Julia Sommerliebe Band 28

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SANTA NICOLA - INSEL DER VERSUCHUNG von HEWITT, KATE
Mit dem Boss nach Santa Nicola! Zum ersten Mal begleitet Hannah den umwerfend attraktiven Luca Moretti auf eine Geschäftsreise. Aber im Luxus-Resort auf der Mittelmeerinsel stellt Luca sie plötzlich als seine Verlobte vor! Welches sinnliche Spiel plant er mit ihr?

GEFANGEN IM STURM DER LEIDENSCHAFT von RYDER, LUCY
Ein Tropensturm! Angsterfüllt klammert Eve sich in den Sitz der kleinen Cessna! Hoffentlich weiß der Pilot, was er tut! Das ist ihr letzter Gedanke, bevor sie auf einer einsamen Insel notlanden. Aber allein mit sexy Chase Gallagher gerät jetzt auch noch Eves Herz in Gefahr …

IM BANN DES GRIECHISCHEN VERFÜHRERS von JAMES, JULIA
Echte Liebe - oder eiskalte Berechnung? Ellen hofft so sehr, dass der griechische Milliardär Max Vasilikos es ernst mit ihr meint. Oder verführt er sie nur Nacht für Nacht unter dem funkelnden Sternenhimmel, damit sie ihm endlich das gibt, was er unbedingt von ihr haben will?


  • Erscheinungstag 02.06.2017
  • Bandnummer 0028
  • ISBN / Artikelnummer 9783733709143
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kate Hewitt, Lucy Ryder, Julia James

JULIA SOMMERLIEBE BAND 28

1. KAPITEL

Luca Moretti brauchte eine Frau. Keine richtige, um Gottes willen. Nur für kurze Zeit. Eine gehorsame, diskrete Frau, die sich als seine Zukünftige ausgab. Eine Frau für ein Wochenende.

„Mr. Moretti?“ Seine Chefsekretärin Hannah Stewart klopfte einmal an die Tür und betrat dann sein Penthouse-Büro, das einen Ausblick auf die regennasse Lombard Street von Londons City bot. „Ich habe Briefe für Sie zur Unterschrift.“

Luca sah zu, wie sie mit einem Packen Briefe zu ihm trat. Hannah hatte hellbraunes Haar und trug einen schwarzen Bleistiftrock, eine schlichte Bluse aus weißer Seide und flache Schuhe. Bisher hatte er sich noch nie die Mühe gemacht, sie genauer zu betrachten. Er wusste nur, wie schnell sie tippen und wie diskret sie sein konnte, wenn bedauernswerterweise einmal persönliche Anrufe in seinem Büro landeten. Jetzt betrachtete er ihr Gesicht mit den leichten Sommersprossen ein wenig genauer. Sie war hübsch, ohne in irgendeiner Form auffallend zu sein. Was jedoch ihre Figur betraf …

Sein Blick wanderte über ihre schlanke Gestalt. Sie war nicht atemberaubend, hatte auch keine ausgeprägten Kurven, sah jedoch passabel aus.

Könnte ich …

Sie legte die Briefe vor ihm hin und trat einen Schritt zurück. Luca griff nach seinem Füller und begann, die Briefe zu unterschreiben.

„Ist das alles, Mr. Moretti?“, fragte sie, als er fertig war.

„Ja.“ Er reichte ihr die Briefe, und Hannah ging zur Tür. Mit forschendem Blick sah Luca ihr hinterher und fasste einen Entschluss. „Einen Moment noch.“

Gehorsam wie immer, drehte Hannah sich zu ihm um. Sie war ihm die letzten drei Jahre eine sehr gute Sekretärin gewesen, arbeitete hart und machte kein Aufheben darum. Hinter ihrem Wunsch zu gefallen, spürte er Willensstärke und Ehrgeiz. Eigenschaften, die sie an dem Wochenende brauchen würde, sollte sie seinem Vorschlag zustimmen.

„Mr. Moretti?“

Luca lehnte sich in seinem Schreibtischsessel zurück und trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. Es gefiel ihm nicht, lügen zu müssen, denn er war immer ehrlich gewesen und stolz auf das, was er war, auch wenn man ihm viele Steine in den Weg gelegt hatte. Doch dieses Wochenende war etwas anderes. Es bedeutete ihm alles.

„Ich habe dieses Wochenende ein wichtiges Meeting.“

„Ja, auf Santa Nicola“, entgegnete Hannah. „Ihr Ticket steckt in Ihrer Brieftasche bei den Ausweisdokumenten, und die Limousine steht morgen früh um neun vor Ihrer Wohnung bereit.“

„Wie es aussieht, brauche ich Unterstützung“, sagte er.

Hannahs Augenbrauen hoben sich leicht, doch ihre Miene blieb gelassen. „Meinen Sie administrative Unterstützung?“

Luca zögerte. Er hatte keine Zeit, ihr jetzt zu erklären, was er meinte. Außerdem vermutete er, dass sie dann ablehnen würde. „Ja, exakt die.“ Er spürte, dass Hannah überrascht war, auch wenn sie es gut verbarg.

„Was genau brauchen Sie denn?“

Eine Frau. Eine Frau für kurze Zeit, die fügsam ist. „Es wäre wichtig, dass Sie mich am Wochenende nach Santa Nicola begleiten.“ Luca hatte Hannah noch nie gebeten, ihn auf einer Geschäftsreise zu begleiten. Er zog es vor, allein zu reisen und zu arbeiten, weil er schon seit seiner Kindheit ein Einzelgänger war. Wenn man allein war, musste man nicht auf der Hut oder darauf gefasst sein, dass jemand einem ein Bein stellte. Es gab keine Erwartungen, außer denen, die er an sich selbst stellte.

Hannahs Vertrag beinhaltete Extrastunden oder außergewöhnliches Engagement, falls erforderlich. Und bisher war sie immer bereit gewesen, abends länger zu arbeiten und ab und zu auch einmal am Samstag. Er lächelte und hob erwartungsvoll die Augenbrauen. „Das ist doch sicher kein Problem, oder?“

Hannah zögerte nur kurz, bevor sie nickte. „Ganz und gar nicht, Mr. Moretti.“

Hannah schwirrte der Kopf, während sie überlegte, wie sie mit dem unerwarteten Ansinnen ihres Chefs umgehen sollte. In den drei Jahren, die sie nun für Luca Moretti arbeitete, hatte sie ihn noch nie auf eine Geschäftsreise begleitet. Abends war es schon manchmal später geworden, und sie hatte ihn auch hin und wieder in einer Nachtschicht mit starkem schwarzem Kaffee versorgt. Doch sie war noch nie mit ihm verreist. Vor allem nicht übers Wochenende auf eine exotische Insel im Mittelmeer. Die Aussicht fand sie überraschend aufregend, zumal sie geglaubt hatte, ihre Reiselust hinter sich gelassen zu haben.

„Soll ich ein Extraticket buchen?“, fragte sie.

„Ja.“

Hannah nickte. Sie musste so schnell wie möglich ihre Mutter anrufen, um alles zu regeln … „Ich buche ein Ticket für die Touristenklasse.“

„Warum denn das, um Himmels willen?“, erwiderte Luca verwundert.

„Weil ich als Ihre Sekretärin wohl kaum Erster Klasse fliegen sollte. Und die Unkosten …“

„Vergessen Sie die Unkosten“, fiel er ihr ins Wort. „Ich brauche Sie neben mir, weil ich auf dem Flug arbeiten will.“

„Na schön.“ Die Briefe an die Brust gepresst, überlegte sie, warum Luca Moretti sie ausgerechnet jetzt brauchte. Verstohlen musterte sie ihn, wie er lässig in seinem Schreibtischsessel saß, die dunklen Haare zerzaust.

Er war ein unglaublich attraktiver Mann, bezwingend, charismatisch, ein Getriebener. Ein Wirtschaftsmagazin hatte ihn einmal als „charmante Dampfwalze“ beschrieben – was Hannah passend fand. Luca Moretti konnte sehr charmant sein, wenn er etwas wollte. Drei Jahre lang hatte sie ihn aus dem Hintergrund beobachten können, und sie mochte ihren Job, genau wie Lucas starke Persönlichkeit und seine unerschöpfliche Energie bei der Arbeit. Sie hatte seine Arbeitsmoral und sein Streben nach Erfolg schon immer bewundert. Obwohl sie nur seine Chefsekretärin war, teilte sie dieses Streben, wenn auch nicht im gleichen Ausmaß.

„Also gut“, meinte sie. „Ich kümmere mich um alles.“ Luca nickte, und Hannah verließ das Büro. Als sie wieder an ihrem Tisch saß, atmete sie aus. Sie und Luca waren die Einzigen im obersten Stock des Bürogebäudes, und sie genoss die Ruhe, die ihr die Möglichkeit gab, ihre Gedanken zu ordnen.

Als Erstes rief sie bei der Fluggesellschaft an und buchte ein zusätzliches Erster-Klasse-Ticket für sich. Als sie den Preis hörte, zuckte sie zusammen, obwohl Luca Moretti es sich leisten konnte. Als Firmenchef seines erfolgreichen Unternehmens für Immobilienentwicklung konnte er sich sogar einen eigenen Jet leisten.

Nachdem das erledigt war, schrieb sie ihrer Mutter schnell eine E-Mail. Normalerweise hätte sie angerufen, doch Luca wünschte keine Privatanrufe, und Hannah hatte die Regel immer befolgt. Dieser Job bedeutete ihr viel. Sie hatte die E-Mail gerade abgeschickt, als Luca aus seinem Büro kam, seine Jacke anzog und auf seine Uhr sah.

„Mr. Moretti?“, fragte sie, als er sie prüfend ansah.

„Sie brauchen passende Kleidung für das Wochenende.“

Hannah zuckte zusammen. „Natürlich.“

„Das meine ich nicht.“ Luca deutete auf ihre Kleidung, und Hannah sah an sich herunter. Sie war stolz darauf, wie sie sich kleidete, und kaufte immer nur beste Qualität.

„Ich verstehe nicht ganz …“

„An diesem Wochenende geht es nicht nur um Geschäftliches, es ist auch ein gesellschaftlicher Anlass“, erklärte er knapp. „Sie brauchen Abendkleider und so etwas.“

Abendkleider? Die hatte sie nicht in ihrem Kleiderschrank. „Als Ihre Chefsekretärin …“

„Als meine Chefsekretärin müssen Sie angemessen gekleidet sein. Es geht hier nicht um eine Vorstandssitzung.“

„Um was geht es denn genau?“

„Betrachten Sie es eher als Hausparty, bei der auch über Geschäftliches gesprochen wird.“

Jetzt verstand sie noch weniger, warum er sie dabei brauchte.

„Ich habe leider keine Abendkleider …“, begann Hannah, doch Luca tat ihre Bemerkung mit einem Schulterzucken ab.

„Das lässt sich leicht ändern.“ Er nahm sein Smartphone aus der Tasche, drückte ein paar Tasten und sprach schnell auf Italienisch. Ein paar Minuten später beendete er den Anruf und nickte Hannah zu. „Nach der Arbeit begleiten Sie mich zu Diavola.“

„Diavola?“

„Kennen Sie die Boutique?“

Natürlich hatte Hannah von ihr gehört. Es war eine sehr noble Boutique in Mayfair, an der sie schon einmal vorbeigegangen war. Ein Kleid aus schimmernder Seide hatte im Schaufenster gehangen, allerdings ohne Preisschild.

