wahrheit und Liebe.“ Sie sah die Männer an. Ihre Augen hatten die Farbe von frisch gepflügter Erde. „Ist das kein ehrenwerter Lohn?“

Die Tür zur Halle wurde aufgerissen und ein Windstoß ließ überall die Rocksäume flattern. Gudrun, eine Hexe der Nordmänner, kam herein, ihr frostiger Blick streifte zunächst die Söhne, ehe er auf ihre Schwester Ginna fiel, die sich mit einem jungen Bauern unterhielt. Björn fröstelte, als ihm irgendetwas das Rückgrat entlangfuhr. Es musste Wasser sein, das ihm aus den Haaren tropfte. Er steckte die Nase in seinen Becher und hoffte, dass es das war, was seinen Rücken berührt hatte. Ganz gleich, wo Gudrun auftauchte, der Tod folgte ihr stets auf den Fersen.

„Wir streiten uns über den üblichen Gewinn“, sagte Erik barsch. „Ruhm. Reichtum. Land.“

„Ihr solltet größer denken als an so etwas“, mahnte Gyda.

Thorvald wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. „Für mich hört sich das groß genug an.“

„Dann wird es auch alles sein, was Ihr bekommt. In kleinen Mengen.“ Sie presste die rosafarbenen Lippen zusammen. „Was in der Größe zweifellos zu anderen Teilen von Euch passt.“

Der narbengesichtige Krieger machte ein finsteres Gesicht, als auf ihre Stichelei hin brüllendes Gelächter ausbrach. Gyda war von Geburt an eine Leibeigene gewesen, aber unter Langschwerts Herrschaft konnte sie ihre Gedanken frei äußern. Dennoch blieb sie eine Frau, die sich beugte, ein Schilfrohr im Wind. Ihre Biegsamkeit war ihre Stärke, genau wie ihre Nachsichtigkeit Männern gegenüber.

Sie wies mit ihrem spitzen Kinn auf einen der geschnitzten Pfeiler, auf denen das Dach ruhte. „Seht euch Tyr an.“

Alle Söhne drehten sich um, um einen Pfeiler anzusehen, der so dick war, dass ein Mann ihn mit seinen Armen nicht umfassen konnte. Tyrs Kampf mit dem Wolf Fenrir war an einem Pfosten dargestellt, das Werk eines fahrenden Bildschnitzers.

Gyda stützte den Tonkrug an ihrer Hüfte ab. „Er hat gekämpft, um andere zu retten …“

„Und dabei seine Hand verloren“, warf Thorvald ein.

„… aber darauf sind Ruhm und Reichtum gefolgt.“ Sie schwieg einen Moment und sah ihnen in die Gesichter. „Ist es nicht offensichtlich? Ihr müsst die Götter nach Eurer Bestimmung fragen und ihr folgen, ganz gleich, welche Opfer Ihr dafür bringen müsst.“

Alle stritten sich gleichzeitig um Opfer und Bestimmung, Größe und Reichtum. Gyda war weise für ihr Alter und hübsch auch. Als angenehme Gesellschafterin schloss sie sich dem Tumult an. Aber jetzt hatte sie über die Götter gesprochen, während die Söhne gewöhnliche Sterbliche waren. Björn aß gepfeffertes Schweinefleisch und betrachtete dabei die geschnitzte Darstellung von Tyr und Fenrir, von ihrem Kampf, der sich um geöltes Holz wand, das auf Hochglanz poliert war. Eine Hand verlieren, um andere zu retten? Er war ein Wikinger, aber er sah keine Notwendigkeit für so ein Opfer. Kämpfen um zu gewinnen? Das war ihm näher.

Gyda stellte den Krug vor ihm ab und murmelte dicht an seinem Ohr: „Ich lasse den erst einmal hier. Irgendetwas sagt mir, dass das ganze Gerede Eure Männer sehr durstig machen wird.“ Sie zwinkerte ihm zu und schlenderte davon. Ihre blauen Röcke schwangen hinter ihr her.

Er hatte Gänsehaut an den nackten Armen, denn die Luft brachte schon einen Hauch von Winter mit herein. Astrid, die Matselja, die Haushälterin im Langhaus des Jarl, arbeitete sich schnell an einer Wand entlang und schloss die Fensterläden, um die Kälte des Herbstes fernzuhalten.

Er schaufelte Brombeeren aus einer Holzschüssel und wandte sich an die Männer: „Wir sind zu vorschnell. Wir sollten an die Aufgaben denken, die als Nächstes vor uns liegen.“

„Was für Aufgaben?“ Gunnar steckte sich eine Beere in den Mund.

„Erst einmal sollten wir auf Ruriks Land die Seine sichern und dann müssen wir uns auf den Winter vorbereiten.“

Es wurde zustimmend, aber zögernd genickt. Thorvald wischte sich die fettigen Finger an dem Wolfskopf ab, der in seine Lederweste geschnitzt war. „Stimmt schon.“

Gunnar stand die Verunsicherung ins Gesicht geschrieben. „Aber wenn Gyda recht hat? Wenn wir zuerst unsere Bestimmung finden müssen?“ Er breitete beschwörend die Arme aus. „Warum sollten die Götter uns sonst hergeführt haben?“

Björn kaute auf den Beeren herum, sie waren sauer, weil es schon so spät im Jahr war. Die Vergessenen Söhne standen als gewöhnliche Krieger eine Stufe über den Huscarls. Sie waren ungewöhnlich geschickte Kämpfer, aber eben nicht mehr. Er würde nicht zulassen, dass die Meinung einer Frau all seine Gedanken einnahm. Ihrer aller Begeisterung für eigenes Land lenkte ihn schon genug ab.

„Hört mir zu. Gyda hat ein weiches Herz und eine Menge hochtrabende Ideen, aber sie ist eine Leibeigene, die sich noch nie in der Welt beweisen musste. Vergesst, was sie gesagt hat.“ Er sah die anderen Männer mit Nachdruck an. „Es ist nicht weise, sich von einer Frau beeinflussen zu lassen.“

Er war so zufrieden mit seiner Weisheit, dass er sich noch ein Stück Brot abbrach und ihm darüber beinahe entgangen wäre, dass sich die Blicke der anderen auf etwas hinter ihm richteten. Es kribbelte in seinem Nacken, als eine seidenweiche Stimme an sein Ohr drang.

„Wie schade. Ich habe einen weiten Weg hinter mir, um Euch meine hochtrabende Idee zu erklären.“

Die Frau in Weiß trat in seine Blickfeld, eine zarte Gestalt, die sich fließend bewegte wie Sonnenstrahlen auf einer Wasseroberfläche. Ihr Mund nahm ihn gefangen, ihre volle Unterlippe hatte eine Kerbe in der Mitte, als ob die Götter sie dort mit einer Fingerspitze berührt hatten, als sie zur Welt gekommen war. Das Mieder, das ihre kleinen Brüste bedeckte, war mit blauen und grünen Stickereien verziert. Er beklagte sich nicht. Brüste gefielen ihm in allen Größen.

