Ist dieses Ja für immer?

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Sechs Jahre ist es her: Die junge Kellnerin Ivy willigte in eine spontane Vernunftehe mit dem italienischen Tycoon Antonio Gallo ein, weil er versprach, die medizinische Versorgung ihres Bruders zu bezahlen. Seit der kurzen Begegnung im Standesamt hat sie Antonio nicht mehr gesehen. Jetzt will er sich scheiden lassen, aber der Richter verlangt Beweise, dass sie zusammenleben und alles getan haben, um ihre Ehe zu retten. Sie müssen sich fügen – und plötzlich entbrennt Leidenschaft! Dabei will Antonio die Scheidung, weil er eine andere heiraten möchte …


  • Erscheinungstag 16.09.2025
  • Bandnummer 2718
  • ISBN / Artikelnummer 9783751535076
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Pippa Roscoe

Ist dieses Ja für immer?

PROLOG

Sechs Jahre zuvor …

Vielleicht würde er ja gar nicht auftauchen. Möglicherweise war Antonio Gallo zur Vernunft gekommen und hatte beschlossen, seinen verrückten Plan nicht durchzuziehen.

Die neunzehnjährige Ivy McKellen trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Wahrscheinlich sah sie exakt so unbehaglich aus, wie sie sich fühlte, während sie mutterseelenallein auf den Stufen eines Standesamtes im Südwesten Londons stand.

Als Antonio sie das erste Mal gefragt hatte, war sie davon ausgegangen, dass der italienische Geschäftsmann sich einen Scherz mit ihr erlaubte.

Heiraten? Er … sie, eine Kellnerin?

Möglicherweise war ihm sein prestigeträchtiger Job, was immer das auch sein mochte, zu Kopf gestiegen. So hatte sie ihm spontan ein Glas Wasser angeboten und er hatte laut gelacht. Der ebenso satte wie amüsierte Klang hatte sie erröten lassen.

„Die Sache ist ganz einfach, cara“, klärte er sie grinsend auf. „Ich brauche eine Frau, um mir meinen Großvater vom Hals zu schaffen.“

„Aber Sie kennen mich doch gar nicht.“

„Das macht es ja nahezu perfekt!“, kam es lässig zurück.

Mit einem Vater, den sie seit vier Jahren nicht mehr gesehen hatte, und einer Mutter, die seit inzwischen zwei Jahren auf Mallorca lebte und von einem Lover zum anderen wechselte, gestand Ivy sich ein, dass sie ganz sicher keine Expertin in Sachen Ehe sein mochte. Dennoch ging sie davon aus, dass zumindest eine gewisse Kenntnis, den zukünftigen Partner betreffend, eine wichtige Voraussetzung sein könnte.

Es war ein Donnerstagnachmittag im Affogato gewesen, dem Café im Zentrum Londons, in dem sie arbeitete. Es war ungewohnt ruhig gewesen, was wohl bedeutete, dass sich die üblichen Stammgäste in den umliegenden Pubs tummelten.

Doch dieser Antonio unterschied sich deutlich von den Typen, die zu bedienen sie gewohnt war. Er strahlte eine Zielstrebigkeit und Entschlossenheit aus, die sie zugegebenermaßen beeindruckt hatte. Zumindest so lange, bis er sie auf eine Weise in den Fokus genommen hatte, die sie irritierte und beunruhigte.

Noch dazu hatte er sie in einem schwachen Moment erwischt, nämlich in ihrer Pause. Und er bot ihr einen Deal an, von dem sie beide profitieren würden.

Sie hatte brüsk den Kopf geschüttelt und wollte gehen, doch er umfasste ihr Handgelenk … und das war das erste Mal, dass Antonio Gallo sie berührte.

Unerwartete Hitze … und dann sprühten eindeutig die Funken!

Prego, lassen Sie mich erklären …“

Mit dieser freundlichen Bitte hatte er sie für sich gewonnen. Zumindest so weit, dass sie bereit war, sich anzuhören, was er zu sagen hatte.

Er hatte ihr eine ungeheure Summe angeboten, damit sie ihn heiratete, nur weil sein Großvater ihn dazu drängte, seine eigene Cousine zu ehelichen. Zweihundertfünfzigtausend Pfund. Ihr Herz hatte einen Schlag ausgesetzt.

