Die ungezähmte Braut des Wikingers

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Northumberland, im Jahr 872. Tod den Wikingern! Die schöne Sächsin Elswyth und ihre Familie schmieden heimlich Rebellionspläne gegen die dänischen Eroberer. Aber als ausgerechnet Elswyth dem Anführer der feindlichen Krieger am Hofe aufwarten muss, wird sie von ihrem eigenen Körper schamlos verraten! Willenlos gibt sie sich den sinnlichen Zärtlichkeiten des breitschultrigen Rolfe hin, der trotz seiner geballten Kraft verführerisch sanft ist. Doch sein Antrag, mit ihm den Bund der Ehe einzugehen, lässt Elswyth fast verzweifeln. Sie sollte den Mann, der das Schwert gegen ihr Dorf erheben könnte, hassen - und begehrt ihn viel zu sehr …
  • Erscheinungstag 12.04.2024
  • Bandnummer 361
  • ISBN / Artikelnummer 9783963691539
  • Laufzeit 09:14:00
  • Audio Format mp3-Download
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Leseprobe

Prolog

Verräter werden bestraft!“, verkündete Rolfe. Seine Stimme hallte über die versammelte Menge und wurde vom Brüllen des neu entfachten Feuers hinter ihm unterstrichen.

Eine schwarze Rauchwolke stieg hoch in den Himmel und überzog das Dorf Banford mit seinem ätzenden Gestank, während die Flammen hungrig an der strohgedeckten Hütte leckten. Die teilweise aus Holz errichtete Kate brannte wie Zunder zur Hälfte herunter, bis eine frische Windbö dem Feuer ein zweites Mal Leben einhauchte. Rolfe packte die Zügel seines Hengstes fester, um gewappnet zu sein, falls einer der Angelsachsen es wagen sollte, ihn anzugreifen. Den scharfen Schmerz in der Schulter nach der gestrigen Schlacht ignorierte er. Er weigerte sich, vor diesen Leuten Schwäche zu zeigen. Er musste sichergehen, dass man seine Worte hörte und verstand.

„Wir haben einen eurer Nachbarn unter den Schotten gefunden, die wir gestern geschlagen haben. Durwin war ein Verräter, er hat Informationen an unseren Feind weitergegeben, und er hat in der Schlacht die Axt gegen uns erhoben.“ Durwin, ein einfacher Knecht, hatte keinen Grund gehabt, sich mit den Schotten zu treffen, bis auf den verletzten Stolz, den so viele Angelsachsen zu teilen schienen, wenn es um die Dänen ging. Rolfe gab seinen Männern ein Zeichen, und sie schnitten Durwins festgebundenen Leichnam vom Pferd. Sie hatten den Toten in eine Decke gewickelt und legten ihn jetzt respektvoll auf den Boden.

Diese Siedlung gehörte zum Gebiet von Burg Alvey, über das Lord Vidar herrschte, und Rolfe und seine Männer waren von der Schlacht direkt hierher geritten. Hier hatte der Verräter gelebt. Cnut, den Rolfe zu seinem Stellvertreter gemacht hatte, hatte sie zu Durwins Haus geführt. Den Göttern sei Dank war es leer gewesen. Rolfe fand keinen Gefallen daran, einer Frau und ihren Kinder das Haus zu nehmen.

„Aber was ist mit seinem Bruder Osric?“ Die Stimme gehörte einer alten Frau. Sie stand inmitten der Menschen, die man aus ihren Hütten getrieben hatte und die jetzt aneinander gedrängt vor Rolfe und seinen Männern standen. Zum Schutz gegen den einsetzenden Schneefall hatten sie sich grobe Decken um die Schultern gelegt. Sobald die Flocken auf die Flammen trafen, die die zweite Hütte erfasst hatten, zischten sie auf. „War er auch dort?“

Cnut trat vor. „Wir haben die beiden bereits seit Monaten in Verdacht, mit den Schotten gemeinsame Sache zu machen. Osric wurde schon seit Tagen nicht mehr gesehen. Kann einer von euch sagen, wo er steckt?“

Natürlich konnte das niemand. Rolfe wusste, dass Osric sich mit den Schotten verbündet hatte. Jeder hier im Dorf wusste es, doch niemand würde ihm etwas sagen. Deswegen hatte Rolfe den Befehl gegeben, die Hütten der Brüder niederzubrennen. Es war der einzige Weg, wie man diesen Leuten die harte, aber notwendige Botschaft übermitteln konnte, dass Verräter nicht toleriert werden würden.

„Ihr gehört zu Alvey.“ Es war eine einfache Tatsache, an die er sie nicht zu erinnern brauchte. „Ihr wurdet hier geboren, und eure Loyalität sollte eurem Lord und eurer Lady gelten.“

Ein paar Bauern nickten zu seinen Worten, doch die meisten starrten ihn nur an. Seit Vidar, sein Jarl, die Angelsächsin Lady Gwendolyn geheiratet hatte, kam es immer wieder zu kleineren Aufständen. Rolfe hoffte, dass ihre Völker weiter zusammenwuchsen, doch noch kam es hier und da zu Widerstand. Ihre einzige Chance war es, ihn früh zu bekämpfen. In diesem Fall war es besonders beunruhigend, da Banford ganz in der Nähe der Grenze im Norden lag und somit nah bei den Schotten. Eine Rebellion in diesem Dorf könnte schlimme Folgen haben, falls sich die Aufrührer mit der schottischen Armee zusammentaten. Deshalb war es so wichtig, jeden Aufruhr bereits im Keim zu ersticken. „Lord Vidar und Lady Gwendolyn werden keine Verräter dulden. Jeder, von dem wir erfahren, dass er Informationen an die Schotten weitergibt, läuft Gefahr, hingerichtet zu werden.“

Ein unbehagliches Grummeln war aus der versammelten Menge zu hören. Rolfes Hund, der neben seinem Pferd gelegen hatte, sprang auf und spitzte die Ohren. „Ruhig, Wyborn.“ Rolfe sprach leise, und der Mischlingshund legte sich wieder hin. Doch er blieb wachsam.

„Denkt daran, dass wir Dänen euer Volk nicht abgeschlachtet haben. Wir haben euch nicht euer Land genommen. Werden die Schotten, die euch seit Generationen bedrängen, ebenso gerecht zu euch sein? Werden die Schotten euren Frauen erlauben, sich ihre Gefährten selbst auszuwählen? Werden sie den Familien Silber schenken, wenn deren Töchter schottische Krieger heiraten?“

Er schwieg, um in ihre Gesichter zu blicken, und hoffte, dass seine Worte für sie glaubhaft klangen. Die Leute murmelten, aber keiner von ihnen trat vor, um etwas zu sagen. Bei dieser schwelenden Rebellion ging es nur um falsch verstandenen Stolz. Wenn sie Verstand hätten, würden sie das begreifen. Es würde erst dann echter Frieden herrschen, wenn sie akzeptierten, dass die Dänen gekommen waren, um zu bleiben.

