Der Corretti Clan - Skandale und Liebe unter Siziliens Sonne

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Erleben Sie leidenschaftliche Geschichten in dieser aufregenden, achtteiligen Familiensaga rund um den Corretti Clan. Die Männer dieser reichen, italienischen Familiendynastie sind impulsiv und Genießer von gutem Essen und schönen Frauen doch Skandale und Familienfehden hat Ihre Herzen verschlossen. Können die Heldinnen die Mauern einreißen?

SIZILIANISCHE LEIDENSCHAFT

Um den mächtigen Corretti-Clan zu ärgern, schleust der glamouröse Kommissar Anton Soranno die schöne Reporterin Emily als seine Verlobte in Palermos gefährlichste Kreise ein. Völlig ungeplant wird aus den gespielten Küssen echte Leidenschaft …

GEHEIME VERMÄCHTNISSE

Die Glut in Santo Correttis Augen hat schon so manches Frauenherz verbrannt. Nur seine schöne Assistentin bleibt kühl. Erst als sie kündigt, gesteht Ella dem sizilianischen Tycoon ihre Gefühle. Santo sehnt sich danach, mit ihr in seinen Armen für eine Nacht die Skandale zu vergessen, die seine Familie erschüttern. Doch Ella zu verführen, gleicht einem Tanz auf dem Vulkan …

VERLOBUNG AUF SIZILIANISCH

Keine Flirts, Drinks oder Dramen, sonst verliert Taylor ihre Traumrolle. Nichts leichter als das, denkt die auf ihren Ruf bedachte Schauspielerin. Sie hat nicht damit gerechnet, Luca Corretti auf einer Hochzeitsfeier in Sizilien zu begegnen. Schamlos flirtet der berüchtigte Playboy mit ihr - und wirft damit all ihre Prinzipien über den Haufen …

BITTERSÜßER SCHMERZ DER SEHNSUCHT

Corretti! Valentina zittert vor Wut, wann immer der Name der sizilianischen Familie fällt. Die schöne Köchin ist überzeugt, dass der verwegene Gio Corretti ihren Bruder vor Jahren in den Tod gerissen hat, und nun steht ihr Catering-Service vor dem Ruin, weil dessen Tante ihre Rechnung nicht bezahlt. Valentinas letzte Rettung ist der Auftrag für das legendäre Pferderennen von Syrakus - das ausgerechnet Gio veranstaltet …

VERBOTENE STUNDEN DES GLÜCKS

Angelo Corretti kennt nur eine Leidenschaft: Rache. Fern der Heimat hat er Macht und Reichtum errungen, um die Correttis zu zerstören - jene Familie, die ihn, den unehelichen Sohn, verstoßen hat. Doch es gab eine Zeit vor vielen Jahren, als auch ein junges Mädchen Platz in seinem Herzen fand: seine beste Freundin Lucia, mit der er eine einzige Nacht der Leidenschaft erlebte, bevor er sie und Sizilien im Morgengrauen verließ.

VERHÄNGNISVOLLE KÜSSE

Ist ihr ganzes Leben eine Lüge? Rosa Corretti ist schockiert, als sie erfährt, wer ihr wahrer Vater ist. Hals über Kopf läuft die junge Sizilianerin davon und betäubt ihren Schmerz an der Côte d’Azur mit Shopping, Champagner - und einem Flirt, der einen Skandal auslöst. Denn der charismatische Fremde, dem sie in seine Suite folgt, ist niemand anderes als Scheich Kulal Al-Dimashqi …

SCHICKSALSNÄCHTE AUF SIZILIEN

Die Correttis leben im Scheinwerferlicht - nur Lia führt ein Schattendasein innerhalb ihrer glamourösen Familie. Bis die schöne Sizilianerin auf einer Feier in ein Paar dunkler Augen blickt, das bis auf den Grund ihrer Seele dringt. Zachs Augen. Ist es diese Seelenverwandtschaft, wegen der es ihm gelingt, ungeahnte Seiten der Lust in ihr zu wecken?

BRANDUNG DER BEGIERDE

Um eine alte Familienfehde zu beenden, tritt Alessandro Corretti mit der Tochter seiner Erzfeinde vor den Altar. Doch die Braut läuft davon! Aufgewühlt zieht der Unternehmer sich auf seine Jacht zurück - und entdeckt weit draußen auf dem Meer eine blinde Passagierin: Elena. Die Blondine, mit der er einst allzu innig tanzte …

DAS EWIGE FEUER DER LIEBE

Es war ein kurzer Traum in Weiß: Schockiert verfolgen die Hochzeitsgäste, wie Alessia nur Sekunden vor dem Jawort aus der Kirche flieht. Keiner ahnt, dass sie ein Stoßgebet zum Himmel schickt, damit der wahre Mann ihres Herzens ihr folgt: Matteo Corretti, der mächtige Hoteltycoon - und Cousin des Bräutigams!


  • Erscheinungstag 07.10.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733772994
  • Seitenanzahl 1222
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Carol Marinelli, Sarah Morgan, Abby Green, Kate Hewitt, Sharon Kendrick, Harris Lynn Raye, Caitlin Crews, Maisey Yates

Der Corretti Clan - Skandale und Liebe unter Siziliens Sonne

Carol Marinelli

Sizilianische Leidenschaft

IMPRESSUM

JULIA EXTRA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: 040/60 09 09-361
Fax: 040/60 09 09-469
E-Mail: info@cora.de

© 2013 by Harlequin Books S.A.
Originaltitel: „Uncovering the Correttis“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA
Band 381 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Gudrun Bothe

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733706364

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

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BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

„Eine Hochzeit?“ Emily Hyslop zog die Brauen hoch. „Du erwartest nicht ernsthaft von mir, dass ich über eine Hochzeit schreibe?“

„Ich dachte, du würdest begeistert sein von der Aussicht auf zwei Tage Sizilien.“ Dabei wusste Adam sehr wohl, dass es nicht so war.

Emily arbeitete als investigative Journalistin für eine große englische Zeitung. Und ihr Boss verlangte von ihr, dass sie über eine Hochzeit berichtete! Präziser ausgedrückt: Ihr Ex schickte sie zu einem Zeitpunkt nach Sizilien, in dem ihr Fall, an dem sie so hart gearbeitet hatte, kurz vor dem Durchbruch stand …

„Ich stecke doch mitten in der Hetherington-Sache.“ Emily bemühte sich, ihre Stimme so neutral wie möglich klingen zu lassen. „Du weißt, ich muss dieses Wochenende in Wales sein. Sie baggern bereits den See aus und …“

„Ich habe Dianne gebeten, für dich einzuspringen.“

Frustriert und wütend über die verräterische Röte auf ihren Wangen saß sie vor seinem Schreibtisch und versuchte, ruhig zu bleiben. Auf keinen Fall sollte Adam sehen, wie gekränkt sie war.

Bestenfalls konnte man ihren Beruf als heiß umkämpftes Schlachtfeld sehen, das durch Konkurrenz belebt wurde. Manchmal war es aber auch einfach nur brutal und perfide. Emily hatte etliche Monate in den Hetherington-Fall investiert, recherchiert, jeden Hinweis verfolgt und ihre Kontakte genutzt. Und jetzt sah es so aus, dass schon wieder Dianne die Früchte ihrer harten Arbeit erntete!

Um das zu verstehen, musste man nicht Einstein sein.

Schon lange hatte Emily den Verdacht, dass Dianne auch der Grund für den Bruch zwischen Adam und ihr war. Aber das störte sie nicht. Ihren Ex konnte diese intrigante Schlange ihretwegen haben, aber nicht ihren Job!

„Dianne hat fantastische Verbindungen und den nötigen Biss, um ein derart brisantes Thema anzupacken“, erklärte Adam. „Ich weiß, wie hart du arbeitest, allerdings habe ich den Eindruck, dass du mit deinen Möglichkeiten am Ende bist.“ Nicht dass er große Gewissensbisse bei dem empfand, was er tat, doch ein leichtes Unbehagen konnte er nicht leugnen. „Es wird eine Menge unangenehme Fragen aufwerfen, sollte tatsächlich ein Leichnam gefunden werden. Und die konsequent zu stellen, ist Diannes Stärke.“

Er schaute in ihre klaren blauen Augen, auf das lichtblonde Haar und versuchte sich davon zu überzeugen, dass Dianne recht hatte. „Wir sprechen doch nicht das erste Mal darüber, Emily. Wenn du in diesem Metier bleiben und Erfolg haben willst, musst du viel härter werden.“

„Und das erreiche ich, indem ich über eine Hochzeit schreibe?“, fragte sie sarkastisch. Hochzeitsreportagen hatte sie seit Jahren nicht gemacht, nicht seit ihren Anfängen bei der Zeitung.

„Sie passt perfekt in den Reiseteil über Sizilien, der ab nächster Woche erscheint.“ Adam hatte keine Lust, noch länger zu diskutieren. „Kopf hoch, Emily. Ich hätte selbst nichts gegen ein Wochenende im Süden. Stattdessen muss ich mich bei strömendem Regen in Wales herumdrücken …“ Zu spät wurde ihm bewusst, dass er sich verraten hatte.

„Also wirst du auch dort sein?“

„Es ist eine Riesenstory.“

Ja, und es war ihre Story!

Emily lächelte gezwungen, stand auf und kehrte an ihren Schreibtisch zurück. Sie fühlte die Blicke der anderen Mitarbeiter in ihrem Rücken. Keine Frage, dass jeder wusste, warum Adam sie zu sich zitiert hatte. Jetzt war sie dreißig und bereits acht Jahre bei der Zeitung. In den letzten Monaten hatte es Gerüchte um Personalkürzungen gegeben, und allmählich bekam sie den Eindruck, dass auch ihr Stuhl wackelte.

Wie gelegen ihrem Boss die strukturellen Veränderungen kommen mussten! Und wie dumm war sie gewesen, ihre eiserne Regel zu brechen, niemals Job und Privates zu vermischen. Mit gefurchter Stirn überflog sie das Briefing, das Adam ihr in die Hand gedrückt hatte. Ein Name stach ihr sofort ins Auge.

Corretti?

Die Correttis waren einer der berüchtigtsten Familienklans Siziliens. Erst letzte Woche hatte sie in den Fernsehnachrichten die Beerdigung des Familienoberhauptes Salvatore Corretti verfolgt. Das Aufgebot an Security war unglaublich gewesen. Fasziniert hatte sie die grimmigen Gesichter der Angehörigen studiert, deren Augen hinter großen Sonnengläsern verborgen waren.

Emily gab den Namen in eine Internetsuchmaschine ein, um sich ein bisschen gründlicher über die Correttis zu informieren. Plötzlich spürte sie, dass sich ihr Puls beschleunigte, wie jedes Mal, wenn sie eine neue Fährte aufnahm. Offenbar war die bevorstehende Hochzeit nicht einfach nur eine normale Liebesheirat.

Bei dem Brautpaar handelte es sich um Alessandro Corretti und Alessia Battaglia. In der italienischen Presse grassierten Gerüchte, dass Salvatore selbst diese Verbindung arrangiert hatte, um sich bei der umfangreichen Erneuerung von Hafenvierteln an der ­sizilianischen Küste der Rückendeckung des Battaglia-Klans zu versichern. Aber das war noch längst nicht alles. Die Verbindung und gemeinsame Geschichte der beiden Familien reichte bis weit in die Vergangenheit zurück.

Mit einem Ohr hörte Emily, wie Dianne telefonisch für das nächste Wochenende Hotelzimmer in Wales buchte – oder genauer gesagt, ein Hotelzimmer. Wahrscheinlich die Luxus-Suite mit Empfangssekt, üppiger Obstschale und einem Frühstück-im-Bett-Service. Entschlossen, sich davon nicht runterziehen zu lassen, widmete sich Emily wieder ihrer Recherche.

Die Correttis waren wirklich eine faszinierende Familie. Salvatore hatte sich als elternloses Straßenkind zunächst mit Diebereien über Wasser gehalten und später mit Charme und Entschlossenheit in die Mafia-Dynastie der Battaglias hochgedient. Doch irgendwann verließ ihn sein fast sprichwörtliches Glück, das Blatt wendete sich und auf seinen Kopf wurde ein Preis ausgesetzt.

Jagdfieber regte sich in Emily. Wenn es um diese Familie ging, konnte bei der Sizilienreise mehr herauskommen als ein langweiliger Hochzeitsreport. Und für sie war es höchste Zeit, ihre Karriereplanung wieder selbst in die Hand zu nehmen. Sie musste nur noch überlegen, wie.

„Kann ich dich kurz sprechen?“

Emily schaute auf, direkt in das Gesicht ihrer Nemesis, der Heimsuchung in Form von Dianne, dem intriganten Biest. „Natürlich.“

„Ich brauche die Namen deiner Kontaktpersonen.“

„Selbstverständlich habe ich ihnen absolute Diskretion zugesichert.“

„Und woher weißt du, dass der See trockengelegt werden soll?“

„Dianne …“ Hilfloses Schulterzucken von Emilys Seite, dann sah sie auf die Uhr und stellte überrascht fest, dass es schon nach fünf war. Sie steckte bereits Hals über Kopf in der Corretti-Battaglia-Story und konnte es kaum abwarten, nach Sizilien aufzubrechen, um über die Hochzeit zu berichten – aber auf ihre Weise! Und ganz bestimmt hatte sie weder Zeit noch Lust, Dianne bei ihrem alten Fall zu assistieren.

„Ich brauche nur die Namen“, drängte Dianne. „Wir sind doch im gleichen Team.“

Frustriert spürte Emily, wie sie errötete. Aber hatte Adam ihr nicht eben noch vorgehalten, sie müsste viel härter werden? „Tut mir leid, ich kann dir nicht helfen“, sagte sie ruhig, schob ihre Unterlagen zusammen und erhob sich vom Schreibtisch. „Ich soll mich um eine Hochzeit kümmern und muss für Sizilien packen.“

„Ich kann es kaum abwarten zu hören, was die Braut trägt!“, höhnte Dianne.

„Das könnt ihr beiden dann am Sonntag beim gemeinsamen Frühstück im Bett nachlesen“, schoss Emily mit süßem Lächeln zurück.

Trotz ihrer Ausrede verschwendete Emily bis zum nächsten Morgen keinen einzigen Gedanken ans Packen. Obwohl es bereits Ende Mai war, fühlte es sich komisch an, Sommerkleidung und Sandalen aus dem Schrank zu suchen, während es draußen in Strömen regnete. Neben leichten Fähnchen und Espandrillos packte sie auch ein hochzeitstaugliches Kleid ein, in der Hoffnung, sich auf diese Weise irgendwie zwischen die illustre Gästeschar mischen zu können. Vielleicht gelang es ihr sogar, sich in die Kirche zu schmuggeln, obwohl das mehr als unwahrscheinlich war.

Sie traf Gina, die Fotografin, am Flughafen Heathrow. Allerdings verzögerte sich ihr Abflug aufgrund der schlechten Wetterlage, weshalb sie stundenlang in der Abfertigungshalle ausharren mussten. Doch irgendwann legten sich die Sturmböen, die Maschine war in der Luft, und Emily lenkte sich damit ab, dass sie den ganzen Flug über auf Dianne und Adam herumhackte und sich über all die schrecklichen Veränderungen im Verlag beschwerte.

„Du musst Adam und die anderen Verantwortlichen daran erinnern, was für eine fantastische Journalistin du bist“, riet Gina ihr.

Emily seufzte. „Leichter gesagt als getan. Aber vielleicht gelingt es mir ja, indem ich aus dieser Sache etwas anderes mache als eine konventionelle Hochzeitsstory.“

„Vergiss es!“ Gina, die aus Rom stammte, lachte. „Das ist der Traum jedes italienischen Journalisten. Und die haben dir einiges voraus, etwa unverzichtbares Insiderwissen und gute Kontakte. Die Battaglias und besonders die Correttis sind mächtige und einflussreiche Familienklans, die vierundzwanzig Stunden am Tag im Fokus der Presse stehen. Trotzdem kommt man ihnen nicht wirklich nah, und ich bezweifle, dass ausgerechnet du irgendetwas Neues über sie berichten kannst.“ Gina schüttelte bedauernd den Kopf. „Du wirst dir wohl etwas anderes ausdenken müssen, um Adam davon zu überzeugen, dass du die Beste bist.“

Nachdem sie in Rom gelandet waren, verabschiedeten sich die beiden Frauen vorübergehend voneinander. Emily würde den nächsten Flug nach Palermo nehmen, während Gina die Gelegenheit nutzen wollte, einen Abend und eine Nacht bei ihrer Familie zu verbringen.

„Viel Spaß“, wünschte Gina ihr zum Abschied.

Doch Emily war nicht auf Spaß aus. Ihr Stuhl im Verlag wackelte, und sie musste sich dringend etwas einfallen lassen, um ihre Karriere zu pushen.

Trotz trüber Gedanken hellte sich ihre Stimmung auf, als sie in Palermo landete. Das Klima war sommerlich warm, der Himmel strahlend blau. Begierig sog Emily die würzig milde Luft in ihre Lungen und gab sich innerlich einen Ruck, entschlossen, das Ruder trotz Ginas Warnung an diesem Wochenende herumzureißen. Während der Taxifahrt vom Flughafen zum Hotel fielen ihr etliche Großbaustellen auf, von denen die meisten allerdings stillgelegt schienen. Sie versuchte vom Taxifahrer Aufschluss darüber zu bekommen, doch er sprach so gut wie kein Englisch.

Erst als der Name Corretti fiel, spürte Emily, wie sich die feinen Härchen an ihren Armen aufrichteten. Den Rest verstand sie leider nicht.

Im Hotel angekommen, checkte sie ein und hatte gerade den Fahrstuhl betreten, als ihr Handy klingelte. Emily erkannte die Nummer eines ihrer Informanten. „Hi …“, meldete sie sich und vergaß, was sie sonst noch sagen wollte, weil sich in diesem Moment der umwerfendste Mann zu ihr in den Lift gesellte, der ihr je über den Weg gelaufen war.

Groß, schlank, unrasiert, mit lackschwarzem Haar und perfekt geschnittenen Lippen, um die ein spöttisch arrogantes Lächeln spielte. Er trug Jeans und unter dem lässig geschnittenen Jackett ein T-Shirt, alles in Schwarz. Seine Augen konnte sie nicht sehen, weil sie hinter einer dunklen Sonnenbrille versteckt waren. Das herbe Aftershave und seine überwältigende Präsenz reizten ihre Sinne und ließen sie an völlig absurde Dinge denken.

„Emily, bist du noch da?“

„Verzeihung“, murmelte sie und starrte gebannt auf die perfekt manikürten gebräunten Finger, als er den Knopf drückte, der den Lift nach oben befördern würde.

„Du kannst dir den Aufwand bei diesem Sauwetter sparen. Es ist der falsche See, den sie ausbaggern wollen!“ Ihr Kontaktmann sprach so laut und aufgeregt, dass sie den Hörer unwillkürlich ein Stück vom Ohr weghielt.

„Nett von dir, mich zu warnen …“, sagte sie etwas abgelenkt, „… aber ich bin raus aus der Hetherington-Geschichte, und Adam ist mit Dianne im Schlepptau bereits auf dem Weg nach Wales. Ich selbst bin im sonnigen Sizilien.“

„Um was zu tun?“, fragte ihr verblüffter Informant.

„Eine Hochzeitsreportage zu verfassen!“ Emily rollte mit den Augen. „Aber frag lieber nicht weiter, es ist ein ziemlich wunder Punkt.“

„Ich kann mir dich auch absolut nicht in dieser Rolle vorstellen.“

„Meinst du, ich? Trotzdem danke für die Warnung wegen des Sees, ich werde sie gleich weiter…“ Abrupt brach sie ab. „Den Teufel werde ich tun!“ Es war ihr entschlüpft, ehe sie es zurückhalten konnte. Vorsichtig schaute sie in Richtung des attraktiven Fremden, doch der schien sich ihrer Gegenwart gar nicht bewusst zu sein. Lässig gegen die Spiegelwand gelehnt, checkte er offenbar Textnachrichten in seinem Handy.

Vielleicht versteht er ja auch gar kein Englisch, beruhigte Emily sich, sah, dass sie ihr Stockwerk erreicht hatten, und trat kurz darauf grußlos aus dem Lift.

„Fattispecie.“

Seine tiefe volle Stimme nagelte sie auf der Stelle fest. Langsam drehte Emily sich um und wünschte, er würde keine Sonnenbrille tragen, damit sie seine Augenfarbe sehen und heute Nacht von ihm träumen konnte.

„Ein sogenannter Actus Reus“, übersetzte er. „Ein Tatbestand.“

Obwohl der Fremde immer noch keine Miene verzog, weiteten sich Emilys Lippen zu einem breiten Lächeln, während die Lifttüren lautlos zuglitten.

„Fattispecie …“, wiederholte sie träumerisch, suchte ihr Hotelzimmer und öffnete die Tür. Dabei dachte sie an Adam und Dianne, wie sie in strömendem Regen am falschen See standen. „Was für ein wundervolles, wohlklingendes Wort.“

2. KAPITEL

Wenn sie in ihrem Hotelzimmer blieb, würde sie absolut nichts herausfinden und bewirken können, so viel war Emily klar. Also gönnte sie sich eine erfrischende Dusche, zog ein leichtes Sommerkleid an und legte dezentes Make-up auf, ehe sie ihre Erkundungstour begann.

Es war später Nachmittag, und die Straßen wimmelten nur so von Menschen. Jeder war aufgeregt, und alles drehte sich um ein und dasselbe Thema: die bevorstehende Hochzeit zwischen zwei der einflussreichsten Familien des Landes. Horden von Reportern drückten sich überall herum, und die Polizei durchkämmte mithilfe einer Hundestaffel und Detektoren die Kirche auf mögliche Gefahrenquellen. Überall stand man vor Absperrungen.

Selbst der Sperrbezirk für die Presse war weiter ab vom Geschehen errichtet worden als gewöhnlich. Ihre Chancen, dem Brautpaar wirklich nah zu kommen standen also denkbar schlecht. Frustriert ging Emily zurück in die Hotelhalle und vorbei an der Rezeption, nur um festzustellen, dass der Zugang zum hoteleigenen Garten auch abgesperrt war.

Verflucht!

Und dann sah sie plötzlich ihn! Trotz der dunklen Sonnenbrille war ihr klar, dass er sie ungeniert und geradezu schamlos beobachtete.

„Signor Fattispecie!“ Emily lächelte.

„Anton“, stellte er sich ihr nüchtern vor.

Emily wartete darauf, dass er seinen Familiennamen nannte, in der Hoffnung, dadurch etwas mehr über ihn in Erfahrung zu bringen, doch es kam nichts.

„Es freut mich, Sie kennenzulernen, Emily. Ihr Anrufer sprach so laut, dass ich Ihren Namen nicht überhören konnte“, erklärte er angesichts ihrer gerunzelten Stirn. „Sie sind also wegen der Hochzeit hier?“

Sie nickte. „Und Sie?“

„Aus dem gleichen Grund.“

„Oh …“ Er könnte ein Corretti sein. Dunkel, attraktiv und geheimnisvoll wie sie, gab er nichts von sich preis. Seine Stimme war tief und träge, und er sprach mit starkem italienischen Akzent. Der Drang, ihm die Sonnenbrille von der Nase zu reißen, um mehr von diesem beunruhigenden Mann zu sehen und zu erfahren, war irritierend stark.

„Eine Hochzeitsreportage gehört also nicht zu Ihren Highlights, wenn ich das richtig verstanden habe?“, fuhr er im Plauderton fort.

„Ja.“ Verdammt! Er hatte jedes Wort verstanden.

„Darf ich fragen, warum?“

„Weil es einen beruflichen Rückschritt bedeuten würde“, erwiderte sie offen, zu angespannt und zu fasziniert von ihrem Gegenüber, um lange nachzudenken. „Exakter ausgedrückt, meine Karriere wird von außen torpediert … oder noch deutlicher, sukzessive erstickt“, fügte sie, ermutigt von seinem schwachen Lächeln, hinzu.

„Woran arbeiten Sie denn normalerweise.“

„Investigativer Journalismus. Zumindest dachte ich das, ehe ich hierher geschickt wurde. Aber egal, die Hochzeit scheint interessanter zu sein, als ich zunächst annahm. Ich habe etwas über eine tiefreichende Rivalität zwischen den beiden Familien läuten hören.“

„Läuten hören?“

„Gelesen … recherchiert“, gestand Emily.

„Und was genau haben Sie gelesen?“

Emily atmete tief durch. Sie fühlte sich plötzlich wie auf dem Prüfstand oder mitten in einem wichtigen Examen. Dabei wusste sie noch nicht einmal, mit wem sie es zu tun hatte. Doch das würde sich hoffentlich bald ändern. „Zum Beispiel, dass Antonio Battaglia Wirtschaftsminister ist.“ Sie sah, wie sich über dem Rand der dunklen Brille eine ebenso dunkle Braue hob. „Und dass seine Unterstützung für die Sanierung der Hafenviertel nahezu unerlässlich ist.“

Natürlich war sich Emily durchaus der Möglichkeit bewusst, dass er zu einer der beiden Familien gehören konnte. Aber wenn sie etwas herausfinden wollte, dann hieß es: alles oder nichts. Darum ging sie in die Offensive. „Und ich habe ebenfalls gelesen, dass die Correttis scharf darauf sind, genau dieses Riesenprojekt an Land zu ziehen.“

„Wollen Sie wirklich mehr über die Hochzeit herausfinden?“

„Ja.“ Der Mann machte sie nervös. Warum sonst sollte ihr Herz plötzlich ganz oben im Hals schlagen? „Sind Sie mit einer der beiden Familien verbunden?“

Er lachte kurz auf und schüttelte den Kopf.

„Aber Sie kennen sie?“

„Das kann man wohl sagen, obwohl ich manchmal wünschte, es wäre anders.“

Emily blinzelte verwirrt.

„Morgen wird Antonio die Genugtuung erleben, seine Tochter Alessia am Arm eines Corretti vor dem Altar stehen zu sehen. Ihm selbst ist es nie gelungen, ein Vermögen zu machen. Als verbitterter Politiker ist er nur zu glücklich über die Chance, auf diesem Weg Geld und Macht zu erlangen.“

„Woher wissen Sie das alles?“

„Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, bestens informiert zu sein.“

Seit Jahren schon war Emily an den Umgang mit Informanten gewöhnt, aber sie machte sich nichts vor. Was sie gerade erfahren hatte, verdankte sie keineswegs ihrem journalistischen Geschick. Anton schien eine Absicht zu verfolgen, indem er ihr all das erzählte. Warum er das tat, wusste sie nicht, aber sie wollte mehr davon.

Und dabei ging es ihr nicht nur um die bevorstehende Hochzeit.

„Scusi“, sagte er, zog sein Handy hervor und führte ein kurzes Telefonat.

Emily fühlte sich ein wenig unbehaglich, als er sie kurz fixierte und eine zweite Nummer wählte.

„Ich muss gehen …“, erklärte sie.

„Warten Sie.“ Anton umfasste ihr Handgelenk. „Wollen Sie nun mehr erfahren oder nicht?“

„Natürlich!“ Vor allem wollte sie auf keinen Fall den Kontakt zwischen ihnen abreißen lassen. „Vielleicht könnten Sie mir ein paar Fragen beantworten?“

„Beim Dinner?“

Sie strahlte. „Gern.“ Lieber Himmel! Habe ich denn gar keinen Stolz? „Wenn Sie bereit wären, mir ein reguläres Interview zu geben, würde meine Zeitung sogar dafür bezahlen.“

„Gut.“ Wieder lag dieses schwache Lächeln in seinen Mundwinkeln. „Dann reserviere ich uns einen Tisch für acht Uhr. Wir treffen uns im Hotelfoyer.“

Keine Frage, er war sich ihrer absolut sicher. Emily spürte einen leichten Schauer über ihren Rücken rinnen.

„Ziehen Sie sich etwas Nettes an.“

„Etwas Nettes?“

„Formelle Abendkleidung.“

Wie enttäuschend! Sie hatte von einem kleinen Café geträumt, wo sie sich in Ruhe unterhalten konnten. Doch Anton wandte sich bereits zum Gehen.

Als in der Nähe eine Kirchturmuhr schlug, realisierte Emily, dass sie nur noch eine knappe Stunde Zeit hatte, um sich fertigzumachen. Rasch fuhr sie hinauf in ihr Zimmer. Ihr einziges formelles Outfit war das Kleid, in dem sie gehofft hatte, sich zwischen die Hochzeitsgäste zu schmuggeln. Für ein Dinner erschien es ihr allerdings etwas zu festlich. Aber blieb ihr eine Wahl?

Gewohnt, sich gerade unter Stress und Zeitdruck zu bewähren, machte sie sich zurecht. Dass ihre Hände dabei zitterten, lag allein an der Aussicht auf ein Wiedersehen mit Anton, wie sie ihre aufregende neue Bekanntschaft in Ermangelung eines Nachnamens nannte. Warum hatte sie ihn nicht gedrängt, seinen vollen Namen preiszugeben, bevor sie seine Dinnereinladung annahm? So hätte sie wenigstens via Internetrecherche herausfinden können, mit wem sie es überhaupt zu tun hatte.

Emily zog ihr silbern schillerndes Cocktailkleid an und schlüpfte in zierliche Riemchensandaletten mit mörderisch hohen Absätzen. Aus der raffinierten Hochsteckfrisur hatten sich ein paar lange blonde Locken gestohlen, doch ein rascher Blick auf die Uhr zeigte, dass ihr keine Zeit blieb, um ihr Haar erneut aufzustecken. Nach einem letzten prüfenden Blick schnappte sie sich die silberne Clutch und machte sich auf den Weg nach unten. Dabei wurde sie das Gefühl nicht los, völlig overdressed zu sein.

Sie hätte sich keine Sorgen machen müssen.