„Sobald wir verheiratet sind, musst du mich nie mehr wiedersehen.“

Die vertraute Anrede signalisierte ihr, dass er offenbar fest mit ihrem Einverständnis rechnete … und das nicht ganz zu Unrecht.

Mit diesem Geld könnte sie ihrem Bruder die Hilfe zukommen lassen, die er brauchte, und hätte immer noch genug übrig, um eine Anzahlung für eine Wohnung zu leisten. Damit hätte Jamie, sobald er wieder auf die Beine käme, einen sicheren Ort zum Leben. Und sie selbst könnte lange genug aufhören zu arbeiten, um auf die Universität zu gehen.

Endlich einmal durchatmen, vielleicht sogar wieder träumen dürfen …

Ivy spähte angestrengt die Straße entlang, ohne zu merken, dass sie den Atem anhielt. Aber zwischen den gesichtslosen Fußgängern konnte sie den großen, athletischen Italiener, den sie ehelichen wollte, nicht ausmachen.

Nervös strich sie über ihr weißes, mit Spitze verziertes Kleid, das sie im örtlichen Secondhandladen aufgestöbert hatte. Es war kein echtes Brautkleid, schon gar nicht, um jemanden wie Antonio Gallo zu heiraten. Aber dies war ja auch keine richtige Hochzeit.

Anders als ihre Geschlechtsgenossinnen hatte Ivy nie von großen weißen Roben geträumt und der Begegnung mit einem Traumprinzen entgegengefiebert. Die ständigen Streitereien ihrer Eltern waren viel zu präsent, und die Angst, wie ihre Mutter zu sein und verzweifelt an den falschen Orten nach echter Liebe zu suchen, war absolut abschreckend.

Nein! Ivy McKellen hatte sich geschworen, niemals zu heiraten.

Dessen ungeachtet brach ihr bei der Vorstellung, dass Antonio sie versetzt haben könnte, kalter Schweiß aus. Wie töricht konnte man sein? Hatte sie wirklich geglaubt, ein Mann wie er …

„Ivy?“

Als sie herumfuhr, stand er direkt hinter ihr und tiefe Erleichterung überflutete sie. Sie schluckte trocken und sog den erdigen Duft seines Rasierwassers ein. Der Wind zerzauste sein dichtes dunkles Haar, die markanten Wangenknochen standen im herausfordernden Kontrast zu dem sinnlichen Mund, der sein elegantes Outfit und eher nüchternes Auftreten zu verspotten schien.

„Ein unvorhersehbares Meeting, das länger als gedacht gedauert hat. Also?“ Mit dem Kinn deutete er auf den Eingang zum Standesamt.

„Natürlich“, flüsterte Ivy und folgte ihm auf dem Fuß.

Wie sie erfahren hatte, war die Wahl seines Assistenten auf dieses Standesamt gefallen, weil es ihrer Wohnung am nächsten lag. Antonio wirkte hier allerdings so deplatziert wie ein Diamant in einer Schlammpfütze. Was er von dieser schäbigen Gegend hielt, war ihm nicht anzusehen, doch er schien generell kein Snob zu sein.

Im Unterschied zu einigen anderen Gästen des Cafés versuchte er auch nie, Ivy zu begrapschen oder ihr in den Ausschnitt zu gucken, wenn sie leere Tassen und Teller abräumte. Er hatte sie immer mit Respekt behandelt und sie sogar nach einem besonders üblen Streit mit ihrem Bruder, dessen Zeuge er geworden war, gefragt, ob mit ihr alles in Ordnung sei. Sie hatte ihm anvertraut, dass ihr Bruder in Schwierigkeiten steckte und sie selbst mit der Miete im Rückstand war. Nun ja, sie mochte ihm nicht sagen, dass ihre Mutter ihr schon seit Monaten kein Geld mehr geschickt hatte.

„Ihr Chef kann Ihnen nicht helfen?“

Er war verblüfft gewesen, als sie ihm erklärte, dass sie wegen ihres anderen Jobs nicht noch mehr Schichten übernehmen konnte.

„Sie haben zwei Jobs?“

Ivy hatte drei, aber das wollte sie nicht preisgeben.

Und dann hatte er ihr seinen verrückten Vorschlag unterbreitet …

Ihre Absätze klackerten auf dem gefliesten Boden des Standesamts, während sie Antonio folgte, der selbstbewusst durch die Gänge marschierte. Im zuständigen Büro angekommen, trat Antonio, ohne anzuklopfen, ein und stellte sie knapp dem Anwalt vor, der nicht nur alles organisiert hatte, sondern heute auch als Trauzeuge fungieren würde. Der andere Zeuge wurde vom Standesbeamten gestellt.