„Eine hochtrabende Idee?“ Sein Tonfall war skeptisch.

Ihr Lächeln war sinnlich und selbstbewusst. „Ja. Eine, die einen mächtigen Mann aus Euch machen kann.“

Für den Bruchteil eines Augenblicks ließ er sich von ihr einwickeln. In seiner Brust wirbelte irgendetwas, weil er der Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit war. Die Haltung und die leise Stimme der Dame erfüllten ihn mit Lust, bis seine Vernunft wieder die Oberhand gewann. Frauen mit hübschen Gesichtern hatten keine üppigen Angebote für Männer wie ihn.

„Einen mächtigen Mann?“, fragte er gedehnt. „Dafür seid ihr am falschen Ende der Halle, meine Dame.“

Gunnar sah ihn mahnend an. Er erwiderte den Blick mit Nachdruck, aber der Kindskopf hatte recht. Er musste vorsichtig sein. Diese Frau saß mit dem Jarl am Tisch, was bedeutete, dass sie ein Ehrengast war und mit ausgesuchter Höflichkeit behandelt werden musste. Die Dame ließ ihren Blick über die Tische voller Krieger um sie herum schweifen, fleischige, vernarbte, Äxte tragende Barbaren, die rauesten von Langschwerts Huscarls. Diese Männer gafften sie gierig an. Sie erwiderte ihre Blicke, ohne klein beizugeben, bis ihr Blick schließlich bei Björn verweilte.

„Nein, ich bin genau am richtigen Ende der Halle.“ Sie durchbohrte ihn mit ihren meergrünen Augen. „Ich wollte zu Euch.“

„Zu mir“, sagte er und spürte, wie sich ein albernes Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete. Thorvald, der ihm gegenübersaß, verschluckte sich fast an dem Bissen, den er gerade im Mund hatte. Gunnar klopfte seinem Bruder auf den Rücken, aber die Dame hielt Hof. Sie fühlte sich wohl mit ihrer Macht, trug den Kopf hoch erhoben und ging sehr aufrecht. An dieser Frau ist nichts fügsam.

„Stellt Euch vor, mein Angebot macht Euch Langschwert ebenbürtig“, sagte sie.

Ihm blieb der Mund offen stehen und Thorfinn hielt mit dem Messer auf halbem Wege zum Mund inne, so dass Butter von der Rübe tropfte, die er aufgespießt hatte. Eriks Augen verengten sich zu dunklen Schlitzen und Thorvald musterte die Frau ganz genau.

Seine Haut kribbelte noch mehr, als er sie aus der Nähe betrachtete. „Kennen wir uns?“

Sie machte große Augen. „Erinnert Ihr Euch nicht an mich?“

„Nein. Sollte ich?“

Sie lachte, der melodische Klang rief die unerwünschte Erinnerung an seine Kindheit in ihm wach. In seinen Ohren dröhnte es. Sein Blick vernebelte sich. Niemand am Tisch tat noch so, als würde er essen, alle ließen ihrer Neugier offen freien Lauf. Der Gast des Jarl war majestätisch, makellos gekleidet, ihre Haltung unerschrocken. Gunnar sah sie langsam von oben bis unten an, als sie die Rückseite ihrer Röcke glattstrich und sich Björn gegenüber auf die Bank setzte. Sie war eher eindrucksvoll als schön, die Art von Frau, die ein Mann voller Begeisterung anstarren konnte, ohne dass ihm je langweilig wurde. Selbstsichere Frauen hatten diesen Vorteil.

„Ich habe Euch sofort erkannt, als Ihr in die Halle gekommen seid.“ Ihre Stimme war ein rauchiges Schnurren. „Ihr habt euch das Haar abgeschnitten und es ist dunkler, als ich es in Erinnerung hatte, aber Euer Gang hat sich nicht verändert.“

„Mein Gang?“

„Ihr geht wie ein Jäger. Gleichmäßig. Selbstsicher, zu allem bereit. Das hat mein Vater immer über Euch gesagt.“ Ein kleines Achselzucken, dann fuhr sie fort: „Wenn ich mir Euch so ansehe, würde ich sagen, dass er recht hatte.“

Das Blut strömte schneller durch seine Adern. Der metallische Geschmack der Schlacht erfüllte seinen Mund. „Ilsa.“

Ihr Nicken war langsam und vertraulich. „Wir waren Freunde, damals in Vellefold.“

Er ließ das Brot auf seinen Teller fallen und schob ihn zur Seite. „Ja. Das ist lange her.“

Ilsa. Die Tochter von Odell, einem Meister der Jagd auf der Nordsee und großem Elfenbeinhändler. Als Mädchen hatte sie es immer wieder geschafft, Regentagen Spaß abzuringen und die Sonne scheinen zu lassen, obwohl der Himmel bedeckt war, aber sie gehörte zu einem Leben, das er zurückgelassen hatte. Jetzt saß ihm eine erwachsene Frau gegenüber, die eine natürliche Selbstsicherheit ausstrahlte. Die Erwähnung von Vellefold war wie ein Dolchstoß in den Rücken und danach zu urteilen, wie sie das Kinn reckte, wusste sie das genau.

Eisige Wellen liefen ihm über die Haut. Die Maserung des Holztisches verschwamm vor seinen Augen und vor ihm erschien ein Abgrund so schwarz wie Helheim. Es war die Erinnerung an den schwarzen Umhang seines Vater, der an einem sturmumtosten Strand flatterte – an den Tag, an dem sein Vater ihn verlassen hatte.

Furcht strömte durch seine Adern. Seine Knie zitterten unter dem Tisch. Er packte seine Oberschenkel und drückte zu, so fest er konnte. Er musste sich zusammenreißen, sonst verlor er seinen Verstand wieder in diesem schwarzen Abgrund.

Ilsa sah von einem Mann zum anderen. „Ich bin ausschließlich hier, um einen Handel mit Langschwert abzuschließen. Und mit Björn.“

Die Söhne wechselten eindringliche Blicke. Thorfinn ließ sein Messer auf seinen Teller fallen. „Ein Handel mit Björn ist ein Handel mit uns allen.“

„Das hat man mir auch schon über die Vergessenen Söhne gesagt.“ Ilsas Blick schloss den ganzen Tisch ein. „Aber was ich zu sagen habe, ist nur für Björn bestimmt.“

Die Nachricht wurde mit sanfter Stimme überbracht, aber dennoch war jedes einzelne Wort wie ein Schnitt bis auf die Knochen. Der Tumult in der Halle schmerzte in seinen Ohren; trotzdem war er dankbar. Thorfinns Schulter war ein verlässlicher Halt am Rand seines Blickfeldes. Eine Rettungsleine. Eriks leichtes Nicken war eine Botschaft Deine Brüder sind bei dir. Sie wussten alle von dem Tag, an dem sein Vater ihn in Birka verlassen hatte. Es war derselbe Tag, an dem Rurik Björn gefunden hatte, ihn mit nach Hause genommen und seine Mutter dazu überredet hatte, noch ein Kind mehr aufzunehmen, obwohl sie bereits Schwierigkeiten hatte, vier Münder sattzubekommen. Sie hatte es getan. Oddnys Güte hatte Björn das Leben gerettet.

