Liebesreise nach Cornwall: Der Kuss der Rose

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Auf nach Cornwall! Rose ist sehr gespannt auf das Haus, das sie hier geerbt hat. Kaum angekommen, begegnet sie in einem malerischen Fischerdorf dem attraktiven Greg Trelawney, der ihr mit einem einzigen Kuss das Herz raubt. Dabei weiß Rose so gut wie nichts von diesem geheimnisvollen Mann, der sie an einen verwegenen Piraten erinnert.


  • Erscheinungstag 01.04.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783955766191
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Angela Devine

Der Kuss der Rose

Roman

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MIRA® TASCHENBUCH

MIRA © TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2012 by MIRA Taschenbuch
in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Dark Pirate

Copyright © by Angela Devine

erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V., Amsterdam

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Titelabbildung: Mauritius GmbH, Mittenwald

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN eBook: 978-3-95576-619-1

www.mira-taschenbuch.de

eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net

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1. KAPITEL

Rose war noch nie einem Mann begegnet, der so interessant und zugleich verwegen ausgesehen hatte wie dieser Fischer, der lässig an einem der Tische saß. Zumindest nahm sie an, dass er ein Fischer war, denn die Wortfetzen, die sie aus dem Stimmengewirr aufgeschnappt hatte, handelten fast alle vom Fischfang.

Mit seinem dichten schwarzen Haar, den dunkelbraunen Augen und den markanten Zügen wirkt er wie ein Schmuggler, ging es Rose durch den Sinn. Sie schätzte den Mann auf Mitte dreißig und konnte ihn sich lebhaft in eine Schlägerei verwickelt vorstellen oder aber mit einem schönen Mädchen aus dem Dorf in den Armen, das er leidenschaftlich küsste.

Das gefährliche Funkeln in seinen Augen, ja, seine ganze Ausstrahlung verrieten Rose, dass dieser Mann etwas von Frauen verstand. Er trug verwaschene Jeans und ein rotkariertes Flanellhemd mit aufgerollten Ärmeln, das seine kräftigen, dunkel behaarten Unterarme freigab. Selbst in diesen Sachen strahlte er eine Sinnlichkeit aus, die Rose den Atem raubte.

Ob er wohl verheiratet ist? fragte sie sich und betrachtete ihn versonnen. Plötzlich merkte sie, dass der Fremde zu ihr hinüberblickte, und sein spöttisches Lächeln vertiefte sich. Rose schoss vor Scham das Blut in die Wangen. Er hatte die ganze Zeit gemerkt, dass sie ihn angestarrt hatte! Als er sich dann auch noch erhob und direkt auf sie zukam, wäre Rose am liebsten im Boden versunken.

Der Mann stand nun so dicht neben ihr, dass ihr sein frischer, männlicher Duft in die Nase stieg.

“Darf ich Ihnen einen Drink bringen?”, fragte er höflich, und seine dunkle Stimme klang dabei so aufregend erotisch, dass Rose ein prickelnder Schauer überlief. “Ich wollte für Charlie und mich noch ein Bier holen, da könnte ich Ihnen doch auf dem Weg gleich auch etwas mitbringen.”

Der Fremde lächelte so umwerfend charmant, dass Rose im ersten Moment kein Wort hervorbrachte. Seine weißen Zähne blitzten und bildeten einen attraktiven Kontrast zum sonnengebräunten Gesicht. Als Rose immer noch nicht antwortete, nahm er den zweiten Bierkrug ebenfalls in die linke Hand und streckte die rechte nach Roses Glas aus.

Endlich hatte sie sich wieder gefasst und bedeckte das Glas mit beiden Händen. “Oh … nein danke. Das ist sehr nett von Ihnen, aber ich möchte wirklich nichts mehr trinken. Ich muss nämlich gleich gehen und …” Verzweifelt suchte sie nach Worten.

“Wie Sie meinen”, entgegnete der Fremde freundlich, wandte sich um und schlenderte zur Bar.

Rose kam sich vor wie ein unbedarfter Teenager. Nervös trank sie ihren Apfelwein aus und versuchte, sich zu beruhigen. Was war nur los mit ihr? Sie war siebenundzwanzig und kein schüchternes Schulmädchen mehr. Außerdem hatte sie mehrere Jahre als hochbezahlte Computerprogrammiererin gearbeitet und war es gewohnt, sich in der Männerwelt durchzusetzen.

