Die Stunde des Verführers

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Champagner in der VIP-Lounge! Gefährlich nah kommt die junge Journalistin Alana dabei dem französischen Millionär Pascal Lévêque. Noch kann sie dem sexy Playboy widerstehen … bis sie für eine Reportage nach Paris muss. Heißen Küssen folgt eine heiße Nacht. Doch hat ihre Liebe eine Zukunft?


  • Erscheinungstag 09.06.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733709846
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Nach diesem nervenaufreibenden Spiel lässt sich mit Sicherheit nur sagen, dass der Ausgang des Turniers noch völlig offen ist. Das war Alana Cusack mit einem Livebericht aus Croke Park. Ich gebe zurück ins Studio.“

Alana lächelte weiter in die Kamera, bis die Stimmen in ihrem Ohrhörer leiser wurden. Als sie sicher war, nicht mehr auf Sendung zu sein, reichte sie das Mikrofon an ihren Assistenten weiter. Sie vermied es, zu dem Fremden hinüberzusehen, der lässig gegen die Wand lehnte, die Hände tief in den Taschen seiner dunklen Hosen verborgen, der Kragen des schwarzen Mantels hochgestellt.

Er beobachtete sie. Er hatte sie bereits das gesamte Rugbyspiel Frankreich gegen Irland beim Six Nations Turnier hindurch beobachtetet. Er hatte sie nervös gemacht und abgelenkt. Und sie hatte keine Ahnung, warum.

Lügnerin! Sie wusste genau, warum. Als ihre Blicke sich das erste Mal zufällig begegnet waren, hatte es sich angefühlt, als habe sie jemand in den Magen geboxt. Ein seltsames Gefühl des Wiedererkennens hatte sich in ihr ausgebreitet. Etwas Vergleichbares hatte sie noch bei keinem Mann empfunden.

Nicht einmal bei ihrem Ehemann.

Das Gefühl war so stark, dass sie unwillkürlich erneut lächeln musste und fragend eine Augenbraue hochzog. Seine Augen jedoch funkelten auf eine mehr als eindeutige Weise auf.

Natürlich kannte sie den Fremden nicht. An einen so attraktiven Mann hätte sie sich erinnert. Das markante Gesicht hatte sie noch nie gesehen, auch den sinnlichen Mund mit den vollen Lippen nicht.

Bestimmt war er Franzose. Er hatte auf einem der Plätze gesessen, die für VIPs reserviert waren. Unmittelbar unterhalb der Presseloge. Wieder und wieder war ihr Blick wie magisch von ihm angezogen worden. Zu ihrem größten Entsetzen hatte er sich auch während des Spiels ständig zu ihr umgewandt und ihr direkt in die Augen geschaut.

„Soll ich dich mitnehmen, Alana?“, riss Derek, der Kameramann, sie aus ihren Gedanken.

„Nein“, erwiderte sie rasch. Der Fremde war aus ihrem Sichtfeld verschwunden. Panik stieg in ihr auf. Vielleicht stand er direkt hinter ihr … „Ich muss heute Abend noch zu einem Familiendinner, deshalb bin ich mit meinem eigenen Wagen hier.“

„Dann gibt es für dich auch keine rauschende Party, auf der die Franzosen bis in die Morgenstunden ihren Sieg feiern?“

Alana verzog das Gesicht, froh und erleichtert, eine Entschuldigung zu haben. „Mir bleibt nur Zeit, kurz vorbeizuschauen und mein Gesicht zu zeigen, damit Rory glücklich ist.“

Schulterzuckend wandte Derek sich ab, dann blieb er noch einmal stehen und drehte sich um. „Gute Arbeit, Alana.“

Das Kompliment freute sie sehr. Derek war ein echter Veteran des Fernsehens. Sie hatte so hart gearbeitet, um sich ein Minimum an Respekt zu verdienen. Sie lächelte. „Danke!“

Er zwinkerte ihr zu und ging. Alana schaute sich noch ein letztes Mal um, ob sie auch nichts hatte liegen lassen, dann machte sie sich auf den Weg aus dem Stadion. Nach wenigen Schritten hielt sie inne und stieß einen leisen Fluch aus. Sie hatte ihren Laptop in der Presseloge vergessen.

