Julia Herzensbrecher Band 37

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SKANDAL UM PRINZESSIN NATALIA von KATE HEWITT
Für sexy Partygirls wie Prinzessin Natalia hat Selfmade-Millionär Ben Jackson nur Verachtung übrig. Deshalb fordert er sie heraus: „Wetten, Sie könnten nicht einen Tag lang für mich arbeiten!“ Ein gewagtes Spiel mit Folgen. Denn überraschend weckt Natalia bald viel mehr als nur Bens Verlangen!

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Schock für Raoul Sinclair: Die bezaubernde Sarah, die er einst für seine Karriere verließ, gesteht ihm, dass er Vater eines vierjährigen Sohnes ist! Nun steht der Selfmade-Millionär vor der wichtigsten Entscheidung seines Lebens …

KALTE RACHE, HEISSE LUST von KATE CARLISLE
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  • Erscheinungstag 04.11.2023
  • Bandnummer 37
  • ISBN / Artikelnummer 9783751519779
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

KATE HEWITT, CATHY WILLIAMS, KATE CARLISLE

JULIA HERZENSBRECHER BAND 37

1. KAPITEL

„Nun, wenigstens ein Jackson, der etwas aus sich gemacht hat!“

Prinzessin Natalia Santina warf ihrer Mutter einen überraschten Blick zu. Der eisige Unterton in ihrer Stimme passte so gar nicht zu dem augenscheinlichen Kompliment. Königin Zoes fein gezeichnete Brauen waren streng erhoben, die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Also ihr üblicher Gesichtsausdruck.

Neugierig ließ Natalia den Blick über die illustre Gästeschar schweifen, um das Objekt der offensichtlichen Missbilligung in Augenschein zu nehmen. Der Ballsaal des Santina Palasts war hoffnungslos überfüllt. Offenbar wollte sich niemand die Verlobungsparty ihres Bruders Alessandro und seiner Braut Allegra entgehen lassen. Ob es daran lag, dass es sich bei seiner Auserwählten um eine Tochter des ehemaligen Profifußballers und Enfant terrible, Bobby Jackson, handelte?

In dem Mann, der ihre Mutter zu dem bissigen Kommentar herausgefordert hatte, erkannte Natalia Allegras älteren Bruder Ben, einen international bekannten Selfmade-Millionär. Nicht, dass Königin Zoe mit Reichtum zu beindrucken wäre, so gigantisch er auch sein mochte. Geld machen kann jeder, lautete ihre verächtliche Devise, sobald das Gespräch auf dieses Thema kam. Was allein zählte, war Abstammung.

Zumindest die konnte man Natalias Exverlobten, der zu ihrer grenzenlosen Erleichterung von sich aus die Verbindung gelöst hatte, wahrlich nicht absprechen. Als Trennungsgrund hatte Prinz Michel – Zweiter in der Thronfolge des kleinen Fürstentums Montenavarre und praktisch pleite – den ruinös extravaganten Geschmack und Lebensstil seiner Braut angegeben.

Außerdem hatte sich Natalia nie wirklich für ein Leben in einem zugigen Schloss, hoch oben in den Alpen, erwärmen können. Die Frage, wie sie ihre Zukunft stattdessen zu verbringen gedachte, konnte sie bisher allerdings auch nicht beantworten. Momentan genoss sie es einfach, die Fesseln einer unerwünschten Beziehung abgestreift zu haben.

Während sie jetzt Ben Jacksons hochgewachsene Gestalt musterte, verdunkelte sich ihr Blick. Der perfekt geschnittene, graue Businessanzug mit passender, marineblauer Seidenkrawatte konnte seinen muskulösen Körper nicht verbergen. Während er mit einem anderen Gast plauderte, wirkte er ungeheuer souverän, selbstsicher und entspannt.

Ganz anders als sein Vater, der mit einer schreiend bunten Krawatte, dröhnender Stimme und ausholenden Gesten den typischen Neureichen demonstrierte, wie es keine Karikatur treffender hätte tun können.

Sein Sohn hingegen verkörperte das klassische Understatement eines eleganten Geschäftsmanns. Zu Natalias Belustigung hatte Königin Zoe ihm nicht mehr als zwei gepflegte Finger zur Begrüßung gereicht und war sichtlich zusammengezuckt, als er diese herablassende Geste ignoriert und stattdessen einen versierten Handkuss angedeutet hatte.

„Was macht er eigentlich genau?“ Natalia schmunzelte insgeheim, als ihre Mutter sich angesichts derartig vulgärer Neugier versteifte. Natürlich wusste sie, dass man so etwas nicht fragte, da jeder, der Klasse hatte, gar nichts tat. Jedenfalls nicht für Geld. Königin Zoe widerstrebte es sogar, über die erfolgreichen geschäftlichen Unternehmungen ihres ältesten Sohnes und Thronerben zu sprechen.

Manchmal fragte Natalia sich, ob ihre Mutter in Wirklichkeit nicht eine Romanfigur aus einer viktorianischen Novelle war und versehentlich mit einer Zeitmaschine in die Gegenwart katapultiert worden war. Ihre Gesinnung passte jedenfalls nicht ins gegenwärtige Jahrtausend.

„Ein typischer Entrepreneur, soweit ich es beurteilen kann“, ließ ihre Mutter sich dann doch zu einer Erklärung herab. „Irgendwas mit Finanzen.“

Ein Unternehmer und Finanztycoon also … wie langweilig! dachte Natalia und kam trotzdem nicht umhin, den breiten Schultern und dem durchaus attraktiven Antlitz weibliche Anerkennung zu zollen. Als er eine Hand hob und mit langen, gebräunten Fingern etwas unterstrich, was er gerade sagte, entschied Natalia für sich, dass dieser Ben ein lebhafter, kompetenter Gesprächspartner sein musste. Wenn sie den Gesichtsausdruck seines Gegenübers richtig interpretierte, verstand er es, Zuhörer zu fesseln.

Sie hatte schon immer aus der Mimik und Gesten völlig Fremder überraschend treffende Rückschlüsse über deren Charakter ziehen können. Und in zwölf Jahren schwer durchschaubaren Schulunterrichts war diese Gabe quasi überlebensnotwendig gewesen. Oft hatte sie nur am Heben einer Braue oder dem Stirnrunzeln eines Lehrers erkannt, ob sie mit ihren Antworten wenigstens annähernd richtiglag.

„Mit wem unterhält er sich da? Ben Jackson, meine ich.“

„Mit dem Minister für Kultur und Tourismus …“, antwortete Königin Zoe in einem resignierten Tonfall, den ihre Tochter nur zu gut kannte, „… was du selbst wissen müsstest, würdest du nur das geringste Interesse oder Pflichtgefühl gegenüber deinem Geburtsland oder deiner Familie aufbringen.“

Dazu schwieg Natalia verständlicherweise, da sie wusste, dass ihre Mutter unterschwellig auf die vor Kurzem gelöste Verlobung anspielte. Dabei hatten ihre Eltern so sehr gehofft, sie endlich unter der Haube und sicher außer Landes zu haben! Mit siebenundzwanzig Jahren, glücklich getrennt und begeisterte Partygängerin, war sie das aktuelle schwarze Schaf der Familie.

„Du hast recht, Mutter“, sagte Natalia nach einer Pause. „Ich sollte mich wirklich mehr mit Santinas Ministern beschäftigen. Am besten, ich fange gleich damit an …“

Ohne Königin Zoes schwachen Protest zu beachten, machte Natalia sich mit unnachahmlich herausforderndem Hüftschwung auf den Weg, wobei sie direkt Ben Jackson anpeilte.

„Prinzessin Natalia!“ Der Minister für Kultur und Tourismus zelebrierte eine Verbeugung, die sie sogleich mit einem lässigen Nicken quittierte.

„Minister … wie schön, Sie zu sehen!“ Strahlend reichte Natalia ihm die Hand und wünschte, sie hätte ihre Mutter auch nach seinem Namen gefragt.

„Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite“, erwiderte ihr Gegenüber schon eine Spur reservierter.

Immer noch lächelnd wandte Natalia sich Ben Jackson zu. Aus der Nähe wirkte er noch maskuliner. Sein athletischer Körperbau ließ auf einen Sportsmann schließen, und hinter der unfassbaren Aura von Reichtum und beruflichem Erfolg erahnte sie eine zynische Überheblichkeit, die sie neugierig machte.

Er mochte sich von seiner Familie distanziert haben und seinen eigenen Weg gegangen sein, doch wenn jemand wusste, dass man seine Kinderstube nie verleugnen konnte, sosehr man es sich auch wünschte, dann war sie es.

Seine Augen leuchteten in dem gleichen Marineblau wie seine Krawatte. Momentan jedoch funkelten sie eindeutig amüsiert, wie Natalia befremdet feststellte.

