Romana Gold Band 22

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

IN DEINEN ARMEN ... von DONALD, ROBYN
Alison soll bei einer Tanzshow für eine Kollegin einspringen. Eigentlich kein Problem, es gibt nur einen Haken: Im Publikum sitzt ihr neuer Boss! Der eiskalte Milliardär Slade droht das idyllische Ferien-Resort zu schließen - außer Alison lässt sich auf einen Handel ein …

VERZAUBERT AUF TAHITI von DEVINE, ANGELA
Der Anflug auf Tahiti bei Nacht ist zauberhaft … Wie Diamanten funkelt das Sternenmeer. Claire durchströmt es heiß. Anfangs, weil sie endlich wieder daheim ist - und dann, weil ausgerechnet Alain Charpentier, der sie zwang, die Insel zu verlassen, sie am Boden erwartet …

UNTER DER SONNE DER SÜDSEE von ARMSTRONG, LINDSAY
Still liegt die Jacht vor Anker, als sich Maisie an Bord schleicht: Die junge Musikerin hat mit dem Reeder noch eine Rechnung offen. Nur etwas ist seltsam: Der athletische Traummann, der sie auf offener See entdeckt, ist zwar Rafe Sanderson - doch er sieht ganz anders aus …


  • Erscheinungstag 22.08.2014
  • Bandnummer 22
  • ISBN / Artikelnummer 9783733740641
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Robyn Donald, Angela Devine, Lindsay Armstrong

ROMANA GOLD BAND 22

Sternenmeer über der Südsee

ROBYN DONALD

In deinen Armen …

Einen Kranz duftender Inselblüten im Haar wiegt sie sich anmutig zu den Rhythmen der Südsee – keine der Tänzerinnen zieht Slade Hawkings so in den Bann wie Alison Pierce. Und doch wehrt er sich gegen seine Gefühle. Schließlich will er unbedingt an seinem Plan festhalten, die defizitäre Ferienanlage zu schließen. Zudem hält er Alison für eine Betrügerin …

ANGELA DEVINE

Verzaubert auf Tahiti

Luxushotelier Alain Charpentier kann sich nichts Schlimmeres vorstellen, als seiner persönlichen Feindin Claire Beaumont wieder auf Tahiti zu begegnen. Aber in nächster Zeit wird er es kaum vermeiden können. Denn die gefeierte TV-Moderatorin reist eigens zur Hochzeit ihrer Schwester an: Sie ist die Trauzeugin der Braut – und er der Trauzeuge des Bräutigams …

LINDSAY ARMSTRONG

Unter der Sonne der Südsee

Rafe fehlen die Worte: Eben noch hat er den Autopiloten seiner Jacht eingeschaltet, um das Hauptsegel zu setzen und Kurs auf Peel Island zu nehmen, da steht plötzlich eine fremde Frau vor ihm. Und was für eine! Der Geschäftsmann ist auf eine so hinreißende Rothaarige nicht gefasst. Noch weniger auf die haarsträubende Geschichte, die sie ihm erzählt …

1. KAPITEL

Alli Pierce band noch eine Frangipaniblüte in den Kranz. Nachdem sie an der herrlich duftenden Blüte gerochen hatte, sagte sie: „Ich bin fest entschlossen, nach Neuseeland zu fahren, aber ich werde mich nicht verkaufen, um die Überfahrt und den Flug bezahlen zu können.“

„Das ist mir klar“, antwortete ihre Freundin Sisilu freundlich. „Es war doch nur ein Vorschlag. Fili hat es nicht so ernst gemeint.“

„Was hat sie eigentlich neuerdings? Sie ist in der letzten Zeit ziemlich gehässig.“

Sisilu lächelte. „Du bist wirklich naiv. Sie ist in Tama verliebt und wütend auf dich, weil er nur Augen für dich hat. Außerdem findet sie es ungerecht, dass Barry dir ein wesentlich höheres Gehalt bezahlt als allen anderen, nur weil du Neuseeländerin bist. Immerhin hast du beinah dein ganzes bisheriges Leben hier auf der Insel verbracht und bist praktisch eine Einheimische.“

Alli strich sich eine Locke ihres feuchten rotbraunen Haares aus dem Gesicht. „Du hast natürlich recht“, stimmte sie zu. „Ich habe ein schlechtes Gewissen deswegen und mit Barry darüber geredet. Doch er hat behauptet, es sei ganz normal und völlig in Ordnung.“

„Er wird wissen, was er tut. Hast du schon den neuen Besitzer gesehen?“

„Den neuen Besitzer?“ Alli blickte die Freundin verblüfft an. „Sea Winds hat einen neuen Besitzer? Und er ist schon hier?“

In Sisilus dunklen Augen blitzte es belustigt auf. „Ja, stell dir vor, er ist hier, in der Ferienanlage von Valanu.“

„Ich habe ihn noch nicht gesehen. Wann ist er angekommen?“

„Gestern Abend, völlig überraschend und mit einem Privatflieger.“

Alli zog die Augenbrauen zusammen. „Ich habe gedacht, Sea Winds sollte an einen großen internationalen Konzern verkauft werden. Der Mann ist vermutlich nur ein Manager. Wie sieht er denn aus?“

„Fantastisch.“ Sisilu seufzte. „Er ist sehr groß, hat eine faszinierende Ausstrahlung und ist kein Manager, sondern der Besitzer höchstpersönlich. Er sitzt schon stundenlang mit Barry zusammen. Während unserer Probe heute Morgen hat er einen Rundgang durch die Ferienanlage gemacht.“

„Wenn er der Besitzer ist, ist er bestimmt nicht mehr ganz jung, hat einen Bauch und nur noch wenig Haare auf dem Kopf“, meinte Alli.

Sisilu verdrehte die Augen. „Wir können ja wetten. Das wäre für mich leicht verdientes Geld. Du irrst dich. Er hat breite Schultern und lange, kräftige Beine. Sein Bauch ist so flach wie deiner und meiner, vielleicht sogar noch flacher“, berichtete sie begeistert. „Slade Hawkings wirkt in jeder Hinsicht wie ein sehr erfolgreicher Unternehmer, er benimmt sich auch so. Alle weiblichen Angestellten schwärmen schon für ihn.“

Hawkings? überlegte Alli überrascht. Es überlief sie kalt. Nein, das musste ein Zufall sein. Ich darf nicht sogleich das Schlimmste annehmen, Hawkings ist ein häufiger Name, mahnte sie sich dann.

„Als Besitzer oder leitender Mitarbeiter eines großen Konzerns würde er sich sicher nicht für die Mitarbeiter einer Ferienanlage auf dieser Insel interessieren“, wandte sie ein. Und wie um ihre Unruhe und die nagenden Zweifel zu verdrängen, fügte sie hinzu: „Die Frauen und Mädchen können aufhören, für ihn zu schwärmen. Männer wie er leben in Amerika, England oder in der Schweiz und interessieren sich nur für weltgewandte, elegante und gebildete Frauen.“

„Wenn er älter als achtundzwanzig ist, esse ich diesen Blütenkranz“, scherzte Sisilu. Dann wurde sie wieder ernst. „Übrigens, ich wollte dich warnen. Du solltest dich vor Barry in acht nehmen.“

„Vor Barry?“ Alli blickte sie erstaunt an. Als Sisilu nickte, fragte Alli ironisch: „Du meinst unseren Barry Simcox, den Manager der Anlage?“

„Ja, genau diesen Barry meine ich.“ Sisilu warf das lange dunkle Haar mit einer Kopfbewegung nach hinten. „Ich glaube dir, dass es dir nicht aufgefallen ist, wie er dich ansieht. Aber andere haben es gemerkt.“

Alli zuckte gleichgültig die Schultern.

„Okay, ich habe dich gewarnt. Der neue Besitzer wäre jedenfalls ein besserer Liebhaber für dich. Er könnte ein Filmstar sein, so attraktiv ist er.“ Sisilu seufzte wieder. „Man spürt, dass er sich auskennt – bei den Frauen, meine ich. Er hat diese ganz besondere Ausstrahlung. Du weißt schon.“

„Nein, ich habe keine Ahnung.“

Kritisch betrachtete Sisilu eine Hibiskusblüte, ehe sie sie wegwarf. „Doch, du weißt, was ich meine. Tama hat auch diese Ausstrahlung.“

Tama war der zweitälteste Sohn des Stammesführers und Sisilus Cousin.

Alli errötete. „Ich wünschte, er wäre nicht in mich verliebt.“

„Das wünschst du dir nur deshalb, weil du nicht in ihn verliebt bist“, entgegnete Sisilu und nahm eine andere Blüte in die Hand. „Du willst ihn nicht, weil du anders bist. Aber die jungen Frauen hier reißen sich geradezu um ihn. Jede möchte seine Freundin sein. Keine Angst, er wird über seine Verliebtheit hinwegkommen, sobald du die Insel verlassen hast.“

Schweigend arbeiteten sie weiter. Doch plötzlich griff Sisilu das Thema wieder auf, das sie offenbar momentan am meisten beschäftigte. „Der neue Besitzer lebt weder in Amerika noch in England oder in der Schweiz, sondern in Neuseeland.“

„Vier Millionen andere Menschen leben auch dort.“

„Ich kann dir auch verraten, was für Frauen er mag. Als du vorhin durch die Eingangshalle gegangen bist, hat er dich interessiert und sehr genau gemustert. Solche Blicke kenne ich, ich weiß, was sie bedeuten“, fügte Sisilu selbstgefällig hinzu.

Betont gleichgültig erwiderte Alli: „Natürlich. Aber bist du dir sicher, dass er mich und nicht dich betrachtet hat? Immerhin bist du die schönste junge Frau von ganz Valanu.“

„Er hat mich überhaupt nicht bemerkt“, erklärte Sisilu.

„Dann warte ab, bis du ihm auffällst.“ Alli hielt in der Arbeit inne und beobachtete die Freundin, die noch mehr Hibiskusblüten in den Blütenkranz band. Die dunkelroten Blüten schimmerten wie Seide. „Wenn er wirklich so großartig ist, ist er sicher homosexuell.“

Sisilu musste lachen. „Bestimmt nicht. Er hat dich viel zu bewundernd betrachtet. Vielleicht ist er bereit, dir als seiner Landsmännin zu helfen, besonders wenn du ihn ein bisschen ermutigst.“

„Danke, für solche Ermutigungen bin ich nicht zu haben“, erwiderte Alli, während sie einige Blätter in den Kranz steckte. „Wenn er mir helfen will, sollte er dafür sorgen, dass die Ferienanlage nicht geschlossen wird.“

Weiterhin hier zu arbeiten war Allis einzige Chance, genug Geld für den Flug nach Neuseeland sparen zu können.

