Die irische Kellnerin und der Playboy-Milliardär

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"Ich bekomme ein Kind. Dein Kind!" Totenstille herrscht nach Skye O‘Haras Worten in dem opulent geschmückten Ballsaal. Selfmade-Milliardär Lazaro Sanchez schäumt vor Wut. Wie kann die unverschämte Irin es wagen, seine Verlobungsfeier mit dermaßen dreisten Beschuldigungen platzen zu lassen? Doch gleichzeitig überkommt ihn wieder eine heiße Welle der Lust, wie damals in Dublin. Die kämpferische Schönheit mit dem flammend roten Haar will ihn brüskieren? Da hat sie die Rechnung ohne seine Macht und sein Verlangen gemacht …


  • Erscheinungstag 07.04.2020
  • Bandnummer 2434
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714048
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Lazaro Sanchez ließ genüsslich den Blick durch den festlich dekorierten Ballsaal des angesehensten Hotels der Stadt schweifen. Seines Hotels. Tiefe Befriedigung erfüllte ihn. Sein ganzes Leben hatte er auf diesen Moment hingearbeitet. Darauf, vor all diesen Leuten zu stehen, allesamt hochrangige Mitglieder der Madrider High Society, und als ihresgleichen angesehen zu werden!

Noch vor ein paar Jahren wäre das undenkbar gewesen. Mit dem verwahrlosten Teenager von damals, dessen Zuhause die Straße gewesen war, hätten die anwesenden Gäste sich niemals abgegeben. Damals hatte er hastig die Scheiben von Autos geputzt, die an einer roten Ampel warteten, um Geld zu verdienen, hatte Touristen gezeigt, wie sie die langen Schlangen vor den Kunstmuseen und Galerien umgehen konnten, und sich aus Mülleimern ernährt, wenn das Geld nicht reichte, um sich Essen zu kaufen.

Wie immer, wenn er an jene Zeit dachte, gärte tief in ihm die altbekannte Mischung aus Wut und verletztem Gerechtigkeitsempfinden. Von seiner letzten Pflegefamilie war er weggelaufen, nachdem der Vater ihn im Schlafzimmer in eine Ecke getrieben und angefangen hatte, sich die Hose auszuziehen.

Lazaro war aus dem Fenster im ersten Stock gesprungen.

Von seinem dreizehnten Lebensjahr an hatte er für sich selber gesorgt.

Die grausame Ironie der Geschichte war, dass er weder verwaist war noch vom Jugendamt aus einer gewalttätigen Familie geholt werden musste, wie so viele andere Kinder, die in Pflegefamilien aufwuchsen. Seine Eltern hatten ihn freiwillig weggegeben. Und heute Abend befand sich Lazaros Vater genau hier, in diesem Ballsaal. Auch wenn der Mann ihn nicht als seinen rechtmäßigen Sohn anerkennen wollte.

Was seine Mutter anging, so hatte er sie in seinem ganzen Leben nur wenige Male gesehen, und das auch nur aus der Entfernung.

Grund dafür war, dass Lazaro der uneheliche Sohn von zwei Mitgliedern der beiden ältesten und angesehensten Familien Spaniens war. Das Ergebnis einer heimlichen Affäre.

Nur durch eine Reihe von Zufällen hatte er die Wahrheit über seine Herkunft herausgefunden. Ein unachtsamer Sozialarbeiter hatte eines Tages seinen Aktenordner liegen lassen, sodass Lazaro einen Blick auf seine Geburtsurkunde hatte werfen können. Die Namen seiner Eltern hatte er sich gemerkt. Doch als er später nach ihnen geforscht hatte, musste er feststellen, dass es sie nicht gab. Die Namen waren gefälscht gewesen.

Mit zwölf Jahren dann war er zu einer neuen Pflegefamilie gebracht worden. Als die Sozialarbeiterinnen, die ihn im Wagen begleiteten, dachten, er schliefe, erzählte die eine der anderen von dem Gerücht, wessen Sohn Lazaro tatsächlich sei.