Ben Jackson lacht mich aus!

Wenn sie irgendetwas nicht ertrug, dann, ausgelacht zu werden. Das hatte sie zu oft und zu lange ertragen müssen.

„Ich glaube nicht, dass wir einander bereits vorgestellt wurden?“, wechselte Natalia mühelos vom Italienischen ins Englische.

„Zumindest nicht förmlich“, pflichtete Ben ihr süffisant bei. „Obwohl ich natürlich weiß, dass Sie eine der Santina-Prinzessinnen sind und mich unzweifelhaft den Jacksons zuordnen.“ Er nahm ihre Hand in seine, und Natalia spürte die mühsam gezügelte Kraft hinter der leichten Berührung.

Aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein.

„Nur welcher von den Jacksons?“, fragte sie gedehnt und begegnete seinem harten Blick mit unterkühltem Lächeln. „Es gibt hier so viele von Ihnen …“

„Scheint sich so ziemlich die Waage mit den Santinas zu halten“, kam es in gleichem Ton zurück. „Große Familien sind doch ein wahrer Segen, finden Sie nicht?“

„Unbedingt“, murmelte Natalia und senkte vorsichtshalber den Blick. Denn abgesehen von ihrer Zwillingsschwester Carlotta lag ihr herzlich wenig an ihrer Familie. Und nach dem, was sie über den Jackson-Klan wusste, dürfte es ihrem Gegenüber kaum anders gehen.

Der Minister für Tourismus und Kultur fühlte sich offensichtlich unbehaglich und trat mit einer gemurmelten Entschuldigung den strategischen Rückzug an. Natalia schaute der gedrungenen Gestalt nach. „Wie es scheint, bin ich mitten in ein angeregtes Schwätzchen geplatzt. Planen Sie, womöglich länger auf unserer bezaubernden Insel zu verweilen?“

„Das tue ich tatsächlich.“

„Urlaubsreif?“

„Nicht so ganz.“

Er war definitiv belustigt, was Natalia ziemlich verwirrte. Normalerweise war sie es, die derartige Situationen dominierte und kein Problem damit hatte, jeden Mann, der ihren Weg kreuzte, um den kleinen Finger zu wickeln. Aber nicht Ben Jackson.

Natalia hasste Menschen, die sie verunsicherten. „Dann bleiben Sie vielleicht hier, um Ihre Schwester im Auge zu behalten? Damit Sie sich keinen Fauxpas erlaubt?“

„Meine Schwester ist erwachsen und hat untadelige Manieren – im Gegensatz zu gewissen Damen, deren Eskapaden immer wieder die Titelseiten zweifelhafter Klatschmagazine zieren.“

Schockiert über seinen scharfen Ton zuckte Natalia zurück. Dass sie seit Jahren als auserkorener Liebling der Yellow Press galt, war kein Geheimnis. Aber diese zweifelhafte Ehre von jemandem vorgehalten zu bekommen, dessen Familie einen denkbar schlechten Leumund besaß, ärgerte und frustrierte sie.

„Wenn Sie so sensibel auf Klatsch reagieren, sollten Sie Ihrer Familie vielleicht doch etwas mehr Aufmerksamkeit schenken“, riet sie mit einem beziehungsvollen Blick quer durch den Ballsaal, wo der zukünftige Schwiegervater des Prinzen viel zu laut über etwas lachte, das sonst niemanden zu belustigen schien. Direkt neben ihm war eine seiner Töchter in eine hitzige Diskussion mit einem anderen Gast verstrickt, während ihre platinblonde, kurvenreiche Schwester, die irgendetwas mit Reality-TV zu tun hatte, offensiv mit einem Mann flirtete, der mindestens doppelt so alt war wie sie.

Bens Miene blieb völlig gelassen. „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen, finden Sie nicht?“

„Abgesehen von der Größe kann man unsere beiden Familien wohl kaum miteinander vergleichen.“

„Oho, Giftzange und Snob in einem Körper vereint …“

Schockiert riss Natalia die Augen auf. So hatte noch niemand mit ihr zu sprechen gewagt, und das auch noch innerhalb der Palastmauern! „Für eine derartige Bemerkung könnte ich Sie hinauswerfen lassen.“

„Ist das eine Drohung?“

Es war eine Drohung, allerdings eine völlig nutzlose, da sich das Palastpersonal grundsätzlich bei ihren Eltern rückversicherte, wenn der Befehl nicht direkt von dieser Seite kam.

„Betrachten Sie es als Warnung“, murmelte sie und kniff die Brauen zusammen, als sie dafür nur ein leises Lachen erntete.

„Wenigstens besitzen Sie doch ein Fünkchen Verstand.“

„Und Sie keine Manieren!“

Um Bens Mund zuckte es schon wieder verdächtig. „Steine …“, erinnerte er Natalia mit seidenweicher Stimme, „… Glashaus?“

Anstatt ihn erneut daran zu erinnern, dass sie von königlicher Geburt war, oder ihn wenigstens gegen das Schienenbein zu treten, beschloss Natalia, die Taktik zu wechseln. „Also, was hält Sie über heute Abend hinaus noch auf Santina fest?“

Ben stutzte kurz und entschied sich dann offenbar, auf ihren höflich neutralen Ton einzugehen. „Ich will hier auf der Insel ein Sportcamp für benachteiligte Kinder und Jugendliche errichten.“

Alles hatte Natalia erwartet, nur das nicht. „Wie nobel von Ihnen!“

„Danke.“

„Ich nehme an, Sie hoffen, hier den nächsten David Beckham zu finden? Und ganz nebenbei ein bisschen Provision einzuheimsen?“

Augenblicklich war jede Verbindlichkeit aus seiner Miene verschwunden. „Wenn Sie damit andeuten wollen, dass ich dieses Camp als Talent-Pool betrachte, um finanziellen Nutzen daraus zu schlagen, irren Sie sich gründlich.“

Natalia lachte spöttisch. „Ach, kommen Sie, Mr Jackson! Sie wollen doch nicht wirklich behaupten, aus reiner Wohltätigkeit Wochen oder sogar Monate damit zu verbringen, Ihr kleines Camp zu betreiben?“

„So seltsam Ihnen das auch erscheinen mag, Euer Hoheit, genau so ist es.“

Ungläubig schüttelte Natalia den Kopf. „Selbst wenn Sie kein Talentsucher sein sollten, gegen Publicity haben Sie als gewiefter Geschäftsmann doch sicher nichts einzuwenden, oder?“

„Heißt es nicht, gar keine sei auf jeden Fall schlecht? Obwohl, in Ihrem Fall …“

Angesichts eines wenig schmeichelhaften Fotos, das sie gerade erst beim Verlassen eines Nachtclubs gegen vier Uhr morgens gezeigt hatte, und zwar in Begleitung zweier international bekannter Jetset-Playboys, schwieg Natalia lieber. Ein steifnackiger Typ wie Ben Jackson fand das bestimmt schockierend.

„Auf jeden Fall wird die öffentliche Aufmerksamkeit, die man einem Jugendclub auf dieser kleinen Insel zollt, wahrscheinlich weder meine Geschäfte noch meine Finanzen spürbar beeinflussen“, fuhr er fort, da keine Reaktion kam.

Ob diese lässige Missachtung der internationalen Bedeutung des Inselkönigreichs Santina sie belustigen oder empören sollte, wusste Natalia nicht. Vielleicht etwas von beidem. Ihre Mutter wäre garantiert in Ohnmacht gefallen. „Nun, da Sie offenbar so vertraut mit der Yellow Press sind, werden Sie die notwendigen Informationen schon in die richtigen Kanäle lenken.“

Ben Jackson starrte sie einen Moment stumm an, lange genug, dass Natalia sich innerlich krümmte vor Scham über ihr Benehmen. „Sind Sie eigentlich immer so … höflich und verbindlich?“, fragte er dann.

„Nein, Sie haben heute einen besonders guten Tag erwischt“, entschlüpfte es ihr gegen ihren Willen.

Offenbar besaß Allegras langweiliger Bruder doch eine Spur Humor, denn er quittierte ihre flapsige Bemerkung mit einem leisen Lachen. „Ich schaudere schon bei dem Gedanken, Ihnen womöglich an einem Ihrer schlechten Tage über den Weg zu laufen, Euer Hoheit!“

Natalia wusste sehr wohl, dass sie übers Ziel hinausgeschossen war, aber nur, weil dieser arrogante Kerl sie bis aufs Blut reizte. „Keine Bange, ich glaube nicht, dass wir noch einmal das Vergnügen haben werden“, flötete sie und hob das Kinn, als sie sah, wie Ben sie taxierend von Kopf bis Fuß musterte. Es war, als würde er sie mit seinen Blicken ausziehen. Was für eine Unverfrorenheit!