Sisilu ignorierte die Bemerkung. „Mit ihm zu schlafen wäre bestimmt ein Vergnügen. Ich hätte kein Problem damit. Seine erotische Ausstrahlung geht einem unter die Haut. Ich wünschte, er würde vergessen, dass er der Besitzer ist, und mich beachten.“

Alli schloss die Augen, als das Wasser der Lagune in der Sonne flimmerte. Sie hörte eine Möwe schreien und das Tosen der Brandung des Pazifischen Ozeans, die sich an dem Korallenriff brach.

Die jungen Frauen, mit denen sie auf Valanu aufgewachsen war, hatten ein unverkrampftes Verhältnis zu ihrer Sexualität. Sobald sie verheiratet waren, waren sie treu, aber bis dahin genossen sie die körperliche Liebe ungeniert und mit wechselnden Partnern.

Allis strenger Vater hatte jedoch dafür gesorgt, dass sie sich anders verhielt.

„Warum willst du Valanu eigentlich so unbedingt verlassen?“, fragte Sisilu unvermittelt. „Es ist doch deine Heimat.“

Alli zuckte die Schultern und presste die Lippen zusammen. „Ich will wissen, warum meine Mutter uns verlassen hat und weshalb mein Vater sich ausgerechnet hier versteckt hat.“

„Das weißt du doch. Er ist mit dem Stammesführer in Auckland in die Schule gegangen. Als der Stammesrat jemanden brauchte, der hier alles organisierte und modernisierte, hat man an ihn gedacht.“

Mit ernster Miene nickte Alli. „Trotzdem gibt es zu viele offene Fragen. Mein Vater hat nie über seine Familie gesprochen. Ich habe keine Ahnung, wer meine Großeltern sind.“

Sisilu schnalzte mit der Zunge. Seine Familie nicht zu kennen bedeutete in Polynesien, so etwas wie ein Ausgestoßener zu sein. „Dein Vater war jedenfalls ein guter Mensch“, erklärte sie rasch.

Nach Ian Pierces Tod vor zwei Jahren hatte Alli seine Dokumente und Papiere durchgesehen. Dabei war sie auf den Namen ihrer Mutter gestoßen. Nachdem sie etwas Geld gespart hatte, hatte sie einen Detektiv beauftragt, Marian Hawkings ausfindig zu machen. Vor drei Monaten hatte sie die entsprechenden Informationen erhalten. Sie konnte es kaum erwarten, endlich ihre Mutter kennenzulernen, die sie verlassen hatte.

„Meine Mutter war Engländerin“, entgegnete sie ruhig. „Sie hat meinen Vater in England geheiratet und ist mit ihm nach Neuseeland gegangen. Nach der Scheidung hat sie wieder geheiratet, ist jedoch verwitwet. Sie lebt immer noch in Auckland. Ich will sie nicht belästigen, und ich will nichts von ihr. Aber sie soll mir einige Fragen beantworten, damit ich endlich Bescheid weiß und die Sache für mich abschließen kann.“ Sie konzentrierte sich wieder darauf, Blüten in den Kranz zu winden.

„Du kommst doch zurück, oder? Wir alle sind deine Familie.“

Alli lächelte. „Ich könnte keine bessere Familie haben. Doch ich brauche unbedingt Klarheit.“

„Das verstehe ich.“ Sisilu lächelte auch. „Neuseeland wird dir bestimmt nicht gefallen. Es ist sehr groß, dort ist es kalt und ganz anders als hier. Für jemanden, der Valanu liebt, ist es nicht der richtige Ort.“ Als sie die Frau erblickte, die auf sie zukam, flüsterte sie: „Oh, es gibt Ärger. Du brauchst dir nur ihre Miene anzusehen.“

„Alli, du musst heute Abend tanzen, Fili ist krank“, erklärte die Leiterin der Tanzgruppe ohne Einleitung. „Wir müssen einen guten Eindruck machen, denn sobald er einen genauen Überblick hat, will der neue Besitzer der Ferienanlage entscheiden, ob Sea Winds geschlossen oder weitergeführt wird.“

Alli und Sisilu sahen sie ungläubig an. „Das kann er nicht tun“, brachte Alli hervor.

„Oh doch. Ich habe gehört, er hätte in dieser Hinsicht keine Skrupel. In den ersten Jahren war die Anlage fast immer ausgebucht. Doch wegen des Krieges in Sant’Rosa sind die Touristen weggeblieben. In den letzten fünf Jahren kamen immer weniger“, stellte die Frau fest.

Alli runzelte die Stirn. „Warum hat der neue Besitzer die Anlage dann überhaupt gekauft, wenn er sie sogleich schließen will?“

„Wer weiß.“ Die Frau nahm einen der fertigen Kränze in die Hand und prüfte ihn, ehe sie ihn wieder weglegte. „Vielleicht hat man ihn hereingelegt, obwohl er nicht so wirkt, als könnte ihm das passieren. Aber es geht uns nichts an. Heute Abend musst du ganz besonders gut tanzen, Alli.“ Sie drehte sich um und verschwand.

Die beiden blickten hinter der Frau her. Sie war Witwe und arbeitete in der Ferienanlage, um die Schule für ihre drei Söhne bezahlen zu können.

„Es wäre eine Katastrophe für Valanu, wenn die Anlage geschlossen würde“, sagte Alli.

„Dann können wir nur hoffen, dass der neue Besitzer von dir begeistert ist und du nett zu ihm bist“, scherzte Sisilu und verzog das Gesicht. „Vielleicht kannst du ihn dazu bringen, eine für uns positive Entscheidung zu treffen.“

Als Alli sich am Abend für den Auftritt umzog, erinnerte sie sich an Sisilus Bemerkung. Die Freundin war beunruhigt, das war Alli klar. Der Mann, der für die Unruhe in ihrer aller Leben verantwortlich war, war zum Essen nicht in das Restaurant gekommen. Doch er würde sich wahrscheinlich die Aufführung von der großen Terrasse aus ansehen. Die jungen Tänzerinnen, die mit Alli in dem Umkleideraum waren, waren außergewöhnlich still. Es hatte sich schon herumgesprochen, dass die Anlage von der Schließung bedroht war.

„Er ist da. Konzentriert euch bitte“, forderte die Leiterin der Tanzgruppe die Frauen auf, während das Publikum nach dem traditionellen Tanz der Männer begeistert applaudierte. „Alli, du siehst gut aus. Die cremefarbenen Frangipani passen gut zu deiner Haut und dem rötlichen Haar“, fügte sie mit freundlicher Miene hinzu.

Das ist auch das Einzige, was ich von meiner Mutter geerbt habe, dachte Alli. Kurz nach dem Tod ihres Vaters hatte sie die Heiratsurkunde mit einem Foto ihrer Eltern gefunden. Ihr Vater wirkte darauf stolz und glücklich, und die junge Frau an seiner Seite lachte. Doch abgesehen von der Haarfarbe hatte Alli keine Ähnlichkeit mit ihrer Mutter.

Der Heiratsurkunde und dem Foto waren die Scheidungsurkunde und ein Zeitungsausschnitt beigefügt gewesen. Daraus ging hervor, dass ihre Mutter ein Jahr später wieder geheiratet hatte.

Als der Trommelwirbel verklang, stellten sich die Tänzerinnen in einer Reihe auf. Alli zog das unbequeme Oberteil zurecht und stimmte ein traditionelles Liebeslied an. Die anderen Tänzerinnen fielen in den Gesang ein, und alle liefen auf die Bühne.

Die jungen Frauen sind Amateurinnen, aber sie sind gut, dachte Slade. Er hielt sich absichtlich im Hintergrund. Die Oberteile aus halben Kokosnussschalen gefielen ihm jedoch nicht. Wenn er sich entschloss, die Anlage weiterzuführen, mussten die Tänzerinnen etwas anderes tragen.

Dem Publikum schien es egal zu sein, was die Frauen anhatten. Er verzog spöttisch die Lippen, während er die Leute beobachtete, die offenbar begeistert waren.

Wie leicht kann man die Menschen zufriedenstellen, man braucht ihnen nur Liebeslieder und schöne junge Frauen zu präsentieren, die sich anmutig und verführerisch bewegen, Blumenkränze im Haar haben und beim Lächeln strahlend weiße Zähne zeigen, dachte er spöttisch.

Dann musterte er die Tänzerinnen genauer. Immer wieder fiel sein Blick auf Alli Pierce. Die Detektivin, die er mit den Nachforschungen beauftragt hatte, war mit einem Foto zurückgekommen. Darauf hatte Alli jung und fröhlich ausgesehen. Das Foto wurde ihr jedoch nicht gerecht, es sagte nichts aus über die Persönlichkeit. Alli war eine sehr schöne junge Frau mit einer sinnlichen Ausstrahlung, goldbraunen Augen, verführerischen Lippen und hohen Wangenknochen.

Obwohl sie sich geschmeidig bewegte und mit dem Blütenkranz im Haar unschuldig und verführerisch zugleich wirkte, wusste Slade, dass das alles nur Fassade war. Mit ihren gerade erst zwanzig Jahren hatte sich die schöne und sexy wirkende Alli Pierce offenbar für eine Karriere als Betrügerin entschieden.

Er ignorierte das Verlangen, das er plötzlich empfand, und dachte nach. Die Detektivin, die er auf die Insel geschickt hatte, hatte erfahren, dass Allis Vater mit ihr hergekommen war, als sie noch ein Baby gewesen war. Die Einheimischen waren der Meinung, sie hätte keine polynesischen Vorfahren.

„Aber man war mit Auskünften über ihren Vater sehr zurückhaltend“, hatte die Detektivin berichtet.

„Ich war der Meinung, Orte wie Valanu wären Brutstätten für Klatsch und Tratsch“, wandte Slade ein.

„Das mag sein. Fremden gegenüber ist man jedoch sehr reserviert.“ Die Frau mittleren Alters zuckte die Schultern. „Man war sehr darauf bedacht, Alli Pierce zu schützen. Ich habe aber herausgefunden, dass die Frau des Managers der Ferienanlage ihn verlassen hat, weil er ein zu großes Interesse an Miss Pierce zeigte. Was mein nächster Gesprächspartner dann prompt als Lüge bezeichnet hat.“

„Könnte es stimmen?“

Die Frau hatte ironisch die Lippen verzogen. „Es ist für die Menschen dort völlig normal, vor der Ehe Sex zu haben. Diese junge Frau scheint genauso zu sein wie die anderen Frauen, sie flirtet gern und ist sehr sorglos. Ich habe sie einige Male mit dem Manager zusammen gesehen. Er interessiert sich offenbar sehr für sie. Aber auch der zweitälteste Sohn des Stammesführers ist angeblich sehr in sie verliebt. Es wäre natürlich möglich, dass sie mit beiden eine Affäre hat.“

Ja, das wäre möglich, überlegte Slade jetzt, während er Alli beobachtete. Ihr langes rotbraunes, mit einem Blütenkranz geschmücktes Haar glänzte im Schein der Fackeln. Sie war eine rassige Frau und etwas größer als die anderen Tänzerinnen. Ihre Haut schimmerte golden.