Sie beherrschte ihren Job, konnte gewandt auftreten und verfügte über beste Umgangsformen. Außerdem wusste sie, wie man sich angemessen und vorteilhaft zugleich kleidete und frisierte. Kurz, sie hatte gelernt, sich selbst und ihr Leben unter Kontrolle zu bringen.

Aber wieso bekam sie dann Herzklopfen wie ein Teenager, nur weil ein einfacher Fischer sie zum Drink hatte einladen wollen? Wahrscheinlich, weil ich Martins wegen noch so aufgewühlt bin, dachte Rose. Vielleicht lag es aber einfach nur an der Atmosphäre von Polperro selbst – dieses kleine Dorf war so rührend altmodisch und idyllisch. Rose kam sich vor wie in eine frühere Zeit zurückversetzt, und dieses Gefühl weckte romantische Empfindungen in ihr, die sie fast ihr ganzes bisheriges Leben unterdrückt hatte.

Wie sonst sollte sie sich ihre plötzliche Anwandlung erklären, einen sündhaft teuren Wollpullover mit dazu passendem Musselinrock zu kaufen, obwohl eine solche Kleidung normalerweise gar nicht ihr Stil war? Wie sonst auch trug sie ein klassisches Kostüm. Doch seltsamerweise hatte sich Rose auf Anhieb in den weichen Zweiteiler verliebt.

Die aufgestickten zartblauen Vergissmeinnicht passten genau zu ihrer Augenfarbe, und Rose hatte bei der Anprobe die Spange gelöst und das lange kastanienbraune Haar um ihre Schultern fallen lassen. Wie ungewohnt weich und weiblich sie in dieser Aufmachung ausgesehen hatte. Rose hatte kurz entschlossen eine Anzahlung geleistet und die Verkäuferin gebeten, die Sachen für sie zurückzulegen, bis sie, Rose, bei der Bank Travellerschecks eingelöst hätte, um den Restbetrag zu begleichen.

Ach, du meine Güte! dachte Rose und sah nervös auf die Uhr. Wenn ich noch vor Schließung der Bank dort sein will, muss ich mich jetzt aber beeilen!

Rose öffnete ihre Handtasche und wollte die Brieftasche, in der die Travellerschecks aufbewahrt waren, herausholen, doch sie fand sie nicht. Immer aufgeregter wühlte sie in allen Fächern, doch die Brieftasche blieb verschwunden. Das durfte nicht wahr sein! Alle wichtigen Papiere befanden sich darin – Personalausweis, Travellerschecks und das Rückflugticket nach Australien. Rose stöhnte auf. Sofort war der Mann von vorhin bei ihr.

“Stimmt etwas nicht, Ma’am? Sie sind ganz blass geworden. Geht es Ihnen nicht gut?”

“N… nein, nein”, stammelte Rose. “Ich habe nur meine Brieftasche verloren. In der sind alle meine wichtigen Sachen drin: Pass, Travellerschecks, mein Rückflugticket … Was soll ich jetzt machen? Ich hab nur noch meinen kleinen Geldbeutel, und da sind bloß fünfzig Pence drin!”

“Nur keine Panik”, sagte der Mann beruhigend. “Polperro ist ein kleines Dorf, und die Leute hier sind ehrlich. Es sei denn, einer von den Touristen hat Ihre Brieftasche in die Finger bekommen. Wahrscheinlich haben Sie irgendwo etwas bezahlt, danach die Tasche nicht richtig zugemacht, und die Brieftasche ist herausgefallen. Denken Sie noch mal genau nach. Wo haben Sie sie zuletzt gehabt?”

Krampfhaft versuchte Rose, sich zu erinnern. Sie war um elf Uhr morgens mit dem Bus aus Looe angekommen und danach in einer Pferdekutsche ins Stadtzentrum gefahren, wo sie alle möglichen Geschäfte, Galerien und Souvenirläden besucht hatte. In einem davon hatte sie den schönen Strickzweiteiler entdeckt, für den sie eine Anzahlung leistete, weil die Verkäuferin keine Travellerschecks annehmen wollte.

Rose hatte beschlossen, erst nachmittags zur Bank zu gehen, damit sie ihre Einkäufe nicht stundenlang mit sich herumschleppen musste. Danach war sie noch längere Zeit im Dorf herumgeschlendert, und zum Schluss war sie zu den Klippen hinaufgewandert. Vermutlich hatte sie die Brieftasche dort oben verloren, als sie ein Taschentuch aus der Tasche gezogen hatte …

“Ja, auf den Klippen könnte ich sie verloren haben”, meinte Rose schließlich nachdenklich. “Aber ich bin dort oben ziemlich lange spazieren gegangen. Es gibt viele Möglichkeiten, wo Sie liegen könnte.”