„Euer Lord und eure Lady bieten euch all diese Dinge an. Wir sind gekommen, um in Frieden und Eintracht mit eurem Volk zu leben. Die Schotten werden euch das niemals anbieten. Sie täuschen nur Freundschaft vor, um euch letzten Endes zu versklaven.“

Rolfe nickte ein letztes Mal und schwang sein Pferd herum, um zum Dorfausgang zu reiten. Cnut und Wyborn folgten ihm. „Fehlen außer Osric noch weitere Männer?“

„Niemand aus dem Dorf.“ Cnut deutete mit einem Nicken auf die Felder und das Bauernhaus, das mit mehreren Nebengebäuden außerhalb des Dorfes lag. „Was mit dem Hof dort ist, weiß ich nicht. Seit ich hier bin, behält Godric die meisten seiner Leute bei sich, aber ich werde ihn befragen.“

Jetzt, zu Beginn des Winters, lagen die Felder brach. Morgens färbte Raureif die Äcker weiß, und die meisten Bäume waren kahl. Aus dem Bauernhaus stieg eine Rauchsäule auf und wurde von dem kalten Wind zerrissen. Es war allgemein bekannt, dass Godric die Dänen nicht mochte, aber bis jetzt hatte er nichts getan, was die Grenze zum Verrat überschritt. Doch Rolfe war den ganzen Sommer über von Alvey fortgewesen und in der Zeit konnte sich die Lage geändert haben. Zuerst hatte er Jarl Eirik im Süden aufgesucht und dann Hakon oben im Norden. Dort hatte er mitbekommen, dass Durwin sich mit den Schotten getroffen hatte. Er musste mit Vidar sprechen, bevor er etwas in dieser Gegend unternahm.

„Danke, Cnut. Gib mir Bescheid, wenn Osric zurückkehrt oder wenn dir etwas anderes Interessantes zu Ohren kommt.“

„Aye, auf der Stelle.“

Rolfe gab seinem Pferd die Sporen und entfernte sich aus dem Dorf. Einige seiner Männer folgten ihm. Der Großteil seiner Truppe war nach der Schlacht zur Burg Alvey zurückgekehrt, während er nach Banford geritten war. Wyborn rannte voraus, als würde der Hund spüren, dass es nach Hause ging. Rolfe presste die Lippen zusammen. Die Speerwunde an seiner Schulter schmerzte bei jeder Bewegung, die sein Pferd machte. Sie würden mehr als einen Tag brauchen, um Alvey zu erreichen. Er war monatelang unterwegs gewesen und freute sich darauf, nach Hause zu kommen. Er hoffte nur, dass Osrics offenkundiger Verrat kein böses Omen war.

1. KAPITEL

Bernicia, Northumberland – Winter 872

Die Dänen bieten einen Furcht einflößenden Anblick, nicht wahr?“

Elswyth fehlte der Atem, um die Frage ihrer Schwester Ellan zu beantworten. Die kalte Luft blieb ihr in der Kehle stecken, bis ihre Lungen brannten. Die Nordmänner kamen auf dem Rücken der Pferde aus dem Wald. Dreißig, vierzig, schätzte Elswyth, und es folgten immer noch mehr. Etliche Hunde in den unterschiedlichsten Brauntönen rannten in ihrer Mitte mit. Elswyth stellte sich vor, dass es sich dabei um blutrünstige Wölfe aus den Sagen handelte, die sie als Kind gehört hatte. Mit Zähnen, von denen das Blut ihrer Opfer tropfte, und zuschnappenden Fängen, die nach mehr verlangten.

Die Sonne hing tief über den Bäumen. Ihre Strahlen ließen ihre Helme und die Griffe ihrer Schwerter funkeln. In der Abenddämmerung bebte die Erde unter dem Donnern der Hufe, als die Horde sich näherte. Elswyth spürte ihr Herz heftig pochen wie ein Echo zu diesem fernen Grollen. Sie wusste, dass die Tage der Ruhe vorbei waren. Diese Männer waren der Grund, warum ihr Vater sie geschickt hatte, um auf Burg Alvey zu spionieren.

Sie hatte vor, diese Aufgabe zu erfüllen. Nicht nur, um ihre Loyalität ihrer Familie gegenüber zu beweisen, sondern auch, um ihrem Dorf zu helfen. Die Menschen von Banford brauchten die Hoffnung, dass sie bald von den Dänen befreit werden würden. Ihre Aufgabe war es, ihnen diese Hoffnung zu bringen. Sie würde herausfinden, welche Pläne die Dänen für die Zukunft hatten.

„Aye“, flüsterte sie schließlich, als sie wieder atmen konnte. „Sie sind ziemlich Furcht einflößend.“ Sie zitterte im kalten Wind, als sie auf die herannahenden Männer hinunterschaute. Die Krieger kehrten zwar nach Hause zurück und zogen nicht in die Schlacht, doch sie wünschte, sie hätte ihre kleine Axt dabei. Sie waren Dänen, und damit waren sie ihre Feinde.

„Aber ich bin froh, dass sie so gut aussehen.“ Ellan lächelte, während sie die Männer mit berechnenden Blicken betrachtete.

Elswyth lächelte ebenfalls. Ausnahmsweise war sie dankbar dafür, dass Ellan niemals irgendetwas ernst nahm. Obwohl kaum ein Jahr zwischen ihren Geburten lag, fühlte Elswyth sich manchmal viel älter als ihre oft leichtfertige jüngere Schwester. „Was kümmert es dich, ob sie gut aussehen?“

„Weil ich keinen hässlichen Mann haben will.“

Die Kriegerhorde war für einen Moment vergessen. Entsetzt starrte Elswyth ihre Schwester an. „Du überlegst doch nicht ernsthaft, einen von ihnen zu heiraten?“ Ganz bestimmt dachte Ellan nicht daran, vor allem nicht, nachdem ihre Mutter mit einem Dänen davongelaufen war. Sie hatte die ganze Familie im Stich gelassen, um sich mit dem Heiden einzulassen. Doch etwas in der Miene ihrer Schwester ließ Elswyth nach Luft schnappen.

