Julia Extra Band 569

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

VERFÜHRERISCH WIE DER DUFT VON MAGNOLIEN von MELODY SUMMER

Im Piemont will Kosmetik-Unternehmerin Cynthia einen betörend duftenden Magnolienbaum kaufen, um ein Parfum zu kreieren. Stattdessen lässt sie sich von einem attraktiven Fremden zu einer Liebesnacht im Hotel verführen. Am Morgen erfährt sie: Clément ist ihr größter Konkurrent!

UNTER DEN STERNEN DER ÄGÄIS von SUZANNE MERCHANT

Nach einem Schicksalsschlag braucht Beth eine Auszeit. Doch in ihrem kleinen Haus am Meer wird sie jäh gestört, als der faszinierende Jensen mit seiner Jacht in der nächsten Bucht ankert. Sie muss seiner Anziehungskraft widerstehen! Denn sie spürt, dass er etwas verbirgt …

ENTSCHEIDUNG ZWISCHEN HERZ UND KRONE von CAITLIN CREWS

Königin Emilia erstarrt, als bei einem Staatsbankett der berüchtigte Playboy Caius Candriano vor ihr steht. Niemand darf erfahren, dass sie ihn einst nach einer heimlichen Affäre geheiratet hat – und noch immer seine Ehefrau ist! Aber mehr denn je verzehrt sie sich nach seinen Küssen …


KÜSS MICH, HEISS GELIEBTER FEIND! von JACKIE ASHENDEN

Seit Milliardär Apollo Constantinides ihre Familie ruiniert hat, sinnt Flora auf Rache. Sie provoziert einen Skandal und zerstört seine Hochzeitspläne. Doch sie hat nicht erwartet, dass er sie zwingt, ihn zu heiraten – und dass sie ihn gegen jede Vernunft so sehr begehrt …




  • Erscheinungstag 27.05.2025
  • Bandnummer 569
  • ISBN / Artikelnummer 0820250569
  • Seitenanzahl 432

Leseprobe

Melody Summer, Suzanne Merchant, Caitlin Crews, Jackie Ashenden

JULIA EXTRA BAND 569

Melody Summer

1. KAPITEL

Italien, Piemont, Mai

Der Duft überwältigte sie.

Cynthia stand neben dem zweistöckigen Anwesen und schloss die Augen. Unglaublich, wie intensiv diese Magnolie duftete. Fruchtig, mit einem ganz leichten Anklang von Anis und Flieder. Sie öffnete die Augen wieder und betrachtete den Baum, der sich etwa einhundert Meter schräg hinter dem Haus befand und den sie vom Vorplatz des Hauses aus gut sehen konnte. Er stand in einem parkähnlichen Garten, der mit Marmorbüsten, Sommerhäusern und wilden Rosen ausgestattet war.

Doch all das verblasste im Angesicht dieser Magnolie. Noch nie hatte Cynthia ein so großes, prächtiges, gesundes Exemplar seiner Art gesehen. Ihr Herz schlug schneller, als sie daran dachte, was sie mit der Essenz dieser Blüten für Produkte kreieren konnte. Im Zentrum der neuen Produktlinie würde zweifelsfrei das Eau de Parfum stehen, gewonnen aus der Magnolienessenz, von dem ein einziger Tropfen genügte, um die Trägerin unwiderstehlich und sinnlich duften zu lassen. Natürlich würde der Preis für dieses Parfüm exorbitant hoch sein, und nur ausgewählte Läden durften es verkaufen.

Cynthia wusste genau, wer die exklusiven Magnolien-Produkte nicht verkaufen durfte, und sofort schlug ihr Herz schneller. Schon aus diesem Grund war es unendlich wichtig für sie, dass sie diesen Deal heute abschloss.

„Signora MacCarthy?“

Sie zuckte zusammen, als sie ihren Namen hörte. Schnell drehte sie sich um und ging zurück zum Eingang der orangefarbenen Villa. In ihre Betrachtung des Baumes versunken, hatte sie gar nicht bemerkt, dass eine Frau aus der Tür des Hauses getreten war. Dabei war dieses Treffen mit der Besitzerin der Magnolie eines der wichtigsten ihrer bisherigen Karriere als CEO ihres eigenen Kosmetikunternehmens SkinLove.

„Signora Pellegrino?“ Mit strahlendem Lächeln ging sie auf die Italienerin zu, die in der Eingangstür stand. „Ich freue mich, dass wir uns endlich persönlich kennenlernen. Mein Name ist Cynthia MacCarthy von SkinLove.“

Giovanna Pellegrinos schwarzes Haar war bereits von grauen Strähnen durchzogen und zu einem geflochtenen Zopf zusammengefasst, der ihr über die Schulter hing. Sie war schlank, trug einen einfachen wadenlangen Baumwollrock, dazu eine passende Bluse, die mit einer Perlenkette geschmückt war. Ein wenig Make-up hätte dem von Natur aus gut proportionierten Gesicht durchaus zum Vorteil gereicht. Cynthia hatte noch nie verstanden, warum es Frauen gab, die freiwillig auf Schminke verzichteten. Mit etwas Grundierung, Rouge und Lippenstift ließ sich bei jeder Frau ihre Einzigartigkeit betonen.

Die Signora nahm Cynthias ausgestreckte Hand und drückte sie kurz. Sie trat zur Seite. „Bitte kommen Sie herein.“

Kurz darauf fand Cynthia sich in einer kleinen Eingangshalle wieder. Der Boden war mit weißen Fliesen ausgelegt, auf denen kostbar geknüpfte Läufer lagen. Kleine antike Tische standen an den Wänden, mehrere Türen führten in Nebenräume und eine geschwungene Treppe in die obere Etage. Signora Pellegrino ging voraus in ein Wohnzimmer, in dem ein Biedermeiersofa mit zwei passenden Sesseln und ein niedriger Tisch aus Rosenholz standen. Die bodentiefen Fenster zeigten in den Garten hinaus, die Fensterläden waren geöffnet worden.

„Nehmen Sie Platz.“ Die Signora deutete auf das Sofa und setzte sich auf einen gegenüberstehenden Sessel.

Ein Hausmädchen kam und stellte Wasser und Espresso vor sie auf den Tisch.

Als sie wieder allein waren, ergriff Cynthia das Wort: „Ich hatte gerade die Gelegenheit, Ihre einzigartige Magnolie zu bewundern. Warum verkaufen Sie erst jetzt die Lizenz für die Essenz der Blüten? Dieser Baum ist prächtig. Sie hätten schon seit Jahren viel Geld damit verdienen können.“

Cynthia hatte sich informiert und herausgefunden, dass Giovanna Pellegrino bereits seit sechsunddreißig Jahren in diesem Haus lebte. Und der Baum war mindestens genauso alt. Es war reiner Zufall, dass Cynthia vor einigen Wochen erfahren hatte, dass die Signora eine Lizenz für die Nutzung dieser ganz besonderen Magnolienessenz vergeben wollte. Cynthia hatte sofort einen Termin im Piemont gemacht, und jetzt war sie hier. Sie hoffte sehr, dass sie schnell genug gewesen war und die Signora keine weiteren Termine vereinbart hatte.

Sie dachte an ihre Mutter und ihre Schwester Poppy, und sofort stiegen Wut, Enttäuschung und Traurigkeit in ihr auf. Noch immer konnte sie kaum glauben, dass ihre Mutter und Stiefschwester ihr das angetan hatten. Schnell verdrängte sie diesen Gedanken wieder.

„Mein Mann war immer dagegen, unsere Magnolie zur Nutzung freizugeben“, erklärte die Italienerin. „Er hat den Baum all die Jahre geliebt wie sein Kind. Niemand durfte ihn anfassen, er hat mir jedes Jahr die Blütenblätter gebracht, aus denen ich Likör, Wein oder Tee hergestellt habe. Ich durfte sie nicht einmal selbst pflücken.“

Einen Moment lang schwieg sie, tief in ihre Erinnerungen versunken. Ihre Augen schimmerten, als sie weitersprach: „Bernardo ist letztes Jahr gestorben. Da ich den Baum niemals so pflegen könnte, wie er es vermochte, habe ich mich entschlossen, ihn in die Hände eines professionellen Teams zu geben. Und wer würde sorgsamer damit umgehen als jemand wie Sie? Sie wollen Geld damit verdienen, indem Sie die Blütenessenz extrahieren und für Ihre Kosmetika nutzen. Wenn es der Magnolie schlecht geht, bringt sie kein Geld. Sie werden sie also sehr gewissenhaft pflegen. Ich habe sofort an die Kosmetikindustrie gedacht, weil mich schon mehrmals Menschen darauf angesprochen haben, wie gut sich unser Baum dazu eignen würde. Nach Bernardos Tod habe ich also bis zur nächsten Blüte gewartet und nun Termine mit Ihnen und einem Ihrer Konkurrenten gemacht.“

Cynthia schluckte. Sie hatte es geahnt, dass sie nicht die einzige Kosmetikherstellerin war, mit der die Signora in Verhandlung trat. Sie musste sich also klug anstellen, um die Signora von SkinLove zu überzeugen. Wieder dachte sie an ihre Familie und an die Genugtuung, die es ihr bereiten würde, wenn sie ihnen zeigte, was sie mit der Magnolie erreichen konnte.