Anton trug einen dunklen Abendanzug, dem man Preis und Designerlabel schon von Weitem ansah. Obwohl immer noch unrasiert, mit streng zurückgekämmtem Haar, wirkte er ungeheuer elegant und weltmännisch. Gleichzeitig hatte er etwas seltsam Wildes, Ungezähmtes an sich.

Sein Blick sagte Emily, dass er ihren Aufzug billigte und noch etwas, das sie nicht analysieren konnte. Sie spürte nur, wie sich ihre Nackenhärchen aufrichteten. Seine Augen leuchteten in einem tiefen Blauviolett, wie sie im Näherkommen feststellte. Während sie diese neue Information für heiße Träume in einsamen Nächten im Gedächtnis verankerte, spielte ein Lächeln um ihre Lippen.

„Ich habe Ihren Nachnamen nicht verstanden“, sagte sie leichthin, während Anton eine Hand unter ihren Ellenbogen legte und sie aus dem Hotel hinaus und zu seinem Wagen führte.

„Den habe ich Ihnen gar nicht gesagt, wie Sie sehr wohl wissen“, kam es trocken zurück. „Viel Zeit zum Recherchieren hätten Sie ohnehin nicht gehabt.“

Verärgert spürte Emily, wie sie errötete, und betrachtete misstrauisch den flachen schwarzen Sportwagen, vor dem Anton stehen geblieben war. Mit diesem rasanten Geschoss könnte er sie ans Ende der Welt entführen, wenn sie erst mal eingestiegen war und sich die Türen hinter ihr geschlossen hatten.

„Ich weiß aber gern, mit wem ich es zu tun habe. Sie könnten ja sonst wer sein.“

„Ebenso wie Sie.“ Anton half ihr in den weichen Ledersitz, ging um den Wagen herum, schwang sich hinters Steuer und startete den Motor. „Gehen Sie eigentlich immer mit Männern aus, die Sie kaum eine Stunde kennen?“

„Wenn es um berufliche Belange geht, durchaus“, erwiderte Emily spröde, während sich die Röte auf ihren Wangen vertiefte. Vergiss nicht, dass dies ein rein geschäftliches Dinner ist, du dummes Ding! ermahnte sie sich vorsichtshalber.

Egal, was Adam gesagt hatte, im Grunde genommen war sie eine nüchterne, klar denkende Person, die nicht so leicht aus der Fassung geriet oder den Kopf verlor. Anders hätte sie ihren Beruf gar nicht meistern können. Doch seit ihr Anton im Hotellift begegnet war, schien sie sich in einer Art Trance zu befinden. Kein Zustand, der Emily gefiel, aber was sie dagegen tun sollte, wusste sie auch nicht.

Unauffällig betrachtete sie sein hartes Profil. Ohne Zweifel war er der attraktivste Mann, der sie je ausgeführt hatte, aber das war es nicht allein, was sie so unwiderstehlich anzog. Von ihm ging etwas Mysteriöses, Geheimnisvolles aus, das ihren wachen Journalistenverstand reizte und herausforderte.

Er beherrschte den kraftvollen Sportwagen mit lässiger Hand, völlig unbeeindruckt vom dichten Verkehr. Wenn überhaupt, zeigte er sich leicht genervt durch die unzähligen Absperrungen und Umleitungen wegen der bevorstehenden Hochzeit. Trotzdem spürte sie erneut so etwas wie eine unsichtbare Barriere zwischen ihnen. Eine Wachsamkeit, die sie warnte, allzu sehr in ihn zu dringen.

„Haben Sie noch eine Frage?“

Emily zuckte zusammen. Es war, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Viele.“

„Na, dann schießen Sie mal los.“

„Wer sind Sie?“

„Ich dachte, es geht Ihnen darum, etwas über die Correttis herauszufinden.“

„So ist es auch, aber …“

„Dann bleiben Sie dabei.“

Emily presste die Lippen zusammen und schwieg verbissen, bis sie an einem eleganten Restaurant hielten. Vor dem Eingang standen festlich gekleidete Menschen Schlange, und innerlich beglückwünschte Emily ihren Begleiter dazu, vorsorglich einen Tisch reserviert zu haben. Jemand öffnete die Wagentür, und die kurze Schlüsselübergabe an den Parkwächter verriet ihr, dass Anton heute sicher nicht zum ersten Mal hier Gast war.

Als er sie ins Restaurantinnere führte, bekam Emily große Augen. Die Ausstattung war unglaublich prächtig, aber gleichzeitig geschmackvoll und einladend. Die Gäste waren elegant, und der Duft von frischen Kräutern und Knoblauch ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Anstatt in den Hauptraum geführt zu werden, lotste sie ein beflissener Maître ein Stockwerk höher. Zunächst dachte Emily, es läge an ihrer späten Reservierung, doch oben angekommen wurde ihr klar, dass dieser Teil des Restaurants offenbar besonders exklusiven Gästen vorbehalten war. Noch nachträglich war sie Anton dankbar für den Hinweis mit der formellen Kleidung, denn die Juwelen der anderen Gäste funkelten mit den schweren Kristalllüstern über den festlich gedeckten Tischen um die Wette. Eine Wand war vollkommen verglast. Hohe Türen führten auf einen großzügigen Balkon, wo man mit Blick auf den Sonnenuntergang über dem schillernden Mittelmeer sitzen und dinieren konnte.

Hoffentlich sind Antons Informationen auch wirklich gut! dachte Emily. Sonst werde ich ein Problem mit der Spesenabrechnung bekommen!

Während sie zu ihrem Tisch geleitet wurden, sprach Anton leise mit dem Maître. Und als Emily sich setzte, überraschte er sie damit, dass er neben ihr und nicht gegenüber am Tisch Platz nahm. Ein herbeigeeilter Kellner arrangierte versiert Teller und Besteck neu und reichte ihnen die Menükarte.

„Von hier ist die Aussicht viel attraktiver“, erklärte ihr Begleiter ungefragt.

Emily spürte sein Knie an ihrem und zuckte unwillkürlich zurück.

„Sie sind nervös.“

„Na, was für ein Wunder!“, entfuhr es ihr gegen ihren Willen. Und dann passierte es: Sein perfekt geschnittener, herber Mund weitete sich zu einem Lächeln, das sie mitten ins Herz traf. Es zeigte kraftvolle, weiße Zähne, hellte das dunkle Gesicht auf und brachte seine mitternachtsblauen Augen zum Leuchten. Emily stockte der Atem.

„Sie haben aber nichts zu fürchten, solange Sie mit mir zusammen sind.“

Fast hätte sie hysterisch aufgelacht. „Von wegen …“, murmelte sie kaum verständlich.

„Wein?“

„Nicht während der Arbeit.“ Was für eine billige Ausrede! Normalerweise war sie es nämlich, die bei derlei Gelegenheiten gern etwas Alkoholisches bestellte, um die Zunge ihres Gegenübers zu lockern. Aber in diesem Fall riet ihr die kleine Stimme in ihrem Hinterkopf, lieber vorsichtig zu sein und unter allen Umständen die Kontrolle zu bewahren. „Da wir gerade davon sprechen …“ Emily öffnete ihre Clutch und zog ein flaches Aufnahmegerät hervor.

Weiter kam sie aber nicht, da Anton ihre Hand mit festem Griff umschloss. „Nicht hier.“ Der scharfe Unterton ließ sie aufhorchen. „Sie wollen doch sicher nicht die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich ziehen?“

„Deshalb das unauffällige Gerät“, rechtfertigte sie sich. „Es soll auch nur mein schlechtes Gedächtnis unterstützen.“

„Vielleicht ist das ja an Ihrem Karriereknick schuld.“ Seine Hand lag immer noch fest auf ihrer. In seinen Augen sah sie, dass er ihre Lüge durchschaute. Ihr Gedächtnis ließ absolut nichts zu wünschen übrig, und schon gar nicht, was diesen aufregenden Mann betraf. Aber sich seine tiefe, etwas raue Stimme später zu jedem beliebigen Zeitpunkt in Erinnerung rufen zu können, hatte etwas verdammt Verführerisches. Es würde seine markanten Gesichtszüge vor ihrem inneren Augen auferstehen lassen, wann immer sie wollte, und sie in den maskulinen Duft einhüllen, an den sie sich unter Garantie auch noch nach zwanzig Jahren erinnern würde.

Das Lächeln, das sie tauschten, ließ ihren Puls in die Höhe schnellen.

Einen atemlosen Moment glaubte sie sogar, er würde sie küssen. Und dann sagte er es … leise und kaum vernehmbar. „Ich werde jetzt näher kommen und so tun, als würde ich dich küssen.“ Sie spürte seine Finger an ihrem Kinn und starrte wie hypnotisiert in die tiefblauen Augen.

Bei jedem anderen hätte Emily protestiert, die Hand zur Seite geschlagen und dem Möchtegern-Casanova ordentlich den Marsch geblasen. Doch sie war in einem fremden Land, in einem unbekannten Restaurant, in Begleitung eines Fremden und dabei, Kontakt zu einem der mächtigsten und möglicherweise gefährlichsten sizilianischen Familienklans aufzunehmen!

Doch gleichzeitig war sie so überwältigt und fasziniert, dass sie nicht einmal daran dachte, wegzulaufen oder sich auch nur zu sträuben. Aber ganz so leicht wollte sie es Anton auch nicht machen. „Würden Sie bitte Ihre Hand wegnehmen?“

„Emily, schau mir in die Augen und wende auf keinen Fall den Blick zur Seite, während ich dir erkläre, was du als Nächstes tust.“ Seine Stimme klang so ernst und eindringlich, dass sie sich wie paralysiert fühlte. „Direkt hinter Ihnen sitzen die Correttis.“ Sein Mund war jetzt ganz dicht an ihrem Ohr.

3. KAPITEL

Jetzt verstand sie auch, warum er ihr Kinn umklammert hielt, denn der Drang, über die Schulter nach hinten zu schauen, war nahezu unwiderstehlich.

Emily spürte, wie Antons Lippen ihre Wangen streiften, dann war sein Mund dicht vor ihrem. „Lass sie nicht eine Sekunde denken, dass du an ihnen interessiert bist.“ Er sprach sehr leise, in dem weichen, leicht rauen Ton eines unsterblich Verliebten, was ihr einen heißen Schauer nach dem anderen bescherte. „Sie müssen denken, du hast nur Augen für mich, oder wir werden gebeten, das Restaurant zu verlassen.“

Emily befeuchtete ihre trockenen Lippen mit der Zungenspitze. „Okay“, raunte sie.

Ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Sie, in einem Raum mit den Correttis! So unerwartet und dicht an den Unerreichbaren, dass ihr Blut vor Aufregung wie glühende Lava durch die Adern jagte. Emily schaute in die ausdrucksvollen Augen des Mannes, der ihr das ermöglichte und der ihr so nah war, dass sie seinen Atem auf ihrer Haut spürte. Sie hatte so viele Fragen an ihn, doch das Einzige, was in dieser Sekunde zählte, war sein unglaublicher Mund …

„Ich habe den Tisch nur bekommen, weil ich behauptet habe, meiner zukünftigen Frau hier und heute einen Heiratsantrag machen zu wollen. Für diesen Abend sind wir also Liebende, hast du das verstanden?“

„Ich … ja, nein …“, sagte sie zu seinem Mund.

„Oh, doch!“, raunte er und kam noch näher. „Zumindest für unsere Zuschauer.“

„Hättest du mir das nicht schon auf der Fahrt hierher sagen können?“

Da lächelte Anton strahlend, nahm die Hand von ihrem Kinn und wickelte sich eine schimmernde blonde Locke um den Finger. „Wärst du dann auch so unbefangen zu diesem Tisch gegangen, ohne auch nur einen Blick in ihre Richtung zu riskieren?“ Er sah ihr verräterisches Blinzeln und lachte leise – und unglaublich erotisch. „Es war die einzige Chance, die Show aufzuziehen.“ Augenscheinlich verliebt knabberte er an ihrem Ohrläppchen.

Emily biss sich auf die Unterlippe und schloss die Augen. Nicht als Demonstration für etwaige Zuschauer, sondern weil sie nicht anders konnte. Sie war völlig überwältigt von Antons Nähe und hatte äußerste Mühe, sich zu konzentrieren und daran zu erinnern, warum sie überhaupt hier war. Sein herbes Aftershave machte sie schwindelig.

„Die alte Frau in Schwarz ist Teresa, die Matriarchin, und …“ Was er sagte, war geschäftsmäßig, seine raue Stimme ein erotisches Streicheln. „Sie ist der einzige Grund, warum die zerstrittenen Cousins überhaupt an einem Tisch sitzen. Normalerweise würdest du Luca, Santo und Alessandro nicht mal im gleichen Raum antreffen.“

Obwohl Emily wusste, dass seine zärtlichen Berührungen nur Theater waren, reagierte ihr Körper darauf, als ginge es ihm allein um sie. Ihr Herz flatterte wie ein verstörter Vogel in einem viel zu engen Käfig, und als Anton ein Stück von ihr abrückte, um ihr in die Augen sehen zu können, waren die Correttis für einen Moment vergessen.

„Verstehst du jetzt, warum ich dich nicht vorwarnen konnte?“

„Ja.“

Da der Kellner an ihrem Tisch erschien, um ihre Bestellung aufzunehmen, wurde Emily eine kleine Verschnaufpause gewährt. Ob sie diese nutzen konnte, hätte sie nicht sagen können. Es war so unglaublich aufregend, an der Seite dieses attraktiven Mannes in der Nähe von Siziliens mächtigster Familie zu sitzen, dass sie immer noch glaubte zu träumen.

Trotzdem griff sie beherzt zu, als ihnen der erste Gang serviert wurde.

Antipasti misti. Grüne Spargelspitzen in duftenden Prosciutto Cotto eingewickelt mit gehobeltem Parmesan, Frittata di Bietola und eingelegte Cipollini in einer Sherry-Balsamico-Vinaigrette, bei denen es sich um eine Art Schalotten handelte, wie Anton ihr erklärte. Es schmeckte alles himmlisch! Oder lag es an der Gesellschaft, dass Emily glaubte, nie etwas Köstlicheres gegessen zu haben?

Dabei hörte sie im Hintergrund das leise Gemurmel der Konversation am Tisch der Correttis. Einfach nur zu wissen, wer sie waren, verlieh dem Ganzen einen Hauch von Gefahr. Es schärfte ihre Sinne und steigerte ihre Wahrnehmung, weshalb sie wohl auch auf Antons Knie an ihrem so intensiv reagierte.

Inzwischen hatte Emily es längst aufgegeben, jeden zufälligen Körperkontakt zu vermeiden, zumal er ihr von ihrem Informanten quasi aufgezwungen wurde. Doch als ihr Kellner den ersten Gang abgeräumt und sich zurückgezogen hatte, wurde der Druck unterm Tisch plötzlich sehr intensiv. „Wenn du noch einmal den Kopf so weit zur Seite drehst, werden wir die Plätze wechseln, oder ich muss dich wieder küssen. Dann aber richtig“, warnte er und ahnte nicht, wie sehr er Emily damit in Versuchung führte.

Oder vielleicht doch?

„Das wird nicht nötig sein“, murmelte sie und senkte, beschämt über ihr unprofessionelles Benehmen, den Blick.

Das gab Anton die Gelegenheit, seine Begleiterin etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Wider Willen war er fasziniert und seltsam angerührt von Emilys mädchenhaften Art auf der einen und der Forschheit und Beharrlichkeit, mit der sie ihr Ziel verfolgte, auf der anderen Seite.

„Erzähl mir von dir“, forderte er spontan. „Und denk an das verliebte Lächeln. Wir werden nämlich nicht nur vom Nachbartisch, sondern auch von den Bodyguards der Correttis beobachtet.“

Zum x-ten Mal sagte Emily sich, dass alles nur ein Spiel war, als Anton ihre Hand in seine nahm und zärtlich an die Lippen zog.

„Warum glaubst du, dass deine Karriere bedroht ist?“, baute er ihr eine Brücke.

„Daran möchte ich momentan gar nicht denken.“ Adam und Dianne schienen Lichtjahre entfernt zu sein, doch Antons Blick war ebenso mahnend wie der Druck seines Daumens in ihrer Handfläche.

„Keine Angst, mein Gedächtnis ist mindestens so schlecht wie deins“, versuchte er, seine Tischdame zu entspannen.

„Lügner“, sagte sie lächelnd.

„Und das von dir!“

Sie schaute auf seine gebräunte Hand, die langen Finger, die ihre umschlossen, und was immer er da mit seinem Daumen tat, es half ihr jedenfalls nicht dabei, sich zu konzentrieren. Um ihr Gespräch vertraulich zu halten, waren sie einander so nah, dass sich ihre Gesichter fast berührten.

„Vor drei Monaten war noch alles im Lot“, begann sie zögernd. „Damals ging ich mit Adam aus, meinem Boss.“

Anton gab einen missbilligenden Laut von sich.

„Ich weiß! Normalerweise ist es ein absolutes No Go, Job und Privates zu vermischen, aber …“

„Du hast es trotzdem getan.“

„Dummerweise. Alles lief bestens, bis Dianne auf der Bildfläche erschien.“ Emily schürzte die Lippen und schien zu überlegen, wie sie ihm die Rivalin beschreiben sollte. Währenddessen verspürte Anton nichts weiter als das dringende Bedürfnis, diese verlockend vollen Lippen dicht vor ihm zu küssen, um herauszufinden, ob sie wirklich so weich und nachgiebig waren, wie sie aussahen.

Er liebte es, in Gesichtern zu lesen, und Emilys war sehr ausdrucksvoll. Er sah das kurze Aufflackern in den hellblauen Augen, deren ungewöhnliche Farbe an kostbares Chinaporzellan erinnerte, dann öffnete sie den Mund, schloss ihn wieder und gab sich schließlich einen sichtbaren Ruck. „Sie ist sehr schön, ausgesprochen clever und unglaublich entschlossen, der ganzen Welt ihren Stempel aufzudrücken.“

„Und sie will deinen Job.“

Ihre Wangen röteten sich, als sie nickte. „Und sie schreckt vor nichts zurück, um ihr Ziel zu erreichen.“

„Auch nicht vor Adam, würde ich wetten“, mutmaßte Anton und lächelte grimmig, als er hörte, wie Emily scharf einatmete.

„Ich möchte wirklich nicht darüber sprechen.“

„Und ich bestehe darauf, dass du es tust“, kam es unbeeindruckt zurück. „So sieht es wenigstens danach aus, als führten wir ein echtes Gespräch …“ Seine Stimme verebbte, was ihm einen neugierigen Blick von Emily einbrachte.

Es war sehr lange her, dass Anton mit einer Frau Händchen haltend in einem Restaurant gesessen hatte, ohne auf dem Verführungspfad zu sein, mit dem erklärten Tagesziel, sein Gegenüber ins Bett zu bekommen. Gerade wollte er ihre Hand loslassen, da begann Emily zu reden.

„Ich war einer brisanten Sache auf der Spur. Es ging um schmutzige Geschäfte wie Werksspionage, Erpressung und möglicherweise sogar Mord. Laut meiner letzten Information wollte die Polizei einen See trockenlegen. Eigentlich hätte ich an diesem Wochenende in Wales sein sollen, doch stattdessen wurde ich hierher abkommandiert.“ Der Frust in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

„Arme Emily“, murmelte Anton und streichelte mit dem Daumen ihre Handinnenfläche. „In Palermo bei einem Dinner mit Blick aufs Mittelmeer ausharren zu müssen, kurz davor, eine der aufregendsten und bedeutungsvollsten Hochzeiten in der Geschichte Siziliens zu erleben.“

„Ich weiß.“ Sie lächelte reuig. „Ehrlich gesagt glaube ich kaum, dass Adam mir den Job übertragen hätte, würde er auch nur ahnen, was hier stattfindet.“

„Zu sehr damit beschäftigt, seine Hand unter Diannes Rock zu schieben“, mutmaßte Anton trocken und brachte sie damit zum Lachen.

„Dabei bin ich wirklich gut in dem, was ich tue“, fühlte sich Emily bemüßigt zu sagen. „Obwohl Adam meint, ich wäre nicht hart und entschlossen genug.“

„Er irrt sich. Ein wenig Nervosität und Vorsicht sind überlebenswichtig. Dazu eine Spur Naivität, mädchenhafter Charme und …“

„Kannst du aufhören, das mit deinem Daumen zu tun?“, unterbrach sie ihn rau.

„Warum entziehst du mir nicht einfach deine Hand?“

Noch ehe sie Zeit hatte zu reagieren, gab er sie frei. „Geh hinaus auf den Balkon, bewundere einen Moment die grandiose Aussicht und komm dann wieder zurück an den Tisch.“ Es war eindeutig ein Befehl, wenn auch in sanftem Flüsterton.

„Sperr deine Ohren auf und versuche, so viel wie möglich mitzubekommen.“

Anton hatte seine Augen offensichtlich überall, stellte Emily fest, als sie aus den Augenwinkeln registrierte, dass einer der Correttis sich vom Tisch erhoben hatte. Wenn es nicht so wirken sollte, als würde sie ihm folgen, musste sie sich beeilen.

Zum zweiten Mal an diesem Tag umfasste Anton ihr Handgelenk mit festem Druck. Als sie ihn fragend ansah, wurde Emily sofort klar, was er von ihr wollte. In ihrer Aufregung hatte sie ganz vergessen, dass sie für ihr Umfeld als liebendes Paar galten. Also beugte sie sich vor und hauchte ihm den sanftesten aller Küsse auf die Lippen, ehe sie sich mit zärtlichem Lächeln abwandte.

Auf dem Weg zur Terrasse presste sie ihre Zunge fest gegen den Gaumen, um ihrer Panik Herr zu werden. Momentan hätte sie nicht einmal sagen können, was sie mehr verstörte, die Aussicht, etwas Verwertbares über die geheimnisvollen Correttis herauszufinden, oder das brennende Gefühl auf ihren Lippen.

Anton schaute ihr hinterher, wie jeder verliebte Mann es wohl getan hätte. Er genoss Emilys Gesellschaft und war neugierig darauf, noch viel mehr über sie zu erfahren, was ihn ziemlich überraschte.

Dass auch Luca Corretti ihren Abgang aufmerksam verfolgte, weckte in ihm einen Beschützerinstinkt, der ebenso heftig wie uncharakteristisch für ihn war. Die Vorstellung, einen Corretti in Emilys Nähe zu sehen, rief unwillkommene Emotionen in ihm wach. Gefühle, die er seit Jahren überwunden glaubte, die keinen Platz mehr in seinem Leben hatten. Mit brennendem Blick suchte er die schmale Gestalt auf dem Balkon. Emily lehnte an der steinernen Balustrade und schien die grandiose Aussicht zu bewundern.

Als sie den Kopf in den Nacken legte, um die würzige Seeluft einzuatmen, wurde der Drang, ihr zu folgen und sie voller Leidenschaft zu küssen, nahezu unwiderstehlich. Wenn er sie nun nicht zurück ins Hotel brachte, sondern sie mit zu sich nach Hause nahm, um dort die gegenseitige Lust aufeinander zu stillen? Denn trotz der Glasscheibe zwischen ihnen war Anton sich ganz sicher: Emily begehrte ihn genauso sehr wie er sie.

4. KAPITEL

Emily war fast dankbar für den Abstand zu Anton, und erst recht für die Gelegenheit, ihre konfusen Gedanken zu ordnen.

Der flüchtige Kuss fühlte sich an wie ein Brandmal. Sie glaubte immer noch, seine Lippen auf ihren zu spüren, und fuhr unwillkürlich mit der Zungenspitze darüber, während Palermos schwülwarme Nachtluft über ihr erhitztes Gesicht strich. Der Mond war bereits über dem schillernden Mittelmeer aufgegangen, und die Boote wiegten sich leicht in der sanften Abendbrise.

Alles wirkte so ruhig und friedlich, ganz anders als der lebhafte Restaurantbetrieb in ihrem Rücken oder der verstörende Tumult in ihrem Innern. Emily glaubte nicht an einschlagende Blitze der Leidenschaft oder wilde Begierde, die einen dazu verführten, mit einem Mann ins Bett zu gehen, den man noch keinen Tag kannte.

Und trotzdem dachte sie heimlich darüber nach. Mehr als das, sie malte es sich aus.

Mitten in ihre erotischen Fantasien hinein trat ein Paar auf die Terrasse und erinnerte sie daran, warum Anton sie rausgeschickt hatte. Sie lächelte der Frau flüchtig zu, doch da der Mann sie ignorierte, wandte sie sich gleich wieder der fantastischen Aussicht zu. Als die Stimmen der beiden im Verlauf der lebhaften Konversation lauter wurden, stellte sie erstaunt fest, dass sie Englisch sprachen.

Die Auseinandersetzung wurde zunehmend hitziger. Emily entschloss sich, an ihren Tisch zurückzukehren, um nicht aufdringlich zu wirken, und kam genau zur rechten Zeit. Zwei Kellner hatten gerade den Hauptgang serviert. Sobald sie sich zurückgezogen hatten, wollte Anton wissen, ob sie etwas in Erfahrung gebracht hatte.

„Sie hat ihn ermahnt, nicht so viel zu trinken.“

„Du sprichst Italienisch?“

„Sie haben sich zu meiner Überraschung auf Englisch unterhalten.“

„Okay.“ Anton machte eine ungeduldige Kopfbewegung. „Ich kenne sie nicht, aber das ist nichts Neues. Keiner kann mit Santos Frauenkonsum mithalten. Morgen wird er den Trauzeugen geben.“

Was für ein verrückter Abend! Sie fühlte sich wie eine Schauspielerin während einer wichtigen Premiere, umgeben von Darstellern, die für Luxus, Macht und Intrigen standen. Daneben versuchte Emily ganz sie selbst zu sein und den Zauber dieser italienischen Nacht für immer in ihrem Gedächtnis zu verankern.

Anton sah, wie sie tapfer mit ihrer Pasta kämpfte, nahm ihr die Gabel weg, schob den Teller zur Seite und umfasste Emilys Hand. „Es ist die Beste in ganz Sizilien, aber du musst dich nicht quälen.“

„Sie ist göttlich.“ Das war sie wirklich. Aber warum lange Nudeln um eine Gabel wickeln, wenn Anton ihre Hand halten wollte, und warum stumm kauen, anstatt mit dem aufregenden Mann an ihrer Seite zu plaudern? Das Restaurant erschien Emily plötzlich schrecklich überfüllt, viel zu laut und jede Störung unwillkommen.

Sie schüttelte den Kopf, als der Kellner mit einer Flasche Champagner am Tisch erschien, doch er ignorierte ihren stummen Protest und schenkte zwei Gläser ein.

„Schon vergessen? Wir haben heute etwas zu feiern“, erinnerte Anton lächelnd, und obwohl sie vorgewarnt war, setzte Emilys Herz einen Schlag aus, als er mit der freien Hand in die Jacketttasche griff und einen Ring hervorzauberte.

Offenbar hatte sie längst verdrängt, dass dies nichts weiter als ein Theaterstück war. Darum zitterten ihre Finger wohl auch wie die einer echten Braut, als Anton ihr den Ring auf den Ringfinger schob.

Er war wunderschön. Rotgold, mit gelben Diamanten und winzigen Zuchtperlen in einer antiken Fassung. Und ohne Zweifel ebenso echt wie wertvoll!

„Aber …“ Emily verstand nicht. Wenn doch alles nur …

„Dieser Ring gehörte meiner Mutter.“

Er legte also Wert darauf, dass ihre Scharade echt wirkte. Wie albern, dass ihr plötzlich die Tränen kamen und sie einen dicken Kloß im Hals spürte.

„Ist das ein Ja?“, fragte Anton, der sie keine Sekunde aus den Augen ließ.

Wie unter Zwang nickte sie, die beiden Kellner und der im Hintergrund stehende Maître applaudierten leise und warteten offensichtlich darauf, dass der erfolgreiche Heiratsantrag mit einem Kuss besiegelt wurde.

„Anton …“, flüsterte Emily, als er ihr Gesicht mit beiden Händen umfasste. Sie war mehr als bereit, sich von ihm küssen zu lassen. Aber nicht als Teil des Theaterstücks, das sie aufführten, sondern weil sie sich schon die ganze Zeit über danach sehnte, seine Lippen auf ihren zu spüren.

„Auch das gehört zu den Torturen, die du um deiner Karriere willen ertragen musst“, murmelte er lächelnd und senkte den Kopf.

Genauso gut könnte ich jetzt im verregneten Wales stehen, war das Letzte, was Emily dachte, bevor die Welt um sie herum versank. Was für ein magischer Moment: ein Fünf-Sterne-Kuss in einem Fünf-Sterne-Restaurant.

Als Anton den Druck seiner Lippen verstärkte und mit den Fingerspitzen über ihre glühenden Wangen streichelte, setzte Emilys Herz einen Schlag aus. Dies fühlte sich nicht an wie ein Spiel, und wenn doch, dann wie ein sehr erotisches, aus dem ganz schnell Ernst werden konnte.

Er schmeckte die Süße ihrer weichen vollen Lippen und wollte mehr, als sie sich einladend öffneten. Viel mehr! In seiner Fantasie sah er Emily nackt auf seinem Bett liegen, die schlanken Beine um seine Hüften geschlungen und …

Nur mit Anstrengung erinnerte Anton sich daran, wo sie waren, und beendete den Kuss. „Du bist sehr talentiert“, sagte er rau. „Und so überzeugend, dass jeder diskret zur Seite schaut, um unser heißes Tête-á-Tête nicht zu stören.“

„Ich würde sagen, wir sind beide gute Schauspieler.“

„Manche Dinge kann man nicht spielen …“, murmelte er gedehnt und runzelte die Stirn, als er den veränderten Ausdruck auf Emilys Gesicht sah. „Was ist los?“

„Die alte Lady sieht aus, als wolle sie aufbrechen“, raunte sie ihm zu.

Anton reagierte sofort und verlangte nach der Rechnung.