„Ich habe Neuigkeiten von zu Hause“, sagte Ilsa. „Von Eurer Familie.“

„Welches Zuhause?“ Björns Stimme war schneidend vor Wut. „Rouen ist mein Zuhause und diese Männer hier sind meine Familie.“

Seine Schärfe verfehlte ihr Ziel. Ilsa glühte geradezu vor Sanftheit, die seine Wut dahinschmelzen ließ. Ihr Gesichtsausdruck wurde weicher, aber er hätte nicht sagen können, ob die Frau auf der anderen Seite des Tisches mit den Waffen einer Frau versuchte, ihm ihren Willen aufzuzwingen, oder ob sie aus aufrichtiger Kindheitsfreundschaft sprach.

„Lasst uns etwas Met zusammen trinken“, umschmeichelte sie ihn. „Hört Euch an, was ich Euch vorzuschlagen habe.“

„Jetzt sind die Neuigkeiten ein Vorschlag?“

Ihre Antwort war ein starres Lächeln. Ilsa hatte gigantische Eier, wenn sie ihn Vellefold zuliebe aufsuchte. Jetzt, da er ihr gegenübersaß, wurden seine Sinne vom Qualm in Langschwerts Halle getrübt, aber er hätte schwören können, dass er den geheimen Hain riechen konnte, in den sie sich als Kind geflüchtet hatte. Die Kiefern und Birken, das klebrige Harz an ihren Händen und Wangen, wenn sie Runen in die Bäume geritzt hatte. Ihr Lieblingshain war voll von diesen Zeichen gewesen.

Die Frau, die jetzt vor ihm saß, hatte eine weite Reise hinter sich, um mit ihm zu sprechen. Sie hatte es allein schon für ihren Mut verdient, dass man sie anhörte.

Er schob einen Becher über den Tisch. „Ein Becher. So viel Zeit gebe ich Euch, mir in den Ohren zu liegen.“

Sie schlang ihre wundgescheuerten Finger um den Becher. Ihre Hände waren voller Schnittwunden. Ihre Fingernägel waren sauber, aber grob geschnitten, sie schienen so gar nicht zu den reich bestickten Ärmeln zu passen, die typisch für wohlhabende Frauen aus Adelsfamilien waren. Ilsa hatte um etwas gekämpft und ihre Hände hatten den Preis dafür bezahlt. Neben ihm kratzten Löffel und Messer über Teller und die Söhne ließen sich mit tief gesenkten Köpfen ihr Essen schmecken. Sie versuchten, so wenig wie möglich zu stören.

Die Frau zog eine Augenbraue hoch. „Ich trinke meinen Becher nur allein mit Euch.“

Frauen aus den oberen Schichten. Sie glaubten, dass immer alles nach ihrem Willen gehen musste, aber es wäre auch nicht richtig gewesen, Ilsa überheblich zu nennen. Sie hatte in ihrer Kindheit viele Hindernisse überwinden müssen. Alle Frauen von Vellefold umgaben sich mit einer geheimnisvollen Aura, die so unerschütterlich war wie die Berge, die das Dorf umgaben. Wurden Frauen vom Land geformt? Die Wikinger des Nordwestens lebten umgeben von zerklüfteten Gipfeln, die in enge Fjorde hinabstürzten. Vellefold war magisch – reiche, schwarze Erde zwischen hoch aufragenden Gipfeln, als hätten die Götter sie geglättet, damit man sie bebauen konnte und dann bis ans Meer geschoben, so dass man Handel treiben konnte.

Ein Ort, der bei Wikingern und Fremden gleichermaßen begehrt war und Björn wollte nichts mehr damit zu tun haben.

Er musterte die Männer. „Lasst uns allein.“

Thorvald kaute langsamer. „Wir sollen verschwinden?“ Er zeigte mit dem Löffel auf Ilsa. „Wegen der da?“

Gunnar trank seinen Becher aus und stellte ihn mit einem dumpfen Klacken auf den Tisch. „Kommt.“ Der Kindskopf rappelte sich von der Bank hoch. „Lasst Björn doch seinen Willen.“ Grummelnd sammelten die Männer Teller und Becher zusammen und entfernten sich. Thorvald schnappte sich noch zwei Brocken Fleisch, bevor er den anderen hinterherstolperte, die sich einen anderen Platz zum Essen suchten.

Ilsa sah ihnen nach. „Sie sind dir treu ergeben.“

„Wie ich jedem von ihnen.“

Sie richtete die hellgrünen Augen wieder auf ihn. Sie strahlte Ruhe aus, während der Feuerschein in den goldenen Dreiecken glitzerte, die von ihren Ohren baumelten. Tiefgrüne Steine, die auf byzantinische Art gefasst waren, aber ohne Ringe an den abgearbeiteten Fingern und ohne Schmiedekunst an den schmalen Handgelenken. Ihr Hals war ebenfalls frei von Schmuck.

Ilsa lehnte sich auf ihrem Platz zurück und legte beide Hände mit den Handflächen nach oben auf den Tisch. Er wunderte sich noch mehr als zuvor. Münzgroße Blasen waren vor Kurzem aufgeplatzt. „Die See war schwer, wir mussten heftig rudern.“

Er zuckte zusammen. Zwei Stellen an ihren Händen hatten sich entzündet. „Warum? Um mir einen Vorschlag zu machen, den ich mit Sicherheit ablehnen werde?“

„Ihr habt euch noch nicht angehört, was ich zu sagen habe.“

Seine Brust bebte vor höhnischem Lachen. „Wenn es etwas mit Vellefold zu tun hat, weiß ich schon, wie meine Antwort lautet.“

„So sehr hasst Ihr Vellefold?“

Sie machte große Augen und sah ihn direkt an, ihre Fröhlichkeit wirkte aufgesetzt. Er musste den Blick abwenden. „Seid Ihr sicher, dass Ihr Euren einen Becher Met dafür verwenden wollt, Euch meine Antwort anzuhören?“

„Habt Ihr tatsächlich vor, mir einen Becher lang Gehör zu schenken?“, fragte sie und griff mit einer vom Wind aufgerauten Hand nach Gydas Krug. „Also gut. Ich sorge dafür, dass die Becher voll bleiben.“

Ilsa füllte die Becher bis zum Rand mit bernsteinfarbenem Met. Er funkelte golden an ihrem Hals, wo die Haut über ihre symmetrischen Knochen gespannt war wie Seide, die man fest auf einen Rahmen spannte. Nachdem sie das erledigt hatte, stellte sie den Krug mit einem dumpfen Rumpeln ab.