Er war sich bewusst, dass er sie nicht wie ein Lüstling betrachten, sondern sich auf die Aufführung konzentrieren sollte. Deshalb richtete er die Aufmerksamkeit auf die anderen Tänzerinnen, die Art der Darbietung, die Effekte, mit denen gearbeitet wurde, und die Wirkung auf das Publikum.

Das Lied und der Tanz endeten leicht melancholisch. Nach sekundenlanger Stille brach stürmischer Beifall los. Die Tänzerinnen lächelten und fingen an, eine lebhafte, schnelle Hula in einer etwas abgewandelten Version zu tanzen.

Die Hüften wurden verführerisch geschwungen, die Handbewegungen wirkten ausgesprochen reizvoll, und das Lächeln ließ jeden männlichen Zuschauer in Verzückung geraten. Auch Slade war beeindruckt, wie er sich eingestand. Plötzlich spürte er, dass sich jemand neben ihn stellte.

„Für Amateure sind sie wirklich gut“, erklärte der Manager der Ferienanlage. Seine Stimme klang für einen Mann, der wusste, dass sein Job gefährdet war, zu unbekümmert.

„Ja, auf ihre Art sind sie großartig“, stimmte Slade gleichgültig zu. „Wer sind diese jungen Frauen?“

„Einheimische. Die meisten von ihnen gehören zum Personal. Die Frau ganz links ist Lehrerin, und die zweite von rechts ist Alli Pierce. Ihr Vater war Neuseeländer, ein Landsmann von Ihnen. Sie gehört eigentlich nicht zu der Tanzgruppe, sie ist nur für eine erkrankte Tänzerin eingesprungen.“

„Arbeitet sie nicht in dem Souvenirladen?“ Möglicherweise ist sie auch die Geliebte des Mannes neben mir, fügte Slade insgeheim hinzu. Die Vermutung lag nahe, dass die beiden eine Affäre hatten, denn Simcox bezahlte ihr ein wesentlich höheres Gehalt als den anderen Mitarbeiterinnen. Außerdem wohnte sie in dem Haus, das direkt neben seinem lag.

Simcox nickte, ohne den Blick von den Tänzerinnen abzuwenden. „Ian Pierce ist mit Alli nach Valanu gekommen, als sie noch ein Baby war. Angeblich ist ihre Mutter zwei Wochen nach ihrer Geburt bei einem Unfall ums Leben gekommen.“ Seine Stimme klang auf einmal etwas rau. „Sie ist eine wunderbare junge Frau. Sie hat etwas Besseres verdient als das, was Valanu ihr bieten kann.“

Und das würde er ihr gern bieten, dachte Slade gereizt. Er kniff die Augen zusammen und sah hinter Alli Pierce her, während sie mit den anderen Tänzerinnen die Bühne verließ. Doch ehe sie in der Dunkelheit verschwand, drehte sie sich um und sah Slade an.

Er versteifte sich und war so verblüfft über die heftige Reaktion seines Körpers, dass er die drei Männer kaum bemerkte, die im Trommelwirbel mit einem wilden Schrei auf die Bühne sprangen.

Ärgerlich versuchte er, sich zu beherrschen. Es war schon viele Jahre her, dass er sich von seinen Hormonen hatte durcheinanderbringen lassen.

Wie aus weiter Ferne hörte er die Stimme des Managers.

„Sie ist auch sehr intelligent“, fuhr der Mann fort. „Aber ihr Vater wollte sie nicht auf eine Universität in Neuseeland schicken. Es ist schade, dass sie hier festsitzt. Sie könnte viel mehr aus sich und ihrem Leben machen.“

Um das zu erreichen, will sie einer ihr völlig fremden Frau Geld aus der Tasche ziehen, sagte Slade sich ironisch. Marian würde Alli bestimmt nicht dazu verhelfen, ein besseres Leben führen zu können. Seine Stiefmutter war über den Brief, den Alli Pierce ihr geschrieben hatte, schockiert und bestürzt gewesen. Sie hatte sich an Slade gewandt. Das tat sie immer, wenn sie sich nicht zu helfen wusste.

Das Bild der jungen Frau mit dem verführerischen Lächeln stieg vor ihm auf. Morgen werde ich mit ihr reden, und ich werde sie gehörig zurechtweisen, nahm er sich vor. Erpressung war seiner Meinung nach eins der schlimmsten Vergehen.

Er war fest entschlossen, herauszufinden, warum sie sich mit dem Erpressungsversuch ausgerechnet an seine Stiefmutter gewandt hatte.

In dem kleinen Umkleideraum zogen die Tänzerinnen sich um.

„Er hat dich immer wieder angesehen, Alli“, erklärte Sisilu belustigt. „Ich habe dir ja gesagt, dass er sich für dich interessiert. Und du interessierst dich auch für ihn.“

„Nein, ganz bestimmt nicht.“

„Warum hast du dich dann am Schluss umgedreht und ihn angeblickt?“, fragte die Freundin.

Alli rieb die kalten Arme mit den Händen. „Ich wollte nur wissen, wie er aussieht“, erwiderte sie leise.

„Du hast gespürt, dass er dich beobachtet hat.“ Sisilu nickte verständnisvoll und zitierte ein Sprichwort der Einheimischen, in dem es um die Pfeile der Liebe ging.

„Das ist Unsinn“, entgegnete Alli und verknotete den Pareo über ihren Brüsten.

Sie wusste selbst nicht, warum sie sich noch einmal umgedreht hatte. Doch sie hatte ein genaues Bild von diesem Mann gewonnen. Er war groß, breitschultrig und wirkte Furcht einflößend. Er strahlte Macht und Autorität aus und war so attraktiv, dass ihr Puls immer noch jagte.

„Was hältst du von ihm?“

„Er hat eine faszinierende Ausstrahlung“, gab Alli widerwillig zu und strich sich das Haar aus dem Gesicht.

Sisilu lachte und ließ zu Allis Erleichterung das Thema fallen.

Ungefähr eine Stunde später saß Alli in dem Wohnzimmer des kleinen Hauses, in dem sie mit ihrem Vater gelebt hatte. Als sie den neuen Besitzer der Ferienanlage angeblickt hatte, hatte ihr die Haut gekribbelt. In der Stille, die sekundenlang geherrscht hatte, ehe der Applaus einsetzte, hatte sie das Gefühl gehabt, dass sie einander mit den Blicken maßen wie alte Feinde oder Liebende. Das war natürlich reine Fantasie, denn so genau hatte sie es gar nicht erkennen können. Sie bildete es sich nur ein.

Einem plötzlichen Impuls folgend, stand sie auf, ging zu dem Safe und nahm den Ordner heraus, in dem sie alle Unterlagen abgeheftet hatte, die ihre Familie betrafen.

Warum hatte ihr Vater nach der Ankunft auf Valanu seinen und Allis Familiennamen geändert? Sie kam sich vor, als hätte sie zwanzig Jahre mit einer Lüge gelebt.

Behutsam nahm sie den Zeitungsausschnitt auseinander. Der Artikel über Marian Carters und David Hawkings’ Hochzeit war drei Jahre nach Allis Geburt und ein Jahr nach der Scheidung ihrer Eltern erschienen.

Leider hatte man kein Foto von ihrer Mutter mit ihrem zweiten Mann veröffentlicht, sonst hätte Alli vielleicht eine Ähnlichkeit zwischen David Hawkings und Slade erkennen können.

Nein, das ist zu weit hergeholt, solche Zufälle gibt es nicht, versuchte sie sich zu beruhigen und ging ins Bett. Dann lag sie noch stundenlang wach, ehe sie in einen unruhigen Schlaf fiel und von Albträumen gequält wurde.

Am nächsten Morgen wachte sie erst so spät auf, dass sie keine Zeit mehr hatte, in der Lagune zu schwimmen. Sie öffnete den Laden wenige Minuten vor dem ersten Kundenansturm. Es handelte sich dabei um eine Gruppe junger Amerikaner, die hier Urlaub machten, um zu tauchen.

Die jungen Männer lachten und flirteten mit ihr, doch es war nicht ernst gemeint. Weil sie alle sehr harmlos wirkten, lachte Alli mit und flirtete auch.

Aber es gab immer einen, der zu weit ging. Einer der jungen Amerikaner fing an, sie zu berühren. Alli entzog sich ihm und wies ihn mit einer witzigen Bemerkung zurück, sodass er lachen musste. In dem Moment, als er scherzhaft antwortete: „Heute Abend um dieselbe Zeit, Süße?“, erschien Barry Simcox.

Er runzelte die Stirn und beobachtete den jungen Mann mit seltsamer Miene. Normalerweise hätte Alli sich nichts dabei gedacht. Doch nach Sisilus Andeutungen vom Tag zuvor war die bisher so unkomplizierte Freundschaft mit dem Manager etwas belastet.

Nachdem die Taucher den Laden verlassen hatten, kam der neue Besitzer der Ferienanlage herein.

Allis Herz klopfte so heftig, dass sie am liebsten die Hand darauf gelegt hätte. Sie beherrschte sich jedoch. In dem weichen, klaren Licht des Morgens wirkte Slade Hawkings noch bedrohlicher als am Abend zuvor im Schein der Fackeln.

Umständlich stellte Barry ihn und Alli einander vor. „Mr Hawkings ist hier, um uns zu überprüfen“, scherzte er, doch niemand lachte. An Slade gewandt, fügte er hinzu: „Wie die Umsatzzahlen beweisen, hat Alli den Souvenirladen erfolgreich geführt.“

Alli reichte Slade die Hand. „Es freut mich, Sie kennenzulernen“, begrüßte sie ihn.

Er musterte sie mit seinen grünen Augen abschätzend. Seine Hand war warm und sein Händedruck fest und kräftig.

Als Alli sich an Sisilus Worte erinnerte, errötete sie. Dieser Mann kannte sich bestimmt gut aus bei Frauen.

„Es freut mich auch“, antwortete er kühl und deutete ein Lächeln an.

Okay, er ist der Besitzer, trotzdem braucht er nicht so zu tun, als wäre ich nur ein Staubkörnchen unter seinen Füßen, dachte Alli. Sie drehte sich um und wollte sich um die Ware kümmern.

„Bleiben Sie bitte hier“, forderte Slade sie jedoch auf.

Während die beiden Männer sich über den Laden unterhielten, stand Alli schweigend daneben.