„Ich erledige das“, sagte Emily und wollte nach ihrer Tasche greifen, doch er hielt sie davon ab, und sie gab sich geschlagen. Was hier geschah, unterlag längst nicht mehr ihrer Regie. Anton zog eine Kreditkarte hervor und legte sie in eine mit dunklem Samt bezogene Mappe, die der Kellner an sich nahm.

„Ich wette, die anderen bleiben keine fünf Minuten am Tisch sitzen, nachdem sie gegangen ist“, sagte er leise und strich mit der Fingerspitze über Emilys volle Unterlippe. „Gleich werde ich dich wieder küssen und den Bodyguards signalisieren, dass wir im Aufbruch sind.“

„Sie hat sich von ihrem Platz erhoben …“, wisperte Emily aufgeregt.

„Die Bodyguards auch.“

Die Kreditkarte wurde zurückgebracht.

„Achtung …“, warnte Anton, nachdem er die Karte eingesteckt hatte. „Nicht umschauen.“ Er hätte sich keine Sorgen machen müssen, denn in dem Moment, als sie seinen Mund erneut auf ihrem spürte, waren die Correttis für Emily Luft. „Komm.“

Wie in Trance folgte sie ihm zwischen den Tischen hindurch, die Treppe hinunter und zum Ausgang. Doch kurz davor drängte Anton sie fast brutal gegen die Wand und küsste sie erneut. Diesmal heftig und voller Begierde. Sie spürte seinen harten Körper an ihrem und keuchte überrascht auf, als er seine Hände auf ihre Pobacken legte und sie noch dichter an sich zog.

Wenn dies immer noch ein Spiel war, dann eines, an dem Emily großen Gefallen fand. Voller Hingabe erwiderte sie den fordernden Kuss, schob ihre Hände unter Antons Jackett und erstarrte, als sie kaltes Metall fühlte – den Lauf eines Revolvers.

„Nicht aufhören“, zischte Anton.

Hinter ihnen öffnete sich die Tür, andere Gäste gingen an ihnen vorbei, und von der Treppe her konnte sie die leise Unterhaltung der Correttis hören. Kurz darauf verließen sie das Restaurant, doch erst als sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, gab Anton sie frei.

Emily zitterte wie Espenlaub. „Kein Wunder, dass du mir deinen Namen nicht verraten wolltest!“ Was, zur Hölle, hatte sie sich nur gedacht? Offenbar war sie noch viel naiver, als Adam es ihr unterstellte, und ihre Nerven schienen auch nicht so stark zu sein wie gedacht. Nie im Leben hatte sie mehr Angst empfunden als in diesem Moment, obwohl Anton sein Bestes tat, um sie zu beruhigen.

„Es ist nicht so, wie du denkst“, sagte er eindringlich. „Ich bin bei der Polizei.“ Er zog seinen Ausweis heraus, hielt ihn ihr entgegen, und plötzlich verstand sie sein sonderbares Verhalten. „Deshalb sind die Correttis auch nicht besonders gut auf mich zu sprechen.“

Emilys Herz schlug immer noch heftig, doch das Atmen fiel ihr wieder leichter.

„Ich hatte nicht damit gerechnet, dass mir die Dinge so aus der Hand gleiten.“

„Du hättest es mir sagen müssen.“

„Später am Abend hätte ich es dir ohnehin erzählt. Du erinnerst dich an den Anruf, während wir uns in der Hotellobby unterhalten haben? Ein Kollege hat mich informiert, dass die Correttis hier dinieren würden. Und da ich auch öfter in diesem Restaurant esse, war es die perfekte Gelegenheit, um ein zufälliges Zusammentreffen zu arrangieren.“

Emily zog skeptisch die Brauen hoch, weil es ihr unmöglich erschien, sich mit einem Detektivgehalt ein Fünf-Sterne-Restaurant leisten zu können. Doch zum Nachhaken kam sie nicht, da Anton gleich weiterredete.

„Um so kurzfristig einen Tisch zu bekommen, musste ich mir allerdings eine besondere Ausrede einfallen lassen.“ Er musterte den Ring an ihrer Hand. „Also bin ich nach Hause gefahren und habe den hier eingesteckt. Die Zeit war einfach zu knapp für etwas anderes. Mal ehrlich, Emily, hätte ich dir vorher erzählt, wer ich bin und wie mein Plan aussieht, glaubst du wirklich, wir wären damit durchgekommen?“

Wahrscheinlich nicht, dachte sie und zuckte vage mit den Schultern.

„Nachdem du sie jetzt gesehen hast, wirst du die Welt der Correttis viel besser verstehen. Normalerweise kommt ihnen kein Fremder so nah.“

Emily lächelte schwach. „Dafür bin ich dir auch dankbar“, erklärte sie förmlich. „So kann ich …“

„Verbring das Wochenende mit mir.“ Woher das gekommen war, konnte sich Anton selbst nicht erklären. Zwei Nächte mit einer Frau zu verbringen, gehörte absolut nicht zu seinen Gewohnheiten. Doch zwei Nächte mit Emily … diese Aussicht erschien ihm zu seiner eigenen Überraschung außerordentlich verlockend. Dabei hatte er alles, was mit Emotionen zusammenhing, schon vor Jahren in Beton gegossen, begraben und dafür gesorgt, dass ihm niemand mehr wirklich nahe kam.

Doch Emily schaffte das mit Leichtigkeit, ohne sich besonders anzustrengen oder in Szene zu setzen. Das frustrierte und reizte ihn gleichermaßen. Der Vorteil an dieser Geschichte war, was immer daraus entstehen würde, am Sonntag war es auf jeden Fall vorbei. „Ich kann dir alles sagen, was du über sie wissen willst.“

„Warum solltest du das tun?“

„Es macht mir Spaß, mit dir zu plaudern, und die Correttis wären doch kein schlechter Start, oder?“ Da sie immer noch nicht überzeugt schien, legte Anton nach. „Außerdem möchte ich mehr Zeit mit dir verbringen, um dich besser kennenzulernen“, behauptete er aus der Sicherheit heraus, dass Emily bald weg sein würde.

Was für eine reizvolle Aussicht, dachte sie und interpretierte das aufgeregte Kribbeln in ihrem Magen vorsichtshalber als journalistische Neugierde.

Als sie herkamen, war es früh am Abend gewesen, jetzt ging es bereits auf Mitternacht zu. Seltsam, wie sehr sich ihr Leben in den wenigen Stunden dazwischen verändert hatte. Emily glaubte immer noch zu träumen, während sie Hand in Hand mit Anton in der lauen Sommerluft vor dem Restaurant stand und darauf wartete, dass ihnen der Wagen gebracht wurde.

Die Fahrt zum Hotel verlief in tiefem Schweigen.

Emily focht in ihrem Innern einen schweren Kampf mit sich aus. Der kleine Einblick in die Welt von Reichtum und Glamour hatte Fantasie und Sinne angeregt, aber längst nicht so sehr wie die beunruhigende Gegenwart des Mannes neben ihr. Natürlich wollte sie die von ihm angebotenen Informationen haben, aber wenn sie zu einer Entscheidung kam, ging es nicht in erster Linie um ihren Job, sondern …

Um eine Ferienromanze.

Sozusagen ein romantisches Businessmeeting. Obwohl romantisch irgendwie nicht zu Anton passte. Emily warf ihrem Chauffeur einen verstohlenen Seitenblick zu. Sie konnte es immer noch nicht fassen, dass sie mit dreißig Jahren noch nie auch nur annähernd dieses unbändige Gefühl von verzehrender Leidenschaft und wildem Begehren verspürt hatte wie bei seinem Kuss. Was würde wohl geschehen, wenn …

Der Sportwagen hielt vor ihrem Hotel. Ein Page öffnete die Beifahrertür, doch der Motor lief immer noch, und Anton selbst machte keine Anstalten auszusteigen.

„Was ist? Kommst du nicht?“, fragte Emily.

„Ich wohne nicht hier.“

„Oh.“ Da sie sich zuerst im Lift begegnet waren und noch einmal an der Hotellobby, war sie wie selbstverständlich davon ausgegangen. Heimlich hatte sie sogar auf einen Drink an der Hotelbar gehofft und auf alles, was sich sonst noch daraus ergeben konnte. Stattdessen fuhr Anton sie einfach nur nach Hause.

Aber warum hatte er dann angedeutet …

„Ich glaube, du bist genau der Typ, vor dem meine Mutter mich mein Leben lang gewarnt hat“, versuchte sie einen Scherz.

„Und? Hat sie ihren Atem verschwendet?“

Eine geschickte Frage. Die Entscheidung lag jetzt allein bei ihr. Emily schwang die Beine aus dem niedrigen Sportwagen, bereute es aber bereits in dem Moment, als ihre Absätze den Asphalt berührten. Und wenn sie einmal nicht auf ihren Kopf hörte, sondern ihrem Herzen folgte? Ein Blick über die Schulter in seine nachtdunklen blauen Augen bestärkte sie in ihrem Entschluss.

Einmal im Leben wild und unvernünftig sein!

„Absolut!“ Mit einem freundlichen Nicken in Richtung des Pagen zog sie ihre Beine wieder zurück und schloss die Augen. Als sie die Wagentür zufallen hörte, lachte sie wie befreit auf.

Anton bat sie, sich anzuschnallen, lenkte den Sportwagen abrupt aus der Parkbucht und stellte dabei eine Sirene und ein verstecktes Blinklicht an. Er fuhr so rasant, dass Emily in den ledernen Sitz gepresst wurde.

„Brauchen wir die Sirene unbedingt?“, schrie sie ihm über den Lärm hinweg zu.

„Wenn du nicht gleich hinter der nächsten Ecke auf der Motorhaube vernascht werden willst, in jedem Fall!“ Er nahm ihre Hand und ließ sie den Grund für seine Eile spüren.

Emilys erster Impuls war, ihm unmissverständlich klarzumachen, dass sie für so etwas nicht zu haben sei, doch dazu war sie viel zu erregt. „Anton, ich …“

„Nicht!“ Er fühlte sich plötzlich um Jahre jünger und endlich wieder lebendig! Und er wollte nicht, dass sie nach Ausreden suchte. Diese Nacht gehörte allein ihnen. „Es gibt nichts zu erklären.“

Da sie auch nicht gewusst hätte, wie und was, verzichtete Emily erleichtert auf jeden weiteren Versuch. Dies war zweifellos die verrückteste Nacht ihres Lebens, und gleichzeitig die beste!

Sobald sie die Innenstadt hinter sich gelassen hatten, stellte Anton Sirene und Blinklicht ab, drosselte aber nicht die Geschwindigkeit, während er über eine kurvenreiche Bergstraße auf sein Anwesen zusteuerte. Massive Metallgitter öffneten sich vor ihnen wie von Geisterhand und schlossen sich wieder, sobald sie hindurchgefahren waren. Das Gleiche passierte kurz darauf bei einem zweiten Tor, hinter dem eine Garage lag. Letztere war doppelt so groß wie ihr ganzes Haus und zehn Mal luxuriöser.

Ihr Herz klopfte in einem wilden Stakkato, als ihr Fahrer um den Wagen herumging. Obwohl Emily kaum mehr als ein, zwei Schlucke Champagner getrunken hatte, fühlte sie sich, als hätte sie die ganze Flasche geleert. Nachdem Anton ihr beim Aussteigen geholfen hatte, beugte er sich vor, um sie zu küssen. Emily legte den Kopf in den Nacken und im nächsten Moment befanden sie sich auch schon in der pikanten Position, die ihr Gastgeber angedeutet hatte, als sie ihn nach der Sirene gefragt hatte.

5. KAPITEL

Es war kein Kuss, sondern heißer Sex mit Lippen, Zunge und zärtlichen Bissen.

Sie lag quer über der Motorhaube des Jaguars, und Antons Hände waren überall auf ihrem Körper. Mit einer heftigen Bewegung hatte er sich vorher seines Jacketts und des ledernen Schulterholsters entledigt. Ohne zu zögern, schob er ihr silbernes Kleid hoch, und das nicht nur bis zur Hüfte. Während er es mit einer Hand über ihren Kopf streifte, zerrte er mit der anderen ungeduldig an ihrem Slip.

So etwas wie Romantik oder ein zärtliches Vorspiel schien er nicht zu kennen. Und Emily überraschte sich damit, dass sie von diesem Mangel an Sensibilität und Finesse keineswegs geschockt war, sondern eher angetörnt. Schon durch den Stoff seiner Smokinghose hatte sich seine Männlichkeit beindruckend angefühlt, doch das war nichts im Vergleich zu dem Anblick, der sich ihr bot, als er sich nackt über sie beugte.

Eigentlich hätte sie ängstlich und verstört reagieren müssen, doch das Einzige, was Emily empfand, war wildes, sehnsüchtiges Begehren. Als Anton eine Hand unter ihren Po schob, kam sie ihm bereitwillig entgegen, schlang ihre Beine um seine Hüften und erlebte endlich, wovon sie heimlich geträumt hatte, seit sie sich im Hotellift begegnet waren. Sie spürte die Wärme des starken Jaguar-Motors in ihrem Rücken und die sengende Hitze zwischen ihren Schenkeln.

„Anton …“

Er schaute ihr direkt in die Augen, und was sie dabei empfand, verschlug ihr den Atem und war unendlich intensiver als ihr intimes Zusammensein. Die Zärtlichkeit und das schmerzliche Verlangen, die die kühle Wachsamkeit abgelöst hatten, berührten ihre Seele und schnürten ihr die Kehle zu.

Als bereute er es, zu viel von sich preisgegeben zu haben, bewegte sich Anton schneller und härter in ihr, doch der gemeinsame Höhepunkt war so intensiv, dass Emily glaubte, vor Wonne vergehen zu müssen. Während sie versuchte, in die Realität zurückzufinden, spürte sie seine Lippen auf ihrer Stirn, den Augenlidern und den bebenden Lippen.

Dann zog er sich abrupt zurück und mied Emilys Blick, als er ihr fürsorglich von der Motorhaube half und ihr sein Jackett umlegte.

Etwas unsicher auf den Beinen und immer noch wie in Trance beobachtete sie fasziniert, wie Anton einen Code eintippte, der ihnen die Tür zum Wohnbereich öffnete.

„Ich hoffe, es ist niemand zu Hause.“

„Nur wir beide.“

Wo hatte sie nur ihren messerscharfen Journalistenverstand gelassen? Nach der leichten Irritation wegen seines Berufs hatte sie sich bisher nicht einmal gefragt, warum er sich als Detektiv so einen teuren Sportwagen und diese Super-Luxus-Hütte leisten konnte. Denn als Anton Licht machte, stellte das prachtvolle Interieur alles in den Schatten, was sie an Traumimmobilien jemals zu Gesicht bekommen hatte.

Wie paralysiert stand sie einfach nur da und staunte, während der Hausherr die deckenhohen Glastüren öffnete, die auf eine weitläufige Terrasse mit beleuchtetem Pool hinausführten, in dessen Hintergrund Emily Meeresrauschen hörte.

Wenn Anton tatsächlich Detektiv war, dann keiner von der Sorte, mit der sie bisher zu tun gehabt hatte.

„Ich bin nicht korrupt.“ Es war, als könnte er ihre Gedanken lesen. „Sondern ich verfüge über privates Vermögen. Zehn Jahre war ich in der Firma meines Vaters tätig, habe das Ruder sozusagen übernommen und großen Erfolg gehabt“, erklärte er nüchtern. „Der Vorteil an finanzieller Unabhängigkeit ist, dass man sich ausschließlich den Dingen widmen kann, die einem wichtig sind. Mein Job ist es jetzt, gewisse Existenzen aufzuspüren und ihnen auf den Pelz zu rücken. Dank meines Reichtums komme ich ihnen weit näher, als es ihnen lieb ist.“

„So wie heute Abend?“

„Der Maître hatte jedenfalls nicht die Wahl, mich abzuweisen. Und er weiß genau, dass ich immer oben diniere, wenn ich mich für dieses Restaurant entscheide.“

Anton überließ sie einen Moment sich selbst und kehrte kurz darauf mit einem lässigen T-Shirt für sie zurück. Emily überlegte kurz, ob sie ihn nach dem Bad fragen sollte, um sich dort umzuziehen, kam sich dann aber albern vor, weil sie über dieses Stadium wohl schon hinaus waren. Allerdings stellte sie fest, dass sie es jetzt wieder mit dem verschlossenen und zurückhaltenden Anton von vorher zu tun hatte.

Um ihr Privatsphäre zu geben, kehrte er ihr den Rücken zu, öffnete den riesigen amerikanischen Kühlschrank und holte eine Flasche Wein heraus. Währenddessen streifte Emily hastig sein Jackett ab und schlüpfte in das übergroße T-Shirt ihres Gastgebers. Dann zog sie ihre High Heels aus.

Als Anton sich wieder umwandte, saß sie mit untergeschlagenen Beinen auf dem Sofa und schaute ihm aufmerksam entgegen.

Emily steckte in einem Dilemma. Einerseits hätte sie brennend gern mehr über ihn erfahren, andererseits sehnte sie sich bereits wieder nach Antons Nähe. Aber ganz ohne ihrem Verlag etwas Konstruktives liefern zu können, wollte sie Montagmorgen auch nicht an ihrem Schreibtisch sitzen.

„Warum kommen die Cousins so schlecht miteinander aus?“, fragte sie deshalb, als Anton ihr das Weinglas reichte.

„Salvatore und Teresa Corretti hatten zwei Söhne, Benito und Carlo. Brüder und gleichzeitig Rivalen, zwischen denen Salvatore sein Imperium aufteilte. Nachdem beide bei einem Brand ums Leben kamen, setzte sich die unversöhnliche Rivalität bei ihren Nachkommen fort. Die Cousins versuchen ständig, sich gegenseitig zu übertrumpfen und auszubooten. Der einzige Grund, warum sie heute Abend an einem Tisch zusammensaßen, war Theresa.“

„Werden sie morgen bei der Hochzeit sein?“

„Nicht alle. Da ist zum Beispiel Angelo, Carlos illegitimer Sohn. Die Familie versucht, ihn zu ignorieren, aber er hat echtes Correttiblut in den Adern und kann ihnen durchaus das Wasser reichen. Dass wir Gio zu sehen bekommen, bezweifle ich stark. Er ist einer von Benitos Söhnen, drückt sich aber gern vor Familienzusammenkünften, obwohl er in diesem Fall vielleicht eine Ausnahme macht. Eigentlich ist er mehr an Pferden interessiert. In drei Wochen findet der Corretti-Cup statt, um den sich für ihn alles dreht.“

„Wirst du auch dort sein?“

„Wie sein dunkler Schatten.“

„Du hasst die Correttis wirklich, oder?“

„Mehr, als du es dir vorstellen kannst.“ Der Abscheu in seiner Stimme war nicht zu überhören. „Meiner Familie gehörten viele Besitztümer überall auf Sizilien, doch wir hielten uns nicht an die ungeschriebenen Regeln und unterwarfen uns nicht der selbsternannten sizilianischen Forza. Eine Autobombe hat meine Familie ausgelöscht.“

Emily schluckte krampfhaft. „Und das haben sie getan?“

„Ich weiß es nicht, darum bin ich zur Polizei gegangen. Mein einziges Ziel ist herauszufinden, wer meine Angehörigen umgebracht hat.“

„Und was dann?“

„Rache … Vergeltung.“

Er ist Polizeibeamter und will die Mörder natürlich überführen und hinter Gitter sehen, mehr nicht, versuchte Emily sich einzureden. Seit ihrer Recherche über die Correttis ging ihre Fantasie einfach manchmal mit ihr durch. Nachdenklich schaute sie auf den Ring an ihrem Finger. „Gehörte er wirklich deiner Mutter?“

Er nickte. „Und heute wurde er für einen wichtigen Zweck eingesetzt.“

„Anton …“ Sie fühlte sich verwirrter als je zuvor in ihrem Leben. Endlich verstand sie seine Wachsamkeit, doch die Härte in seiner Stimme verunsicherte sie. Sie versuchte, den Ring vom Finger zu ziehen, doch Anton hinderte sie daran.

„Du wirst ihn morgen noch brauchen“, sagte er. „Es würde auffallen, wenn meine Verlobte einen Tag nach meinem Antrag den Ring nicht trägt.“

„Du … du redest von der Hochzeit?“, vergewisserte Emily sich mit schwacher Stimme. „Bist du denn eingeladen?“

„Natürlich. Ganz gleich, wie sehr sie mich hassen mögen, weil ich nicht käuflich bin. Sie versuchen trotzdem unverdrossen, mich auf ihre Seite zu ziehen. Also, was ist? Willst du mich begleiten?“

Und nicht zum ersten Mal an diesem Abend sagte Emily Ja zu dem Mann, der sich über sie beugte, um sie zu küssen.

6. KAPITEL

Emily wachte mit Kopfschmerzen in einem fremden Bett auf und fühlte sich so abgeschlagen, dass sie einen Moment überlegte, ob sie einen Unfall gehabt hatte.

Allerdings sprachen die luxuriöse Bettwäsche, der süße Schmerz zwischen ihren Beinen und der Duft von frischem Kaffee dagegen.

Vielleicht bin ich gestorben und im Paradies gelandet, dachte sie verschlafen. Sie streckte sich genüsslich, hob die schweren Lider und blickte mitten in Antons tiefblaue Augen.

Plötzlich war die Erinnerung wieder da …

Dankbar nahm Emily einen Becher Kaffee entgegen, und während sie an dem heißen, belebenden Getränk nippte, fiel ihr ein, dass sie dringend mit Gina reden musste. Weil diese sich nicht meldete, hinterließ Emily ihr eine SMS, in der sie sich mit der Fotografin vor der Kirche verabredete, wo die Trauung stattfinden sollte.

„Hoffentlich liest sie das und ist auch da …“, murmelte sie, doch Anton reagierte nicht, da er selbst telefonierte.

„Wie ist deine Kleidergröße?“ Da sie vor Verblüffung nicht sofort reagierte, gab er einfach seine Vermutung weiter und lag damit genau richtig. „Schuhe?“

Nicht zum ersten Mal wünschte Emily sich, zierlichere Füße zu haben, nannte ihm aber die richtige Größe.

Er musste wirklich reich sein, denn keine Stunde später saß sie, trotz kompletter Auslastung der gesamten Friseurinnung Palermos, in Antons T-Shirt auf einem hohen Barstuhl und wurde perfekt gestylt, während der Hausherr nebenan duschte. Angespannt wartete Emily darauf, dass er zu ihr kam, um das Ergebnis zu begutachten. Doch nichts geschah.

Irgendwann hielt sie es nicht länger aus und betrat das Bad. Anton stand mit einem Handtuch um die Hüften am Waschbecken und rasierte sich. „Bella“, urteilte er, als sie hinter seiner Schulter im Spiegel auftauchte. „Ist das Kleid noch nicht da?“

„Nein.“ Emily beugte sich über die Wanne, um ihren Slip zu waschen, doch er hielt sie davon ab.

„Ich habe eine komplette Auswahl Unterwäsche geordert.“

„Und hoffentlich auch eine Zahnbürste!“, konterte sie bemüht flapsig.

Darauf lächelte er nur und wies mit dem Kinn auf den riesigen Spiegelschrank. Er verstand sich selbst nicht mehr. Normalerweise hasste er es, nach einer leidenschaftlichen Nacht das Bad teilen zu müssen. Nichts gegen heißen Sex, aber anschließende Konversation empfand er als absolut überflüssig.

„Nehme ich irgendjemandem den Platz weg, wenn ich dich zur Hochzeit begleite?“, wollte Emily wissen.

Er schüttelte den Kopf. „Es wurde mir freigestellt, in Begleitung zu kommen, aber ich habe mich dagegen entschieden. Frauen haben die leidige Tendenz, derartige Events viel zu ernst zu nehmen.“

„Hat es überhaupt je eine gegeben, an der du ernsthaft interessiert warst?“

„Meine Ehefrau.“ Er vermied es, in Emilys geschocktes Gesicht zu sehen, und widmete sich lieber seiner Rasur. „Sie ist bei der Explosion ums Leben gekommen.“

„Als du von deiner Familie gesprochen hast, nahm ich an, du meintest deine Eltern.“ Verzweifelt suchte sie nach Worten, die dieser furchtbaren Tragödie angemessen waren. „Ich meine …“

„Sie waren alle in dem Wagen. Ich bin unglücklicherweise zurück ins Haus gegangen, um meine Brieftasche zu holen.“

„Unglücklicherweise?“

„Sie kamen in den Himmel, und ich fuhr zur Hölle.“

Sein Schmerz machte sie sprachlos. Sekundenlang blieb es ganz still zwischen ihnen. „Hast du …“ Emily kämpfte mit den Tränen. „Hast du Kinder?“

Anton schloss gequält die Augen. „Nein.“

„Wie … wie kannst du nur mit ihnen im gleichen Restaurant sitzen?“

„Weil ich bis heute nicht weiß, ob wirklich die Correttis für die Bluttat verantwortlich waren.“ Jetzt suchte er ihren Blick im Spiegel. „Heute werden auch Mitglieder anderer Familienklans anwesend sein. Wer weiß, ob nicht einer von ihnen …“

Anton schluckte heftig. Denn Emily hatte recht. Er hielt es kaum aus, mit den vermeintlichen Mördern zusammen unter dem Dach eines Gotteshauses zu sein. Seit er von der Hochzeit erfahren hatte, trieb ihn dieser Gedanke um. Emily war der einzige Grund, der ihm diese Tortur plötzlich erträglicher erscheinen ließ.

Abrupt drehte er sich um und küsste sie hart auf die Lippen. Ein schmerzhafter Druck drohte seine Brust zu sprengen, sein Atem kam mühsam und stoßweise.

„Mach dich fertig“, sagte er heiser und wandte sich wieder ab.

„Aber mein Kleid ist noch nicht da.“

„Dein Make-up.“ Anton wischte sich flüchtig mit der Hand über das rasierte Kinn und wollte das Bad verlassen. Er war es einfach nicht gewohnt, sein Leid zu teilen. Doch im letzten Moment zwang ihn etwas dazu, seine Stirn gegen Emilys Schulter zu pressen, da ihn die Vorstellung, sie nicht mehr zu fühlen, schmerzte.

Emily quälten derartige Emotionen nicht. Mit ruhiger Sicherheit zog sie Anton fest an sich, streichelte seinen gekrümmten Rücken, küsste ihn auf den Hals und murmelte Unverständliches, was ihm wohltat.

Ein Klingeln an der Tür zerstörte den Zauber des Augenblicks.

„Das wird deine neue Garderobe sein“, murmelte Anton heiser.

Sie lachte, leise und etwas verlegen. „Ich hoffe, du hast einen exzellenten Geschmack.“

Für den Bruchteil einer Sekunde dachte Anton an seine Frau, dann sah er nur noch Emily und ihr aufrichtiges Lächeln, das er erwiderte. „Den habe ich.“

7. KAPITEL

„Wo, um alles in der Welt, hast du dich herumgetrieben?“, fragte Gina, als sie vor der Kirche ankamen, und keuchte leise auf, sobald sie ihre Kollegin aus der Nähe sah. „Du siehst absolut umwerfend aus!“

Emily trug fliederfarbene Seide zu grauen Stilettos, doch weder ihr Designer-Outfit noch das flüchtig aufgetragene Make-up oder ihre Antwort waren für diesen Eindruck verantwortlich. „Ich werde während der Trauung in der Kirche sein.“

„Wie das?“, fragte Gina ungläubig. „Hier ist doch alles voll mit Security. Die Presse hat absolut keinen Zutritt.“

„Sie kommt als meine Begleitung mit.“ Anton trat an Emilys Seite, und Ginas Mund blieb vor Verblüffung offen stehen, was Emily nicht verwunderte. Er sah wirklich hinreißend aus in dem dunklen Maßanzug. Die Sonnenbrille ließ ihn ebenso stylisch wie bedrohlich wirken.

„Du Glückliche!“ Und damit spielte Gina ganz sicher nicht auf die Hochzeit an. „Wirst du auch beim anschließenden Empfang im Corretti-Hotel dabei sein?“

„Nein“, antwortete Anton, als Emily ihm einen fragenden Blick zuwarf. „So dicht wollen sie mich dann doch nicht auf den Fersen haben.“ Damit ging er weiter und ließ die beiden Frauen allein.

„Sehen wir uns später?“, fragte Emily und war froh, als Gina den Kopf schüttelte.

„Wie es aussieht, werde ich das Brautpaar kaum zu Gesicht bekommen. Also schieße ich ein paar Fotos von den ankommenden Gästen und fliege dann gleich wieder zurück nach Rom.“ Sie grinste. „Wehe du verpetzt mich bei Adam!“

„Niemals! Wir sehen uns dann Montagmorgen im Verlag.“

Plötzlich stutzte Gina und starrte auf den Ring an Emilys Hand. „Wie bist du denn dazu gekommen?“

Emily lächelte. „Das bleibt mein Geheimnis.“ Sie beeilte sich, zu Anton aufzuschließen, doch der schien ihre Anwesenheit kaum wahrzunehmen. Seine Miene war undurchdringlich. Im Schutz der dunklen Gläser fixierte er jede neu hinzukommende Person, die sich zu den Hochzeitsgästen vor der Kirche gesellte. Irgendwann schien er sich daran zu erinnern, dass er nicht allein gekommen war.

„Das ist Rosa Corretti.“ Er nickte in Richtung einer sehr schönen Frau, die eine romantische Blüte im kunstvoll aufgesteckten Haar trug, was so gar nicht zu ihrem angespannten Gesichtsausdruck passte. „Sie war Benitos Augapfel, und ihre Brüder halten sie an einer sehr kurzen Leine.“ Nachdem sie die Kirche betreten und Platz genommen hatten, machte Anton Emily noch auf weitere Anwesende aufmerksam. „Da drüben sitzt Jackson Scott. Sein Vater ist U.S. Senator. Jackson, oder Zach, wie er meist genannt wird, ist im Krieg verwundet worden …“ Seine Stimme verebbte.