Sie machte kehrt. Gleich darauf richteten sich die Härchen in ihrem Nacken auf. Mit heftig pochendem Herzen wirbelte sie herum … und wurde enttäuscht: Der Mann war nicht da. Anscheinend war ihm das Warten zu langweilig geworden, und er war gegangen. Sie befahl sich, endlich mit ihrem kindischen Verhalten aufzuhören. Wie hatte sie nur auf die lächerliche Idee verfallen können, zwischen ihnen bestehe eine geheime Verbindung?

Er glaubte schon, sie sei ihm entwischt, als er für einen Moment auf das Spielfeld hinuntergeschaut hatte. Das Gefühl von Panik, das sich in ihm ausbreitete, behagte ihm überhaupt nicht.

Aber sie war noch da.

Pascal Lévêque lehnte sich mit vor der Brust verschränkten Armen gegen die Wand und genoss die bezaubernde Aussicht. Ein in die Höhe gereckter, äußerst wohlgeformter Po, umschmeichelt von einem engen kurzen Rock. Die Besitzerin hatte sich nach vorne gebeugt und zerrte eine Tasche unter einem Stuhl hervor. Sein Blick glitt an sehr langen Beinen entlang nach unten, dann wieder nach oben. Schmale Knöchel, ungemein hübsche Schenkel, die in perfekt gerundete Hüften übergingen. Er fragte sich, ob sie Strümpfe trug. Der Gedanke entfachte ein Feuer tief in seinem Innern.

Was, so überlegte er weiter, hatte sie nur an sich, dass ihn wie magisch anzog? Warum war er hier geblieben, wenn er doch längst hätte woanders sein sollen?

Niedlich.

Das war es, sie war niedlich. Angefangen bei der hochgeschlossenen gestreiften Bluse mit Krawatte, bis zu den vernünftigen flachen Schuhen. Die Haare hatte sie zu einem strengen Pferdeschwanz zusammengebunden. Es fiel ihm leicht, sich vorzustellen, wie sie mit einem offenen schulterlangen Bob aussehen würde.

Doch seit wann machte er sich etwas aus niedlich? Stand er nicht auf verführerische sinnliche Frauen? Frauen, die ihre wunderschönen kurvigen Körper in enge Designerkleider hüllten, die seine Fantasie anfachten und seine Sinne in Aufruhr versetzten? Frauen, die sich nicht davor fürchteten, ihre Waffen einzusetzen, um ihm zu gefallen?

Die Frau vor ihm hingegen schlüpfte gerade in einen unförmigen schwarzen Mantel. Der Anblick löste widersprüchliche Gefühle in ihm aus: Ärger, Leidenschaft und Verwirrung. Welcher Teufel ritt ihn da, dass er eine kleine Fernsehansagerin so ungeniert anstarrte?

Gleich würde sie sich umdrehen, und er würde ihr Gesicht sehen können. Dann würde er feststellen, dass sie nicht halb so verführerisch aussah, wie er es sich einbildete: mit rosigen Wangen, vollen Lippen und braunen Rehaugen unter dunklen Brauen, die einen überaus reizvollen Kontrast zu ihren blonden Haaren bildeten.

Nein, sie würde sich umdrehen, und er würde sehen, dass sie eine dicke Make-up Schicht aufgetragen hatte. In ihren Augen würde Wiedererkennen aufflackern – hatte sie ihm nicht schon vorhin einen dieser schüchtern-koketten Blicke geschenkt?

Gerade als er sich eine Entschuldigung zurechtlegte, mit der er sein merkwürdiges Verhalten vor sich selbst rechtfertigen konnte, wandte sie sich tatsächlich um. Pascal öffnete den Mund. Doch plötzlich war sein Kopf völlig leer.

Für Alana gab es keine Vorwarnung, womit oder mit wem sie konfrontiert werden würde. Der attraktive Fremde stand vor ihr. Nur ein paar Meter entfernt. Schaute sie an.

Sie befanden sich ganz allein in einem Stadion für achtzigtausend Zuschauer. Doch ihr war es, als schrumpfe der riesige Raum auf vier Quadratmeter zusammen. Das Blut in ihren Adern schien schneller zu pulsieren, ihr Herzschlag beschleunigte sich.