Nicht, dass er damit viel Arbeit hätte. Ihr silbernes Paillettenkleid war ein Haute-Couture-Modell. Allerdings endete es ziemlich hoch über dem Knie und hatte einen tiefen V-Ausschnitt. Unglücklicherweise wurde ihre Haut ganz fleckig, sobald sie errötete. Ich muss hier weg! dachte Natalia in zunehmender Panik.

Ben betrachtete sie mit Interesse und unerwartet aufflammender Lust. Natalia Santina war eine umwerfend attraktive Frau, das musste man ihr lassen. Sexy und mondän zugleich, mit festem Kinn und einem vielversprechenden Blitzen in den großen Augen. Und ihr Kleid war geradezu atemberaubend.

Unter anderen Umständen hätte er nicht gezögert, ihr vorzuschlagen, die Party zu verlassen und sich irgendwohin zurückzuziehen, wo sie etwas privater wären.

Sehr viel privater!

Als er sah, dass Natalia sich abwenden wollte, kam ihm plötzlich eine ganz andere Idee. Wer weiß, ob er die stolze, spröde Prinzessin damit nicht herausfordern konnte. Einen Versuch war es jedenfalls wert, denn irgendetwas in Ben wehrte sich gegen den Gedanken, sie einfach so von dannen ziehen zu lassen.

„Sie können über das Fußballcamp denken, was sie wollen, Prinzessin …“, sagte er gedehnt und bannte Natalia damit auf der Stelle fest. „Aber ich wette, Sie würden es dort keinen vollen Tag als Praktikantin aushalten. Ach, was sage ich … nicht eine Stunde!“

Die Augen zu jadegrünen Schlitzen verengt, fuhr Natalia herum. „Ich würde dort nicht eine Stunde bleiben wollen, was ein feiner Unterschied ist.“

Ben grinste breit. Verdammt, das kam unerwartet, aber sich mit der stacheligen Hoheit zu kabbeln, ließ ihn sich so lebendig fühlen wie seit Jahren nicht mehr, obwohl sie natürlich unsäglich nervtötend war. „Das überrascht mich kein bisschen.“

„Lassen Sie es mich spezifizieren“, legte Natalia eisig nach. „Ich würde keine Praktikantin werden wollen, solange Sie dort anwesend sind, Mr Jackson!“

„Mache ich Sie tatsächlich so unruhig?“

Sie maß ihn mit einem vernichtenden Blick. „Ich lege einfach keinen Wert darauf, meine Zeit mit arroganten Langweilern zu vergeuden.“

„Na, Sie haben sich ja schnell ein Urteil über mich zurechtgelegt.“

„Nicht schneller als Sie über mich!“

Ben runzelte die Stirn. Bildete er sich den verletzten Unterton in ihrer Stimme nur ein? Die Vorstellung, dass es nicht so sein könnte, verursachte ihm Unbehagen. Er hatte Lust, mit der streitbaren, hübschen Prinzessin die Klingen zu kreuzen, mehr nicht.

„Trotzdem sollten Sie ein Praktikum machen“, ließ er deshalb auch nicht locker. Natürlich war es ihm nicht ernst damit, denn eine echte Prinzessin im Büro, die seinen Mitarbeiterstab durcheinanderbrachte, wäre niemals ein Gewinn, sondern würde nur absolut unerwünschte Publicity provozieren und die absurdesten Spekulationen hervorrufen.

„Danke für das Angebot“, zwitscherte Natalia. „Aber ich muss leider ablehnen.“

Jetzt erwachte der Jäger in Ben. „Weil es unter Ihrer Würde ist?“

„Glauben Sie das tatsächlich?“, fragte sie mit funkelndem Blick.

„Ich bin immer noch der Meinung, es täte Ihnen sehr gut.“

„Mir eine Lektion zu erteilen, meinen Sie? Besten Dank, aber nein. Widmen Sie sich Ihrem kleinen Charity-Projekt, wenn Sie sich dann besser fühlen, Mr Jackson, aber lassen Sie mich da raus.“

Sein Eroberungstrieb schlug in echte Verärgerung um. Ben wusste, dass er überreagierte, doch die Art und Weise, wie sie nicht nur ihn, sondern etwas verunglimpfte, das ihm sehr viel bedeutete, brachte ihn in Rage. „Ich biete Ihnen eine Wette an.“ Er sprach bereits zu ihrem Rücken, erreichte aber immerhin, dass Natalia stehen blieb.

„Eine Wette?“ Zögernd drehte sie sich um. „Ich bin keine Spielerin, Mr Jackson.“

„Nennen Sie mich doch Ben.“

Sie lächelte frostig, sagte aber nichts.

„Was ich Ihnen vorschlage, Euer Hoheit, ist auch kein Spiel, sondern eher eine Mutprobe.“

Das Lächeln schwand, und plötzlich wusste Ben ganz genau, wie es weiterlaufen musste. Mit einem herausfordernden Funkeln in den kobaltblauen Augen beugte er sich vor und war überrascht von dem frischen Zitrusduft, der ihn streifte. „Ich wette, ich kann Ihren Vater dazu bringen, dass er Sie mir als Praktikantin überlässt.“

Bewegte er sich nur ein paar Zentimeter weiter, stand zu befürchten, dass ihre Lippen sich trafen, so nah standen sie einander. Überwältigt von dem unerwarteten Verlangen, das ihn wie eine heiße Woge überschwemmte, richtete Ben sich wieder auf.

Irgendwie erwartete er, Natalia würde das Gleiche fühlen wie er, doch sie blieb unbeirrt stehen, neigte den Kopf nur ein wenig seitwärts und musterte ihn kritisch. In ihren grünen Nixenaugen tanzten goldene Pünktchen, und um die vollen Lippen zuckte es verdächtig.

„Meinen Vater überreden? Ich glaube, kaum.“

„Wetten, dass …“ Ben konnte sehen, wie sie zwischen dem Wunsch, die Klingen mit ihm zu kreuzen, und dem Verlangen nach Sicherheit schwankte. Ihm erging es ja nicht anders. „Angst, Euer Hoheit?“, ließ er trotzdem nicht locker.

Natalia straffte die Schultern. „Sie nehmen sich Freiheiten heraus, die Ihnen nicht zustehen, Ben. Und nein, ich habe keine Angst, sondern nur kein Interesse. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass mein Vater Ihnen nicht einmal eine Audienz gewähren würde, geschweige denn, Ihren albernen Vorschlag anhören.“

„Warum nehmen Sie die Wette nicht an, wenn Sie sich dessen so sicher sind?“

„Was hätte ich davon? Oder wären Sie dann bereit, sich in jedem Boulevardblatt, von hier bis London, öffentlich für Ihr rüdes Benehmen zu entschuldigen?“

„Was für ein seltsames Ansinnen! Besonders, da niemand von unserer kleinen Diskussion Notiz genommen hat.“

„Trotzdem würde ich Sie liebend gern auf den Knien sehen.“

Er lachte. „Das kann ich mir lebhaft vorstellen …“

In Natalias Augen blitzte es auf, die Luft um sie herum schien plötzlich elektrisch geladen zu sein. Ben wusste, dass sie es beide fühlten. Sollte er sich an dieser Stelle nicht klugerweise zurückziehen, bevor er sich die Finger verbrannte?

„Sie halten sich für den geborenen Zocker, oder? Also gut. Versuchen Sie, meinen Vater zu überzeugen, aber weit werden Sie mit Ihrem albernen Plan nicht kommen. Falls doch und ich gewinne, müssen Sie …“ Natalia verstummte, als sich ihre Blicke begegneten, und Bens Adrenalinspiegel stieg gefährlich an. „Dann stehen sie einen Tag lang unter meinem Kommando. Einverstanden?“

Absurde Fantasien geisterten durch seinen Kopf, während er nickte. „Und wenn ich gewinne?“

„Bekommen Sie Ihren Willen, und ich stehe zwangsläufig unter Ihrem Kommando“, erklärte Natalia mit strahlendem Siegerlächeln.

Er wusste, dass sie es nicht zweideutig meinte. Trotzdem schoss sein Puls in die Höhe, und heißes Begehren pulsierte durch seine Adern.

Doch damit konnte ein Mann wie er umgehen, oder? Die kapriziöse Prinzessin ein wenig zu zähmen und mit dem normalen Leben vertraut zu machen, würde ihm sogar außerordentliches Vergnügen bereiten. „Ich kann es kaum erwarten …“, versicherte er mit ausgestreckter Hand, da er sie wenigstens noch einmal berühren wollte. „Also gilt der Deal?“

Sichtlich widerstrebend schlug sie ein, wobei Ben weder die verräterische Röte auf ihren Wangen noch das kurze Aufblitzen in den jadegrünen Augen entgingen. Doch ihr Lächeln wirkte sorglos, und die Stimme klang gelassen, als Natalia antwortete: „Der Deal gilt.“

2. KAPITEL

„Was?“ Natalia erschrak vor ihrer eigenen Stimme, die viel zu laut und schrill von den Wänden des Audienzsaals widerhallte. Ihrem Vater erging es offensichtlich nicht anders, denn er verzog indigniert das Gesicht.