Sie schluckte. „Das ist nicht ganz meine Preisklasse …“

„Natürlich werde ich bezahlen.“ Stirnrunzelnd sah er sie an. „Es wird als Geschäftsausgabe verbucht. Ich kann wohl kaum von Ihnen erwarten, dass Sie ein Kleid kaufen, das Sie nur meinetwegen anziehen sollen.“

„Also schön.“ Hannah merkte, wie er sie musterte, und hatte das Gefühl, seine Erwartungen nicht zu erfüllen. Was befremdlich war, da er bisher immer mit ihr zufrieden gewesen war.

„Wir gehen in einer Stunde“, erklärte Luca und kehrte in sein Büro zurück.

Hannah verbrachte eine hektische Stunde. Sie erledigte ihre Arbeit und kümmerte sich um die Reisevorbereitungen. Sie wusste, dass Luca bei seinem Geschäftspartner, dem Hotelier Andrew Tyson, übernachten würde, zögerte jedoch, den Mann persönlich zu kontaktieren, um zu fragen, ob noch ein weiteres Schlafzimmer frei war. Es erschien ihr unangemessen, nach einem Zimmer für sich in der luxuriösen Villa des Tycoons zu bitten. Aber ihr blieb wohl nichts anderes übrig.

Sie war gerade dabei, eine E-Mail an Tysons Chefsekretärin zu verfassen, als Luca aus seinem Büro kam. Er zog seine Jacke an und sah sie fragend an.

„Sind Sie noch nicht fertig?“

„Tut mir leid. Ich schreibe gerade eine Mail an Mr. Tysons Chefsekretärin …“

Er hob die Brauen. „Warum denn das?“

„Um nach einem extra Schlafzimmer zu fragen …“

„Das wird nicht nötig sein“, warf Luca schnell ein, beugte sich vor und klappte ihren Laptop zu. „Es ist schon alles arrangiert.“

„Ach ja?“

„Ja. Und in Zukunft überlassen Sie bitte jegliche Kommunikation mit Mr. Tyson mir.“

Sein scharfer Ton ließ sie zusammenzucken. „Aber ich habe doch immer …“

„Die Sache ist delikat. Ich erkläre Ihnen später die Einzelheiten. Und jetzt sollten wir gehen. Ich habe heute Abend noch viel zu tun, abgesehen davon, dass wir Sie einkleiden müssen.“

Bei seinem abweisenden Ton errötete sie. Ihr Chef war oft ungeduldig, aber nie unhöflich. Wortlos stand sie auf, nahm ihren Laptop und wollte ihn in die Tasche stecken.

„Lassen Sie den hier.“

„Meinen Laptop?“ Verwirrt sah sie ihn an. „Aber ich brauche ihn doch, wenn wir im Flugzeug arbeiten wollen …“

„Das wird nicht nötig sein.“

Allmählich wurde ihr unbehaglich. Irgendetwas stimmte nicht mit diesem Wochenende. „Mr. Moretti, ich verstehe nicht …“

„Was gibt es denn da nicht zu verstehen? Sie begleiten mich dieses Wochenende, das sowohl ein gesellschaftliches Ereignis als auch ein geschäftliches Treffen ist. Und ich bitte Sie, einfühlsam und diskret zu sein, da es eine heikle Situation ist. Überschreitet das Ihre Fähigkeiten, Miss Stewart?“

Ihr Gesicht brannte bei dieser Zurechtweisung. „Nein, natürlich nicht.“

„Gut.“ Er deutete mit dem Kopf zu den Lifttüren. „Dann lassen Sie uns gehen.“

Gekränkt nahm Hannah ihre Jacke und folgte Luca zum Lift. Sie starrte geradeaus und versuchte, ihre Verwirrung zu bezwingen. Als Luca nach ihr den Lift betrat, registrierte sie zum ersten Mal, wie sehr er den Raum beherrschte. Sie waren schon oft zusammen im Lift gefahren, doch erst jetzt bemerkte sie, wie groß Luca war. Wie männlich. Die Luft schien mit einem Mal elektrisch aufgeladen zu sein. Verstohlen warf sie einen Blick auf sein Profil, die dunklen Bartstoppeln auf dem ausgeprägten Kinn. Er hatte eine gerade Nase und hohe Wangenknochen, lange, überraschend dichte Wimpern und dunkle Augen.

Hannah wusste, dass die Frauen Luca Moretti liebten. Sie fühlten sich nicht nur von seiner Unnahbarkeit angezogen, sondern auch von seiner Sinnlichkeit und seinem Charisma. Vielleicht machten sie sich selbst etwas vor, indem sie glaubten, ihn zähmen und einfangen zu können. Denn das war noch keiner gelungen. Hannah hatte schon mehr als eine tränenüberströmte Schönheit davon abgehalten, in sein Büro zu stürmen. Für diesen kleinen Dienst hatte er sich noch nie bei ihr bedankt. Er tat so, als ob die Frauen, die sich ihm förmlich an den Hals warfen, nicht existierten, zumindest nicht außerhalb seines Schlafzimmers. Aber das war nur eine Vermutung, denn sie hatte keine Ahnung, wie Luca Moretti sich im Schlafzimmer verhielt.

Zum Glück war der Lift schnell unten. Die Tür öffnete sich, und Luca begleitete Hannah durch das beeindruckende Foyer aus Marmor von Moretti Enterprises. Eine Rezeptionistin wünschte ihnen einen guten Tag. Dann standen sie draußen auf der vom Regen nassen Straße.

Eine Limousine fuhr am Randstein vor, kaum, dass sie das Gebäude verlassen hatten, und Lucas Chauffeur stieg aus dem Wagen, um die Tür zu öffnen.

„Nach Ihnen“, sagte Luca. Hannah schlüpfte in den luxuriösen Wagen. Luca folgte ihr, und sein Bein stieß leicht an ihres, ehe sie näher zum Fenster rückte.

Sie konnte nicht widerstehen und strich über das samtweiche Leder der Rückbank „Ich bin noch nie in einer Limousine gefahren“, sagte sie.

„Noch nie?“

„Nein.“ Er mochte auf diese Weise durch die ganze Welt reisen, sie blieb immer im obersten Stock von Moretti Enterprises. Sicher, sie hatte aus der Distanz mit Luxus zu tun. Hatte Champagner geordert, wenn er seine Geschäftsabschlüsse feierte, etliche Erster-Klasse-Tickets bestellt, Zimmer in Fünf-Sterne-Hotels gebucht oder überall auf der Welt die Concierges über Luca Morettis Wünsche informiert. Er wollte keine Lilien in den Blumenarrangements in seiner Suite und die Bettwäsche musste vom Feinsten sein. Doch sie selbst kannte solchen Luxus nicht. „Ich war noch nie in einem Fünf-Sterne-Hotel und bin auch noch nie Erster Klasse geflogen“, erklärte sie. „Ich habe noch nicht einmal Champagner getrunken.“

„Das können Sie dieses Wochenende nachholen“, meinte Luca und starrte aus dem Fenster. „Tut mir leid“, fügte er dann abrupt hinzu. „Ich weiß, dass ich ein bisschen … angespannt wirke.“

Vorsichtig sah Hannah zu ihm herüber. „J…ja …“

Er warf ihr ein reumütiges Lächeln zu. „Vermutlich haben Sie eher gedacht, dass ich ein ausgemachter Rüpel bin, so wie ich mich heute verhalte.“ Seine Miene wurde weicher, und er sah sie mit einem Blick an, bei dem Hannah unbehaglich wurde. „Tut mir leid.“

„Warum sind Sie denn so angespannt?“

„Wie ich schon sagte, dieses Wochenende ist delikat.“ Damit wandte er sich wieder zum Fenster. „Sehr delikat.“

Hannah wusste, dass sie ihn nicht weiter bedrängen durfte. Ihr war schleierhaft, warum dieser Geschäftsabschluss so delikat war. Denn die Hotelkette, die Luca übernehmen wollte, war nur ein kleiner Posten in seinem Immobilienbestand.

Die Limousine hielt bei Diavola. Es brannte noch Licht, obwohl es schon fast sieben war. Hannah war plötzlich unbehaglich zumute. Wie würde das Ganze ablaufen? Würde sie ein Kleid aussuchen oder ihr Chef? Sie hatte schon vieles für ihn erledigt, aber sich noch kein Abendkleid für ihn gekauft. Und sie fand den Gedanken nicht sehr reizvoll, sich ihm in dem Kleid präsentieren zu müssen. Vielleicht beließ er es aber auch dabei, dass sie sich eines aussuchte.

Sicher. So würde es sein. Luca Moretti sah seiner Chefsekretärin bestimmt nicht gern dabei zu, wie sie verschiedene Kleider anprobierte. Beruhigt von diesem Gedanken, stieg Hannah aus der Limousine.

Luca folgte ihr und legte eine Hand an ihren Ellbogen. Die Berührung schockierte sie, denn Luca hatte sie noch nie angefasst. Weder hatte er sie in den drei Jahren je umarmt noch ihr einen Klaps auf den Arm gegeben. Hannah hatte immer das Gefühl gehabt, dass er ein Einzelgänger war, trotz all der Frauen in seinem Leben. Und es hatte ihr nichts ausgemacht, weil sie sich lieber auf die Arbeit konzentrierte. Für viel mehr war in ihrem Leben ohnehin kein Platz.

Doch jetzt blieb Lucas Hand an ihrem Ellbogen, während er sie in die Boutique führte. Als die Verkäuferin zu ihnen trat, legte er sie auf ihren Rücken. Hannah spürte seine Wärme durch den Rock. Er hatte seine Finger gespreizt, sodass er mit seinem kleinen Finger eben ihren Po berührte. Ihr ganzer Körper versteifte sich, während eine verräterische Hitze in ihr aufflammte.

„Ich hätte gern eine komplette Garderobe für das Wochenende für meine Begleiterin“, sagte er zu der Frau, die mit den Wimpern klimperte. „Abendkleider, Tageskleidung, einen Badeanzug, Nachtwäsche und Unterwäsche.“ Er warf einen Blick auf seine goldene Uhr. „Und ich habe weniger als eine Stunde Zeit.“

„Sehr wohl, Mr. Moretti.“

Unterwäsche? „Mr. Moretti, ich brauche all diese Sachen nicht“, protestierte Hannah leise. Und ganz sicher wollte sie nicht, dass ihr Chef ihr einen BH kaufte. Sie spürte, dass der Druck seiner Hand auf ihrem Rücken stärker wurde.

„Nennen Sie mich doch Luca.“ Bei seinem Vorschlag wäre ihr fast die Kinnlade heruntergekippt. Zu einer solchen Vertraulichkeit hatte er sie noch nie aufgefordert. „Sie arbeiten jetzt für mich – seit wann? Drei Jahren?“, murmelte er, sodass nur sie ihn hören konnte. Er beugte sich so nah zu ihr, dass sie sein Aftershave riechen konnte. „Vielleicht sollten wir uns endlich beim Vornamen nennen … Hannah.“

Sie zitterte, als sie ihren Vornamen aus seinem Mund hörte, und trat einen Schritt von ihm weg, sodass er sie nicht mehr berühren konnte. Doch seltsamerweise vermisste sie sofort die Wärme und den Druck seiner Hand.

„Also gut.“ Trotzdem brachte sie es nicht über sich, seinen Vornamen zu sagen. Es fühlte sich seltsam an und viel zu vertraut nach drei Jahren respektvoller Distanz. Warum schüttelte Luca all dies jetzt ab?

Während die Verkäuferin verschiedene Kleidungsstücke zusammensuchte, trat eine weitere zu ihnen und geleitete sie zu einem Diwan aus cremefarbenen Samt. Eine dritte brachte zwei Gläser mit Champagner und Cracker mit Kaviar.