„Dieser Baum ist kostbar, ein echter Schatz“, begann Cynthia. „Zudem ist die Magnolie für Sie von besonderem emotionalem Wert, Sie erinnert Sie an Ihren Mann. Ich sehe ein exklusives, edles Eau de Parfum vor mir, das in kleiner Menge produziert wird, genauso einmalig wie Ihr Baum und die Erinnerungen an Ihren Mann. Flankierend schwebt mir eine ebenso exquisite Kosmetiklinie vor, mit Tages- und Nachtcreme, für die wir die Essenz der Blüten verwenden. Vielleicht noch eine Maske und ein Gesichtswasser, aber wir sollten uns auf wenige Produkte konzentrieren.“

„Si, si“, sagte die Signora, lehnte sich im Sessel zurück und schlug die Beine übereinander. „Ihr Unternehmen SkinLove ist noch sehr jung. Erzählen Sie mir davon.“

Cynthia trank von ihrem Kaffee, um einen Moment Zeit zu gewinnen und zu entscheiden, wo sie beginnen sollte. In diesem Fall wäre es vermutlich gut, wenn sie ganz vorn anfing, um Signora Pellegrino zu zeigen, dass sie in der Lage war, auch eine vollkommen neue Produktreihe am Markt zu positionieren. Sie rückte an die Kante des Sofas.

„Begonnen habe ich als erfolgreiche Influencerin. Damals habe ich hauptsächlich Kosmetika beworben. Ich bin sozusagen eine Skinfluencerin.“ Sie zwinkerte belustigt, aber die Signora verzog keine Miene, also sprach sie schnell weiter: „Meine Spezialität sind ganz neue Erzeugnisse – Cremes, Parfums, Peelings, ganz egal was –, die ich innerhalb von Tagen zum Verkaufsschlager werden lasse.“

„Sie stammen von der MacCarthy-Drogeriekette ab, richtig?“, fragte die Signora nach.

Cynthia zwang sich zu einem Lächeln. „Mein Vater hat die Kette gegründet, aber ich bin nicht ins Geschäft involviert. Allerdings habe ich von klein auf mitbekommen, welche Kriterien den Kunden wichtig sind, ich konnte beobachten, was beliebt ist, was nicht gut läuft und so weiter. Anfang letzten Jahres habe ich meine ersten eigenen Produkte entwickelt, die seit letztem Sommer im Handel sind. Vielleicht wissen Sie, dass SkinLove für natürliche, aber hochwertige Bio-Produkte steht. Daher würde Ihre Magnolie unser Sortiment perfekt erweitern.“

Die Signora nickte. „Inzwischen bewerben Sie auf Ihren Kanälen nur noch Ihre SkinLove-Kosmetika.“

Cynthia lächelte verbindlich. „Das ist richtig. Ich bin nach wie vor in den sozialen Netzwerken sehr aktiv, aber ich bewerbe nur noch meine eigenen Produkte.“

„Mit beachtlichem Ergebnis“, sagte die Signora.

Cynthia nickte stolz. „Sie sind sehr gut informiert. Ich bin selbst überrascht von dem Erfolg, den SkinLove innerhalb so kurzer Zeit erzielt hat. Natürlich hatte ich gehofft, dass das SkinLove-Sortiment gut angenommen würde, aber wir sind kaum mit der Produktion nachgekommen. Unsere Erzeugnisse sind hochwertig, natürlich und teuer, von bester Bio-Qualität und beliebt. Ich habe im ersten Geschäftsjahr mit meinen SkinLove-Produkten einen Umsatz von fast zehn Millionen Euro gemacht.“

„Das ist einer der Gründe, warum ich Sie eingeladen habe“, sagte Signora Pellegrino mit ernstem Gesicht. Cynthia machte es allmählich nervös, dass die Frau keine Miene verzog. „Sie haben einen beeindruckenden Start hingelegt, Ihre Produkte sind ausgezeichnet und Sie überzeugen durch ein edles, unaufdringliches Design, bei dem die Kosmetika im Vordergrund stehen. Die Natürlichkeit Ihrer Produkte würde hervorragend zu unserer Magnolie passen.“

Cynthia hielt einen Augenblick lang den Atem an. Die Signora schien von ihr und ihrem Unternehmen überzeugt zu sein. Ihr Bauch begann vor Aufregung zu kribbeln. Sie brauchte dieses Projekt unbedingt.

„Allerdings ist das nur ein Aspekt, der für meine Entscheidung wichtig ist.“ Signora Pellegrino griff nach ihrem Wasserglas und hielt es in der Hand, ohne zu trinken. Stattdessen fuhr sie fort: „Sie haben ja gerade schon treffend festgestellt, dass der Baum für mich eine ganz besondere emotionale Bedeutung hat. Es geht nicht nur um Geld, Erfolg und das beste Unternehmen, sondern vor allem um Integrität. Der Baum hat meinem Mann viel bedeutet, er hat ihn geliebt, und ich bemühe mich, diese Magnolie mit demselben Respekt zu behandeln, wie er es getan hat. Die Entscheidung, wem ich die Lizenz gebe, hängt nicht davon ab, wie viel Geld Sie mir bieten oder wie erfolgreich Ihr Unternehmen ist.“

„Nicht?“ Cynthia schluckte. „Wovon dann?“

Giovanna Pellegrino schürzte die Lippen. „Ich habe mich selbstverständlich im Internet über Sie erkundigt.“

„So? Dann haben Sie bestimmt …“, versuchte Cynthia, das Gespräch schnell an sich zu ziehen, aber die Signora unterbrach sie mit einer unwirschen Handbewegung.

„Wissen Sie, was ich gar nicht gutheiße?“

„Nein“, sagte Cynthia vorsichtig. Das Gespräch entglitt ihr mehr und mehr. Was wollte die Frau von ihr hören?

„Unsteten Lebenswandel. Partys, Alkohol, Drogen. Außereheliche Beziehungen, aufreizende Kleidung, dick geschminkte Gesichter. Ein Leben, das sich nur noch im Internet abspielt, auf den sogenannten Social-Media-Plattformen.“

„Okay.“ Cynthia wurde immer verwirrter. Wenn die Signora ihren Instagram-Kanal kannte, dann wusste sie doch, dass Cynthia all das verkörperte, was die Signora gerade als negative Punkte aufgeführt hatte. Cynthia war auf jeder wichtigen Party zu finden, sie nahm zwar keine Drogen und hielt sich auch beim Alkohol zurück, aber sie zeigte sich gern mit einem der neuesten Cocktails, trug natürlich immer ein sorgfältig aufgetragenes Make-up, hatte hin und wieder One-Night-Stands. Social Media hatte ihren Erfolg begründet.

„Heute Morgen hatte ich bereits Besuch von Clément Rivoir. Auch er will die Lizenz für meine Magnolie haben.“

„Rivoir?“, Cynthia richtete sich erschrocken auf. „Ist etwa er der andere Kosmetikhersteller, mit dem Sie verhandeln wollen?“

Die Signora betrachtete sie mit einem missbilligenden Ausdruck. „Sehen Sie, das gehört auch zu den Dingen, die ich aufs Schärfste verurteile. Missgunst, Konkurrenzdenken und Neid.“

Cynthia schüttelte den Kopf. „Clément Rivoir will mir schaden. Wenn jemand missgünstig ist, dann er.“ Sie stieß wütend die Luft aus.

Seit sie sich mit SkinLove selbstständig gemacht hatte, war ihr zuvor größter Instagram-Kunde Rivoir Cosmetics vollkommen außer sich. Als Cynthia vor ein paar Jahren mit dem Influencen begonnen und auf Instagram die Kosmetik großer Unternehmen beworben hatte, war Rivoir schnell zu ihrem wichtigsten Kunden geworden. Sie hatte täglich ein anderes Rivoir-Produkt beworben, war damit sehr erfolgreich gewesen, und der Werbechef von Rivoir hatte sich sehr zufrieden mit Cynthias Arbeit gezeigt. Aber Cynthia wollte mehr erreichen.