„Mäßige bitte deinen Ton, Natalia, und benimm dich wie eine Prinzessin“, rügte er.

Vor Unglauben und Empörung schüttelte sich Natalia. „Seit wann verbringen Prinzessinnen ihre Tage mit rotznasigen Gören auf Sportplätzen und …“

„Diese Gören, wie du sie nennst, sind Bürger unseres Landes“, erinnerte König Eduardo seine Tochter kalt. „Du hast ihnen gegenüber eine Verpflichtung.“

„Ihnen Fußball beizubringen?“ Natalia wusste sehr wohl, dass sich die Pflichten ihrer Eltern den Bürgern von Santina gegenüber durchaus in Grenzen hielten – ab und zu eine gesetzte Rede oder ein royales Handwedeln hinter den getönten Scheiben der königlichen Limousine, und das war es auch schon.

Der entnervte Blick, mit dem ihr Vater sie musterte, verursachte ihr Unbehagen. Allein, dass er sie an einen Ort zitiert hatte, der nicht für Gespräche im Familienkreis, sondern für Bürger gedacht war, die ihrem König wichtige Petitionen vorlegen wollten! Wie ein Bittsteller stand sie vor ihm und fühlte sich schrecklich im Nachteil.

„Natalia, ich bin ganz ehrlich der Meinung, ein Praktikum könnte durchaus förderlich für dich sein und …“

„Förderlich?“

„Lass mich ausreden!“, forderte König Eduardo scharf, und Natalia biss sich von innen auf die Lippe. Ihren Vater zu verärgern, konnte sie sich momentan nicht leisten. „Ich befürchte, deine Mutter und ich haben viel zu lange die Zügel schleifen lassen, wenn ich an deinen ausschweifenden, extravaganten Lebensstil denke. Ich war durchaus gewillt, noch einmal beide Augen zuzudrücken. Doch seit Prinz Michel die Verlobung gelöst hat und das Königshaus Santina damit in ein mehr als unangenehmes Licht gerückt wurde, sehe ich mich gezwungen, drastischere Maßnahmen zu ergreifen.“

Obwohl Natalia fast an ihrem zurückgehaltenen Protest erstickte, wusste sie, dass sie die Geduld ihrer Eltern mit ihrem exzessiven Partyleben ziemlich strapaziert hatte. Natürlich übertrieben die Klatschblätter, was ihre nächtlichen Aktivitäten betraf. Doch in der Welt des konservativen Königspaars kam allein der Besuch eines Nachtclubs schon einem Sakrileg nahe.

Aber was hätte sie sonst unternehmen sollen, ohne richtige Ausbildung oder regelmäßige Arbeit? Außerdem lenkte es die Reporter von anderen Themen ab, wenn sie mit einer wilden Horde Nachtschwärmer unterwegs war, die immer neuen Stoff für oberflächlichen Klatsch lieferten.

„Tatsächlich habe ich mir überlegt, dass ein wenig positive Publicity uns nicht schaden kann“, kam ihr Vater auf den Punkt. „Es ist gut für dich und die Familie. Wenn ich an Sophia denke …“

„Sophia?“ Natalia horchte auf. „Was ist mit ihr?“

Sophia fiel doch niemals in Ungnade. Die Presse liebte sie, und ihr Vater hatte erst gestern Abend, auf Alex’ und Allegras Party, ihre Verlobung mit Prinz Rodriguez bekannt gegeben.

„Wie auch immer …“, brummte König Eduardo unbestimmt. „Auf jeden Fall halte ich die Sache mit dem Praktikum für eine ausgezeichnete Idee, und das habe ich Ben Jackson auch gesagt. Du fängst Dienstag an.“ Er wandte den Kopf, und Natalia erstarrte unter seinem kompromisslosen Blick. „Und versuch erst gar nicht, dich mir zu widersetzen, sonst bekommst du keinen Cent mehr, sondern stattdessen einen Bodyguard, der dafür sorgt, dass du deine Verpflichtungen einhältst.“

Instinktiv wusste sie, dass ihr Vater nicht fruchtlos drohte, so wie sie es gestern Abend gegenüber Ben Jackson getan hatte. Die Vorstellung, ohne Geld, dafür aber quasi mit einer Kugel am Bein zur Arbeit gezwungen zu werden, behagte ihr gar nicht. Bis eben war sie noch eine sorglose Prinzessin gewesen, die nichts mehr hasste als Regeln und Vorschriften. Und jetzt erwartete man von ihr, Königliche Pflichten wahrzunehmen, wodurch sie in Gefahr geriet, gut gehütete Geheimnisse zu lüften und sich womöglich bloßzustellen.

„Also gut, Vater“, sagte sie steif. „Ich werde mein Bestes geben und versuchen, dir und dem Hause Santina keine Schande zu machen.“

Eine Antwort erhielt sie darauf nicht, dafür aber wurde mit einer unmissverständlichen Geste entlassen. Hocherhobenen Hauptes rauschte sie aus dem Audienzsaal und blieb schwer atmend in der opulenten Eingangshalle stehen, wo ein halbes Dutzend livrierte Palastwachen stoisch diverse Rundbogentüren flankierten.

Nur mit Mühe gelang es Natalia, ihre Empörung und aufsteigende Panik in den Griff zu bekommen. Sie konnte unmöglich für Ben Jackson arbeiten! Allein der Gedanke machte sie krank und schnürte ihr die Kehle zu. Zu groß war die Gefahr, sich bis aufs Blut zu blamieren und einen Mann triumphieren zu sehen, der ihr schon allein ihrer Herkunft wegen nichts zutraute. Sie durfte sich auf keinen Fall verraten. Eine derartige Demütigung würde sie nicht überleben!

Natalia holte tief Luft, straffte die Schultern und reckte das Kinn vor. Nun gut, wenn ihr Vater sich schon nicht von der Unsinnigkeit dieses Praktikums überzeugen ließ, musste sie eben alles daransetzen, Ben Jackson auf ihre Seite zu ziehen.

Ben hörte erstickte Laute höchster Überraschung aus dem Vorzimmer seines gemieteten Büros und lehnte sich mit einem zufriedenen Lächeln in seinem Stuhl zurück. Das war ja wirklich schnell gegangen.

Eine Sekunde später flog die Tür auf, und herein stürmte eine offensichtlich schäumende Prinzessin. Natalia Santina baute sich vor seinem Schreibtisch auf, stemmte die Fäuste in die Hüften und funkelte ihn aus grüngoldenen Katzenaugen an. Mit ihrem frechen blonden Kurzhaarschnitt und der schlanken, biegsamen Gestalt wirkte sie auf ihn wie ein Elf. Ein ziemlich wütender Elf.

Unwillkürlich dachte Ben an den heißen Fummel von der Verlobungsfeier, der kurz unter ihrem knackigen Po geendet und zusammen mit den mörderischen High Heels so aufregend gewirkt hatte, dass ihm immer noch ganz heiß bei der Erinnerung wurde. Heute gab die Prinzessin die elegante High-Society-Lady im blassrosa Leinen-Ensemble zu hochhackigen schwarzen Sandalen und einer stylischen Sonnenbrille, die sie lässig auf dem Kopf trug.

Und ganz offensichtlich war seine neue Praktikantin fuchsteufelswild.

„Sie sind viel zu früh dran, Prinzessin“, empfing Ben sie lächelnd. „Soweit ich mich erinnere, habe ich mit Ihrem Vater Dienstagfrüh abgemacht.“ Sein Lächeln wurde breiter, als er sah, wie sie vor Empörung zitterte. „Sie sollten die Gnadenfrist bis dahin lieber nutzen, um sich …“

„Sie glauben doch nicht wirklich, dass Sie mit ihrem schwachsinnigen Plan durchkommen, oder?“, platzte Natalia wenig diplomatisch heraus.

Nun war die Katze aus dem Sack. Ben verschränkte genüsslich die Hände hinter dem Kopf und lehnte sich noch weiter in seinem Stuhl zurück. „Und ob ich das tue. Ihr Vater war geradezu begeistert von meiner Idee.“

„Mein Vater!“ Sie spuckte die Worte förmlich aus.