Benommen nahm Ivy wahr, wie Antonios Lippen Worte formten, die versprachen, sie zu lieben, zu beschützen und zu ehren. Sie fühlte sich unwohl wegen dieser Lüge, hielt sich aber tapfer vor Augen, wie positiv und einschneidend diese Eheschließung ihr Leben und das ihres Bruders verändern würde.

„Und nimmst du, Ivy Jean McKellen, Antonio Andrea Gallo zu deinem rechtmäßig angetrauten Ehemann?“

Wirst du ihn lieben, ehren und beschützen … in Krankheit und Gesundheit?

Das war nun wirklich keine große Sache, oder? Natürlich erwartete Antonio nicht, dass sie sich an ihr Ehegelübde hielt! Dessen ungeachtet schien es im Vergleich zu dem, was Antonio ihr anbot, ohnehin eine geringe Gegenleistung zu sein.

„Ja.“

„Sie haben beschlossen, auf die Ringe zu verzichten“, murmelte der Standesbeamte eher beiläufig, und Ivy schalt sich selbst eine naive Närrin, weil sie eine Spur von Enttäuschung empfand.

„Es ist eine Unterschrift auf einem Stück Papier, nicht mehr“, kam es von Antonio.

„Hiermit erkläre ich Sie zu Mann und Frau. Sie dürfen die Braut küssen.“

Ivy schaute zu Antonio auf, während er den Kopf neigte. Es würde das erste und letzte Mal sein, dass er sie berührte …

Seine Lippen verharrten lange genug über ihren, sodass sie einen rauen Atemzug spüren und er vermutlich sehen konnte, wie ihr Puls an ihrer Kehle flatterte, bevor er ihr einen keuschen Kuss auf die Wange hauchte.

Überschwemmt von einer unerwarteten Sehnsucht, biss Ivy sich auf die Lippen, um sie am Zittern zu hindern. Was, wenn dies eine echte Trauung gewesen wäre? Wenn sie sich wahrhaft geliebt, beschützt und geehrt hätte fühlen dürfen? Instinktiv ballte sie die Hände zu Fäusten und erinnerte sich daran, dass diese Verbindung ihr und ihrem Bruder immerhin geben würde, was sie brauchten, und das sollte ihr genügen.

Und dann war es auch schon vorbei.

Innerhalb von fünf Minuten war Antonio Gallos Limousine da, um ihn zurück in die Londoner Innenstadt zu bringen, während gleichzeitig zweihundertfünfzigtausend Pfund auf ihrem Konto gelandet waren. Und noch während sie dem schwindenden Wagen nachschaute, rief Ivy im Reha-Zentrum an, um für ihren Bruder einen Platz zu reservieren, der ihm das Leben retten würde.

1. KAPITEL

Antonio Andrea Gallo schlenderte im Südwesten Londons auf ein nüchternes Gebäude in Wandsworth zu und hatte ein deutliches Déjà-vu. Mit dem Handy am Ohr musterte er aufmerksam jede Person in seiner Umgebung, während er versuchte, die nötige Geduld aufzubringen, seinen Anwalt nicht anzuschreien.

„Dafür akzeptiere ich immerhin Ihre Wucherpreise, Simon!“, erklärte er aufgebracht.

„Das ist wirklich noch nie zuvor passiert“, versicherte ihm der Engländer entschuldigend.

Wäre Simon nicht so offenkundig irritiert rübergekommen, hätte Antonio vermutet, der Mann ließe sich schmieren.

„Nun, jetzt ist es passiert, oder?“

„Was ausgesprochen ungewöhnlich ist, Sir. Gibt es vielleicht etwas, das Sie mir verschwiegen haben?“

Wollte der Anwalt damit etwa andeuten, dass er, Antonio, die Schuld an diesem Dilemma trug? „Ich habe Ihnen alles gesagt“, stieß Antonio mühsam beherrscht hervor.

„Dann kann ich mir absolut nicht erklären, warum Richter Carmondy unsere Berufung abgelehnt hat. Die Scheidung hätte bereits ausgesprochen werden müssen, bevor sie bei ihm eingereicht werden konnte.“

In der Überzeugung, dass der Richter in dieser Angelegenheit nachgeben würde, hatten sie sich konstant gegen eine Vorladung gewehrt, mit dem Erfolg, dass Antonio jetzt widerwillig klein beigeben musste.