„Warum nicht?“ Der Wind erfasste die Kapuze, mit der Ellan ihr Haar bedeckt hatte, und zwang sie, den Stoff festzuhalten. Von der kalten Luft waren ihre Wangen rosig, doch ihr Blick war fest und herausfordernd. „Was für ein Mann wartet auf mich, wenn ich nach Banford zurückkehre? Ein Schäfer? Ein Bauer? Ein Krieger wäre mir wesentlich lieber.“ Ihr Blick wanderte wieder zu den Dänen, die sich dem Burgtor näherten. „Du musst zugeben, dass sie wesentlich stattlicher sind als unsere Männer zu Hause.“

Immer noch entsetzt über die Einstellung ihrer Schwester, musterte Elswyth den Mann, der die Krieger anführte. Stolz und hoch aufgerichtet saß er auf seinem Hengst. Er hatte breite Schultern, die Ärmel seines Hemds waren hochgerutscht und entblößten die muskulösen Unterarme. Die Kapuze seines Pelzumhangs hatte er zurückgeschlagen, sodass die hohen Wangenknochen und das bärtige Kinn im Licht der Fackeln an den Festungsmauern gut zu erkennen waren. Mehr Einzelheiten konnte sie nicht ausmachen, aber sie musste sich – mit einigem Bedauern – eingestehen, dass er ein recht ansehnliches Gesicht hatte. Zu ihrer großen Überraschung war sein Blick auf Ellan und sie gerichtet. Wenn sie nicht so geübt darin wäre, ihr Mienenspiel unter Kontrolle zu halten, hätte sie vielleicht reagiert und ihr Interesse an ihm verraten. Stattdessen starrte sie den Mann an. Sie war viel zu stolz, um ihm zu zeigen, wie viel Angst sie hatte.

„Rolfe!“ Ein Junge in der Nähe des Tores rief laut seinen Namen, und der Mann wandte sich ihm zu. Er grinste breit, offensichtlich erfreut, den Jungen zu sehen.

Der Krieger sah wirklich gut aus, aber das würde Elswyth weder ihrer Schwester noch sonst jemandem gegenüber jemals zugeben. Es fühlte sich schon falsch an, das gute Aussehen ihres Feindes überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Stattdessen konzentrierte sie sich auf sein Haar. Die dunkelblonde Mähne wurde nur von einem Band aus seiner Stirn gehalten und fiel locker über seine Schultern. Kein Angelsachse, der einen Funken Selbstachtung hatte, würde seine Haare tragen wie diese Barbaren. Ihr Vater würde darin einen Beweis sehen, dass sie des Teufels waren. Elswyth glaubte nicht, dass es so unheilvoll war, aber es war auch nicht besonders zivilisiert.

Sie senkte ihre Stimme und flüsterte: „Ich wäre vorsichtig mit dem, was du sagst, Ellan. Sonst erfährt Vater noch, dass du daran denkst, dich unseren Feinden anzuschließen. Willst du das?“

In den Augen ihrer Schwester tauchte das typische verschmitzte Funkeln auf. „Was würde Vater denn tun? Mir folgen und mich zurückholen?“ Sie breitete die Arme aus, als wollte sie die ganze Burg umarmen. „Der große schreckliche Godric herrscht vielleicht über Banford, aber wir sind hier auf Alvey, und ich habe vor, auch hier zu bleiben. Außerdem sind die Dänen nicht länger unsere Feinde. Lady Gwendolyn hat das deutlich gemacht, als sie den Jarl geheiratet hat. Vater ist nur verbittert, weil Mutter ihn verlassen hat. Er lebt in einer Zeit, die längst vergangen ist. Du kannst ja nach Hause zurückkehren, wenn du willst. Du hast immer gerne auf dem Hof gearbeitet, im Gegensatz zu mir.“

Elswyth unterließ es, ihre Schwester darauf hinzuweisen, dass diese Arbeit auch ihr nicht besonders gefiel. Aber jemand musste sich ja um die Familie kümmern, nachdem ihre Mutter verschwunden war. Sie wandte sich ab und beobachtete, wie die Dänen durch das Burgtor ritten und sich im Hof versammelten. Freunde und Angehörige strömten herbei, um sie zu begrüßen. Vor fast zwei Jahren hatte Lady Gwendolyn den Dänen Vidar geheiratet. Seitdem tat das Paar sein Bestes, damit Angelsachsen und Dänen hier in ihrem Winkel von Northumberland friedlich zusammenlebten. Doch natürlich hielten die Dänen den Frieden nur, solange sie im Gegenzug Ländereien, Silber und Frauen bekamen.

Das Land der Angelsachsen, das Silber der Angelsachsen und die Frauen der Angelsachsen.

Die Angelsachsen wurden allmählich von den Eindringlingen verdrängt. Das zumindest behauptete ihr Vater. Und wenn sie auf die mächtigen Krieger im Burghof blickte, verstand Elswyth seine Ängste. Die Männer waren in der Tat beeindruckend. Und Furcht erregend.

Auf die Bitte von Lady Gwendolyn hin hatten sie und ihre Schwester den Herbst auf Alvey verbracht, um ihr bei der Arbeit zu helfen. Seit sie hier war, hatte Elswyth selbst gesehen, dass die Menschen innerhalb dieser Mauern friedlich zusammenlebten. Die Dänen und die Angelsachsen kamen miteinander zurecht, aber nur hier. Draußen auf den Bauernhöfen und in den Dörfern gab es immer noch Spannungen. Jede Woche brachte neue Geschichten über die Brutalität, mit der die Dänen im Süden Englands herrschten. Auch auf dem Gebiet von Alvey gingen Geschichten um, in denen Männer um Frauen kämpften. Es gab nicht genug Frauen, um die Bedürfnisse jedes Angelsachsen und jedes Dänenkriegers zu stillen. Und es gab die Frauen, die wie Ellan und ihre Mutter freiwillig einen Dänen statt eines Angelsachsen wählten. Viele Angelsachsen waren deswegen verbittert.

Wahrscheinlich würde es schon bald zu einem Kampf kommen. Lady Gwendolyn verschloss zwar die Augen davor, aber Elswyth hatte die unzufriedenen Stimmen mit eigenen Ohren gehört. Ihre Familie, mit Ausnahme von Ellan, würde jederzeit bereitwillig die Angelsachsen unterstützen.

„Was du sagst, ist Verrat. Vater würde einer Hochzeit mit einem Dänen niemals zustimmen.“ Elswyth verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihre Schwester an. Ellans Augen waren so grün wie das Wasser des Sees in der Nähe von Banford. Manchmal kam es ihr vor, als sei die Augenfarbe die einzige Gemeinsamkeit, die sie hatten. Ellans Haar war nicht dunkel wie ihr eigenes, sondern honigfarben. Ihre Schwester war immer unbeschwert und wurde nie von Sorgen geplagt wie der Rest der Familie. Elswyth dagegen hatte von klein auf Verantwortung übergenommen. Ellan glich so sehr ihrer eigenwilligen Mutter, dass es Elswyth beunruhigte.