Er hatte die Augen fest geschlossen gehalten und sich nicht gerührt. Obwohl er noch so jung war, kannte auch er die Namen der Torres und der Salvadors. Sie zählten zu den reichsten und mächtigsten Dynastien Spaniens; ihre Ahnentafeln ließen sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen.

Sobald sich die Gelegenheit ergeben hatte, hatte er nach weiteren Informationen gesucht. Und obwohl es nur ein Gerücht gewesen war, wusste er sofort, dass es stimmte, als er ein Foto seines Vaters sah, das ihn zeigte, als er im gleichen Alter wie Lazaro gewesen war. Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen, wenn Lazaro auch die auffälligen grünen Augen seiner Mutter geerbt hatte.

Er begann, die palastartigen Wohnsitze der Torres und der Salvadors in einem exklusiven Madrider Vorort zu beschatten. Er beobachtete, wie sie ein und aus gingen, sah seine Halbgeschwister. Ein Sohn seines Vaters fiel ihm besonders auf – Gabriel Torres. Aus irgendeinem Grund war Lazaro völlig auf ihn fixiert. Vielleicht lag es daran, dass sie beinahe gleichaltrig waren.

Eines Tages entdeckte er die gesamte Familie in einem Restaurant im Herzen von Madrid. Sie feierten den Geburtstag seines Halbbruders.

Lazaro hatte draußen gewartet, und als die Familie das Restaurant schließlich verließ – die Frauen in teuren Designerkleidern und behangen mit wertvollem Schmuck, die Männer in maßgeschneiderten Anzügen –, baute er sich vor seinem Vater und Gabriel auf.

„Ich bin dein Sohn!“ rief er, am ganzen Körper zitternd. Er sah seinen Vater an, der hoch über ihm aufragte, und spürte den Blick seines Halbbruders auf sich, der ihn ansah, als stammte Lazaro von einem anderen Planeten.

Dann ging alles sehr schnell. Wie aus dem Nichts tauchten mehrere Männer auf, und ehe er sich versah, lag Lazaro in einer staubigen kleinen Gasse neben dem Restaurant. Sein Vater riss ihn am Haar hoch und spuckte ihn an.

„Du bist nicht mein Sohn – und wenn du dich mir oder meiner Familie noch einmal näherst, wirst du es bitter bereuen!“

Das war der Moment gewesen, in dem Lazaros Ehrgeiz geweckt worden war. Der Ehrgeiz, es eines Tages in genau die Position zu schaffen, in der sie ihm in die Augen sehen mussten. Eine Position, in der er sie allein durch seine Anwesenheit verhöhnen würde, in dem Wissen, dass er es geschafft hatte, all ihren Versuchen, ihn aus ihren Familien zu verbannen, zum Trotz.

Und nun stand er hier, im selben Raum wie sein Vater und sein Halbruder Gabriel – mit dem er sich gerade eine Schlacht um den Kauf und die Sanierung einer der ältesten Markthallen Madrids lieferte.

„Lazaro?“ Eine leise Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Und er wandte den Kopf, um die Frau anzusehen, wegen deren sich alle hier versammelt hatten.

Leonora Flores de la Vega.

Mit ihrem ausnehmend aparten Gesicht, dem langen schwarzen Haar, den dunkelgrauen Augen und der perfekten Figur mit Rundungen an genau den richtigen Stellen war sie zweifellos eine der schönsten Frauen Spaniens.

Und sie hatte den richtigen Hintergrund.

Ihre Familie mochte verarmt sein – was genau genommen einer der Gründe für die Eheschließung war –, doch ihr Name war ebenso alt und angesehen wie der der Torres und der Salvadors. Und das war mit Geld nicht zu bezahlen.