„Was will er? Geld?“

„Um Himmels willen! Versuchen Sie nicht, ihm so etwas anzubieten. Die englischen Gerichte funktionieren anders, als … als Sie es gewohnt sind“, warnte ihn sein Anwalt.

„Jeder will irgendwas“, beharrte Antonio aus bitterer Erfahrung und schaute stirnrunzelnd auf die Uhr. Er hatte keine Zeit für so was. Er war an diesem Morgen auf dem nächstgelegenen Privatflugplatz gelandet und musste am späten Nachmittag wieder in Italien sein. Die Verlesung des Testaments seines Großvaters hatte so hohe Wellen geschlagen, dass Antonio ihn am liebsten eigenhändig umgebracht hätte, wäre er nicht schon tot gewesen.

„Das Einzige, worauf der Richter zu beharren scheint, ist, Sie und Signora Gallo persönlich zu sehen.“

„Nennen Sie sie nicht so!“, zischte Antonio gereizt.

„Er will Sie und … Mrs. McKellen in seinem Büro sehen, um eine Schlichtung zu besprechen.“

„Welche Schlichtung? Ich habe die Frau seit dem Tag unserer Heirat vor sechs Jahren nicht mehr gesehen!“

„Behalten Sie das in Anwesenheit des Richters um Himmels willen für sich! Wenn er den Verdacht hegt, dass es sich um eine Scheinehe handelt …“

„Ich habe nicht versucht, das System auszutricksen, sondern meinen Großvater“, erwiderte Antonio barsch, als er die unscheinbare Betontreppe erreichte, die zu den Wandsworth Courts führte, wo Simon ihn in Empfang nahm und seufzend sein Handy wegsteckte.

Antonio marschierte zielgerichtet die Treppe hinauf, wandte sich jedoch um, weil Simon ihm nicht sofort folgte.

„Wir warten noch auf Mrs. McKellen“, erklärte der Anwalt, als Antonio fragend die Augenbrauen hochzog.

Antonio schüttelte den Kopf. „Ich habe vor, die leidige Angelegenheit zu klären, bevor Ivy McKellen eintrifft.“ Damit lief er weiter die Treppe hinauf.

Der Richter ließ ihn lange warten. Zuerst vor seinem Zimmer, wo er der Neugier sämtlicher Besucher ausgesetzt war. Jedes Mal wenn jemand den Raum betrat oder verließ, erhaschte Antonio einen kurzen Blick auf den blassen, kahlköpfigen Mann hinter dem Schreibtisch. Antonio war zunehmend überzeugt, dass der Richter absichtlich seine Zeit verschwendete.

Und als er und sein Anwalt endlich eintreten durften, mussten sie auch noch warten, während der Richter verschiedene Stapel von Papieren durchsuchte. Angesichts dieser Verschwendung seiner kostbaren Zeit beherrschte Antonio sich nur mit Mühe.

„Keine Signora Gallo?“, wollte der Richter dann ohne Vorrede wissen.

„Sie ist auf dem Weg, Euer Ehren“, kam es von Simon.

Der Richter wandte sich Antonio zu und fixierte ihn streng, was Antonio locker aushielt. Schließlich war er praktisch von seinem Großvater großgezogen worden … einem Mann, der Autorität zu einer nahezu tödlichen Kunst erhoben hatte. Antonio war seinerzeit der Einzige gewesen, der sich Gio Gallos Befehlen mutig widersetzt hatte.

„Sie sind nicht zusammen hergekommen?“, wollte der Richter wissen.

„Die beiden sind bereits seit einiger Zeit getrennt, Euer Ehren“, antwortete Simon.

Fragend hob der Beamte eine Braue.

Fast hätte Antonio zynisch gelacht. Nach seiner Heirat mit Ivy hatte sein Großvater keine Macht mehr über ihn gehabt. Antonio war regelrecht aufgeblüht, hatte seine eigene Firma gegründet und war extrem erfolgreich. Und er kümmerte sich um seine Liebsten, um seine Mutter und seine Cousine Maria.

Mit nur neunundzwanzig Jahren hatte er es zum milliardenschweren CEO eines multinationalen Maklerunternehmens gebracht. Alessina International gehörte allein ihm – keine Investoren, kein Aufsichtsrat, keine unwillkommene Einmischung. Niemand, dem er sich beugen müsste.