„Wisst Ihr, Ihr seid nicht unbedingt meine erste Wahl, aber ich bin hergekommen, weil ich den Eid abgelegt habe, Euch zu finden.“

Ihre rauchige Stimme hatte … sich verändert. Sie war gereizt. Müde vielleicht.

Er rückte auf der Bank hin und her. „Eure Wahl in Bezug auf was?“

„Um Vellefold zu retten.“

„Ihr braucht jemanden, der Euch rettet?“

„Ich nicht. Vellefold schon. Wir sind im letzten Frühjahr geplündert worden. Zweimal.“

Er pfiff leise. Auf jeden Fall gereizt. „Es hat sich einiges verändert.“

Die eiserne Herrschaft seines Vaters musste geschwächt sein. Niemand hatte es gewagt, Jarl Egils Dorf zu plündern. Niemals.

„Jetzt wisst Ihr, warum wir Euch brauchen.“

Er stützte einen Unterarm auf den Tisch und lächelte kühl. „Wir, ja? Also braucht Ihr mich tatsächlich.“

Sie schien etwas gegen diese Unterscheidung zu haben und nippte an ihrem Met. Es war kein wesentlicher Punkt. Ein wichtigerer stand noch bevor, denn die Gerechtigkeit meinte es heute gut mit ihm. Ja, er und Ilsa waren früher einmal Freunde gewesen, aber inzwischen waren sie eher so etwas wie Feinde. Damit konnte er leben. Danach zu urteilen, wie sie ungeduldig den Mund verzog, konnte sie es auch.

Glaubt sie tatsächlich, dass ich nichts Besseres zu tun habe, als nach Vellefold zurückzukehren? Nach all den Jahren?

Er ließ den Met in seinem Becher kreisen, Qualm und Lärm umfingen ihn. Diese Bitte war ein Geschenk der Götter – von den Leuten um Hilfe gebeten zu werden, die ihn als Jungen verstoßen hatten. Endlich, endlich würde dieser Junge Gerechtigkeit erfahren. Denn Ilsa würde ihren einen Becher lang Zeit bekommen, danach würde er sie mit einem entschiedenen Nein wegschicken.

Ihren zusammengekniffenen Augen nach zu urteilen war sie ebenso fest entschlossen, ein Ja von ihm zu bekommen. „Ihr seid groß, aber nicht der größte Krieger …“

„Wenn es auf die Größe ankommt.“

„… und Eure Bruderschaft ist klein und in der Unterzahl für die Schlacht, die vor Euch liegt.“

„Ihr habt offensichtlich nicht vor, Euch meine Gunst durch Schmeicheleien zu sichern“, sagte er trocken und trank einen großen Schluck Met.

„Und irgendetwas sagt mir, dass Ihr etwas dagegen habt, Befehle auszuführen.“ Ihr Tonfall war eindeutig scharf.

„Das hängt davon ab, wer die Befehle gibt.“

Sie zuckte mit den Lippen. „Ich wäre diejenige.“

„Ihr?“, fragte er höhnisch. „Die Ilsa, die ich früher gekannt habe, ist Konflikten und Waffen aus dem Weg gegangen. Wo habt Ihr gelernt zu kämpfen? Aus einer Eurer Schriftrollen?“

Sie schlug die Wimpern nieder und trank aus ihrem Becher.

Er lachte, dieses Mal wirklich amüsiert. „So ist es. Oder zumindest glaubt Ihr das.“

„Man kann viel aus der Vergangenheit lernen.“ Sie biss die Zähne zusammen, sie wollte kein Stück weit nachgeben.

Er stützte beide Unterarme auf den Tisch. Irgendjemand musste den Verstand verloren haben, wenn das hier der Plan für die Verteidigung von Vellefold war. „Kein Wunder, dass Ihr Hilfe braucht. Manche Dinge kann man nur lernen, indem man sie tut. Kämpfen gehört dazu.“ Sex auch.

Sie sah ihn mit ihren schönen seegrünen Augen durchdringend an. Das Funkeln in ihnen war lebhaft und klug, es hallte tief in seinem Inneren wider. Er hätte schwören können, dass Ilsa seinen letzten Gedanken gespürt hatte – und überlegte, ob sie eine Antwort geben sollte. Die Verbindung fühlte sich an, als würde sich Wasser in ihm kräuseln, friedlich und doch aufregend. Sie verleitete ihn dazu, seinen Mund zu öffnen, um das Gespräch weiterzuführen, auch wenn ein kluger Mann jetzt gegangen wäre.

„Was habt Ihr aus Euren staubigen Schriftrollen gelernt?“

„Es steht einiges über Strategien darin.“

„Aber nichts darüber, wie man kämpft.“

Sie kniff die hübschen Lippen zusammen. „Nein.“

Er musste zugeben, dass er einen gewissen Respekt vor dieser Frau verspürte. Sie gab sich Mühe, ihren Verstand für den Kampf zu benutzen, der vor ihr lag, welcher das auch immer war. Das konnte man nicht von allen sagen. Doch ganz gleich, wie sehr Ilsa es versuchte, um eine Wahrheit kam sie nicht herum: Die Krieger von Vellefold folgten nur dem Stärksten in die Schlacht. Das war die Art der Wikinger. Niemand gehorchte jemandem, der noch nie eine Schlacht geschlagen hatte. Kraft, Mut, Ehre und Gerissenheit brachten die Augen eines Kriegers zum Leuchten, ließen ihn oder sie danach dürsten, einem großen Anführer zu folgen, denn große Anführer bereiteten den Weg zu Reichtum und Ruhm.

„Die Frauen folgen mir ohne Schwierigkeiten“, murmelte sie.

Wer folgte seinem Vater? Die Frage blieb, aber er wollte sie nicht laut aussprechen. Zu fragen bedeutete, sich die Antwort zu Herzen zu nehmen. Er trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Er würde zumindest dafür sorgen, dass Ilsa ein oder zwei Dinge über Kriegsführung begriff, bevor sich ihre Wege trennten.

„Mit welcher Waffe seid Ihr besonders geschickt? Dem Schwert? Einem Streithammer? Im Nahkampf?“

Sie kniff die Augen zusammen. „Ich kann ganz gut mit Pfeil und Bogen umgehen.“

„Die Waffe eines Jägers. Das ist gut, solange man aus der Entfernung kämpft, aber es liegt keine Ehre darin. Ein Wikinger kämpft von Angesicht zu Angesicht. Das wisst Ihr doch.“

Ilsa erstarrte, als er das Offensichtliche aussprach. Gut. Er drang zu ihr durch. Anführer wurden nicht geboren, sie wurden gemacht, mussten sich in der Schlacht beweisen, sich ihrer Stellung als würdig erweisen, nachdem sie Blut und Dreck zu schmecken bekommen hatten und hartnäckig auf das Schlachtfeld zurückgekehrt waren. Zu glauben, man konnte einfach die Führungsrolle übernehmen und kämpfen würde nur bewirken, dass sie und andere ums Leben kamen.