Sie musste mehr erreichen.

Nach jenem traumatischen Erlebnis im vorletzten Herbst hatte sie neue Wege einschlagen müssen, um sich zu beweisen. Sie hatte sich dazu entschieden, ihr eigenes Kosmetikunternehmen zu gründen. Die zwei Millionen Follower waren eine gute Ausgangsbasis, wie sich herausstellte, denn kaum hatte sie ihre ersten Parfums, Cremes und Gesichtswasser entwickelt und in den Handel gebracht, hatten ihre Followerinnen die neue Kosmetiklinie gefeiert. Sie rissen sich förmlich um die Produkte. Innerhalb weniger Monate hatte sie größere Produktionshallen anmieten und mehr Mitarbeiterinnen einstellen müssen.

Natürlich hatte sie ab diesem Zeitpunkt keine fremden Produkte mehr auf ihrem Instagram-Kanal bewerben können, sondern ausschließlich ihre SkinLove-Waren. Und das hatte Rivoir Cosmetics nicht gepasst. Der Werbechef drohte mit einer Anzeige, sprach von Vertragsbruch.

Aber Cynthia machte sich keine Sorgen um eine eventuelle Anzeige, schließlich waren es Cynthias Followerinnen, die sie mit ihren Social-Media-Accounts erreichte, und wenn die nun SkinLove statt Rivoir kauften, war das deren freiwillige Entscheidung. Cynthia machte lediglich Werbung bei ihren Followern. Ja, vielleicht hätte sie früher mit Rivoir sprechen müssen, damit die sich nach anderen Werbemöglichkeiten umsehen konnten. Aber sie hatte die Verträge eingehalten und lediglich keinen neuen mehr unterschrieben.

Sie atmete noch einmal tief durch und erklärte Signora Pellegrino dann: „Rivoir hat mich zu seiner persönlichen Feindin erklärt. Man gönnt mir dort ganz offensichtlich meinen Erfolg nicht und greift mich an. Ich bitte Sie daher inständig, mit mir über die Lizenz zu verhandeln, und nicht mit Rivoir, meinem ärgsten Feind.“

„Feind? Sie übertreiben! Kennen Sie Clément Rivoir persönlich?“, sagte Signora Pellegrino.

„Nein, aber ich kenne seinen Werbechef, und das reicht mir vollkommen.“

Signora Pellegrino schüttelte den Kopf. „Und genau das ist es, was ich meine. Wir brauchen mehr Zusammenhalt in der Welt und weniger Konkurrenzdenken. Die Jugend heutzutage ist oberflächlich, alles ist auf Schnelllebigkeit und Unverbindlichkeit ausgerichtet. Ich lebe für meine Werte, für meine Überzeugungen und kann meinen Baum nur jemandem anvertrauen, der oder die meine Werte teilt.“

„Was meinen Sie damit genau?“, Cynthia schnappte nach Luft. Ihr wurde schwindelig. All ihre Pläne, die Hoffnungen, die sie in dieses Produkt gelegt hatte, brachen in sich zusammen.

„Ich werde Sie und auch Ihren Konkurrenten genau beobachten. Sie beide stehen jeweils für Ihre Firmen ein. Daher verhandele ich auch nur mit Ihnen persönlich. Sie haben nun die Gelegenheit, sich in den nächsten Wochen moralisch unzweifelhaft und integer zu verhalten. Wenn mir ein Skandal über einen von Ihnen zu Ohren kommt oder ich erfahre, dass Sie sich ungerecht Ihren Mitarbeitern gegenüber verhalten oder sich in irgendeiner anderen Weise unangemessen verhalten, werde ich mich gegen Ihr Unternehmen entscheiden. Es liegt also in Ihrer Hand.“

„Und woher weiß ich, was Sie als moralisch vertretbar betrachten?“, fragte Cynthia, die das Gefühl hatte, in einem schlechten Traum gelandet zu sein.

„Ich werde Ihnen eine Liste zusammenstellen, auf der ich einige Beispiele zusammengefasst habe. Sie wohnen in Alba, richtig? Im Hotel am Piazza Duomo?“

Einige Stunden später saß Cynthia allein in der Hotelbar und hatte den zweiten Martini vor sich stehen. Immer wieder dachte sie über die albernen Regeln der höchst konservativen Signora nach. Nie im Leben würde sie es schaffen, innerhalb weniger Wochen ihr Image zu ändern. Und was sollten ihre Followerinnen davon halten? Schließlich folgten ihr zwei Millionen Menschen, die sie für genau das liebten, was sie war: eine selbstbewusste junge Frau, die gelegentlichen Sex, Partys und Erfolg liebte. Was war daran so verkehrt? Sie lebten nicht mehr im neunzehnten Jahrhundert!

Heute Nachmittag, auf der Rückfahrt nach Alba, hatte sie fast beschlossen, sich die Magnolie aus dem Kopf zu schlagen, aber Cynthia war überzeugt davon, dass dieser Baum Millionen wert war und sich hervorragend für natürliche Kosmetik eignete, etwas, das perfekt zu ihrem Unternehmen passte. Außerdem brauchte sie diesen Erfolg so sehr.

Sie schloss einen Moment lang die Augen und sah ihre Mutter vor sich, die sie zu überreden versuchte, ihr die Magnolienprodukte für ihr Sortiment in der Drogeriekette zu überlassen. Das wäre endlich der Moment, wo ihre Familie anerkennen würde, was sie geschafft hatte. Aber bis es so weit war …

Cynthia zwang sich, nicht an ihre Mutter zu denken, und nahm die Olive aus dem Glas. Warum sollte sie es nicht schaffen, Giovanna Pellegrino davon zu überzeugen, dass sie ein mustergültig konservatives Leben führen konnte? Sie brauchte sich doch nur neu erfinden, so wie sie es mit SkinLove getan hatte. Sie war nie nur die Cynthia, als die sie sich bei Instagram und Co. zeigte. Niemand kannte die Verletzungen, die Trauer und vor allem die Wut, die sie in sich trug. Niemand wusste von der Einsamkeit, die sie ständig begleitete. Sie musste es einfach schaffen und die Signora von ihrer einwandfreien Moral überzeugen!

Sie würde sich in den sozialen Netzwerken wieder einmal komplett wandeln, bis die ganze Welt davon überzeugt war, die großherzigste, bescheidenste und natürlichste Cynthia vor sich zu haben, die es nur gab. Sie würde dabei natürlich vorsichtig vorgehen müssen, um ihre Follower nicht zu verprellen. Vermutlich würde es reichen, wenn sie vorerst auf ihre gelegentlichen One-Night-Stands verzichtete, bei denen sie ja doch nie fand, was sie suchte, und sich mit den aufreizenden Fotos etwas zurückhielt. Und sie würde sich anders schminken. Natürlicher, dezenter.

„Scusa“, wurde sie in ihren Gedanken unterbrochen.

Sie sah auf, und einen Moment lang stockte ihr der Atem. Vor ihr stand ein berauschend schöner Italiener. Sein dunkles Haar war leicht zerzaust, aber Cynthia war vom Fach und erkannte die aufwendige Pflege, die hinter dem Undone-Look steckte. Die grünsten Augen, die sie je gesehen hatte, blickten sie bewundernd, überrascht, sanft und fordernd an.

Der Mann strich sich gedankenverloren über den verwegenen Dreitagebart. Cynthia zögerte nur eine Sekunde, in der sie überlegte, dass ihr neues Alter Ego sich entschuldigen und allein auf ihrem Zimmer verschwinden würde. Aber dieser Italiener sah so grandios gut aus, dass sie beschloss, erst morgen mit ihrem neuen Leben zu beginnen.

Sie lächelte ganz leicht, lehnte sich zurück und warf ihm einen Blick zu, der, wie sie wusste, deutlich machte, woran genau sie interessiert war. Während sie sich verspielt mit dem Zeigefinger am Schlüsselbein entlangfuhr – glücklicherweise hatte sie das enge grüne Top angezogen, das eine bekannte Designerin extra für sie angefertigt hatte und das ihr blondes Haar exzellent zur Geltung brachte –, schob sie mit dem Fuß den zweiten Stuhl vom Tisch.

„Prego“, sagte sie und fuhr sich mit der Zungenspitze verführerisch über die vollen, rotgeschminkten Lippen.