„Ist der Ansicht, dass Ihnen das Praktikum ausgesprochen guttun wird.“

„Besten Dank!“, knurrte seine Praktikantin grimmig. „Ich weiß sehr wohl, wie er über die Sache denkt.“

„Wo liegt das Problem?“

„Hören Sie, Mr …“

„Ben“, unterbrach er sie lächelnd. „Wir sind hier nicht so förmlich, Natalia.“

„Ben!“

Sie wirkt noch hinreißender, wenn sie wütend ist, schoss es ihm durch den Kopf. Ihre Augen glitzerten wie kostbare Smaragde. Auf den schmalen Wangen blühten rote Rosen, und die vollen Brüste wogten herausfordernd unter dem kühlen Leinendress. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie sie im Bett sein würde …

Natalia Santina war der Typ Frau, die ebenso freigiebig gewährte, wie sie nahm, dessen war er sicher. Der Gedanke, sich mit der heißen Prinzessin nackt zwischen kühlen Laken zu vergnügen, hatte schon was. Allerdings war er es gewohnt, seine Affären äußerst diskret und distanziert abzuwickeln – zwei Begriffe, die Ben nur schwer mit diesem blonden Gift in Verbindung bringen konnte. Auf jeden Fall freute er sich darauf, demnächst ihr Boss zu sein.

Natalia trat noch einen Schritt an den Schreibtisch heran, holte hörbar Luft, und während sie langsam wieder ausatmete, strich sie wie abwesend mit den Händen über ihr elegantes Leinenkleid. Ein bedachter Akt, der Ben widerwillige Bewunderung abnötigte.

„Hören Sie, Ben …“ Das Versprechen in ihrer sexy Stimme war fast greifbar, „… wir beide hatten nicht den besten Start, nicht wahr?“ Ihr Lächeln hätte die Polkappen zum Schmelzen gebracht.

„Und?“ Ben tat sein Bestes, um das heiße Pulsieren in seinen Lenden zu ignorieren.

„Nun, das muss nicht unbedingt so bleiben, selbst wenn ich kein Praktikum bei Ihnen mache.“

„Aber das werden Sie tun.“

„Das kann ich nicht!“ Für einen Moment hatte Natalia ihre Rolle vergessen und biss sich auf die Lippe, als sie sah, wie sich die Augen ihres Gegenübers weiteten.

„Verstehe. Eine Prinzessin macht sich nicht die manikürten Hände schmutzig, oder? Sie mischt sich nicht mit dem gemeinen Volk und ist nicht in der Lage, auch nur einen Tag für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten.“

Schmollen und Trotz hatte Ben erwartet. Was ihn irritierte, war der verletzte, fast ängstliche Ausdruck in ihren Augen, den er sich vielleicht auch nur einbildete. Denn gleich darauf war sie wieder ganz der Snob, als den er sie von der ersten Sekunde an eingeschätzt hatte.

Er selbst wusste sehr gut, was harte Arbeit bedeutete, weil er es immer wieder versucht hatte. Er war gescheitert und aufgestanden, um wieder durchzustarten. Sein Vater mochte einst ein begnadeter Fußballer gewesen sein, doch sein Vermögen hatte Ben aus eigener Kraft gemacht. Er führte ein diszipliniertes Leben, weitab von den Skandalen seiner unkonventionellen Familie. Auch den Respekt, der ihm inzwischen entgegengebracht wurde, hatte er sich schwer erkämpfen müssen. Er wurde ihm nicht einfach gewährt, weil er Spross eines berühmten – in seinem Fall ebenso berüchtigten – Erzeugers war.

Ganz anders als Natalia von Santina. Und er wollte verdammt sein, wenn er der hochnäsigen Prinzessin gestattete, auf seinen Gefühlen und denen seiner kleinen Schützlinge herumzutrampeln!

„Warum wehren Sie sich eigentlich so vehement dagegen, eine Weile in meinem Sportcamp zu arbeiten?“, fragte er kühl. „Die Kinder sind meistens freundlich und wohlerzogen und können ein bisschen Spiel, Spaß und Zerstreuung gut gebrauchen. Vielleicht wird es für Sie, entgegen Ihrer Erwartung, sogar ganz vergnüglich.“

„Haben Sie überhaupt schon mal so ein Camp geleitet?“

„Einige sogar. Zum Beispiel in London und in Liverpool. Dies hier soll nur eines in einer Kette sein, die sich hoffentlich irgendwann über ganz Europa erstreckt.“

„Ziemlich ambitioniert, um nicht zu sagen größenwahnsinnig“, spottete Natalia.

Ben zuckte nur lässig mit den breiten Schultern. „Na und? Was ist dagegen einzuwenden?“

Sie starrte ihn aus grüngoldenen Augen an, und wieder glaubte er, so etwas wie Furcht in ihnen aufflackern zu sehen. „Ich verstehe absolut nichts von Fußball.“

„Ich will Sie ja auch nicht als Trainer einstellen.“

Sekundenlang blieb es ganz still. Plötzlich empfand Ben sogar etwas wie Sympathie für die widerspenstige Prinzessin. Sie fühlte sich in der Falle, das war nicht zu übersehen. Selbst er war überrascht gewesen, wie bereitwillig König Eduardo auf seinen nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag eingegangen war. Irgendwie hatte es ihm sogar Unbehagen eingeflößt. Natalia mochte verwöhnt, snobistisch, eitel, ja vielleicht sogar nutzlos sein, blieb aber doch seine Tochter. Und König Eduardo sprach von ihr, als wäre sie für ihn nur eine Belastung und Auslöser für Peinlichkeit und Ärger.

„Was müsste ich also tun?“, fragte sie zu seiner Überraschung.

Triumph und widerwillige Bewunderung hielten sich bei Ben die Waage. Dieses Mädchen hatte Courage. Und Stolz … davon allerdings etwas zu viel.

„Alles, was anliegt. Zum Beispiel Büroarbeit und …“

„Büroarbeit?“

Lag da Panik in ihrer Stimme? Ben runzelte die Stirn. „Tatsächlich starten wir erst in sieben Tagen, wenn in Santina die Schulferien beginnen. Bis dahin helfen Sie uns bei den Vorbereitungen für das mehrwöchige Sommercamp.“

Er wies mit dem Kinn in Richtung des Vorzimmers, in dem emsig gewerkelt wurde. Zumindest bis Prinzessin Natalia wütend hereinstürmt war und die gesamte Mannschaft in eine Schockstarre versetzt hatte.

„Sie mögen vielleicht keine dreihundert Anschläge pro Minute tippen können, aber einen Fotokopierer zu bedienen oder Briefe und Dokumente abzulegen, dürfte Sie wohl kaum überfordern“, neckte Ben und wartete auf ein erleichtertes Lächeln. Doch nichts geschah. Außer dass Natalia ihn stumm anstarrte und schließlich etwas steif den Kopf senkte, was er als zustimmendes Nicken interpretierte.

„Wir könnten die Wette ausweiten“, entschlüpfte es ihm spontan. „Wenn Sie es die gesamten dreißig Tage hier aushalten …“

„Dreißig Tage?“ Ihr Entsetzen war nicht gespielt.

„Einen Monat, ja.“

„Danke, Mr … Ben! Rechnen kann ich auch!“

„Lesen und Rechnen also. Sie sind ja eine richtige Intelligenzbestie.“

Darauf sagte sie nichts, doch in der Tiefe ihrer Augen glomm ein seltsamer Funke. Abneigung? Vermutlich, aber was er sah, war stärker. Widerwillen? Hass? Nur warum? Hatte er sie verletzt, ohne es zu wollen?

„Wenn Sie es einen Monat lang mit mir aushalten, was der Vorschlag Ihres Vaters war und nicht meiner, wie ich betonen möchte, gilt unser abgemachter Einsatz. Ich werde einen ganzen Tag lang willig zu Ihrer Verfügung stehen.“

Noch gestern Abend war ihm die Vorstellung völlig absurd und undurchführbar erschienen, inzwischen war er regelrecht neugierig darauf, wie der Tag wohl verlaufen mochte. Wahrscheinlich würde sie ihn sprichwörtlich auf dem Bauch kriechen und Sand fressen lassen.

Natalia starrte ihn weiterhin stumm an. Ihre Miene war so bewegungslos und verschlossen, dass er unmöglich wissen konnte, was sie dachte. Es war, als ziehe sie sich, zumindest mental, immer weiter von ihm zurück. Überrascht stellte Ben fest, dass er darüber so etwas wie Bedauern empfand. Trotz ihrer Kratzbürstigkeit und Arroganz hatte er den verbalen Schlagabtausch zwischen ihnen genossen.

„Sie glauben, ich halte es ohnehin nicht durch“, stellte sie mehr für sich fest.

„Bisher haben Sie mir keinen Anlass gegeben, etwas anderes anzunehmen.“

Wieder dieser seltsame Blick.