Er beugte sich weit genug vor, um die Furchen auf ihren Lippen zu erkennen. „Ihr könnt kein Anführer sein, wenn Ihr weit weg vom Schlachtfeld steht. Ihr seid dabei. Auge in Auge mit Eurem Feind. Nur einer wird das Schlachtfeld verlassen.“ Er senkte die Stimme so weit, dass sie kaum mehr als ein Flüstern war. „Seid Ihr sicher, dass Ihr dazu bereit seid?“

Ilsa ließ sich nicht einschüchtern. „Ich muss lernen, wie man kämpft. Viele von uns tun das. Deswegen bin ich hergekommen.“

Sind die Leute von Vellefold faul geworden? „Das ist ein haarsträubender Plan und ich habe bereits jetzt jede Menge Gründe, um Nein zu sagen. Ich werde nicht mitkommen und ich werde auch keine Befehle von einer Frau annehmen.“

„Ihr habt keine Schwierigkeiten damit, mit ihnen gemeinsam zu kämpfen.“

„Seite an Seite, ja. Aber ich habe noch keine Frau kennengelernt, die eine würdige Anführerin von Männern wäre.“

Sicherheit lag in ihrem Blick. Sie begriff seine Worte als Herausforderung. Eigensinnige Frau.

„Ich glaube, die Sonne hat Euch den Verstand vertrocknen lassen. Zu viel Zeit in den südlichen Reichen hat Euch verdorben.“

„Meinem Verstand geht es gut“, sagte er mit einem harschen Lächeln. „Ihr wollt nur nicht hinnehmen, dass ich mein Var nicht so leicht aufgebe.“

„Ihr und Eure Männer habt den Ruf, dass Ihr Eure Dienste an den Meistbietenden verkauft.“ Ihre Worte klangen leicht wie Frühlingsregen. Sie war stolz und unnachgiebig, wenn auch mit einer leichten Röte auf den sonnengebräunten Wangen.

„Jetzt glaubt Ihr, dass Ihr mich kaufen könnt.“

Ilsa fuhr am Rand ihres Bechers entlang. „Kann jemand … Euch kaufen?“

Erregung schoss ihm wie ein brennender Pfeil in den Oberleib. Seine Kleider fühlten sich zu eng an und die Halle überfüllt, obwohl sie allein an einem Tisch saßen. Er rückte instinktiv nach vorn und öffnete unter dem Tisch die Knie. Warum ihre Frage diese Wirkung auf ihn hatte, würde jetzt nicht beantwortet werden, weil ihm eine andere Wahrheit dämmerte: wie lange es her war, dass ihn eine Frau körperlich und seelisch erregt hatte. Nach ihrem leichten Lächeln zu urteilen kannte Ilsa ihre Wirkung, und das war beunruhigend.

„Wenn ich meinen Eid für Vellefold schwören soll, dann nein“, sagte er barsch. „Mit Gold und Silber kann man mich nicht umstimmen.“

„Was ist mit dem Sitz eines Jarl?“

2. KAPITEL

Björn erstarrte, verloren im Anblick ihres Fingers, mit dem sie langsame Kreise um den Rand ihres Bechers beschrieb. Wilde, sich überschlagende Gefühle brandeten in ihr auf. Sie hatte ihm Macht angeboten und verkaufte sie mit Sex. Es war nicht die Strategie, die sie sich zurechtgelegt hatte, aber sein Blick war der eines wilden Tieres.

Er glühte.

Sie atmete heftiger, ihr Blick fiel auf den zähnefletschenden Wolf, der in das Leder auf seiner Brust geschnitzt war – das Zeichen der Vergessenen Söhne. Ihr Kindheitsfreund war längst verschwunden. Ein sehniger Krieger war an seine Stelle getreten, aus Widrigkeiten geschmiedet, ein besserer Mann, weder verbittert noch grob, wie sie befürchtet hatte. Spuren des ehemals stolzen Sohnes eines Jarl machten Björn zu einem anderen Menschen als die Huscarls an diesem Ende der Halle. Ob sie jung waren oder alt, diese Wikinger trugen ihre Brutalität stolz vor sich her. Krieg war wie Milch und Honig für sie. Björn strahlte Ehre aus. Er war gezähmte Wildheit – genau was ihre Leute brauchten.

Ein zufriedener Mann, der seinen Platz im Leben unter blutrünstigen Kriegern gefunden hatte.

Das würde sich ändern.

„Ihr habt mir noch keine Antwort gegeben.“ Sie umfasste ihren Becher mit beiden Händen.

Björns Nasenflügel bebten. „Auf was?“

„Die Frage nach dem Jarlssitz.“

Er durchbohrte sie mit einem Blick aus seinen eisblauen Augen. Unnahbar. Gebieterisch. Vom Leben abgehärtet. Als er sprach, verzogen sich seine Mundwinkel aus leichter Verachtung. „Ich bin schon oft genug im Palästen gewesen, um zu wissen, was Ihr vorhabt.“

„Ach? Und was habe ich vor?“

„Ihr wollte mir ein Angebot machen, das ein Mann wie ich nicht ablehnen kann. Aber ich lehne es ab.“ Ihr Herz stolperte, als Björn sich vorbeugte, so dass sein blondes Haar seinen Kiefer streifte. „Nur ein Narr lässt das Fleisch zwischen seinen Schenkeln das Denken übernehmen.“

Ihre Wangen wurden knallrot. Vor Wut? Verlegenheit? Sengender Lust? Alles drei knisterte zwischen ihm und dem Bastard.

„Ihr überschätzt Euch. Ich habe einen Jarlssitz anzubieten. Nicht mich.“

Sein Lachen klang rau und sein Tonfall spöttisch: „Ihr wollt Euch schon wieder von diesem Gesuch für Vellefold ausnehmen, aber Ihr seid diejenige, die eine weite Reise auf sich genommen hat, um mit mir zu sprechen.“ Er hob großspurig eine Augenbraue. „Man muss sich doch fragen, was für Euch dabei herausspringt.“

Der Bruchteil eines Augenblicks verging. „Gar nichts.“

Björn brummte über ihr Zögern und trank einen weiteren Schluck.

Dickköpfiger Kerl. „Ihr wisst, dass ich den Sitz Eures Vaters in Vellefold meine. Die meisten Männer würden sich auf eine solche Gelegenheit stürzen. Jarl Egil hat sogar versprochen, Euch die Hälfte seines Silbers zu geben. Nur dafür, dass Ihr Euren Fuß nach Vellefold setzt.“

„Er kann es behalten.“

In ihrem Eifer rückte sie ein Stück nach vorn. Sie stieß mit den Knien an seine, die Berührung war ein Schock, sie sorgte dafür, dass sich ihre Lungen in ihrer Brust zusammenzogen. Der Lärm in der Halle und der sich kräuselnde Qualm verblassten. Ihre Gesichter waren nur noch eine Handbreit voneinander entfernt, zwei eigensinnige Menschen in einem Kampf des Willens. Sie musste eine größere Schlacht schlagen, aber ihre Sinne konzentrierten sich auf die Berührung seines Gelenks mit ihrem. Keiner von beiden bewegte sich. Sie zehrte von dem sich andeutenden Band, begehrte es, und das bereitete ihr Sorgen. Nach seinem finsteren Gesicht zu urteilen bereitete Björn ebenfalls etwas Sorgen.