Rose erzählte dem Fremden, wo sie vorher überall gewesen war, bis er sie ungeduldig unterbrach.

“Lassen Sie uns erst mal hier suchen. Vielleicht liegt die Brieftasche irgendwo auf dem Fußboden. Kommen Sie, ich helfe Ihnen.”

Rose fragte sich, warum dieser Mann ihr so selbstverständlich half. Tat er es aus reiner Gutmütigkeit, oder hatte er andere Motive?

Die beiden gingen in die Hocke und suchten den ganzen Fußboden des Pubs ab, doch die Brieftasche war nicht zu finden. Rose stand mit Tränen in den Augen auf. Das war einfach zu viel! Zuerst das Drama mit Martin und ihre, Roses Kündigung, dann die unerwartete Totaloperation ihrer Mutter, bevor sie zusammen nach England fliegen wollten, der anstrengende Flug von Australien hierher, und nun das!

Rose schluckte und wandte sich an den Fremden. “Vielen Dank für Ihre Unterstützung, aber ich glaube, es ist wohl am besten, wenn ich zur Polizei gehe, den Verlust der Brieftasche melde und dann bei American Express anrufe. Ach, hätte ich doch bloß ein bisschen besser auf meine Sachen aufgepasst!”

Der Fremde legte seine kräftigen Hände auf ihre Schultern und drückte Rose auf einen Stuhl. Er wirkte nicht wie ein Mann, der Zeit damit verschwendete, Touristinnen aus der Patsche zu helfen.

“Jetzt beruhigen Sie sich erst einmal”, sagte er sanft. “Ich bringe Ihnen noch einen Drink, und dann werden wir sehen, was wir machen. Was hätten Sie denn gern?”

“Ich … ich habe doch kein Geld mehr …”

“Ein kleiner Drink für Sie stürzt mich bestimmt nicht in den finanziellen Ruin”, versicherte er ihr. “Also, was möchten Sie?”

Rose gab sich seufzend geschlagen. “Also gut, etwas Alkoholfreies, bitte. Einen Apfelsaft vielleicht.”

Sie konnte es sich nicht verkneifen, dem großen Fremden bewundernd nachzuschauen, als er an die Bar ging. Dieser Mann strahlte ungeheuer viel Kraft und Selbstsicherheit aus. Unwillkürlich drängte sich Rose der Vergleich mit Martin auf. Wie unterschiedlich die beiden Männer doch waren. Gegen diesen Fischer aus Cornwall wirkte Martin regelrecht aufgeblasen.

Rose war überzeugt, dass dieser Fremde mit seiner sinnlichen Ausstrahlung die Frauen anzog wie das Licht die Motten. Doch sie, Rose, würde nicht darauf hereinfallen und sich zum zweiten mal die Finger verbrennen. Dennoch verspürte sie ein erregendes Kribbeln im Bauch, als er an ihren Tisch zurückkam. Er stellte das gefüllte Glas ab und streckte ihr die Hand entgegen.

“Ich bin Greg Trelawney und lebe hier. Und wie heißen Sie?”

“Rose. Rose Ashley”, antwortete sie und gab ihm die Hand, wobei sein fester Händedruck das elektrisierende Prickeln noch verstärkte. “Ich komme aus Australien.”

“Na, dann herzlich willkommen in Polperro”, sagte Greg lächelnd und hob sein Glas. “Tut mir leid, dass Ihr erster Tag bei uns alles andere als erfreulich war. Aber das lässt sich sicher bald ändern. Jetzt genießen Sie erst mal Ihren Drink. Prost!”

“Prost!” Rose erwiderte zögernd sein Lächeln. Der Apfelsaft tat ihr gut, und mit einem Mal schien der Verlust der Brieftasche gar nicht mehr so tragisch zu sein. Eigenartigerweise konnte sich Rose nur noch auf den Fremden konzentrieren. Sie sah die faszinierenden dunklen Augen dieses Mannes, der sie ungeniert musterte.

“So, und jetzt erzählen Sie mal ganz genau, wo sie Ihre Brieftasche zuletzt gehabt haben”, forderte Greg Rose nach einer Weile auf. “Sie meinten, sie hätten sie auf den Klippen verloren?”