Er hatte den Kopf leicht zur Seite geneigt, die Hände tief in die Hosentaschen geschoben. Sein Mantel betonte die breiten Schultern, die bronzefarbene Haut. Doch es waren seine Augen, die ihren Blick gefangen hielten. Groß, dunkel, intelligent. In ihnen schimmerte eine so heiße und erotische Sinnlichkeit, dass es ihr den Atem raubte.

„Entschuldigen Sie, kann ich Ihnen irgendwie helfen? Suchen Sie vielleicht jemanden?“ Seit wann klang ihre Stimme so dunkel und samtig wie die einer Jazzsängerin?

„Sie starren mich an.“

Innerlich zuckte Pascal unter seinem anklagenden Tonfall zusammen, aber er musste sich noch immer von dem Schock erholen, den ihr Anblick in ihm ausgelöst hatte. Seine Hoffnung, sie erweise sich als hässlich, war in tausend Scherben zersplittert. Ihr Teint wirkte sehr hell, die Wangen hingegen gerötet. Lag das an dem kalten Wind … oder an etwas anderem? Ihre Augen schimmerten in einem einzigartigen Grün. Ihre Lippen waren tatsächlich voll und sinnlich, jedoch nicht geschminkt, wie er es sich vorgestellt hatte. Noch nie war er einer Frau begegnet, deren natürliche Schönheit ihn so in ihren Bann zog.

„Wie bitte?“ Alana wirkte irritiert. Bestimmt war ihre Vermutung richtig. Er war bloß ein Tourist auf der Suche nach ein bisschen Spaß. Er hatte ihrem Lächeln eine gänzlich falsche Bedeutung zugemessen. Pech, für diese Art Spaß war sie nun mal nicht zu haben.

„Wenn ich mich recht erinnere, haben auch Sie mich angestarrt.“ Trotzig hob sie den Kopf. „Ich dachte, ich würde Sie kennen. Doch das war ein Irrtum. Verzeihen Sie also, falls ich Sie zu falschen Annahmen verleitet habe. Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich habe zu arbeiten.“

Der Mann lächelte herausfordernd. „Das habe ich gesehen. Ich habe Sie während des Interviews mit dem Manager des irischen Teams beobachtet. Und Sie haben mich angestarrt.“

„Nicht mehr, als Sie mich.“ Verzweifelt versuchte sie, ihre wirbelnden Gedanken unter Kontrolle zu bringen.

Unvermittelt funkelten seine Augen auf, und Alana erkannte, dass sie in der Falle saß. Der Platz zwischen den Stuhlreihen war viel zu schmal, als dass sie ungehindert an ihm hätte vorbeikommen können. Auf einmal fühlte sie sich bedroht. Sie presste das Laptop enger gegen die Brust und hoffte, er verstand die Botschaft. „Dieses Gespräch führt zu nichts“, fuhr sie ihn so unwirsch an, wie ihre Furcht es zuließ. „Ich muss zurück zu meiner Arbeit, und wahrscheinlich gibt es auch für Sie einen aufregenderen Ort als ein verwaistes Stadion.“

Nach einer langen Pause, trat er einen Schritt beiseite und bedeutete ihr mit einer huldvollen Geste, sie solle an ihm vorbeigehen. Mit zusammengebissenen Zähnen folgte sie seiner Aufforderung. Während sie sich an ihm vorbeipresste, war sie sich seiner Größe, mindestens einsfünfundneunzig, des breiten muskulösen Oberkörpers und des berauschenden Dufts, der von ihm ausging, überaus bewusst.

Ein Duft wie nach Sex.

Oh, verflixt, was war denn nur los mit ihr? Seit wann glaubte sie, Sex riechen zu können? Und seit wann glaubte sie zu wissen, wie Sex roch? Eine seltsame Schwäche überkam Alana, doch glücklicherweise war sie bereits an ihm vorbei. Hastig legte sie die letzten Schritte in Richtung Aufzug zurück, der sie nach unten und hoffentlich zurück in die Realität bringen würde.