„Grazie.“ Er nahm Platz, ohne den Blick von ihr zu lösen. „Was macht eine so atemberaubend schöne Frau in Alba?“, fragte er in Englisch, aber mit deutlich erkennbar italienischem Akzent.

Cynthia musste lachen. „Halten Sie Alba für so rückständig?“

„No Signora, aber Sie gehören nach Mailand, Paris oder New York.“ Er fasste nach ihrer Hand und küsste sie.

Gänsehaut breitete sich auf ihrem Körper aus, als er mit seinen warmen, weichen Lippen an ihrem Unterarm entlangfuhr.

„Champagner in meiner Suite?“, hauchte Cynthia.

„Si“, sagte er leise, während er sie schwungvoll vom Stuhl hochzog.

Ein Klopfen an der Zimmertür riss Cynthia aus tiefstem Schlaf. Einen Moment lang wusste sie nicht, wo sie war, dann fiel ihr Blick auf den braunen Wuschelkopf neben sich, und die Erinnerung kehrte schlagartig zurück: Die beeindruckende, einmalig schöne Magnolie, die spröde, strenge Witwe, das Ultimatum und der attraktive Italiener, der sie erfolgreich auf andere Gedanken gebracht hatte. Was für eine Nacht! Hatte sie jemals so guten Sex gehabt? Sie hatten sich stundenlang geliebt, wieder und wieder, bis sie in den frühen Morgenstunden erschöpft eingeschlafen waren.

Es klopfte erneut an der Tür.

Cynthia richtete sich auf und suchte nach ihrem Handy. Verschlafen stellte sie fest, dass es erst halb zehn war. „Ich habe doch das Frühstück erst für halb elf bestellt“, murmelte sie.

Neben ihr regte sich der Italiener, dessen Namen sie nicht einmal kannte. Sie hatten kaum fünf Worte miteinander gewechselt, ihre Prioritäten hatten in der vergangenen Nacht ganz woanders gelegen.

„Die haben sich bestimmt um eine Stunde vertan. Ich mache auf“, sagte er. Cynthia ließ sich wieder in die Kissen fallen und beobachtete, wie er seinen muskulösen Körper in den weißen Baumwollbademantel des Hotels hüllte.

„Buongiorno“, hörte sie wenig später eine Stimme, die ihr vage bekannt vorkam.

„Signora?“ Der Ton in seiner Stimme ließ Cynthia endgültig aufhorchen. Etwas stimmte hier ganz und gar nicht.

„Signor Rivoir? Was machen Sie hier? In Signora MacCarthys Zimmer?“

Cynthia zuckte zusammen, als ihr klar wurde, wem die Stimme gehörte. Erschrocken richtete sie sich auf und starrte in Giovanna Pellegrinos entsetztes Gesicht.

„Signora MacCarthy? Signor Rivoir? Sie beide hier, in einem Bett?“, wiederholte die Witwe fassungslos, die blass geworden war.

„Clément Rivoir?“, fragte Cynthia entsetzt.

„Cynthia MacCarthy?“, erwiderte er im selben Tonfall.

Im nächsten Moment sprang auch Cynthia aus dem Bett und bedeckte sich notdürftig mit einem der Laken. Die Witwe drückte den Stapel Papier, den sie in der Hand gehalten hatte, Clément Rivoir achtlos in die Hand, drehte sich auf dem Absatz um und stürzte aus dem Zimmer.

„Signora Pellegrino, was tun Sie hier?“, rief Clément ihr hinterher, und erst jetzt erkannte Cynthia, dass es gar kein italienischer Akzent, sondern ein französischer war.

Der heiße Italiener war ein Franzose. Und er war ihr absolut größter Konkurrent!

2. KAPITEL

Clément warf die Unterlagen auf den Tisch, stieg in seine Hose und hechtete auf den Flur hinaus. Aber von der Signora war nichts mehr zu sehen.

Was hatte Signora Pellegrino in Cynthia MacCarthys Zimmer zu suchen? Clément ging zurück ins Zimmer und warf die Tür hinter sich zu. „Warum war Giovanna Pellegrino hier?“

„Ihre blöden Regeln“, knurrte Cynthia. „Sie hat sie vorbeigebracht.“

Clément ging zum Tisch, auf den er die mit Computer geschriebenen Verhaltensregeln abgelegt hatte. Es waren dieselben, die Signora Pellegrino auch ihm gestern vorgetragen hatte.

Cynthia hockte halbangezogen auf dem Bett und starrte ihn finster an. Ihre Haare waren zerzaust, die Wangen gerötet, das Make-up verschmiert.

„Clément Rivoir?“, fragte sie mit Wut in der Stimme. „Wusstest du, dass du mit mir schläfst? Deiner größten Konkurrentin?“

„Wow!“, Clément hob die Hände. „Da leidet aber jemand an Selbstüberschätzung.“

„Du wusstest also, wer ich bin?“ Cynthia schüttelte fassungslos den Kopf.

„Nein, natürlich nicht. Dann hätte ich doch niemals mit dir geschlafen.“ Clément verzog das Gesicht. Dabei hätte er sie eigentlich erkennen müssen, ihr Gesicht tauchte ja zehnmal am Tag in seinem Feed auf. Aber die Filter, die sie anscheinend in den sozialen Netzwerken benutzte, veränderten ihr Aussehen, und nicht unbedingt zum Positiven, wie er fand. Auf Instagram wirkte Cynthia künstlicher, unnatürlicher. Von der echten Cynthia McCarthy war er hingegen sofort hingerissen gewesen. Ihre Ausstrahlung war sensationell, ja, sie leuchtete von innen heraus und war zugleich von einer Sinnlichkeit umgeben, die Clément bislang nur selten bei einer Frau wahrgenommen hatte. Er hatte sie nicht erkannt, sonst hätte er sie niemals auf ihr Zimmer begleitet.

„Das glaube ich dir nicht! … Nein, stopp! Es passt. Was habe ich erwartet? Deine Anwälte versuchen seit Monaten, mich fertigzumachen, und es würde nichts Größeres für dich geben, als mein Unternehmen in den Ruin zu treiben. Nur weil ich nicht weiter für euch Werbung machen will. Ich promote nur noch meine eigenen Produkte, was ist daran verboten? Natürlich kann der Boss nicht anders sein als seine Gefolgschaft.“ In einer theatralischen Geste riss sie die Arme in die Höhe und ließ sich rücklings in die Kissen fallen, wobei sich ihre blonden Haare um sie herum auffächerten.

Clément schlüpfte in sein Hemd und die Schuhe. „Ich hole dich nur sehr ungern von deinem Spinner-Planeten zurück auf die Erde, aber dein kleines Label ist bei Weitem nicht wichtig genug, um deswegen so einen Aufstand zu machen. Ich wusste nicht, wer du bist, glaub es oder nicht. Das ist mir vollkommen egal. Ja, ich fand dich verdammt attraktiv, aber du warst eine vollkommen Fremde für mich. Und das ist es auch schon. Ich habe keine Kampagne gegen dein Unternehmen geplant, auch wenn dich das enttäuscht. Dafür ist dein kleines Business nämlich einfach zu unwichtig. Wenn du in unsere Liga aufsteigst, können wir ja nochmal reden, bis dahin sei versichert: Du und auch SkinLove seid viel zu unbedeutend, als dass ich mich länger gedanklich mit euch befassen würde. Dass du unserer Werbeabteilung von heute auf morgen die Zusammenarbeit gekündigt hast, ist allerdings mies gewesen.“

Clément wusste, dass er übertrieb, SkinLove hatte beeindruckende Zahlen vorzuweisen. Aber Cynthia hatte sich illoyal verhalten, und er wollte ihr verdeutlichen, dass sie mit ihrem Geschäft lange nicht in derselben Liga wie Rivoir Cosmetics spielte.