Schließlich hatte er sich, wenn auch zähneknirschend, mit seinem Großvater versöhnt und vor allem den Respekt des alten Mannes gewonnen.

Schon deshalb hatte er absolut nicht mit dessen letztem Coup gerechnet. Zu denken, Gios Alter hätte ihn milder werden lassen, war ein eklatanter Fehler gewesen! Und jetzt musste sich Antonio von Ivy scheiden lassen und Maria heiraten, um die Bedingungen von Gio Gallos Testament zu erfüllen.

Diesen letzten Dienst würde er seiner Cousine erweisen …

„Wissen Sie, was ich an Milliardären am meisten hasse?“, begann der Richter genervt.

Antonio kämpfte gegen den Drang an, mit den Augen zu rollen. Dieser Mann wollte ihn eindeutig durch die Mangel drehen. Aber wenn er das hinnehmen musste, um die Scheidung zu bekommen, war er dazu bereit.

Ein zaghaftes Klopfen an der Tür hielt den Richter nicht davon ab, mit seinem Lamento fortzufahren. Antonio unterdrückte einen Seufzer, da wurde die Tür aufgestoßen und Ivy McKellen platzte in das ehrwürdige Amtszimmer.

Sein erster Impuls war es, sie zu begrüßen, doch der Richter redete lautstark weiter, während Antonio einen Blick auf langes, schimmernd kastanienbraunes Haar erhaschte. In seiner Erinnerung hatte sie ihr Haar immer in einem kleinen, strengen Knoten getragen und ein verschwörerisches Lächeln aufgesetzt, wenn sie sich vor ihm über das unverschämte Verhalten ihres italienischen Chefs amüsierte.

Keine Frage, sie hatte ihn schwer beeindruckt. Gleichzeitig hatte sie ihn aber auf Distanz gehalten, was für ihn eine ungewöhnliche Erfahrung war. Und dann war der Tag gekommen, an dem er sie weinend hinter dem Café vorgefunden und von ihr erfahren hatte, was los war: das beschämende Eingeständnis finanzieller Schwierigkeiten, die Probleme mit ihrem Bruder – Kummer und Frustration, gepaart mit Scham. Natürlich hatte er Ivy sofort verstanden und ihr helfen wollen.

Sie hatte ihn an seine Mutter erinnert, die oft geweint hatte, wenn sie glaubte, er könne sie nicht hören. Vor allem nachdem ihr Mann sie verlassen hatte … und all das nur seinetwegen.

Wie seine Mutter war auch Ivy bereit, alles zu tun, um ihre Familie zu schützen. Und es war das perfekte Arrangement gewesen. Bis jetzt!

Ivy trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen und Antonio warf seinem Anwalt einen auffordernden Blick zu. Prompt erhob sich Simon von seinem Stuhl und forderte Ivy mit einer Geste auf, sich zu setzen. Wie paralysiert betrachtete er Ivys Profil und beobachtete, wie sie sich mit ihren schlanken Fingern eine schimmernde Haarsträhne hinters Ohr schob.

Er schluckte trocken.

Die Frauen, mit denen er es für gewöhnlich zu tun hatte, waren durchweg selbstbewusste, ausdrucksstarke Naturgewalten, sich ihrer Weiblichkeit sehr bewusst und absolut entschlossen, sie zu ihrem Vorteil einzusetzen. Ivy war keineswegs schüchtern, aber vielleicht etwas unsicher. Dessen ungeachtet war sie … wie sollte er es nur ausdrücken? Ja, sie leuchtete irgendwie von innen heraus.

Frustriert über sich selbst, verwarf er diese alberne Fantasie. Seit sechs Jahren hatte er von seiner Frau nichts mehr gesehen oder gehört. Er hatte sie weder aufgesucht, noch hatte er sich erlaubt, auch nur an die Kellnerin zu denken, die er während seines dreimonatigen Arbeitsaufenthalts in London kennengelernt hatte.

Warum auch? Sie war nur Mittel zum Zweck gewesen, das war alles, was sie beide verband.

Ivy wandte ihm den Kopf zu, worauf er schnell zum Richter schaute.

„Jetzt, da wir alle vollzählig versammelt sind, bin ich bereit, Ihren Scheidungsantrag zu verhandeln“, verkündete dieser eine Spur zu selbstgefällig.