Ihre stillen Gebete fanden kein Gehör. Plötzlich spürte sie erneut seine Gegenwart. Er sagte kein Wort, als die Lifttüren sich öffneten und sie die Kabine betraten. Alana drückte auf den Knopf und sandte ein Stoßgebet gen Himmel, die Fahrt möge wenigstens nicht lange dauern.

Das Gefühl, auf engstem Raum mit ihm eingeschlossen zu sein, war so überwältigend, dass sie geradezu aus dem Lift stürzte, kaum dass die Türen sich öffneten. Sie konnte ihren Wagen schon sehen … da hörte sie die Schritte des Fremden hinter sich.

Es fiel ihm nicht schwer, sie einzuholen. „Wissen Sie, es gibt tatsächlich einen aufregenderen Ort, an dem ich sein sollte. Haben Sie vielleicht Lust, mich zu begleiten?“

Der Fremde war atemberaubend attraktiv. Alana konnte es nicht fassen. Sie wusste, dass sie nichts Besonderes war. Sie sah aus wie eine Million andere Frauen auch. Was, um alles in der Welt, wollte der Mann von ihr? Jeder konnte sehen, dass er in einer anderen Liga spielte. In ihrem Kopf begannen Alarmglocken zu schrillen.

Ein eleganter dunkler Lexus hielt neben ihnen. Offenbar sein Wagen – sein von einem Chauffeur gelenkter Wagen.

„Es tut mir leid, Mr. …?“

„Lévêque.“

„Mr. Lévêque.“ Selbst sein Name besaß einen erotischen Klang. Zielstrebig. Wichtig. „Ich muss zurück zu meiner Arbeit“, wiederholte sie. „Genießen Sie Ihr Wochenende. Hier in Dublin gibt es viele nette Frauen.“ Die nicht so blöd sind, vor diesem Traummann davonzulaufen, meldete sich eine spöttische Stimme in ihrem Kopf. Doch als sie sich endlich umwandte und zu ihrem Wagen hastete, redete sie sich ein, wie stolz sie auf sich war. Er hatte nicht sonderlich enttäuscht gewirkt. Ja, er hatte nicht einmal versucht, ihre Meinung zu ändern. Er war bloß ein reicher Tourist, der auf die Insel gekommen war, um sich das Spiel anzusehen. Und mit Rugbyfans kannte sie sich aus. Einst hatte sie dazugehört, aber das war lange her.

„Alana, du kannst jetzt nicht gehen!“

„Ich muss nach Hause, Rory. Mein Bruder feiert seinen vierzigsten Geburtstag.“

Ihr Chef ignorierte ihren Einwand, nahm ihre Hand und zog Alana zurück in die Menschenmenge, die sie gerade mühsam hinter sich gelassen hatte.

„Alana, du musst ihn kennenlernen. Immerhin interviewst du ihn morgen. Er hat höchstpersönlich nach dem Spiel angerufen und hat explizit nach dir gefragt … wahrscheinlich hat er deine Reportage gesehen oder so, aber wen interessiert das? Hast du auch nur eine Ahnung, was das für ein Knaller ist? Er ist ein wichtiger Sponsor des Six Nations Turniers … lebt ziemlich zurückgezogen … Milliardär.“

Immer wieder wurde Alana von den anderen Partygästen angerempelt, während sie Rory zu folgen versuchte. Sie verstand nur die Hälfte von dem, was er ihr sagte. Irgendetwas über ein Interview? Das war nichts Ungewöhnliches. Fast jeden Tag führte sie eins oder mehrere. Warum veranstaltete er bei diesem ein so großes Theater? Flüchtig warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr. Die Überraschungsparty fing in einer halben Stunde an. So lange dauerte die Fahrt zum Haus ihrer Eltern.

Plötzlich blieb Rory stehen und wandte sich um. Er musterte sie besorgt. „Schade, dass du dich nicht mehr herausgeputzt hast. Du hättest dir wirklich ein bisschen Mühe geben können, Alana!“, sagte er missbilligend.

Allmählich wurde sie wütend. Wieso erwarteten die Menschen immer, dass sie noch dieselbe wie früher war? „Rory, ich bin für eine Familienfeier angezogen, erinnerst du dich? Nicht für die Party des französischen Teams.“

Die Siegesfeier fand im Ballsaal des luxuriösen Four Season-Hotels in der Innenstadt von Dublin statt. Die meisten Frauen trugen äußerst figurbetonte, zumeist glitzernde Kleider. Ihr Kleid war hingegen sehr schlicht. Und das war auch besser so. Sie besaß zu viele unschöne Erinnerungen an Designerkleider, die zu eng, zu schmal, zu … alles waren.