„Sie kennen mich doch gar nicht.“

„Ich habe genug über Sie gelesen, um …“

„Glauben Sie immer, was in den Schmierblättern steht?“, fragte Natalia rau. „Angesichts der Tatsache, dass auch Ihre Familie kein schlechtes Futter für die Pressemeute darstellt, wundert mich das eigentlich. Was mich doch gleich wieder zu dem Thema Glashaus und Steine bringt …“

Unwillkürlich versteifte sich Ben. Er hasste den Umstand, gegen seinen Willen und schon von klein auf in den peinlichen Medienrummel um seine Familie hineingezogen zu werden. Selbst jetzt konnte er sich noch gut an den gequälten Gesichtsausdruck seiner Mutter erinnern, wenn sie morgens die Zeitung aufschlug. Die entlarvenden Fotos ihres Ehemanns und die reißerischen Artikel über Bobby Jacksons neueste Kapriolen aus Selbstschutz zu ignorieren, hatte sie nie fertiggebracht.

„Das stimmt leider. Die Jacksons haben der englischen Presse schon viel zu lange und häufig Stoff für Schlagzeilen geliefert. Doch meiner Erfahrung nach enthält auch die abstruseste Geschichte zumindest ein Körnchen Wahrheit.“

„Genau, ein Körnchen!“

„Wollen Sie etwa behaupten, dass man Sie verleumdet?“

Natalia presste die Lippen zusammen und schob das Kinn vor. „Ich werde diesen albernen Test, den Sie und mein Vater ausgeheckt haben, bestehen und freue mich schon darauf, meinen Gewinn einzufordern.“

Das klang wie eine Drohung und entlockte Ben ein amüsiertes Lachen. „Und ich freue mich darauf, Ihnen in dem Fall einen ganzen Tag lang zu Diensten zu sein, Euer Hoheit!“ Er nahm das T-Shirt, das er für seine neue Praktikantin bereitgelegt hatte, vom Schreibtisch und warf es ihr zu. „Hier ist Ihre Uniform.“

Reflexartig fing Natalia das Shirt mit dem gedruckten Logo auf und starrte es befremdet an. „Jackson Enterprises Youth Sports“, las sie und lachte rau. „Wie bedacht von Ihnen, dem Ganzen Ihren Namen zu geben!“

„Wie hätte ich es sonst nennen sollen?“ Er hatte es wahrlich nicht nötig, sich zu verteidigen, konnte es aber seltsamerweise nicht lassen. „Dieses Camp bedeutet mir sehr viel … und ich kann Ihnen nur raten, meine Geduld nicht überzustrapazieren. Sie haben keine Ahnung, wozu ich fähig bin, Prinzessin!“

Das T-Shirt fest an die Brust gedrückt, begegnete sie unerschrocken seinem sengenden Blick. „Das kann ich nur erwidern. Denn Sie haben ganz sicher nicht die leiseste Vorstellung davon, wozu ich imstande bin, Ben Jackson.“

Wie betäubt stand Natalia kurz darauf vor dem Bürogebäude im strahlenden Sonnenschein und versuchte, ihren Herzschlag zu kontrollieren.

Dreißig Tage! Wie konnte ihr Vater nur so grausam sein? Wie sollte sie das überleben?

Lesen und Rechnen! hatte Ben Jackson gespottet. Sie sind ja eine richtige Intelligenzbestie …

Er hatte ja keine Ahnung! Dreißig Tage in seinem Büro bedeuteten das Gleiche, wie einen Monat in der Hölle zu schmoren. In der Schule hatte sie wenigstens noch auf Carlottas Hilfe und Unterstützung zählen können, aber hier und jetzt? Wie lange würde es dauern, bis Ben ihre Schwäche erkannte und sich darüber lustig machte?

Natalia seufzte und knetete ihre feuchten Hände. Doch trotz ihrer Angst vor Aufdeckung und Häme spürte sie noch etwas anderes in sich: Entschlossenheit. Mehr als alles andere wollte sie diesem Wichtigtuer beweisen, wie sehr er sich in seiner Einschätzung über sie irrte. Und ihm dabei gehörig auf die Nerven zu gehen, würde ein zusätzlicher Bonus für die vertane Zeit sein.

Natalia lächelte grimmig. Dreißig Tage bis zu ihrem triumphalen Sieg! An etwas anderes durfte sie gar nicht denken. Wie würde sie es genießen, diesen unverschämten, selbstverliebten Kerl einen ganzen Tag lang herumzuscheuchen und nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen.

Wenn sie allerdings die Augen schloss und an seine breiten Schultern, den festen, sensiblen Mund und die träge glitzernden Augen dachte, verselbstständigte sich ihre Fantasie und gaukelte ihr erotisch laszive Bilder vor, die sie wider Willen erröten ließen.

Rasch hob sie die Lider und presste beide Handflächen auf die heißen Wangen.

Zurück im Palast stellte sie überrascht fest, dass sich ihr Vater mit seinen Beratern eingeschlossen hatte und ihre Mutter einen ungewohnt aufgelösten Eindruck machte. Sie wartete in der Halle und lotste Natalia gleich weiter in ihre Privaträume.

„Was ist los?“

„Was geschehen ist, willst du wissen? Nichts weiter, als dass deine verrückte Schwester auf und davon ist!“, erklärte Königin Zoe und strich mit zitternden Fingerspitzen über eine pochende Augenbraue.

„Sophia?“ Natalia dachte an die vage Bemerkung ihres Vaters. Nicht genug, dass gerade erst ihre eigene Verlobung geplatzt war. Oder ihre Zwillingsschwester Carlotta Schande über die königliche Familie gebracht hatte, indem sie ein illegitimes Kind bekommen hatte, mit dem sie inzwischen zurückgezogen in Italien lebte. Jetzt tanzte also auch noch die brave Sophia aus der Reihe!

„Ja, Sophia“, bestätigte Zoe bitter. „Offenbar ruiniert sie lieber ihren und unser aller guten Ruf, als Prinz Rodriguez zu heiraten.“

„Tatsächlich …“, murmelte Natalia, weil ihr nichts anderes einfiel. Wie es schien, besaß ihre Schwester nicht nur mehr Courage, als jedermann ihr zugetraut hätte, sondern war auch noch mutiger und entschlossener als sie selbst. „Wo ist sie denn hin?“

„Sie hat sich im Privatjet von Ashok Achari davongestohlen.“

„Sie ist mit Ash abgehauen?“ Natalia konnte es nicht fassen.

Ash war einer der ältesten Freunde ihres Bruders Alex und früher während der Schulferien oft als Gast im Palast gewesen. Wenn sie es recht überlegte, hatte Sophia schon immer ein wenig für ihn geschwärmt. Doch sich einfach so in seinem Jet davonzumachen? Natalia fühlte Bewunderung und eine Spur Neid in sich aufflammen. Sie hatte ihren Eltern zwar auch die eine oder andere Szene gemacht und einige Skandälchen provoziert, aber so etwas Spektakuläres wie Sophias Flucht war ihr nie eingefallen.

„Die Medien sind völlig außer Rand und Band“, flüsterte Königin Zoe erstickt.

Beide Eltern hassten die Presse, obwohl sie gezwungenermaßen Verständnis für das Verlangen der Öffentlichkeit aufbrachten, wenigstens ab und zu Einblick ins Leben der königlichen Familie gewährt zu bekommen. „Allein ihre Reaktion auf Alex’ Verlobung mit …“, Königin Zoe unterbrach sich und betupfte die bebenden Lippen mit einem zarten Spitzentaschentuch. „Und dann Sophias Eskapade. Ich weiß wirklich nicht, was deine Schwester sich dabei gedacht hat.“

Sie hat einfach ihre Zukunft beherzt in die eigenen Hände genommen. Laut sagte Natalia das jedoch nicht.

Ihre Mutter seufzte. „Kaum hat sich die Journaille ausgiebig über die eigenwillige Brautwahl deines Bruders ereifert, liefern Ash und deine Schwester schon wieder neues Futter. Dein Vater hat wirklich gut daran getan, dich als Praktikantin bei Ben Jackson unterzubringen. In diesen schweren Zeiten müssen wir alle unser Bestmögliches geben.“

Geopfert auf dem Altar königlicher Pflichten, dachte Natalia voller Selbstmitleid.

Als Königin Zoe ihre Tochter anschaute, stand eine Spur Verständnis und Bedauern in ihren klaren Augen. „Ich weiß sehr wohl, dass sich diese Arbeit für dich etwas … schwierig gestalten könnte“, sagte sie nicht unfreundlich, jedoch mit einem mahnenden Unterton, der Natalia gleich wieder die Stacheln aufstellen ließ. „Aber eine positive Publicity wäre wirklich außerordentlich wünschenswert.“ Ihr schwaches Lächeln wirkte traurig und resigniert. „Wir zählen auf dich, Kind.“

3. KAPITEL

Wieder stand Natalia vor Ben Jacksons Bürogebäude, das in einer der teuersten Straßen des Geschäftsviertels lag, und atmete tief durch. Sie hatte bereits einen üblen Morgen hinter sich.