“Ja, das könnte sein.”

Greg stand auf. “Na, dann wollen wir mal suchen gehen. Vielleicht hat inzwischen sogar jemand die Brieftasche gefunden und schon längst abgegeben.”

“Sie brauchen mir dabei wirklich nicht zu helfen”, wehrte Rose ab. “Ich kann unmöglich Ihre Zeit so lange in Anspruch nehmen.”

Greg lachte vergnügt. “Für heute bin ich fertig mit der Arbeit, und ehe ich meine Zeit und mein Geld in der Kneipe verplempere, gehe ich lieber mit und helfe Ihnen, was meinst du, Jimmy?”

“Da hast du Recht”, stimmte der Barkeeper schmunzelnd zu. “Und machen Sie sich keine Sorgen, Miss”, fügte er, an Rose gewandt, hinzu. “Falls Ihre Brieftasche tatsächlich nicht mehr auftauchen sollte, werden wir schon eine Lösung finden.”

Rose atmete erleichtert auf. “Vielen Dank. Das ist sehr nett von Ihnen.”

Der steile, felsige Pfad, der zu den Klippen hinaufführte, war nur wenige Meter von der “Schmugglerkneipe” entfernt. Greg bestieg den Hang so schnell, dass Rose nur mit allergrößter Mühe mit ihm Schritt halten konnte. Der unebene Weg führte an hübsch angelegten, von verwitterten Steinmauern umgebenen Cottagegärten vorbei und endete am Fuße der steilen Klippen.

Atemlos blieb Rose stehen und ließ die wilde Schönheit dieser Landschaft auf sich wirken. Nur die feine Linie des Horizontes in der Ferne trennte das kräftige Blau des Ozeans von der blasseren Farbe des Himmels. Darüber schien strahlend die Sonne und wärmte die Felsen, die den Pfad umsäumten.

Rose stand eine Weile nur da und genoss den herrlichen Ausblick. Möwen zogen über dem in der Sonne glitzernden Meer ihre Kreise, und in der Luft lag der süßherbe Duft der blühenden Stechginstersträuche und vieler anderer Pflanzen. Was für ein bezaubernder Ort dies war!

“Wohin sind Sie von hier aus gegangen?”, erkundigte sich Greg leicht ungeduldig und riss Rose damit aus ihrer stummen Betrachtung.

“Ich habe eine Weile auf dieser Bank gesessen und bin danach den Pfad noch ein Stück weiter hochgegangen.”

Die Suche in dem knöchelhohen Gras verlief ergebnislos, und deshalb verfolgte Greg den schmalen Weg nach oben. Doch auch dort fand er nichts und kam schließlich kopfschüttelnd zu Rose zurück.

“Das war ‘s dann wohl”, seufzte sie niedergeschlagen. “Meine Brieftasche werde ich wohl nie wiedersehen.”

Plötzlich nahm er eine ihrer im Wind wehenden Haarsträhnen in die Hand und wickelte sie sich um den Finger. Rose versteifte sich sofort bei der Berührung, obwohl sie ihr seltsam angenehm war. Augenblicklich ließ Greg die Strähne wieder los und strich Rose sanft das Haar über die Schulter.

“Davon geht die Welt nicht unter”, sagte er leise, und Rose glaubte, leichtes Unbehagen aus seiner Stimme herauszuhören. “Lassen Sie uns zurück zur ‘Schmugglerkneipe’ gehen und den Verlust der Brieftasche melden. Und danach werden wir sehen, wie Sie zurück zu Ihrem Hotel kommen.”

“Ach, du meine Güte!”, rief Rose entsetzt, da ihr schon wieder etwas eingefallen war. “Wie spät ist es überhaupt?”

“Kurz nach halb fünf.”

“O nein, dann habe ich meinen Bus verpasst!”

“Ihren Bus?”, wiederholte Greg erstaunt. “Wo wollen Sie denn hin?”

“Nach Pisky Bay.”

“Nach Pisky Bay? Aber dort gibt es nichts weiter als drei oder vier kleine Cottages.”

“Ich weiß. Ich besitze eines davon. Meine Großtante Em ist vor kurzem gestorben und hat es mir hinterlassen.”

Gregs Miene hellte sich auf. “Dann sind Sie sicher Emily Pendennis’ Großnichte. Dass sie ihr Cottage einer Verwandten aus dem Ausland hinterließ, war mir bekannt. Sollte Ihre Mutter nicht auch mitkommen?”