Und genau deshalb wollte Lazaro sie zur Ehefrau. Die Heirat würde ihn einen Schritt näher zu den Kreisen bringen, die ihm seit jeher verwehrt gewesen waren, egal wie viele Millionen er verdient hatte. Ein Schritt näher an die endgültige Akzeptanz.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Leonora. „Du schaust so grimmig.“

Lazaro rang sich ein erzwungenes Lächeln ab und hielt ihr die Hand hin. Leonora nahm sie, und er schlang die Finger um ihre. Nichts. Nicht einmal der Hauch einer Reaktion. Aber schließlich heiratete er sie nicht aus Leidenschaft, sondern wegen etwas sehr viel Verlässlicherem. Es ging um sein Vermächtnis. Er würde diejenigen, die ihn zu ignorieren versuchten, zwingen, ihn endlich anzuerkennen.

„Es ist alles okay. Ich war nur in Gedanken versunken.“

Er beobachtete, wie sie den Blick durch den Saal wandern ließ, als suche sie jemanden, und wie ihre Wangen dunkler wurden. Sie biss sich auf die Unterlippe.

„Ist mit dir alles in Ordnung?“

Leonora wirkte immer so ruhig und beherrscht, dass es eigenartig war, sie plötzlich nervös und abgelenkt zu sehen.

Doch sie sah Lazaro an und lächelte. „Ja, ist es.“

Er drückte ihre Hand. „Ich bin froh, dass du eingewilligt hast, meine Frau zu werden. Ich glaube, wir werden eine gute Ehe führen und es schaffen, glücklich zu sein.“

Ein Schatten legte sich über ihr Gesicht, und ihr Lächeln schien für den Bruchteil einer Sekunde zu gefrieren, doch dann antwortete sie: „Ja. Das hoffe ich.“

In diesem Moment wurde Lazaro klar, dass er diese Frau kaum kannte. Er hatte sie wegen ihres Namens auserwählt, und sie waren ein paar Mal miteinander ausgegangen – mehr nicht. Er mochte sie. Und dass ihre Familie sich in großen finanziellen Schwierigkeiten befand, war kein Geheimnis. Er hatte die Gelegenheit ergriffen, dem Gerede um sein Playboy-Dasein ein Ende zu bereiten und ein Stück näher dahin zu kommen, wo er hin wollte.

Als er Leonora vorgeschlagen hatte, dass sie heiraten sollten und er dafür die Schulden ihrer Familie tilgen würde, hatte sie, ohne zu zögern, eingewilligt.

Er ließ sie los und legte einen Arm um ihre Taille. Eine intime und besitzergreifende Geste. Und noch immer nichts. Sein Puls geriet nicht einmal ins Stolpern.

Lazaro sagte sich, dass körperliche Anziehungskraft nicht alles war. Lust und Leidenschaft waren niedrige Beweggründe. Er war der lebende Beweis dafür, dass man in der feineren Gesellschaftsschicht aus ganz anderen, pragmatischeren Gründen den Bund der Ehe einging und seine Begierden heimlich und im Verborgenen auslebte. Doch so war er nicht. Er hatte mehr Selbstkontrolle als die meisten der hier Anwesenden.

Plötzlich meldete sich sein Gewissen, und ein Bild nahm vor seinem inneren Auge Konturen an. Eine Erinnerung, um genau zu sein. Eine, die ihn immer häufiger verfolgte. Als regte sich sein Gewissen umso stärker, je näher der Hochzeitstermin kam.

Was absolut lächerlich war. Er hatte überhaupt keinen Grund, sich schuldig zu fühlen.

Wirklich nicht? fragte eine innere Stimme ihn schnippisch. Warum kannst du dann nicht aufhören, an sie zu denken?

„Sie“ war eine Frau, der er vor gut drei Monaten begegnet war. In einer anderen Stadt und bevor er angefangen hatte, sich mit Leonora zu treffen. Eine zierliche Frau mit langen roten, ungebändigten Haaren und Sommersprossen überall. Mit kleinen, runden Brüsten und festen, rosafarbenen Brustspitzen. Mit einem überraschend kurvenreichen Körper …

„Lazaro …“

Entsetzt über die Lebendigkeit dieser Erinnerung und die Auswirkung, die sie rein körperlich auf ihn hatte, sah er Leonora an. Eine Erinnerung, die ihn quälte, während die wunderschöne Frau aus Fleisch und Blut, die direkt neben ihm stand, nicht das Geringste in ihm auslöste.