Cynthia stieß einen empörten Laut aus und richtete sich im Bett auf. „Du bist …“, sie unterbrach sich, weil ihr anscheinend ein Gedanke gekommen war. „Warum interessierst du dich denn dann für die Magnolie, wenn SkinLove so unwichtig ist, dass du das Unternehmen und mich als Konkurrentin nicht ernst nehmen kannst?“

„Weil dieses Projekt bei dir nicht gut aufgehoben wäre.“ Clément sah sich im Zimmer um, ob er noch etwas übersehen hatte. „Dieser Baum ist tatsächlich wertvoll. Wenn das richtige Unternehmen diese Kampagne in die Hand nimmt, wird das ein Welterfolg.“

„Ach so, und das kannst du besser als ich?“

„Natürlich“, Clément zog die Augenbrauen zusammen. Glaubte Cynthia wirklich, dass sie mit ihrem neu gegründeten Label ein so großes Projekt erfolgreich auf dem Markt positionieren konnte? Dafür war mehr Wissen nötig als ihr Instagram-Marketing. Schon Cléments Vater und Großvater hatten Rivoir Cosmetics groß gemacht, sie hatten Kontakte geknüpft, und Clément hatte sie bis heute gepflegt. Seit er vor vier Jahren den Firmenvorsitz übernommen hatte, hatte sich der Umsatz mehr als verdoppelt. Er setzte, genau wie SkinLove, auf Bioqualität und Natürlichkeit. Wie konnte Cynthia nur annehmen, dass sie ohne all diese jahrzehntelange Vorarbeit mal eben so erfolgreich werden konnte wie Rivoir?

„Du bist so schrecklich arrogant und selbstverliebt, es ist …“, sie wurde vom Klingeln ihres Handys unterbrochen.

„Hallo?“, nahm sie ungeduldig das Gespräch entgegen …

Ihr Blick verdunkelte sich. „Signora Pellegrino“, formten ihre Lippen lautlos. Sie drückte die Taste für die Freisprechfunktion, und im nächsten Moment schallte die aufgebrachte Stimme der Witwe durchs Zimmer.

„Sie haben mich beide sehr enttäuscht“, hörte Clément sie sagen.

Cléments und Cynthias Blicke trafen sich in derselben Fassungslosigkeit.

„Signora, das alles ist ein …“, begann Clément, wurde aber von der Witwe unterbrochen.

„Ich habe Ihnen beiden doch gestern unmissverständlich erklärt, dass ich einen zu freizügigen Lebensstil verabscheue. Ich erwarte Sie beide hier bei mir. In einer Stunde!“ Es klickte, Signora Pellegrino hatte aufgelegt.

„Du …“, Cynthia warf ihm einen wutentbrannten Blick zu. „Warum bist du überhaupt hier?“ Sie sah ihn lauernd an.

„Signora Pellegrino hat mich kontaktiert und gefragt, ob Rivoir Cosmetics an der Magnolie interessiert ist.“ Clément drehte sich mit genervtem Gesichtsausdruck von ihr ab.

Cynthia öffnete die Tür und machte eine auffordernde Handbewegung. „Das glaube ich dir nicht. Ich habe selbst herausgefunden, dass die Signora plant, ihre Magnolienessenz zu verkaufen. Dann habe ich den Kontakt zu ihr aufgenommen. Du hast mich ausspioniert, weil du mir das Geschäft nicht gönnst, und die Signora dann deinerseits angesprochen. Aber eins sag ich dir: Ich werde mir dieses Geschäft nicht von dir verderben lassen.“

„Erstens geht es nicht darum, dass ich dir irgendetwas nicht gönne“, Clément musste sich zusammenreißen, um nicht die Geduld zu verlieren. Er hatte wenig Verständnis für derart impulsive und theatralische Reaktionen, wie Cynthia sie gerade zeigte. „Und zweitens sage ich die Wahrheit. Sie hat sich an Rivoir gewandt und uns die Lizenz für die Magnolie angeboten. Ich war ebenso überrascht wie du, dass es noch eine zweite Firma gibt und sie zwischen uns entscheiden will.“

„Ach ja?“, Cynthia sah ihn spöttisch an. „Und wieso bist du überhaupt mit mir ins Bett gegangen? Die Signora hat doch deutlich gemacht, dass sie das nicht gutheißt. Oder hat sie dir etwas anderes gesagt?“

Clément stieß ein lautes Lachen aus. „Sie hat von strengen moralischen Ansichten gesprochen. Aber es war mir nicht klar, dass sie sogar mein Schlafzimmer überwachen will.“

Cynthia schüttelte den Kopf. „Jetzt weißt du es. Gibst du auf? Immerhin ist es bestimmt schwer für dich, dich zu zügeln.“

„Du kennst mich doch überhaupt nicht.“ Clément schwankte zwischen Ärger und Belustigung. Cynthia war unmöglich. Sie behauptete Dinge, nur weil sie ihr gerade gut in den Kram passten. Und auch wenn es sie eigentlich überhaupt nichts anging, sagte er: „Auch ich glaube an die große Liebe und bin eigentlich kein Typ, der mit jeder Frau ins Bett geht. Aber nur, weil ich daran glaube, irgendwann die perfekte Frau zu finden – die eine, die ich liebe wie keine andere –, bedeutet das nicht, dass ich, bis es so weit ist, vollkommen enthaltsam leben muss.“

„Signora Pellegrino ist da anderer Meinung. Es ist kein Unterschied, ob du an das Märchen von der großen Liebe glaubst oder von Anfang an ehrlich zu dir selbst bist und dich nur auf Affären einlässt.“ Cynthia öffnete die Tür noch ein Stück weiter und sah ihn auffordernd an.

Clément trat auf den Flur hinaus. Noch bevor er sich zu Cynthia umdrehen konnte, hatte sie die Tür bereits hinter ihm zugeknallt.

Eine Stunde später stand er vor dem Haus von Signora Pellegrino. Er hatte auf der Fahrt die ganze Zeit darüber nachgedacht, wie ihm dieser Fehler hatte unterlaufen können, und war schließlich zu dem Schluss gekommen, dass er nichts falsch gemacht hatte. Er hatte die Nacht mit Cynthia genossen. Ja, er hatte einige Affären und One-Night-Stands gehabt, aber es war keine Lüge gewesen, als er Cynthia gesagt hatte, dass er an die große Liebe glaubte.

Auch wenn er in letzter Zeit Zweifel daran hatte, dass es tatsächlich die richtige Frau für ihn gab. Aber darüber konnte er jetzt nicht nachdenken, er musste sich mit seinem aktuellen Problem befassen.

Jetzt ärgerte er sich, dass er sich auf diese Nacht mit der schönen Unbekannten eingelassen hatte. Wieso hatte er sie nicht erkannt? Und warum hatte er sich nicht einfach auf diese Magnoliensache konzentrieren können, anstatt sich zu vergnügen? Es hätte doch ein Leichtes sein müssen, Cynthia auszustechen, die ein vollkommen gläsernes Party-Leben führte.

Clément sah unschlüssig zu dem unscheinbaren Haus, in dem die Signora wohnte. Cynthia schien noch nicht hier zu sein, jedenfalls stand kein zweites Auto im Hof. Er hatte keine große Lust, sich die Vorwürfe der Signora allein anzuhören.

Gerade als er sich entschlossen hatte, an die Haustür zu klopfen, hörte er das leise Surren eines Automotors, und kurz darauf tauchte ein auberginefarbener Rolls-Royce im Hof auf. Ein uniformierter Fahrer stieg aus und öffnete die Tür zum Fond der Limousine. Die langen schlanken Beine seiner Konkurrentin zeigten sich und nahmen ihm einen Augenblick lang den Atem. Cynthia stieg aus, und gegen seinen Willen musste er zugeben, dass sie eine Art perfekter Schönheit besaß. Kein Wunder, dass er sich so bereitwillig auf die Affäre eingelassen hatte. Denn Clément suchte immer nach Perfektion.

Als Cynthia Clément sah, zogen sich ihre Augenbrauen missbilligend zusammen.

„Schicker Wagen“, sagte Clément, sobald sie ihn erreicht hatte. Er hatte die Hände in die Taschen seiner weißen Leinenhose geschoben, die ihm Alexandre, ein aufstrebender Pariser Modedesigner, erst vor zwei Monaten höchstpersönlich angefertigt hatte. „Geliehen?“

Cynthia legte den Kopf schräg und schürzte die Lippen. „Warum? Weil so ein unbedeutender Niemand wie ich sich keinen eigenen Wagen leisten kann? Weil meine Firma nicht mit Rivoir Cosmetics mithalten kann?“

„Non!“, rief Clément, genervt über ihre Empfindlichkeit, musste aber zugeben, dass er genau das gedacht hatte. Auch wenn er selbst Millionenumsätze machte, fuhr er immer noch seinen Wagen selbst, obwohl er sich zehn Chauffeure leisten könnte. Cynthia war eine typische Neureiche mit Stargehabe. Natürlich durfte da der eigene Fahrer nicht fehlen.