Rose lächelte. Wie schnell sich hier Neuigkeiten herumsprachen. In diesem kleinen Dorf wusste wohl jeder über jeden Bescheid. Doch Rose gefiel das. Hier lebte man nicht so anonym wie in Brisbane.

“Ja”, bestätigte sie. “Wir wollten zusammen kommen, doch kurz vor unserem Abreisetermin wurde meine Mutter krank und musste operiert werden. Ich hatte allerdings keine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen, deshalb konnte ich den Flug nicht stornieren. Meine Mutter meinte, ich solle ruhig fliegen, sie würde vielleicht schon in einigen Wochen nachkommen, auf jeden Fall aber, sobald sie gesundheitlich dazu in der Lage sei. Wir haben vor, aus Tante Ems Cottage eine Bed-and-Breakfast-Unterkunft zu machen.”

“Dann möchten Sie also für längere Zeit hier bleiben?”, fragte Greg und sah Rose dabei so warm an, dass ihr Herz pochte.

Martin hatte ihr in all den Jahren, in denen sie mit ihm zusammen gewesen war, stets das Gefühl gegeben, nicht besonders hübsch zu sein. Ihre Hüften seien zu breit, ihre Beine zu kurz und ihre Haut zu blass, hatte er ihr oft vorgeworfen. Gregs Nähe jedoch, und die Art, wie er sie ansah, gaben Rose das Gefühl, eine begehrenswerte Frau zu sein. Sie errötete und wich unwillkürlich einen Schritt zurück.

“Ja”, antwortete sie wahrheitsgemäß.

“Das freut mich. Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, sagen Sie einfach Bescheid. Wir sind eine kleine Fischergemeinschaft, und die Leute hier unterstützen sich gern gegenseitig.”

“Danke, das ist sehr nett von Ihnen”, nahm Rose das Angebot lächelnd an. “Ich finde dieses kleine Dorf wirklich reizend und bin glücklich, hier zu sein. Wissen Sie, ich hasse nämlich große Städte und habe mir schon immer gewünscht, in einem so kleinen, verträumten Dorf wie Polperro zu leben. Hier scheint die Zeit stehengeblieben zu sein, die Menschen pflegen ihre alten Traditionen. Sie nehmen sich noch Zeit zum Fischen, den Acker zu bestellen und mit ihren Freunden einige nette Stunden im Pub zu verbringen. Ich komme mir hier vor wie im achtzehnten Jahrhundert. Wirklich, als ich Sie zum ersten Mal sah, da dachte ich, Sie sehen aus wie ein …”

Rose schwieg unvermittelt und errötete. Es war ihr peinlich, dass sie ihre Gedanken so spontan vor einem Fremden ausgesprochen hatte.

“Wie was?”, hakte Greg nach.

“Wie … wie ein Schmuggler”, gab Rose verlegen zu.

Greg lachte so belustigt, dass Rose noch röter wurde. “Es tut mir leid”, sagte sie verwirrt. “Das … das war wohl ziemlich albern.”

Greg sah sie immer noch amüsiert an. “Nun, in gewisser Hinsicht liegen Sie gar nicht so falsch. In meiner Jugend brachte ich mal eine große Flasche Brandy in meinem Fischerboot von Frankreich mit und habe nie Zoll dafür bezahlt. Aber das bleibt unter uns, abgemacht?”

“Dann sind Sie ja wirklich ein Fischer!”, rief Rose aufgeregt. “Hab ich ‘s mir doch gleich gedacht. Sie sehen genauso aus, wie ich mir die Fischer von Cornwall vorgestellt habe.”

Greg lachte erneut. “Wie mir scheint, sind Sie hoffnungslos romantisch. Aber jetzt mal was anderes. Wie wollen Sie eigentlich zum Cottage Ihrer Tante kommen? Den Bus haben Sie ja verpasst.”

Rose zögerte, doch dann fasste sie sich ein Herz. “Nun, es … es ist mir wirklich peinlich, Sie zu bitten, denn Sie haben doch schon so viel für mich getan, aber könnten Sie mir vielleicht etwas Geld fürs Taxi borgen? Ich geben es Ihnen auf jeden Fall morg…”

“Das geht leider nicht”, unterbrach Greg sie. “Ich trage nie viel Geld mit mir herum.” Zum Beweis zog er eine uralte Geldbörse aus der hinteren Hosentasche heraus, öffnete sie und zeigte Rose die drei 1-Pfund-Münzen, die darin lagen. “Aber ich habe eine bessere Idee. Sie steigen in mein Boot, und ich setze Sie gesund und wohlbehalten in Pisky Bay ab. Wie finden Sie das?”