„Vater muss gar nicht zustimmen. Ich werde mir meinen Mann selbst aussuchen, vielen Dank.“

Elswyth hatte absolut nichts dagegen, dass Ellan selbst entschied, wen sie heiratete. Aber ihr Vater und ihre Brüder würden niemals mit einem Dänen einverstanden sein. Dänen heiratete man nicht.

„Wir sollten besser nach unten gehen“, sagte sie und warf ihrer Schwester einen zweifelnden Blick zu. „Lady Gwendolyn wird für das Festmahl heute Abend Hilfe brauchen.“ Sie gingen hinab in den Hof, wo den ganzen Tag Feuer gebrannt hatten, in Vorbereitung auf die Ankunft der Krieger. Die Luft war erfüllt vom Duft gebratenen Fleisches.

Zu ihrem Ärger hellte Ellans Blick sich auf, als sie über die Menge der Krieger schaute. „Was meinst du, welchen davon soll ich heiraten?“

Elswyth verdrehte die Augen. Sie war es leid, zu streiten. „Du hattest monatelang Zeit, dir einen auszusuchen, als diese hier unterwegs waren, um zu plündern, oder was immer sie getrieben haben. Warum hast du dir keinen von denen ausgesucht, die hier geblieben sind?“ Sie wusste, dass eine große Gruppe der zurückgekehrten Krieger, angeführt von dem Mann namens Rolfe, hier überwintern würde. Aber sie hatte noch nicht herausgefunden, was sie während der Sommermonate getrieben hatten. Sie war sicher, dass ihr Vater unbedingt mehr darüber erfahren wollte.

Ellan kicherte. „Weil diese hier neu sind. Warum sollte ich mich selbst beschränken, wenn die Auswahl größer ist?“

„Du hast nicht die leiseste Ahnung, wie man einen anständigen Ehemann auswählt, Ellan. Ich mache mir Sorgen um deine Zukunft“, neckte Elswyth ihre Schwester und ging über den festgestampften Boden in Richtung der Großen Halle. Dabei hielt sie sich immer in der Nähe der Mauer und versuchte, den Kriegern nicht zu nahe zu kommen. Mit ihren Jubelrufen und ihrem Gebrüll verursachten sie einen unglaublichen Lärm.

„Bei dir hört es sich an, als sei es schwer. Aber man muss sich einfach nur einen Mann mit einem angenehmen Äußeren und einem passenden Charakter suchen, und schon hast du einen guten Ehemann“, erklärte Ellan.

„Nun, dann tust du mir jetzt schon leid. Keiner dieser Wilden hat einen guten Charakter.“ Als wollten sie ihre Worte unterstreichen, wurde ein Mann aus der Menge geschleudert und landete mit lautem Krachen vor ihnen an der Burgmauer. Er fiel unsanft auf sein Hinterteil, doch er stand unbekümmert auf und schüttelte sich die wilde Mähne aus dem Gesicht. Er rief etwas in seiner schroffen Sprache, das seine Freunde brüllend auflachen ließ, dann schnappte er sich einen von ihnen, und die beiden Männer wälzten sich raufend auf dem Boden. Der Rest der Gruppe feuerte sie an und bildete einen Kreis um sie. Elswyth widerstand dem Drang, erneut die Augen zu verdrehen. Sie würde diese ungehobelten niemals verstehen.

Ellan beeilte sich, um zu Elswyth aufzuschließen, als diese um die Gruppe herumging. „Natürlich meine ich keinen von denen. Aber es gibt ein paar mit einem guten Charakter und anständigen Manieren. Lord Vidar ist ganz angenehm. Ich dachte, ich könnte jemanden unter den Männern finden, die ihm nahe stehen.“

Das stimmte. Für einen Dänen war Lord Vidar ganz annehmbar. In den Monaten, seit sie auf Alvey lebten, hatte sie sich ein Bild von ihm machen können, und auch von Lady Gwendolyn. Dabei war ihre Bewunderung für die Burgherrin immer weiter gewachsen. Ihre Familie sah in Lord Vidars Gemahlin eine Verräterin der Angelsachsen, doch Elswyth hatte mit eigenen Augen gesehen, wie gut Lady Gwendolyn und Lord Vidar miteinander auskamen. Er behandelte seine Frau gut, und die Menschen auf Alvey respektierten ihn, selbst die Angelsachsen. Elswyth hatte erlebt, dass er gerecht und verständig war. Die Eheschließung der beiden hatte zwei Volksgruppen vereinigt und dadurch eine blutige Schlacht verhindert.

Für sie und Ellan kam so etwas allerdings nicht in Betracht, aber es hatte keinen Zweck, mit ihrer Schwester darüber zu streiten. Diese tat, was sie wollte – so hatte sie es schon immer gehalten. Elswyth zweifelte nicht daran, dass Ellan es kein Jahr mit einem Dänen aushalten würde. Nach ihrer unüberlegten Entscheidung würde sie mit Sicherheit zurück auf den väterlichen Hof flüchten. „Ich wünsche dir viel Glück dabei, in diesem wilden Haufen fündig zu werden. Ich bleibe lieber fürs Erste unverheiratet.“

Ellan kicherte. „Das wird Vater genauso wenig gefallen wie eine Heirat mit einem Dänen. Er will, dass du Osric heiratest. Das weißt du doch.“

„Osric?“ Elswyth verdrehte die Augen und lachte.

„Aye. Was ist daran so lustig?“

„Osric ist … Osric. Er ist ein Freund, aber ich werde ihn niemals heiraten.“ Obwohl sie zugeben musste, dass es die nahe liegendste Wahl wäre. Osric war die rechte Hand ihres Vaters, und sie waren seit Kindertagen befreundet. Aber sie wollte ihn nicht als Ehemann. Sie konnte keinen Grund dafür nennen, außer, dass sie mehr sein wollte als die Frau eines Bauern.

„Vater wird nicht erfreut sein“, stellte Ellan fest.

„Nay, das wird ihm nicht gefallen. Aber er kann mich nicht zur Heirat zwingen.“ Das würde Lady Gwendolyn niemals dulden.

„Ich habe keine Beweise gefunden, aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass Godric mit den Schotten unter einer Decke steckt.“ Rolfe packte den Krug mit dem Met fester und nahm einen tiefen Schluck von dem honigsüßen Getränk. Der Gestank des Verrats mochte ihm die Heimkehr versauern, doch das Met hob seine Stimmung ein wenig.