Rory legte beide Hände auf ihre Schultern, als wäre sie ein kleines Kind. „Ich kann gar nicht genug betonen, wie wichtig dieser Mann ist. Abgesehen von seiner Rolle beim Six Nations Turnier, ist er Vorstandsvorsitzender einer der größten Banken der Welt. Ich stelle dich ihm vor, dann kannst du gehen, okay?“

Wieder fasste er sie an der Hand. Bevor Alana noch Einspruch erheben konnte, zog er sie auf einen Mann zu, der ihnen den Rücken zuwandte. Er trug einen dunklen Anzug und war umgeben von offensichtlichen Bewunderern und Frauen in aufreizenden Kleidern. Plötzlich wurden Alanas Knie weich. Noch bevor sie bei der Gruppe angekommen waren, begann ihr Herz schneller zu schlagen. Und es wurde noch schlimmer, als Rory ihr ins Ohr flüsterte: „Sein Name ist Lévêque. Pascal Lévêque.“

„Ich glaube, ich habe Sie bei der Berichterstattung im Stadion gesehen“, sagte er unschuldig, als seien sie einander nie begegnet.

Zum zweiten Mal an diesem Tag schaute Alana in seine braunen Augen. Augen, die ihr nicht mehr aus dem Sinn wollten. Ihr Mund wurde trocken, ihre Hände feucht. Sie verstand nicht, warum dieser Mann eine solche Reaktion bei ihr auslöste. Andere Männer flirteten mit ihr, baten um Verabredungen, und sie lehnte ohne mit der Wimper zu zucken ab.

Schweigen senkte sich über sie, bis Rory sie unauffällig anstupste. Mechanisch reichte Alana ihrem Gegenüber die Hand. „Ja, wahrscheinlich.“

Pascal Lévêque ergriff ihre Hand, doch anstatt sie zu schütteln, neigte er den Kopf. Sein Blick hielt den ihren gefangen. Alles geschah wie in Zeitlupe. Alana wusste genau, was er vorhatte. Trotzdem sandte der angedeutete Handkuss einen Schauer über ihren Körper. Sie versuchte, sich ihm zu entziehen, aber er gab sie nicht frei. Langsam richtete er sich wieder auf. Sie spürte, wie er mit dem Zeigefinger über die sensible Haut an der Innenseite des Handgelenks strich. Erst danach ließ er sie los. Die flüchtige Berührung übte eine unglaubliche Wirkung auf Alana aus.

Er unterbrach den Augenkontakt, was Alana sich seltsam leer fühlen ließ. Rory murmelte etwas davon, dass er Drinks für alle holen wolle, und verschwand in der Menge. Auch der Rest des Pascal eben noch umgebenden Grüppchens schien sich in Luft aufzulösen.

„Wie ich sehe, hatten Sie Zeit, sich umzuziehen“, wandte er sich wieder an Alana. „Sagen Sie, zählt die Party immer noch als Arbeit?“

„Natürlich habe ich mich umgezogen“, fuhr sie ihn wütend an. „Das hier ist eine Party! Und ja, es ist Arbeit.“

Er ließ seinen Blick über sie wandern, über ein dem Anlass angemessenes, wenn auch unspektakuläres Kleid. Schwarz, hochgeschlossen, mit passendem Jackett.

„Sie haben sich auch umgezogen“, sagte sie. Auf einmal fühlte sie sich merkwürdig verunsichert. Denn im Gegensatz zu ihr, die sie in der Menge unterging, gelang es ihm, trotz der vielen anderen, einen schwarzen Anzug tragenden Männer, herauszustechen.

Bevor sie wusste, was sie tat, hob sie die Hand und strich sich eine vorwitzige Haarsträhne, die sich aus ihrem französischen Zopf gelöst hatte, hinter das Ohr zurück. Eine nervöse Angewohnheit. Die Augen zu schmalen Schlitzen verengt, verfolgte er die Bewegung. Alana errötete. Verdammt! Er sollte doch nicht ahnen, dass er ihr so zusetzte!