Es brachte ihn fast um, hier zu sitzen und zusehen zu müssen, wie der Bräutigam wartend vorm Altar stand. Doch anders als er selbst vor Jahren, zeigte Alessandro keine Spur von Aufregung. Warum auch, wenn diese geplante Verbindung nicht auf Liebe basierte.

Emily bekam von seiner plötzlichen Versunkenheit nichts mit, da sie abgelenkt war. Nur mit Mühe hinderte sie sich daran, Taylor Carmichael anzustarren, eine amerikanische Schauspielerin, die nach Jahren der Zurückgezogenheit wieder ins Filmgeschäft zurückgekehrt war. Sie sah einfach atemberaubend aus und trug ein hautenges Kleid, in das sie sich vermutlich hatte einschweißen lassen.

Doch nicht nur die Gäste waren beeindruckend. Ehrfürchtig betrachtete Emily die grandiose Architektur der antiken Kathedrale. „Was für eine wunderschöne Kirche“, sagte sie mehr zu sich selbst.

„Ich habe hier geheiratet.“

Ihr Herz setzte einen Schlag aus, und wie schon beim ersten Mal wusste sie darauf nichts zu sagen. Stumm schob sie ihre Hand in seine.

„Danke …“, murmelte Anton, als er spürte, wie gut ihm diese Geste tat.

In diesem Moment kündigten festliche Orgelklänge das Erscheinen der Braut an. Alle Gäste standen auf und wandten sich dem Mittelgang zu. Emily reckte den Hals, um die Braut besser sehen zu können. Ihr Kleid war ganz aus Spitze gefertigt, hochgeschlossen und mit langen Ärmeln. Alessia war bezaubernd schön, wirkte aber schrecklich nervös und auf der Hut.

Irgendwo ertönte ein Klingelton und erinnerte Emily daran, dass auch sie vergessen hatte, ihr Handy auszuschalten. Als sie das nachholen wollte, sah sie, wie etliche der anderen Gäste ihre Handys gezückt hatten, um die errötende Braut zu filmen oder zu fotografieren.

„Darf ich?“, fragte sie angesichts des Presse-Ausschlusses mit einem unsicheren Blick in Antons Richtung.

„Nur zu, du bist ein geladener Gast“, wurde sie ermuntert.

Es war ein nagelneues i-Phone, mit dem sie sich noch kaum vertraut gemacht hatte. Darum entschied sich Emily fürs Fotografieren. Doch das Foto, das sie schließlich schoss, war nicht das, was sie beabsichtigt hatte. Sie erwischte die Braut genau in dem Augenblick, als sie sich umdrehte und den Rückzug antrat.

Emily stand da wie erstarrt. Um sie herum entstand ein wilder Tumult. Alle liefen durcheinander. Der verwirrte Priester bat um Aufklärung. Die lauernden Pressevertreter vor der Kirche gerieten völlig aus dem Häuschen.

„Grundgütiger!“, rief Emily schockiert aus. „Lässt sie ihn etwa vorm Altar stehen?“ Sie konnte es nicht fassen. „Das … das ist ungeheuerlich!“

„Wie ungeheuerlich, ahnst du nicht im Entferntesten …“, murmelte Anton gepresst, „… ebenso wenig wie der Rest der Welt.“

Ein Mann hatte sich an die Fersen der fliehenden Braut geheftet, aber es war nicht der Bräutigam. Alessandro stand hoch aufgerichtet am Altar und schien die Zurückweisung durchaus mit Fassung zu tragen.

„Ich muss sofort meinen Boss anrufen!“

„Damit Dianne dir die Story wegschnappen kann?“ Anton nahm ihr das i-Phone aus der Hand, aktivierte ihren Social Media Account und tippte eine SMS:

Neue Entwicklung in der Hochzeitssache – Alessia Battaglia lässt Alessandro Corretti vorm Altar stehen – Matteo Corretti verfolgt flüchtende Braut – Einzelheiten, wenn ich zurück bin.

Mit einem Klick fügte er das Zufallsfoto hinzu und hielt Emily das i-Phone breit grinsend hin. Wie erwartet, dauerte es nur Sekunden, bis es unter dem Ansturm aufgeregter Reaktionen förmlich zu glühen begann.

„Wow!“ Emily lachte animiert und presste die Handflächen gegen ihre heißen Wangen. „Ich muss unbedingt mit Adam reden!“

Der war völlig aus dem Häuschen, als er hörte, dass Emily in der Kirche stand. „Wie zum Teufel hast du das nur geschafft?“ Sie dachte gar nicht daran, ihn aufzuklären. „Egal, bleib unbedingt dran!“

Mit zitternden Händen steckte sie ihr i-Phone weg und suchte Antons Blick. „Ist es eigentlich pietätlos, wenn ich mich von dieser unerwarteten Entwicklung regelrecht angetörnt fühle?“

Er lachte nur, griff nach ihrer Hand und dirigierte sie durch die Menschenmassen, allerdings nicht in die Richtung, die alle anderen einschlugen. „Los, zurück ins Hotel“, drängte er, als sie sich ihm zu widersetzen versuchte.

„Aber … das geht nicht!“, protestierte Emily. Sie musste jetzt an ihre Karriere denken, obwohl … sie von einem klaren Kopf weit entfernt war. Außerdem waren die wichtigsten Nachrichten ja schon weitergegeben worden, oder nicht? „Okay.“

Lachend beschleunigte Anton das Tempo, sodass sie schließlich rannten. Im Hotel angekommen, strebten sie sofort auf den Fahrstuhl zu und küssten sich voller Leidenschaft, kaum dass sich die Türen hinter ihnen geschlossen hatten. Emily war so überwältigt, dass sie gar nicht mitbekam, welchen Knopf Anton drückte, um den Lift in Bewegung zu setzen.

„Falsches Stockwerk“, stellte sie atemlos fest, als sie die Kabine kurz darauf wieder verließen.

„Wir gehen zu mir.“

„Zu dir? Aber ich dachte …“

„Da ich nicht zum Empfang gebeten wurde, habe ich mir einen Raum mit Aussicht verschafft.“ Mit einem weiteren heißen Kuss hinderte er sie erfolgreich am Reden und Denken, sodass Emily nicht weiter um Aufklärung bat, sondern nur noch daran dachte, dass sie beide gleich ganz allein sein würden. Doch sobald sie im Zimmer waren, schien sich Anton nicht mehr für sie zu interessieren. Zielstrebig steuerte er eines der schmalen hohen Fenster an und starrte nach unten.

Zögernd und mit vor Verlegenheit brennenden Wangen folgte sie ihm. Wie betäubt nahm Emily die Szenerie in sich auf: die gepflegte Gartenanlage des Hotels mit dem romantischen Pavillon, die überfüllten Straßen, in denen es vor Presse und Polizei nur so wimmelte, und die Masse der Schaulustigen hinter den Absperrungen. Anton hatte sie nicht ins Hotel zurückgebracht, um mit ihr ins Bett zu gehen, sondern wegen der hervorragenden Aussicht auf den Ort des Hochzeitsempfangs.

„Was hast du denn geglaubt, warum wir ins Hotel zurückgekehrt sind?“

Zu allem Überfluss schien er auch noch ihre Gedanken lesen zu können! Sie war viel zu beschämt und frustriert, um ihm darauf zu antworten.

„Bleib“, forderte er rau, weil sie gehen wollte. Seine Stimme war heiser vor Verlangen, als er Emily an den Schultern fasste und sie direkt ans Fenster dirigierte, wo sie sich mit den Händen auf der breiten Fensterbank abstützen konnte. Hinter sich fühlte sie die Wärme seines starken Körpers und ungeduldige Finger, die ihr Kleid hochschoben. „Na, ist das eine fantastische Pool-Position oder nicht?“, raunte er ihr ins Ohr und küsste sie auf den Hals.

8. KAPITEL

Wie himmlisch, von hier oben aus das Chaos beobachten zu können, obwohl die Ablenkung nicht unbeträchtlich war.

Anton beschäftigte sich hingebungsvoll mit Emilys Ohrläppchen, während ihre Aufmerksamkeit plötzlich nur noch auf das gerichtet war, was unter ihnen geschah.

„Sag mal, sehe ich das richtig?“, fragte sie atemlos, weil sich auf der Straße offenbar eine Prügelei anbahnte. Wie es aussah, machten die Correttis ihrem schlechten Ruf alle Ehre. „Lieber Himmel, schau dir nur die beiden Kampfhähne an!“

„Na, bist du jetzt doch froh, in diesem Zimmer zu sein?“

„Und wie!“

Langsam wurde es Abend, was Emily daran erinnerte, dass ihre letzte Nacht in Sizilien anbrach. Bald würde es draußen so dunkel sein, dass sie keine einzelnen Personen mehr ausmachen konnte, darum lieh sie sich Antons Laptop, um ihren Artikel für den Verlag zu schreiben.

Anton selbst lag währenddessen auf dem Bett, und anstatt zu grübeln oder schwere Gedanken zu wälzen, fühlte er sich ausgesprochen entspannt. Gleichzeitig empfand er die Ruhe und den Frieden um sich herum auch als trügerisch. Gaukelten sie ihm nicht vor, Emily und er könnten ein normales Paar sein, das einen angenehmen Abend zu zweit verbrachte?

Im Hintergrund lief der Fernseher, das Tippen auf der Laptoptastatur wirkte fast einschläfernd.

Irgendwann sah Emily auf: „Fertig! Und zur Belohnung gönne ich mir ein Schaumbad.“ Sie lächelte ihm zu, und so selbstverständlich, wie er atmete, erwiderte Anton das Lächeln.

Und das, obwohl seine Seele seit Jahren tot war.

Plötzlich nervte ihn die ungewohnte Vertrautheit, und er telefonierte mit dem Zimmerservice wegen des Dinners. Während er auf das Essen und Emily wartete, zappte er sich gelangweilt durch sämtliche TV-Programme.

Nachdem sie sich im kuscheligen Hotelbademantel zu ihm auf die Couch gesellt hatte, aßen, tranken und plauderten sie eine Weile, bis Emily auf einem der U.K.-Kanäle ihren eigenen Twitter und das in der Kirche geschossene Sensationsfoto entdeckte. Sie hatte sich noch nicht wieder beruhigt, da weckte ein neues Bild ihre Aufmerksamkeit.

„Stopp! Zurück!“, kreischte sie, weil Anton weitergeschaltet hatte. „Das ist Dianne“, stellte sie ihm die tropfnasse Journalistin vor, die nun wirklich gar nichts Aufregendes zu berichten hatte und der Welt nur verkündete, sie wären jetzt auf dem Weg zum richtigen See, wo man eine große Überraschung erwarte.

„Das ist die Frau, die du hasst?“

„Hassen?“ Emily lachte und nahm einen Schluck von dem köstlichen Cocktail, den Anton an der Zimmerbar für sie gemixt hatte. „So starke Gefühle verschwende ich nicht an Dianne. Ich mag sie nur nicht. Fattispecie.“

„Böses Mädchen.“

„Ich weiß …“ Sie rutschte auf seinen Schoß, schlang die Arme um seinen Nacken und bat mit klappernden Wimpern um Absolution. „Und ich weiß auch, was mit schlimmem Mädchen passiert“, murmelte sie und war regelrecht schockiert über sich selbst.

Was Anton schockte, war nicht Emilys heiße Anmache, sondern ein Geräusch, das er seit dem Tag nicht mehr vernommen hatte, als seine Welt aufgehört hatte zu existieren. Ein lautes, befreiendes Lachen – von ihm! So hatte er sich nicht mehr gefühlt, seit …

Das Lachen brach ab. Anton barg sein Gesicht an Emilys Hals und erinnerte sich an den Morgen, als seine Frau in seinen Armen gelegen und ihm eine wundervolle Nachricht ins Ohr geflüstert hatte, und glaubte vor Schmerz und Trauer vergehen zu müssen.

„Anton?“

„Es ist spät geworden“, sagte er rau und schob sie sanft von sich. Dann stand er auf und trat ans Fenster. „Wir sollten versuchen, eine Weile zu schlafen.“

Der Tumult auf der Straße hatte sich gelegt. Außer unverdrossenen Presseleuten, die wohl auch die Nacht über ausharren würden, um nichts zu verpassen, waren alle verschwunden.

Sie versuchten es beide, doch keiner von ihnen kam zur Ruhe.

Anton lag mit weit offenen Augen da und lauschte in sich hinein. Was ihn bestürzte und ihm regelrecht Angst machte, war die Erkenntnis, dass der Schmerz der Vergangenheit offenbar von einem neuen Gefühl der Trauer überschattet wurde. Und das hatte mit Emilys bevorstehender Abreise zu tun.

Dabei hatte er doch geschworen, nie wieder jemanden so dicht an sich heranzulassen, dass er angreifbar und verletzlich wurde.

Emily lag da wie betäubt und starrte tränenblind in Richtung Fenster, wo der Mond unaufhaltsam über den schwarzen Himmel glitt und damit das Näherrücken des neuen Tages ankündigte. Die Stunden verstrichen in quälender Langsamkeit und gleichzeitig wie in einem Zeitraffer.

„Glaubst du, wir könnten die Zeit anhalten, wenn wir die Jalousien schließen?“, flüsterte Emily erstickt in die weichende Dunkelheit hinein.

Anton focht einen stummen Kampf mit sich aus. Müsste er sie nicht mit einem leichtherzigen Kommentar beruhigen?

Ihm fehlten die Worte. Darum streckte er die Hand aus und streichelte hilflos Emilys Rücken. Das Zucken ihrer Schultern verriet ihm, dass sie weinte.

„Emily …“ Er wusste, dass es ein Fehler war, aber er konnte nicht anders, als sie in seine Arme zu ziehen und auf die einzige Art zu trösten, die ihre unausgesprochenen Bedürfnisse stillen konnte. Und es war nicht einfach nur Sex, was sie miteinander teilten, wie gern er sich das auch vorgemacht hätte. Vielleicht dachte er auch deshalb zum ersten Mal nicht an Verhütung.

Als sie erhitzt und heftig atmend aneinandergeschmiegt dalagen und ihre Tränen seine nackte Brust benetzten, wusste Emily mit absoluter Sicherheit, dass dies der Platz war, wo sie hingehörte. Dass Anton und sie etwas verband, was sie nicht in Worte fassen konnte. Es fühlte sich so gut und richtig an, dass sie den Gedanken nicht ertrug, es könnte enden.

Nicht jetzt. Nicht heute Morgen und niemals mehr.

„Anton“, wisperte sie. „Ich habe noch meinen ganzen Jahresurlaub.“

„Du musst zurück nach London.“

„Ich weiß, aber vielleicht erst in ein paar Wochen und …“ Er entzog sich ihr, und Emilys Herz setzte einen Schlag aus. „Du hast doch von dem Corretti-Cup gesprochen“, fuhr sie fast trotzig fort. „Ich könnte zurückkommen und …“

Diesmal wurde sie von seinem Handy unterbrochen. Antons Erleichterung war nicht zu übersehen. Minutenlang sprach er auf Italienisch mit seinem Anrufer und wandte ihr dabei den Rücken zu, in dem Wissen, dass er einen unverzeihlichen Fehler begangen hatte.

„Natürlich steht es dir frei, wieder nach Sizilien zu reisen“, erwiderte er auf Emilys Vorschlag, nachdem das Telefonat beendet war. „Aber komm nicht meinetwegen. Das war gerade ein Kollege von mir“, erklärte er dann übergangslos. „Alessandro ist offenbar verhaftet worden.“

„Armer Kerl“, murmelte Emily abwesend.

„Du bist wirklich zu weich.“

Emily rollte sich auf den Rücken und starrte zur Decke. „Seltsam, das bekomme ich jedes Mal zu hören, wenn jemand mich loswerden will oder mit mir Schluss macht.“

„Schluss machen?“, echote Anton zynisch. „Es war nur ein Wochenende.“

Offenbar war sie wirklich nicht hart genug im Nehmen, denn jetzt weinte sie schon wieder.

Santo Cielo, Emily! Nicht mehr als zwei Nächte!“

Es waren die wundervollsten Nächte ihres ganzen Lebens gewesen. Sie sollte wirklich erwachsener und weltgewandter auf eine Abfuhr reagieren. Aber wie?

Emily nahm ihren ganzen Stolz zusammen, stand ruhig auf, sammelte ihre verstreuten Sachen auf und ging ins Bad, um sich anzuziehen. Als sie zurückkam, lag Anton auf dem Bett, einen Arm unter den Kopf gelegt, und sah ihr entgegen. „Was eben geschehen ist … wir müssen darüber reden.“

Emily war am Ende ihrer Kräfte und wütend auf ihre fatale Schwäche für diesen komplizierten Mann. „Willst du mir jetzt etwa raten, auf dem Weg zum Flughafen an einer Apotheke haltzumachen?“, fragte sie mit erzwungener Kälte. „Wie gedankenvoll von dir, aber keine Angst, ich nehme die Pille. Davon abgesehen muss ich dir recht geben. Es ist wirklich höchste Zeit, dass ich gehe.“

„Dann geh.“

Sie presste die Lippen zusammen, zog den Ring vom Finger und legte ihn auf dem Nachttisch ab. Doch das letzte Wort wollte sie ihm nicht überlassen. „Es ist nicht die Liebe zu deiner verstorbenen Frau, die dich am Leben hindert, Anton“, sagte sie ruhig. „Sondern der Hass auf ihre Mörder und dein Drang nach Vergeltung. Daran möchte ich keinen Anteil haben.“

Überrascht stellte Emily fest, dass sie sich mit jedem Wort befreiter fühlte, auch wenn immer noch Tränen über ihre Wangen liefen. Doch sie dachte gar nicht daran, sie abzuwischen.

„Dieser Kuss im Restaurant, am Fuß der Treppe …“ Sie sah die Szene plötzlich glasklar vor sich. „Nicht ich habe dich erregt, sondern der Gedanke an Rache.“

„Ich habe meine Familie verloren.“

„Und darum glaubst du, nichts anderes mehr zu verlieren zu haben?“ Oh ja, wenn nötig, konnte sie genauso hart sein wie er. „Ein gefährliches Spiel, das du da betreibst, Anton“, sagte sie und ging.

Nachdem sich die Tür hinter Emily geschlossen hatte, wartete er auf ein Gefühl von Erleichterung. Jetzt konnte er endlich wieder …

Ja, was?

Anton wollte nicht denken, nicht fühlen. Er griff nach der Fernbedienung und blickte in der nächsten Sekunde in Diannes kalte Augen. Sie berichtete irgendetwas von aktuellen Funden, die ihn nicht im Mindesten interessierten. Während sie sprach, regte sich nichts in ihrem Gesicht. Sie zuckte nicht einmal mit einer Wimper.

Hart, abgestumpft, verbittert …

Nein! korrigierte Anton sich. Entschlossen, effizient, professionell.

Er spürte ein seltsames Ziehen in der Brust und wurde plötzlich von seinen eigenen Worten heimgesucht: Nervosität und Vorsicht sind überlebenswichtig. Dazu eine Spur Naivität, mädchenhafter Charme und …

Emily betrat ihr Hotelzimmer, in dem sie zusammengenommen kaum mehr als eine Stunde verbracht hatte. Rasch packte sie ihren Koffer und verließ kurz darauf das Hotel. Vor einer Gruppe unentschlossener Touristen schnappte sie sich ein Taxi und wies den Fahrer an, sie schnellstmöglich zum Flughafen zu bringen.

Sie wollte nur noch weg. Weg von ihm, weg von einer gefährlichen Liebe, die ihr nur ein gebrochenes Herz bescheren würde. Weg von allen unsinnigen Träumen …

Als sie hinter sich eine Sirene aufheulen hörte, brauchte Emily sich gar nicht erst umzudrehen.

„Avanti!“, feuerte sie den Taxifahrer grimmig an. „Presto!“ Am Flughafen angekommen, drückte sie dem Mann ein paar Scheine in die Hand und sprang aus dem Wagen, aber natürlich war Anton schneller.

„Was willst du?“, fragte sie kalt, als er sich ihr in den Weg stellte.

„Emily …“ Er umfasste ihr Handgelenk, doch sie machte sich mit einem Ruck frei und fuhr herum wie eine gereizte Schlange. „Willst du mir vielleicht noch Handschellen anlegen? Oder …“

Es war sein Blick, der ihr die Sprache raubte. Seine Augen waren nicht länger nachtblau, sondern so hell und strahlend wie das Mittelmeer bei Sonnenschein.

„Es gibt da etwas, das ich auf keinen Fall verlieren möchte.“

„Anton, ich …“

„Louanna war schwanger. Sie hat es mir an dem Morgen erzählt, als sie ums Leben kam. Damals habe ich Rache geschworen bis ins Grab, aber das ist vorbei.“

„Für jetzt.“

„Für immer. Fattispecie, Emily.“

Fattispecie … ein Tatbestand. Sie schluckte. Was für ein trauriges und zugleich wundervolles Wort.

„Komm zurück, und nicht nur wegen des Corretti-Cups. Denn sonst muss ich nach London fliegen und dich besuchen. Wir können es langsam angehen lassen, wenn du Zeit brauchst und …“

Ihr Handy klingelte, und Emily zögerte nicht, den Anruf entgegenzunehmen, als sie die Nummer sah.

„Es ist wichtig“, entschuldigte sie sich.

Es war der Big Boss, der Eigner des Verlags … an einem Sonntagmorgen. Emily schluckte. Offenbar war ihre Karriere längst nicht mehr so gefährdet, wie es noch vor zwei Tagen ausgesehen hatte.

„Gratulation“, sagte ihr oberster Boss.

„Danke.“

„Haben Sie inzwischen noch mehr zu bieten?“

Emily überlegte nur kurz. „Alessandro Corretti wurde gestern Abend verhaftet.“

„Schon bekannt.“

„Taylor Carmichael …“

„Ich weiß, dass sie zurück ist.“

„Unübersehbar!“, bestätigte Emily lächelnd und berichtete über die geplanten Sanierungsobjekte, über Carlos illegitimen Sohn Angelo, der sich an der Familie rächen wollte, und von weiteren Details, die sie recherchiert oder von Anton erfahren hatte. Dann hörte sie eine Weile zu und steckte das Handy wieder weg, nachdem das Gespräch beendet war.

„Mein Boss“, erklärte sie Anton. „Nicht Adam, sondern der an der Spitze. Er hat sich von mir mit meinen beiden Lieblingswörtern verabschiedet.“

„Die da wären?“

Emily lächelte breit. „Unbeschränkte Spesen. Er will, dass ich bleibe und mehr herausfinde. Ich werde also wenig Zeit haben …“

„Du musst keinen Finger rühren, Tesoro“, unterbrach Anton sie. „Ich verschaffe dir alle Informationen, die du brauchst.“ In einer plötzlichen Anwandlung zog er sie an sich und sog ganz tief ihren klaren, reinen Duft ein.

Als sich ihre Lippen trafen, war es nicht der typische Flughafenkuss, mit dem man sich begrüßte oder verabschiedete, sondern ein Versprechen.

Das Versprechen, nach dem Leben zu greifen, Hoffnungen zu hegen, Träume zu leben und wieder von ganzem Herzen und ganzer Seele zu fühlen. Und als Emily in Antons Sportwagen stieg, um mit ihm ins nächste aufregende Abenteuer zu starten, gab es weder Blaulicht noch Sirenengeheul.

Sie hatten Zeit. Alle Zeit der Welt, bevor sie die drei Worte formulierten, die ihr Leben bestimmen würden. Sie kannten sie beide …

– ENDE –

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

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© 2013 by Harlequin Books S.A.
Originaltitel: „A Legacy of Secrets“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: PRESENTS
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 2132 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Gudrun Bothe

Abbildungen: Harlequin Books S.A., Moodboard / Thinkstock, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 06/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733700690

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
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PROLOG

„Bitte!“

Ella hätte nicht sagen können, wie oft sie das in ihrem Leben schon gehört hatte, doch dieses eine Mal würde ihr für immer im Gedächtnis bleiben.

„Bitte, Ella, geh nicht.“

Unschlüssig stand sie am Abflugschalter vom Sydney International Airport. Pass und Bordkarte bereits in der Hand, schaute sie in die flehenden Augen ihrer Mutter. Sie waren dunkelbernsteinfarben mit goldenen Pünktchen, wie ihre eigenen.

Durfte sie der zarten Frau wirklich zumuten, allein mit ihrem Ehemann zurechtzukommen? Aber wie hätte Ella bleiben können, nach dem, was zwischen ihr und ihrem Vater vorgefallen war?

„Du hast doch so ein schönes Heim …“, versuchte ihre Mutter es weiter.

„Nein!“ Sie durfte nicht schwach werden. „Das Apartment habe ich nur gekauft, weil ich geglaubt habe, du würdest ihn endlich verlassen und mit mir dort einziehen. Aber du bist wieder schwach geworden.“

„Ich kann es einfach nicht.“

„Unsinn!“, erwiderte Ella mit fester Stimme. „Ich habe dir jede nur mögliche Hilfestellung gegeben, doch du weigerst dich immer noch.“

„Er ist mein Mann …“

„Und ich bin deine Tochter.“ In Ellas goldenen Augen flammte unterdrückte Wut auf. „Er hat mich brutal geschlagen, Mum!“

„Weil du ihn verärgert und herausgefordert hast und mich überreden wolltest, ihn zu verlassen.“ Obwohl ihre sizilianische Mutter bereits seit dreißig Jahren als Frau eines Australiers hier lebte, war ihr Englisch immer noch ziemlich dürftig.

Ella wusste, dass sie über dieses leidige Thema noch stundenlang diskutieren konnten. Führen würde es zu nichts. Außerdem wurde die Zeit knapp. Also sagte sie, was sie sich zu sagen vorgenommen hatte, und gab ihrer Mutter eine letzte Chance.

„Komm mit mir.“ Sie reichte ihr das Ticket, das sie heimlich besorgt hatte.

„Wie? Ich …“

„Deinen Pass habe ich auch eingesteckt.“ Ella zog ihn aus der Tasche und gab ihn ihrer Mutter, in der Hoffnung, sie würde endlich begreifen, wie ernst es ihr war. Und dass sie alles genau durchdacht und geplant hatte. „Komm mit mir nach Sizilien. Deine Schwestern würden dich mit offenen Armen empfangen. Du könntest dir ein neues Leben aufbauen …“ Sie sah, wie ihre Mutter mit sich rang.

Gabriella vermisste ihre Heimat schmerzlich und sprach ständig von ihren Schwestern. Wenn sie nur den Mut aufbringen würde, sich zu trennen, war ihre Tochter bereit, ihr in jeder erdenklichen Weise zu helfen und zur Seite zu stehen.

„Es … es geht nicht.“

Ihre Mutter war nicht zu überzeugen, und damit musste Ella dieses schmerzliche Thema abschließen. „Tut mir leid, dann muss ich jetzt gehen.“

„Ich wünsch dir eine schöne Reise.“

„Ich fahre nicht in Urlaub, Mum.“ Sie wollte, dass ihre Mutter endlich begriff, wie ernst die Situation war, und dass sie nicht nur für ein paar Wochen unterwegs sein würde. „Ich werde mir eine Arbeit suchen und zukünftig in Europa leben.“

„Aber du hast gesagt, du willst dir Sizilien ansehen.“

„Kann sein, dass ich auch dafür Zeit finde.“ Ella wusste es wirklich nicht. „Aber das steht in den Sternen. Ich hatte ja gehofft, mit dir zusammen dorthin zu fahren. Jetzt werde ich wohl erst mal in Rom bleiben.“

„Solltest du doch noch nach Sizilien kommen, dann grüß deine Tanten von mir“, sagte Gabriella rau. „Erzähl ihnen …“

„Erzähl ihnen nicht, willst du wohl sagen“, unterbrach Ella sie müde. Ihre Mutter würde allein dafür, dass sie mit zum Flughafen gefahren war, zu Hause Ärger bekommen. Da erwartete sie doch wohl nicht, dass sie ihren Tanten vormachte, wie fantastisch ihr Leben hier in Australien war. „Soll ich etwa für dich lügen?“

„Warum tust du mir das an?“, drehte Gabriella den Spieß um, wie immer, wenn Ella ihr widersprach oder sie sich in die Enge getrieben fühlte.

Vielleicht bin ich ihr sogar ähnlicher, als mir lieb ist, dachte Ella voller Unbehagen, da ihr Ähnliches durch den Kopf ging.

Warum tust du mir das an, Mum? Warum hast du nicht protestiert, als du mit ansehen musstest, wie mein eigener Vater mich geschlagen hat? Warum hast du nicht den Mut, alles hinter dir zu lassen?

Natürlich sagte sie das nicht laut. Seit jenem Tag hielt Ella ihre Gefühle und Gedanken streng unter Verschluss und teilte sie mit niemandem. Nicht einmal mit ihrer Mutter. „Ich muss gehen.“ Sie schaute zur Anzeigetafel hoch und schluckte mühsam. „Mum …“, versuchte sie es ein letztes Mal. „Bitte komm mit mir …“

„Lebwohl, Kind.“ Gabriella weinte, als sie das sagte, ihre Tochter nicht.

Sie hatte keine Tränen mehr seit dem schrecklichen Tag vor zwei Monaten. Stattdessen umarmte sie stumm ihre schluchzende Mutter. Kurz darauf stieg sie in den Flieger, schaute auf den leeren Platz an ihrer Seite und versuchte, ihr Schuldgefühl zu unterdrücken. Doch tief in ihrem Innern wusste sie, dass es nichts mehr gab, was sie sonst noch hätte versuchen können.

In den siebenundzwanzig Jahren, die sie auf der Welt war, hatte Ella den größten Teil ihrer Zeit damit zugebracht, ihre Mutter aus dem Schussfeld ihres Vaters zu halten. Das hatte sogar ihre Berufswahl beeinflusst. Um schnell auf eigenen Beinen zu stehen, suchte Ella sich möglichst lukrative Jobs und verbannte ihre hochfliegenden Träume in den Hinterkopf.