„Da sich beide Parteien einig sind …“, sprang Simon in die Bresche, wurde aber vom Richter unterbrochen.

„Sind sie das?“, fragte er streng.

Antonio nickte knapp und entschlossen.

„Wirklich?“, vergewisserte sich der Richter noch einmal.

Jetzt waren alle Augen auf Ivy gerichtet.

„Ja?“, kam es zögernd.

„Das klingt eher nach einer Frage als nach einer Aussage, Mrs. Gallo.“

Sie blinzelte und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch der Richter ließ sie gar nicht zu Wort kommen.

„Wissen Sie was? Ich persönlich glaube an die Unantastbarkeit der Ehe. Daran, dass Ihr Leben für immer miteinander verbunden ist, sobald Sie diese verbindliche Erklärung abgeben. Antonio Gallo, sind Sie etwa ein Mann, dessen Wort nichts wert ist?“, wandte er sich jetzt zu Simons Entsetzen direkt an seinen Klienten.

„Auf keinen Fall!“, kam es entrüstet zurück.

„Sie haben versprochen, diese Frau zu lieben, zu schützen und zu ehren“, erinnerte ihn der Richter und zeigte auf Ivy. „Aber nichts an Ihrem Ehevertrag deutet auch nur im Geringsten darauf hin.“

Antonio runzelte die Stirn.

„Ich habe hier einen Vertrag vorliegen, der Mrs. Gallo nichts zuspricht.“

Er hatte Ivy zweihundertfünfzigtausend Pfund gezahlt, damit sie ihn heiratete. Darüber hinaus hatte sie keinen Anspruch auf sein Geld, so lautete ihre Vereinbarung.

Mit Richter Carmondy hatte allerdings niemand gerechnet.

„Sie haben das freiwillig unterschrieben?“, fragte der Richter und winkte Ivy mit einem Stück Papier zu.

Sie nickte stumm.

„In Anwesenheit eines Anwalts?“

Ivy biss sich auf die Lippe. „Das war nicht nötig, Euer Ehren. Ich wusste, was ich da unterschreibe.“

Ein anklagender Blick des Richters in Antonios Richtung folgte. „Als Sie diese Frau heirateten, haben Sie ein Versprechen abgegeben, sie zu schützen und zu versorgen. Das ist eine Verantwortung, die Sie zutiefst vernachlässigt haben und …“

„Moment mal.“ Antonio konnte nicht fassen, was er da hörte. Schließlich ließ er diese ganze Farce nur über sich ergehen, weil er seine Familie schützen wollte.

„Unterbrechen Sie mich nicht“, mahnte der Richter. „Ich habe die Nase voll von Leuten, die einfach so heiraten und sich ebenso leichtfertig scheiden lassen! Die Ehe ist kein Steuerparadies und die britischen Gerichte haben wirklich Wichtigeres zu tun!“

Antonio war sprachlos.

„Darum weigere ich mich, die Scheidung auszusprechen“, schloss der Richter. „Zumindest solange nicht bewiesen ist, dass Sie beide so hart wie möglich daran gearbeitet haben, Ihre offenkundigen Differenzen zu bereinigen.“

„Euer Ehren, das ist … höchst ungewöhnlich“, warf Simon, der als Erster seine Stimme wiederfand, ein.

„Das mag sein, aber so lautet meine Entscheidung. Sie werden drei Beurteilungen durch einen vom Gericht bestellten Mediator erhalten, um festzustellen, dass Sie wirklich alles getan haben, um diese Ehe zu retten.“

„Beurteilungen?“, hakte Simon verwirrt nach.

„Exakt. Auf Interviews basierende Beurteilungen. Drei Stück“, verlangte der Richter mit Nachdruck.

„Wo? Hier in England? Das ist unmöglich!“, stieß Antonio angesichts des lächerlichen Vorschlags hervor. „Ich habe geschäftlich in Italien zu tun.“

„Und Mrs. Gallo?“, kam es gedehnt vom Richterpult.

„Ich … ich habe hier auch eine Arbeitsstelle“, stammelte sie und besiegelte damit nach Antonios Gefühl endgültig sein Schicksal.

„Die Beurteilungen können in Italien stattfinden, wenn Sie Reise- und Unterbringungskosten für den Vermittler übernehmen“, wandte sich Richter Carmondy an Antonio. „Oder Sie bleiben in England, das ist Ihre Entscheidung. Ich habe meine bereits getroffen. Das Gespräch ist beendet.“

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