„Für Schnitzerei sind die Bewohner der Pazifischen Inseln nicht bekannt. Weshalb bieten Sie solche Artikel hier an, Alli?“, fragte Slade schließlich.

„Wir haben eine Zeit lang Beutel und Taschen aus handgewebten Stoffen angeboten. Aber die Zollbeamten von Neuseeland und Australien waren bei der Rückkehr ihrer Landsleute der Meinung, in den Sachen könnten sich Insekten festgesetzt haben. Da es nicht gut ist, Stoffe mit Insektenvertilgungsmitteln zu behandeln, habe ich mich nach etwas anderem umgesehen.“

Slade nickte. „Und dann haben Sie sich entschlossen, diese billigen Produkte zu importieren.“

„Es handelt sich nicht um Importware“, entgegnete sie betont höflich und beinah etwas überheblich. „Auf Valanu wurde schon immer geschnitzt. Da es auf dem Atoll keine großen Bäume gibt, haben die Inselbewohner Korallen benutzt. Die Figuren hier stellen Götter dar. Sie sind mit viel Geschick und den erforderlichen Riten hergestellt worden.“ Dann wies sie auf eine besonders schöne Decke. „Auch diese Sachen werden nicht importiert. Eine Frau, deren Mutter von den Cook-Inseln kam, hat den Frauen von Valanu gezeigt, wie man die Decken herstellt. Sie sind sehr beliebt. Ich erkläre jedoch allen Kunden, dass es sich nicht um eine traditionelle Kunst unserer Insel handelt.“

Sie rechnete damit, dass ihm die Decke mit dem auffallenden Muster in Rot nicht gefiel. Zu ihrer Überraschung sagte er jedoch: „Hoffentlich zahlen Sie genug dafür. Es dauert Jahre, bis so eine Decke fertig ist.“

Schweigend zeigte Alli ihm das Preisschild. Während er sich über ihre Schulter beugte, um den Preis erkennen zu können, nahm sie den Duft seines herben Aftershaves wahr. Ihr kribbelte die Haut, und der Mund wurde ihr trocken. Slades Nähe kam ihr vor wie eine Naturgewalt, der sie sich hilflos ausgeliefert fühlte.

Alli war entsetzt über ihre Reaktion. Sie ließ die Hand sinken und wagte nicht, sich zu bewegen, um Slade nicht versehentlich zu berühren. In der Stille um sie her glaubte sie, ihr Herz klopfen zu hören.

Dann trat er einige Schritte zurück, und der magische Augenblick löste sich auf. Alli zwang sich, eine gleichgültige Miene aufzusetzen, ehe sie sich zu Slade umdrehte.

„Verkaufen Sie viele davon?“, fragte er kurz angebunden. Sein Blick wirkte kühl und hart.

Sie hob den Kopf. „Mindestens eine im Monat. Wenn wir mehr bekommen könnten, würden wir auch mehr verkaufen. Sie sind bei den Touristen sehr beliebt.“

„Sind Sie nicht etwas zu jung, um diesen Laden zu führen?“

„Seit Alli hier arbeitet, sind die Umsätze beträchtlich gestiegen“, kam Barry ihr zu Hilfe. „Sie spricht die Sprache der Einheimischen, außerdem perfekt Englisch. Mit den Künstlern und Kunsthandwerkern der Insel versteht sie sich gut. Außerdem hat sie einen guten Geschmack, wie Sie selbst sehen können.“

Slade Hawkings’ Blick wurde noch kühler, wenn das überhaupt möglich war. Er ignorierte Barry und fragte Alli nach den Umsätzen und den Bestellungen. Sie hatte das Gefühl, sie müsste sich für alles rechtfertigen, was sie bisher gemacht hatte.

Als er eine halbe Stunde später den Laden verließ, kam es ihr vor, als hätte er ihr jede noch so unbedeutende Information entlockt. Sie blickte hinter ihm her. Neben dem Manager durchquerte er mit geschmeidigen Bewegungen das Foyer. Er strahlte auf jeden Fall Autorität und Macht aus.

Man könnte ihn aber auch als Hai bezeichnen, der bei der Fütterung immer der Erste ist, dachte Alli und musste über den Vergleich lächeln.

2. KAPITEL

Nach dem Gespräch mit Slade, das Alli wie ein Verhör vorgekommen war, war ihr Mund wie ausgetrocknet. Sie schenkte sich ein Glas Ananassaft ein. Aber sie kam kaum dazu, ihn zu trinken, denn ununterbrochen strömten Kunden herein.

Es war ein heißer, hektischer Tag, die Leute waren teilweise gereizt und schienen sich zu ärgern. Als Alli um sieben Uhr am Abend den Laden schloss, war sie müde und hungrig. Sie sehnte sich danach, in der Lagune zu schwimmen. Glücklicherweise war Fili wieder gesund, und Alli brauchte sie nicht mehr zu vertreten und beim Tanzen dieses unbequeme Oberteil aus Kokosnussschalen zu tragen.

Zweimal war der neue Besitzer der Ferienanlage selbstbewusst und mit kühlem Blick durch das Foyer geeilt. Barry war ihm mit besorgter Miene gefolgt.

„Alle haben momentan Angst“, verkündete Sisilu, als Alli vor der Aufführung kurz mit ihr sprach.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Slade Hawkings Sea Winds einfach schließt und dann wieder nach Hause fliegt“, erwiderte sie. „Außerdem ist die gesamte Ferienanlage mit allen Gebäuden und Einrichtungen noch in gutem Zustand. Er könnte sie verkaufen.“

„Vielleicht hat er es gar nicht nötig. Jemand hat behauptet, er sei Multimillionär.“ Sisilu zuckte die Schultern. „Nur wenn man hart und rücksichtslos ist, kann man so weit kommen wie er. Er ist bestimmt nicht hier, um am Strand in der Sonne zu liegen und sich zu vergnügen, sondern er scheint eine Entscheidung treffen zu wollen. Alle sind plötzlich sehr angespannt und nervös.“

„Sicher, so reagieren die Menschen, wenn ihre Arbeitsplätze gefährdet sind. Dann sind alle gestresst und gereizt.“

„Das stimmt. Aber ich bin der Meinung, dass es Slade Hawkings um etwas Persönliches geht“, erklärte Sisilu. „Okay, du kannst ruhig lachen. Aber irgendetwas wird geschehen. Das spüre ich.“

Während Alli über den immer noch warmen Sand der Lagune wanderte, dachte sie über die Bemerkung der Freundin nach. Schließlich legte sie den Pareo ab, lief in das lauwarme Wasser und ließ sich erleichtert hineinsinken.

Wieso könnte es sich um etwas Persönliches handeln? überlegte sie. Sisilus Reaktion auf die veränderte Situation war sicher übertrieben. Natürlich wäre es Alli lieber gewesen, wenn der neue Besitzer mit dem Kauf der Anlage noch sechs Monate gewartet hätte. Dann hätte sie genug Geld für die Reise nach Neuseeland gespart gehabt. Mit dem Schiff würde sie auf die Fidschiinseln gelangen und von dort nach Auckland fliegen.

Ich werde einen Weg finden, um dorthin zu kommen, kein noch so arroganter Besitzer der Ferienanlage wird es verhindern können, nahm sie sich vor. Sie hatte etwas Wichtiges zu erledigen, und das würde sie auch tun.

In dem weichen Wasser ließ sie sich auf dem Rücken treiben und blickte auf zu den großen, hellen Sternen, deren klangvolle polynesische Namen ihr viel geläufiger waren als die, die ihr Vater ihr genannt hatte. In Neuseeland sah der Nachthimmel anders aus. Es würde ihr sicher nicht leichtfallen, ihrem bisherigen Leben, den Menschen hier und allen Freundinnen und Freunden den Rücken zu kehren.

Alli verdrängte das Heimweh, das sie schon jetzt befiel. Obwohl sie alles, was ihr so vertraut war, sehr vermissen würde, erwartete sie mehr vom Leben, als Valanu ihr bieten konnte. Selbst wenn Slade Hawkings Sea Winds nicht schließen würde, gab es für sie hier keine Zukunft.

Nachdem sie mit derselben Leichtigkeit wie die Delfine, die sich manchmal in die Lagune verirrten, im Meer getaucht war, atmete sie langsam aus und schwamm durch das silbrig glitzernde Wasser zurück an den Strand. Während sie sich das Wasser aus den Augen wischte, bemerkte sie, dass jemand neben ihrem Pareo auf sie wartete.

Oh nein, ich habe keine Lust, jetzt mit Tama zu reden, dachte sie und strich das lange, nasse Haar nach hinten. Dann ging sie auf den jungen Mann zu.

„Hallo“, begrüßte sie ihn.

„Fili hat mir erzählt, du würdest mit dem neuen Besitzer nach Neuseeland fliegen“, begann er sogleich.

„Wie kommt sie denn darauf?“, fragte Alli leicht verächtlich und griff nach dem Pareo.

„Wahrscheinlich hat sie es von Sisilu erfahren.“ Seine Stimme klang gequält. „Sie hat behauptet, du hättest erwähnt, dass du mit ihm schlafen würdest, damit er die Anlage nicht schließt.“

Zornig verknotete Alli den Pareo über ihrem Badeanzug. „Slade Hawkings hat die kältesten Augen, die man sich vorstellen kann. Ich bezweifle, dass er überhaupt mit sich verhandeln lassen würde.“

Tama sah sie voller Verlangen an. „Aber du willst nach Neuseeland fliegen. Vielleicht nimmt er dich mit.“

Sie atmete tief ein. „Tama, sei doch vernünftig.“

„Alli, heirate mich.“ Als sie den Kopf schüttelte und einfach wegging, folgte er ihr. „Ich kann meinen Vater dazu bringen, seine Meinung zu ändern. Er kennt dich und hat dich gern.“

„Dein Vater wird seine Meinung nie ändern“, entgegnete Alli sanft. „Er wird dir nie erlauben, eine Frau zu heiraten, die keine Familie hat und nicht hier geboren ist. Er ist ein stolzer Aristokrat, und ich bin ein Niemand.“

Tama packte sie am Arm und zwang sie, ihn anzusehen. „Wenn du einwilligen würdest, mich zu heiraten, könnte ich ihn umstimmen.“

„Nein. Ich gehe nach Neuseeland“, erklärte sie bestimmt.

„Warum?“

Sie ließ den Blick über die Lagune und die Kokospalmen in der Nähe des Hauses gleiten. Es war so wunderschön auf dieser Insel, man konnte sich wie verzaubert fühlen. Der Gedanke, das alles zu verlassen, tat weh. „Weil ich dorthin gehöre, so, wie du hierher gehörst“, erwiderte sie ruhig.