Der Palast war immer noch in Aufruhr wegen Sophias und Ashs skandalöser Blitzaffäre. Paparazzi hatten Natalia aufgelauert und bis zur Limousine verfolgt, die sie in die Stadt chauffierte. Zum Glück war es Enrico gelungen, die aufdringliche Meute auf der kurvenreichen Straße abzuhängen, aber irgendwann würden sie die Sache mit dem Praktikum herausfinden und sich wieder auf sie stürzen.

Die Schlagzeile konnte sie sich lebhaft vorstellen: Wilde Partyprinzessin spielt milde Wohltäterin …

Niemand würde ihre Arbeit ernst nehmen oder sie gar dafür bewundern, egal was sich ihre Mutter von diesem Einsatz erhoffte. Der Liebling der Presse war stets Sophia gewesen, und selbst Carlotta hatten die Journalisten ihre Sünden verziehen, nachdem sie Reue gezeigt hatte.

Und sie selbst? Als unverbesserliches, pflichtvergessenes Partygirl garantierte sie hohe Auflagen, weshalb auch kein Journalist auf die Idee gekommen wäre, an diesem Image zu kratzen.

Genau wie Ben Jackson, der offensichtlich auch nur auf ihr Versagen wartete.

Natalia straffte die Schultern und betrat das Bürogebäude. Gleich heute wollte sie ihm das Gegenteil beweisen und ihm ganz nebenbei das Leben zur Hölle machen.

„Sie kommen zu spät“, stellte Ben mit einem missbilligenden Blick auf sein Handgelenk fest. „Zehn Minuten nach der vereinbarten Zeit, Prinzessin.“

„Nennen Sie mich doch Natalia“, schlug seine neue Praktikantin vor und lächelte huldvoll. „Oder, wenn Ihnen das lieber ist, Euer Hoheit.“

„Der Umgangston hier im Büro ist eher leger. Darum wird Sie jeder mit dem Vornamen anreden.“

Natalia schaute kurz zu den zwei Frauen und dem jungen Mann hinüber, die sie mit offenem Mund anstaunten und jetzt hastig den Blick senkten.

„Nebenbei, Pünktlichkeit ist oberstes Gebot für alle“, fuhr Ben fort.

„Aber natürlich …“, wandte Natalia sich wieder mit süßem Lächeln ihrem neuen Boss zu. „Es ist nur so, dass ich Mühe hatte, der Presse zu entkommen, die mir vor dem Palast aufgelauert hat. Und diesmal waren sie nicht meinetwegen gekommen, wie ich betonen möchte.“ Graziös zog sie ihren Designer-Trenchcoat aus und sah sich auffordernd um. Die Frau hinter dem Empfangstresen sprang augenblicklich auf, um ihr den Mantel abzunehmen und wegzuhängen.

„Um Ihre Garderobe kümmern Sie sich gefälligst selbst!“, sagte Ben gereizt.

In milder Akzeptanz neigte Natalia den Kopf. Ihr neuer Boss ertrug es offenbar nicht, wenn sie die Prinzessin gab. Dabei hatte sie ihn nicht einmal bewusst provozieren wollen, sondern war es einfach gewohnt, dass man um sie herumtanzte und ihr alles abnahm, wo auch immer sie auftauchte. Doch hier galten offenbar andere Regeln.

Allein der Blick, mit dem er ihr sorgfältig zusammengestelltes Outfit musterte, sprach Bände. Dabei hatte sie sich ehrlich Mühe gegeben und ihr Arbeits-Shirt mit einem mattgrauen Bleistiftrock, dem passendem Cardigan, schwarzen High Heels und einem breiten Ledergürtel zu einem stylischen Ensemble kombiniert.

Alle anderen im Büro hatten Jeans zum T-Shirt an, außer Ben, der einen nüchternen Geschäftsanzug trug. Er wirkte distinguiert, fast gelangweilt, nur der Blick seiner ausdrucksvollen Augen sagte etwas anderes. Hinter der coolen, arroganten Fassade schienen vielfältige Emotionen zu brodeln.

Natalia hörte zu, wie er sein Personal briefte: Francesca, eine kompetent erscheinende junge Frau Ende zwanzig, Mariana, eine korpulente Matrone in den Vierzigern, und Fabio, einen schüchternen Jüngling, der heftig errötete, als er dem Neuankömmling Hallo sagte. Alle stammten von der Insel, waren mehrsprachig und wussten sehr wohl, wen sie vor sich hatten.

Natalia begrüßte sie freundlich und fragte sich, was ihre neuen Kollegen wohl über sie dachten. Auf ihren Gesichtern hielten sich Ehrfurcht und Skepsis die Waage. Auch sie lasen natürlich einschlägige Klatschblätter, doch was sie davon für bare Münze nahmen, konnte sie nicht wissen. Und im Grunde war es ihr auch egal.

„So, ihr fangt schon mal an, und Sie kommen mit mir“, schloss Ben seine Instruktionen.

„Hat mich sehr gefreut, Sie alle kennenzulernen“, verabschiedete Natalia sich mit freundlichem Lächeln und folgte ihrem Boss.

„Dieses Prinzessinnending stellen Sie mal gleich wieder ab“, knurrte er, kaum dass die Tür hinter ihnen zu war.

„Aber ich bin eine Prinzessin!“

„Sie wissen genau, was ich meine, Euer Hoheit. Solange Sie hier arbeiten, sind Sie eine meiner Angestellten, wie die anderen auch.“

„Praktikantin“, korrigierte Natalia ihn zuckersüß. „Außerdem bin ich nur höflich.“

„Sie führen sich auf, als wäre es eine außerordentliche Gnade, dass Sie uns mit Ihrer Anwesenheit beehren“, monierte Ben scharf.

„Oh, verstehe. Sie möchten also, dass ich mich Ihrem Ton anpasse?“

„Ich verlange nicht mehr, als dass Sie sich … normal benehmen.“

„Aber das ist für mich normal.“

Bens dunkle Brauen schossen nach oben. „Wirklich?“

„Warum wollten Sie mich unbedingt hier haben, wenn Sie so wenig von mir halten?“, fragte Natalia gleichermaßen gekränkt wie gereizt. „Um mir eine Lektion zu erteilen oder weil ich tatsächlich helfen soll? Denn dann hätten sie mich wohl kaum in Gegenwart Ihrer Mitarbeiter derart vorgeführt und mich in dieser herablassenden Art mit Prinzessin angesprochen.“

Überrascht sah sie so etwas wie Reue oder Scham in seinem Blick aufflackern. „Ich behandle Sie nicht anders als jeden anderen hier, Prin… Natalia.“

„Mit Respekt und Liebenswürdigkeit also …“, murmelte sie in feiner Ironie.

Erneut wetterleuchtete es in den dunklen Augen, und Natalia gratulierte sich innerlich zu ihrer Taktik. Bei ihrem letzten Treffen mochte er sie nicht in ihrer besten Verfassung gesehen haben, doch ab sofort würde sie die Marschrichtung vorgeben. Unbefangen nahm sie auf einem bequem wirkenden Sessel Platz und schaute um sich. „Wie lange existiert dieses Büro eigentlich schon?“, fragte sie interessiert.

Der abrupte Themenwechsel schien Ben zu irritieren, doch er fing sich schnell wieder. „Etwa sechs Wochen.“

„Und Sie waren die ganze Zeit über vor Ort?“ Hätte er ihr dann nicht längst über den Weg laufen müssen?

„Nein, ich bin erst seit ein paar Tagen auf der Insel und werde nach London zurückkehren, wenn das Camp fest etabliert ist.“

„Was für ein glücklicher Zufall, dass Ihre Schwester nun mit dem zukünftigen König von Santina verlobt ist“, konnte Natalia sich doch nicht verkneifen.

„Eher Schicksal als Zufall, würde ich sagen. Als Alex in London war, habe ich mich mit ihm getroffen, um über dieses Camp zu sprechen. Bei der Gelegenheit hat er Allegra kennengelernt.“

„Und ihr auf der Stelle einen Antrag gemacht.“

„Unser Treffen liegt mehrere Monate zurück“, erklärte Ben kühl. „Danach haben Sie sich offenbar öfter verabredet. Außerdem … wenn es der oder die Richtige ist, weiß man es eben“, endete er schulterzuckend.

Offenbar ließ er keine Zweifel an einem Mitglied seiner Familie zu. Bewundernswert loyal und nahezu rührend, dachte Natalia spöttisch.