„Ihr kennt das Gesetz“, sagte er. „Der Sohn eines Jarl und einer Sklavin kann den Sitz nicht erben.“

Dieses Gesetz war unter dem schleichenden Einfluss christlicher Mönche auf die norwegischen Jarls entstanden. In anderen Wikingerreichen gab es keine solchen Gesetze.

Sie wandte den Blick ab. „Jarl Egil hat Vorkehrungen dafür getroffen.“

„Der alte Mann ist ein schlauer Fuchs, wenn er etwas dringend genug will. Warum will Jarl Egil mich gerade jetzt in Vellefold haben?“

Sie erschrak über die Spur von Schmerz in Björn Worten. Schuld war eine Last, die sie viel zu leicht schulterte. Sie wurde Teil von seinem Leid, indem sie in Rouen aufgetaucht war. Sie hatte die Vergangenheit zurückgebracht.

Die Muskeln in Björns Kiefer zuckten. Sie hätte sein Unbehagen gerne besänftigt, um …

„Was ist mit meinem lieben Halbbruder?“, fragte er heiser. „Er hat doch sicher etwas gegen dieses Vorhaben.“

Sie strich über die Wand ihres Bechers, ihre Seele war wund. „Thorstein hat gegen nichts etwas. Er ist tot. Er ist im Frühling bei einem Überfall auf Vellefold getötet worden.“

Björn rückte auf der Bank nach hinten. Die gewichtige Neuigkeit musste er erst einmal verarbeiten. „Diese Überfälle sind schlechte Nachrichten. Ich wünsche Euch und den anderen, dass Ihr Euch schnell wieder davon erholt, aber Ihr könnt nicht von mir erwarten, dass ich Thorsteins Tod betrauere. Er war eine Viper, die Gift spuckt, wie seine Mutter.“

„Ich weiß“, seufzte sie und richtete sich auf. „Euer Vater hat vor langer Zeit gesagt, dass er nicht der richtige Mann wäre, um Vellefold zu führen. Er war als Krieger nicht einmal halb so gut wie Ihr.“

„Dann bin ich also gar nicht so schlecht für meine Größe, was?“ Eine Gefühlsregung huschte über sein Gesicht, zu schnell, um sie zu ermessen. Die Zeit hatte Björns Abscheu gegen Vellefold nicht gemildert. Die Jahre hatten sie nur verstärkt.

Ihr Blick wanderte von seiner unglaublich breiten Brust nach oben. „Ich gebe ja zu, dass die Skalden Eure augenscheinliche Kraft nicht übertrieben haben. Als wir noch Kinder waren, hat niemand daran gezweifelt, dass Ihr zu einem großen Krieger heranwachsen würdet. Aber seid Ihr auch stark genug, vergangenes Unrecht ruhen zu lassen und uns zu helfen?“

Obwohl sie an gegenüberliegenden Seiten des Tisches saßen, hatte sie ständig das Gefühl, sie würde ihn einkreisen – und von ihm eingekreist. Das Misstrauen in dem Blick, mit dem er sie musterte, er wartete darauf, dass sie Schwäche zeigte, weil sie es war, die auf der Suche nach dem verstoßenen Sohn über das Meer geflogen war.

„Was wollen die Leute von Vellefold nach all den Jahren von mir?“ Seine Stimme war belegt. „Ist der Jarl … tot?“

Sie erschrak. „Nein! Vergebt mir, wenn ich mich nicht klar ausgedrückt habe.“ Sie streckte eine Hand nach ihm aus. „Er ist am Leben, aber er kann die Krieger von Vellefold nicht anführen. Bei demselben Überfall, bei dem Euer Bruder umgekommen ist …“

„Halbbruder“, warf er ein.

Sie wappnete sich innerlich. „Ja, Euer Halbbruder. Von demselben Überfall hat Jarl Egil eine Axtwunde in seinem Rücken davongetragen, die ihn an sein Bett fesselt. Er ist kränklich und Aseral ist stark geworden. Wir konnten sie zurückschlagen, aber nur unter schrecklichen Verlusten.“ Ihr Temperament regte sich und sie fuhr eilig fort: „Die Götter sind nicht mit uns gewesen. Nach dem zweiten Überfall ist Vellefold von einem tödlichen Fieber heimgesucht worden, was wiederum zu verspäteter Aussaat und einer schlechten Ernte geführt hat.“ Sie unterbrach sich für einen Augenblick. „Versteht Ihr? Die Krieger von Aseral hungern danach, unseren Leuten den Garaus zu machen! Ich fürchte, wenn sie noch einmal angreifen, werden sie es schaffen.“

„Ihr sprecht leidenschaftlich von unseren Leuten, aber es sind nicht meine.“

„Wie könnt Ihr uns den Rücken zukehren?“, rief sie.

„Weil die Leute von Vellefold mir ihren Rücken zugekehrt haben!“ Er schleuderte ihr laute Worte entgegen und die jungen Huscarls am Nachbartisch erschraken. Ein strenger Blick und die Männer wandten sich wieder dem Essen zu.

Björn biss die Zähne zusammen und seine Miene war finster. „Als mein Va… Jarl Egil den vergifteten Plan seiner Frau befolgt hat, mich zu verbannen, hat niemand versucht, ihn daran zu hindern.“

„Weil sie Valdas Zorn fürchten mussten.“

„Und ich war der Leidtragende.“ Er schluckte und mäßigte seine Stimme. „Habt Ihr vergessen, was passiert ist? Er hat mich mit nichts als einem Schwert auf meinem Rücken in Birka zurückgelassen. Ich war verängstigt. Allein. Kein Junge sollte so etwas durchmachen müssen.“

Sie zuckte zusammen und bedachte ihn mit Schweigen. Seine Angst zuzugeben, auch wenn es die Angst eines Kindes war, musste ihm bitter schmecken. Ein Krieger ging lieber in dem Glauben durchs Leben, dass die Erde unter seinen Füßen bebte, als Worte der Schwäche in den Mund zu nehmen. Jarl Egils Frau hatte die bittere Saat gesät, die Björn und alle anderen in Vellefold geerntet hatten. Valda hatte Reichtum und Macht geliebt. Jede Schwächung ihrer Stellung hatte die Viper in ihr zum Leben erweckt. Björn und seine Mutter Arnora waren meist unbehelligt geblieben.