Als ob sie seine Gedanken erraten hätte, sagte sie ein wenig schnippisch: „Dann ist es ja gut. Ist nämlich alles selbst erarbeitet. Im Gegensatz zu dir habe ich kein gemachtes Nest geerbt, sondern musste mir alles vom ersten Penny an verdienen. Das Auto zum Beispiel und auch Aiden, meinen Fahrer. Und noch viel mehr, was für dich selbstverständlich war.“ Sie rauschte an ihm vorbei zum Eingang.

Clément legte die Stirn in Falten. Soweit er wusste, kam auch Cynthia aus einem sehr reichen Elternhaus. Er warf noch einen Blick über die Schulter auf den beeindruckenden Rolls-Royce und folgte ihr dann zur Tür, die genau in dem Moment geöffnet wurde, als er neben Cynthia ankam.

Signora Pellegrino stand wie ein schwarzer Racheengel vor ihnen. Er zuckte zurück, als er ihren Blick wahrnahm. Es war nicht einfach nur Missfallen, was sich auf ihren Zügen zeigte, sondern tiefe Enttäuschung. Und Clément war es nicht gewohnt, andere zu enttäuschen. Sofort breitete sich ein bedrückendes Gefühl in ihm aus, wie früher, wenn er trotz vielen Übens nicht Klassenbester geworden war. Du bist perfekt, ich erwarte, dass du der Beste bist, hörte er wieder die Stimme seines Vaters, die ihn bis heute zu leiten schien.

„Aha“, sagte Signora Pellegrino. „Da sind Sie ja. Kommen Sie mit.“

Signora Pellegrino zog die Tür hinter sich zu und ging entschlossen an ihnen vorbei um das Gebäude herum.

Clément warf Cynthia einen fragenden Blick zu, die wich ihm jedoch demonstrativ aus. Na schön, dieses Spiel beherrschte er auch. Er würde Cynthia von nun an ebenfalls ignorieren und so tun, als gäbe es sie gar nicht. Wenn er das nur gestern schon getan hätte!

Signora Pellegrino führte sie in den Garten bis zu der Magnolie. Dann drehte sie sich zu ihnen um. „Der Baum ist mir sehr wichtig. Ich habe ihm immer Respekt entgegengebracht. Wenn ich aber diesen lockeren, verantwortungslosen Umgang betrachte, den die jungen Leute heute an den Tag legen, frage ich mich, wie die Menschen sich ihre Zukunft vorstellen. Wie soll denn ein Baum wie meine Magnolie gepflegt werden, wenn man es nicht einmal schafft, sich um sich selbst oder einen Partner zu kümmern? Wenn man von einem Bett ins andere hüpft und die Unverbindlichkeit feiert? Diese Amoralität ist schrecklich, sie nimmt Überhand, und Sie beide haben es wieder einmal bewiesen.

Gestern erst habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt und Ihnen beiden dargelegt, was mir wichtig ist. Sie beide haben meine Wünsche mit Füßen getreten, sich mir gegenüber respektlos verhalten. Daher wird niemand von Ihnen die Rechte an meiner Magnolie bekommen. Vielleicht wird irgendwann jemand kommen, dem oder der ich meine Magnolie anvertrauen kann. Aber Sie beide werden es nicht sein. Schämen Sie sich! Miteinander ins Bett zu gehen, obwohl Sie sich nicht einmal leiden können. Pfui! Das zeigt, wie gedankenlos und ungezügelt Sie beide sind. Aber ich habe nichts anderes von Ihnen erwartet! Die Jugend von heute ist leider so unverbindlich und oberflächlich geworden.“

„Aber …“, begann Clément, wurde jedoch von Cynthia unterbrochen.

„Warum haben Sie uns dann mit hierher zu dem Baum genommen? Nur um uns zu sagen, dass wir beide die Rechte an der Essenz nicht bekommen?“, fragte Cynthia.

Signora Pellegrino nickte. „Genau. Ich wollte Ihnen zeigen, was Ihnen entgeht. Schade, aber Sie hatten es selbst in der Hand. Ich hatte ausdrücklich gesagt, dass ich ein unstetes Liebesleben nicht gutheiße.“

„Aber so ist es doch gar nicht“, warf Cynthia in empörtem Ton ein. „Wir lieben uns und führen eine ernsthafte Beziehung.“

Clément horchte erschrocken auf. Nicht das auch noch! Er hatte Cynthia nicht als eine Frau eingeschätzt, die einen One-Night-Stand falsch verstand.

„Sie … was?“, fragte nun auch Signora Pellegrino perplex.

„Wir sind verlobt. Wir wollen heiraten.“ Cynthia kam zu Clément und fasste seine Hand.

Verlobt? Wie bitte? Er musste eingreifen. „Moment mal …“, protestierte Clément, aber Cynthia drückte seine Finger so fest, dass ihm die Luft wegblieb.

Gleichzeitig sagte Cynthia: „Komm schon, Darling.“

Darling? Oh Gott, das wurde immer schlimmer.

Doch noch bevor er etwas sagen konnte, sprach Cynthia weiter. „Wir haben uns heute Morgen gestritten, nachdem Sie weg waren. Denn wir halten unsere Beziehung geheim, und es war uns sehr unangenehm, dass Sie uns überrascht haben. Daraufhin wollte ich alles öffentlich machen, unsere Verlobung groß verkünden, aber Clément will das nicht. Wir haben uns entsetzlich gestritten.“

„Das …“, Signora Pellegrino starrte Cynthia an, sah dann verwirrt zu Clément, der ebenfalls versuchte, aus den Worten seiner Konkurrentin schlau zu werden.

Während Clément noch versuchte, eine Erklärung für Cynthias Verhalten zu finden, nickte die Signora anerkennend. „Das Verheimlichen ist Ihnen gut gelungen. Ich bin nicht auf die Idee gekommen, dass Sie beide verlobt sind.“

„Grazie“, lächelte Cynthia. „Ich spiele nur nach außen die Frau von Welt, die Partys liebt und nach der großen Liebe sucht, während ich schon seit einem Jahr nur noch einem einzigen Mann treu bin.“ Sie ließ seine Hand los, legte ihm stattdessen den Arm um die Taille und zog ihn eng an sich. „Denn auch ich habe längst erkannt, dass Treue viel erfüllender ist.“

Aha, daher wehte also der Wind. Cynthia versuchte, die Lizenz doch noch zu bekommen. Clément konnte nicht anders, als seine Konkurrentin für ihre Lügenfähigkeit zu bewundern. Sie war überzeugend, auch wenn sie vielleicht gerade ein bisschen zu dick auftrug. Aber er war nicht bereit, als Marionette in ihrem Spiel zu fungieren.

„Moment.“ Clément versuchte, sich von ihr freizumachen, aber für eine so zarte Person hatte Cynthia erstaunlich viel Kraft. Seine Hand lag in ihrer wie in einem Schraubstock. „Was machst du denn …?“

„Jetzt komm, sei nicht mehr sauer. Wir sollten uns wieder vertragen, was meinen Sie, Signora Pellegrino? Es ist nicht richtig, bei jedem kleinen Streit sofort die Beziehung infrage zu stellen, oder? Ich fürchte, Clément neigt dazu, bei jeder Schwierigkeit sofort aufgeben zu wollen.“

„Ähm, nein, natürlich nicht.“ Signora Pellegrino wirkte mehr und mehr überzeugt.

„Siehst du, Darling? Ich sage es doch schon die ganze Zeit, wir sind füreinander bestimmt.“ Mit einem zuckersüßen, unschuldigen Lächeln wandte sie sich an die Witwe. „Leider ist Clément ein Kind seiner Zeit. Er lässt sich so schnell verunsichern und meint, es muss alles eitel Sonnenschein sein. Dank meiner Geduld und Liebe haben wir aber all diese Krisen immer gut bewältigen können. Und so wird es auch dieses Mal sein.“

Jetzt drehte sie sich zu Clément und fasste auch noch die andere Hand. Am liebsten hätte er sie ihr mit Gewalt entrissen, aber Signora Pellegrino beobachtete sie mit immer wohlwollenderem Blick. Und Cynthia sah ihn mit einem so liebevollen Ausdruck an, dass er sich selbst in Erinnerung rufen musste, dass sie eine Lügnerin war – wenn auch eine der besten, die er je getroffen hatte.