Vidar fluchte verhalten und schüttelte den Kopf. „Godric hat das gesamte Dorf fest im Griff. Wahrscheinlich weiß er von Durwins Verrat und falls nicht, würde er uns nicht glauben. Nur eines ist sicher: Er wird Blut sehen wollen für den Tod des Mannes.“

Rolfe mahlte mit den Zähnen, als er an den Kampf mit den Schotten dachte. Die Wut über den Angelsachsen brannte immer noch heiß in ihm. „Sie hatten ihre Blutrache bereits. Ich wollte Durwin lebend ergreifen, doch er kämpfte und schlug zwei meiner Männer nieder, ehe er fiel. Er hätte sie mit Freuden getötet, wenn er die Gelegenheit gehabt hätte.“

„Geht es ihnen gut?“

„Aye. Einer von ihnen wird eine hässliche Narbe davontragen, aber sie werden beide wieder gesund.“

Nickend lehnte Vidar sich zurück und drehte seinen Krug nachdenklich zwischen den Handflächen. „Wir werden Durwins Tod vorerst noch geheimhalten. Ich bin sicher, dass die Neuigkeit bald die Burg erreicht, aber es bringt nichts, sie jetzt schon zu verkünden.“

Rolfe war ganz seiner Meinung. Viele der Angelsachsen innerhalb der Mauern von Alvey hatten bereits ihren Frieden mit den Dänen geschlossen, aber es gab immer noch ein paar, die sich verweigerten. Er wollte nicht, dass sie aus diesem Hauch einer Rebellion einen offenen Aufstand machten. „Ich habe bereits mit meinen Männern gesprochen. Sie werden alle den Mund halten.“

„Gut. Wie liefen die Verhandlungen mit Hakon?“

„Er ist bereit, sich uns anzuschließen, falls es nötig werden sollte. Er hat fast zweihundert Männer an der Westküste. Er sagt, dass es dort ein paar Scharmützel gegeben hat, aber er trifft selten auf mehr als zwanzig Schotten auf einmal. Ich bezweifle, dass er alle zweihundert Mann dort braucht.“ Rolfe nahm einen weiteren tiefen Schluck.

Bis auf diese Sache mit Durwin und seinem Bruder Osric war der Sommerfeldzug ein voller Erfolg gewesen. Nachdem er den Großteil davon im Süden bei Jarl Eirik, Vidars ältestem Bruder, verbracht hatte, waren er und seine Männer auf ihren Booten im Herbst Richtung Norden gezogen. Beim Treffen mit Jarl Hakon, dem Dänenfürsten im Norden, hatten sie eine Allianz geschmiedet.

Vidar nickte, doch sein Blick war besorgt. „Wir dürfen die Schotten nicht unterschätzen. Sie sind seit Jahren ein Ärgernis für Alvey, und je mehr wir werden, desto unruhiger werden sie. Morgen früh, nachdem du dich ausgeruht hast, werden wir darüber reden, wie wir gegen sie vorgehen wollen. Es wird Zeit, dass wir uns mit unseren Verbündeten treffen und diese Sache ein für alle Mal zu Ende bringen.“

„Ihr haltet eine Versammlung für notwendig?“

Vidar nickte knapp. „Die Gerüchte, dass Banford sich den Schotten anschließen will, werden immer lauter, und das könnte Godric noch ermutigen. Ich würde gerne glauben, dass es nur Gerüchte sind, aber dieses Risiko dürfen wir nicht eingehen. Godric ist schwierig. Ich fürchte, wir haben keine andere Wahl. Wir müssen einer möglichen Allianz zwischen ihm und den Schotten einen Riegel vorschieben, ehe es noch schlimmer wird.“

„Ihr zwei seht so ernst aus. Gibt es Neuigkeiten?“ Lady Gwendolyn kam näher. Auf dem Arm trug sie ihre kleine Tochter Tova. Wyborn sprang auf und begrüßte die beiden schwanzwedelnd. Er schnüffelte begeistert an dem Baby, das fröhlich gluckste.

„Aye, ein paar“, sagte Vidar und rutschte auf der Bank zur Seite, damit sie sich neben ihn setzen konnte. Er zeigte auf die Beutel voll Münzen auf dem Tisch, die Rolfe und seine Männer den Schotten abgenommen hatten. „Rolfe ist mit den Schotten aneinandergeraten, und das ist alles, was wir von dem ganzen Ärger haben.“ Ein Lächeln erhellte sein Gesicht, als er sein Töchterchen nahm und es sich auf die Knie setzte.

Rolfe grinste. Er freute sich immer, die Frau zu sehen, die dafür sorgte, dass Vidar seine wohlverdiente Aufmunterung bekam. Ihre Anwesenheit genügte, um seine Stimmung aufzuhellen, und wenn dann noch die pausbäckige kleine Tova dabei war, war die Welt für einen Moment wieder in Ordnung. Nun wandte Tova sich von Wyborn ab und schenkte Rolfe ihre Aufmerksamkeit. „Wie ich sehe, hat sie sich gut gemacht. Sie ist groß geworden.“

Lady Gwendolyn setzte sich neben Vidar auf die Bank. Ihre Gesichtszüge wurden weich, als sie ihren Mann und ihr Kind betrachtete. „Allerdings. Sie ist noch kein Jahr alt und versucht schon zu laufen.“

„Sie hat ihren eigenen Kopf, wie ihre Mutter“, stellte Rolfe fest. „Ich hatte schon befürchtet, die Kleine würde ihrem Vater ähnlich sehen, aber die Götter sind ihr wohlgesonnen und haben ihr nur sein weizenfarbenes Haar gegeben. Sie sieht jetzt eher aus wie Ihr, Lady Gwendolyn. Sie ist wunderschön.“ Und das war sie wirklich. Ihre Wangen waren voll und rosig, die Augen hell und neugierig. „Schon bald wird sie alle in der Burg um den kleinen Finger wickeln.“

Lady Gwendolyn warf ihm einen gespielt finsteren Blick zu, während Vidar leise lachte und den neugierigen Blick seiner Tochter auf sich zog. Ein unerwarteter Schmerz erfasste Rolfe, als er diese Szene beobachtete. Ohne Zweifel war er als Sieger heimgekehrt, auch wenn sie noch einen Verräter in ihrer Nachbarschaft hatten. Er sollte glücklich und zufrieden sein, denn er hatte gute Arbeit geleistet. Stattdessen beobachtete er jetzt diese kleine Familie und merkte auf einmal, was ihm in seinem eigenen Leben fehlte.

Um sich abzulenken, beugte er sich vor und streichelte Tovas seidiges Haar. Bei der Bewegung schmerzte seine Wunde, und er schrie leise auf.

„Du bist ja verletzt, Rolfe!“, rief Lady Gwendolyn. Sie sprang auf, eilte zu ihm und zog an seinem Hemd. Er verzog das Gesicht, als sie das Leinen mit dem getrockneten Blut von der Wunde riss. Er schaute quer durch die Halle, um sich abzulenken, während Lady Gwendolyn die verletzte Stelle abtastete.