Als Junior-Assistent in den unterschiedlichsten Branchen arbeitete sie sich mit Fleiß und Zielstrebigkeit in die Chefetagen hoch und wurde schließlich Privatsekretärin eines Kommunalpolitikers. Zwei Jahre blieb sie in Canberra, mit den Gedanken stets bei dem Elend zu Hause, bis sie genügend Geld zusammen hatte, um in der Nähe von Sydney eine Eigentumswohnung zu kaufen. In der Hoffnung, ihre Mutter würde zu ihr ziehen, wechselte sie sogar in einen schlechter bezahlten Job, nur um schließlich einsehen zu müssen, dass all ihre Mühen vergebens waren.

Sie konnte ihrer Mutter nicht helfen. Nicht gegen deren Willen.

Zuletzt blieb ihr nur noch, einen radikalen Schnitt zu machen, wenn sie nicht selbst untergehen wollte. So packte Ella ihre Koffer und startete mit vorzüglichen Referenzen und leidlichen Italienischkenntnissen im Gepäck in ein neues Leben.

Nie wäre es ihr in den Sinn gekommen, für ein paar Wochen oder Monate eine Auszeit zu nehmen, um sich von dem Schock des Erlebten zu erholen. Stattdessen richtete sie ihren Fokus darauf, baldmöglichst eine neue Arbeit zu finden, was sich als weit komplizierter herausstellte als angenommen.

Es war Januar, und Ella tauschte den heißen australischen Sommer gegen Italiens nasskalten Winter ein. Trotzdem erschien ihr Rom bunter, betriebsamer und chaotischer als alles, was sie zuvor gesehen hatte. Straßenhändler und Bettler stürzten sich auf sie, sobald sie vors Hotel trat, doch davon ließ sie sich nicht abschrecken.

Begeistert eroberte sie Roms enge Gassen und weite Plätze, stand staunend vor dem Petersdom, dem Kolosseum, gelangte über die Spanische Treppe zur Piazza di Spagna, besichtigte die Sixtinische Kapelle und das Vatikanmuseum. Und sie warf eine Münze in den Trevibrunnen, wie ihre Mutter es ihr aufgetragen hatte. Allerdings mit wenig Hoffnung, da sie nicht glaubte, dass ihre Mum sich je aus ihrer qualvollen Ehe befreien würde.

Ella tat ihr Bestes, um sich von den schweren Gedanken an Zuhause abzulenken, doch selbst während der Zugfahrt zur Ostia Antiqua und der Besichtigung der alten Hafenanlage holte sie die Vergangenheit ein. Während sie fröstelnd am Strand entlang­spazierte, fragte sie sich, wann der Schmerz, die Trauer und das schlechte Gewissen endlich nachlassen würden.

Je eher ich eine Arbeit finde, die mich ablenkt, umso besser …

„Sie haben eine Menge Berufserfahrung für jemand Ihren Alters“, wurde ihr regelmäßig bescheinigt, „aber …“

Wohin sie kam und bei wem auch immer sie sich vorstellte, es war stets dasselbe. Ihre Vita und Bewerbungsunterlagen beeindruckten, doch selbst wenn sie in der Lage war, die Bewerbungsgespräche auf Italienisch zu führen, hieß es im Ergebnis, dass ihre Sprachkenntnisse einfach nicht für die Jobs reichten, die ihr vorschwebten.

„Sie verstehen unsere Sprache offenbar viel besser, als Sie sie sprechen“, bedauerte Claudia, die reizende Angestellte einer Vermittlungsagentur. „Gibt es denn eine Branche, die Sie besonders interessiert?“

Ella wollte schon resigniert den Kopf schütteln, doch dann gab sie sich einen Ruck. Warum nicht nach den Sternen greifen, wenn sie ohnehin nichts zu verlieren hatte? „Die Filmindustrie.“

„Wir vermitteln keine Schauspieler.“

„Nein, nein … was mir vorschwebt, ist die Arbeit hinter den Kameras. Als Regisseurin.“ Das war es, was sie schon immer hatte werden wollen.

Claudia runzelte die Stirn, starrte auf den PC-Monitor und schüttelte bedauernd den Kopf. „Tut mir leid“, sagte sie. Doch als Ella sich bedankte und verabschieden wollte, hielt die hübsche Brünette sie zurück. „Warten Sie, ich habe hier einen Klienten … Corretti Media, sie sitzen in Sizilien, Palermo.“

„Ich habe schon von dem Unternehmen gehört.“ Es gab kaum etwas in der weltweiten Filmindustrie, was Ellas jahrelanger, sehnsüchtiger Recherche entgangen wäre.

„Firmenchef ist Alessandro Corretti …“, las Claudia vom Bildschirm ab, „… sein Bruder Santo fungiert als Produzent.“

„An den Namen erinnere ich mich“, stellte Ella erfreut fest, behielt aber für sich, was ihr sonst noch in diesem Zusammenhang einfiel. Nämlich, dass Santo Corretti offenbar mehr Aufsehen mit Skandalen und seinem Ruf als notorischer Playboy erregte als mit seinen Filmproduktionen. Doch auch Claudia schien informiert zu sein.

„Wie es aussieht, hat dieser Mann einen ziemlichen Verschleiß an persönlichen Assistentinnen!“, stellte sie mit rollenden Augen fest. „Ja, Santo sucht tatsächlich nach einer neuen PA. Von Ihnen würden unter anderem Flexibilität und Mobilität erwartet, weil die Drehorte ständig wechseln. Daneben sollten Sie über ausreichend … Toleranz verfügen, da er so etwas wie ein Garant für Ärger und Skandale ist und einen ziemlich schlechten Ruf genießt, was den Umgang mit Frauen betrifft.“

Ella begegnete Claudias zweifelnder Miene mit festem Blick. Vor ihrem inneren Auge taten sich die exotischsten Szenerien auf, und mit ihnen die Chance, unschätzbare Erfahrungen für ihren Traumjob zu sammeln. Zumindest wäre es ein erster Schritt auf dem Weg dorthin …

„Vielleicht würde er über Ihre fehlenden Sprachkenntnisse eher hinwegsehen, wenn ich ihm sagen könnte, dass Sie bereits Erfahrung in der Filmbranche besitzen.“

„Mein Italienisch wird schnell besser werden“, versprach Ella selbstbewusster, als sie sich fühlte.

Immer noch schien Claudia nicht restlos überzeugt. „Dann wäre da noch das Optische …“

Diesmal fühlte sich Ella ernsthaft angegriffen. Sie hatte nach langer Überlegung ein exquisites graues Businesskostüm gewählt, das sogar fürs australische Parlament gereicht hatte. Okay, inzwischen waren drei oder vier Jahre ins Land gegangen, und das politische Parkett war nicht unbedingt mit einem internationalen Catwalk zu vergleichen …

„Santo Corretti erwartet makelloses Aussehen und Auftreten.“

Ella zwang sich zu einem Lächeln. „Das wird er bekommen … beides.“

„Un momento, per favore.“

Es fiel Ella schwer, ihre Aufregung während des darauf folgenden Telefonats im Zaum zu halten. Zum ersten Mal wollte sie einen Job wirklich haben und spürte, wie sie errötete, als Claudia sich mit prüfendem Blick vorbeugte und dann bestätigte, dass die Bewerberin außerordentlich attraktiv sei.

Ob ihre bernsteinfarbenen Augen und das honigblonde lange Haar tatsächlich als eine Art Visitenkarte gelten konnten? Denn so lautete die Beschreibung der Arbeitsvermittlerin. Die Antwort war offenbar nein, weil Claudia bedauernd mit den Schultern zuckte, nachdem sie aufgelegt hatte.

„Tut mir leid, das war seine gegenwärtige PA. Obwohl sie entschlossen scheint, ihren Job aufzugeben, will sie es ihm offenbar nicht zu leicht machen, wie sie sich ausdrückt. Dieser Santo Corretti scheint ja wirklich … speziell zu sein.“

„Trotzdem, vielen Dank für Ihre Mühe.“

Ella versuchte, nicht allzu enttäuscht zu sein und gönnte sich einen Espresso, nachdem sie die Agentur verlassen hatte. Durchs Fenster des kleinen Cafés starrte sie freudlos auf das geschäftige Treiben außerhalb, von dem sie sich auf einmal furchtbar ausgeschlossen fühlte. Schon ein flüchtiger Blick auf die eleganten Römerinnen machte ihr bewusst, wie hoch der Anspruch sein musste, den Santo Corretti an seine PA legte.

Egal! Ich bin ja nicht einmal sicher, ob ich überhaupt in Sizilien arbeiten und auf den Spuren der Vergangenheit meiner Mutter wandeln will …

Oder doch?

Plötzlich fühlte sie ihr Herz ganz oben im Hals schlagen. Nein, so leicht würde sie sich nicht entmutigen lassen. Anstatt gleich die nächste Agentur auf der Suche nach einem anderen Job zu entern, schlenderte Ella an den aufregend dekorierten Schaufenstern der angesagtesten Designer-Boutiquen entlang und überlegte, was für einen Stil Santo Corretti wohl von seiner PA erwartete.

Und genau das fragte sie kurz darauf eine perfekt gestylte Verkäuferin. Sie nannte zwar nicht seinen Namen, sondern sagte nur, sie habe ein wichtiges Einstellungsgespräch in der Filmbranche vor sich. Wie sich herausstellte, hatte sie mit der Wahl der Boutique einen wahren Glücksgriff getan, da sie nicht nur bezüglich ihrer Garderobe gut beraten, sondern ihr auch gleich noch ein angesagter Friseur und ein Kosmetikstudio empfohlen wurden.

Als Ella am frühen Nachmittag in ihrem Hotel auscheckte, schimmerte ihr langes, lockiges Haar wie flüssiges Gold und wurde als glänzende Flut im Nacken mit einer schlichten Spange zusammengehalten. Ein raffiniert unauffälliges Make-up ließ sie frisch und kompetent wirken, wozu auch die sorgfältig manikürten und lackierten Fingernägel passten.

Auf dem Weg zum Flughafen dachte sie an die Insel, die sie nur von verblichenen Fotos kannte, die ihre Mutter wie einen Schatz hortete. Trotz ihrer Begeisterung angesichts der majestätischen, schneebedeckten Berge, der schillernden azurblauen See und der reizvollen Küstenlinie mit den pittoresken Dörfern und antiken Stätten war Ella nicht sicher, ob sie sich dieser Herausforderung gewachsen fühlte. Bisher war ihre mutigste Entscheidung im Leben die gewesen, Australien zu verlassen und damit ihr altes Leben aufzugeben.

Als sie in Palermo aus dem Flieger stieg und ihr Gesicht der blassen Wintersonne entgegenhielt, sagte sie sich, dass dies der erste Schritt in ihr neues Leben sein könnte. Ein Leben, das sie vielleicht sogar ihrem heimlichen Traum näher brachte.

Oder sich als riesiger Fehler erwies. Sie würde es schnell herausfinden.

Ella schob das Kinn vor und stieg in ein weißes Taxi. „Corretti Media“, sagte sie lässig und hielt den Atem an, aus Furcht, der Fahrer könnte sie nach der Adresse fragen oder behaupten, keine Firma dieses Namens zu kennen. Doch sie hatte Glück. Er nickte nur und fädelte den Wagen in den fließenden Verkehr ein. Währenddessen zog Ella einen Schminkspiegel hervor, kontrollierte ihr Make-up, richtete die Frisur und lächelte ihrem Spiegelbild aufmunternd zu.

Die neuen, perlweiß schimmernden Kronen waren noch etwas ungewohnt. Niemand würde je erahnen, wie hoch der Preis gewesen war, den sie dafür hatte zahlen müssen … und das nicht in Geld.

Ella ließ den Spiegel zuschnappen und verbannte jeden Gedanken an ihren Vater in den Hinterkopf.

Als das Taxi vor dem Corretti Media Tower anhielt, entstieg ihm eine sehr entschlossene junge Frau, die den Fahrer entlohnte und ohne zu zögern das hohe Gebäude betrat. Mit selbstsicherem Lächeln und einem gut vorbereiteten Satz in flüssigem Italienisch informierte sie die Rezeptionistin, dass sie wegen der freien Stelle als persönliche Assistentin des Produzenten gekommen sei.

„Un attimo, Signorina.“ Die Empfangsdame griff nach dem Hörer, und kurz darauf betrat Ella den gläsernen Lift, der sie in gefühlter Überschallgeschwindigkeit nach oben entführte. Dort wurde sie von einer ausgesprochen attraktiven, tränenüberströmten jungen Frau empfangen, die ihr einen ledergebundenen Terminkalender und einen Wagenschlüssel in die Hand drückte.

„Buona fortuna!“, wünschte sie ihrer Nachfolgerin mit bebender Stimme und zischte etwas in Richtung der offenstehenden Bürotür, das Ella sogar verstand. „La prima volta che m’inganni la colpa è tua, ma la seconda volta la colpa è mia!“

Ella hatte es ab und zu von ihrer Mutter gehört: Legst du mich einmal herein, bist du der Schuft, hintergehst du mich ein zweites Mal, Schande über mich!

„Ich nehme an, das ist ein Nein?“

Die tiefe Stimme ließ Ella aufhorchen. Als der Sprecher sich zu ihnen gesellte, konnte sie sogar die Bereitschaft der Unglücklichen verstehen, ihm eine zweite Chance einzuräumen. Eine dritte würde er wohl nicht bekommen, da seine PA mit einem erstickten Schluchzen in Richtung Lift floh und Ella einfach ihrem Schicksal überließ.

Grünbraune Augen begegneten bernsteinfarbenen. Um seine perfekt geschnittenen Lippen spielte der Hauch eines Lächelns, und auf der schmalen, unrasierten Wange prangte der deutlich sichtbare Abdruck einer Frauenhand.

„Sind Sie wegen eines Bewerbungsgesprächs hier?“, fragte er auf Italienisch.

Als Ella nickte und sich ihm ebenfalls auf Italienisch vorstellte, dirigierte er sie mit dem Kinn in Richtung seines Büros. Sie folgte ihm bereitwillig.

Er selbst brauchte sich nicht vorzustellen.

1. KAPITEL

Santo schreckte aus dem Schlaf hoch. Sein Herz raste, und als er die Hand ausstreckte, ertastete er nicht den erwarteten warmen und wohltuenden Frauenkörper. Mühsam hob er die schweren Lider. Anstatt in seinem Bett mit einer willigen Geliebten an der Seite, lag er auf einem fremden, extrem unbequemen Sofa.

Was war in der letzten Nacht geschehen?

Sein Hirn fühlte sich dumpf und umnebelt an. Statt eines klaren Bilds lieferte es ihm nur unzureichende Erinnerungsfetzen und blitzlichtartige Impulse, die ihn irritierten und verunsicherten. Auf dem Boden lag eine leere Whiskyflasche. Santo stieg über sie hinweg, um ins Badezimmer zu gelangen. Als er an sich heruntersah, stellte er fest, dass er immer noch den Hochzeitsanzug trug, allerdings fehlte die Krawatte, und das Hemd war am Hals offen und total zerknautscht.

Mechanisch überprüfte Santo die Innentaschen seines Jacketts und dachte dabei an Ella, seine PA, die diese Kontrolle mehrfach von ihm verlangt hatte, bevor er aufgebrochen war, um seinem Bruder bei dessen Hochzeit als Trauzeuge zur Seite zu stehen. Die Ringe waren noch da.

Santo benetzte sein Gesicht mit kaltem Wasser und begutachtete mit düsterem Blick die zahlreichen Blessuren auf Wangen und Stirn. Die verräterischen Liebesbisse an seinem Hals beunruhigten ihn weit weniger als das verfärbte Auge und die aufgeplatzte Lippe. Und dann kehrte die Erinnerung schlagartig zurück.

Alessandro!

Hastig eilte er ins Zimmer und griff zum Telefon, um einen Wagen zu bestellen. Doch da die offenkundig unerfahrene Nachtschicht an der Hotelrezeption taktlos fragte, wohin er zu fahren wünsche, legte er gleich wieder auf und trat ans Fenster. Von seinem luxuriösen Aussichtspunkt konnte er die Paparazzi draußen lauern sehen.

Überrascht stellte Santo fest, dass er die Vorstellung momentan nicht ertrug, ihnen oder seinem Bruder ganz allein gegenüberzutreten.

„Können Sie mich abholen?“

Trotz der unchristlichen Stunde hatte Ella automatisch zum Hörer gegriffen und das Gespräch mit geschlossenen Augen entgegengenommen. Nach vier Monaten als Santos PA war sie es gewohnt, zu jeder Tages- und Nachtzeit angerufen zu werden. Allerdings hatte sich ihr Boss noch nie so schrecklich angehört wie an diesem frühen Morgen. Seine tiefe Stimme war immer noch unglaublich sexy, obwohl sie belegt klang und deutlich seine innere Anspannung verriet.

Schrecklich und unglaublich sexy waren durchaus zutreffende Beschreibungen für Santo Corretti, dachte Ella, hob die Lider und sah zur Uhr hinüber.

„Es ist kurz vor sechs“, stellte sie kühl fest, „und Sonntag.“

Was eigentlich Grund genug sein müsste, das Telefonat zu beenden und sich noch einmal auf die Seite zu drehen. Doch Schlaf würde sie ohnehin nicht mehr finden, zumal sie die ganze Nacht mit seinem Anruf gerechnet hatte. Darum hatte sie auch die weichen Lockenwickler im Haar und die passende Garderobe auf dem Stuhl neben dem Bett, bereit zum Hineinschlüpfen.

Wie ganz Sizilien hatte Ella das Hochzeitsdrama gestern Nachmittag life im Fernsehen verfolgen können und die halbe Nacht sämtliche Nachrichtensendungen gesehen, um auf dem Laufenden zu bleiben. Selbst ihre Mutter in Australien, die aus Heimweh und Nostalgie regelmäßig italienische Sendungen und Nachrichten einschaltete, würde inzwischen wissen, dass die in ganz Italien allseits beachtete Hochzeit von Santos Bruder Alessandro in letzter Minute geplatzt war.

Und zwar in der sprichwörtlich letzten Minute, in der seine Braut Alessia Battaglia ihn vor dem Altar stehen lassen hatte und durch den Mittelgang der Kirche entflohen war.

Jetzt wartete die Weltöffentlichkeit darauf, wie zwei der mächtigsten und berüchtigsten Familien Siziliens auf diesen Eklat reagieren würden.

Daher hatte Ella geahnt, dass Santo ihre Dienste möglicherweise noch vor Montagmorgen benötigte. „Heute ist mein einziger freier Tag“, fühlte sie sich trotzdem bemüßigt, ihren Boss zu erinnern. Natürlich war sie als seine PA nicht zur Hochzeit eingeladen worden. Stattdessen musste sie dafür sorgen, dass Santo nüchtern und perfekt gekleidet rechtzeitig vor der Kirche auftauchte und wie gewohnt eine hinreißende Figur machte.

„Ich muss Alessandro vom Polizeipräsidium abholen. Er ist letzte Nacht verhaftet worden.“

Resigniert schloss Ella die Augen. Sie fragte lieber nicht nach Details. Doch insgeheim überlegte sie, was noch alles passiert sein mochte. Während der Fernsehübertragung hatte sie stumm ein Glas Sekt in Richtung Bildschirm erhoben, als Santo vor der Kirche aus dem Wagen gestiegen war. Da hatte er noch mit seinem Bruder geplaudert und gescherzt.

Die beiden könnten Zwillinge sein, und wer auch immer für ihre überwältigende Attraktivität verantwortlich war, verdiente auf alle Fälle einen zweiten Toast. Beide Männer waren hochgewachsen und breitschultrig. Beide trugen das lackschwarze Haar kurz geschnitten und ließen die Frauenwelt mit ihrem trägen Schlafzimmerblick aus braungrünen Augen nur so dahinschmelzen.

Doch es gab auch Unterschiede.

Zwei Jahre trennten die Brüder. Als Erstgeborener des verstorbenen Patriarchen Carlo Corretti trat Alessandro dominanter und rücksichtsloser auf, während Santo sich in der Rolle des lebenslustigen Genießers und Herzensbrechers gefiel. Was ihre zynische, sorglose Arroganz betraf, standen sie einander allerdings in nichts nach.

„Nun machen Sie sich schon auf den Weg und holen mich ab“, forderte Santo, als wollte er diese Tatsache bestätigen.

Ella seufzte und tröstete sich damit, die ewig wiederkehrenden Dramen und Skandale der Correttis bereits in wenigen Wochen für immer hinter sich lassen zu können, falls sie den Job bekam, für den sie sich beworben hatte. Santos PA zu spielen, hätte nicht weiter von der Vorstellung ihres Traumjobs entfernt sein können.

„Und nicht vergessen …“, warnte ihr Boss, „… die Presse lauert überall.“

Was so viel hieß wie: Denken Sie daran, sich adäquat zu kleiden und zu präsentieren. Denn selbst in Krisenzeiten legte Santo größten Wert auf das äußere Erscheinungsbild.

„Am besten, Sie nehmen sich ein Taxi, um meinen Wagen abzuholen und fahren ihn dann vor den Hinterausgang des Hotels. Schicken Sie mir eine SMS, wenn Sie da sind.“

„Ich hasse es, Ihren Wagen zu fahren“, protestierte Ella, bekam aber keine Antwort. Nachdem er sein Anliegen losgeworden war, hatte er vermutlich einfach aufgelegt, weil er wie selbstverständlich davon ausging, dass sie funktionierte wie ein Uhrwerk. „Und ich hasse Sie …“, zischte Ella entnervt und riss die Augen auf, als sie wider Erwarten Santos Stimme hörte.

„Unsinn, Sie lieben mich“, kam es arrogant zurück. „Und jetzt beeilen Sie sich.“

„Ich liebe es, Sonntagmorgens lange im Bett zu liegen und …“

Stille. Diesmal hatte er wirklich aufgelegt.

Nur noch ein paar Wochen! sagte Ella sich grimmig und orderte ein Taxi. Die Frau in der Vermittlung hörte sich so verschlafen an, wie sie sich fühlte. Sie teilte Ella mit, es könnte eine halbe Stunde dauern, bis ein Wagen käme, was ihr durchaus passte.

Nach einer erfrischenden Dusche und dem Anziehen trat sie vor den Spiegel und schnitt eine Grimasse. Wenn Santo tatsächlich glaubte, sie würde am frühen Morgen in vollem Make-up auftauchen, hatte er sich getäuscht. Zur Grimasse kam ein Stirnrunzeln hinzu, als ihr einfiel, dass er immer noch ihr Boss war und verlangen konnte, dass sie seinen Wünschen Folge leistete.

Also schminkte sie sich, bürstete ihr Haar, bis es glänzte, und fasste es im Nacken lose zusammen. Dann schlüpfte sie in einen grauen Bleistiftrock, den sie mit einer elfenbeinfarbenen Seidenbluse und schlichten grauen Pumps kombinierte.

Ein Gutes hatte ihr Job wenigstens – den großzügigen Zuschuss für ihre Arbeitsgarderobe. Das war aber auch schon das einzige Highlight, zumal sie eines ganz sicher nicht war: ein Fashion-Victim!

Als das Taxi hupte, warf Ella einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel und schnappte sich ihre Santo-Bag, wie sie die großräumige Ledertasche samt passendem Notfall-Equipment nannte, um ihrem Boss aus jeder möglichen Klemme zu helfen. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass auch seine Ersatzwagenschlüssel in der Tasche waren, verließ sie ihr winziges Miet­apartment.

Überrascht blinzelte sie in die ersten Sonnenstrahlen und genoss für einen kurzen Moment mit allen Sinnen das farbenfrohe Flair von Palermo an diesem warmen Morgen im Wonnemonat Mai. Das türkisfarbene Wasser des Mittelmeers glitzerte verlockend, während die Stadt noch in tiefem Schlaf zu liegen schien. Zweifellos hatte ganz Sizilien eine unruhige letzte Nacht verbracht und wartete gespannt auf neue Details über den aktuellen Corretti-Skandal.

„Buongiorno.“ Ella nannte dem Taxifahrer die Adresse des Hotels, in dem Santo auf sie wartete und lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück, um den Frühnachrichten im Radio zu lauschen. Natürlich war die geplatzte Hochzeit die Story nach den Kurzmeldungen über internationale Verwicklungen. Und ebenso natürlich war ihr Fahrer nur zu erpicht darauf, seinen Senf zum lokalen Skandal beisteuern zu können.

„Als wenn eine Hochzeit die Kluft zwischen den Correttis und Battaglias überbrücken könnte!“, lachte er verächtlich und gab weiterhin seine Meinung zum Besten, in schöner Unkenntnis darüber, wer sein Fahrgast war und dass er Ella direkt zu einem der skandalösen Correttis chauffierte.

Selbstverständlich klärte sie den Mann nicht über ihren Job auf. Davon abgesehen hätte sie ihm wohl auch nichts berichten können, was er nicht schon wusste. Santo verhielt sich ihr gegenüber immer äußerst bedeckt, sobald es um seine Familie ging. Wenn er in ihrer Gegenwart mit einem Familienmitglied telefonieren musste, sprach er in einem Dialekt und so schnell, dass Ella ihm nicht folgen konnte.

„Herrscht denn schon immer Feindschaft zwischen den beiden Familien?“, fragte sie ihren Chauffeur.

„Von jeher. Daran wird auch Salvatore Correttis Tod nichts ändern. Wie denn auch, wenn sich auf beiden Seiten sogar die einzelnen Familienmitglieder untereinander bekämpfen?“

Was das betraf, konnte Ella sogar mitreden. Trotz Santos Zurückhaltung bei diesem Thema, geriet sie immer mal wieder unfreiwillig zwischen die Fronten der verfeindeten Corretti-Cousins. Jeder versuchte, den anderen auszustechen. Und das nicht nur auf Geschäftsebene, sondern auch was heiße Frauen, rasante Autos und schnelle Pferde betraf.

Ella hatte die ständigen Konkurrenzkämpfe und dunklen Geheimnisse gründlich satt. Trotzdem musste sie noch eine Weile durchhalten. Wenn Santo sie doch nur als Regieassistentin an einem seiner Filme mitarbeiten lassen würde! Ständig bedrängte sie ihn, und ständig vertröstete er sie.

„Presto“, lautete seine ewig gleiche Antwort, die er ihr jedes Mal auch noch überflüssigerweise übersetzte. „Bald.“

Nun, bald werde ich weg sein …

Ella bat den Fahrer, kurz zu halten, um zwei Becher Kaffee zu besorgen. Beim Hotel angekommen, wies sie ihn an, in die Tiefgarage zu fahren und sie dort aussteigen zu lassen. Das Hotel war von sensationslüsternen Reportern umzingelt und das Aufgebot an Security so hoch, dass sie froh war, ihren Firmenausweis vorzeigen zu können. Sie passierte problemlos die Wachposten, bezahlte das Taxi und erklärte dem aufgeregten Hoteldiener, dass sie selbst den Wagen fahren würde, um ihren Boss einzusammeln.

Als sie hinter das Steuer des luxuriösen Sportwagens schlüpfte, streifte sie nicht nur der Geruch von teurem Leder, sondern auch der vertraute Duft von Santos extravagantem Rasierwasser. Bevor sie den Wagen anließ, schickte sie ihm eine SMS. Der hochgezüchtete Bolide reagierte auf die leiseste Berührung des Gaspedals, und Sekunden später scheuchte das Röhren des Motors die lungernden Paparazzi auf und ließ sie zum Hinterausgang des Hotels eilen.

Ella versuchte das Blitzlichtgewitter zu ignorieren und hielt mit zusammengekniffenen Augen Ausschau nach ihrem Boss. „Komm schon, Santo …“, murmelte sie angespannt und hoffte nur, dass er nach ihrem Anruf nicht wieder eingeschlafen war und die SMS möglicherweise gar nicht erhalten hatte. Doch dann entdeckte sie ihn im Schatten einer Betonsäule und presste die Lippen zusammen, sobald sie seinen Zustand erkannte. Was für ein Fest für die Presse!

Mit unsicheren Schritten steuerte er auf den Wagen zu. Er trug immer noch den Anzug vom gestrigen Abend, doch der teure Stoff und das feine Hemd waren zerknittert und verschmutzt. Ebenso wie sein blasses unrasiertes Gesicht, das zudem noch ein paar hässliche Schrammen aufwies.

„Buongiorno“, sagte Ella laut und akzentuiert, als er sich neben sie in den Ledersitz fallen ließ.

„Guten Morgen, Ella.“

Es gehörte zu dem kleinen Spiel, das sie jeden Tag seit ihrer ersten Begegnung abzogen. Entschlossen, ihn gleich zu Beginn mit ihrer Kompetenz und ihren Sprachkenntnissen zu überzeugen, hatte sie sich Santo Corretti in ihrem besten Italienisch vorgestellt, während er ihr jedes Mal in flüssigem Englisch antwortete. Natürlich in der Absicht, ihr seine Überlegenheit zu demonstrieren.

Wie sich schnell herausstellte, reichten Ellas Sprachkenntnisse tatsächlich nicht für den Job aus, sodass sie ausschließlich in Englisch kommunizierten, sobald sie unter sich waren – bis auf dieses kleine Geplänkel jeden Morgen.

„Ich dachte, Sie wollten, dass wir einen guten Eindruck machen“, konnte sich Ella nicht verkneifen zu sagen. Doch sie erntete nur ein Stirnrunzeln. „Haben Sie nicht gesagt, dass überall Presseleute sind?“

„So ist es ja auch, oder?“, knurrte Santo. „Es war nur als Warnung für Sie gedacht.“

„Hier.“ Sie reichte ihm einen Becher Kaffee.

„Sie hätten auch einen für Alessandro mitbringen sollen.“

„Habe ich“, kam es trocken zurück.