Rose zögerte. Einerseits wäre es herrlich, den ersten Anblick auf ihr Cottage vom Meer aus zu genießen, aber andererseits hatte sie Bedenken. Konnte sie sich Greg Trelawney anvertrauen? Sie hatte sicher keine Angst vor ihm, aber es gab andere Gefahren, auf die sie Acht geben musste. Greg gefiel ihr einfach zu gut. Was wäre, wenn sie sich in ihn verliebte? Diesen Schmerz und die damit verbundene Demütigung wollte sie nicht noch einmal ertragen.

Also wäre es vernünftiger, sein Angebot abzulehnen. Vernünftig! hörte sie eine innere Stimme spotten. Wie weit hat dich deine Vernunft denn gebracht? Aus Vernunft hast du ewig auf Martins Heiratsantrag gewartet. Nein, diesmal nicht! sagte Rose sich entschlossen. Sie schlug ihre Bedenken in den Wind und beschloss, das Risiko einzugehen.

“Danke, das wäre schön”, erwiderte sie fest. “Aber sind Sie sicher, dass es Sie nicht zu viel Mühe kostet?”

“Ganz sicher. Schauen Sie mal, dort unten am Anlegeplatz liegt meine Yacht.”

Rose folgte der Richtung, in die sein Finger zeigte, und entdeckte eine prächtige alte Segelyacht, die in den sanften Wellen leicht hin und her schaukelte.

“Kommen Sie”, forderte Greg Rose auf. “Gehen wir hinunter zum Pub. Dort können Sie bei der Polizei anrufen und den Verlust Ihrer Brieftasche melden. Und danach stechen wir in See.”

Zehn Minuten später war der Anruf erledigt, und Greg und Rose standen vor den weißen Steinstufen der “Schmugglerkneipe”.

“Wo ist eigentlich Ihr Gepäck?”, erkundigte sich Greg.

“Das hab ich schon mit dem Morgenbus vorausgeschickt. Nach Tante Ems Tod hat eine von ihren Nachbarinnen regelmäßig nach dem Cottage gesehen. Sie versprach mir, mein Gepäck für mich entgegenzunehmen. Oh, da fällt mir noch was ein. Ich muss noch schnell in der Boutique vorbeischauen, in der ich heute Morgen war, und der Verkäuferin sagen, dass ich den Zweiteiler leider nun doch nicht nehmen kann. Wie schade!”

“Das überlassen Sie ruhig mir”, schlug Greg vor. “Ich muss sowieso noch ins Dorf, um mein Schlauchboot zu holen, dann kann ich das gleich mit erledigen. Und Sie gehen inzwischen vor zum Pier und warten dort auf mich, einverstanden?”

Rose kämpfte mit sich. Soll ich oder soll ich nicht? fragte sie sich im Stillen. “Einverstanden”, stimmte sie endlich aufgeregt zu.

Die flatternden Segel leuchteten strahlend rot im goldenen Schein der Abendsonne, während die Yacht sich auf das schimmernde Meer hinausbewegte. Nur das Klatschen der Wellen gegen den Schiffsbug, das Knirschen des Tauwerks und das gelegentliche Kreischen der Seemöwen waren zu hören. Rose seufzte wohlig auf. Wie schön!

Ein sanftes Lächeln huschte über Gregs Gesicht, doch er schwieg und schien die idyllische Atmosphäre genauso zu genießen wie sie. So wie er am Steuerrad stand, den Blick nach vorn gegen die untergehende Sonne gerichtet, das dunkle Haar vom Wind zerzaust, sah er aus wie ein großer, starker Seemann, der in völliger Harmonie mit sich und der Natur lebte.

Mit einem Mal überkam Rose eine tiefe Sehnsucht. Rose konnte ihren Blick kaum von Greg wenden. Er strahlte so viel Kraft und Selbstvertrauen aus, wie sie es selten bei einem Mann erlebt hatte. Ja, ich könnte mich Hals über Kopf in ihn verlieben, dachte sie erschrocken. Was ist bloß mit mir los?