Die ganze Zeit schon war er sich vage bewusst gewesen, dass die Frau, die er bei seiner Ankunft oben auf dem Wehrgang gesehen hatte, auf der anderen Seite der Halle arbeitete. Jetzt versuchte sie so zu tun, als sei sie nicht neugierig auf ihn, während sie für die Männer Becher mit Met fühlte. Ihre Miene verriet dieselbe Vorsicht und grimmige Entschlossenheit, die ihm schon draußen an ihr aufgefallen war. Ein dicker Haarzopf fiel ihr über die Schulter, über ihre runde Brust und fast bis hinunter zur Taille. Als er aufgebrochen war, war sie noch nicht auf Burg Alvey gewesen. Wer mochte sie sein?

„Die Wunde hat ziemlich stark geblutet“, stellte Lady Gwendolyn fest. Rolfe verzog das Gesicht, als sie an den empfindlichen Wundrändern herumdrückte. Die Frau hatte viele Fertigkeiten, aber Behutsamkeit angesichts seiner Schmerzen gehörte nicht dazu.

„Ein Speerstoß, den ich einem Schotten zu verdanken habe. Es geht schon. Die Wunde ist nicht sehr tief.“ Es brannte wie Feuer, aber Fieber hatte er zum Glück noch nicht.

„Was ist passiert?“, fragte Lady Gwendolyn, und er gab ihr eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse.

„Ein kleines Scharmützel“, sagte er achselzuckend, als er fertig war. „Sie waren weniger als zwanzig.“ Er würde es Vidar überlassen, ihr von Durwins Verrat zu berichten.

Als Lady Gwendolyn sich wieder setzte, folgte sie seinem Blick zu dem Mädchen am anderen Ende der Halle. Sie lächelte wissend. „Geh nach oben. Ich schicke dir jemanden, der sich um dich kümmert.“

Er überlegte, ob er protestieren sollte, doch die Vorstellung, möglicherweise einige Zeit allein mit dem Mädchen verbringen zu können, war zu verlockend, um die Gelegenheit verstreichen zu lassen. Er nahm sich seinen Anteil an der Beute aus einem der Beutel auf dem Tisch, stand auf und suchte seine Kammer auf.

2. KAPITEL

Elswyth hatte nicht erwartet, dass sie dem Krieger Rolfe bei seinem Bad aufwarten sollte. Doch da saß er, in einem Zuber voll dampfenden Wassers. Er war so groß und kräftig, dass der Zuber viel zu klein für ihn war. Er hatte die Knie aufgestellt, sodass sie aus dem Wasser ragten, und Elswyth konnte die Muskelstränge an seinen kräftigen Beinen sehen. Sein Haar war nass und wirkte dunkler als zuvor. Er hatte es zurückgestrichen, und die Züge seines Gesichts waren gut zu erkennen. Seine Nase war ein wenig zu groß, die Brauen eine Spur zu kräftig und die Lippen zu hart, doch zusammengenommen wirkten diese Details bei ihm schon fast schön. Eine männliche Schönheit, die sie überraschte. Wie gebannt, blieb sie auf der Schwelle stehen.

Seine Augen waren vom reinsten Blau, das sie je gesehen hatte. Nicht stechend, aber so intensiv und leuchtend, dass die Farbe fast unwirklich schien. In der Tiefe verborgen, entdeckte sie eine Freundlichkeit, die ihr half, die Kammer zu betreten und die Tür hinter sich zu schließen. Als sie und Ellan auf Burg Alvey ankamen, hatte Lady Gwendolyn allen Anwesenden klar gemacht, dass die Männer ihre Finger von ihnen lassen sollten. Aber dieser Mann war neu hier, und Elswyth wusste nicht, ob er diese Anweisung kannte. Verwundet oder nicht, er war kräftig genug, um mit ihr zu machen, was er wollte. Sie glaubte zwar, dass sie sich durchaus gegen ihn zur Wehr setzen könnte, doch ihre Axt ließ sich am besten aus einiger Entfernung werfen.

Ein leises Knurren aus der Ecke mahnte sie zur Vorsicht. Ein riesiger Mischlingshund stand auf. „Platz, Wyborn!“ Der Hund gehorchte auf der Stelle und legte sich wieder ab, doch die Ohren blieben gespitzt, und er sah sie aufmerksam an.

Elswyth richtete ihren Blick von dem Hund auf seinen Herrn. „Ich bringe Euch Kräuter für Eure Schulter, Mylord.“

„Ich bin kein Lord“, sagte er schroff. Seine Stimme war so tief, dass sie überaus angenehm klang. Sie war überrascht, wie gut er ihre Sprache sprach, fast ohne einen Akzent. Sein Blick fiel auf die kleine Axt an ihrer Hüfte, ehe er sich wieder der Tätigkeit widmete, bei der sie ihn unterbrochen hatte. Er kippte sich weiteres Wasser über den Kopf, wobei er jedoch nur die rechte Hand benutzte.

Seine Kammer war größer, als erwartet. Borde und Truhen säumten eine Wand, in einer Ecke standen ein Tisch und eine Bank. Ein Bett war in einem Alkoven untergebracht, durch dessen halb geöffneten Vorhang Elswyth sehen konnte, dass es größer war als das, das sie sich mit Ellan teilte. Auf den dicken Fellen, die es bedeckten, lag zwischen einigen Gold- und Silberstücken ein roter Stein und funkelte im Kerzenlicht. Möglichst unauffällig wandte sie den Blick von dem Schatz ab. Ohne Zweifel war er einem Angelsachsen gestohlen worden. Der Gedanke verlieh ihr den nötigen Zorn, den sie brauchte, um ihren Mut wiederzufinden.

„Wie lautet dein Name, Kleine?“

Härter als beabsichtigt stellte sie das Tablett mit den Leinentüchern und den Kräutersalben auf eine Truhe. So hart, dass der Däne innehielt und zu ihr herübersah. „Ich bin keine Kleine“, sagte sie und äffte seine Worte nach. Wann immer Männer sie auf ihren Platz verweisen wollten, benutzten sie mit Vorliebe dieses Wort. Offensichtlich fühlten sie sich dann stärker. Elswyth stellte fest, dass sie enttäuscht war, dass ein Krieger wie er das Gefühl hatte, dieses Wort benutzen zu müssen.