„Man weiß es eben?“, wiederholte sie gedehnt. „Sprechen Sie etwa von Liebe?“

Seine Miene blieb völlig ausdruckslos. „Offensichtlich glauben Sie nicht daran.“

„Sie etwa?“

„Meine Gefühle stehen nicht zur Debatte. Und Sie sind zum Arbeiten hier, nicht zum Klatschen.“

„Okay, verstanden.“ Dass er ihr nicht geantwortet hatte, enttäuschte Natalia ein wenig, was sie wiederum ärgerte. Denn warum sollte es sie überhaupt interessieren, was Ben Jackson über die wahre, große Liebe dachte. Sie selbst glaubte nicht daran. Jedenfalls nicht, wenn sie an die frostig zivilisierte Beziehung zwischen ihren Eltern dachte – oder an Carlottas Herz, auf dem ein arroganter, selbstsüchtiger Diplomat rücksichtslos herumgetrampelt hatte.

Ganz zu schweigen von ihrer eigenen verrückten Idee, eine wahre Romanze zu erleben. Danach hatte sie das Thema Liebe ad acta gelegt und war unendlich erleichtert gewesen, als auch ihre Verlobung scheiterte.

Ben erhob sich, und Natalia folgte seinem Beispiel. „Francesca wird Ihnen Ihre Aufgaben hier im Büro zeigen“, erklärte er nüchtern. „Ab nächster Woche, wenn der Campbetrieb startet, sind Sie direkt mir unterstellt.“

„Ganz wie Sie wünschen … Ben.“

„Das ist wahrlich Musik in meinen Ohren“, murmelte ihr Boss mit der Andeutung eines Lächelns und geleitete sie zur Tür.

Die ersten Stunden des erzwungenen freiwilligen Praktikums verstrichen zu Natalias Erleichterung schneller als befürchtet. Francesca versorgte sie mit einem großen Stapel von Papieren, die vervielfältigt werden sollten, und den modernen Kopierer zu bedienen, erwies sich zwar als knifflig, aber machbar. Nicht einmal die Monotonie der Arbeit störte Natalia, weil sie durch die Anwesenheit ihrer Kollegen und deren lebhaften Austausch über aktuelle Filme und Bücher immer wieder unterbrochen wurde.

Als es um Ferienpläne für den bevorstehenden Sommer ging, steuerte auch sie ihren Teil dazu bei. Allerdings ließ ihre Eröffnung, auf der Privatjacht von Freunden zwischen den Kykladen im Ägäischen Meer zu kreuzen, die anderen vorübergehend verstummen. Nachdem sie auch noch erwähnte, einen von den anderen mit Spannung erwarteten Kinofilm bereits anlässlich der Weltpremiere in Cannes gesehen zu haben, verebbte die Konversation völlig.

Um die Mittagszeit war sie zu Tode erschöpft und halb verhungert. Es ärgerte und frustrierte sie, gleich am ersten Tag zu schwächeln, doch dann beschloss sie spontan, dass jeder eine Pause brauchte, und lud die anderen zum Lunch ein.

„Normalerweise essen wir unsere mitgebrachten Sandwiches“, sagte Mariana schüchtern, doch Natalia wedelte jeden Einwand lässig beiseite.

„Euch steht doch eine offizielle Mittagspause zu, oder nicht?“

„Ja, aber …“

„Damit ist alles geklärt“, entschied die neue Praktikantin. „Warum hinterlassen wir Mr Jackson nicht einfach eine Nachricht?“

Ben war zu einem Geschäftstermin verschwunden, worüber Natalia nur froh war, da sie sich so wenigstens für eine Weile vor seinen sarkastischen Bemerkungen sicher fühlte.

Nachdem Francesca pflichtschuldigst eine Notiz verfasst hatte, führte Natalia ihre Kollegen in eines ihrer Lieblingsrestaurants aus: eine kleine italienische Trattoria in der Altstadt, die von außen unscheinbar wirkte, aber in der man mindestens sechs Monate im Voraus Plätze bestellen musste. Glücklicherweise war für die Prinzessin von Santina dauerhaft einer der besten Tische reserviert.

„Sucht aus, worauf ihr Lust habt“, ermunterte Natalia ihre etwas befangenen Kollegen, mit denen sie inzwischen bereits per Du war, und orderte im Vorfeld eine nette Flasche Wein. Kurz darauf, sie hob gerade das Glas zum Toast, erschien eine hohe Gestalt in der Tür und verdarb ihr schlagartig die gute Laune.

Ben Jackson! Und seine finstere Miene verhieß nichts Gutes.

„Leisten Sie uns doch Gesellschaft“, forderte sie ihn sonnig auf, als er vor ihrem Tisch stand. „Ich wollte gerade einen Trinkspruch anbringen.“

„Was für eine Überraschung“, knurrte er sarkastisch. „Lassen Sie sich von mir bloß nicht abhalten.“ Mit gezwungenem Lächeln und eisigem Blick akzeptierte er sogar das angebotene Glas Wein.

„Nun denn, auf einen gelungenen ersten Arbeitstag“, sagte Natalia eine Spur trotzig und leerte ihr Glas in einem Zug, nachdem sie mit allen angestoßen hatte. Sie spürte Bens durchdringenden Blick und atmete erst auf, als er sich unverhofft auf dem freien Platz neben ihr niederließ.

„Müsste es nicht heißen: Auf den ersten Morgen des Praktikums?“, fragte er trocken. Er war ihr so nah, dass sie seinen Atem auf ihrer Haut spürte.

Natalia unterdrückte ein Schaudern und warf ihrem Boss einen koketten Seitenblick zu. „Wie immer Sie es auch nennen wollen“, gurrte sie. „Hauptsache, wir stoßen miteinander an.“

„Also dann … Cheers“, murmelte Ben, ohne sie aus den Augen zu lassen.

Nachdem Natalia sich ihre Lieblingsspeisen bestellt hatte, musste sie schnell feststellen, dass sie trotz ihres knurrenden Magens kaum einen Bissen herunterbekam. Das lag natürlich allein an Bens beunruhigender Anwesenheit. Selbst in dem faden Businessanzug wirkte er so unglaublich maskulin und selbstsicher, dass sie unbeholfen mit ihrer Gabel hantierte, als halte sie das erste Mal Besteck in der Hand.

Was hatte sie nur zu der Annahme verleitet, Ben Jackson wäre ein langweiliger Stockfisch?

Als der beflissene Kellner ihnen Pistazien-Cannelloni zum Dessert servierte, sah Ben auf seine Uhr. „So köstlich das alles auch aussieht, Euer Hoheit, komme ich nicht umhin festzustellen, dass die Lunch-Zeit längst überschritten ist. Und im Büro wartet eine Menge Arbeit. Können Sie den Nachtisch bitte einpacken?“, wandte er sich lächelnd an den Ober, während seine Augen dunkle Blitze in Natalias Richtung schossen.

Errötend senkte sie den Blick und biss sich auf die Lippe. Ihr Hochgefühl war längst verschwunden. Sie fühlte sich wie ein gescholtenes Kind. Okay, vielleicht hatte sie die Mittagspause ein wenig überzogen, aber musste ihr Boss gleich dermaßen überreagieren?

Eine ziemlich kleinlaute Gruppe verließ kurz darauf das Restaurant und trottete stumm zum Büro zurück.

Natalia war schon wieder am Fotokopierer, als Ben sie ansprach: „Natalia, kommen Sie bitte kurz in mein Büro?“

Ihr Herz setzte einen Schlag aus, dafür hob sich ihr Magen. „Selbstverständlich.“

Hoheitsvoll segelte sie an Ben vorbei in sein privates Heiligtum. Das Einschnappen der Tür hörte sich für sie an wie ein Gefängnisschloss.

„Was für eine Showeinlage“, stellte er milde, aber mit stählernem Unterton fest.

„Es war nur ein Lunch.“

„Vielleicht in Ihrer Welt, Prinzessin …“

„Natalia“, korrigierte sie steif.

„Ein normaler Büroangestellter hat einfach keine zweistündige Lunch-Pause inklusive Hummer und Champagner.“

„Wein.“

Seine Miene verfinsterte sich. „Solange Sie hier arbeiten …“

„Aber ich bin hier nicht angestellt“, erinnerte Natalia ihn spröde. „Ich absolviere nur ein Praktikum.“

„Und für diese Zeit bin ic...

Autor

Kate Hewitt
<p>Aufgewachsen in Pennsylvania, ging Kate nach ihrem Abschluss nach New York, um ihre bereits im College angefangene Karriere als Schauspielerin weiter zu verfolgen. Doch ihre Pläne änderten sich, als sie ihrer großen Liebe über den Weg lief. Bereits zehn Tage nach ihrer Hochzeit zog das verheiratete Paar nach England, wo...
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