Das Lächeln, mit dem sie ihn ansah, reichte nicht bis zu ihren Augen. „Du tust mir weh.“

Erst da fiel Lazaro auf, dass er die Finger in ihre Taille gebohrt hatte. Sofort lockerte er seinen Griff. „Entschuldige bitte.“

Diese sexy Fremde war ein Niemand gewesen. Sofort schämte er sich. Na schön, dann hatte er sie eben mehr begehrt als jede andere Frau in den letzten Jahren, doch es war nur eine Nacht gewesen, in einer anderen Stadt. In der ihn niemand kannte und hinter seinem Rücken über ihn sprach.

Die Frau – die Unbekannte – hatte nicht die leiseste Ahnung gehabt, wer er war, und das war erfrischend gewesen. Es hatte dafür gesorgt, dass die unglaubliche und unmittelbare Anziehungskraft zwischen ihnen absolut unwiderstehlich war. Und hochexplosiv.

Sie war noch Jungfrau gewesen. Jungfrau! Das Wort hallte in seinem Kopf wider und wider und besaß noch immer die Macht, ihn zu erschüttern, denn das hatte er nicht erwartet. Und dieser Umstand hatte ihm die erotischste Erfahrung seines Lebens beschert …

Jetzt reichte Leonora ihm ein Glas Champagner, und er schüttelte leicht den Kopf, als könne er sich so von der verstörenden Erinnerung befreien.

„Deine Berater scheinen andeuten zu wollen, dass es Zeit für die Bekanntgabe ist. Bist du bereit?“

Lazaro vertrieb jeden Gedanken, jede Erinnerung und jedes Bild der Unbekannten und sah seiner zukünftigen Ehefrau in die Augen, der Frau, die ihm endgültig den Zutritt in eine Welt verschaffen würde, der ihm vom Tag seiner Geburt an verweigert worden war.

„Ja“, antwortete er und stieß mit ihr an. „Sagen wir es ihnen.“

Skye O’Hara war übel, und das nicht nur vor Nervosität. Kalter Schweiß hatte sich auf ihrer Haut ausgebreitet, seit sie den atemberaubenden Ballsaal mit seinen vergoldeten Wänden und den ausladenden Kronleuchtern betreten hatte.

Noch nie im Leben hatte sie so viele schöne Menschen auf einmal gesehen. Oder eine solche Eleganz. Glitzernde lange Kleider und Smokings, Menschen mit makelloser honigfarbener Haut, unter denen sie sich nur noch blasser fühlte. Überall funkelte goldenes Licht. Selbst der Duft im Raum war exklusiv, doch es war ein Duft, den es nicht in Flakons zu kaufen gab. Es war der Geruch des Geldes.

Skye selber trug eine weiße Bluse und einen schwarzen Rock und hoffte, sich so unauffällig unters Personal mischen zu können. Ihr widerspenstiges Haar hatte sie zu einem ordentlichen Knoten auf dem Kopf gebunden. Nie und nimmer hätte sie die nötigen Mittel gehabt, auch nur im Entferntesten so auszusehen wie die Gäste hier. Außerdem war sie zu klein und die Einzige, die rote Haare hatte. Und sie hatte Sommersprossen, eine körperliche Unzulänglichkeit, die die hier Anwesenden zweifelsohne sofort beseitigen lassen würden.

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und reckte sich, um herauszufinden, wo er war.

Dann legte sie die Hand auf ihren noch flachen Bauch, der schon in ein paar Wochen unübersehbar ihr Geheimnis offenbaren würde.