Unvermittelt zog er sie an sich. Alli war verblüfft und versteifte sich. Als er sie küssen wollte, forderte sie ihn auf: „Lass mich bitte los.“

„Alli, du machst mich verrückt. Ich brauche dich …“

„Nein, das tust du nicht.“ Sie fand seine Erregung abstoßend. Dabei waren Tama und sie zusammen aufgewachsen und zusammen in die Schule gegangen. Sie hatten gelacht und viel Spaß gehabt. Er war für sie so etwas wie ein Bruder gewesen, und es war ihr zunächst gar nicht aufgefallen, dass er sich in sie verliebt hatte.

Er legte das Kinn auf ihren Kopf. „Du ahnst ja nicht, was ich für dich empfinde“, flüsterte er.

Sie umfasste sein Gesicht mit beiden Händen und sah ihm in die Augen. Er wirkte auf einmal älter, härter und sehr entschlossen.

„Du weißt, dass ich deine Gefühle nicht erwidere“, entgegnete sie traurig.

„Du willst deine Gefühle nicht zulassen, weil du weißt, wie altmodisch meine Eltern sind.“ Er presste die Lippen auf ihre.

Sie stieß ihn von sich. „Tama, nein! Ich will es nicht!“

Endlich ließ er sie los und trat einige Schritte zurück. „Ich liebe dich“, brachte er rau hervor.

Warum muss es zwischen den Geschlechtern immer so kompliziert sein? fragte Alli sich. „Tama, du bist für mich so etwas wie ein Bruder. Deine Mutter war meine Ersatzmutter“, erwiderte sie liebevoll. „Ich liebe dich auch, aber ganz anders.“

Er wandte sich ab. „Wir könnten es meinen Eltern unmöglich machen, ihre Zustimmung zu verweigern. Wenn wir ein Kind hätten, hätten sie keine andere Wahl mehr.“

Alli atmete tief ein. „Dann müsstest du mich vergewaltigen. Das wirst du jedoch nicht tun.“

„Nein.“ Er war auf einmal wieder der Gefährte ihrer Kindheit und nicht mehr der entschlossene, leidenschaftliche Mann.

„Wir dürfen es deinen Eltern sowieso nicht antun“, fügte sie hinzu. „Sie vertrauen dir – und mir auch.“

Tama hatte sich wieder unter Kontrolle und küsste Alli auf die Stirn. „Offenbar lässt es sich nicht ändern. Ich hoffe, deine Reise bringt dir Glück, kleine Schwester.“ Dann drehte er sich um und ging weg.

Bedrückt und unglücklich blickte Alli hinter ihm her, während er in der Dunkelheit verschwand. Schließlich wanderte sie zu dem Haus, in dem sie aufgewachsen war und das für sie immer ein Zufluchtsort gewesen war.

Zwischen den Kokospalmen blieb sie beunruhigt stehen. All ihre Sinne waren plötzlich hellwach. Schnell entdeckte sie den Grund für ihre Unruhe. An einer der Palmen lehnte völlig reglos ein großer, breitschultriger Mann. Er wirkte so gefährlich wie eine Raubkatze, die bereit war, sich jeden Moment auf ihre Beute zu stürzen.

Alli verkrampfte sich der Magen, und ihr Puls fing an zu jagen. „Guten Abend, Mr Hawkings“, begrüßte sie ihn betont ruhig und gleichgültig.

Er richtete sich auf, kam jedoch nicht auf sie zu. „Guten Abend, Alli.“ Irgendwie klang es beleidigend, wie er ihren Vornamen aussprach. „Sekundenlang glaubte ich, Ihnen helfen zu müssen.“

„Das wäre auf keinen Fall nötig gewesen“, antwortete sie kurz angebunden. „Haben Sie sich verlaufen?“

„Im Gegenteil. Ich habe Sie gesucht.“

Angst stieg in ihr auf, und sie fühlte sich unbehaglich. Unter dem Pareo zeichnete sich ihr feuchter Körper in dem nassen Badeanzug allzu deutlich ab, wie ihr bewusst war. „Warum?“, fragte sie heiser.

Er zögerte kurz. „Ich wollte mir eine Betrügerin einmal aus der Nähe ansehen.“ Seine Stimme klang kühl und bedrohlich.

Sekundenlang war Alli sprachlos. Sie nahm sich jedoch rasch wieder zusammen. „Ich weiß nicht, was Sie meinen.“

„Sie haben Marian Hawkings geschrieben, Sie seien ihre Tochter und wollten wissen, warum sie Sie und Ihren Vater verlassen hat.“

Es überlief sie kalt und heiß, und ihr stockte das Herz vor Schreck. Slades Miene wirkte geradezu Furcht einflößend kalt und unbarmherzig.

Alli schluckte. „Woher wissen Sie das?“

„Ich bin froh, dass Sie es nicht abstreiten. Sie hat es mir erzählt.“

„Sind Sie mit ihr verwandt?“, fragte sie atemlos.

„In gewisser Weise.“

„Ich kann mich nicht daran erinnern, etwas geschrieben zu haben, was man als Betrug auslegen oder bezeichnen könnte“, verteidigte sie sich.

„Erpressung wäre wahrscheinlich die korrektere Beschreibung. Ich habe Ihren Brief gelesen. Er klingt sehr aggressiv, und Sie haben gedroht, Sie würden nach Neuseeland kommen, um mit ihr zu reden“, erklärte er hart und unnachgiebig.

„Es war nicht meine Absicht, aggressiv zu sein. Es stimmt jedoch, dass ich meinen Besuch angekündigt habe. Immerhin habe ich das Recht zu erfahren, weshalb sie mich verlassen hat. Will sie nicht mit mir reden?“

„Warum sollte sie das tun? Sie hat keine Tochter, die Alli …“

„Ich heiße Alison“, unterbrach sie ihn.

„Oder Alison heißt.“

„Ich habe zwei Vornamen: Alison Marian.“

„So?“ Er sah sie ungläubig an. Ohne auf ihren Einwand einzugehen, fuhr er fort: „An dem Tag Ihrer Geburt hat sie mit Freunden Urlaub gemacht. Ich weiß nicht, woher Ihre Informationen stammen, Alli. Vielleicht haben Sie sich ja alles nur ausgedacht. Jedenfalls sind Sie nicht Marian Hawkings’ Tochter.“

Ihr ging ein Stich durchs Herz. „Ich verstehe“, erwiderte sie mühsam beherrscht. „Wenn das so ist, gibt es nichts mehr zu sagen. Auf Wiedersehen, Mr Hawkings.“

„Einen Moment noch. Woher haben Sie Ihre Informationen?“

Es kann nicht verkehrt sein, es ihm zu verraten, überlegte sie. Möglicherweise geriet dadurch seine Sicherheit ins Wanken. Der Gedanke gefiel ihr. „Ihr Name steht auf der Heiratsurkunde meines Vaters.“

Im fahlen Schein des Mondes wirkte sein Gesicht wie eine Maske. Doch in seinen Augen blitzte es auf. Alli war klar, dass sie ihn etwas aus der Fassung gebracht hatte.

„Sie lügen“, entgegnete er und stellte sich vor sie.

Alli wich nicht zurück, sondern hob den Kopf und blickte Slade an. „Der Mädchenname meiner Mutter lautet Marian Carter. Sie ist in England, in Hampshire, geboren. Dort hat sie meinen Vater kennengelernt. Ein Jahr später haben sie geheiratet, und sie ist mit ihm nach Neuseeland gegangen. Nach ungefähr zwei Jahren wurde ich geboren. Aber das geht Sie eigentlich gar nichts an.“

„Ich glaube Ihnen kein Wort.“

„Nein?“ Alli fühlte sich gedemütigt. „Es interessiert mich nicht, ob Sie mir glauben oder nicht. Wenn Mrs Hawkings mich verleugnet, werde ich natürlich nicht darauf bestehen, sie zu treffen.“ Sie lächelte angespannt. „Die eigene Mutter zu belästigen wäre zu unhöflich.“

Slade packte sie am Handgelenk. Er tat ihr nicht weh, doch sie kam sich vor wie in einer Falle. „Sie reagieren ausgesprochen kühl“, stellte er ruhig fest.

Es war keineswegs ein Kompliment, und Alli war alarmiert. „Lassen Sie mich bitte los.“

Er lächelte so ironisch, dass es sie kalt überlief. „Wer ist der junge Mann von vorhin?“, fragte er hart.

„Ein Freund aus der Kindheit.“ Sie löste sich aus seinem Griff und ging an Slade vorbei. Ihre Haut schien dort zu brennen, wo er sie berührt hatte.

„Es war eine rührende kleine Szene.“

Alli sah ihn an. Obwohl sie ihn überhaupt nicht mochte, war sie sich seines muskulösen Körpers unter der perfekt sitzenden Hose und dem sportlichen Hemd allzu sehr bewusst. Auch seinen scharfen Verstand fand sie beeindruckend.

„Ist es Ihr Hobby, heimlich zu lauschen?“ Sie warf ihm einen verächtlichen Blick zu.

Seine Züge wurden noch härter. „Ich mache es nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Sie sollten sich vergewissern, dass niemand in der Nähe ist, ehe Sie einem Mann einen Korb geben“, antwortete er mit schneidender Stimme.

Wir streiten uns, ohne uns überhaupt richtig zu kennen, und das ist seltsam, dachte sie. „Das brauche ich nicht. Die Einheimischen sind zu höflich, um zu lauschen.“

„Vielleicht sind sie ja daran gewöhnt, dass Sie sich mit Männern am Strand treffen. Vermutlich interessiert es die Leute hier gar nicht mehr“, wandte er betont freundlich ein.

Am liebsten wäre sie weggegangen. Aber sie blieb reglos stehen und blickte Slade mit großen Augen an.

Er legte ihr den Finger unters Kinn. Dann lächelte er und musterte sie prüfend und irgendwie berechnend.

Sein Lächeln gefiel ihr nicht. Dennoch rührte Alli sich nicht von der Stelle. Sie ließ die Musterung über sich ergehen und kam sich vor wie ein Gegenstand, der zum Verkauf angeboten wurde.

„Sparen Sie sich die Mühe, mich in Ihren Bann ziehen zu wollen“, forderte er sie schließlich auf. Ihr entging der verächtliche Ton in seiner Stimme nicht, und wieder überlief es sie kalt. „Ihre Lippen sind noch nach den Küssen des anderen Mannes geschwollen. Ich bin sehr wählerisch. Ein schönes Gesicht und die romantische Atmosphäre einer Vollmondnacht in den Tropen beeindrucken mich nicht.“

Dieser Mann geht mir aus irgendeinem Grund unter die Haut, überlegte Alli und biss die Zähne zusammen. „Gute Nacht“, verabschiedete sie sich betont kühl.