Luca setzte sich, offensichtlich gewöhnt an all diesen Luxus. Die Verkäuferin machte Hannah ein Zeichen.

„Wenn die Signorina mir bitte folgen würde …“

Benommen folgte Hannah der Frau in die Umkleidekabine, die größer war als der gesamte oberste Stock ihres Hauses.

„Zuerst das hier?“, schlug die Verkäuferin vor und hielt ein Abendkleid in hellblauem Chiffon und Satin hoch. Etwas so Erlesenes hatte Hannah noch nie gesehen.

„Na schön“, seufzte sie und fühlte sich wie in einem surrealen Traum. Langsam knöpfte sie ihre Bluse auf.

2. KAPITEL

Während Luca darauf wartete, dass Hannah aus der Umkleidekabine kam, nippte er an seinem Champagner und versuchte, sich zu entspannen. Er war ein bisschen zu überdreht wegen dieses Wochenendes, und das hatte seine viel zu clevere Sekretärin bemerkt. Er wollte jedoch nicht, dass sie sein Spiel durchschaute, bevor sie auf Santa Nicola waren. Denn er durfte nicht riskieren, dass sie es ablehnte, ihn zu begleiten. Obwohl Hannah Stewart sich seinen Wünschen bisher stets gefügt hatte, hatte sie mehr Rückgrat, als er anfänglich geglaubt hatte. Und er wollte nicht, dass sie es gegen ihn einsetzte.

Verstimmt trank Luca noch einen Schluck Champagner. In weniger als vierundzwanzig Stunden wäre er auf Santa Nicola und würde Andrew Tyson treffen. Ob der Mann ihn erkennen würde? Es war schon so lange her. Sollte Tyson ihn erkennen, würde das all seine Pläne ruinieren. Das hielt Luca jedoch nicht davon ab, trotzdem auf irgendeine Reaktion zu hoffen, die dieses Brennen in seiner Brust rechtfertigte, das er schon viel zu lange verspürte.

„Und?“, rief er Hannah zu, die schon seit fast zehn Minuten in der Umkleidekabine war. „Haben Sie schon etwas anprobiert?“

„Ja, aber dieses ist ein bisschen …“ Ihre Stimme verlor sich, und Luca sah zu dem geschlossenen Samtvorhang der Umkleidekabine.

„Kommen Sie heraus, dann kann ich es mir ansehen.“

„Ist schon in Ordnung.“ Sie klang ein wenig panisch, wenn auch entschieden. „Ich probiere etwas anderes an …“

„Hannah …“ Luca versuchte, seine Ungeduld zu bezwingen. „Ich würde das Kleid gern sehen, bitte.“ Er musste einfach sichergehen, dass Hannah glaubwürdig wirkte.

„Ich bin schon dabei, mich umzuziehen“, rief sie.

Doch Luca war bereits aufgesprungen, ging zur Umkleidekabine und zog den Vorhang auf.

Er wusste nicht, wer zuerst nach Luft schnappte – Hannah, die sein Verhalten schockierte, oder er selbst, weil der Anblick seiner Sekretärin ihn völlig unerwartet erregte.

Sie stand mit dem Rücken zu ihm. Das Kleid aus hauchdünnem Stoff war hinten bis zur ihrer Taille heruntergerutscht, während sie es vorn schützend gegen ihre Brust presste. Sie wirkte wie eine empörte Jungfrau.

„Mr. Moretti …“, murmelte sie und errötete tief.

„Luca“, rief er ihr in Erinnerung und warf einen warnenden Blick zu der Verkäuferin, die diskret in einer Ecke wartete. Er wollte nicht, dass es Klatsch gab.

„Luca“, wiederholte Hannah, doch sie klang verärgert. „Gehen Sie bitte. Ich will mich umziehen.“

„Ich wollte das Kleid sehen. Schließlich bezahle ich es.“ Dass er diese Trumpfkarte gezogen hatte, kümmerte ihn wenig. „Wie viel kostet das Kleid?“, fragte er die Verkäuferin.

Die Frau zögerte kurz. „Neuntausend Pfund, Signor Moretti.“

„Neuntausend …“ Entsetzt wirbelte Hannah herum. Das Kleid wäre ihr fast aus den Händen gerutscht. Luca erhaschte einen Blick auf helle Haut mit ein paar Sommersprossen und den Ansatz einer kleinen, perfekt gerundeten Brust. Dann zog sie das Kleid bis zum Kinn, ihr Gesicht rot vor Scham.

„Vorsicht“, zog er sie auf. „Der Stoff sieht sehr delikat aus.“

„So delikat wie das Wochenende?“, gab sie zurück, und er lächelte.

„Ich wusste gar nicht, dass Sie auch wütend werden können.“

„Und ich wusste nicht, dass Sie neuntausend Pfund für ein Kleid ausgeben.“

Aufrichtig überrascht hob er die Augenbrauen. „Den meisten Frauen, die ich kenne, macht es Spaß, mein Geld auszugeben.“

„Dann haben Sie wohl nur wenige Bekanntschaften“, gab Hannah zurück. „Denn die meisten Frauen sind nicht nur an Geld oder shoppen interessiert.“

„Wenn Sie meinen.“

„Jedenfalls ist es falsch“, murmelte Hannah und wandte ihm wieder den Rücken zu.

„Warum haben Sie etwas dagegen? Es ist doch mein Geld.“

„Wissen Sie eigentlich, was man mit neuntausend Pfund alles machen kann?“ Sie bebte vor Empörung.

„Jetzt sagen Sie mir nicht, dass Sie eine dieser mitfühlenden Seelen sind“, erwiderte Luca. „Ich hätte mehr von Ihnen erwartet, Hannah.“

„Bin ich nicht“, antwortete sie steif. „Ich hätte nie einen Einwand erhoben, wenn Sie das Geld für sich selbst ausgeben würden. Aber für mich …“

„Das ist meine Entscheidung“, fiel er ihr ins Wort. „Und jetzt will ich endlich sehen, wie das Kleid an Ihnen aussieht.“

Die Verkäuferin verstand den Wink, trat vor und zog den Reißverschluss hoch, obwohl nicht viel hochzuziehen war. Denn das Neckholder-Kleid war fast rückenfrei.

Luca setzte eine geschäftsmäßig interessierte Miene auf, als Hannah sich zu ihm umdrehte. Als würde er das Kleid nur begutachten, um zu sehen, ob es für die entsprechende Gelegenheit geeignet war und nicht, weil es sein Verlangen weckte. Warum er auf diese Weise auf den Körper seiner Sekretärin reagierte, wusste er nicht. Vermutlich lag es an den Kleidern von Diavola, die ihre Wirkung nie verfehlten.

„Sehr gut“, sagte er zu der Verkäuferin. „Wir nehmen es. Jetzt brauchen wir noch etwas Legeres für den Tag und ein halbformelles Kleid für den ersten Abend.“

„So etwas habe ich zu Hause“, protestierte Hannah.

Luca hob eine Hand. „Bitte hören Sie auf, mir zu widersprechen, Hannah. Das ist sinnlos. Ich sagte Ihnen doch, dass ich es als Geschäftsausgabe verbuche.“

Sie schwieg, doch in ihren Augen flammte unterdrückte Wut.

Luca konnte nicht widerstehen, sie noch ein wenig zu quälen. Vielleicht wollte er sie aber auch nur berühren. Jedenfalls zog er an der Schleife ihres Neckholders.

„Na also“, sagte er, während sie schockiert den Stoff umklammerte, damit das Kleid nicht herunterrutschte. „Und jetzt beeilen Sie sich. Ich muss in fünfundvierzig Minuten wieder draußen sein.“

Mit zitternden Händen zog Hannah das Abendkleid aus und warf es der Verkäuferin zu, viel zu aufgewühlt, um daran zu denken, wie empfindlich der Stoff war.

Was ist eigentlich los? Warum behandelt Luca mich so? Und weshalb hat sich mein ganzer Körper angespannt, als sein Blick zu meinem Ausschnitt gewandert ist?

Vielleicht weil ich diese Seite an meinem Chef noch nie gesehen habe, dachte sie verbittert.

Sie unterdrückte einen Schauer, als sie sich daran erinnerte, wie seine Finger ihren nackten Rücken berührt hatten. Wie dumm, auf einen Mann in dieser Weise zu reagieren. In diesem Moment war sie sich nicht einmal sicher, ob sie ihn mochte.

Während Luca nichts anderes im Sinn gehabt hatte, als sie zu verunsichern.

Signorina? Möchten Sie das nächste Ensemble anprobieren?“

Langsam stieß Hannah die Luft aus. „Ja, bitte.“ Dieser Abend war irgendwie unwirklich, einschließlich ihrer eigenen Reaktionen. Wann hatte sie ihrem Chef je widersprochen? Obwohl er sich nicht wie ihr Chef angefühlt hatte, als er in ihre Umkleidekabine gekommen war und sie mit nacktem Rücken und fast entblößten Brüsten gesehen hatte. Gleichzeitig benahm er sich fordernd und autoritär und erwartete blinden Gehorsam von ihr. Was für eine bizarre Situation.

Die Verkäuferin reichte ihr ein hellrosa Etuikleid aus Leinen, das perfekt passte. Ob Luca dieses Kleid auch angezogen sehen wollte? Und was war mit dem Bikini oder der Spitzenunterwäsche, die schon auf einem Stuhl für sie bereitlagen? Allein bei der Vorstellung stieg Hitze in ihr auf, was sie noch mehr verwirrte.

„Es passt“, sagte sie zu der Verkäuferin und zog das Kleid so schnell es ging wieder aus. Wenn sie sich beeilte, würde Luca vielleicht nicht wieder in die Umkleidekabine kommen und so tun, als gehöre ihm die ganze Welt – sie eingeschlossen.

Zweiundvierzig Minuten später war alles in Seidenpapier eingepackt und steckte in glänzenden Tragetaschen – einschließlich des züchtigsten Bikinis, den Hannah hatte finden können, und den Dessous aus beiger Seide und cremefarbener Spitze. Warum gab Luca ein Vermögen für Kleidung aus, wenn es um einen so belanglosen Geschäftsabschluss ging?

„Ich glaube, Sie haben heute Abend mehr für mich ausgegeben als Sie einnehmen, wenn Sie die Resorts kaufen“, bemerkte sie, als sie wieder draußen waren. Es hatte aufgehört zu regnen, und über den eleganten Stadthäusern von Mayfair hing eine fahle Mondsichel. „Andrew Tyson besitzt doch nur etwa sechs Resorts, oder?“

„Allein das Land ist es wert“, entgegnete Luca und knöpfte seine Jacke zu. Unmittelbar darauf fuhr die Limousine vor, und die Verkäuferin verstaute die Tragetaschen im Kofferraum.

„Ich muss jetzt nach Hause“, erklärte Hannah. Auf der einen Seite erleichterte sie die Vorstellung, sich der beunruhigenden Präsenz von Luca nicht länger aussetzen zu müssen, auf der anderen Seite wollte sie nicht, dass dieser bizarr magische Abend endete. Doch sie brauchte fünfundvierzig Minuten mit der U-Bahn bis zu ihrem kleinen Haus, und es war schon spät.

„Ich fahre Sie“, erwiderte Luca. „Steigen Sie ein.“

„Ich wohne ziemlich weit entfernt …“

„Ich weiß, wo Sie wohnen.“

Natürlich wusste ihr Chef, wo sie lebte, das stand schließlich in ihren Unterlagen. Trotzdem wollte sie nicht, dass er in ihre Privatsphäre eindrang.