„Ich liebe dich, und ich will mein ganzes Leben an deiner Seite sein. Ich liebe es, morgens neben dir aufzuwachen und abends als Letztes dein Gesicht vor mir zu sehen. Ich will keinen anderen Mann mehr haben, bitte akzeptiere das endlich. Wir sind doch verlobt.“

„Wie schön Sie das gesagt haben.“ Die Augen der Signora schimmerten feucht, und Clément musste ein spöttisches Lachen unterdrücken. Dass die Frau darauf reinfiel, war gar nicht so unglaublich, wie er erst gedacht hatte. Immerhin sagte Cynthia genau das, was sie hören wollte, und sie war gut im Lügen. Unweigerlich stieg Bewunderung in ihm auf.

„Was meinen Sie, Signora Pellegrino?“, Cynthia schob die Unterlippe vor und drehte den Oberkörper wie ein kleines Mädchen hin und her. Mit gesenktem Kopf sah sie die Witwe mit einem Augenaufschlag an, der sogar Clément erweicht hätte. „Können Sie uns nicht noch eine Chance geben?“

„Sie … Ich weiß nicht“, Signora Pellegrino strich sich eine ihrer grau-schwarzen Strähnen zurück hinters Ohr, die sich aus ihrem geflochtenen Zopf gelöst hatte. Sie wirkte noch nicht vollkommen überzeugt und schien hin- und hergerissen, ob Cynthias Aussage stimmte. „Ich habe mich informiert, und mein Anwalt kennt sich mit diesen Seiten aus, Instagram und wie die alle heißen. Und da zeigen Sie sich sehr offenherzig, immer auf Partys und immer in wechselnder Begleitung.“ Die letzten zwei Worte hatte sie geflüstert, als handele es sich um ein großes Geheimnis.

„Das ist doch alles nur vorgetäuscht, um unsere Verlobung geheim zu halten. Clément hat viele Verehrerinnen, die alle sehr enttäuscht wären, wenn sie erführen, dass er vergeben ist.“

„Das ist doch Unsinn“, rief Clément, der nicht länger schweigen konnte. Wie geschickt Cynthia alles herumdrehte.

Aber sie unterbrach ihn: „Darling, dafür brauchst du dich doch nicht zu schämen. Ich vertraue dir hundertprozentig. Auch wenn du früher nichts hast anbrennen lassen, so bin ich heute für dich die einzige Frau auf der Welt.“

„Jetzt reicht es …“

Doch dieses Mal war es Signora Pellegrino, die ihn nicht aussprechen ließ. „Ja, das passt natürlich zu der jungen Generation, die sich nicht binden will. Schlimm, diese Einstellung.“

„Ich gebe Ihnen vollkommen recht“, sagte Cynthia mit einschmeichelnder Stimme und süßem Lächeln. „Clément und ich sind beide Geschäftsleute und leider auf die Gunst dieser jungen Generation angewiesen. Daher müssen wir uns anpassen und nach außen das Bild abgeben, das von uns erwartet wird. Meinen Sie denn allen Ernstes, ich würde wirklich mit all diesen Männern ausgehen? Wo ich doch so einen wundervollen Verlobten habe?“

„No“, sagte Signora Pellegrino zögerlich.

Clément war sich nicht sicher, was er von Cynthias Versuch, doch noch an die Lizenz zu gelangen, halten sollte. Cynthia wollte Signora Pellegrino weismachen, dass sie beide ein vollkommen anständiges Leben führten, in dem sie nicht einfach so miteinander geschlafen hatten, sondern verlobt waren. Aber sie würden niemals heiraten, ganz im Gegenteil, sie konnten sich nicht leiden und waren Konkurrenten. Auch wenn Cynthia sich dabei maßlos überschätzte.

Zugleich hatte sie etwas geschafft, dass bislang nur wenigen Menschen gelungen war: Sie hatte ihn beeindruckt. Die Schlagfertigkeit, mit der sie eine perfekte Ausrede parat gehabt hatte, war unvergleichlich. Und sie spielte ihre Rolle ausgezeichnet, auch wenn – oder vielleicht sogar gerade weil – sie sehr dick auftrug. Bei Signora Pellegrino schienen die Lügen jedenfalls Gehör zu finden.

„Was müssen wir tun, um Ihnen zu beweisen, dass wir absolut treu sind und eine monogame Beziehung führen?“, fragte Cynthia.

„Ich weiß nicht“, Signora Pellegrino sah unschlüssig von einem zum anderen. „Wie stellen Sie sich das denn mit der Essenz vor? Ich dachte, nur eine Ihrer Firmen soll mit meiner Magnolie arbeiten.“

„Richtig“, sagte Cynthia. „Und wir sind nach wie vor Konkurrenten. Aber wir lieben uns auch. Ist das denn so verwerflich?“

„Ganz und gar nicht“, Signora Pellegrinos Miene hellte sich auf. „Ich finde das sogar sehr sympathisch. Und ich kann ja verstehen, dass Sie das geheim gehalten haben, in der heutigen Welt … Missgunst, Neid und Intrigen überall! Wenn das stimmt, was Sie sagen, ist bei Ihnen allerdings noch nicht sämtliche Hoffnung verloren. Auch wenn ich es ganz und gar nicht in Ordnung finde, dass Sie vor der Ehe miteinander …“

„Wir konnten einfach nicht länger warten“, murmelte Cynthia und stieß Clément mit der Hüfte an.

Er atmete tief durch und bemühte sich um einen zerknirschten Gesichtsausdruck. Was blieb ihm in dieser Situation anderes übrig, als mitzuspielen? Wenn er die Sache auffliegen ließ, würden sie beide die Lizenz nicht erhalten. Auch wenn er nach wie vor Zweifel daran hatte, dass die Lügen nicht bald schon aufgedeckt wurden, bestand immerhin noch die Chance darauf, dass es gutgehen würde.

„Es tut mir leid“, murmelte er daher reumütig, auch wenn er noch immer sauer war, dass Cynthia ihn schlechter dastehen ließ als sich selbst. Die ganze Sache würde vermutlich nicht gut ausgehen, und er wollte nicht derjenige sein, der hinterher das Nachsehen hatte.

„Sehen Sie“, Signora Pellegrino blinzelte in die Sonne, die inzwischen hoch am Himmel stand. Bienen und Schmetterlinge schwirrten um sie herum. „Da Sie schon sämtliche körperlichen Freuden miteinander genießen, haben Sie es anscheinend gar nicht eilig zu heiraten. Ist das nicht schade? Früher war es ein aufgeregtes Bibbern, ein Fiebern, wir jungen Mädchen haben es uns wieder und wieder vorgestellt, wie es sein würde, wenn endlich die Hochzeitsnacht da wäre. Heute kennen Sie schon jedes Geheimnis voneinander. Warum sind Sie nicht längst verheiratet, wenn Sie sich doch so sehr lieben?“ Sie sah sie auffordernd und auch ein wenig tadelnd an.

Clement sah unsicher zu Cynthia. Das war eine gute Frage, er war gespannt, wie seine Konkurrentin die beantworten würde.

„Es ist unser Verantwortungsbewusstsein, das uns bislang davon abgehalten hat“, erklärte Cynthia mit ernster Miene. „Denn wir möchten eine unvergessliche Hochzeit feiern, nicht ein schnelles Ja-ich-will zwischen zwei Geschäftsterminen. Und wir sind beide sehr eingespannt. Auch wenn wir erfolgreiche Unternehmen leiten, bleiben uns kaum zwei Tage, um ungestört miteinander Zeit zu verbringen.“

Wieder musste Clément zugeben, dass er es hier mit einer bewunderungswürdigen Gegnerin zu tun hatte. Sie war nicht nur schlagfertig, sondern wusste auch genau, welche Register sie bei der Witwe ziehen musste.

Signora Pellegrinos Gesicht hatte einen beinahe weichen Ausdruck angenommen. Sie lächelte.

„Molto bene“, sagte sie schließlich und strahlte sie beide voller Wärme an. Clément fiel auf, dass es das erste Mal war, dass er sie mit freundlicher Mine erlebte, und das machte einen ganz neuen Menschen aus ihr. „Ich glaube, ich habe da eine Idee. Wir haben einiges zu besprechen. Ich gehe schon mal vor. Kommen Sie doch gleich nach auf die Terrasse hinterm Haus. Ich kümmere mich um ein wenig Gebäck und Kaffee, bei dem wir in aller Ruhe reden können.“ Sie nickte ihnen lächelnd zu und ging dann an ihnen vorbei zurück zum Haus.

Cynthia grinste zufrieden, während Clément der Signora nachsah. Erst als sie außer Hörweite war, drehte er sich zu Cynthia um. „Was sollte das denn bitte?“

Sie blinzelte in die Sonne und fragte: „Wir sind wieder im Rennen, oder nicht?“

„Ja, aber mit einer gewaltigen Lüge. Wie hast du dir das vorgestellt? Wir sind nicht verlobt. Und am Ende kann nur einer von uns die Lizenz bekommen.“ Clément folgte Cynthia, die nun ganz dicht an die Magnolie herangetreten war.