Dann straffte sie die Schultern und eilte über den Pfad, der zu dem Haus führte, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Dass ihre Mutter sie verleugnete, schmerzte Alli sehr, und sie konnte stundenlang nicht einschlafen. Sie malte sich aus, wie sie hätte reagieren müssen, als Slade sie berührte. Doch jede Strafe, die sie sich für ihn ausdachte, erwies sich als unbefriedigend. Warum hatte sie ihm nicht einfach erklärt, sie lasse sich von fremden Männern nicht anfassen?

Statt ihn zurückzustoßen, hatte sie den Duft seines Aftershaves wahrgenommen und es zugelassen, dass er mit seinem starken Willen ihre Schutzmauern durchbrach und Gefühle in ihr weckte.

Sie hörte dem Rauschen der Wellen zu, die sich am Korallenriff brachen. Normalerweise hatte dieses Geräusch sie immer beruhigt. Aber in dieser Nacht verschaffte es ihr keine Erleichterung, sie war zu aufgewühlt. Erst nach mehreren Stunden schlief sie endlich ein.

Am nächsten Morgen war Alli schon sehr früh in dem Laden. Während sie die Regale füllte, kam Barry Simcox herein.

„Guten Morgen, Alli.“

Sie hatte ihn nicht gehört und wirbelte herum.

Verblüfft blickte er sie an. „Geht es dir gut?“

„Ja, danke. Du hast mich überrascht, das ist alles.“ Sie kam sich ziemlich dumm vor.

„Ich wusste gar nicht, dass du ein nervöser Mensch bist.“

„Das bin ich auch nicht.“ Sie zauberte ein Lächeln auf die Lippen, wie um ihm zu beweisen, dass sie sich völlig unter Kontrolle hatte.

Er nickte und sah sich in dem Laden um. „Du hast ein Händchen für ausgefallene und ganz besonders schöne Sachen“, stellte er geistesabwesend fest. „Hawkings hat es gestern erwähnt.“

„So?“ Am liebsten hätte sie ihn gefragt, was der neue Besitzer sonst noch gesagt habe. Sie tat es jedoch nicht. „Hat er mit dir über seine Pläne für Sea Winds gesprochen?“

Barry verzog die Lippen. „Nein. Er hält sich sehr bedeckt.“

Wie alle anderen Mitarbeiter musste auch Barry damit rechnen, den Job zu verlieren, wenn die Anlage geschlossen wurde. Aber er konnte natürlich nach Australien zurückkehren, wo er wahrscheinlich sogleich eine neue Stelle finden würde.

Alli lächelte betont unbekümmert. „Eine Touristin hat gestern vorgeschlagen, mehr von diesen Decken herstellen zu lassen. Sie meinte, wir könnten Nähmaschinen kaufen und ein kleines Unternehmen gründen.“ Als Barry laut lachte, fügte sie hinzu: „Ich habe ihr nicht erzählt, dass die meisten Inselbewohner Nähmaschinen besitzen. Ich wollte sie nicht enttäuschen. Außerdem habe ich ihr nicht erklärt, dass jede Decke ein Unikat und gerade deshalb so wertvoll ist.“

„Wenn Sie fertig sind, Simcox, möchte ich mit Ihnen reden“, ertönte plötzlich Slades harte Stimme hinter ihnen.

Barry rang nach Atem. „Ja, natürlich“, brachte er hervor. Als er sich umdrehen wollte, wäre er beinah gestolpert, und er hielt sich an Alli fest.

„Entschuldige.“ Er zog die Hand so hastig zurück, als hätte er sich verbrannt.

Ohne Slade Hawkings anzusehen, stellte Alli sich hinter den Ladentisch und öffnete die Kasse.

„Guten Morgen, Alli“, begrüßte er sie leicht spöttisch. Offenbar belustigte ihn ihre Reaktion.

„Guten Morgen, Mr Hawkings“, erwiderte sie zuckersüß und ignorierte Barrys besorgten Blick.

„Sie sehen etwas müde aus“, fügte Slade hinzu. „Vielleicht sollten Sie früher ins Bett gehen.“

„Oh, keine Sorge, was auch immer ich nachts mache, ich bin jeden Morgen topfit und hellwach“, erwiderte sie.

Sie hörte Barry leise pfeifen, ehe er sich einmischte. „Slade, ich habe jetzt die Umsatzzahlen vorliegen.“

Slade Hawkings blickte ihn an, als wäre er ein lästiges Insekt. „Gut, dann zeigen Sie sie mir.“

Alli beobachtete die beiden, während sie durch das Foyer in die einzige Suite der Ferienanlage gingen, die Slade sogleich für sich beansprucht hatte. Eine einfachere Unterkunft kam für ihn natürlich nicht infrage. Barry und Slade waren ungefähr gleich groß. Barry hielt sich ziemlich gerade und war gut und elegant gekleidet. Doch neben Slade wirkte er sehr unbedeutend.

Slade Hawkings strahlte Macht und Autorität aus. Er hatte offenbar alles unter Kontrolle, sein Leben, seine Mitarbeiter, seine ganze Umgebung. Alli traute ihm zu, dass er die Ferienanlage rücksichtslos schließen würde. Dass viele Leute dann ihre Jobs verlieren würden, interessierte ihn vermutlich überhaupt nicht.

Warum reagiere ich eigentlich so seltsam auf seine Nähe? überlegte sie.

In den nächsten zwei Tagen entstanden immer neue Gerüchte, die sich wie ein Lauffeuer verbreiteten. Alli hatte viel zu tun, weil wieder mehr Urlauber eingetroffen waren. Viele kamen in den Laden, um T-Shirts, Pareos oder Hüte zum Schutz gegen die Sonne zu kaufen. Kinder liefen aufgeregt auf dem Weg in die Lagune an dem Laden vorbei. Und jeden Abend tanzten und sangen die jungen Frauen so schön, als hinge ihr Leben davon ab.

„Barry sieht richtig krank aus, und der Kellner, der das Essen serviert, behauptet, die Miene des neuen Besitzers würde immer verbissener“, erzählte Sisilu am zweiten Abend. Sie war nach der Aufführung vorbeigekommen und saß mit Alli auf der Veranda.

„Was macht Hawkings eigentlich?“

„Er prüft die Bücher.“ Da Sisilu nie lange ernst bleiben konnte, fing sie auf einmal an zu lachen. „Hast du schon gehört, dass eine junge Touristin am ersten Abend nach Mr Hawkings Ankunft geglaubt hat, er sei so etwas wie ein Animateur?“

Alli zog die Augenbrauen hoch. „Nein. Was ist passiert?“

„Sie hat ihn während der Aufführung entdeckt und sich an ihn herangemacht.“

„Wie hat er reagiert?“

Sisilu lächelte. „Er hat sich zu der Reisegruppe gesetzt. Eine halbe Stunde später hat er einen gut aussehenden Amerikaner für die junge Frau an den Tisch geholt. Fili behauptet, sie hätte ausgesehen wie ein verblüffter Fisch und zuerst gar nicht begriffen, was los war. Dieser Mann ist ungemein clever.“ Sie warf Alli einen vielsagenden Blick zu. „Was läuft eigentlich zwischen dir und ihm?“

„Nichts“, antwortete Alli.

„Fili hat erzählt, der neue Besitzer hätte dich und Barry im Laden zusammen scherzen und lachen gesehen. Angeblich hat es ihm nicht gefallen.“

„Offenbar verbringt Fili viel zu viel Zeit mit Klatsch und Tratsch.“ Alli hatte sich längst damit abgefunden, dass auf Valanu nichts geheim blieb. „Wenn sie keine Skandalgeschichten entdecken kann, erfindet sie welche. Falls Slade Hawkings wirklich so ausgesehen hat, als ärgerte er sich, dann nur deshalb, weil er mich nicht mag. Ich mag ihn übrigens auch nicht.“

Sisilu lachte in sich hinein. „Warum mag er dich denn nicht?“

„Oh, ich glaube, wir kommen einfach nicht gut miteinander aus. Das ist alles.“ Alli wünschte, sie hätte geschwiegen.

„Und das bedeutet normalerweise, dass sich unterschwellig etwas abspielt. Ich nehme an, er begehrt dich. Männer wie er nehmen sich im Allgemeinen, was sie haben wollen.“

Alli überlief es heiß. „Du hast eine blühende Fantasie“, stellte sie fest.

„Gestern ist mir aufgefallen, wie er dich beobachtet hat, als du zum Strand gegangen bist.“ Sisilu verdrehte die Augen. „Obwohl er sich nichts hat anmerken lassen, habe ich gespürt, dass er sehr aufmerksam war. Es überrascht mich, dass du nichts gemerkt hast.“ Als Alli ganz verlegen wurde, lachte Sisilu. „Du hast es gemerkt, stimmt’s? Was willst du jetzt machen?“

3. KAPITEL

Alli schüttelte so heftig den Kopf, dass die Orchidee aus ihrem Haar fiel. „Selbst wenn es stimmt, was du erzählt hast, habe ich nichts gemerkt. Du weißt doch, wie mein Vater war.“

„Er hat dir damit keinen Gefallen getan.“ Sisilu runzelte die Stirn. Ian Pierce war sehr streng gewesen. „Mit einem Mann zu schlafen ist nichts Besonderes. Natürlich ist es schön, und ich mache es gern. Aber es ist nicht das Wichtigste im Leben. Je länger man damit wartet, desto wichtiger wird es, nehme ich an. Hast du Angst davor?“

„Nein, das nicht gerade“, erwiderte Alli nachdenklich.

Als Tama sie geküsst hatte, hatte sie nichts empfunden. Sie hatte es nur bedauert, seine Gefühle nicht erwidern zu können. Auf Slades Berührung hingegen hatte sie ganz anders reagiert. Immer noch überlief es sie heiß, wenn sie daran dachte.

„Ich bin jedoch der Meinung, dass mein Vater es für so wichtig hielt, dass ich es nicht einfach nur aus Spaß machen sollte“, fügte sie rasch hinzu.

Sisilu fand es gut, dass Alli so großen Respekt vor ihrem Vater gehabt hatte. Deshalb zuckte sie nur die Schultern und stand auf. Plötzlich hörten sie Gelächter. „Offenbar gehen Fili und die anderen nach Hause. Ich schließe mich ihnen an.“

Nachdem Sisilu sich verabschiedet hatte, wollte Alli ins Bett gehen. Doch sie war nervös und unruhig und stellte sich auf die Veranda. Während sie in die Dunkelheit hinausblickte, überlegte sie, ob Sisilu recht hatte mit ihrer Überzeugung, dass es Alli in Neuseeland nicht gefallen würde.