„Ich möchte nicht …“

„Steigen Sie ein, Hannah. Es ist schon fast acht, und wir müssen morgen früh um neun los. Warum wollen Sie fast eine Stunde in der U-Bahn verbringen, wenn es unnötig ist?“

Er hatte recht. „Also gut. Danke.“ Sie stieg in die Limousine, penibel auf Abstand zu Luca bedacht. Immer noch spürte sie seine Finger auf ihrem Rücken. Wie dumm von ihr. Sicher hatte es ihn amüsiert, wie peinlich ihr die Situation gewesen war. Dabei hatte sie nur so auf ihn reagiert, weil er attraktiv war und sie seit mehr als fünf Jahren von keinem Mann mehr berührt worden war. Ihre Mutter fand, dass es höchste Zeit sei, sich wieder zu verabreden, aber Hannah hatte keine Zeit dafür.

Als die Limousine losfuhr, lehnte Hannah sich zurück, von plötzlicher Müdigkeit überwältigt.

„Hier.“ Luca drückte ihr ein Glas in die Hand. Überrascht sah sie auf die Champagnerflöte. „In der Boutique haben Sie nichts getrunken“, erklärte Luca. „Und Sie sagten ja, dass Sie noch nie Champagner getrunken haben.“

„Oh.“ Sie war gerührt, aber auch verwirrt, dass er sich Gedanken um sie machte. „Danke.“

Vorsichtig nippte Hannah an dem Glas und rümpfte die Nase, als sie die prickelnde Flüssigkeit in ihrer Kehle spürte. Luca lächelte. Zweifellos amüsierte ihn ihre Unerfahrenheit.

„Es prickelt stärker, als ich dachte.“ Hannah fühlte sich sehr unbeholfen. Luca hatte sicher schon aus seinem Fläschchen Champagner getrunken.

Mit einem verlegenen Lächeln reichte sie ihm das Glas zurück. Luca nahm es entgegen und hob eine Braue. „Schmeckt es Ihnen nicht?“

„Es ist … ich habe noch nichts gegessen. Und Sie wissen ja, Alkohol auf leeren Magen verträgt sich nicht so gut“, plapperte sie und fühlte sich in so vieler Hinsicht völlig fehl am Platz. Die ruhige, tüchtige Chefsekretärin stammelte auf einmal nur noch und errötete, während ihr Chef sich eher wie ein Mann gab und nicht wie ihr Arbeitgeber. Sie verstand weder ihn noch sich selbst, und das ärgerte sie sehr.

„Tut mir leid“, murmelte Luca. „Ich hätte daran denken sollen.“ Er drückte auf einen Knopf der Gegensprechanlage und gab ein paar Anweisungen auf Italienisch.

Misstrauisch musterte Hannah ihn von der Seite. „Was tun Sie da?“

„Ich habe meinen Fahrer gebeten anzuhalten, damit wir essen gehen können. Sie haben doch nichts vor?“

Beunruhigt setzte sie sich aufrecht hin. „Nein, aber das ist wirklich nicht nötig …“

„Hannah, Sie haben Hunger. Wenn Sie bis spät abends im Büro arbeiten müssen, sorge ich auch dafür, dass Sie ein Abendessen bekommen. Und das hier ist nichts anderes.“

Nur dass es sich nicht so anfühlte. Und als die Limousine vor einem eleganten Restaurant mit roten Samtvorhängen an den Fenstern und goldener Schrift an der Tür hielt, wusste Hannah, dass dieses Dinner nichts mit Sandwiches und Kaffee zu tun hatte, was Luca sie sonst bestellen ließ, wenn sie spät abends noch arbeiteten.

Sie schluckte und kämpfte gegen das Gefühl der Unsicherheit an. Warum sollte sie mit dieser Situation nicht fertig werden? Schließlich arbeitete sie seit drei Jahren für einen der mächtigsten Männer im Immobiliensektor.

Hannah riss sich zusammen und stieg aus dem Wagen. Luca hielt ihr die Tür zum Restaurant auf und folgte ihr hinein. Die unaufdringliche Eleganz beruhigte sie sofort.

„Ein Tisch für zwei, Monsieur Moretti?“, fragte der französische Ober, der die Speisekarten bereits in der Hand hielt. Kannte man ihren Chef eigentlich überall?

Luca nickte, und der Kellner geleitete sie zu einem Tisch in der Ecke.

Hannah betrachtete die Speisekarte. Gänseleber, gegrillte Wachtel, geschmorter Glattbutt …

„Haben Sie schon gewählt?“, fragte Luca.

„Ja.“ Sie klappte die Karte zu.

Der Ober kam mit der Weinkarte. Luca warf nur einen kurzen Blick darauf, ehe er eine Flasche bestellte. Dann wandte er sich wieder an Hannah, kaum, dass der Mann gegangen war.

„Mir ist aufgefallen, dass ich sehr wenig über Sie weiß.“

„Mir war nicht bewusst, dass Sie mehr über mich erfahren wollen.“ In den drei Jahren hatte Luca ihr nie eine persönliche Frage gestellt.

„Es ist immer wichtig, informiert zu sein“, gab er mit einem Schulterzucken zurück. „Also, wo sind Sie aufgewachsen?“

„In einer kleinen Stadt in der Nähe von Birmingham.“ Argwöhnisch sah sie ihn an. Warum will er das plötzlich wissen?

„Haben Sie Geschwister?“

„Nein“, antwortete Hannah und entschied, dass sie ihm ebenso gut Fragen stellen könnte. „Und was ist mit Ihnen?“

Erstaunt sah Luca sie an. In dem schummrigen Licht des Restaurants sah er noch attraktiver aus als sonst. „Was soll mit mir sein?“

„Haben Sie Brüder oder Schwestern?“

Kurz wandte er den Blick ab. „Nein.“

Offensichtlich wollte er keine persönlichen Fragen beantworten, was Hannah nicht überraschte. Der Ober kam, um ihre Bestellung aufzunehmen. Sie entschied sich für einen einfachen Salat und gebratene Wachtel und hoffte, dass sie wie Huhn schmecken würde. Luca bestellte sich ein Steak, ehe der Sommelier mit einer Flasche Wein kam. Sie sah zu, wie Luca davon kostete und zustimmend nickte, worauf der Sommelier zwei Gläser für sie füllte.

„Ich sollte wirklich nicht …“, begann Hannah. Sie trank nicht oft Alkohol und wollte am nächsten Tag frisch und ausgeruht sein. Außerdem wollte sie in Lucas Gegenwart keinen Schwips haben und sich vor ihrem Chef noch alberner vorkommen.

„Sie trinken ja nicht auf leeren Magen“, antwortete Luca. „Und ich denke, Sie sollten sich ein bisschen entspannen.“

„Ach ja?“, gab Hannah knapp zurück. „Ich muss zugeben, dass all das ein bisschen ungewöhnlich ist, Mr. …“

„Luca.“

„Warum?“, platzte sie heraus. „Weshalb gerade jetzt?“

Sein dunkler Blick ruhte einen Moment auf ihr, und sie hatte den Eindruck, als würde er seine Worte sorgsam abwägen. „Warum nicht?“, erwiderte er schließlich und griff nach seinem Weinglas. Hannah war frustriert, aber auch ein wenig erleichtert über seine ausweichende Antwort. Denn sie wusste nicht, wie sie reagiert hätte, hätte er ihr irgendetwas Verrücktes offenbart.

Glücklicherweise stellte Luca keine weiteren persönlichen Fragen mehr, und während sie aßen, schwiegen sie die meiste Zeit. Das war Hannah sehr recht. Trotzdem war sie immer noch nervös.

Was schade war, wie sie feststellte, als Luca die Rechnung beglich. Denn es war ein wirklich erstaunlicher Abend gewesen. Zuerst die Designergarderobe und danach ein Essen mit einem charismatischen sexy Mann. Leider fühlte es sich jedoch nicht wunderbar an, sondern seltsam. Mochte Luca Moretti auch zig Frauen haben, die auf Abruf bereitstanden, wollte Hannah sich nicht in diese Riege einreihen. Nicht, wenn sie ihren Job behalten wollte, ganz zu schweigen von ihrem Verstand.

Ohne viel zu sagen, fuhren sie zu ihrem kleinen Haus. Als sie es erreichten, war es fast zehn. Mit einem Anflug von Schuldbewusstsein dachte Hannah daran, dass ihre Mutter inzwischen müde sein musste und sich sicher Sorgen machte.

„Wir sehen uns dann morgen früh um neun“, sagte Luca.

Hannah sah ihn überrascht an. „Ich dachte, ich fahre selbst zum Flughafen.“

„Mit der U-Bahn? Und wenn Sie zu spät kommen? Nein, so ist es besser. Kommen Sie, lassen Sie mich die Taschen tragen.“

Während Hannah nach ihren Schlüsseln suchte, trug Luca ihre Einkäufe aus der Boutique bis zur Tür. „Danke“, murmelte sie. „Sie können jetzt gehen …“

Doch er wartete, bis sie die Tür aufgeschlossen hatte.

„Hannah“, rief ihre Mutter aus dem Inneren des Hauses. „Wo warst du denn so lange?“

„Alles in Ordnung.“ Hannah drehte sich zu Luca um und riss ihm die Tragetaschen förmlich aus den Händen. „Vielen Dank. Bis morgen um neun.“

Er warf einen Blick auf den engen Flur hinter ihr, wo jeden Moment ihre Mutter erscheinen musste. Sicher fragte er sich, wie sie lebte.

„Gute Nacht“, sagte Hannah und schloss die Tür.

Ihre Mutter Diane sah mit großen Augen auf die teuer aussehenden Tragetaschen. „Was, in aller Welt …“

„Das ist eine lange Geschichte“, fiel Hannah ihr ins Wort. „Tut mir leid, dass ich so spät bin. Ist Jamie …?“

„Er ist ohne Murren ins Bett gegangen“, beruhigte Diane sie, bevor ihr Blick wieder zu den Taschen wanderte. „Du hast aber viel eingekauft.“

„Ja“, stimmte Hannah ihr grimmig zu. „Lass mich erst nach Jamie sehen, dann erzähle ich dir alles.“ Oder zumindest einiges. Wahrscheinlich würde sie ein paar Details auslassen, wie zum Beispiel, dass Luca ihr das Kleid fast ausgezogen hatte. Allein bei der Erinnerung lief ihr ein Schauer über den Rücken.

„Ich mache dir eine Tasse Tee“, meinte Diane. Hannah war bereits die enge Treppe hinaufgestiegen und ging durch den dunklen Flur zu dem kleinen zweiten Schlafzimmer. Auf Zehenspitzen trat sie ein. Ihr Herz hob sich bei dem vertrauten, geliebten Anblick: mein Sohn.

Sanft strich Hannah ihm die blonden Haare aus der Stirn und streichelte mit den Fingern über seine weiche Kinderwange. Er war fünf und das Licht ihres Lebens. Und jetzt würde sie ihn ein ganzes Wochenende nicht sehen.

Sofort bekam sie ein schlechtes Gewissen. Hannah wusste, dass ihr Job fordernd war und sie nicht so viel Zeit mit Jamie verbringen konnte, wie sie es gern wollte. Aber ihr war auch bewusst, wie wichtig es war, finanziell unabhängig zu sein. Deshalb bereute sie es nicht, dass sie für Luca Moretti arbeitete

Sanft küsste sie ihren Sohn auf die Stirn und ging leise hinaus.

3. KAPITEL

Luca trommelte mit den Fingern auf seinen Oberschenkel, als die Limousine vor Hannahs Haus vorfuhr. Vor weniger als zwölf Stunden war er schon einmal hier gewesen. Es hatte ihn seltsam beunruhigt, einen kleinen Einblick in ihr Leben erhascht zu haben – den engen Flur mit all den Jacken und Stiefeln, der Klang einer weiblichen Stimme. Ihre Mutter? Warum will ich das überhaupt wissen?