Endlich entdeckte sie ihn in einiger Entfernung. Selbst unter all den riesigen Menschen ragte er noch hervor, sein dunkelblondes Haar etwas zu lang und leicht verstrubbelt. Der Dreitagebart betonte sein markantes Kinn und die vollen Lippen …

Sie wusste noch genau, wie sie sich auf ihrer Haut angefühlt hatten …

Jetzt teilte sich die Menge vor ihm, und sie konnte ihn noch besser sehen.

Ihr Herz klopfte bis zum Hals, als sie jeden Millimeter seiner über einen Meter neunzig hohen Gestalt in sich aufnahm. Groß und breitschultrig. Blond und umwerfend. Der erotischste Mann, dem sie je begegnet war. Der erste Mann, den sie überhaupt jemals sexy gefunden hatte. Und deshalb auch der erste Mann, mit dem sie geschlafen hatte.

Er trug ein weißes Smoking-Jackett und eine Fliege in der gleichen Farbe, dazu eine schwarze Hose. Mühelos hob er sich von der Menge ab … ein klein wenig anders als alle anderen, als könnte er diese urgewaltige Seite an sich auch in diesem zivilisierten Umfeld nicht gänzlich unterdrücken.

Urgewaltig. So wie jene Nacht es gewesen war. Wild und instinktiv, unglaublich und unvergesslich.

Skye streichelte ihren Bauch. Unvergesslich auch auf eine ganz besondere Art.

Eine Frau mit strengem Gesichtsausdruck kam auf sie zu; sie trug eine Kellnerinnen-Uniform. Doch bevor Skye in Panik ausbrechen konnte, weil sie befürchtete, aufgeflogen zu sein, reichte die Frau ihr ein Tablett voller Champagnergläser und befahl ihr, nicht noch mehr Zeit zu verschwenden. Erleichtert stellte Skye fest, dass ihre Verkleidung zu funktionieren schien.

Sie holte tief Luft und begann sich durch die Menge hindurch auf ihn hinzubewegen. Lazaro Sanchez. Am Tag nach ihrer gemeinsamen Nacht hatte sie im Internet nach ihm gesucht – fast hätte sie der Schlag getroffen, als ihr bewusst geworden war, dass er ein extrem wohlhabender und einflussreicher Finanzier mit einem beeindruckenden Immobilien-Portfolio war. In seiner Heimat Spanien kannte jeder seine Namen.

Außerdem hatte sie erfahren, dass er als Playboy galt. Sie hatte genug Fotos von ihm mit einer beachtlichen Zahl wunderschöner Frauen an seiner Seite gesehen. Es hatte ihr einen Stich versetzt, erkennen zu müssen, dass sie naiv genug gewesen war, auf seinen Charme hereinzufallen. Was zwischen ihnen passiert war, konnte für ihn nicht mehr als Routine gewesen sein. Eine wenig bemerkenswerte Nacht von vielen. Und noch mehr hatte es sie getroffen, dass sie keiner seiner üblichen Liebschaften auch nur ähnelte, also hatte er offensichtlich nur mit ihr geschlafen, weil sie ein bisschen … anders war.

Und jetzt … Jetzt würde er gleich seine Verlobung mit der schönsten Frau der Welt verkünden. Sie stand neben Lazaro, der einen Arm um ihre Taille gelegt hatte.

Sie gaben ein schönes Bild ab – beide waren sie groß und schlank. Ihr glattes, dunkles Haar wurde im Nacken von einer aufwendigen Frisur zusammengehalten, und sie trug ein rotes, trägerloses Kleid, das sich eng an ihre perfekten Rundungen schmiegte und Gewandtheit und Eleganz ausstrahlte.

Eine Sekunde lang geriet Skye ins Taumeln. Aus Angst, das Tablett fallen zu lassen, stellte sie es auf dem nächstgelegenen Tisch ab. War es wirklich richtig gewesen hierherzukommen?

Doch was war ihr anderes übrig geblieben? Sie hatte Lazaro einfach nicht erreichen können. Den Papst ans Telefon zu bekommen wäre einfacher gewesen. Wann immer sie mit Lazaro zu sprechen versucht hatte, war sie abgewiesen worden.