Sie erwartete, dass er den Blick aus diesen unglaublich blauen Augen über ihren Körper wandern lassen würde. Dass er die Rundungen ihrer Brüste und Hüften abschätzen würde, um deutlich zu machen, dass er genau wusste, dass sie keine Kleine war. Ihr Körper war der einer Frau, von der er annehmen musste, dass sie nur hier sein konnte, um ihn mit genau diesen Rundungen und Kurven zu verlocken. Doch er brach den Augenkontakt nicht ab und konzentrierte sich ganz auf ihr Gesicht. Schließlich nickte er anerkennend und verzog kurz die Lippen zu einem Lächeln.

„Nay, du bist keine Kleine. Das merke ich jetzt auch.“

Die Worte fühlten sich an wie ein Kompliment. Sie hatte in ihrem Leben, und vor allem in letzter Zeit, nur wenig Komplimente erhalten. Ob sie wollte oder nicht, sie freute sich darüber. Ihre Wangen brannten, und sie schaute hinunter auf das Tablett, damit es aussah, als wäre sie beschäftigt.

„Wie nennt man dich?“, fragte er.

„Elswyth.“

„Ich bin Rolfe“, sagte er und streckte seine Rechte aus.

Sie starrte die Hand an, als würde sie Gefahr bedeuten, was natürlich albern war. Es war nur eine Hand, schwielig und rau mit etlichen Narben. Doch normalerweise reichten Männer ihr nicht die Hand, vor allem nicht in ihrer momentanen Stellung als Dienerin. Das allein machte ihn schon verdächtig. Dennoch gab sie ihm die Hand. Eine kurze Berührung, nach der sie sich rasch umdrehte, um ein Stück Leinen für den Verband abzureißen. Dieser Mann hatte sie von Anfang an irritiert. Je schneller sie mit ihrer Aufgabe fertig war, desto besser.

„Du warst nicht hier, als ich im Sommer aufgebrochen bin. Wer bist du?“ Er wirkte ebenfalls erleichtert, sich wieder seiner Aufgabe widmen zu können, und schüttete sich weiter Wasser über den Körper.

„Meine Mutter war eine entfernte Verwandte von Lady Gwendolyn. Meine Schwester und ich haben in den letzten Monaten auf Einladung der Burgherrin hier gedient.“

Sie drehte sich wieder zu ihm um und holte tief Luft. Sanft berührte sie seine Schulter und schob ihn nach vorn, damit sie sich die Wunde näher ansehen konnte. Seine langen Haare verdeckten die Stelle fast, sodass sie notgedrungen die nasse Mähne in die Hand nehmen und beiseiteschieben musste. Sie fühlte sich an wie feuchte Seide. Die Berührung kam ihr fast zu persönlich vor. Alles an dieser Szene kam ihr zu persönlich vor. Sie sollte so wenig wie möglich mit diesem Mann zu tun haben. Einem Dänen. Einem Wikinger! Er war ihr Feind, trotzdem wartete sie ihm bei seinem Bad auf. Er saß nackt im Zuber, und bei dieser Vorstellung stieg Hitze in ihr auf.

Sie zwang sich, ganz ruhig zu atmen, und beugte sich vor, um die Stichverletzung zu untersuchen. Er hatte Glück, die Wunde eiterte nicht. Die Ränder waren leicht gerötet, aber sie waren weder geschwollen noch heiß. Offensichtlich hatte jemand die Wunde bereits versorgt. Elswyth tauchte das Leinen ins Wasser und tupfte damit das getrocknete Blut ab. „Tut mir leid“, flüsterte sie, obwohl er nicht einmal zuckte.

Der Hund kam herbei und schnüffelte neugierig an ihr, als sie sich an seinem Herrn zu schaffen machte. Sie versuchte, ihn zu ignorieren, und vertraute darauf, dass der Krieger einschreiten würde, falls das Tier ihr etwas antun wollte. Als der Hund sich vergewissert hatte, dass sie seinem Herrn keinen Schaden zufügen wollte, ging er zurück zu seinem Platz neben dem Bett und ließ sich schwer zu Boden sinken. Er streckte die Vorderpfoten nach vorn, legte den Kopf darauf und beobachtete sie aufmerksam.

„Bist du eine Heilerin, Elswyth?“, fragte Rolfe.

„Ich weiß genug, um Wunden zu säubern und die üblichen Salben und Tinkturen herzustellen. Das war eine meiner Aufgaben zu Hause.“ Nachdem sie das getrocknete Blut abgetupft hatte, betrachtete sie zufrieden die Wunde. Sie griff nach der Seife, die neben dem Zuber in einer Schale auf dem Boden lag. Offensichtlich konnte er den linken Arm nicht benutzen, denn dort, wo er nicht heranreichte, war sein Rücken immer noch mit Dreck und getrocknetem Blut bedeckt. Mit sanften Strichen fuhr sie mit dem Seifenstück über seinen Rücken. Dann befeuchtete sie ein Stück Leinen und wusch den Schaum ab. Durch den dünnen Stoff spürte sie, wie hart seine Muskeln darunter waren. Seine Kraft war gewaltig und hätte sie erschrecken können, doch er summte leise, als würde er ihre Berührung genießen, und legte die Stirn auf die Knie. Der Moment hatte etwas Friedvolles an sich.

Als sie fertig war, legte sie das Leinen über den Rand des Zubers und tauchte einen Krug in den Eimer mit heißem Wasser neben dem Bottich. Dabei gab sie acht, sich nicht die Finger zu verbrennen. „Das könnte jetzt etwas wehtun.“

Als sie das heiße Wasser über die Wunde träufelte, unterdrückte er ein Stöhnen. „Ich muss das noch einmal machen, um sicher zu gehen, dass die Wunde sauber ist. Es hilft bei der Heilung.“

Er nickte und beugte sich noch etwas vor, damit sie besser herankam. Dieses Mal gab er keinen Ton von sich, sondern atmete nur heftig ein und aus. „So. Fertig.“ Die Wunde war wieder aufgegangen, blutete aber nur wenig. Das war ein gutes Zeichen, dass sie nicht eitern würde.

„Man hat dich geschickt, um im Namen der Angelsachsen Rache zu üben. Gestehe!“ Seine blauen Augen blitzten gefährlich auf, als er über die Schulter sah. Doch dieses Beinahe-Lächeln umspielte erneut seine Mundwinkel.

„Ich werde gar nichts gestehen“, scherzte sie. Sie unterdrückte den Impuls, mit diesem Mann herumzualbern. „Aber wenn ein Angelsachse dir diesen Kratzer beigefügt hat, dann ist es meine Pflicht, dafür zu sorgen, dass er noch ein wenig länger wehtut.“

Er lachte und lehnte sich an den Rand des Zubers. „Dann sehe ich mich gezwungen, die Wahrheit zu bekennen. Es war kein Angelsachse, sondern ein Schotte. Bist du den Schotten gegenüber genauso loyal?“

Sie musste sich zwingen, nicht nach Luft zu schnappen oder irgendeine andere heftige Reaktion zu zeigen. Er machte nur Spaß, kam dabei jedoch der Wahrheit näher als sonst irgendjemand in der ganzen Zeit, seit sie Lady Gwendolyn diente. Sie war keine Verbündete der Schotten, aber ihr Vater könnte es mittlerweile gut sein. Kurz bevor sie abgereist war, hatte es Gerüchte gegeben, dass er sich mit ihnen treffen wollte.