Vielleicht weil er Hannah Stewart bisher nur als Mittel zum Zweck betrachtet hatte. Zuerst als seine tüchtige Sekretärin und jetzt als seine angeblich zukünftige Frau. Gestern Abend war ihm klar geworden, dass er mehr über Hannah wissen musste, damit diese Scharade überhaupt funktionierte. Er hatte einiges erfahren, und gerade deshalb nun ein schlechtes Gewissen, weil er sie benutzte.

Ungehalten öffnete Luca die Tür der Limousine und stieg aus. Es war ja nicht so, dass er Hannah das Leben schwerer machte. Schließlich erwartete sie ein luxuriöses Wochenende auf einer Mittelmeerinsel. Und was war schon dabei, wenn sie sich ein bisschen verstellen musste? Er würde dafür sorgen, dass sie dabei nicht zu kurz kam.

Er drückte auf die Klingel, und Hannah öffnete kurz darauf. Sie trug ihr übliches Bürooutfit, einen dunklen Bleistiftrock und eine helle Seidenbluse, diesmal in Grau und Rosa. Dazu eine Perlenkette, Perlenohrringe und schwarze Schuhe mit kleinem Absatz. Es war nichts falsch daran, aber als seine Verlobte würde sie so etwas nicht tragen, wenn sie ihn zu einer Hausparty am Wochenende begleitete. Sie sah wie seine Chefsekretärin aus, nicht wie eine Frau, die verliebt war und sich ein schönes Wochenende machen wollte.

„Was ist denn mit den Sachen, die ich Ihnen gestern gekauft habe?“

„Ihnen auch einen guten Morgen“, gab Hannah zurück. „Ich hebe sie auf, bis wir auf Santa Nicola sind.“ Sie hob eine Braue. „Oder ist der Flug auch schon Teil dieses gesellschaftlichen Ereignisses?“

„Natürlich nicht.“ Luca wusste, dass er Hannah nichts vorwerfen konnte, weil sie es nicht anders wusste. Er würde ihr schon früh genug die Wahrheit sagen … wenn nichts mehr schiefgehen konnte. „Haben Sie fertig gepackt?“

„Sicher.“ Sie wollte ihren Koffer nehmen, doch Luca war schneller. „Ich stelle ihn in den Kofferraum.“

„Hallo, Mr. Moretti.“ Eine ältere Frau erschien hinter Hannah und schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln.

„Guten Morgen.“ Zu spät wurde Luca bewusst, wie bissig er gegenüber Hannah geklungen haben musste. Dieses ganze Vorhaben raubte ihm seine kühle Selbstbeherrschung. Er zwang sich zu einem charmanten Lächeln und reichte der Frau die Hand.

„Ich bin Diane Stewart, Hannahs Mutter.“

„Schön, Sie kennenzulernen.“

„Ich muss jetzt gehen, Mum.“ Hannah schlüpfte in eine schwarze Wolljacke und hob ihren Pferdeschwanz, um ihn aus dem Kragen zu ziehen. Luca erhaschte einen kurzen, verwirrenden Blick auf die helle Haut im Nacken und ein paar kleine goldene Löckchen an ihrem Hals.

„Ich sage Jamie auf Wiedersehen von dir“, versprach Diane.

Jamie? Ein Freund? Offensichtlich jemand, der ihr sehr nahestand. Aber vielleicht war Jamie auch der Name eines Mädchens. Eine Freundin?

„Danke, Mum“, murmelte sie und umarmte ihre Mutter hastig, bevor sie zur Limousine ging.

Luca reichte dem Chauffeur den Koffer, dann stieg er hinten zu Hannah in den Wagen. Sie saß nah am Fenster, das Gesicht zur Scheibe gerichtet.

„Leben Sie mit Ihrer Mutter zusammen?“, fragte er.

„Nein, sie ist nur über Nacht geblieben, weil ich gestern erst spät nach Hause gekommen bin.“

„Warum war sie denn überhaupt bei Ihnen?“

Kurz warf sie ihm einen Blick zu. „Sie ist zu Besuch.“

Hannah Stewart schien genauso verschlossen zu sein wie er selbst. „Tut mir leid, dass ich dazwischengefunkt habe.“ Er hielt inne. „Sie hätten mir sagen sollen, dass sie zu Besuch ist, dann hätte ich Rücksicht darauf nehmen können.“

Ihr ungläubiger Blick sprach Bände. Das ärgerte Luca ein wenig, obwohl es nicht angebracht war, denn er wusste, dass er keine Rücksicht genommen hätte. Dafür brauchte er Hannah an diesem Wochenende viel zu dringend. Trotzdem verteidigte er sich weiter. „Ein derart unverschämter Arbeitgeber bin ich nun auch wieder nicht.“

„Das habe ich auch nie gesagt.“

Was stimmte. Trotzdem ärgerte er sich. Es war dieses verdammte Schuldgefühl, weil er zu einer List gegriffen hatte. Dabei mochte er es nicht, zu lügen, sondern war immer dafür, mit offenen Karten zu spielen. Denn er musste bereits mit zu vielen Lügen leben. Doch diesmal war es etwas anderes. Und seine Rache an Andrew Tyson war weitaus wichtiger als die verletzten Gefühle seiner Chefsekretärin.

Hannah setzte sich zurück, froh, dass die peinliche Abschiedsszene vorbei war. Luca war überraschend neugierig in Bezug auf ihr Leben. Zum Glück hatte sie es geschafft, seine Fragen abzuwenden. Sie hatte ihrem Chef noch nie von ihrem Sohn erzählt, und so sollte es auch bleiben. Instinktiv wusste sie, dass Luca Moretti nicht erfreut wäre, wenn er von ihrer Verpflichtung wüsste, ganz egal, was er gerade über Rücksichtnahme gesagt hatte. Sie war froh, dass ihre Mutter in der Nähe lebte und immer glücklich war, helfen zu können. Ohne Dianes Hilfe hätte Hannah den Job bei Luca niemals annehmen und sich auch nicht so einsetzen können, wie sie es tat.

Jetzt versuchte sie, alle Gedanken und Sorgen zu verscheuchen, die sie letzte Nacht wachgehalten hatten. Immer wieder hatte sie sich gefragt, auf was sie sich da einließ, und ob es richtig war, ihren Sohn zwei Tage lang allein zu lassen. Sie wollte auch nicht mehr darüber nachdenken, ob sie wirklich so unbeholfen wirkte, wie sie sich fühlte. Oder warum ihr sonst so wortkarger Chef ihr plötzlich so viel Aufmerksamkeit schenkte.

Nein, heute wollte sie einfach all das genießen, was ihr geboten wurde, ob es Champagner und Kaviar waren oder ein Flug in der ersten Klasse. Dies war ein Abenteuer, und so etwas war sie nicht mehr gewohnt. Seit Jamies Geburt war ihr Leben berechenbar, was nichts Schlechtes war, aber manchmal ein bisschen langweilig. Tatsächlich freute sie sich auf eine kleine Veränderung.

„Sie lächeln“, bemerkte Luca und erschreckte Hannah damit, die ihren Blick wieder auf ihren Chef richtete. Er musterte sie, und ein Prickeln durchlief ihren Körper, als sie sein verhaltenes Lächeln bemerkte. Luca trug einen blauen Anzug, ein weißes Hemd und eine silbergraue Krawatte. Die übliche Geschäftskleidung, elegant und teuer. Aber warum fiel ihr jetzt auf, wie gut der Anzug seine breiten Schultern und die schmalen Hüften betonte?

„Ich habe gerade daran gedacht, dass ich Erster Klasse fliegen werde“, sagte sie.

„Ach ja. Noch etwas, was Sie noch nie gemacht haben.“

„Stimmt, und ich freue mich darauf.“ Sie warf ihm ein trockenes Lächeln zu. „Für Sie ist das sicher ein alter Hut.“

„Es ist erfrischend, jemanden zu erleben, der eine neue Erfahrung macht.“ Sein Lächeln wurde breiter, sein Blick beunruhigend warm.

Sie hob ihr Kinn und versuchte, nicht rot zu werden. „Ich muss zugeben, dass ich in diesen Dingen nicht sehr erfahren bin.“

„Und warum ist das so?“

„Vielleicht, weil ich kein Millionär bin?“, gab Hannah zurück.

Er legte den Kopf schräg und sah sie nachdenklich an. „Sie scheinen einiges im Leben verpasst zu haben, Hannah.“

Auch wenn sie wusste, dass es stimmte, tat es weh. „Ich habe gearbeitet“, entgegnete sie schulterzuckend. „Und ich habe Pflichten …“ Sie hielt inne, als sie Lucas neugierigen Blick bemerkte.

„Welche Pflichten?“

„Familie“, gab sie ausweichend zurück. „Nichts, was meine Arbeit beeinträchtigt.“

„Das weiß ich. Und ich schätze es sehr, dass Sie mitkommen.“

„Etwas anderes wäre mir wohl auch nicht übrig geblieben. Warum erzählen Sie mir nicht mehr über dieses Wochenende? Sie haben gesagt, es sei ein gesellschaftlicher Anlass.“

Die Wärme in Lucas Blick verschwand, und Hannah spürte, dass er angespannt war. „Andrew Tyson ist ein Familienmensch“, erklärte er. „Er hat eine Frau, zwei Kinder, und seine Resorts sind auf Familien ausgerichtet.“

„Ich habe ein bisschen über die Resorts recherchiert, als ich Ihre Reise organisiert habe“, meinte Hannah. „Einen Tyson-Urlaub vergisst man nie“, zitierte sie, und Luca verzog das Gesicht.

„Gefällt Ihnen das nicht?“

„Nicht besonders.“

Was sie nicht überraschen sollte. Luca Moretti war für sie nie der Typ mit Frau und Kindern gewesen. Ihm mangelte es zwar nie an weiblicher Begleitung, aber keine blieb lange. Höchstens eine Woche. „Warum sind Sie dann hinter diesen Resorts her, wenn Ihnen die Grundidee nicht gefällt?“

„Ich treffe geschäftliche Entscheidungen nicht aufgrund meiner persönlichen Vorlieben“, entgegnete Luca knapp. „Für mich ist nur wichtig, ob ein Geschäft lukrativ ist.“

„Aber Andrew Tyson hat doch nur eine Handvoll Resorts. Das sind doch Peanuts für einen Mann wie Sie“, stellte Hannah fest. Luca hatte rund um die Welt Milliardendeals eingefädelt. Eine Reihe von Familienresorts, die noch dazu aussahen, als müssten sie überholt werden, passte da nicht ins Bild.

„Wie ich schon sagte, das Land macht es zu einem lukrativen Deal.“

„Okay. Aber Sie haben mir immer noch nicht gesagt, warum das ein gesellschaftlicher Anlass ist.“

„Weil Tyson es so will. Er betont die Bedeutung einer Familie und will, dass jeder potenzielle Eigentümer mit ihm und seiner Familie gesellschaftlich verkehrt.“

„Also mit kleinen Kindern plaudern?“ Hannah schien amüsiert. „Das klingt wie Ihr schlimmster Albtraum.“

„Seine Kinder sind schon erwachsen. Sein Sohn ist nur ein Jahr jünger als ich.“

„Haben seine Kinder denn auch schon Kinder?“

„Keine Ahnung.“ Luca klang gelangweilt. „Wahrscheinlich. Der Sohn ist verheiratet.“

Hannah dachte über das nach, was er gesagt hatte. Allmählich verstand sie, warum Luca sie mitnahm.