„Stimmt es, dass Sie nach mir für ein Interview verlangt haben?“

Nonchalant zuckte er die Schultern. „Ich empfinde es als sehr ermüdend, aber hin und wieder ist es notwendig, den Wünschen der Presse nachzugeben. Also, ja, ich habe um Sie als Partnerin gebeten … in der Hoffnung, dass es, wenn Sie die Fragen stellen, für mich eine erfreulichere Erfahrung als sonst wird.“

Seine Augen funkelten heiß und sinnlich. Aber Alana konzentrierte sich ganz auf sein selbstherrliches Verhalten. Sie lächelte zuckersüß. Dummerweise erwiderte er das Lächeln, worauf sich ein Feuer tief in ihrem Innern entzündete. Sie ignorierte die Reaktionen ihres Körpers. „Mr. Lévêque. Wenn Sie glauben, dass ich, weil ich eine Frau bin, meine Fragen auf Ihre Lieblingsfarbe beschränke, befinden Sie sich auf dem Holzweg.“ Sie würde, nahm sie sich in diesem Moment fest vor, wenn nötig die ganze Nacht aufbleiben und diesen Mann recherchieren.

„Und wenn Sie glauben, dass ich, weil Sie eine Frau sind, Ihnen Ihre Fähigkeiten abspreche, befinden Sie sich im Irrtum. Mein Interesse, mich von Ihnen interviewen zu lassen, ist allein beruflicher Natur. Ich habe mir Ihre Arbeiten angesehen und bin sehr beeindruckt.“

Einen Moment war Alana sprachlos. Sie verspürte das Bedürfnis, sich sofort zu entschuldigen. Fast glaubte sie, sie habe sich das erotische Funkeln in seinen Augen nur eingebildet. Vielleicht hatte es von seiner Seite aus doch nie zweideutige Anspielungen gegeben?

„Nun, ich … Das ist … Ich dachte …“

Er unterbrach ihre gestotterte Entschuldigung. „Wie schon erwähnt, sind meine Interessen rein beruflicher Natur … zumindest was das Interview angeht. Jedoch …“ Er hielt inne und machte einen Schritt auf sie zu. Die Luft zwischen ihnen schien sich elektrisch aufzuladen. Wieder funkelten seine Augen verheißungsvoll auf. Und diesmal war sie sich sicher, dass damit nur eines gemeint sein konnte. „Ich kann nicht versprechen, dass mein Interesse sich anschließend nicht auch auf andere Bereiche ausweitet.“

Wie schon im Stadion, überkam Alana das Gefühl, der Raum um sie herum begänne zu schrumpfen. Adrenalin strömte durch ihre Adern.

„Mr. Lévêque. Es tut mir sehr leid, aber …“

„Sind Sie verheiratet?“, fragte er rasch.

„Ja“, erwiderte sie automatisch. Ein Schatten huschte über sein Gesicht. Sie trat einen Schritt zurück. Was richtete der Mann nur in ihrem Kopf an? „Nein. Ich meine, ich war verheiratet.“ Sie biss sich auf die Unterlippe und schaute sich verstohlen im Saal um. Wo blieb nur Rory mit den Drinks? Zögernd blickte sie zurück zu Pascal. Ein feines Lächeln umspielte seine Mundwinkel.

Sie atmete tief ein. „Mein Ehemann ist vor achtzehn Monaten gestorben.“

Pascal öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch in diesem Moment wurden ihre Gebete endlich erhört. Rory kehrte mit drei Gläsern in den Händen zurück. Er reichte Alana einen Sektkelch mit Champagner, Pascals Getränk sah eher wie Whiskey aus. Plötzlich überfiel sie heiße Panik. Sie stellte ihr Glas so heftig auf einem Tischchen neben sich ab, dass die perlende Flüssigkeit über den Rand schwappte. Dann zog sie ihr Handy aus der Handtasche.