Doch welches Recht hatte sie, diesen glanzvollen Moment zu ruinieren?

Du trägst sein Kind in dir, und das muss er wissen, ermahnte eine nüchterne Stimme in ihrem Inneren sie.

In dem Augenblick unterbrach das Geräusch eines Löffels, der leicht gegen ein Glas geschlagen würde, die Gespräche im Saal. Die Gäste verstummten und wandten sich dem Podium zu, auf dem Lazaro und seine Verlobte standen.

Skyes Übelkeit nahm zu. Waren die beiden schon verlobt gewesen, als sie und Lazaro vor drei Monaten miteinander geschlafen hatten? Oder hatte er da schon gewusst, dass er sich bald verloben würde?

Sie sah die Sicherheitsleute in der Nähe des Paares, furchteinflößende Muskelpakete, und wusste, was gleich passieren würde. Lazaro würde die Verlobung bekannt geben, die Menge würde sich um das Paar scharen, dann würden die Leibwächter die beiden schnell an einen geheimen Ort bringen.

Das hier war ihre einzige Gelegenheit, Lazaros Aufmerksamkeit zu erhalten, und sie musste sie ergreifen. Sie konnte es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, ihn über ihre Schwangerschaft im Unwissen zu lassen. Er musste wissen, dass ihre gemeinsame Nacht Folgen hatte.

Lazaro räusperte sich. Er genoss die wenigen Sekunden, bevor er zu sprechen ansetzen würde, und wusste, dass alle Blicke auf ihm ruhten. Sein Vater, der vorgab, nicht zu wissen, dass es sein außerehelicher Sohn war, der gleich seine Verlobung bekannt geben würde. Sein Halbbruder Gabriel, der ein finsteres Gesicht machte und noch abweisender wirkte als sonst.

„Ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie heute hier erschienen sind …“

Lächelnd sah er Leonora an, doch sie hatte den Blick auf die Gäste geheftet und wirkte beinahe wie versteinert, ihre Wangen waren gerötet. Leicht erhöhte er den Druck seiner Hand auf ihrer Taille, bis sie sich ihm zuwandte und ihn anlächelte, doch das Lächeln war angespannt.

Lazaro ignorierte das Prickeln auf seiner Haut – ein letztes Lampenfieber.

„Ich weiß, dass es für die meisten von Ihnen keine Überraschung ist, da einige Zeitungen bereits darüber berichtet haben …“ Die Gäste lachten kurz auf. „… doch es ist mir ein besonderes Vergnügen, offiziell bekannt zu geben, dass Leonora Flores de la Vega meinen Heiratsantrag angenommen hat. Die Einladungen zur Hochzeitsfeier werden in Kürze verschickt.“

Lazaro hob sein Champagnerglas, um einen Toast auf seine zukünftige Ehefrau auszubringen, als eine Stimme die erwartungsvolle Stille durchbrach.

„Warte! Stopp!“

Lazaro brauchte einen Moment, um zu registrieren, dass die Blicke der Gäste nicht länger auf ihn und Leonora gerichtet waren, sondern auf etwas oder jemanden zu seiner Linken.

Als er sich dorthin umdrehte, sah er, dass zwei seiner Sicherheitsleute eine Frau festhielten. Eine zierliche, rothaarige Frau. Die ihm vage bekannt vorkam. Unbewegt nahm er die Details in sich auf, während der Schock darüber, sie wirklich hier zu sehen und nicht nur in seiner Erinnerung, sich in ihm ausbreitete.

Sie hatte die blauen Augen weit aufgerissen und einen fast schon wilden Blick. Einzelne goldrote Strähnen hatten sich aus ihrem zu einem Knoten frisierten Haar gelöst und fielen weich um ihr herzförmiges Gesicht. Das Kinn hatte sie entschlossen vorgereckt, ihre Nase war gerade und klein, und ihren eigentlich vollen Mund hatte sie zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Sie trug eine weiße Bluse und einen schwarzen Rock.