„Dann fahren Sie endlich los.“

Das tat Ella so abrupt, dass der Wagen einen Satz machte. „Warum muss dieses Ding auch Gänge zum Schalten haben!“, meuterte sie, da sie an Automatikgetriebe gewöhnt war, was für Santo nicht als echtes Autofahren galt. Doch heute ging er nicht auf ihre Herausforderung ein, sondern starrte weiter grimmig vor sich hin und stöhnte unterdrückt auf, als sie aus der Tiefgarage ins helle Sonnenlicht fuhren.

Ella griff in ihre Santo Bag. „Hier …“ Sie reichte ihrem Boss eine Sonnenbrille, mit der er seine Blessuren wenigstens teilweise kaschieren konnte.

„Na los!“, drängte Santo, als Ella zögerte, aus Angst, womöglich einen der aufdringlichen Paparazzi zu überfahren.

Zähneknirschend bahnte sie sich einen Weg durch die Meute. „Ich hasse es, in diesem Land Auto zu fahren!“, schimpfte sie und dachte sehnsüchtig an ihre kleine Vespa, mit der sie viel besser zurechtkam. In Australien fuhr man nicht nur auf der anderen Straßenseite, sondern bemühte sich wenigstens darum, die Verkehrsregeln einzuhalten, die in Sizilien überhaupt keine Funktion zu haben schienen.

Trotzdem waren es weder das Autofahren noch ihr gestörter freier Tag, die Ella ernsthaft zu schaffen machten. Was immer für die Blessuren in seinem Gesicht verantwortlich sein mochte, erklärte auf keinen Fall die dunklen Verfärbungen an seinem Hals. Woher die stammten, konnte sie sich lebhaft vorstellen!

Maledizione! fluchte sie lautlos in sich hinein. Selbst mitten in einem Familienskandal konnte Santo nicht die Hände von den Frauen lassen. Wer mochte wohl dieses Mal die Glückliche gewesen sein? Nach Details fragen konnte sie ihn schlecht. Womöglich stellte sich dann noch heraus, dass er sich wider besseres Wissen mit Taylor Carmichael eingelassen hatte, der hinreißenden Hollywoodikone und Heldin seiner derzeitigen Filmproduktion.

Die Dreharbeiten sollten Montag beginnen, und darum tat Santo sein Bestes, um die kapriziöse Diva daran zu hindern, sich in Schwierigkeiten zu bringen. Damit er sie im Auge behalten konnte, hatte er darauf bestanden, dass sie an der Hochzeit teilnahm. Das verschaffte ihm außerdem die Gelegenheit, gleichzeitig ein wenig Werbung für sein aktuelles Filmprojekt zu machen.

Doch eingedenk der zweifelhaften Reputation, die sowohl er als auch die Filmdiva in der Öffentlichkeit genossen, lag Ella vielleicht gar nicht so falsch mit ihrer Vermutung über den Ursprung der Verfärbungen an Santos Hals.

Nur mit Mühe gelang es ihr, ein frustriertes Seufzen zu unterdrücken. Es war wirklich höchste Zeit, ihre Zelte in Palermo abzubrechen. Wenn die Sache mit dem neuen Job in Rom nicht klappen sollte, konnte sie immer noch nach London oder Frankreich gehen.

Oder sogar nach Hause?

Santo dirigierte sie zu einer Bank, in der Hoffnung, seinen Bruder mit dem nötigen Bargeld in der Tasche leichter aus dem Gefängnis freizubekommen. Während er zum Geldautomaten ging, lehnte Ella sich mit geschlossenen Augen gegen die Kopfstütze. Der Gedanke, wieder nach Australien zurückzukehren, behagte ihr gar nicht. In wenigen Tagen hatte ihre Mutter Geburtstag, und sie rechnete unter Garantie mit ihrem Anruf. Ein plötzlicher Panikanfall ließ sie die Augen aufreißen und nach Luft ringen. Nein, ich bin auf keinen Fall schon so weit, auch nur mit dem Gedanken an eine Heimkehr zu spielen.

Als sie sah, wie Santo unbeholfen mit dem Geldautomaten kämpfte, stieg sie seufzend aus und kam ihm zu Hilfe.

„Was würde ich nur ohne Sie tun?“, fragte ihr Boss, während sie seine Geheimnummer eintippte. Ella spürte, wie heiße Röte in ihre Wangen stieg, und warf ihm einen schnellen Seitenblick zu. Doch hinter seinen Worten schien sich keine Anspielung zu verstecken. Woher sollte Santo auch wissen, was sie in die Wege geleitet hatte? Und wer würde in ihrer Lage nicht nach einem neuen Job Ausschau halten? Sie hatte es jedenfalls satt, immer wieder für ihren Boss die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Und jetzt kam auch noch sein Bruder dazu, wie es schien.

Außerdem war sie es leid, Santos umfangreiches privates Adressbuch zu verwalten: Schmuck oder Blumen an die Adressen seiner jeweiligen Geliebten zu schicken, in teuren Restaurants Tische für intime Candle-Light-Dinner zu reservieren oder romantische Wochenenden am Meer zu organisieren. Hinterher musste sie zu allem Überfluss auch noch regelmäßig Trost spenden und aufgebrachte Gemüter kühlen, wenn das Unvermeidliche eintrat.

„Wie war’s mit Taylor?“, entschlüpfte es ihr gegen ihren Willen.

„Kein Kommentar“, gab Santo kurz angebunden zurück und lächelte flüchtig, als er Ellas geschürzte Lippen sah. „So lautet mein heutiges Motto gegenüber der Presse“, rettete er sich auf sicheres Eis. „Was natürlich auch für Sie gilt, sollten Sie zwischen die Fronten geraten.“

Als sie beim Polizeipräsidium ankamen und weit und breit kein Reporter zu sehen war, atmete Ella erleichtert auf. Zum Glück schien bisher nichts von Alessandros Verhaftung durchgesickert zu sein.

„Wie er sich wohl fühlen mag?“, überlegte sie laut.

„Verkatert.“ Santo gähnte herzhaft. „Auf jeden Fall ist er besser ohne sie dran.“

Damit stieg er aus und überraschte Ella, die sich auf mindestens eine halbe Stunde Wartezeit eingestellt hatte, indem er sich abrupt umdrehte und sie fragte, ob sie mit reinkommen wolle.

„Aber …“

„Weiblichem Charme gegenüber zeigt sich la Polizia sicher aufgeschlossener.“

„Ich finde das nicht nur abstoßend und beleidigend, sondern …“

„Wie so vieles andere auch, meine gestrenge, prüde Moralistin.“

Mit schmalen Lippen schnappte sie sich den Kaffee für Alessandro und folgte ihrem Boss ins Präsidium. Immer wieder spielte er auf ihre – in seinen Augen veralteten – Moralvorstellungen an. Und nicht zum ersten Mal kassierte sie einen versteckten Seitenhieb dafür, dass sie offenbar als einzige seiner vielen PAs nie mit Santo im Bett gewesen war. Diesen Punkt hatte Ella gleich im Einstellungsgespräch geklärt. Zu seiner Ehrenrettung musste sie zugeben, dass ihr Boss sie bislang nie belästigt hatte, abgesehen von winzigen Anspielungen hier und da. Offenbar wurmte es ihn, dass sie seinem berüchtigten Charme gegenüber völlig immun war.

Obwohl das nicht ganz stimmte. Immerhin war sie keine Heilige!

Santo Corretti war ein Bild von einem Mann, umwerfend sexy, aber leider auch ein unverbesserlicher Herzensbrecher. Eine Nacht mit ihm mochte vielleicht das Paradies sein – besonders, wenn er sie so über die Schulter anlächelte wie jetzt –, doch allein der Gedanke an den Morgen danach reichte, um sie schlagartig zu ernüchtern.

Die nächsten Minuten empfand Ella wie ein improvisiertes Theaterstück mit unzähligen Worten und Gesten aller beteiligten Protagonisten. Viele Hände wurden geschüttelt, wobei diverse Scheine den Besitzer wechselten, und dann erschien Alessandro als tragischer Held auf der Bühne. Auch er trug etliche Blessuren, allerdings hauptsächlich an den Handknöcheln. Sein makelloser Hochzeitsanzug war ebenfalls verschmutzt und zerrissen, sein düsterer Blick der eines gefangenen Raubtiers.

„Hier.“ Ella hielt ihm den inzwischen kalten Kaffee hin, den er in einem Zug herunterstürzte. Wie sein Bruder stöhnte auch Alessandro gepeinigt auf, als sie ins helle Sonnenlicht traten, und auch er erhielt eine Sonnenbrille von Ella.

Als Santos perfekte PA hatte sie selbstverständlich alles doppelt parat.

„Danke.“ Er setzte die Brille auf und betrachtete Santos geschwollenes Auge und die aufgeplatzte Lippe. „Wer ist denn dafür verantwortlich?“, wollte er wissen.

Ella hielt automatisch den Atem an. Schon die ganze Zeit über kämpfte sie gegen ihre Neugier, doch was jetzt kam, schockierte sie zutiefst.

„Du, Bruderherz“, lautete die trockene Antwort.

Sekundenlang standen sie alle wie festgefroren da, dann wandte Alessandro sich wortlos ab.

„Du erinnerst dich nicht?“, fragte Santo, als sie im Wagen saßen und sein Bruder Ella gebeten hatte, ihn nach Hause zu fahren.

„Ich versuche, es dabei zu belassen“, erwiderte Alessandro knapp.

Sie sprachen Italienisch, doch Ella gelang es, sich alles zusammenzureimen.

„Ich habe die ganze Nacht versucht, Kontakt zu dir aufzunehmen“, warf Santo seinem Bruder vor.

„Offensichtlich nicht die ganze Nacht“, spottete dieser mit bezeichnendem Blick auf seinen Hals. „Hast du dich mit einem Vampir eingelassen?“

Doch darauf ging Santo zu Ellas Enttäuschung nicht ein. „Ich habe bestimmt fünfzig Mal versucht, dich anzurufen.“

„Und neunundvierzig Mal habe ich es vorgezogen, nicht zu antworten.“ Alessandro verfiel in dumpfes Schweigen, was Ella ihm nicht verübeln konnte, da Santo während ihres Gesprächs endlose Textnachrichten auf seinem Handy checkte und deren ständig wiederkehrende Klingeltöne tunlichst ignorierte.

Ella fuhr auf dem kürzesten Weg zum Corretti Media Tower, in dem Alessandro ein luxuriöses Penthouse bewohnte. Doch vor dem Gebäude hatten sich etliche Reporter versammelt, in der Hoffnung, ein Bild von dem verlassenen Bräutigam zu schießen. „Am besten, Sie legen sich flach hin“, empfahl sie. „Ich habe einen Mantel für Sie mit und versuche es am Hinterausgang.“

Alessandro jedoch weigerte sich, in Deckung zu gehen und verlangte, direkt vor dem Hauptportal auszusteigen. Mit steinerner Miene ertrug er das Blitzlichtgewitter und die provokanten Fragen, die ihm die Paparazzi entgegenschrien.

„Ich begleite dich“, entschied Santo spontan.

„Ich brauche kein Kindermädchen.“

Aber Santo ließ sich nicht bremsen. Sobald der Wagen zum Stehen kam, stiegen beide Brüder aus, und dann brach ein unglaublicher Tumult los. Ella wusste, dass die Correttis durchaus skandalerprobt waren, doch als die Fragen immer dreister und persönlicher wurden, sah sie, wie Alessandro die geschundenen Hände zu Fäusten ballte. Auch Santo schien zu merken, dass der Geduldsfaden seines Bruders zu reißen drohte. Er griff nach seinem Arm und drängte ihn auf den Rücksitz des Sportwagens, bevor er sich wieder neben Ella auf den Beifahrersitz fallen ließ.

„Los, einmal um die nächste Ecke, bis wir außer Reichweite dieser Schmeißfliegen sind. Dann werde ich fahren.“ Offenbar sagte ihm Ellas gemäßigtes Tempo wenig zu, denn kaum waren sie zwei Straßen weit gekommen, da drängte er sie erneut, ihm das Steuer zu überlassen.

„Kein Problem“, erwiderte sie ruhig und lenkte den Wagen an den Straßenrand. „Aber dann steige ich aus, da ich Ihre Whiskyfahne immer noch bis hierher riechen kann.“

Zum ersten Mal hatte er keine zynische Retourkutsche für sie parat, sondern bedeutete ihr nur mit einer unwilligen Geste weiterzufahren. Ella wendete bei der ersten Gelegenheit und fuhr wieder in Richtung Stadtmitte.

„Wir könnten doch in Ihr Hotel fahren“, schlug sie Santo vor, aber davon wollte Alessandro nichts hören.

„Nein, dort werden wir auch in die verdammte Pressemeute geraten.“

„Und was ist, wenn wir zu mir fahren?“ Ella konnte nur zu gut nachvollziehen, dass der verschmähte Bräutigam ein paar Tage Ruhe brauchte, um seine Wunden zu lecken. „Es ist nur eine kleine, wenig komfortable Hotel-Pension, aber …“ Sie brach ab, als sie merkte, dass ihr niemand zuhörte.

Die Brüder unterhielten sich in schnellem Italienisch. Und auch wenn sie nichts verstand, hörte es sich nach einem Streit an.

„Fahren Sie ihn zum Hafen nach Cala Marina“, sagte Santo schließlich gepresst und dirigierte sie in die angegebene Richtung. „Alessandro will auf seine Jacht.“

Ella fuhr in die angegebene Richtung, doch trotz aller guten Vorsätze und der Überzeugung, dass sie das alles nichts anging, gelang es ihr nicht, den Mund zu halten. „Sind Sie sicher?“ Sie bereute ihre Frage, sobald sie sah, wie sich Santos Gesicht verschloss.

„Ich lasse mich nicht noch einmal daran erinnern, dass ich nur der jüngere Bruder bin“, knurrte er und zerrte an seinem Hemdkragen, als wäre dieser ihm plötzlich zu eng geworden. Der Rest der Fahrt verlief in angespanntem Schweigen, das der verhinderte Bräutigam schließlich brach.

„Dov’è Alessia?“

Ella hielt den Atem an, als Alessandro nach dem Verbleib seiner geflohenen Braut fragte. Santos Reaktion entlockte ihr dann aber doch einen kleinen Protestlaut.

„Puttana!“, zischte er, was, wie sie sehr wohl wusste, eine Bezeichnung für ein leichtes Mädchen war.

Sein Bruder reagierte weniger schockiert als beharrlich. „Wo ist sie?“

Mit weiterhin angehaltenem Atem erfuhr Ella, dass Alessia Battaglia offenbar mit Matteo, einem Cousin der Corretti-Brüder durchgebrannt war. Alessandros Reaktion auf diese Nachricht war für seine Exbraut nicht schmeichelhafter als Santos, doch wenigstens hatte er genug Anstand, um sich dafür bei Ella zu entschuldigen.

Santo blickte seinem Bruder hinterher, als dieser sich in Richtung Bootssteg trollte, dann sprang er spontan aus dem Wagen und folgte ihm. Wahrscheinlich, um ihn zu überreden, doch mit ihnen zurückzukommen, vermutete Ella. Dabei schien es ihm völlig egal zu sein, dass sein Bruder ihn erst vor wenigen Stunden niedergeschlagen hatte. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, wie es wohl war, Geschwister zu haben. Jemand, der auf der gleichen Ebene stand wie man selbst. Jemand, der dafür sorgte, dass man nicht ganz allein mit den Unzulänglichkeiten der Eltern klarkommen musste …

Aber was immer Santo auch anführen mochte, es schien keine Wirkung auf Alessandro zu zeigen. Irgendwann zuckte er mit den Schultern, wandte sich um und kehrte zum Wagen zurück. Doch anstatt genervt mit den Augen zu rollen, wie Ella es erwartet hatte, war sein Blick starr und das Gesicht aschgrau. Als er sich neben sie setzte, verspürte sie unerwartet tiefes Mitleid mit ihrem sonst so smarten Boss.

Einen Moment saßen sie einfach nur ruhig da und schauten zu, wie Alessandro an Bord seiner Jacht kletterte.

„Glauben Sie, er kommt allein zurecht?“, fragte Ella.

„Warum sollte er nicht?“ Das war eindeutig eine Zurückweisung. „Wir fahren.“

Sie nahm ihm seine vorgespielte Sorglosigkeit nicht ab, aber so war Santo. Er widmete sich dem Chaos um sich herum nur so lange wie unbedingt notwendig, dann stürzte er sich aufs nächste Abenteuer und überließ es dem Fußvolk, die Scherben aufzusammeln.

Darum erschien es Ella auch nur natürlich, im Hotel anzurufen, den Service anzuweisen, seine Suite aufzuräumen, ein heißes Bad einzulassen, die Morgenzeitungen aufs Zimmer zu liefern und ein kräftiges Frühstück bereitzuhalten. „Vorausgesetzt, dass sich niemand dadurch gestört fühlt“, konnte sie sich als Bemerkung dann doch nicht verkneifen, als sie ihr Handy einsteckte.

Santo tat erst gar nicht so, als hätte er die Andeutung nicht verstanden. „Sie ist längst weg.“

„Also nur eine Dame?“, murmelte Ella maliziös und sah ihren Boss aus den Augenwinkeln flüchtig lächeln, ehe er wieder düster aus dem Fenster starrte.

Die Presse hielt immer noch Stellung vor dem Hotel, doch auch Santo weigerte sich, in Deckung zu gehen. Er saß einfach nur stoisch da und ließ das grelle Blitzlichtgewitter über sich ergehen. Er nahm sogar die Sonnenbrille ab und steckte sie ein, bevor er den Wagen verließ. Mit einem vernichtenden Blick in Richtung der Journaille ging er forschen Schrittes und hoch erhobenen Hauptes an der Reporterfront vorbei in Richtung Lift, wo Ella ihn schließlich einholte.

Doch kaum hatten sich die Türen hinter ihnen geschlossen, ließ er sich erschöpft gegen die Spiegelwand sinken, fuhr sich mit der Hand über die Augen und stöhnte, als er die Schwellung berührte.

Schlagartig galt Ellas Besorgnis nicht mehr dem verlassenen Bräutigam, sondern seinem jüngeren Bruder. Santo war leichenblass und schien ziemlich unsicher auf den Beinen zu sein.

„Sind Sie sonst noch irgendwo verletzt?“

Ohne die Hand von den Augen zu nehmen, schüttelte er den Kopf.

„Waren Sie bewusstlos?“

„Unglücklicherweise nicht.“ Jetzt traf sie ein Blick, der ihr durch alle Glieder fuhr. Auch das mühsame Lächeln schien so gar nicht zu dem Mann zu passen, als den sie ihn bisher kennengelernt hatte. Es war, als wären alle Arroganz und Selbstgefälligkeit von ihm abgefallen und ließen Ella dahinter zum ersten Mal sein wahres Ich sehen.

Sie war fasziniert und bis ins Innerste berührt. Und sie konnte nicht aufhören, ihn anzustarren.

„Was ist heute Nacht geschehen?“, fragte sie rau, obwohl sie sich geschworen hatte, es nicht zu tun.

„Warum?“

„Ich bin nur … ich mach mir einfach Sorgen.“

„Darauf würde ich wetten!“ Er glaubte ihr nicht, so viel war klar. Einen Moment war sie verunsichert, dann sprang sie ganz natürlich ein, als er – wie meistens – seine Checkkarte nicht fand, um die Tür zur Suite zu öffnen.

Business as usual! Alles war wieder wie immer …

Das Frühstück und alles andere geriet zur Nebensache angesichts der Morgenzeitungen, die das Zimmermädchen fürsorglich auf einem Tisch hinterlassen hatte. Während sie die Schlagzeilen überflog, dachte Ella, dass es für Alessandro bestimmt besser war, abgeschottet auf der Luxusjacht seinen Schmerz zu kurieren. Denn die Fotos und Berichte fielen ziemlich schonungslos und brutal aus.

„Oh!“, rief sie bei einem besonders entlarvenden Schnappschuss von Taylor Carmichael.

„Sie sind nicht wirklich überrascht, oder?“, fragte ihr Boss zynisch.

Wenn, dann hauptsächlich, weil es sich bei dem dazugehörigen Mann nicht um Santo handelte. Wie konnte er nur so ruhig und desinteressiert tun? Immerhin handelte es sich um die Hauptdarstellerin seines aktuellen Films, um die es in den letzten Wochen ein unglaubliches Spektakel gegeben hatte. Morgen war Drehstart, und Taylors Comeback nach einer geheimnisvollen Auszeit gab ohnehin schon Anlass zu den wildesten Gerüchten seitens der Presse. Eine schlechte Publicity zu diesem Zeitpunkt konnte leicht zu einem echten Risikofaktor für das geplante Filmprojekt geraten.

Aber mit Businessproblemen wollte Ella sich nicht vor morgen beschäftigen. Jetzt ging es um weit Wichtigeres. „Nehmen Sie ein Entspannungsbad. Ich bestelle inzwischen das Frühstück.“

„Ich will kein Frühstück, sondern einfach nur ins Bett fallen. Danke für Ihre Hilfe.“

„Aber essen müssen Sie irgend…“ Sie brach ab. Schließlich war sie nicht seine Mutter, oder? Nicht, dass diese sich um derartige Dinge kümmern würde. Carmela Correttis einziges Interesse galt der neuesten Mode und der Maniküre ihrer perfekten Fingernägel. „Okay, also nur die Wanne. Ich jedenfalls sterbe vor Hunger.“

„Tun Sie sich keinen Zwang an.“ Damit verschwand Santo im Bad.

Wenige Minuten später erschien eine Servicekraft und servierte ihr ein fürstliches Frühstück. „Danke“, sagte Ella lächelnd, schenkte sich Kaffee ein und versuchte, nicht daran zu denken, mit wem ihr Boss letzte Nacht zusammen gewesen war. Schließlich ging es sie nichts an. Um sich abzulenken, blätterte sie erneut die Morgenzeitungen durch.

Die Correttis waren wirklich eine der aufregendsten und kompliziertesten Familien, die man sich vorstellen konnte. Eine Weile widmete sich Ella bereitwillig dem Klatsch und Tratsch um die missglückte Hochzeit.

Irgendwann sah sie zur Uhr neben dem Bett und erschrak. Ob Santo in der Wanne eingeschlafen war? Zu hören war jedenfalls nichts. Ella klopfte.

„Frühstück ist da“, rief sie.

Nichts.

„Santo, antworten Sie mir …“ Sie klopfte erneut. Immer noch keine Reaktion. Ihr Magen zog sich vor Sorge und Unbehagen zusammen, während sie an der Tür lauschte. „Wenn Sie jetzt nicht antworten, komme ich rein …“, drohte sie.

Totenstille.

Zaghaft drückte sie die Klinke herunter, zum Glück war nicht abgeschlossen. Doch sobald sie die Tür aufgeschoben hatte, bereute sie es. Es gab bestimmte Dinge, die wollte man einfach nicht sehen. Immerhin wusste Ella jetzt, warum er ihr nicht geantwortet hatte.

Santos körperliche Intimsphäre wurde glücklicherweise durch das Schaumbad gewahrt. Was Ella erschütterte, war jedoch etwas anderes. Der dunkle Kopf lag auf dem Wannenrand, die Augen waren geschlossen, die Lippen fest zusammengepresst und die breiten Schultern zuckten. Santo Corretti, der Mann, den außer Geschäften und Frauen nichts und niemand interessierte und der auf alles eine Antwort wusste, weinte.

2. KAPITEL

Ich weine nie!

Nicht an ein einziges Mal konnte Santo sich erinnern. Weder als sein Vater zur gleichen Zeit starb wie sein Onkel noch beim Tod seines Großvaters. Es war, als wäre er schon mit dem Bewusstsein zur Welt gekommen, dass Tränen seiner Mutter ein Graus waren und sein Vater jedes Zeichen von Schwäche mit unnachgiebiger Härte ahnden würde.

Ein derart unmännliches Verhalten gehörte einfach nicht zu einem Corretti.

Also hatte er sich seinen Weg durchs Leben allein mit gutem Aussehen, Verstand, Witz und Charme erkämpft. Doch heute ließen ihn seine hervorragenden Tugenden im Stich.

„Verschwinden Sie!“, befahl er mit schwankender Stimme.

„Das kann ich nicht.“ Ohne darüber nachzudenken, dass dies nun wirklich nicht zu ihrem Job gehörte, setzte Ella sich zu ihm auf den Wannenrand. In diesem Zustand durfte sie ihren Boss unmöglich allein lassen. Er sah schrecklich ramponiert aus, wobei ihre Sorge nicht den äußerlichen Blessuren galt. Es war seine psychische Verfassung, die sie schockierte. Santo Corretti wirkte … gebrochen.

Wie oft hatte sie sich in den vergangenen Wochen gefragt, ob er überhaupt zu tieferen Gefühlen fähig war. Jetzt wusste sie es.

„Glauben Sie wirklich, er kommt allein zurecht?“, fragte er rau.

Für den Bruchteil einer Sekunde stutzte Ella, dann atmete sie auf. „Sie sprechen von Alessandro! Natürlich kommt er zurecht, er braucht nur etwas Zeit.“

Nach einer Pause nickte Santo und öffnete die Augen. Wenn er nur nicht so verdammt attraktiv wäre! Diese neue, verletzliche Seite an ihm zu sehen, machte auch sie völlig schwach, wie sie beunruhigt feststellte.

„Es geht nicht nur um Alessandro …“ Es fiel ihm offenbar schwer, darüber zu reden. „Es ist das ganze Drum und Dran. Sie hätten das furchtbare Debakel miterleben müssen, um zu verstehen …“

„Sie können mir ja davon erzählen.“

„Weil Sie Anteil nehmen und Mitleid haben?“ Er lachte hart auf, als er Ellas Stirnrunzeln bemerkte. „Es geht um Familiengeschichten, und es steht mir nicht zu, darüber zu reden.“

Ella wusste alles über Familiengeheimnisse – und auch, dass es Dinge gab, die man besser verschwieg. Schließlich hatte sie ihr Leben lang den Mund gehalten. Drängen würde sie Santo bestimmt nicht, obwohl sie vor Neugier und Sorge fast verging. Was mochte nur in der letzten Nacht geschehen sein?

Sie schaute sich im Bad um und wunderte sich, wie man einen relativ kleinen Raum in so kurzer Zeit derart verwüsten konnte. Seine Kleidung lag auf dem Boden verstreut. Der Wasserhahn, an dem er sich offenbar die Zähne geputzt hatte, lief immer noch, und die Tube mit der Zahnpasta war natürlich auch nicht zugedreht.

„Es herrscht ein absolutes Chaos.“

Sie wusste sehr gut, dass er damit nicht die Unordnung im Bad meinte. „Wie in den meisten Familien.“

Ihre Blicke trafen sich, doch anstatt auszuweichen wie gewöhnlich, hielt Ella ihm stand. Normalerweise ertrug sie es nicht, dass jemand versuchte, in ihre Gedanken und ihre Seele einzudringen. Doch der Schmerz und die Trauer in seinen wundervollen Augen schienen ihm das Recht zu geben. Einen Moment lang befürchtete sie sogar, selbst in Tränen auszubrechen, zum ersten Mal seit jenem schrecklichen Tag. Sie war nur einen Herzschlag davon entfernt, sich Santo gegenüber zu öffnen, doch in letzter Sekunde siegte ihr Selbsterhaltungstrieb, und sie blickte zur Seite.

„So“, sagte sie energisch. „Sie haben lange genug gebadet. Das Wasser ist viel zu kalt.“ Ohne sich Rechenschaft über ihr Tun abzugeben, senkte sie die Hand ins Schaumbad und tastete nach dem Badewannenstöpsel, wobei sie Santos Knöchel streifte. Mit einem Ruck zog sie den Stöpsel heraus und legte ihn auf den Badewannenrand. Anschließend erhob sie sich, drehte den Wasserhahn am Waschbecken zu und zog ein flauschiges Badehandtuch aus einem Regal, bevor sie womöglich mehr zu sehen bekam, als ihr guttun würde.

„Ich sehe nicht hin“, versprach sie und hielt das Handtuch ausgebreitet vor sich, als versuchte sie, ein kleines Kind zu überreden, endlich aus der Wanne zu steigen. Dabei war dies ganz sicher keine Situation für alberne Scherze.

Santo schien überlegen zu müssen, wie er reagieren sollte. Am Ende nahm er ihr das Tuch aus der Hand, entstieg der Wanne und schlang sich das Frotteelaken um die schmalen Hüften, während Ella die Lider sittsam gesenkt hielt. Dann marschierte er an ihr und dem wartenden Frühstück vorbei und ließ sich auf die Bettkante fallen.

„Tut mir leid“, knurrte er, ohne zu spezifizieren, wofür er sich entschuldigte.

„Vergessen Sie’s. Es ist nie passiert.“ Seinem misstrauischen Blick begegnete sie ruhig und gelassen. Sie mochten sich zwischendurch mitunter necken, aber dies hier würde sie niemals gegen ihn verwenden.

„Danke …“, murmelte er rau und fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Geben Sie mir mein Handy.“

Fast erleichtert, wieder den vertrauten Befehlston zu hören, erfüllte sie seinen Wunsch und zog sich dann zurück.

Santo sah ihr nach und konnte es immer noch nicht glauben. Es war, als wäre ein Damm gebrochen, den er für absolut sicher gehalten hatte. Verstörende Gefühle und Erinnerungen überfluteten ihn unaufhaltsam, und er hatte keine Ahnung, wie er sie wieder unter Verschluss bringen sollte.

Dass gestern Abend streng gehütete Familiengeheimnisse gnadenlos aufgedeckt worden waren, machte ihn ganz krank. Und zum ersten Mal hatte auch noch sein Allheilmittel versagt!

Heiße fordernde Lippen auf seinem Hals zu spüren, hatte ihn nur angewidert, und als er die verführerische Sirene frustriert von sich geschoben hatte, war sie für ihn nicht mehr gewesen als eine weitere namenlose Blondine, deren Nähe er plötzlich nicht mehr ertrug. Also schickte er sie kurzerhand weg und vertrieb sich den Rest der Nacht mit einer Flasche Whisky, während er vergeblich versuchte, seinen Bruder zu erreichen.