“Alles in Ordnung?”, rief Greg ihr über die Schulter hinweg zu, als hätte er ihre Gedanken gelesen.

“Ja, natürlich”, erwiderte Rose verlegen und spürte schon wieder den erotischen Funken überspringen, wie jedes Mal, wenn Greg sie ansah.

“Warum kommen Sie nicht rüber und versuchen es auch einmal?”, bot er unvermittelt an.

Rose zögerte kurz, ehe sie doch über das schwankende Deck zu Greg ans Steuerrad ging. “Und was soll ich jetzt tun?”

“Legen Sie einfach die Hände aufs Steuer und versuchen Sie, es in dieser Position zu halten. Dann schauen Sie genau geradeaus und lenken die Yacht immer parallel am Küstenstreifen entlang. Wenn sie vom Kurs abfällt, drehen sie leicht das Steuer, bis Sie sie wieder in der richtigen Position haben. Ja, so ist ‘s gut.”

Greg hatte sich hinter Rose gestellt und legte nun seine Hände auf ihre, um ihr das Gefühl für die richtige Position zu geben. Roses Herz raste. Gregs erregende Nähe, die Wärme seines Körpers und sein männlicher Duft brachten sie völlig aus der Fassung. Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich nicht hergekommen, dachte sie verzweifelt. Und doch war die Versuchung, sich an ihn zu lehnen, so groß, dass Rose kaum widerstehen konnte. Hör auf damit! rief sie sich zur Vernunft. Bist du denn völlig verrückt geworden?

“Ich … ich glaube, ich kann jetzt allein weitermachen”, sagte sie.

Greg ließ sie zwar los, blieb jedoch immer noch so dicht hinter ihr stehen, dass Rose sich kaum aufs Steuern konzentrieren konnte. Prompt kam sie vom Kurs ab, und Greg griff ein, um die Yacht wieder in die richtige Position zu bringen.

“Jetzt kommt eine schwierige Passage”, erklärte er. “Da muss ich Ihnen helfen. Zwischen der felsigen Insel und dem Festland wird es ziemlich eng, und unter uns befinden sich eine Menge scharfer Riffe. Lassen Sie sich einfach von mir führen.”

Doch Rose war froh, dass sie nun einen Grund hatte, um sich Gregs verwirrender Nähe zu entziehen. “Also, das traue ich mir nun doch nicht zu”, lehnte sie ab und ging wieder nach hinten.

Greg lachte leise, sagte jedoch nichts, und Rose betrachtete die vorbeiziehende Landschaft, um nicht dauernd Greg ansehen zu müssen.

“Jetzt ist es nicht mehr weit”, meinte er nach einer Weile. “Schauen Sie mal nach Steuerbord. Dort drüben liegt Pisky Bay.”

Das Land kam immer näher, und bald erkannte Rose einen halbmondförmigen Sandstrand, der an beiden Enden von scharfen Klippen abgegrenzt wurde. Als die Yacht wenige Minuten später in die Bucht hineinglitt, konnte Rose einen Freudenschrei nicht unterdrücken. Sie entdeckte eine staubige Straße, die sich durch Weiß- und Rotdornhecken wand, Kühe, die friedlich auf der Weide grasten und mehrere Cottages, die in größerer Entfernung voneinander zwischen mächtigen Bäumen standen.

“Oh, ich kann es kaum erwarten!”, rief Rose aufgeregt. “Es ist … es ist, als käme ich nach Hause!”

Greg lächelte. “Gleich haben wir ‘s geschafft. Ich ziehe nur noch die Segel ein und werfe den Anker, dann bringe ich Sie wohlbehalten an Land.”

Beeindruckt sah Rose zu, wie er zuerst das große rote Hauptsegel und dann die beiden kleineren kappte und sie fachmännisch um den Mast band. Danach ging er ans Heck und ließ den Anker ratternd an der Kette ins Wasser gleiten. Schließlich kam Greg zu Rose zurück und blickte sie derart verführerisch an, dass ihr Herz zu rasen begann.

“Hätten Sie vielleicht eine Tasse Tee für mich, wenn ich Sie an Land gebracht habe?”, fragte er lächelnd.

Damit hatte Rose überhaupt nicht gerechnet. Was sollte sie tun? “Ich fürchte, das wird nicht gehen”, antwortete sie verwirrt. “Ich habe keine Ahnung, was mich in dem Cottage erwartet. Und Tee habe ich auch keinen dabei.”

Autor

Angela Devine
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