„Ich soll also das Reden übernehmen“, schlussfolgerte sie. „Mich mit seiner Frau und seinen Kindern unterhalten, während Sie sich um das Geschäft kümmern. Stimmt’s?“

Kurz nickte er. „Richtig.“

Sie lehnte sich zurück. „Also schön. Das bekomme ich hin.“

„Gut“, antwortete Luca und widmete sich wieder seinem Handy.

Die VIP-Lounge im Flughafen war genauso, wie Hannah sie sich vorgestellt hatte. Mit gepolsterten Sesseln und einem üppigen Frühstücksbuffet. Luca schlug ihr vor, dass sie für eine Maniküre und Pediküre ins Spa gehen sollte, das es ebenfalls gab, was sie gern annahm. Wann hatte sie sonst schon einmal die Gelegenheit, sich in einem Spa zu entspannen?

Als sie das Flugzeug betraten, fühlte Hannah sich erfreulich entspannt, zumal man sich im Spa auch noch um ihre Frisur und ihr Make-up gekümmert hatte.

„Sie sehen gut aus“, meinte Luca

Obwohl Hannah wusste, dass es ihr egal sein sollte, was Luca von ihrem Aussehen hielt, gefiel ihr sein männlich bewundernder Blick.

„Ich glaube, ich könnte mich daran gewöhnen“, gestand sie, als sie ihre Plätze in der ersten Klasse einnahmen.

Lucas Mundwinkel wanderten nach oben. „Da bin ich mir sicher.“ Er nahm die beiden Gläser Champagner, die die Stewardess ihnen brachte, und reichte eines Hannah. „Und jetzt sollten Sie sich auch daran gewöhnen.“

„Warum sind Sie so versessen darauf, dass ich mich an Champagner gewöhne?“ Hannah trank einen Schluck.

„Warum nicht? Es ist doch schön, neue Erfahrungen zu machen. Und es macht mir Spaß, Ihnen dabei zuzusehen.“

Seine Worte machten Hannah nervös, weil sie etwas zu Vertrautes hatten. Das Letzte, was sie brauchte, war, sich in ihren Chef zu verlieben. Höchste Zeit, die Dinge wieder ins Lot zu rücken.

Luca musste den gleichen Gedanken gehabt haben, denn er griff nach einer Zeitschrift, als der Flieger abhob, und arbeitete danach während des vierstündigen Flugs.

Mit jeder Stunde, die verging, wirkte er angespannter. Hannah fragte sich, was mit ihm los war, wagte es jedoch nicht, zu fragen.

Endlich landeten sie auf Santa Nicola, umgeben vom Mittelmeer, das wie ein leuchtend blaues Versprechen von Glück und Erholung schimmerte.

„Holt uns jemand vom Flughafen ab?“, fragte Hannah.

„Ja, jemand von Tysons Personal.“ Luca stand auf und zog seine Jacke an. „Überlassen Sie mir das Reden.“

„Ich dachte, ich sollte das machen …“

„Aber nicht mit dem Personal.“

Verwirrt starrte Hannah ihn an, doch Lucas Miene gab nichts preis. Er hielt ihr eine Hand hin, um ihr aufzuhelfen. Nach einem kurzen Zögern nahm sie sie.

Als er ihre Finger umschloss, hatte sie das Gefühl, einen elektrischen Schlag zu bekommen. Instinktiv wollte sie ihm ihre Hand entziehen, doch er hielt sie nur noch fester.

„Kommen Sie“, murmelte er. „Die Leute warten.“

Er hielt immer noch ihre Hand, als sie ihm aus dem Flugzeug folgte. Heller Sonnenschein empfing sie. Hannah hörte, wie jemand Luca begrüßte, dann spürte sie, wie er seinen Arm um ihre Taille schlang.

Starr vor Schreck merkte sie, dass er seine gespreizten Finger auf ihre Hüfte legte, während sich ihre andere Hüfte an seinen Schenkel presste.

Signor Moretti? Wir freuen uns sehr, Sie auf Santa Nicola willkommen zu heißen.“ Ein gebräunter, freundlich aussehender Mann mit Khakishorts und einem roten Poloshirt mit dem Tyson-Logo auf der Brust kam auf sie zu. „Und das ist …“ Lächelnd sah er Hannah an.

„Hannah Stewart“, erklärte Luca, den Arm immer noch um ihre Taille geschlungen. „Meine Verlobte.“

4. KAPITEL

Benommen streckte Hannah dem Mann die Hand hin.

Signorina Stewart. Freut mich sehr, Sie kennenzulernen. Signor Moretti hat erwähnt, dass er seine Verlobte mitbringt. Ich bin Stefano.“

Hannah konnte nur an das eine Wort denken, das Luca so selbstverständlich ausgesprochen hatte. Verlobte.

„Was, in aller Welt …“

„Hannah“, murmelte Luca, und sie spürte den Druck seiner warmen Hand an ihrer Hüfte.

Immer noch völlig durcheinander, zwang sie sich zu einem Lächeln. „Sehr erfreut, Sie kennenzulernen.“

Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, bereute sie es. Jetzt war sie Teil dieser Lüge. Aber warum gibt Luca mich für jemanden aus, der ich nicht bin?

Weil er sich für jemanden ausgibt, der er nicht ist.

Die Antwort lag so klar auf der Hand, dass Hannah sich wunderte, warum sie nicht früher darauf gekommen war. Andrew Tyson war ein Familienmensch. Natürlich brauchte der bekannte Frauenheld Luca Moretti für dieses gesellschaftliche Ereignis eine Frau. Eine Verlobte, um Tyson zu beweisen, dass er der richtige Mann für die Resorts war.

„Hier entlang.“ Stefano deutete auf den Jeep. Luca hatte seinen Arm immer noch um ihre Taille geschlungen. Sie wollte ihn abschütteln, doch sein Griff war fest wie ein Schraubstock. Sie versuchte, seinen Blick einzufangen, aber er sah stur geradeaus. Verdammter Kerl!

Während der Fahrt nahm Hannah kaum etwas von der wunderschönen Landschaft war – den Bergen und dem üppigen Grün auf beiden Seiten der einspurigen Straße. Sie hatte gelesen, dass Santa Nicola praktisch noch unberührt war, abgesehen vom Resort. Ein Meer aus leuchtenden Blumen erstreckte sich vor ihnen, mit herrlichen Gärten und hohen Mauern aus rosa Sandstein.

„Luca“, begann sie, wusste jedoch nicht genau, wie sie ihren Protest formulieren sollte. „Sie können doch nicht …“

„Schon geschehen“, flüsterte er, als der Jeep vor einer weitläufigen Villa hielt, an deren hellen Wänden Efeu emporrankte und Bougainvilleen einen bunten Farbtupfer setzten.

Hannah wollte weiterreden, doch Stefano kam um den Wagen herum, öffnete die Tür und half ihr heraus.

„Mr. Tyson freut sich, Sie heute Abend bei einem Cocktail willkommen zu heißen. Bis dahin können Sie sich ausruhen und frisch machen.“

„Danke“, murmelte Hannah, obwohl alles in ihr sich gegen diese absurde Scharade auflehnte. Sie war so wütend, dass sie kaum etwas Höfliches zu Stefano sagen konnte, der natürlich nicht wusste, was los war. Noch nicht.

Sie fragte sich, ob sie ihm oder jemand anderem überhaupt die Wahrheit sagen könnte. Luca hatte es ihr praktisch unmöglich gemacht. Wie konnte er es wagen, sie in eine solche Lage zu bringen?

Stefano führte sie in das elegante Foyer, das einen atemberaubenden Blick auf das Meer bot und weiter durch eine Flügeltür, die in ein riesiges, elegantes Schlafzimmer führte. Ein großes Bett stand in der Mitte. Hinter der breiten Tür lag eine Terrasse, die zum Strand führte. Hauchdünne Vorhänge wehten in der leichten Brise.

„Wunderschön, danke.“ Luca schüttelte Stefanos Hand. Er verabschiedete sich, und endlich waren sie allein.

Hannah drehte sich zu Luca um. Er stand mitten im Zimmer, die Hände in den Hosentaschen vergraben, während er mit leicht gerunzelter Stirn die eleganten Möbel in hellem Grün und Creme musterte.

„Wie konnten Sie das tun?“, fragte sie atemlos.

Vollkommen ungerührt sah Luca sie an. Er zeigte weder Reue noch Verlegenheit. „Falls Sie darauf anspielen, wie ich Sie vorgestellt habe …“

„Natürlich meine ich das.“

„Es musste sein.“ Damit ging er zum Fenster, als wäre das Gespräch beendet.

Fassungslos starrte Hannah auf seinen breiten Rücken und sah, dass er das Fenster schloss. „Glauben Sie wirklich, dass das funktionieren kann?“

Luca drehte sich zu ihr um „Ich gehe nie ein Risiko ein, das zum Scheitern verurteilt ist.“

„Dann ist es höchste Zeit, dass Sie mal eine neue Erfahrung machen“, schnauzte sie.

„Warum? Weshalb soll ich Andrew Tyson nicht in dem Glauben lassen, dass Sie meine Verlobte sind?“

„Weil ich es nicht bin …“

„Sind Sie nicht geeignet dafür?“ Seine Stimme klang seidenweich und doch hart. „Sind Sie nicht hübsch, klug oder kultiviert genug?“

Wütend funkelte Hannah ihn an. „Nein, bin ich nicht. Und das wissen Sie ganz genau. Ich bin bis heute nicht einmal Erster Klasse geflogen und habe auch noch nie zuvor Champagner getrunken …“ Plötzlich dachte sie daran, wie er ihr mit einem Lächeln das Glas in die Hand gedrückt hatte, und brach in Tränen aus. Weil er ihr mit seinem Verhalten auch noch den letzten Rest an Illusion geraubt hatte. „Dann diente also alles, was Sie getan haben, nur dieser … dieser lächerlichen Farce.“ Sie sah auf ihre lackierten Nägel und dachte an den anerkennenden Blick, mit dem er ihre Frisur und das Make-up gewürdigt hatte. Sie sehen gut aus. Und sie war auch noch stolz über sein Lob gewesen. „Sie wollten nur, dass ich glaubwürdig wirke.“

„Ist das so verwerflich?“

„Diese ganze Farce ist verwerflich. Sie haben mich hintergangen!“

Luca seufzte, als würden ihn ihre Einwände langweilen. „Ich verlange doch nicht viel von Ihnen, Hannah.“

„Nicht viel? Sie verlangen von mir, dass ich fremde Menschen anlüge. Dass ich vorgebe, in … Sie verliebt zu sein.“

„Ich verlange nichts dergleichen“, gab Luca tonlos zurück. „Aber sicher wäre es doch nicht allzu schwer, oder?“

Glaubt er tatsächlich, so begehrenswert zu sein – oder dass ich so verzweifelt bin?