Santo überlegte, ob es wenigstens einen Bereich in seinem Leben gab, der nicht im Chaos zu versinken drohte. Doch selbst sein geplantes Filmprojekt war dank Taylors skandalösem Benehmen von letzter Nacht gefährdet. Woran sollte er sich jetzt noch halten?

Als Ella zurückkam, hob er den Blick. Ella, seine vernünftige, reservierte PA, die immer alles zu verstehen schien und zu richten wusste. Und über die er gestern etwas herausgefunden hatte, von dem er bisher nichts gewusst hatte. Ungehalten befreite er sich von dem feuchten Badetuch und legte sich unter die Bettdecke.

„Sie wollen mich also verlassen?“, fragte er kalt.

Heiße Röte bedeckte Ellas Wangen, was nicht daran lag, dass sie ihren Boss flüchtig nackt gesehen hatte, sondern an ihrer heimlichen Jobsuche, von der Santo offensichtlich gehört hatte. Schuldbewusst erinnerte sie sich daran, wie freundlich er gewesen war, als sie ihm von dem angeblichen Arztbesuch in Rom erzählt hatte. Er hatte sogar den Flug und eine Übernachtung im 5-Sterne-Hotel bezahlt, was ihren Betrug noch schlimmer machte.

Aber zumindest verstand sie jetzt die verbalen Spitzen von heute Morgen. Wie peinlich! Da ermunterte sie ihn noch, ihr von seiner Familie zu erzählen, während er bereits wusste, dass sie kündigen wollte.

Entschlossen, endlich aufrichtig zu sein, setzte sie sich auf die Bettkante und faltete die Hände im Schoß. „Ich bin mir noch nicht sicher, ob …“

„Aber einen Arzt haben Sie in Rom nicht aufgesucht, oder?“

Ihre Röte vertiefte sich.

„Tja, Ella, so ist das in der Filmbranche“, spöttelte Santo. „Jeder kennt jeden, und geredet wird viel.“

„Ich weiß ja noch nicht einmal, ob ich den Job bekommen werde“, packte sie den Stier bei den Hörnern.

„Für mich hörte es sich aber so an. Luigi hat mich jedenfalls gestern angerufen und nach Ihren Referenzen gefragt. Sie vergeben mir, wenn ich mich mit Glückwünschen zurückhalte?“

So gern Ella mehr Details gehört hätte, verbot es sich von selbst, ihren Boss danach zu fragen. Besser, sie schraubte ihre Hoffnungen nicht zu hoch, bis Luigi sich persönlich bei ihr gemeldet hatte. Vielleicht würde auch nicht mehr als eine zweite Einladung zum Bewerbungsgespräch dabei herauskommen.

„Können wir irgendwann später darüber reden?“, versuchte sie das Thema zu beenden.

„Wir reden jetzt darüber“, erwiderte Santo mit festem Blick. „Ich weiß, dass Sie unbedingt in der Filmbranche aktiv mitwirken wollen, aber der Regisseur, den ich für den geplanten Film angeheuert habe, bringt sein eigenes Team mit.“ Er holte tief Luft und gab sich einen Ruck. Die Erkenntnis, dass er Ella nicht so einfach gehen lassen wollte, verwirrte ihn maßlos. „Bei meinem nächsten Film kann ich vielleicht …“

„Aber mir geht es um diesen Film, Santo!“, platzte sie heraus. „Ich liebe das Drehbuch und sehe alles schon vor mir.“

„Dieses spezielle Projekt ist mir außerordentlich wichtig. Besonders jetzt.“

„Wie jetzt?“

„Es muss reichen, wenn ich Ihnen sage, dass ich momentan einfach kein Risiko eingehen kann.“

„Außer dem Risiko, Taylor Carmichael zu engagieren?“, argumentierte sie hitzig.

„Dafür zahle ich bereits“, murmelte er düster. „Aber ich verspreche, Sie bei der nächsten Produktion zu berücksichtigen.“

„Es geht nicht allein darum.“ Ella schloss für einen Moment die Augen. Als Santo Correttis PA musste sie eine Menge mehr bewältigen als in jedem anderen Job bisher. „Ich habe kaum noch Zeit für mich und …“ Entschlossen wandte sie sich ihm zu und suchte seinen Blick. „Für Sie zu arbeiten, ist wahrhaftig eine Vollzeitbeschäftigung.“

„Das mit heute ist eine Ausnahme. Normalerweise rufe ich nicht am Wochenende …“

„Das Wochenende beginnt spätestens am Freitag um Mitternacht, falls Ihnen das noch niemand gesagt hat. Und doch, Sie tun es, ziemlich oft sogar.“

Immerhin ist es ihr Job, mich zu unterstützen, versuchte Santo sich selbst zu überzeugen, obwohl er wusste, dass er den Bogen diesmal wirklich überspannt hatte. Die Angst und das Unbehagen, die ihn vor der Hochzeit befallen hatten, gestand er sich nur höchst ungern ein. Zwei mächtige verfeindete Familien, die erst in der Kirche und dann bei der anschließenden Feier aufeinanderprallen würden. Wenn das kein Grund zur Nervosität war!

Den gestrigen Tag bis zur Feier in Ellas Gesellschaft zu verbringen, hatte etwas Beruhigendes gehabt. Und heute, als es darum ging, seinem Bruder nach der letzten Nacht wieder gegenüberzutreten, war ihre Unterstützung unerlässlich gewesen. Hatte sie da nicht so etwas wie Lob und Dank verdient?

„Sie sind für mich unersetzlich geworden, Ella.“

„Nein“, erwiderte sie und schüttelte heftig den Kopf. Auf keinen Fall wollte sie schwach werden. Santo war sehr gut darin, immer genau das Richtige zu sagen, wenn er in irgendeiner Sache seinen Kopf durchsetzen wollte. „Das ist niemand.“

„Mag sein“, gab er brummelnd zu, „aber wir sind doch gut miteinander ausgekommen.“

Sie blieb hart. „Nicht immer.“

„Aber Spaß hatten wir!“, beharrte er wie ein trotziges Kind.

Ella sah in das zerschundene Gesicht des Mannes, der sie so leicht zum Lachen brachte wie sonst niemand. Was für eine Heldentat das war, konnte er natürlich nicht ahnen. Woher hätte er auch wissen sollen, wie verletzt und verstört sie gewesen war, als sie sich das erste Mal begegnet waren, und dass sie ihr strahlendes Bewerbungslächeln einem brutalen Übergriff ihres Vaters verdankte. Darüber konnte sie nicht reden, mit niemandem.

Gedankenverloren nahm sie ein Croissant von dem Teller, den sie demonstrativ auf dem Nachttisch platziert hatte, obwohl Santo es kategorisch ablehnte zu frühstücken. Sie brach ein Stück ab und steckte es sich in den Mund.

„Und ich hoffte schon, Sie würden versuchen, mich zu füttern …“

Wie schön, dass er langsam seinen Humor wiederfindet, dachte Ella. „Keine Chance.“ Lächelnd beobachtete sie, wie er die Handy-Mailbox checkte. „Irgendwelche neuen Nachrichten?“

„Nichts.“

Die Besorgnis in seinem Blick war nicht zu übersehen. „Ich wusste gar nicht, dass Alessandro und Sie sich so nahestehen“, stellte sie mehr für sich fest.

„Wir sind Brüder“, kam es lakonisch zurück. „Haben Sie Geschwister?“

„Nein, es gibt nur mich.“

Ihr Ton besagte, dass sie dieses Thema nicht vertiefen wollte. Aber vielleicht war es genau das, was Santo plötzlich reizte. „Sie sprechen nie von Ihrer Familie.“

„Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir uns nur wenig unterhalten.“ Es war höchste Zeit zu gehen. „Kann ich noch etwas für Sie tun?“, fragte sie abschließend.

„Das wissen Sie doch …“

Da war er wieder: Santo Corretti, der notorische Playboy und Schwerenöter! „Versuchen Sie, ein wenig zu schlafen“, riet Ella, erhob sich von der Bettkante und zog die Vorhänge zu. Dabei spürte sie Santos Blicke wie heiße Nadeln im Rücken.

Unten auf der Straße hielten die Paparazzi immer noch eisern die Stellung. So leicht würden sie das Hotel nicht verlassen und der Meute entkommen können.

„Okay.“ Sie wandte sich in Richtung Bett. „Ich lasse Ihnen bis zwei Uhr Ruhe.“

„Sie gehen nicht weg?“

„Nein, ich werde nebenan bleiben und eine Weile arbeiten.“

„Kommen Sie wenigstens zwischendurch meinen Puls fühlen?“

„Ganz sicher nicht, aber ich werde Ihre Anrufe entgegennehmen, damit Sie ungestört bleiben. Möchten Sie, dass ich irgendeinen Kommentar abgebe?“

„Darum kümmere ich mich später selbst.“

Als sie die Hand nach seinem Handy ausstreckte, das auf dem Nachttisch lag, spürte Ella einen kräftigen Griff um ihr Handgelenk. „Lassen Sie das hier.“

„Warum? Schließlich werde ich dafür bezahlt, mich um Ihre Anrufe zu kümmern. Sollte sich Alessandro melden, gebe ich Ihnen umgehend Bescheid. Das verspreche ich.“ Plötzlich bereute sie es, die schweren Vorhänge geschlossen zu haben. In dem luxuriösen Schlafraum war es viel zu schummerig und intim.

Ella spürte ihr Herz ganz weit oben im Hals schlagen.

„Müssen Sie wirklich gehen?“ Santos Stimme klang rau und seltsam verletzlich.

„Santo, bitte …“ Sie wollte jetzt nicht über einen möglichen Jobwechsel mit ihm debattieren. „Ich muss an meine Karriere denken und …“

„Das meinte ich zwar nicht, aber sollten sie tatsächlich zu Luigi wechseln, würde ich Sie natürlich schrecklich vermissen.“

Ihr Lächeln war schwach. „Vielleicht für ein paar Tage.“

„Wir könnten Ihre Stellung hier ausbauen und um einige Aspekte bereichern“, ließ er nicht locker. „Erinnern Sie sich noch daran, was Sie mir erzählt haben?“

Obwohl sie ahnte, worauf das hinauslaufen würde, stellte sie sich ahnungslos. „Nein.“

„Dass Sie Job und Privates grundsätzlich streng getrennt halten?“

Ihr Puls erreichte schwindelerregende Höhen. „Stimmt, und das ist nach wie vor so.“

Es war an ihrem zweiten Arbeitstag gewesen. Santo hatte sie spontan zum Dinner eingeladen, um etwas mehr über sie zu erfahren und die anstehenden Termine für die nächsten Wochen zu besprechen, wie er überzeugend erklärte. Sie hatten Seite an Seite gesessen, die Köpfe über den Terminkalender gebeugt, als sie seine Hand auf ihrer Wange gespürt hatte.

Sie hatte wirklich ihr Bestes getan, um ihre widerspenstige Lockenmähne in einen strengen Knoten zu zwingen, doch eine vorwitzige blonde Strähne hatte sich aus der Frisur gelöst, und genau die wickelte sich ihr Boss offensichtlich fasziniert um einen Finger.

„Nicht!“

Erfrischenderweise hatte er weder brüskiert reagiert noch sich entschuldigt, sondern die Hand einfach zurückgezogen. „Warum?“, wollte er dann wissen. Es klang aufrichtig neugierig und eine Spur verblüfft. Derartige Reaktionen war er von ihren Geschlechtsgenossinnen zweifellos nicht gewohnt.

„Darauf muss ich nicht antworten. Aber sollten Sie so etwas noch einmal probieren, haben Sie umgehend meine Kündigung auf dem Schreibtisch.“

Ehrlicherweise musste Ella sich eingestehen, dass sie diese Worte inzwischen x-mal bereut hatte.

„Wenn Sie tatsächlich immer noch daran festhalten, haben wir ein Problem …“

Seine tiefe raue Stimme holte sie in die Gegenwart zurück und jagte ihr heiße Schauer über den Rücken. Obwohl es ein Anachronismus zu sein schien, an Santo Corretti und Moral in einem Atemzug zu denken, musste sie zugeben, dass er ihr harsches Statement klaglos akzeptiert hatte – abgesehen von einigen Plänkeleien und charmanten Flirtversuchen, gegen die sie auch keinen Einwand erhob.

Seine Finger hatte er fortan jedenfalls bei sich behalten … bis zu diesem Moment.

Santo strich ganz sacht über ihren nackten Unterarm und ließ Ella alle Zeit der Welt, ihn zurückzuziehen.

Doch das brachte sie nicht fertig, im Gegenteil. Sie wollte mehr!

Dieses Eingeständnis war zwar keine Überraschung, jagte ihr aber trotzdem auch dieses Mal einen gehörigen Schreck ein … und reizte ihre Neugierde. Wie es wohl sein mochte, von ihm geküsst zu werden?

Fasziniert beobachtete Santo das lebhafte Mienenspiel seiner spröden PA. Die letzte Nacht war höllisch gewesen und hatte ihn völlig ausgelaugt. Und die Grenzen, die Ella bei ihrem Arbeitsantritt abgesteckt hatte, schienen unüberwindlich. Darum wollte er lieber nichts überstürzen. Doch trotz Erschöpfung und Benommenheit hatte Santo plötzlich das untrügliche Gefühl, dass ihre Festung ins Wanken geriet.

Nur nicht so hastig! mahnte er sich zur Geduld, sonst schlage ich das scheue Wild doch noch in die Flucht.

„Santo, ich …“ Sie vergaß, was sie hatte sagen wollen, als er einen Finger auf ihre Lippen legte. Bedächtig, fast zärtlich, fuhr er die sanft geschwungenen Konturen nach, und Ella glaubte, vor Aufregung und Wonne vergehen zu müssen. Sie hatte so viel über diesen Mann gehört und öfter von ihm geträumt, als sie je zugeben würde. Aber nie hätte sie erwartet, ihn so sensibel und zurückhaltend zu erleben. Irgendwie fühlte sie sich selbst dadurch mutiger und selbstsicherer, und als Santo sanft ihre Lippen öffnete, nahm sie seine Fingerkuppe spielerisch zwischen die Zähne.

Mehr Aufforderung brauchte er nicht.

Das Nächste, was Ella spürte, war sein fester, fordernder Mund auf ihrem. Bereitwillig kam sie ihm entgegen. Nichts war fremd, so als hätten sie sich schon hundert Mal geküsst. Jeder schien zu wissen, was der andere wollte. Darum zuckte sie auch nicht zurück, als sie seine Hand auf ihrer Brust fühlte, sondern drängte sich ihm hungrig entgegen.

Dass er unter der dünnen Bettdecke nackt war, machte das Ganze noch aufregender, hielt Ella aber gleichzeitig die unglaubliche Intimität der Situation vor Augen. Halbherzig versuchte sie, sich zurückzuziehen, doch das ließ Santo nicht zu. Seine Libido schrie nach Erfüllung und sein verletzter Stolz nach Genugtuung. Zu lange hatte er sich von seiner prüden PA abgewiesen gefühlt.

„Tu mir das nicht an …“, murmelte er heiser, schlug die Decke zurück und zog Ella mit einem Ruck auf sich.

Kein Zweifel, sein Verlangen stand ihrem in nichts nach! Ungeduldig schob Santo ihren Rock hoch, umfasste die knackigen Pobacken und bewegte rhythmisch und fast aggressiv die schmalen Hüften.

Ella stockte der Atem. Was nicht mehr als ein heißer Kuss hatte werden sollen, drohte ihre sichere Welt aus den Angeln zu heben. Dass ihrem Boss der Ruf anhaftete, ein notorischer Verführer zu sein, war für sie natürlich kein Geheimnis, allerdings konnte sie erst jetzt aus erster Hand bestätigen, wie heiß er wirklich war!

Mit fiebrigen Händen erforschte er jede verlockend weibliche Kurve, die Ella ihm viel zu lange vorenthalten hatte. Heute würde er endlich für die Hölle entschädigt, die sie seinem männlichen Ego bereitet hatte. Darum wollte er jede einzelne Sekunde gründlich auskosten und tat alles, um Ella mit Händen, Lippen und Zunge zum Gipfel der Ekstase zu treiben. Denn wenn er erst in ihr war, konnte er sich unter Garantie nicht zurückhalten. Dafür hatte er einfach zu lange auf sie warten müssen.

„Santo …“ Sie war ebenso atemlos wie er. „Versuch ein wenig zu schlafen …“

Hatte er sich gerade verhört? Zu spät begriff er, dass Ella ihr heißes Liebesspiel unterbrochen und sich ihm entzogen hatte. Er wollte nach ihr greifen, doch sie stand bereits neben dem Bett, schob den schmalen Bleistiftrock herunter und strich ihn glatt.

„Das ist nicht dein Ernst!“, keuchte er.

„Ein Kuss muss nicht immer gleich mit so etwas enden“, belehrte sie ihn heiser, obwohl ihr Körper etwas ganz anderes sagte. „Außerdem bist du sicher noch viel zu erschöpft. Schon vergessen, wie dein Hals aussieht?“, fügte sie maliziös hinzu.

Santo stöhnte frustriert auf. „Gestern Nacht ist absolut nichts passiert“, behauptete er, was Ella mit einem ungläubigen Lachen quittierte. „Du kannst mir ruhig glauben. Allein sie zu küssen, hat mich derart gelangweilt, dass meine Gedanken einfach abgeschweift sind.“

Verflucht! Er sollte sie nicht so leicht zum Lachen bringen können.

„Das Nächste, woran ich mich erinnere, waren ihre Lippen an meinem Hals.“

„Armer Kerl, ein Überfall also!“, spottete sie. „Umso mehr brauchst du deine Ruhe.“ Blitzschnell beugte sie sich zu ihm, küsste ihn auf die stoppelige Wange und war bereits an der Tür, bevor Santo sich von dem Überraschungsangriff erholt hatte.

„Reichst du mir wenigstens noch eine Packung Papiertücher?“

Ella hob streng die Brauen. „Du kannst wirklich kein Nein akzeptieren, oder?“

„Wie bitte?“ Er tat verletzt. „Ich will mir wirklich nur die Nase putzen. Ich bin diese Heulerei einfach nicht gewohnt … fühlt sich an, als hätte man ein Erkältung.“

„Lügner!“ Sie holte die Box aus dem Bad und warf sie ihm zu.

„Besten Dank“, brummte Santo resigniert, nachdem er sie aufgefangen hatte. „Solltest du deine Meinung noch ändern, weißt du ja, wo du mich findest …“

3. KAPITEL

Sobald sie die Schlafzimmertür mit festem Druck hinter sich geschlossen hatte, gönnte sich Ella einen gekühlten Grapefruitsaft aus der Zimmerbar und nahm einen großen Schluck. Doch weder der herbe Geschmack noch die erfrischende Kühle konnten die heißen Küsse auslöschen, die immer noch auf ihren Lippen brannten. Auch ihr Gesicht und ihr Dekolleté, wo Santo mit seinen Bartstoppeln ihre zarte Haut zerkratzt hatte, prickelten nach wie vor.

Egal, wie sehr sie versucht war, über ihren Schatten zu springen und sein Angebot anzunehmen, die Arbeit war wichtiger. Auf keinen Fall wollte sie ihre Karriere wegen eines Mannes gefährden, selbst wenn es sich um so ein Prachtexemplar wie nebenan handelte!

Schlimm genug, dass sie sich zu den bösen Jungs hingezogen fühlte, obwohl sie ihre Lektion nach einer Reihe missglückter Beziehungen eigentlich gelernt haben sollte. Und ihr Boss gehörte zweifellos in diese Kategorie! Allerdings konnte man ihm nicht vorwerfen, dass er falsch spielte: Santo Corretti machte niemals Versprechungen, die er nicht zu halten gedachte. Sein Ruf sollte ihr Warnung genug sein, ganz abgesehen von den demütigenden Erfahrungen als sein Postillon d’Amour.

Jede Frau, die sich einbildete, ein Mann wie er würde sich je ändern, konnte nur enttäuscht werden. Und Ella war kein Dummkopf.

Darum weigerte sie sich auch, dem sehnsüchtigen Verlangen nachzugeben, das sie immer häufiger überfiel, sobald sie in seiner Nähe war. Ihre Karriere stand an erster Stelle. Doch heute, an ihrem eigentlich freien Tag und mit der Option, den Job bei Santo bald zu kündigen, war sie für einen gefährlichen Moment schwach geworden.

Und was war die Konsequenz? Es hatte nur ein einziger, romantischer Kuss sein sollen. Auf die überwältigende Chemie zwischen ihr und ihrem Boss war sie einfach nicht vorbereitet gewesen.

Ella verbrachte den größten Teil des Vormittags damit, Anrufe entgegenzunehmen, während sie tapfer versuchte, nicht an den Mann zu denken, der nur wenige Meter von ihr entfernt nackt im Bett lag. Gegen Mittag hatte sie den Namen Taylor Carmichael gründlich satt, ebenso wie die dreisten Fragen nach Santos Familie. Deshalb lenkte sie alle Rufnummern auf einen Anrufbeantworter um, bis auf die von Alessandro.

Erst dann klappte sie Santos Laptop auf, loggte sich in ihren Account ein und las die eingegangenen E-Mails. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sie sah, dass Luigi aus Rom endlich geantwortet hatte. Ungeduldig überflog sie die höflichen Eingangsfloskeln bis zu dem Punkt, an dem er sich für die Verzögerung entschuldigte, und atmete tief durch, als sie las, worauf sie so angespannt gewartet hatte. Schon in einem Monat konnte sie die gewünschte Stelle als Junior-Assistant in seiner aufstrebenden Filmfirma, mit Sitzen in Rom und Florenz, antreten!

Für einen Moment schien die Welt um Ella herum stillzustehen. Endlich war sie ihrem Traum ganz nah. Gut, Junior-Assistant war noch nicht die gewünschte Sprosse auf ihrer ehrgeizigen Karriereleiter. Aber immerhin ein Titel, der sie in die ersehnte Richtung brachte. Außerdem sicherte er ihr weit mehr Kompetenzen zu, als Santo es tat. Der war so eifersüchtig darauf bedacht, sein Baby, wie er das anstehende Filmprojekt zu nennen pflegte, ganz allein aus den Windeln zu heben und zum Laufen zu bringen, dass für sie einfach kein Platz am Set und erst recht nicht auf einem Regiestuhl war.

Ella schloss die Augen, während ihre Gedanken zu dem Mann wanderten, der nebenan hoffentlich friedlich schlummerte.

Unglücklicherweise wusste sie weit mehr über seine Beziehung zu Frauen als ihr lieb war. Sie dauerten in der Regel nur wenige Tage, bestenfalls Wochen – und manchmal auch nur eine Nacht. Eine heiße, kurze Affäre war alles, was Santo seinen Gespielinnen zu bieten hatte. Nach romantischen Dinnereinladungen, Bett, Frühstück, Blumen und Champagner folgte unweigerlich eine Flut frustrierter Anrufe, weinerlicher E-Mails und heißer Tränen.

Und Santos unermüdliche PR nahm die notwendigen Buchungen vor, zahlte die Rechnungen und sammelte hinterher die Scherben auf. Hielt er das wirklich für einen Traumjob?

Das Hoteltelefon schrillte, und als sie abnahm, meldete sich die Rezeption und erkundigte sich, ob ihr Boss heute auschecken oder noch eine weitere Nacht bleiben würde.

„Ich bin nicht sicher.“ Das war die stereotype Antwort, mit der sie gewöhnlich Personal, die Presse und aufdringliche Geliebte abwimmelte. Frustriert streckte Ella die steifen, schmerzenden Glieder, sah auf die Uhr und gähnte verstohlen.

Was für ein freier Sonntag! Leise öffnete sie die Tür zum Nebenraum und versuchte, das Dämmerlicht mit ihren schmerzenden Augen zu durchdringen. Tiefe regelmäßige Atemzüge verrieten ihr, dass ihr Boss immer noch fest schlief. Leise trat sie an sein Bett.

„Santo?“ Mit einem Protestlaut rollte er sich auf den Bauch und zog das Kissen über den Kopf. „Santo!“ Diesmal war die Ansprache deutlich schärfer. „Es ist bereits nach zwei. Die Rezeption möchte wissen, ob du noch eine weitere Nacht bleibst.“ Ihn nach dem erotischen Intermezzo wieder zu siezen, erschien ihr unpassend und albern. Außerdem würde sie ihn ohnehin bald verlassen.

„Hat Alessandro sich gemeldet?“

„Nein, trotzdem ist es Zeit aufzustehen.“

„Nur noch eine Stunde …“, murmelte er verschlafen und erinnerte sich erst verspätet daran, was heute für ein Tag war. „Du kannst Feierabend machen und nach Hause gehen, oder …“ Er rollte sich auf die Seite, um seine geschundenen Lippen spielte ein laszives Lächeln. „Oder du kommst zu mir ins Bett.“

Höchste Zeit, sich zu verabschieden, dachte Ella. Inzwischen musste Santo nüchtern genug sein, um sich selbst um das Hotelzimmer kümmern und seinen Wagen fahren zu können. Sie würde ihn Montag am Filmset wiedersehen, und bis dahin gab es für sie noch eine Menge zu tun. Sekundenlang betrachtete sie den dunklen Kopf auf dem weißen Kissen, seufzte verhalten und wandte sich ab.

Doch trotz aller guten Vorsätze brachte sie es nicht fertig, ihre Santo-Bag zu schnappen und einfach zu verschwinden. Unentschlossen ging sie in das angrenzende Bad, starrte auf ihr übermüdetes Konterfei im Spiegel und schnitt eine kleine Grimasse.

Sie traute niemandem, und seit zwei Monaten nicht einmal mehr ihrer eigenen Mutter. Und dennoch verspürte sie den absurden Wunsch, Santo zu vertrauen. Er suchte nie nach Ausreden oder Entschuldigungen und hielt es gar nicht für nötig zu lügen. Ohne Wenn und Aber stand er zu seinem desaströsen Ruf, und diese freimütige Arroganz zog sie magisch an.

Mehr als einmal schon hatte Ella sich vorgestellt, wie es sein müsste, mit ihm zu schlafen. Immerhin war sie auch nur ein Mensch aus Fleisch und Blut und hatte die hinreißendsten Frauen seinetwegen hoffnungslose Tränen vergießen sehen. Und nach dem kleinen erotischen Zwischenspiel von heute Morgen konnte sie ihre Geschlechtsgenossinnen sogar ein wenig besser verstehen und war ernsthaft neugierig geworden.

Bisher hatte Ella Sex nicht besonders genossen, was möglicherweise an der Wahl ihrer Partner lag. Doch irgendwie war sie überzeugt, dass es mit Santo anders sein würde. Und wenn sie es einfach herausfand? Er wäre bestimmt eine Erfahrung wert, und Tränen würde sie seinetwegen ganz sicher nicht vergießen! Anders als seine landläufigen Geliebten hatte sie nicht den leisesten Ehrgeiz, ihn zu ändern, da sie ein derartiges Bestreben ohnehin für aussichtslos hielt.

Ich will einfach nur eine heiße Lektion in Sachen Sex von einem Experten, sagte sich Ella. Zum Glück habe ich keinen einzigen romantischen Knochen im Leib!

„Also, worauf wartest du?“, raunte sie sich selbst Mut zu, während sie einen Knopf nach dem anderen öffnete und ihre Seidenbluse über die Schultern zu Boden gleiten ließ. Aufmunternd lächelte sie ihrem Spiegelbild zu, und keine Minute später kehrte sie auf leisen Sohlen und splitterfasernackt ins Schlafzimmer zurück und betrachtete Santos entspannt ausgestreckte Gestalt unter der zerknüllten Bettdecke.

Ihre Füße waren eiskalt, was Santo ihr auch verschlafen vorwarf, als sie zu ihm unter die Decke schlüpfte. Ohne die Augen zu öffnen, zog er Ella an sich, klemmte ihre Füße zwischen seine warmen Schenkel und vergrub das Gesicht in ihrem Haar. Einen atemlosen Moment lang befürchtete Ella, er wäre erneut eingeschlafen, oder – was noch viel demütigender wäre – er hätte nicht die geringste Ahnung, wen er in den Armen hielt.

Einmal hatte er sie mitten in der Nacht aus einer Hotelsuite angerufen, weil er den Namen seines Dates vergessen hatte und sich nicht zurück zu der Dame ins Bett traute. Natürlich hatte sie ihm auch aus dieser peinlichen Lage geholfen. Um nichts auf der Welt durfte sie darum auch nur für eine Sekunde vergessen, wie Santo tatsächlich war.

„Du fühlst dich noch viel besser an, als du aussiehst …“, murmelte er beglückt und umfasste ihre Brüste mit seinen warmen Händen. „Und du siehst hinreißend aus, Ella.“

Na, wenigstens das bleibt mir erspart! registrierte Ella mit weit offenen Augen, entschlossen, sich von der intimen Situation nicht einlullen zu lassen.

„Träume ich?“

„Nein.“

„Gut … denn wenn ich träumen würde, dann wäre es ein ziemlich schmutziger Traum und ich wäre nie mehr in der Lage, dir offen in die Augen zu schauen“, murmelte er heiser. „Verrätst du mir, was dich bewegt hat, deine Meinung zu ändern?“ Nichts hätte ihn mehr überraschen können als ihr Erscheinen in seinem Zimmer, doch es fühlte sich so verdammt gut an, dass er seine spröde PA auf keinen Fall erschrecken oder wieder verscheuchen wollte. „Ich muss es wissen, damit wir das Spielchen beim nächsten Mal abkürzen können.“

„Es wird kein nächstes Mal geben.“

Santo lachte, leise, rau und viel zu siegessicher. „Oh doch, Tesoro, das wird es. Dafür hast du mich schon viel zu lange warten lassen.“

Ella schauderte wohlig, als er zärtlich ihr Ohrläppchen küsste und sein warmer Atem über ihre Wange strich. Instinktiv versuchte sie, von ihm abzurücken, doch das ließ Santo nicht zu, stattdessen presste er ihren widerstrebenden Körper mit seinem auf die Matratze. Seine harte Männlichkeit ließ keinen Zweifel aufkommen, wie sehr er sie begehrte.