Zehn Anrufe in Abwesenheit. Innerlich aufstöhnend, wandte sie sich an Rory. „Ich muss gehen.“ Ein rascher Blick zu Pascal. „Es tut mir leid, ich werde bereits bei einer anderen Veranstaltung erwartet.“

Ohne auf Rorys wenig subtile Mimik zu achten, wich sie weiter vor den beiden Männern zurück. Sie stieß mit jemandem zusammen und murmelte, ohne wirklich hinzusehen, eine Entschuldigung. Eine weitere Strähne löste sich aus ihrem Zopf. Hastig strich sie sie hinters Ohr.

„Es war schön, Sie kennenzulernen, Mr. Lévêque. Ich freue mich auf das Interview.“ Lügnerin!

Er sah ihr nach, das feine rätselhafte Lächeln umspielte noch immer seine Mundwinkel. Schon jetzt konnte sie die vielen Frauen ausmachen, die sich hinter ihm aufgebaut hatten und nur auf ihren Moment warteten, wieder in seine Nähe zu preschen.

„Ich auch“, sagte er mit samtiger Stimme und hob sein Glas. „Á demain, Alana.“ Bis morgen.

Es fiel Pascal nicht leicht, unbekümmert Konversation zu machen, während die stärkste Lust, die er jemals empfunden hatte, noch immer durch seine Adern kreiste. Selbst das Wissen, dass sie nicht verheiratet war, trug nichts zu seiner Beruhigung bei. Zu sehr beschäftigte ihn die Frage, wohin sie wohl gegangen sein mochte … und zu wem. Vielleicht zu einer Verabredung?

„Also, weshalb möchten Sie unbedingt von Alana Cusack interviewt werden?“ Ihr Chef Rory Hogan, Leiter der Sportabteilung bei einem nationalen TV Sender, lachte nervös. Das unterwürfige Verhalten des anderen Mannes ärgerte Pascal. Vor allem, weil es ihm ein paar unangenehme Wahrheiten vor Augen hielt. Anstatt Alana Cusack auf der Fahrt hierher einfach zu vergessen, hatte er einige Anrufe getätigt, um herauszufinden, wer sie war. Und darüber hinaus hatte er sie anschließend auch noch als Interviewpartnerin verlangt!

„Ich habe mich für sie entschieden, weil sie die beste Reporterin des Senders ist.“

Rorys ohnehin schon gerötetes Gesicht wurde noch eine Spur röter. „Ja, sie ist gut. Tatsächlich hat sie uns alle überrascht.“ Er sah sich einen Moment um, dann rückte er näher an Pascal heran.

Pascal widerstand dem Drang zurückzuweichen. Rory wurde von Minute zu Minute betrunkener.

„Die Sache ist die, wir haben ihr überhaupt nur wegen ihrer Vergangenheit eine Chance gegeben.“

Das weckte Pascals Interesse. Trotzdem bemühte er sich, reichlich gelangweilt zu klingen. „Was meinen Sie damit?“

Rory lachte und machte eine weit ausholende Geste. „Sehen Sie all die Frauen, die hier herumlaufen?“

Pascal brauchte gar nicht erst hinzuschauen. Sie lauerten ja geradezu darauf, sich an ihn heranpirschen zu können. Anlässe wie dieser zogen immer eine besondere Sorte Frauen an: erpicht auf eine Ehe mit einem millionenschweren Sportler und den Lebensstil, den sein Einkommen ihnen garantierte.

„Nun, Alana gehörte dazu. Tatsächlich war sie die unangefochtene Königin. Wissen Sie, sie hat Ryan O’Connor geheiratet.“

Unwillkürlich sog Pascal scharf die Luft ein. Selbst er hatte von dem legendären irischen Fußballspieler gehört. Hervorragender Spieler, doch abseits des Spielfeldes machten immer wieder Skandale die Runde. Frauen, Alkohol, wilde Partys. Er versuchte, sich Alana in dieser Szene vorzustellen. Es gelang ihm nicht. Vor seinem geistigen Auge tauchte ein Bild von ihr auf, gekleidet in ein züchtiges schwarzes Kleid, hochgeschlossen und bis zu den Knien reichend. Irgendetwas passte hier nicht zusammen.