Unter der Bluse, deren Stoff sich eng um ihre Brüste spannte, zeichnete sich ihr BH ab. Mit seinen Händen hatte er diese Brüste umfasst, sanft mit den Daumen ihre Brustspitzen gestreichelt, ihr Erbeben unter seinen Liebkosungen gespürt.

Sengende Hitze wallte in ihm auf.

Er ließ Leonora los und bewegte sich auf die Frau zu, als wüsste er, was sie vorhatte, und als könne er sie irgendwie daran hindern.

Er konnte es nicht.

Bevor er sie erreicht hatte, begann sie zu sprechen, mit lauter und klarer Stimme. Er nahm kaum Notiz davon, dass sie Spanisch sprach.

„Es gibt etwas, das du wissen musst. Ich bekomme ein Kind! Dein Kind!“

Entsetztes Schweigen legte sich über den Saal. Selbst die Sicherheitsleute, die Skye festhielten, schienen zu erstarren.

Sie sah Lazaro direkt in die Augen, und mit einem Mal war es, als gäbe es nur sie beide im Raum.

Ruhiger sagte sie, dieses Mal auf Englisch: „Es ist die Wahrheit. Ich bin schwanger – und du bist der Vater des Kindes.“

Skye O’Hara. So hieß sie. Sie war Kellnerin in dem Restaurant, in dem er nach dem Geschäftstreffen in Dublin zu Abend gegessen hatte. Sie war ihm sofort aufgefallen, als er das Lokal betreten hatte. Was ungewöhnlich war, denn üblicherweise ließ er sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Doch sie hatte etwas aufregend Erfrischendes an sich. Sie wirkte offen, ungekünstelt und natürlich.

Sie hatte mehr oder weniger dasselbe angehabt wie heute. Ihre Kleidung war mehr als unauffällig, nichts, was einen Mann betören würde. Und doch war ihr genau das mit ihrer zierlichen Statur und den weichen Kurven gelungen.

Sie war an seinen Tisch gekommen, hatte einen Stift aus ihrem Dutt gezogen und ihren Block gezückt, bevor sie ihn angesehen hatte. Und das war der Moment gewesen. Lazaro war wie vom Donner gerührt gewesen. Hitze war in ihm aufgestiegen, und sein Herz hatte angefangen wild zu pochen.

Ihren errötenden Wangen und geweiteten Augen zufolge war es ihr genauso ergangen.

Lazaros messerscharfer Verstand begann zu arbeiten. Der Ballsaal war voller Presseleute – dafür hatte er selber gesorgt. Er hatte den Moment seines Triumphes in so vielen Zeitungen wie möglich sehen wollen. Wenn er seine Sicherheitsleute anwies, die Frau auf die Straße zu setzen, würden die Reporter sie zu fassen bekommen. Er sah die Schlagzeilen und die ebenso reißerischen wie rührseligen Artikel schon vor sich.

Er zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass sie herausgefunden hatte, wer er war, und aus der Geschichte Profit schlagen wollte. Er musste diese Situation unter Kontrolle behalten, sie entschärfen und retten, was zu retten war.

Er stellte sein Glas ab, verließ das Podium und ging zu der Frau. Er fasste sie am Arm, der sich schlank und warm anfühlte. „Was zur Hölle glaubst du hier veranstalten zu können?“

Sie wurde blass, und er fühlte einen Anflug schlechten Gewissens. Er hatte ganz vergessen, wie zierlich sie war.

„Ich bin hier, weil … ich musste es dir sagen … Ich habe dich auf anderem Wege nicht erreicht … Wir haben keine … Du hast mir nicht … Wir haben keine Telefonnummern getauscht …“, stotterte sie.

Er hatte ihr seine Visitenkarte gegeben, als er sie auf einen Drink eingeladen hatte. Am nächsten Morgen jedoch hatte sie die in seinem Hotel in den Mülleimer geworfen.