„Warum bist du zurückgekommen?“, beharrte er schwer atmend auf einer Antwort.

Ella schwieg verbissen.

„Ich dachte, du wolltest mich für immer verlassen.“

Wie perfide von ihm, ausgerechnet jetzt dieses leidige Thema anzuschneiden, das ihr gleich wieder die Schamesröte in die Wangen trieb! „Ich habe dich nie im Unklaren darüber gelassen, dass ich konkrete Träume und Ziele habe.“

„Nicht im Unklaren gelassen? Schon vergessen, dass ich dir einen Erste-Klasse-Flug gebucht und dich in einem 5-Sterne-Hotel untergebracht habe, um dir den angeblichen Arztbesuch in Rom so angenehm wie möglich zu machen?“

„Ich … ich wollte dich gleich nach meiner Rückkehr aufklären, aber … ich dachte, ich würde noch zu einem weiteren Termin …“ Wie sollte sie sich konzentrieren, wenn er trotz der harschen Vorwürfe damit fortfuhr, jeden Zentimeter ihres Körpers mit Händen und Lippen zu erkunden?

„Und was für eine Ausrede hättest du beim zweiten Mal erfunden?“ Seine Hand lag zwischen ihren Schenkeln, und Ella hatte Mühe, nicht laut aufzustöhnen vor Wonne. „Ich habe mir schreckliche Sorgen um dich gemacht.“

„Lügner.“

„Doch“, beharrte Santo. „Ich dachte nur, es ginge um Frauenkram, und darum konnte ich schlecht nachhaken.“ Endlich fanden seine Finger das Zentrum ihrer Lust. „Jetzt bin ich natürlich sehr erleichtert, dass hier alles in Ordnung ist“, raunte er in ihr Ohr und presste sich noch enger an sie.

„Santo!“

„Letzte Nacht, mit diesem Vampirmädchen … da habe ich schon befürchtet, impotent geworden zu sein.“

„Oh, bitte!“ Wie konnte dieser Mistkerl sie in einer so intimen Situation nur zum Lachen bringen? Und wie verrucht und verdorben war sie selbst, ein derart delikates Thema auch noch amüsant zu finden? Ella war fassungslos.

„Und nun befürchte ich eher, an Eiaculazione Precoce, vorzeitigem Samenerguss, zu leiden!“, setzte er dem Ganzen noch die Spitze auf und reizte seine PA damit zu einem hilflosen Kichern. „Also sei mir bitte nicht böse, wenn es bei unserem ersten Mal etwas schnell geht, danach werde ich mir alle Zeit der Welt nehmen … ich schwöre!“ Während er sprach, lehnte Santo sich aus dem Bett. Ohne seine süße Beute loszulassen, tastete er vergeblich nach seinem Jackett und fluchte unterdrückt, als ihm einfiel, dass er es im Bad gelassen hatte.

Doch Ella wäre nicht die perfekte PA gewesen, hätte sie seine Absicht nicht gleich erkannt. Lächelnd griff sie nach dem Kondom, das sie vorsorglich auf dem Nachttisch deponiert hatte.

„Braves Mädchen!“ Es war also kein spontaner Einfall gewesen. Santo konnte es immer noch nicht ganz glauben. „Lass mich das lieber machen, sonst …“

Ella errötete unter seinem Blick und noch mehr, als sie das Ausmaß seiner Erregung sah. Instinktiv beugte sie sich vor, um ihn zu berühren, doch er fing ihre Hand ein und hielt sie fest.

„Seit du damals so überraschend in meinem Büro aufgetaucht bist, habe ich oft und lange über dich nachgedacht“, gestand er rau und betrachtete genüsslich ihren atemberaubenden nackten Körper. „Dein Italienisch war grauenhaft.“

„Warum hast du mich dann eingestellt?“

„Ich wollte dich, von der ersten Sekunde an. Morgen kannst du meinetwegen deshalb beleidigt sein und mich dafür zur Rechenschaft ziehen, aber heute ist es mir egal. Ich möchte nichts von dieser kostbaren Zeit verlieren.“

Das wollte Ella auch nicht, wie sie gerade feststellte.

Lustvoll strich er über ihre Hüften, umfasste ihre Pobacken und zog sie mit einem Ruck auf sich, ohne den Blickkontakt abzubrechen. In den dunklen Augen loderte ein grünes Feuer, das sie zu versengen drohte. „Ella …“

Mehr brauchte er nicht zu sagen. Seine ungezügelte Leidenschaft ließ sie bis ins Innerste erbeben und entführte sie auf den Gipfel vollkommener Ekstase. Er hatte etwas Unberechenbares, Animalisches an sich, auf das ihr Körper mit einer Vehemenz antwortete, die Ella gleichzeitig verstörte und entzückte.

Ihr Liebesakt glich einem leidenschaftlichen Tanz nach einer wilden, berauschenden Melodie, die direkt aus ihren Herzen kam. Sie verloren sich im Rausch der Sinne, fanden in vollkommener Harmonie wieder zusammen und auf dem Höhepunkt glaubte Ella, vor Lust vergehen zu müssen.

Es dauerte sehr lange, bis sie wieder in die Wirklichkeit zurückfand. Als Ella spürte, wie Santo ihr zärtlich die feuchten Locken aus der heißen Stirn strich, öffnete sie widerstrebend die Augen und schauderte unter seinem leuchtenden Blick.

„Es hat sich absolut gelohnt, so lange zu warten, Bellissima.“

Musste er so hinreißend und sensibel sein, selbst jetzt noch, nachdem er bekommen hatte, was er wollte? Wenn sie nicht aufpasste, würde sie genauso jammernd und zeternd enden wie seine anderen Geliebten, deren Naivität und Schwäche sie so verachtet hatte.

Als Santo erklärte, dass er einen Bärenhunger hatte, wollte Ella ihm gerade eines der Croissants vom verschmähten Frühstück zu einem Glas Orangensaft anbieten, doch dann sah sie, dass er bereits zum Telefon griff.

„Was willst du haben?“, fragte er über die Schulter nach hinten.

„Ist mir egal.“ Aus Erfahrung wusste sie, dass er ohnehin das bestellen würde, was ihm als Erstes in den Sinn kam, und davon auf jeden Fall zu viel.

Heute entschied er sich für Fingerfood und eisgekühlten Champagner, doch die Ungeduld trieb ihn aus dem Bett nach nebenan, wo er sich einen Orangensaft einschenkte und nach den Zeitungen griff. Nebenbei checkte er sein Handy, und weil immer noch keine Nachricht von Alessandro dabei war, schaute er auch gleich noch im Laptop nach. So landete er in Ellas E-Mail-Account, da sie Luigis Mail aus Rom gelesen hatte, bevor sie in sein Bett gekommen war.

Sein Blick verdüsterte sich. Jetzt brauchte er nicht länger zu grübeln, warum Ella ihre Meinung so plötzlich geändert hatte. Hier stand die Antwort.

Aber irgendwie reichte ihm das noch nicht, stellte Santo frustriert fest. Bevor er sie so einfach gehen ließ, wollte er mehr über seine ebenso tüchtige wie verschlossene PA wissen. Er schenkte ein zweites Glas Orangensaft ein, stieg zurück ins Bett und drückte Ella den Fruchtsaft in die Hand.

Gleich darauf klopfte es an der Tür, was sie als Vorwand nutzte, um ins Bad zu flüchten. So abgebrüht, neben ihrem Boss liegen zu bleiben, während Champagner aufs Zimmer serviert wurde, war sie dann doch nicht.

„Du bist nicht nur prüde, sondern auch noch eine kleine Heuchlerin“, warf er ihr vor, als sie vorsichtig durch den Türspalt spähte, um zu sehen, ob die Luft rein war. Es klang aber nicht zynisch, sondern eher belustigt. „Zumindest am ersten Makel werden wir gleich weiterarbeiten, vorher muss ich nur noch ein paar Telefonate führen.“

Ella erwiderte sein Lächeln und schlüpfte zurück ins Bett. Auch wenn sie sich gerade wie auf einer Trauminsel fühlte, konnte sie die normale Welt da draußen natürlich nicht ausblenden. Und Santo am Telefon war ein gewohnter Anblick für sie. Normalerweise jedoch zog er sich für Privatgespräche zurück. Jetzt blieb er im Bett sitzen, naschte zwischendurch an den bestellten Köstlichkeiten und nippte am Champagner, während er diverse Familienmitglieder anrief.

Soweit sie es mit einem Ohr mitbekam, ging es hauptsächlich um die skandalösen Zwischenfälle der letzten vierundzwanzig Stunden, auf die Santo aber nicht näher einging. Ganz entgegen seiner Gewohnheit schien er sich diesmal eher aufs Zuhören zu konzentrieren. Nach dem letzten Gespräch legte er auf und befahl Ella, alle Anrufer abzuweisen, bis auf Alessandro. Dann lehnte er sich zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und ließ die Ereignisse der letzten Nacht noch einmal etwas ruhiger und geordneter vor seinem inneren Auge vorbeiziehen.

Der Drang, sich jemandem anzuvertrauen, der nicht zur Familie gehörte, irritierte ihn. Und selbstverständlich konnte er Ella nicht alles erzählen …

„Du weißt, dass wir uns um den Auftrag für die Renovierung der Hafenviertel bemühen?“, tastete er sich vor.

„Ich habe davon gehört.“ Ella versuchte gerade, sich zwischen den süßesten und saftigsten Feigen zu entscheiden, die sie jemals gekostet hatte, und knackigen Erdbeeren mit einem Topping aus dunkler Schokolade. Alles, was mit den Correttis zusammenhing, erschien irgendwie geheimnisvoll und wurde einem meist hinter vorgehaltener Hand zugeraunt.

Alte Hafenorte waren als romantische Filmkulisse sehr begehrt, und Ella wusste, dass die Correttis darauf hofften, den heruntergekommenen Vierteln neues Leben einhauchen und damit natürlich auch einen Batzen Geld verdienen zu können.

„Für mich die Erdbeere …“, raunte Santo in völlig verändertem Ton, und erst jetzt merkte Ella, dass er sie beobachtete. Bedächtig nahm sie eine Frucht zwischen die Zähne, beugte sich über ihn und fütterte Santo von Mund zu Mund. Natürlich blieb es nicht beim kulinarischen Genuss, sondern mündete in heißen, hungrigen Küssen, von denen sie beide nicht genug bekommen konnten.

„Wir sollten unbedingt mehr Erdbeeren bestellen“, stöhnte Santo animiert, als die Schale mit den Schokofrüchten leer war. „Andererseits sind die Feigen viel schwerer zu teilen, und eine weitere Störung können wir momentan absolut nicht gebrauchen.“ Doch anstatt seinen Worten Taten folgen zu lassen, sprach er plötzlich weiter über Dinge, die er noch nie jemandem anvertraut hatte.

„Salvatore, mein Großvater, hat vor seinem Tod noch alles in die Wege geleitet, was ihm wichtig war. Wie die Hochzeit, zu der es ja nun nicht gekommen ist.“

„Dann wäre es also keine Liebesheirat zwischen Alessandro und Alessia gewesen?“, fragte Ella und begegnete Santos verblüfftem Blick.

Naive Pute! schalt sie sich selbst. Liegst hier mit einem Corretti im Bett und stellst derart alberne Fragen!

„Battaglia hat seine Unterstützung für das geplante Sanierungsprojekt sofort zurückgezogen.“ Noch während er sprach, hatte Santo das Gefühl, Ella schon viel zu weit in die unseligen Verwicklungen und Fehden der beiden Familienclans hineingezogen zu haben. „Aber damit will ich mich jetzt gar nicht auseinandersetzen, stattdessen werde ich mich allein auf meinen Film konzentrieren … und natürlich auf dich, Bellissima.“

„Bleiben wir lieber beim Film.“ Für Ella war ihr erotisches Intermezzo beendet, sobald sie die Hotelsuite verlassen würde. Auf keinen Fall wollte sie so lange warten, bis Santo sich langweilte. Doch während sie dann tatsächlich über sein anstehendes Projekt sprachen, erhob sie keinen Einwand dagegen, an ihren sensibelsten Körperstellen gestreichelt und geküsst zu werden. Oder immer wieder zwischendurch eine süße Feige mit ihm zu teilen.

„Seit wann träumst du davon, Filmregisseurin zu werden?“, wollte er zwischen zwei Bissen wissen.

„Schon immer.“

Erstaunt hob er die Brauen. „Wirklich schon immer?“

Ella dachte an die Zeit zurück, in der sie sich als kleines Mädchen vor dem Lärm und den Streitereien nach oben in ihr Zimmer geflüchtet und sich eine eigene, heile Welt erschaffen hatte. Immer wieder hatte sie dabei in ihrem Kopf die Kameraposition gewechselt und an der Perspektive, den Dialogen und dem Szenenaufbau gefeilt, bis ihr alles richtig erschienen war.

Später investierte sie jeden einzelnen Penny in Drehbücher und Filmmanuskripte, bis sie zu ihrer Begeisterung entdeckte, das man sie auch online finden und herunterladen konnte. Inzwischen war sie siebenundzwanzig, besaß keine praktische Erfahrung, konnte aber auf zwei Jahrzehnte hartes Training in ihrem Traumjob zurückblicken.

„Es ist das, was ich mein Leben lang tun wollte“, erklärte sie schlicht.

„Warum arbeitest du dann als Sekretärin? Beim Einstellungsgespräch hast du behauptet, es würde dir größtes Vergnügen bereiten, als persönliche Assistentin für den reibungslosen Arbeitstag deines zukünftigen Chefs zu sorgen.“ Santo erinnerte sich nur zu gut an die attraktive junge Frau, die damals unangekündigt in seinem Büro aufgetaucht war, entschlossen, ihn mit ihren Qualitäten zu beeindrucken.

Ella lächelte sonnig. „Da habe ich gelogen, wie man das eben bei derlei Gelegenheiten tut. Aber deine PA zu spielen, ist die zweite große Leidenschaft in meinem Leben, Santo.“

Noch nie hatte er sie so locker und herausfordernd offen erlebt. Und anstatt brüskiert oder beleidigt zu sein, war er fasziniert. „Die dritte …“, murmelte er heiser, zog sie auf sich, und für eine Weile war sogar ihr Lieblingsthema vergessen.

Doch kaum waren sie wieder zu Atem gekommen, da kehrte Ella auf das anstehende Filmprojekt zurück. Es war eine zu Herzen gehende Geschichte über einen Soldaten, der in den Kriegswirren als verschollen galt, vielleicht sogar gefallen war, und dessen Frau in ihrer tiefen Verunsicherung Trost bei seinem besten Freund suchte. Beide fühlten sich in ihrer gemeinsamen Trauer vereint. Das Resultat war eine Schwangerschaft der vermeintlichen Kriegswitwe, die plötzlich mit der Nachricht von der Heimkehr ihres verschollenen Gatten konfrontiert wurde.

„Es muss auf jeden Fall eine Liebesgeschichte bleiben.“ Das klang fast beschwörend. „Aber es gibt eine Reihe von Szenen, die mich einfach noch nicht überzeugen“, gestand Santo und sah Ellas Augen vor Interesse und Anteilnahme aufleuchten.

Sie war hingerissen. Endlich konnte sie einmal mit ihm über ihre gemeinsame Passion diskutieren. Wenn er doch nur einsehen würde …

„Wie kann sie ihren Mann so schnell vergessen, wenn sie ihn liebt?“

„Aber sie hat ihn nicht vergessen, nicht für eine Sekunde“, erklärte Ella leidenschaftlich.

„Und landet so schnell mit einem anderen im Bett? Da kann er wohl kaum ihre große Liebe gewesen sein!“

„Kommt das aus berufenem Munde?“, konterte sie.

„Ich war nie verliebt“, kam es fast brüsk zurück. „Ehrlich gesagt, glaube ich nicht einmal, dass so etwas wie die große Liebe überhaupt existiert.“ Zumindest nicht, wenn er seine eigene Familiengeschichte durchforstete, obwohl …

„Obwohl …“, sprach er seine Gedanken laut aus und rechtfertigte sein ungewohntes Mitteilungsbedürfnis für sich damit, dass es hier nur um den Film ging und nicht etwa um sein eigenes Seelenheil. „Nonna, meine Großmutter, hat mir einmal anvertraut, dass sie sich auf den ersten Blick in meinen Großvater verliebt hat.“

„Na siehst du!“

„Was nicht heißt, dass er ihre Gefühle erwidert hätte. Salvatore liebte allein Geld und Macht, genau wie mein Vater, wobei …“ Plötzlich fiel ihm noch etwas ein. „Ich glaube, mein Onkel Benito war zumindest seiner ersten Frau aufrichtig zugetan, aber egal. Hier geht es um die Glaubwürdigkeit des Films, die in meinen Augen nicht gegeben ist, wenn Taylor und Vince die Liebesszenen derart leidenschaftlich spielen.“

„Sie lieben sich nicht, sondern haben Sex miteinander“, korrigierte Ella ihn nüchtern. „Die Trauer der vermeintlichen Witwe ist so groß, dass sein Freund einfach alles tun würde, um sie zu trösten.“

„Und deshalb geht sie nur wenige Tage, nachdem sie die Vermisstenmeldung ihrer großen Liebe erhalten hat, mit ihm ins Bett! Verstehst du jetzt, dass es eine enorm begabte Schauspielerin erfordert, um dieses Dilemma überzeugend darzustellen?“

„Absolut.“

„Warst du eigentlich jemals ernsthaft verliebt, Ella?“

Das ging ihn nichts an. „Nein, aber voller Lust und Leidenschaft …“

Santo lachte und streckte die Hand nach ihr aus. „Was ich bestätigen kann.“

„Jetzt mal im Ernst.“ Ella setzte sich auf und zog die Decke fest um sich herum. „Ich bin nicht sicher, ob ich überhaupt verliebt sein möchte. Ich glaube, das beeinträchtigt nur den Verstand und verleitet einen zu unüberlegten Entscheidungen.“

„Zum Beispiel?“

Ihre Antwort bestand nur aus einem Schulterzucken. Sie war es nicht gewohnt, ihre ureigenen Gefühle und Gedanken mit jemandem zu teilen. „Zum Beispiel eine Freundin in Australien. Seit ihrer Teenagerzeit habe ich sie der Liebe wegen weit häufiger in Tränen aufgelöst erlebt als lächelnd. Eine andere …“

„Und was ist mit deinen Eltern?“

„Ich bin nicht gut im Vergeben und Vergessen“, entfuhr es ihr wider Willen. „Und das scheint eine Grundvoraussetzung zu sein, wenn man sich auf die sogenannte Liebe einlässt. Nicht anders läuft es auch bei meinen Eltern, würde ich sagen. Was mich betrifft, entscheide ich mich auf jeden Fall für die Lust.“

Damit hatte Santo absolut kein Problem.

Doch die Erkenntnis, dass Ella sich, was Privates betraf, ähnlich verschlossen zeigte wie er, reizte seine Neugierde. Bevor er jedoch weiter nachhaken konnte, brachte sie ihn geschickt aufs eigentliche Thema zurück.

„Glaubst du, dass er seiner Frau vergibt?“

Sie war also wieder bei dem Film. „Ich würde es nicht tun“, bekannte er ehrlich.

„Warum nicht?“

„Immerhin ist sie für ihn auch die große Liebe seines Lebens … zumindest bildet er sich das ein!“, fügte er mit schiefem Grinsen hinzu, da ihm einfiel, dass so etwas im wahren Leben gar nicht existierte. „Was denkst du?“

Ella wiegte zweifelnd den Kopf. „Ich weiß nicht. Ich halte es für eine exzellente Idee, dem Zuschauer die Entscheidung zu überlassen. Und ich bin ungeheuer gespannt darauf, wie Taylor das spielen will.“

„Na, und ich erst!“ Santo seufzte verhalten.

Es musste einfach gelingen! Jedes seiner Projekte lag ihm am Herzen, aber keines so sehr wie dieser spezielle Film. Und gerade jetzt, in einem Moment, wo Alessandro sich von ihm zurückzog und der Name ihrer Familie in sämtlichen Schlagzeilen der Sensationspresse auftauchte.

Dies war seine Chance, endlich aus dem Schatten des Bruders herauszutreten und allen das Gegenteil zu beweisen, die ihn für ein Leichtgewicht hielten. Santo ertappte sich dabei, dass er beängstigend kurz davor war, Ella in seine konfusen Gedanken einzuweihen. Und ihr womöglich auch noch anzuvertrauen, wie es gewesen war, mit Carlo Corretti als Vater aufzuwachsen, der seinen zweiten Sohn überhaupt nicht wahrgenommen hatte. Bis auf ein Mal, als er ihm die Tür zur Vorstandsetage des Familienunternehmens direkt vor der Nase zugeschlagen hatte.

Niemals ein Lob oder auch nur eine Anerkennung … nicht, dass er das je gebraucht hätte!

Santo leerte sein Champagnerglas auf einen Zug und stellte es zur Seite. Impulsiv griff er in den silbernen Sektkühler, fischte eine Hand voll Eiswürfel heraus und fuhr damit über Ellas Dekolleté, soweit es über der Bettdecke sichtbar war. „Im Drehbuch steht, dass ihm bei der Heimkehr die kaum merklichen Veränderungen ihrer Brüste auffallen und er erkennt, dass sie schwanger ist …“

Ella schauderte, während das Eis auf ihrer heißen Haut schmolz, und spitzte kokett die Lippen, was Santo bereitwillig und völlig korrekt als Einladung interpretierte.

Nach einem Kuss voller Leidenschaft und Hingabe schob er die freie Hand unter die Decke und strich sanft über Ellas flachen Bauch. „Ohne den Begrüßungskuss zu unterbrechen, betastet ihr Ehemann die leichte Wölbung ihres Leibes, und immer noch lassen seine Lippen ihre nicht los, was mir momentan leider unmöglich ist …“

Ella konnte nicht anders, als leise aufzulachen.

Ungeduldig schob Santo die Decke zurück und bedeckte ihre Blöße mit seinem erregten Körper. Als sie ihre warmen Schenkel um seine Hüften schlang, stöhnte er dumpf auf, versuchte aber trotzdem, sich auf das Filmende zu konzentrieren.

„Aber warum sollte er sie immer noch küssen wollen, nachdem er den Beweis für ihre Untreue bekommen hat?“, fragte er sich selbst.

Begehrlich bog Ella sich ihm entgegen und forderte mit lasziven Bewegungen seine volle Aufmerksamkeit. „Weil er weiß, dass er darüber reden muss, sobald er den Kuss abbricht, und weil er die Wahrheit vielleicht gar nicht wissen will.“

Santo schob seine Hände unter ihren Po und passte sich dem immer wilder werdenden Rhythmus an. „Und … vergibt er ihr?“

„Er wird es müssen …“, kam es nach einer langen Pause erstickt zurück.

„Obwohl er sie liebt?“

Angestrengt versuchte sie sich zu konzentrieren, was ihr immer schwerer fiel. „Weil er sie liebt und nicht verlieren will …“

„Dio mio!“

Santo konnte es nicht fassen. Nie zuvor war ihm etwas Derartiges passiert.

Und nie zuvor hatte er sich so gut und vollkommen befriedigt gefühlt. Ob es allein am Fehlen des Kondoms lag? Oder daran, dass er so lange auf diesen Moment hatte warten müssen? Vielleicht war es besser, dem seltsamen Ziehen in seiner Brust nicht zu intensiv nachzuspüren.

„Santo?“

Er wollte sich zur Seite rollen, weil er annahm, dass er Ella vielleicht zu schwer war, doch sie schlang ihre Beine nur noch fester um seine Hüften. Als sich ihre Lippen trafen, konnte sie nicht wissen, dass dies Santos erster Kuss war, der ihn bis ins Innerste berührte und erschütterte.

4. KAPITEL

Es war vier Uhr, als sie sich endlich anschickten, das Hotel zu verlassen.

Am Morgen!

Großzügig wie immer deponierte Santo auf dem Nachttisch ein fürstliches Trinkgeld für das Zimmermädchen.

Weil sie wusste, dass die Pressemeute ihnen immer noch auflauerte, gab sich Ella besondere Mühe mit ihrem Make-up.

„Beim Schminken bist du genauso gründlich wie bei allem anderen“, stellte Santo amüsiert fest. „Aber alles hast du doch nicht im Blick …“ Er trat hinter sie, griff nach ihrem Abdeckstift und versuchte, die verräterischen Spuren zu kaschieren, die seine Lippen und Zähne auf ihrem Nacken hinterlassen hatten.

Ella seufzte wohlig und beobachtete ihn dabei im Spiegel. Santo sah einfach umwerfend aus in der schwarzen Jeans und dem ebenfalls schwarzen Hemd. Und anstatt diese Wirkung zu schmälern, verstärkten sein verfärbtes Auge und die Wunde an der Lippe seinen gefährlichen Freibeutercharme noch.

„Möchtest du mein Camouflage-Make-up vielleicht ausleihen?“

„Nicht nötig“, grinste er frech und drehte sich zu ihr um. „Ich verstecke meine Fehler grundsätzlich nicht.“

Na super! Und sie konnte sehen, wo sie blieb!

Ella wusste jetzt schon, dass sie seine fatale Wirkung auf das weibliche Geschlecht absolut unterschätzt hatte und sich selbst offenbar nicht so gut kannte wie gedacht. Denn anstatt sich leichten Herzens von ihrem One-Night-Stand zu verabschieden, wollte sie mehr von Santo. Ein Gefühl, das sich nur noch verstärkte, als sie seine hungrigen Lippen auf ihren spürte.

Habe ich denn gar keinen Funken Stolz?

„Nein!“, sagte sie schärfer als beabsichtigt und befreite sich aus seinen Armen. „Dazu haben wir keine Zeit mehr. Du musst in wenigen Stunden am Dreh sein, und ich will nach Hause, wo reichlich Arbeit auf mich wartet.“ Sie hatten vereinbart, dass Ella zum Ausgleich für das chaotische Wochenende heute freinehmen und erst morgen am Filmset erscheinen sollte.

Dass er dafür nicht mehr als ein sorgloses Schulterzucken übrig hatte, frustrierte Ella. Wenn sie doch auch nur so lässig und sorglos über die magischen Stunden in seinen Armen hinweggehen könnte! Stattdessen brauchte sie all ihre Willenskraft, um ihn nicht zu überreden, zurück ins Bett zu gehen und die Welt dort draußen einfach zu vergessen.

Von dem verstörten, gebrochenen Mann, den sie gestern in die Hotelsuite geschleust hatte, war nichts mehr zu erkennen. Selbstbewusst und geradezu absurd entspannt stand er ihr im Lift gegenüber, und als sie unten ankamen, marschierte er erhobenen Hauptes durch das Blitzlichtgewitter der wartenden Paparazzi.

Kurz darauf schwang Santo sich hinters Steuer seines Sportwagens und fuhr Ella nach Hause. Die Richtung musste sie ihm nicht vorgeben, weil er sie nicht das erste Mal chauffierte. Reingebeten hatte sie ihn allerdings noch nie und würde es auch heute nicht tun.

Das sah Santo allerdings anders. „Du kannst mir ruhig einen Kaffee anbieten, wenn ich dir schon den Tag freigebe“, forderte er gähnend, als sie sich von ihm verabschieden wollte. Eine Ausrede ließ er nicht gelten, sondern folgte ihr wie selbstverständlich in ihr gemietetes Apartment, wo Ella gleich in die winzige Küchenecke eilte und Kaffee aufsetzte, um ihren Boss so schnell wie möglich wieder loszuwerden.

Er blieb vor einem Regal im Wohnraum stehen und inspizierte neugierig die Bücher. Alle hatten mit Film und Regie zu tun. Ansonsten gab es anscheinend nichts zu entdecken, das ihm mehr über Ella verriet als das, was er ihr bisher mühsam entlockt hatte. Dabei war es fast so etwas wie ein Hobby von ihm, aus der Einrichtung auf den Charakter der jeweiligen Bewohnerin zu schließen. Doch hier gab es nicht einmal ein Familienfoto auf dem Kaminsims.

Und im Bad gab auch nichts Erhellendes, wie Santo feststellen musste, als er sich kurz entschuldigte und schamlos den Spiegelschrank über dem Waschbecken durchforstete, wobei er sich automatisch den Namen ihres Parfums einprägte. Der Gedanke, Ella zu bitten, für sich selbst ein beeindruckendes Blumenbukett, ihren Lieblingsduft und ein hübsches Schmuckstück zu besorgen, entlockte ihm unwillkürlich ein Lächeln. Und es weitete sich sogar noch aus, weil ihm plötzlich bewusst wurde, dass er sich zum ersten Mal nach einer heißen Liebesnacht nicht schäbig oder schuldig fühlte, sondern unglaublich entspannt und befriedigt.

„Kaffee!“

Als er zu Ella zurückkehrte, schenkte sie gerade pechschwarzen Kaffee ein, den sie mit zwei Löffeln Zucker süßte, bevor sie ihm einen Becher zuschob. Dankbar nahm Santo einen belebenden Schluck von dem starken Gebräu und grinste. „Benissimo! Dafür darfst du bis morgen dein Telefon ausstellen.“

Ella lachte. „Und dich damit in den Wahnsinn treiben? Lieber nicht?“

„Ich meine das ernst. Gönn dir eine Auszeit, du hast sie verdient.“

„Ganz sicher?“, hakte Ella immer noch misstrauisch nach.

„Unbedingt. Es sei denn, du willst für deine Familie erreichbar …“

„Nein.“

Santo trank noch einen Schluck Kaffee. „Deine Mutter ist doch Italienerin, oder?“ Warum ist Ella nur so verschlossen? „Woher stammt sie?“, fragte er weiter, obwohl er es wegen Ellas Akzent längst wusste.

„Sizilien.“

Autor

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