Ich werde bestimmt den Anblick der Lagune im Mondschein vermissen, dachte sie. Sie würde auch das Rauschen der Palmen im Wind vermissen und den Duft der Blüten und der Früchte. Auch ihre Freundinnen und Freunde würden ihr fehlen.

Dennoch stand ihr Entschluss fest.

Sie setzte sich in den Schaukelstuhl. Was hatte Slade vor? Warum hatte er überhaupt die Ferienanlage gekauft? Für einen harten Geschäftsmann war es eine sehr ungewöhnliche Entscheidung. Er hatte sicher zuvor die Bücher geprüft und gewusst, dass sich mit der Anlage kein Gewinn erzielen ließ.

Alli verzog spöttisch die Lippen. Slade war bestimmt kein Menschenfreund, der sein Geld in ein Unternehmen steckte, das sich nicht rentierte, nur um den Einheimischen zu helfen.

Wenn er Sea Winds schloss, wusste Alli nicht, was sie machen sollte. Sie hatte nichts, keine Zukunft, keine Chance und keine Wahl. Es gab auf der Insel eine Stellenvermittlung für Einheimische. Sie wollte jedoch niemandem die Arbeit wegnehmen, sondern hatte sogar schon eine junge Frau eingearbeitet, die den Laden eines Tages übernehmen sollte.

Nach dem Tod ihres Vaters war auch das geregelte Einkommen weggefallen. In dem Haus konnte sie nur deshalb wohnen, weil der Stammesrat beschlossen hatte, es ihr aus Respekt ihrem Vater gegenüber zu überlassen.

Plötzlich hörte sie Schritte in der Dunkelheit und schreckte aus den Gedanken auf. Vor Angst schlug ihr das Herz bis zum Hals, während sie versuchte, etwas zu erkennen. Schließlich entdeckte sie den Mann, der vom Strand her auf das Haus zukam. Sogleich war ihr klar, wer es war.

Alli versuchte, die Erregung zu verdrängen, die sie wie aus dem Nichts überfiel. „Was wollen Sie?“, brachte sie hervor.

„Ich muss mit Ihnen reden“, antwortete Slade Hawkings kühl. Vor der Veranda blieb er stehen.

„Worüber?“ Ich höre mich an wie ein bockiger, streitsüchtiger Teenager, sagte sie sich.

„Über die Anlage.“

„Warum? Ich weiß nichts über die finanzielle Situation.“

„Simcox hat behauptet, Sie seien hier bestens integriert.“

Sie versteifte sich. Worauf wollte er hinaus? „Es ist das einzige Zuhause, das ich kenne.“

„Aber es ist nicht Ihre Heimat“, entgegnete er. „Sie sind Neuseeländerin.“

„Was hat das mit Sea Winds zu tun?“

Er drehte sich um und betrachtete den Garten. „Ich habe gehört, der Stammesrat hätte Ihrem Vater das Haus zur Verfügung gestellt.“

Alli ahnte nichts Gutes. „Sie haben Nachforschungen angestellt. Warum?“

„Es ist meine Strategie, so viel wie möglich über meine Feinde zu erfahren“, erklärte er ruhig und blickte sie an.

Sie ließ sich nicht anmerken, wie schockiert sie war. „Muss ich jetzt Angst vor Ihnen haben, weil Sie mich für Ihre Feindin halten? Wenn ich das alles geahnt hätte, hätte ich meiner Mutter sicher nicht geschrieben …“

„Sie ist nicht Ihre Mutter“, unterbrach er sie unnachgiebig. „Um Ihre Frage zu beantworten: Es ist gefährlich, mich zum Feind zu haben.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Andererseits kann ich aber auch ein guter Freund sein.“

Mein Freund wird er bestimmt nie sein, dachte Alli skeptisch.

„Vor allem bin ich jedoch Geschäftsmann.“

Er machte nur deshalb immer wieder eine Pause, um seine Gesprächspartner zu verunsichern. Das war Alli klar. Wollte er sie provozieren und zum Reden bringen? Sie zog es vor, zu schweigen.

„Sie wissen, dass Sea Winds Verluste macht“, fuhr er fort. „Ich wäre ein schlechter Geschäftsmann, wenn ich zuließe, dass durch so eine Investition meine Gewinne jahrelang geschmälert würden.“

„Ich bin überrascht, dass Sie als erfolgreicher Geschäftsmann diese Ferienanlage überhaupt gekauft haben.“ Alli konnte sich die Bemerkung nicht verbeißen.

„Dafür hatte ich meine Gründe.“ Der warnende Ton in seiner Stimme war nicht zu überhören.

Alli glaubte zu ahnen, welche Gründe er gehabt hatte. Aber sie verdrängte den Gedanken rasch wieder. Um Macht über sie zu gewinnen, hätte er nicht so viel Geld auszugeben und Sea Winds zu kaufen brauchen. Sie hob den Kopf und betrachtete Slade. Im fahlen Licht des Mondes wirkte sein Profil wie aus Stein gemeißelt. Sisilus Worte fielen ihr ein. „Wenn du nett zu ihm bist, kannst du ihn vielleicht dazu bringen, die Anlage nicht zu schließen“, hatte die Freundin gesagt.

„Wenn Sie schon Geld dafür ausgegeben haben …“, begann sie gleichgültig.

„Geld ist nicht die Antwort auf alles. Man hätte die Anlage niemals hier errichten dürfen. Es kann kein größerer Flughafen gebaut werden, sodass man alles von Sant’Rosa herbeischaffen muss. Aber der Bürgerkrieg dort hat die Touristen zunächst einmal abgeschreckt.“

Er hatte natürlich recht. Dennoch war Alli auf der Hut. „Warum erzählen Sie mir das?“

„Ich möchte Ihre Meinung dazu hören, welche Auswirkungen es hat, wenn ich die Anlage schließe.“

„Warum wollen Sie das ausgerechnet von mir wissen?“, fragte sie skeptisch.

Er zuckte die Schultern. „Sie kennen die Einheimischen gut, und ich glaube Ihnen, dass Sie nur das Beste für Ihre Freunde wollen.“

„Obwohl Sie mich für eine Erpresserin halten?“

„Auch Erpresserinnen haben Freunde“, antwortete er kühl. „Sie scheinen jedenfalls viele zu haben.“

Es war dumm, dass ich ihm gezeigt habe, wie sehr mich seine Unterstellung getroffen hat, dachte sie. Das Wohlergehen der Einheimischen war Alli viel wichtiger als ihre verletzten Gefühle.

Sie atmete tief ein. „Die meisten werden wieder das machen, was sie zuvor auch gemacht haben, sie werden fischen und dergleichen. Der Stammesrat wird weniger Geld für Schulen haben, und die weiterführende Schule wird es dann sicher nicht mehr geben. Die begabteren Kinder können nicht mehr studieren. Auch das Gesundheitszentrum wird man schließen müssen. Es wird höchstens noch einige Ärzte geben. Ernsthaft Kranke können nicht mehr so gut versorgt und behandelt werden.“

Als Slade schwieg, war sie alarmiert. Hätte sie ihn um irgendetwas bitten müssen? Wäre ihm das lieber gewesen? Hatte er überhaupt ein soziales Gewissen, oder war das alles nur ein Trick?

„Wozu wären Sie denn bereit, um etwas zur Rettung der Ferienanlage beizutragen?“, fragte er schließlich.

Panik stieg in ihr auf. „Was könnte ich schon tun?“

Er kam auf die Veranda und blieb vor Alli stehen. „Sea Winds weiterzuführen wäre für mich ein Opfer. Wären Sie Ihren Freunden zuliebe auch zu einem Opfer bereit?“

Ihr Puls raste, und das Herz klopfte ihr zum Zerspringen. Sie hatte das Gefühl, keinen klaren Gedanken fassen zu können. „Wenn Sie das meinen, was ich vermute …“

„Genau das meine ich“, unterbrach er sie spöttisch. „Ich will Sie haben, Alli. Das haben Sie sicher schon gemerkt. Immerhin sind Sie nicht naiv und unschuldig.“

Sie war bestürzt. „Sie müssen sich schon klarer ausdrücken.“

Seine Miene wirkte plötzlich gelangweilt, und er verzog ironisch die Lippen. „So? Vielleicht sollte ich Ihnen zeigen, was ich meine.“ Er zog sie an sich und küsste sie.

Alli war oft genug geküsst worden und wusste, worum es ging. Aber nie zuvor war sie so geküsst worden wie von Slade. Alle Gedanken waren plötzlich wie ausgelöscht, sie bekam kaum noch Luft, und sie fühlte sich ihm hilflos ausgeliefert.

Seine Lippen fühlten sich auf ihren kühl an. Und schon bald empfand Alli nichts anderes mehr als nur noch heftiges, leidenschaftliches Verlangen.

Als er sich von ihren Lippen löste, schmiegte sie sich instinktiv an ihn. Er sollte nicht weggehen, sondern bei ihr bleiben. Schließlich seufzte sie und flüsterte seinen Namen.

Er lachte leise und küsste sie wieder. Und dieses Mal fühlten sich seine Lippen gar nicht mehr kühl an.

Alli erbebte, als er sie an seinen muskulösen Körper presste. Sie fühlte sich in eine andere Wirklichkeit versetzt. Verlangen und Erregung breiteten sich in ihr aus, und sie verspürte eine verzweifelte Sehnsucht nach etwas, was sie noch gar nicht kannte. Darauf habe ich die ganze Zeit gewartet, dachte sie, während er mit der Zunge ihren Mund erforschte.

Langsam hob Slade den Kopf und küsste sie auf die Augenlider. Immer wieder erbebte sie in seinen Armen. Es war ungemein erregend, seinen warmen, festen Körper an ihrem zu spüren. Und es machte sie glücklich, dass Slade so leidenschaftlich auf sie reagierte.

Jetzt verstand sie, warum ihr Vater so streng gewesen war und sie so gut behütet und beschützt hatte. Das, was sie jetzt mit Slade erlebte, war gefährlich, denn sie konnte sich gut vorstellen, süchtig danach zu werden.

Unvermittelt löste er sich von ihr, ließ die Arme sinken und trat einige Schritte zurück. Sie fröstelte in der warmen Nachtluft und sehnte sich nach seinen Küssen und Zärtlichkeiten.

„Nur um Missverständnisse auszuschließen: Als Gegenleistung dafür, dass ich die Ferienanlage nicht schließe, bist du bereit, mit mir zu schlafen, oder?“ Seine Stimme klang so gleichgültig, als wäre nichts geschehen.

Alli fühlte sich gedemütigt, und ihre Erregung verschwand. Vor Zorn ballte sie die Hände zu Fäusten. „Das willst du also.“

„Wir können gern verhandeln.“ Er beobachtete sie aufmerksam.