Bis der Jarl Arnora freilassen und sie zu seiner Elja, seiner Zweitfrau, machen wollte.

Bei den norwegischen Wikingern galt ein eisernes Gesetz: ein Hrisungr, der Bastard einer Sklavin und eines freien Vaters, konnte nicht Häuptling werden. Der Sohn einer Elja schon.

Beim nächsten Vollmond war Arnora, eine vor Kurzem freigelassene, aber noch immer unverheiratete Frau, zusammen mit dem Kind bei der Geburt gestorben, Valda hatte sich um beide gekümmert. Die meisten hielten die Frau eher für eine böse Hexe als eine Heilerin. Leid folgte Valda auf dem Fuße, das war Beweis genug. Jarl Egils Herz war nach diesem Verlust verkümmert. Er sprach kaum noch ein Wort, nachdem er die Leichen von Arnora und seiner winzigen Tochter verbrannt hatte. Der Jarl war kaum noch anwesend, so dass der kleine Björn zur Zielscheibe von Valdas Unmut wurde. Als Kind hatte Björn seine Trauer vergraben, indem er sich bei der Jagd, beim Ringen und Axtwerfen hervorgetan hatte. Die besten Krieger von Vellefold hatte ihm zugejubelt. Das hatte sie oft erlebt. Ihr herzhaftes Schulterklopfen hätte einen schwächeren Jungen umgehauen, aber Björn hatte davon gezehrt. Das beste war, dass diese groben Kerle hinter vorgehaltener Hand davon gesprochen hatten, dass ihr junger Freund den Sitz des Jarl übernehmen sollte – ein Geraune, das Valda zu Ohren gekommen war.

Der Bastard hatte das unverzeihliche getan. Er hatte den Erben in den Schatten gestellt.

Valda fand bald einen Weg, ihren trauernden Ehemann zu trösten und dabei hatte sie ihm vergiftete Worte ins Ohr geflüstert. Grenzen würden gezogen werden. Langhäuser aufgeteilt. Vellefold wurde in zwei Teile geteilt.

Mit Björn musste etwas passieren.

„Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ihr habt jedes Recht, mich zu verabscheuen, Vellefold zu verabscheuen.“ Ihre Stimme zitterte. „Alle wussten, was er vorhatte.“

„Und niemand hat etwas dagegen unternommen.“

„Ich weiß.“ Nicht vergossene Tränen brannten in ihren Augen.

Björn schüttelte den Kopf, als ob sie ihm leidtat. „So schrecklich das auch war, es hat mir unvergessliche Lehren eingebrannt. Liebe ist nichts für Schwächlinge. Männer treffen schlechte Entscheidungen, wenn sie sich von ihr leiten lassen.“

„Das könnt Ihr nicht ernsthaft glauben.“

„Oh doch. Treue dient einem Mann mehr als Liebe, eine Wahrheit, die mir öfter geholfen hat, als ich zählen kann.“

Ihr Herz schrumpfte weiter, je mehr Björn sprach. Er glaubte fest an seine Worte. Und warum auch nicht? Vellefold hatte ihm keine Treue erwiesen, als es am meisten darauf angekommen wäre. Leider galt dasselbe für sie – das zwölfjährige Mädchen, das sie einmal gewesen war, hätte versuchen sollen, seinem Freund zu helfen.

Vielleicht hatte sie seine Feindseligkeit verdient!

„An meinem letzten Tag in Vellefold bin ich auf sein Schiff gegangen, weil er mein Vater war.“ Björn starrte in seinen Becher, seine Stimme abwesend. „Ich habe nicht geglaubt, dass er es wirklich tun würde.“

Sie legte eine Hand auf seinen Arm und bat ihn dann flüsternd: „Dann kommt zurück und nehmt Euch, was von Anfang an Euch gehören sollte.“

Sein Lachen klang hohl. „Wie einfach sich das aus Eurem Mund anhört.“

„Weil es das ist. Ihr braucht nur Aseral zu besiegen und der Jarlssitz gehört Euch. Genau wie der gesamte Besitz Eures Vaters. Er hat geschworen, Euch die Hälfte zu geben, wenn Ihr und Eure Männer ankommt, und die andere Hälfte bei seinem Tod.“ Ihre wundgescheuerten Finger lagen auf seiner schwarzledernen Armstulpe. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, als sie hinzufügte: „Ihr könnt euch unter den Frauen von Vellefold eine aussuchen.“

„Wozu?“

„Als Ehefrau.“

Björn sah auf ihre Stirn. Sie trug keinen Kerstan um den Kopf wie eine Jungfrau.

Sie richtete sich auf und seufzte schwer. „Ihr schmeichelte mir, Björn. Ich bin Witwe, meine Jungfernzeit ist längst vorbei. Eine der jüngere Frauen wäre die bessere Wahl, mein Vater hofft allerdings, dass Ihr Euch für meine Schwester Frida entscheidet.“

Er konnte sich nicht an Frida erinnern. Sie war gerade erst auf die Welt gekommen, als er fortgegangen war. Frida war inzwischen erwachsen, eigenwillig und gespannt, was die Zukunft ihr bringen würde.

„Meine Schwester ist genauso schön, wie ihr Name verheißt“, sagte sie mit ausdrucksloser Stimme. „Sie wird einmal eine ausgezeichnete Ehefrau.“

Björn fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und starrte die Wand hinter ihr an. Ihre Knie berührten sich nicht mehr und sie spürte das als Verlust, der sie aus dem Gleichgewicht brachte. Es fühlte sich leer und kalt an. Sie schlang die Arme um sich, um die Kälte abzuwehren.

Björn trank seinen Met aus, seine eisblauen Augen wirkten ein wenig gequält. „Ich will eine Frau, mit der ich im Winter das Bett teilen kann, nicht ein Leben lang, und vor allem kein Leben in Vellefold.“

„Aber Jarl Egil …“

„Ist jahrelang ohne mich ausgekommen. Wenn die Götter es so wollen, wird er seine Verwundung überleben und noch viele Jahre weiterleben. Ohne mich.“

Von der Feuerstelle hinter Björn stieg Qualm auf. Die Flammen tauchten den Vergessenen Sohn in rötliches Licht. Er hatte sich Schwierigkeiten gestellt und sich einen Namen gemacht. Kriege waren für ihn ein Mittel, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen; für sie ging es um Leben und Tod. Sie würde nicht aufgeben. Das durfte sie nicht.

Björn ließ ein freundliches Grinsen sehen. „Ich hätte nichts dagegen, Zeit mit Euch zu verbringen.“ Er zog die Augenbrauen hoch, ein Mann, der ausloten wollte, ob er Glück bei einer Frau hatte. „Warum bleibt Ihr nicht eine Weile in Rouen?“

Sie seufzte ungläubig. Die meisten Frauen hätten seine Einladung mit Freuden angenommen. Björn roch sauber, gab sich freundlich und zuvorkommend und sein Mund lud zum Küssen ein. Eine Frau konnte eine Nacht mit ihm verbringen und froh über seine Gesellschaft sein – und sein Bett.