„Soweit ich weiß, nicht.“ Sie zuckte die Achseln und hoffte, dass die Bemerkung so beiläufig klang, als sei sie Teil des Spiels.

„Das ist gut zu wissen. Sonst müsste ich mir noch wegen deiner Axt Sorgen machen.“

„Machst du dir nicht ohnehin deswegen Sorgen? Die Rache der Angelsachsen, du weißt schon.“

Seine Augen blitzten erheitert auf, und sie konnte den Blick einfach nicht abwenden. Diese Farbe! Es war das leuchtendste Blau, das je ein Mensch gesehen hatte. Langsam schüttelte er den Kopf, und ein einzelner Wassertropfen lief ihm übers Gesicht. „Ist es bei den Angelsachsen üblich, dass Frauen eine solche Waffe tragen?“

Sie starrte hinunter auf die Axt an ihrem Gürtel, weil sie unbedingt den Blick von ihm abwenden musste. „Es ist eher ein Werkzeug als eine Waffe. Auf einem Bauernhof ist sie nützlich, und ich bin praktisch damit aufgewachsen.“ Sie erwähnte nicht, dass sie damit besser umgehen konnte als jeder Mann, wenn es darum ging, sie auf ein Ziel zu schleudern. Sie sah ihn wieder an. „Lady Gwendolyn ist so freundlich, mich im Bogenschießen zu unterweisen, solange ich hier bin. Vielleicht solltest du dich deswegen morgen auf dem Übungsplatz vorsehen.“

Das brachte ihn zum Grinsen. Er sah so gut aus, wenn er lächelte, dass sie erneut den Blick abwenden musste. Wahrscheinlich hielt er sie für albern, so, wie sie seinen Blicken ständig auswich. Dieser Mann irritierte sie in vielerlei Hinsicht, und sie wusste nicht, was sie von ihm halten sollte. Machte er ihr schöne Augen? Oder zog dieser Krieger ständig alles ins Lächerliche?

Er ist der Feind! Immer wieder tauchte dieser Merksatz in ihrem Kopf auf.

„Deine Künste im Bogenschießen würde ich gerne sehen.“ Etwas an der Art, wie er es sagte, ließ sie glauben, dass es stimmte, und machte sie stolz. Gegen ihren Willen freute es sie, dass ein Krieger von seinem Ansehen ihre Fertigkeiten sehen wollte.

„Hast du das den ganzen Sommer über getan?“ Sie lenkte sich selbst damit ab, die Dinge auf dem Tablett zu sortieren und alles für den Kräuterumschlag vorzubereiten. „Die Schotten bekämpft?“ Sie sagte sich, dass sie nur aus persönlicher Neugier fragte, doch im Hinterkopf hörte sie leise die Stimme ihres Vaters, der Informationen von ihr erwartete. Sie verursachte Unbehagen bei ihr. Alle Nachrichten über das Verhältnis zwischen Dänen und Schotten konnten ihm dienlich sein.

„Nicht den ganzen Sommer, aber einen Großteil davon. Sie waren recht aktiv, aber bisher stellen sie keine Bedrohung für Alvey dar.“

„Mein Heimatdorf liegt nördlich von hier. Muss ich mir um die Meinen und mein Zuhause Sorgen machen?“ Eine berechtigte Frage. Wie viele Nächte hatte sie auf ihrem Lager wachgelegen und sich wegen der Schotten im Norden und der Dänen im Süden gesorgt!

„Nay, im Moment gibt es keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Und, Elswyth …“ Sie ließ fast das Tuch für die Kräuterpaste fallen, als er die Hand ausstreckte, um sie an der Schulter zu berühren. Sein Blick war eindringlich und ernst. Die Wärme seiner Berührung spürte sie bis in den Bauch, wo sie diesen festen Knoten des Unbehagens aufzulösen schien. „Wir werden euch vor ihnen beschützen, wenn es soweit ist.“

Und was, wenn wir der Grund sind, warum die Schotten herkommen? Was, wenn Vater etwas getan hat, dass sie zu uns geführt hat?

Doch diese Fragen stellte sie nicht laut. Sie würde ihre Familie niemals verraten. „Woher weißt du, dass sie nicht zu stark sind?“

Erneut lächelte er und ließ sie los. Seine Zähne waren gerade und so weiß, dass sein Lächeln für einen Wikingerkrieger wie ihn viel zu freundlich wirkte. Er sollte wild aussehen, und sein Lächeln sollte grimmig sein. Als er antwortete, strahlte seine Miene pure männliche Überheblichkeit aus „Für die Dänen werden sie niemals zu stark sein.“

Sie lachte spöttisch und machte sich daran, die Kräuter zu vermischen und eine Salbe daraus herzustellen. Dann riss sie das Leinen in lange Streifen, um den Wundverband später damit zu befestigen. Doch tief in ihrem Herzen fürchtete sie, dass er recht hatte. Die Dänen, die den Sommer auf Alvey verbracht hatten, hatten sie beeindruckt. Und die Armee, die erst vor wenigen Stunden in die Burg eingezogen war, hatte ihr stark imponiert. Morgen würde sie die Männer bei den Waffenübungen erleben, aber sie brauchte sie gar nicht zu sehen, um zu wissen, wie kühn sie waren. Ihr Ruf eilte ihnen voraus.

„Ihr Dänen seid alle gleich. Viel zu sehr von eurer Überlegenheit überzeugt.“

„Aber da das stimmt, ist es keine Arroganz. Ich habe noch nie einen Kampf verloren.“

Das glaubte sie ihm gerne. Er saß in diesem einfachen Badezuber wie ein König, die kräftigen Arme auf dem Rand ausgestreckt, den Blick voller Selbstvertrauen. In diesem Moment fragte sie sich, ob es überhaupt jemanden gab, der ihn besiegen könnte.

Sein Blick wurde leicht verschleiert, als er sie betrachtete, und seine Miene wurde nachdenklich. „Nach Lord Vidars Hochzeit mit Lady Gwendolyn habe ich die Gebiete nördlich von Alvey erkundet. Ich kann mich nicht erinnern, dich je getroffen zu haben.“ Er sagte es, als hätte er sich auf jeden Fall an sie erinnert.

Autor

Harper St. George
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