„Doch, das wäre es“, erwiderte sie steif. „Weil ich kaum etwas über Sie weiß. War das der Sinn des kleinen Kennenlernspiels gestern Abend?“ Sie schüttelte den Kopf, entrüstet über ihn und sich selbst. Sie hatte gewusst, dass er etwas im Schilde führte, aber darauf wäre sie nie gekommen. „Zumindest wissen Sie jetzt, dass ich ein Einzelkind bin. Das können sie ja während der Cocktailstunde erwähnen.“

„Sie kennen mich gut genug“, entgegnete Luca gelassen. „Schließlich arbeiten Sie seit drei Jahren für mich.“ Er kam zu ihr. „Tatsächlich kennen Sie mich wahrscheinlich besser als jeder andere.“

„Ach ja?“ Sein Eingeständnis überraschte sie, machte sie aber auch ein wenig traurig. Sie wusste, dass Luca ein Einzelgänger war, aber es gab doch sicher Menschen in seinem Leben, die ihm näherstanden als seine Chefsekretärin. „Was ist mit Ihrer Familie?“

„Die ist nicht da.“

„Wo …“

„Sie sind der einzige Mensch, der mich jeden Tag sieht, Hannah. Sie kennen meine Vorlieben, meine Schwächen und Eigenheiten. Ja, ich denke, Sie kennen mich sehr gut.“

„Aber Sie kennen mich nicht.“ Was ihr auch egal war. Denn sie wollte nicht seine Verlobte spielen, selbst wenn sie beste Freunde wären – was sie ganz sicher nicht waren.

„Ich glaube, ein bisschen kenne ich Sie schon.“ Ein Lächeln umspielte seinen sinnlichen Mund, das Hannah zu ihrem großen Ärger – und allem Überfluss – nervös machte.

„Wie sollten Sie? Bis gestern Abend haben Sie mich noch nie etwas Persönliches gefragt.“

„Vielleicht muss ich nicht fragen.“

„Was soll das heißen?“ Ihr hob sich der Magen, als er noch einen Schritt nähertrat. Am liebsten wäre sie zurückgewichen.

„Mal sehen“, murmelte Luca mit tiefer Stimme und war ihr nun so nah, dass sie seine Hitze spürte. Würde sie die Hand ausstrecken, könnte sie seine Brust berühren, seinen Herzschlag spüren …

Scharf atmete Hannah ein, entsetzt über ihre Gedanken.

Sein Blick wirkte wie eine Liebkosung. „Ich weiß, dass Sie Ihren Kaffee mit Milch und zwei Stück Zucker trinken, obwohl Sie so tun, als würden Sie ihn schwarz trinken.“

Es war nur eine Kleinigkeit, aber er hatte recht. Sie tat den Zucker erst in den Kaffee, wenn sie allein war. Denn jede arbeitende Frau in London schien ihren Kaffee schwarz zu trinken und zum Lunch nur Salatblätter zu essen.

„Das ist nicht sonderlich viel“, spottete sie.

„Ich fange ja gerade erst an“, warf Luca ein. „Ich weiß, dass Sie sich während der Mittagszeit Reiseblogs ansehen. Und dass Sie eine unglaubliche Arbeitsmoral haben und immer freundlich wirken wollen. Aber wenn Sie sich unbeobachtet glauben, wirken Sie manchmal traurig.“

Woher weiß er all das?

„Und ich weiß, dass es jemanden namens Jamie in Ihrem Leben gibt und dass diese Person Ihnen sehr wichtig ist.“

„Gut gemacht, Sherlock“, brachte sie mühsam heraus. „Offenbar sind Sie sehr scharfsichtig, aber das ändert nichts daran, dass ich es für falsch halte und Sie mich niemals in diese Lage hätten zwingen dürfen.“

Die Wärme in Lucas Blick war verschwunden. „Und wie genau soll ich Sie gezwungen haben?“ Seine Stimme klang gefährlich sanft.

„Sie haben mir doch keine Wahl gelassen“, rief Hannah, „… und Sie haben mich einfach als Ihre Verlobte vorgestellt. Was sollte ich da denn machen? Sagen, dass Sie lügen?“

Er zuckte mit den Schultern. „Sie hätten es tun können.“ Mit kühlem Blick sah er sie an. „Warum haben Sie es nicht getan?“

„Weil …“ Sie stockte. „Es wäre peinlich gewesen. Für uns beide.“

„Was hätte das schon ausgemacht?“

„Vielleicht hätten Sie mich gefeuert …“

Er hob eine Braue. „Und wäre wegen sexueller Belästigung verklagt worden? Dann hätten Sie tatsächlich Ihren Job verloren, und ich meinen auch.“

Sie schluckte. „Sie hätten mir eine Abfindung zahlen können.“

Sein Lächeln war zynisch. „Ist es das, was Sie wollen?“

„Nein.“ Es irritierte und ärgerte Hannah, welchen Verlauf ihr Gespräch genommen hatte. Natürlich würde sie ihn nicht verklagen.

„Ich will kein Geld“, erklärte sie steif. „Ich will mich nur nicht in dieser Lage befinden müssen. Warum haben Sie mir nicht vorher gesagt, was Sie vorhaben?“

„Weil Sie sich dann geweigert hätten.“

„Sie haben nicht einmal einen Funken Schuldgefühl, stimmt’s?“, fragte sie erstaunt.

„Nein, den habe ich nicht“, stimmte Luca zu. „Weil ich nicht viel von Ihnen verlange. Und das würden Sie auch erkennen, wenn Sie für einen Augenblick ihre selbstgerechte Empörung vergessen.“

„Sie verlangen von mir, dass ich lüge.“

„Haben Sie etwa noch nie gelogen?“

Sie biss sich auf die Lippe. „Natürlich. Jeder lügt, aber das hier ist etwas anderes …“

„Andrew Tyson stellt unsinnige Erwartungen an den potenziellen Käufer seiner kostbaren Resorts“, fiel Luca ihr ins Wort. „Ich weiß, dass ich für diesen Job der beste Mann bin, auch ohne verheiratet zu sein. Das Unrecht liegt auf seiner Seite, nicht auf meiner.“

„Wie viele Mitbewerber gibt es denn?“

„Zwei, und sie sind beide verheiratet.“

Plötzlich hatte sie den Wunsch, ihn aufzuziehen. „Und Sie waren nicht versucht, mich als Ihre Frau vorzustellen?“

„Doch“, gestand Luca. „Aber das wäre doch ein bisschen zu schwer durchzuziehen gewesen.“

„Wie vernünftig von Ihnen“, murmelte Hannah. Auch wenn sie immer noch durcheinander war, löste ihre Empörung sich langsam in Luft auf. Vielleicht, weil sie es leid war, weiter zu streiten, oder weil sie Mitleid mit ihm hatte.

Langsam ging sie zu einem Diwan, der in einem Alkoven stand, und setzte sich. „Und wie stellen Sie sich das Ganze vor? Obwohl ich nicht beabsichtige, da mitzumachen.“

„Natürlich nicht“, murmelte Luca, zog seine Krawatte aus und begann, sein Hemd aufzuknöpfen.

„Was machen Sie da?“, kreischte Hannah, obwohl sie ihm fasziniert zugesehen hatte.

„Umziehen. In knapp einer Stunde sind wir zum Cocktail eingeladen.“

„Können Sie dazu nicht ins Bad gehen?“ Sie deutete mit dem Kopf zur Tür.

„Warum sollte ich?“ Sein Lächeln wirkte verschmitzt. „Schließlich sind wir verlobt.“

„Sie sind unmöglich.“ Hannah schloss die Augen, als er sein Hemd auszog, hatte jedoch noch einen Schimmer seiner gebräunten Haut aufgefangen.

„Sie sind nicht die Erste, die mir das sagt.“

Auch mit geschlossenen Augen hörte sie, wie er sich auszog. Sie malte sich aus, wie er aus seiner Hose stieg, lange, muskulöse Beine enthüllte und nichts trug als eine Boxershorts, vielleicht in marineblauem Satin …

Du meine Güte, ich sollte damit aufhören! „Sie haben mir immer noch nicht gesagt, wie das Ganze funktionieren soll.“

„Ganz einfach. Wir tun so, als ob wir verlobt wären.“

„Einfach?“

Sie öffnete die Augen und funkelte Luca an. Inzwischen trug er eine graue Hose, doch sein Oberkörper war noch nackt. „So einfach ist das nicht, Luca. Wir sind nicht verlobt und wissen nur wenig voneinander. Wenn irgendjemand uns fragt, wie wir uns kennengelernt haben oder Näheres über unsere Beziehung wissen will, haben wir keine Ahnung, was wir sagen sollen.“

„Am besten ist es, so nah wie möglich an der Wahrheit zu bleiben“, schlug Luca vor und griff nach einem hellblauen Hemd. „Sie sind immer noch meine Chefsekretärin.“

„Und zufällig sind wir auch noch verlobt. Wie praktisch.“

Kurz warf er ihr ein Lächeln zu. „Sag ich doch. Und jetzt sollten Sie sich fertigmachen.“

5. KAPITEL

Luca blickte hinaus auf die untergehende Sonne, die das Meer in Gold verwandelte. Er wartete darauf, dass Hannah endlich aus dem Bad auftauchte. Na schön, ich habe sie hereingelegt. Das hätte ich nicht tun sollen. Aber ihm war keine andere Wahl geblieben. Sicher, Hannah verstand das nicht, und er hatte auch nicht die Absicht, es ihr zu erklären.

Der Gedanke, dass er Andrew Tyson bald gegenüberstehen würde, machte ihn nervös. Seit Tyson vor drei Monaten angekündigt hatte, seine Familienresorts verkaufen zu wollen, hatte Luca noch kein Wort mit ihm gesprochen. Er hatte alles von Mittelsmännern organisieren lassen. Jetzt würde er sich endlich den Mann ansehen können, den er schon so lange hasste. Er musste diesen Deal einfach abschließen und würde alles daransetzen, dass es klappte.

„Sind Sie fertig?“, rief er, denn in fünf Minuten sollten sie auf der Terrasse sein.

„Ja.“ Hannah öffnete die Tür und trat mit hoch erhobenem Kopf aus dem Bad, auch wenn ihr Blick Verunsicherung verriet.

Luca hielt die Luft an. Sie trug ein pflaumenfarbenes Seidenkleid, das perfekt ihre kleinen Brüste und die schmale Taille betonte und bis zum Knie ging. Die Haare hatte sie nicht wie sonst zu einem Pferdeschwanz gebunden, sie fielen ihr in weichen Locken ins Gesicht. Sie sah unglaublich verführerisch aus.

Endlich fand Luca seine Stimme wieder. „Sie sehen … gut aus.“

„Dann finde ich also Ihre Billigung?“, konterte Hannah kühl. „Ich muss schließlich der Rolle gerecht werden.“ Sie ging zu ihrem Koffer und wühlte darin herum. „Im Übrigen habe ich nun überhaupt kein schlechtes Gewissen mehr, dass Sie ein Vermögen für meine Kleidung ausgegeben haben.“

„Das sollten Sie auch nicht.“ Die untergehende Sonne zauberte goldene Lichtreflexe in ihr Haar. Luca sah zu, wie sie die Haare zurückstrich, um ihre Ohrringe anzustecken, was er ungeheuer erotisch fand.

„Vermutlich muss ich den Schmuck zurückgeben, wenn diese Scharade vorbei ist, oder?“ Sie griff nach der Perlenkette.

„Aber nein. Sie können den Schmuck behalten. Er gehört Ihnen.“

Vergeblich mühte Hannah sich mit dem Verschluss der Kette ab, und Luca trat zu ihr. „Lassen Sie mich das machen.“ Seine Finger strichen über ihren Nacken, als er den Verschluss schloss. Ein Schauer durchzuckte sie. Und zu ihrer Überraschung spürte sie, dass es ihm genauso ging. Noch einmal strich Luca über ihre zarte Haut, bevor er einen Schritt zurücktrat.

„Danke“, flüsterte sie, ohne ihn anzusehen.