„Ich habe andere Dinge zu tun. Es gibt Menschen, die sich auf mich verlassen.“

Er schob seinen leeren Becher zur Seite. „Wie sich die Leuten in Rouen auf mich verlassen. Seht Euch um, Ilsa. Ihr könnte Euch einen Krieger aussuchen, den Ihr mit nach Hause nehmt.“ Der Riese von Vellefold stand langsam von seiner Bank auf. „Ich gehöre nicht dazu.“

„Ihr wollt gehen?“

„Das war ein netter Besuch, aber der Met ist ausgetrunken.“

Sie stand abrupt auf. „Ihr dürft nicht gehen. Ich bin noch nicht fertig.“

„Aber ich. Ich habe genug gehört.“

Sie wandte sich ihm zu, die Schatten von hundert Menschen in Not in ihrem Rücken. Deswegen stieß sie zwischen den Zähnen hervor: „Ich könnte Euch befehlen zu bleiben.“

Björns Lächeln erstarb und seine Miene wurde bedrohlich. „Das will ich sehen … meine Dame.“

In ihrer Schläfe klopfte wütend eine Ader. Sie konnte es sich nur mit Mühe verkneifen, nicht an der Stelle zu reiben. Es war vielleicht ein Fehler gewesen, ihre Stellung ins Spiel zu bringen. In Björns Blick flackerten lange unterdrückte Gefühle auf – die Vergangenheit verschaffte sich Geltung. Ein verstoßener Junge, jetzt ein Mann, in dessen Innerem sich eine wütende Bestie regte. Jeder wusste, dass Björn von den Vergessenen Söhnen derjenige war, der den tiefsten Fall hinter sich hatte und seiner höhnischen Miene nach zu urteilen gab er nichts auf Fragen der Herkunft.

Sie öffnete den Mund, aber was sie zu sagen hatte, hätte alles nur noch schlimmer gemacht.

Björn musterte sie von oben bis unten. „Das dachte ich mir.“

Er verließ die große Halle und nahm ihre Wut mit hinaus.

3. KAPITEL

„Hast du was Bestimmtes vor?“ Rurik kam in die schwach erleuchtete Scheune geschlendert.

„Meinen Kontrollritt abschließen.“ Björn zog den Sattel fest und sein Streitross tänzelte seitwärts. Das Tier konnte seine Anspannung spüren. Seine Wut schlug Funken und außer einem Ritt durch die kalte Nacht konnte nichts das Feuer ersticken.

„Allein?“ Als Rurik auf ihn zukam, raschelte das Stroh unter seinen Stiefeln.

„Ja. Allein“, knurrte er.

Der Duft von frisch geerntetem Heu hing in der Luft, aber seine Süße hatte keine Wirkung auf ihn. Er war in die Scheune hinübergestapft, nachdem er sich Ilsas Bitte angehört hatte und die meisten Stalljungen waren verschwunden, so schnell sie konnten. Der schlaksige Davyn war mutig vorgetreten und hatte angeboten, Björns Pferd bereitzumachen. Der Junge, der gut mit Pferden umgehen konnte und fleißig war, war immer zur Stelle, wenn die Vergessenen Söhne in der Scheune waren. Davyn hatte seinen Zorn nicht verdient. Er würde es später bei den Stalljungen wiedergutmachen. Jetzt musste er sich selbst in der Dunkelheit verlieren.

Rurik baute sich im Stall auf. „Der südliche Wald kann warten.“

„Versuch nicht, mich aufzuhalten.“

Davyns Knöchel wurden weiß, so fest hielt er die Zügel. Er zog die Schultern hoch und zog seine Wollmütze über seine Stirnfransen. Ein anderer Junge schüttete Wasser in einen Trog in der Nähe und machte dann, dass er fort kam. In der Stille waren nur noch Wiehern und Schnauben zu hören. In Langschwerts Scheune befanden sich beinahe einhundert Pferde, das massive Holzgebäude war in seiner Größe beinahe genauso beeindruckend wie seine große Halle. Nur Wüstenkönige mit ihren tausend Pferden im Stall übertrafen ihn.

Ruriks Lachen klang rau. „Du willst ums Verrecken verschwinden und ich habe doch eine Nachricht für dich.“

„Von einer gewissen Dame aus Vellefold?“, fragte er und schloss die Schnalle am Sattelgurt.

„Von Langschwert. Er will mit dir sprechen.“ Das düstere Licht fiel auf Ruriks Gesicht. Sein Mund war eine ruhige, grausame Linie, das lag in seiner Natur als Sohn eines bösartigen slawischen Wikingers.

Björn legte beide Hände auf den Sattel, atmete laut aus und starrte die Wand an. Seine Neuigkeiten über die Spione der Bretonenkönigin. Das hatte er ganz vergessen. Es waren erst wenige Stunden vergangen, aber … Ilsa. Der Schrecken des Wiedersehens und ihrer seltsamen Bitte ließ ihn nach Waldluft lechzen. Was war er für ein Narr, vorzuschlagen, dass sie eine Weile bei ihm bleiben konnte. Ihre stolze Mahnung an ihre Stellung war gleichsam ein Schlag ins Gesicht. Sie waren einmal die besten Freunde gewesen, das war eindeutig vorbei.

„Erik muss dir von den Spionen erzählt haben.“

Ruriks Blick wanderte kurz zu Davyn hinüber. „Hat er. Nachdem du aus der Halle gegangen warst.“

„Warum sprichst du dann nicht mit dem Jarl?“ Er fuhr dem Pferd beruhigend über die Flanke. Unter den Männern hatte sich nicht alles verändert. Zumindest hatte Erik die Neuigkeiten Rurik erzähle, ehe er sie Langschwert verraten hatte.

„Das werde ich nicht tun, weil er nach dir gefragt hat.“ Rurik streichelte dem Pferd die Nase und fügte hinzu: „Es ist ungewöhnlich, dass du vor Schwierigkeiten wegläufst. Vor allem, wenn es um eine Frau geht.“ 

Er zuckte zusammen, denn darin lag ein Kern von Wahrheit. „Ich laufe nicht weg. Ich beende meinen Kontrollritt. Das ist ein Unterschied.“

Ruriks düsterer Blick ging durch ihn hindurch. Er hasste die Unsicherheit, die ihn umgab. Je schneller er losritt, desto besser. Der knochige Stalljunge redete beruhigend auf das Streitross ein und streichelte ihm mit einer schmutzigen Hand über den weißen Hals. Björn hielt sich am Sattel fest, um sich hinaufzuschwingen.

„Halt ihn fest, Davyn. Er ist nervös heute Abend.“

„Komm mit, Björn.“ Rurik packte die Zügel, sein Ton war schroff.

Björn kniff die Augen zusammen und sagte m...

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