Cynthia beugte sich zu einer der Blüten und sog den Duft tief ein. Dann sagte sie: „So, wie es gerade aussah, wären wir beide raus gewesen. Jetzt aber haben wir noch eine reale Chance. Und wir können uns ja auf eine Ausgleichszahlung oder sowas einigen.“

„Eine … nein!“ Clément hatte den Eindruck, dass ihm die ganze Angelegenheit mehr und mehr aus den Händen glitt. „Es hat mir gar nicht gefallen, wie du dich gerade als die Gute und mich als herumhurenden Typen dargestellt hast.“

„Das habe ich gar nicht getan, ich habe nur …“

„Die Wirklichkeit umgedreht? Gelogen?“ Er schüttelte den Kopf und wandte sich ab.

„Du bist doch auch ein Unternehmer“, hörte er ihre Stimme hinter sich. „Sag mir nicht, dass du immer ehrlich dabei bist?“

„Natürlich bin ich ehrlich.“ Clément wirbelte wieder zu ihr herum. „Unglaublich, dass du meinst, mit Ehrlichkeit kein Geschäft führen zu können.“

„Ich bitte dich“, sie verzog den Mund. „Und wenn du nicht selbst lügst, dann tun es deine Mitarbeiter für dich. Ich habe mit ihnen zu tun gehabt und bin mehr als einmal betrogen worden. Und das alles unter dem Namen Rivoir Cosmetics.“

Clément konnte das nicht abstreiten. Er befürchtete schon länger, dass seine Mitarbeiter zu unlauteren Mitteln griffen. Er schüttelte den Gedanken ab und fragte stattdessen: „Du wusstest, dass die Signora im Hotel vorbeikommt, oder?“

Cynthia sog empört die Luft ein und wirbelte zu ihm herum. „Das wusste ich nicht! Ich hatte keine Ahnung, wer du bist. Meinst du, ich wäre sonst mit dir … niemals!“

Clément verzog das Gesicht. „Während du mir unterstellst, dich belogen zu haben, war es genau andersherum. Du wusstest, wer ich bin, und hast mich in eine Falle gelockt.“

„Das habe ich nicht“, rief sie aufgebracht. „Für wen hältst du mich? Ich dachte, du seist Italiener.“ Cynthia fuchtelte mit ihrem Zeigefinger vor seiner Nase herum.

„Ist ja gut“, Clément fasste nach ihrer Hand. „Du willst also wirklich nicht gewusst haben, wer ich bin?“

„Hab ich doch gesagt“, rief sie.

„Okay, lass mich nachdenken“, Clément betrachtete sie. Cynthia war eine wunderschöne Frau, eine Verlobung mit ihr war durchaus denkbar, auch wenn Clément wusste, dass es nicht funktionieren würde. Das tat es nie. Er schüttelte den Gedanken ab, mit diesem Problem konnte er sich jetzt nicht auch noch beschäftigen. „Du meinst also, es könnte klappen, dass wir unsere Verlobung vortäuschen?“

„Hat es doch schon“, Cynthia entwand ihm ihre Hand, die er noch immer festgehalten hatte. „Sie hat es geglaubt, oder nicht?“

Clément nickte. „Na gut, vielleicht hast du recht. Ich habe nur irgendwie das Gefühl, dass wir etwas nicht bedacht haben.“

„Ach was“, Cynthia winkte ab. „Was sollten wir vergessen haben? Wir müssen jetzt nur überzeugend das verliebte Pärchen spielen und beide einen möglichst guten Eindruck machen. Dann soll sie entscheiden, wer die Rechte an dem Baum bekommt, und ich zahle dir dann hinterher eine bestimmte Summe als Entschädigung dafür, dass du mir geholfen, aber leider verloren hast.“

„Hey, wer sagt denn …“, begann Clément, bemerkte dann aber das schelmische Grinsen.

„Schon klar“, er zog die Augenbrauen zusammen. Diesen Kampf würde er nicht verlieren. Lügen konnte er auch. „Einverstanden, ich mache mit. Aber du solltest dich schon mal darauf einstellen, dass du von mir eine Ausgleichszahlung bekommen wirst.“

Sie stieß einen abfälligen Laut aus und machte sich auf den Weg zum Haus.

Clément blieb noch einen Moment unter der Magnolie stehen und versuchte, das Störgefühl zu analysieren. Schließlich schüttelte er den Kopf. Er war einfach zu empfindlich. Wie immer suchte er nach dem Haar in der Suppe. Wieder hörte er die Stimme seines Vaters: Du darfst dir keinen Fehler erlauben.

Schnell folgte er Cynthia in den Obstgarten, schließlich sollten sie zusammen auf der Terrasse ankommen, wenn sie ihre Scharade aufrechterhalten wollten.

Schon von Weitem konnte er Signora Pellegrino und eine zweite Frau mit Schürze sehen, die den Tisch deckten. Als die Witwe die beiden kommen sah, lächelte sie ihnen entgegen.

„Wie schön, da sind Sie ja! Wir haben so viel zu besprechen. Ich muss sagen, dass ich Sie beide anfangs vollkommen falsch eingeschätzt habe. Ich finde es gut, wie verantwortungsbewusst Sie sich zeigen. Aber es kann nicht sein, dass Sie sich für Ihre Unternehmen und Mitarbeiter aufopfern und nur deshalb nicht heiraten, weil sie keine Zeit dafür finden oder es nicht allen recht machen können. Das lässt sich ändern. Ich habe mich entschlossen, Ihre Hochzeit unter meiner Magnolie auszurichten. Und die Lizenz für die Essenz ist mein Hochzeitsgeschenk.“

3. KAPITEL

Cynthia spürte, wie sich Clément neben ihr versteifte, und auch ihr selbst wurde plötzlich heiß. Die Lüge, dass sie verlobt waren, war eine spontane Eingebung gewesen, und bis gerade hatte Cynthia auch noch ziemlichen Stolz auf ihre Spontaneität verspürt. Wie hatte sie ahnen können, dass Signora Pellegrino gleich die Hochzeit ausrichten wollte? Das war übergriffig und nicht zu akzeptieren.

Cynthia holte Luft, um genau das zu sagen, als ihr der Ausdruck auf Signora Pellegrinos Gesicht auffiel. Da war etwas Lauerndes, etwas Selbstzufriedenes, ja beinahe Amüsiertes. In diesem Moment wurde Cynthia klar, dass die Italienerin vermutlich genau das beabsichtigt hatte. Sie hatte von vornherein daran gezweifelt, dass Cynthia und Clément heiraten wollten, und versuchte jetzt, sie mit diesem Trick aus der Fassung zu bringen.

Cynthia sah zu Clément, der dicht neben ihr stand. Trotz der Sonnenbräune wirkte er blass. Er setzte an, um etwas zu erwidern. Da Cynthia ahnte, dass er jetzt alles zugeben würde, fasste sie wieder nach seiner Hand, drückte mit aller Kraft seine Finger – dieser Trick hatte gerade schon einmal funktioniert – und schnitt ihm das Wort ab.

„Signora, das ist so großzügig von Ihnen“, sie sah Clément an, der seine Hand aus Cynthias festem Griff zu entwenden versuchte. „Nicht wahr, Darling? Ist das nicht einfach unglaublich? Wir heiraten...

Autor

Suzanne Merchant
Mehr erfahren
Caitlin Crews
<p>Caitlin Crews wuchs in der Nähe von New York auf. Seit sie mit 12 Jahren ihren ersten Liebesroman las, ist sie dem Genre mit Haut und Haaren verfallen und von den Helden absolut hingerissen. Ihren Lieblingsfilm „Stolz und Vorurteil“ mit Keira Knightly hat sie sich mindestens achtmal im Kino angeschaut....
Mehr erfahren
Jackie Ashenden
<p>Jackie Ashenden schreibt düstere, gefühlsgeladene Stories über Alphamänner, denen die Welt zu Füßen liegt, bevor sie von ihren umwerfenden Gegenspielerinnen in Stücke gerissen wird. Sie lebt mit ihrem Ehemann, dem unvergleichlichen Dr Jax, zwei Kindern und zwei Ratten in Auckland, New Zealand. Wenn sie nicht gerade Alphamänner und ihre kühnen...
Mehr erfahren