„Ich hätte Ihnen besser passenden Diamantschmuck kaufen sollen.“

„Das wäre doch etwas übertrieben gewesen. Perlen reichen sicher.“

„Ja … aber ich würde Sie gern mit Diamanten sehen. Und Saphiren. Sie würden sehr hübsch aussehen auf Ihrer hellen Haut.“

Sie senkte den Kopf, damit er ihre Miene nicht sah. „Danke.“

Luca wünschte, noch einen Grund zu haben, um sie berühren zu können. „Sie wirken nicht mehr so wütend wie eben.“

Schnell warf sie ihm einen Blick zu, ehe sie wieder die Lider senkte. „Ich bin es auch nicht. Um ehrlich zu sein, ich mag Sie, Mr. …“

„Ab jetzt solltest du mich aber wirklich Luca nennen. Und mich duzen.“

„Luca.“ Hannah seufzte und entfernte sich ein Stück von ihm. „In diesem Punkt sollte ich mir besser keinen Fehler erlauben.“ Sie griff nach einem dünnen Umhang, der die gleiche Farbe hatte wie ihr Kleid. „Ich arbeite gern für Sie … ich meine für dich, auch wenn ich es dir nach wie vor übelnehme, dass ich bei dieser Farce mitmachen muss. Aber ich will weder, dass du dein Gesicht noch deinen Job verlierst. Und meinen will ich auch nicht verlieren.“ Sie drehte sich zu ihm um, ein entschlossenes Lächeln auf dem Gesicht. „Also los.“

„Also los.“ Er sah sie an, und sie erwiderte seinen Blick. Der Moment zog sich in die Länge, während die Sonne immer weiter unterging und das Zimmer in Schatten tauchte.

Schließlich griff Luca nach ihrer Hand. „Wir sollten gehen.“ Er verschränkte seine Finger mit ihren, und gemeinsam verließen sie das Zimmer.

Die letzten Sonnenstrahlen tauchten die Terrasse in ein magisches Licht, als Luca seine vermeintliche Verlobte durch die geöffnete Tür führte. Fackeln flackerten in der zunehmenden Dämmerung. Die anderen Gäste standen auf der Terrasse. Bedienstete trugen Tabletts mit Champagner und Cocktails, die sie den Gästen anboten.

Mit einem Lächeln nahm Hannah sich ein Glas Champagner. Sie trank einen Schluck und sah sich die anderen Gäste an. Zwei weitere Paare, ein kultivierter blonder Mann mit einer großen, knochig aussehenden Frau, die Hannah vage bekannt vorkam. Außerdem ein Mann in mittleren Jahren mit grauen Haaren und einer lächelnden Frau, die sich in ein grünes Kleid aus Satin gequetscht hatte. Soweit sie sagen konnte, war ihr Gastgeber nirgends zu sehen.

Luca sah amüsiert aus, aber sie spürte, dass er angespannt war. Die Knöchel der Hand, mit der er sein Glas hielt, traten weiß hervor. Wieder fragte Hannah sich, warum ihm dieses Treffen so wichtig war. Aber sie wusste, dass er es ihr niemals sagen würde. Und sie würde wahrscheinlich nicht den Mut aufbringen, ihn zu fragen.

„Seid gegrüßt.“ Ein Mann von etwa Siebzig erschien in der Terrassentür, rieb sich die Hände und lächelte erwartungsvoll. Hannah erkannte Andrew Tyson, weil sie ein Foto von ihm auf der Webseite der Tyson Resorts gesehen hatte. Er war leicht dicklich, hatte helles Haar mit silbernen Strähnen und tiefliegende braune Augen. In jungen Jahren musste er sehr attraktiv gewesen sein, und auch jetzt hatte er noch viel Charisma.

„Ich freue mich sehr, Sie endlich hier zu haben“, sagte er und schlenderte auf die Terrasse. „Luca, James und Simon. Sie kennen einander?“

Die Männer tauschten einen schnellen Blick und nickten kurz. „Wunderbar. Und alle haben schon etwas zu trinken?“ Sein Blick blieb an Luca hängen.

„Luca Moretti“, sagte er und trat zu ihm. „Wir haben uns zwar noch nicht kennengelernt, aber ich weiß natürlich von Ihren Erfolgen in der Immobilienwelt.“

Hannah sah zu Luca. Seine Miene wirkte ausdruckslos.

„Danke“, murmelte er.

„Und Sie haben sich kürzlich verlobt?“ Andrews Lächeln wirkte beinahe verschlagen. „Von Ihren anderen Erfolgen habe ich natürlich auch gehört.“

Luca zog Hannah ein Stück vor. „So ist es. Darf ich Ihnen meine zukünftige Frau vorstellen? Hannah Stewart.“

„Hannah.“ Tyson warf ihr einen abschätzenden Blick zu, und eine schreckliche lange Sekunde fragte Hannah sich, ob er diese lächerliche Farce durchschaute. Ihr wurde bewusst, dass sie nicht in dieser Weise bloßgestellt werden wollte. Und auch nicht wollte, dass Luca es wurde. Er mochte sie hereingelegt haben, aber jetzt war sie Teil dieses Spiels und wollte, dass es funktionierte.

„Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen“, sagte sie zu Tyson und reichte ihm die Hand. Statt sie zu schütteln, küsste er sie.

„Ganz meinerseits“, meinte Tyson. „Und wie haben Sie beide sich kennengelernt?“

„Hannah ist meine Chefsekretärin“, warf Luca schnell ein. „Wir haben uns bei der Arbeit kennengelernt. Ich bin zwar dafür, Geschäft und Vergnügen zu trennen, aber in diesem Fall war es unmöglich.“ Er warf Hannah ein liebevolles Lächeln zu, das jedoch nicht seine Augen erreichte. Trotzdem durchlief sie ein Prickeln. Sie wusste, dass es gelogen war, doch es war schon so lange her, dass ein Mann ihr ein Kompliment gemacht hatte.

„Das kann ich verstehen.“ Andrew warf ihr ein charmantes Lächeln zu. „Und wie sah sein Antrag aus, Hannah? Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich frage?“

Oje. Fieberhaft dachte sie nach, dann lachte sie auf. „Ach, es war so romantisch“, säuselte sie und schlang ihren Arm um Lucas Hüfte. Auch wenn er sich verspannte, genoss sie es, ihn zu berühren. „Er hat mich mit einem Wochenende in Paris überrascht. Wir sind mit seinem Privatjet geflogen.“ Sie warf Luca einen Blick zu, von dem sie hoffte, dass er liebevoll wirkte, und freute sich, als seine misstrauische Miene vorsichtiges Interesse zeigte. Er wollte wissen, was noch kam. „Und dann hat er mich an einem zauberhaften Abend auf den Eiffelturm geführt. Er hatte den ganzen Turm gemietet, sodass wir allein waren.“

„Ich wusste gar nicht, dass man den Eiffelturm mieten kann“, warf Andrew ein.

„Oh ja“, fuhr Hannah strahlend fort, „wenn man die richtigen Leute kennt. Nicht wahr, Luca?“

Er lächelte verhalten. „So ist es.“

„Und was ist dann passiert?“, fragte die Frau in grünem Satin. Alle hörten jetzt ihrer Geschichte zu, sichtlich fasziniert von dieser übertriebenen Romantik. Hannah wusste, dass sie nicht zu dick auftragen sollte. Schließlich ging es hier um Luca Moretti, dem ein gewisser Ruf vorauseilte. Trotzdem, wenn Luca etwas tat, dann hundertprozentig.

„Dann hat er mir gesagt, dass er unsterblich verliebt in mich ist“, fügte sie unbekümmert hinzu, „und hat mir einen Heiratsantrag gemacht. Auf den Knien.“ Mit einem glücklichen Seufzer beendete sie ihre Erzählung.

Andrew Tyson lächelte, als er mit dem Kopf auf ihre Hand deutete. „Aber Sie haben ja noch keinen Ring, meine Liebe.“

„Oh doch“, versicherte Hannah ihm. „Luca hat mir den wundervollsten Ring präsentiert, ein Familienerbstück, Hunderte von Jahren alt. Allerdings hat er ihn für mich ändern lassen, mit Diamanten und Saphiren“, fügte sie hinzu, weil sie sich daran erinnerte, was Luca ihr vorher gesagt hatte. „Er ist prachtvoll.“

„Und was ist mit dem Ring?“, fragte die große, hagere Frau ein wenig schnippisch.

„Er war zu groß.“ Verspielt tätschelte sie Luca die Wange, ohne auf seinen warnenden Blick zu achten. „Er ist beim Juwelier, weil er enger gemacht werden muss.“ Mit einem Zwinkern wandte sie sich wieder an Andrew Tyson. „Aber wenn wir uns das nächste Mal sehen, werden Sie geblendet sein von meinem Ring.“ Warum habe ich das jetzt gesagt? Hannah wollte Andrew Tyson nicht noch einmal sehen und diese Farce weiterführen. Vermutlich hatte sie sich mitreißen lassen.

„Da bin ich sicher“, murmelte Andrew. „Ich bin entzückt, meine Liebe.“ Damit wandte er sich einem anderen Gast zu, und Hannah hätte vor Erleichterung am liebsten tief Luft geholt. Doch sie spürte die neugierigen Blicke der anderen Gäste, die sich zweifellos fragten, was ein Mann wie Luca Moretti an ihr fand.

„Du bist ein Naturtalent“, flüsterte Luca ihr ins Ohr. „Du solltest Schauspielerin werden.“

„Pst“, machte Hannah. Sie lösten sich von der Gruppe und sahen zum Meer, das nun in tiefer Dunkelheit dalag. Nur der Mond warf sein silbernes Licht über das Wasser. „Ehrlich gesagt hat es mir sogar Spaß gemacht.“

„Das habe ich gemerkt. Beinahe hätte ich selbst geglaubt, dass ich dir einen Ring aus dem Familienerbe geschenkt habe.“

„Darum ging es doch, oder?“, entgegnete Hannah. Sie hätte für einen Moment selbst nur zu gern daran geglaubt, dass es tatsächlich stimmte. Doch sie musste sich daran erinnern, dass nichts von all dem der Wahrheit entsprach.

„Hätte ich gewusst, wie viel Spaß dir die Sache macht, hätte ich dich schon früher aufgeklärt.“

„Ich denke, es ist eher eine Notwendigkeit“, gab Hannah zurück und sah zu den anderen. „Ist Tysons Frau nicht da? Oder seine Kinder?“

Das Lächeln auf Lucas Gesicht verschwand. „Sie kommen morgen, zum festlichen Dinner.“

„Und wann wird er verkünden, wer die Ausschreibung gewonnen hat?“

Luca zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich glaube, er macht sich ein Spiel daraus mit uns allen.“

Hannah sah zu Andrew, der für jeden Gast ein persönliches Wort hatte. „Er scheint nett zu sein.“

„Der Schein kann trügen.“

Überrascht über seinen harten Ton, ging ihr Blick zu Luca. „Du magst ihn nicht.“

„Ich kenne ihn doch gar nicht.“ Luca trank den Rest seines Champagners. „Aber ich mag es nicht, zu diesem Schauspiel gezwungen zu werden. Seine Forderungen sind unvernünftig und irrelevant.“

„Und trotzdem hast du es auf seine Resorts abgesehen.“

Autor

Kate Hewitt

Aufgewachsen in Pennsylvania, ging Kate nach ihrem Abschluss nach New York, um ihre bereits im College angefangene Karriere als Schauspielerin weiter zu verfolgen. Doch ihre Pläne änderten sich, als sie ihrer großen Liebe über den Weg lief. Bereits zehn Tage nach ihrer Hochzeit zog das verheiratete Paar nach England, wo...

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Julia James lebt in England. Als Teenager las sie die Bücher von Mills & Boon und kam zum ersten Mal in Berührung mit Georgette Heyer und Daphne du Maurier. Seitdem ist sie ihnen verfallen.

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