Rory plauderte unterdessen ungeniert weiter. „Ihre Hochzeit war die größte, die Irland seit Jahren gesehen hatte. Zwei Prominente vor dem Traualtar. Die irische Mannschaft gewann in Serie. Alana war ihr Glücksbringer. Sie ist zu allen Spielen mitgekommen. Es war eine großartige Party, eine fantastische Zeit … und dann hat sie alles ruiniert.“ Er errötete. „Ich meine, ich weiß, dass sie nicht persönlich dafür verantwortlich ist, aber …“

„Was soll das heißen?“ Fieberhaft versuchte Pascal, sich daran zu erinnern, was er über Ryan O’Connor gehört hatte.

„Tja, sie hat ihn vor die Tür gesetzt. Und das völlig grundlos. Danach hat Ryan den Boden unter den Füßen verloren. Irlands Glückssträhne war vorbei. Ein paar Tage vor der Scheidung ist er ja dann bei dem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen. Wir haben ihr schließlich den Job gegeben, weil sie sich unglaublich hartnäckig darum beworben hat. Außerdem hat sie wirklich Ahnung von der Sportlandschaft. Es liegt ihr sozusagen im Blut. Schon ihr Vater hat für das irische Rugbyteam gespielt.“

Pascal versuchte noch immer, die Alana, die er kennengelernt hatte, mit den Frauen auf der Party und deren dünnen Kleidchen, die wenig der Fantasie überließen, unter einen Hut zu bekommen. Dann fiel ihm die Szene von vorhin wieder ein, wie sie hastig vor ihnen zurückgewichen war, eine vorwitzige Haarsträhne aus ihrem Zopf gelöst, die Wangen ganz reizend gerötet. Dieser Anblick hatte sein Verlangen über alle Maßen aufglühen lassen. Es war, als habe er einen geheimen Blick auf sie erhaschen können, wie sie im Moment der Leidenschaft aussehen würde.

Doch die Vorstellung, dass sie einst eine Partymaus gewesen war, erfüllte ihn mit Abscheu. Allerdings hatte sie mit ihm definitiv nicht geflirtet. Sie schien nicht einmal gewusst zu haben, wer er war. Vielleicht war aber auch genau das ihre Taktik: sich erobern zu lassen. In diesem Fall, schwor er sich, würde er mit ihr spielen, um herauszufinden, wie weit sie gehen würde, und sich verabschieden, sobald er genug von ihr hatte. Eines jedoch wusste er mit Sicherheit: Der Wunsch, sie zu verführen, war so stark, dass er alles andere in den Hintergrund drängte.

Am nächsten Tag betrachtete Alana in der Damentoilette des Senders kritisch ihr Spiegelbild. Nervös strich sie über die perfekt liegenden Haare. Sie beugte sich vor und kontrollierte das Make-up. Sie hatte ein bisschen mehr als gewöhnlich aufgelegt, um die dunklen Ringe unter ihren Augen zu verbergen. Es war sehr spät gewesen, als sie endlich nach Hause gekommen war. Dann hatte sie Pascal Lévêque einer Internetrecherche unterzogen.

Die Tatsache, dass sie nicht lange hatte suchen müssen, sprach für sich. Er gab nur selten Interviews – das letzte war zwei Jahre her. Er war Vorstandsvorsitzender der Bank Lévêque und hatte diese Position bereits in erstaunlich jungen Jahren erreicht. Mitte bis Ende dreißig hatte er ein Konglomerat aus kleineren, antiquiert arbeitenden Banken ins einundzwanzigste Jahrhundert geführt, indem er sie der Bank Lévêque hinzugefügt und sein Stammhaus damit zu einer der einflussreichsten Banken der Welt gemacht hatte.

Über seine Kindheit und Familie hatte sie so gut wie nichts gefunden. Die einzige Information besagte, dass er als uneheliches Kind in einem Pariser Vorort aufgewachsen war. Über seinen Vater war nichts bekannt.

Alana gab es auf, die hektische Röte ihrer Wangen mit Puder zu kaschieren. Wenn sie noch mehr Make-up auftrug, sah sie wie ein Clown aus.

Autor

Abby Green

Abby Green wurde in London geboren, wuchs aber in Dublin auf, da ihre Mutter unbändiges Heimweh nach ihrer irischen Heimat verspürte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern: Von Enid Blyton bis zu George Orwell – sie las alles, was ihr gefiel. Ihre Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer...

Mehr erfahren