Dieser Versuch, ihm ihre Unabhängigkeit zu demonstrieren, ihre Entschlossenheit zu gehen, obwohl er angeboten hatte, Frühstück aufs Zimmer bringen zu lassen, war anscheinend reine Schauspielerei gewesen.

Noch immer sah er sie vor sich, in ihrer engen Jeans und dem übergroßen T-Shirt, das ihr über die Schulter gerutscht war. Das Haar fiel ihr offen und ungebändigt ums Gesicht. Man sah ihr an, dass sie gerade Sex gehabt hatte. Und er hatte sie schon wieder gewollt!

Mit einem Handtuch um der Hüfte war er gerade aus der Dusche gekommen, als sie das Hotelzimmer verlassen wollte. „Wo willst du hin?“, hatte er sie gefragt.

Sie schlüpfte in ihre Schuhe und sah ihn an. Er dachte daran, wie sie ihn mit dem Blick aus diesen Augen beinahe verschlungen und sich an seine Brust geschmiegt hatte. Sofort wuchs seine Erregung.

„Ich sollte besser gehen … Das ist schon okay. Ich weiß, wie solche Dinge laufen. Es ging nur um eine Nacht. Du bist nicht von hier.“ Sie wies auf das durchwühlte Bett und wurde rot. „Und ich hatte mit alldem wirklich nicht gerechnet …“

Sie war noch Jungfrau gewesen.

Beim Gedanken daran, dass sie jetzt einfach gehen und er sie nie wieder sehen würde, hatte Lazaro einen Anflug von Panik verspürt. Impulsiv hatte er gesagt: „Bleib noch. Ich bestelle uns Frühstück. Es gibt keinen Grund zur Eile.“

Einen kurzen Moment hatte sie unentschlossen gewirkt, dann aber den Kopf geschüttelt. „Nein. Ich habe etwas zu erledigen. Ich muss los.“

Sie wandte sich um und ging zur Tür. Dort blieb sie stehen und sah ihn über die Schulter an. Ihr Haar fiel ihr in flammend roten Kaskaden über den Rücken.

„Aber … danke. Was zwischen uns passiert ist, hatte ich nicht erwartet. Ich habe auch nicht erwartet, jemandem wie dir jemals zu begegnen. Aber es war traumhaft.“

Dann war sie verschwunden, und Lazaro hatte minutenlang dagestanden, überwältigt und äußerst erregt. Es war traumhaft. Und das nach einer Nacht, die von einer solch intensiven Leidenschaft gewesen war, dass es an ein Wunder grenzte, dass die Suite nicht in Flammen aufgegangen war.

Jetzt aber schien diese Erinnerung ihn zu verspotten. Sie hatte ihm die ganze Zeit über etwas vorgemacht. Und das hier war ihr großes Finale. Er war ein Idiot gewesen.

Er ließ ihren Arm los und wandte sich an seine Sicherheitsleute. „Bringt sie ins Büro, und haltet sie da fest, bis ihr weitere Anweisungen bekommt.“

Skye würdigte er keines weiteren Blickes; dafür schaute er auf die Gäste und zu Leonora, die ihn mit weit aufgerissenen Augen und aschfahlem Gesicht ansah. Er stieg zurück aufs Podium, ohne zu wissen, um welche Baustelle er sich zuerst kümmern sollte.

Er rang sich ein Lächeln ab, hob die Hände und wandte sich an die Menge. „Ich bitte um Verzeihung für die kleine Unterbrechung. Man wird sich um die Angelegenheit kümmern.“

Er hob an zu verkünden, dass ihre Behauptung jeder Grundlage entbehrte, als ihm jener köstliche Moment wieder einfiel, in dem er kurz davor gewesen war, sie zu nehmen, und ihm bewusst wurde, dass er keine Kondome dabeihatte.

Autor

Abby Green

Abby Green wurde in London geboren, wuchs aber in Dublin auf, da ihre Mutter unbändiges Heimweh nach ihrer irischen Heimat verspürte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern: Von Enid Blyton bis zu George Orwell – sie las alles, was ihr gefiel. Ihre Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer...

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