Sekundenlang war sie sprachlos. „Nein, ich bin keine Prostituierte“, erwiderte sie dann und bemühte sich, die Tränen zurückzuhalten.

„Ich habe auch nicht an Prostitution gedacht, sondern an einen Austausch von Gefälligkeiten“, entgegnete er.

„Für dich wäre es ein Geschäft“, stellte sie verächtlich fest. „Etwas anderes ist auch Prostitution nicht. Gefühle gibt es dabei nicht.“

Slade lächelte freudlos und fuhr ihr mit dem Finger über die Lippen. „Gibt es wirklich keine Gefühle? Ich glaube nicht, dass ich mich getäuscht habe. Soll ich dich noch einmal küssen?“

Sie konnte seine Zärtlichkeiten und seinen wissenden Blick nicht mehr ertragen und wich zurück. „Es besteht ein großer Unterschied zwischen Empfindungen und Gefühlen.“

„Wenn wir uns lieben, können wir getrost auf solche Wortklaubereien verzichten“, erklärte er.

„Okay, sprechen wir über das Geschäftliche. Was erwartest du von mir? Wie oft soll ich mit dir dafür schlafen, dass du die Anlage nicht schließt? Einmal? Oder soll ich dir jedes Mal zur Verfügung stehen, wenn du nach Valanu kommst? Wie oft wird das sein?“

„Wann immer ich Lust dazu habe“, antwortete er gleichgültig. „Ich glaube nicht, dass wir mit einer einzigen gemeinsamen Nacht zufrieden sind.“

„Und wie lange soll das so weitergehen?“

„Bis ich dich leid bin“, erwiderte er kühl. „Ich erwarte natürlich von dir, dass du mir treu bist.“

„Gilt dasselbe auch für dich?“ Als er zögerte, sah sie ihn an und fügte verächtlich hinzu: „Nichts und niemand könnte mich dazu bringen, mit dir für Geld, für einen anderen Vorteil oder aus anderen Gründen zu schlafen. Ich möchte dich nie wiedersehen.“

„Das lässt sich machen.“ Seine Stimme klang geschäftsmäßig. „Steig herunter von deinem hohen Ross, Alli. Ich will gar nicht mit dir schlafen. Ich werde die Ferienanlage nicht schließen, wenn du bereit bist, auf der Insel zu bleiben und weiterhin in dem Souvenirladen zu arbeiten.“

„Wie bitte?“, flüsterte sie ungläubig.

„Du hast mich genau verstanden. Wenn du einwilligst, wird niemand den Job verlieren, die jungen Leute können weiterhin die Universität besuchen, und alle haben genug zum Leben.“

„Warum stellst du diese Bedingung?“ Alli hätte sich die Frage sparen können, denn sie ahnte, warum.

„Ganz einfach, ich will verhindern, dass du Marian Hawkings jemals wieder belästigst.“

Mit so viel Kaltblütigkeit und Kompromisslosigkeit hatte sie nicht gerechnet. In den Zorn, den sie empfand, mischte sich Verzweiflung. „Ausgerechnet du hast mir vorgeworfen, eine Erpresserin zu sein.“

„Wir beide tun nur das, was wir unserer Meinung nach tun müssen“, entgegnete er ungerührt.

Obwohl Alli sich eingestand, dass sie keine Wahl hatte, suchte sie noch einen Ausweg. „Wie lange müsste ich hier auf der Insel bleiben?“

Slade zögerte kurz. „Du kannst Valanu verlassen, sobald ich damit einverstanden bin.“

Am liebsten hätte sie ihn aus lauter Zorn, Verzweiflung und Enttäuschung angeschrien. Aber sie befürchtete, er würde es sich anders überlegen, wenn sie die Beherrschung verlor. „Ich würde dir versprechen, nicht noch einmal mit Marian Kontakt aufzunehmen. Dann …“ Als er die Hand hob, wich Alli zurück.

„Ich wollte dich nicht schlagen“, erklärte er ungläubig.

„Das weiß ich.“

„Hat dein Vater dich geschlagen?“

Sein sanfter Ton beunruhigte sie mehr als alles andere. „Nein, nie. Er war ein Gentleman, wie er im Buch steht.“ Sie ließ die Worte wirken, ehe sie fortfuhr: „Okay, ich bin mit deinem Vorschlag einverstanden. Ich möchte es jedoch schriftlich haben.“

Er lachte belustigt auf. „Innerhalb einer Woche hörst du von meinem Rechtsanwalt.“

Alli war gekränkt. „Wenn nicht, gilt die Vereinbarung nicht mehr. Damit ihr es wisst, du und Marian Hawkings: Ich hatte nie die Absicht, mich dieser Frau aufzudrängen. Ich wollte ihr nur einige Fragen stellen.“

„Dann musst du lernen, dich diplomatischer auszudrücken.“ Er drehte sich um und wollte gehen. „Sie kann deine Fragen sowieso nicht beantworten. Falls es stimmt, dass du deine Mutter suchst, bist du auf der falschen Fährte.“

Es fiel Alli schwer, zu schweigen. Aber sie schaffte es. Sie wusste genau, dass Marian Hawkings ihre Mutter war. Die Lügen, die sie offenbar Slade erzählt hatte, passten zu dem Bild, das Alli sich von ihr gemacht hatte. Marian Hawkings wollte mit ihrer Tochter nichts zu tun haben.

„Ehe du gehst, verrat mir bitte eins“, bat Alli ihn.

„Ich wüsste nicht, was.“ Er ging die Stufen hinunter. Doch schließlich blieb er stehen und sah Alli an.

„Die ganze Sache kostet dich viel Geld“, stellte sie fest. „Was bedeutet Marian Hawkings dir? Deine Mutter kann sie nicht sein, es sei denn, sie hatte eine Affäre, ehe sie meinen Vater geheiratet hat. Ich nehme an, sie ist deine Stiefmutter.“

Sekundenlang zögerte er. „Ja, das ist sie“, gab er dann zu. „Du hast behauptet, du hättest ihren Namen auf der Heiratsurkunde deines Vaters entdeckt. Ihr erster Mann hieß jedoch nicht Ian Pierce.“

„Das stimmt. Er hieß Hugo Ian Greville. Pierce war der Mädchenname seiner Mutter. Nachdem deine Stiefmutter ihn verlassen hat, hat er offiziell seinen Namen geändert. Erst nach seinem Tod habe ich die Heirats- und die Scheidungsurkunde und den Zeitungsartikel über die Hochzeit meiner Mutter mit deinem Vater gefunden.“

Im Mondschein wirkten seine Gesichtszüge streng und entschlossen. „Dann wusstest du, wer ich war, ehe wir uns überhaupt kennengelernt haben?“

„Nein“, erwiderte sie scharf. „In dem Artikel wurde nichts von einem Sohn erwähnt. Ich hatte keine Ahnung, wie der neue Besitzer von Sea Winds hieß.“ Sie blickte ihn an. Glaubte er ihr? Seine Miene verriet nichts. „Als nach deiner Ankunft dein Name genannt wurde, habe ich keinen Zusammenhang hergestellt. Hawkings ist ein recht häufiger Name.“

„Ah ja.“ Er machte eine Pause. „In einer halben Stunde verlasse ich Valanu. Das nur zu deiner Information.“

Verblüfft, zornig und leicht verzweifelt sah sie hinter ihm her, während er in Richtung Strand wanderte, bis er in der Dunkelheit verschwunden war.

4. KAPITEL

Alli ließ sich anmutig aus dem Sattel gleiten und streichelte dem Grauschimmel die Nüstern. „Gutes Mädchen“, sagte sie leise und blickte zum Strand. Weit im Norden, mehrere Tausend Kilometer entfernt im Pazifischen Ozean, lag Valanu.

Achtzehn Monate lang hatte sie sich an die mit Slade Hawkings getroffene Vereinbarung gehalten. Doch vor sechs Monaten hatte sie die Insel verlassen. Ihre Freunde vermisste sie immer noch, aber an das neuseeländische Klima hatte sie sich schon gewöhnt. Ihr gefielen der Wechsel der Jahreszeiten und auch ihr neues Leben.

Es war recht kühl an diesem Tag. Die Maori hatten längst Matariki, ihr traditionelles Fest, gefeiert, nachdem die Plejaden am nördlichen Himmel erschienen waren. Das bedeutete, dass der Frühling beinah vorbei war und es Sommer wurde.

„Hallo, Alli!“

Sie drehte sich um und winkte dem Mann mittleren Alters zu, der über die Weide auf sie zukam. „Hallo, Joe. Gibt es Probleme?“

„Wer weiß. Du hast Besuch.“ Er griff nach den Zügeln. „Geh bitte zur Lodge. Ich kümmere mich um Lady. Der Mann sieht nicht so aus, als wäre er es gewöhnt, dass man ihn warten lässt.“

Alli runzelte die Stirn. „Wie heißt er?“

„Geh schon. Er hat seinen Namen nicht genannt, sondern nur erklärt, er wolle dich sprechen.“ Joe verzog das Gesicht. „Vielleicht hat er dein Foto in der Zeitung gesehen. Man hat ja ausführlich darüber berichtet, dass du geholfen hast, die Segler aus Seenot zu retten. Ihm ist sicher dein schönes Gesicht aufgefallen.“

„Hoffentlich nicht.“ Alli hatte sich sehr bemüht, bei der Rettungsaktion im Hintergrund zu bleiben. Einem hartnäckigen Reporter war es jedoch gelungen, ein Foto von ihr zu schießen, als sie an der Leine zog, mit der die Besatzung der Jacht aus der tosenden Brandung in Sicherheit gebracht worden war.

Man konnte auf dem Foto ihr Gesicht kaum erkennen. Die anderen Mitarbeiter der Lodge hatten scherzhaft behauptet, man hätte das Foto nur veröffentlicht, weil man darauf ihre langen, nackten Beine sehen konnte. Sie hatte die nassen Jeans ausgezogen, die sie im Wasser nur behindert hatten.

Als sie immer noch unschlüssig stehen blieb, wies Joe mit einer Kopfbewegung auf die Lodge. „Mach schon. Wenn er unangenehm wird, ruf Tui zu Hilfe.“

Alli musste lachen. Tui war Joes Frau und sehr schlagfertig und resolut. Sie nahm kein Blatt vor den Mund, konnte aber auch sehr liebevoll sein.

„Danke“, erwiderte Alli und lief über den Pfad, der durch die Dünen zur Lodge führte. Die Lodge war eine Anlage mit einfachen Unterkünften für Rucksacktouristen.

Wer mochte der Mann sein? Die Leute, mit denen sie sich angefreundet hatte, wohnten alle hier in der Nähe. Da Joe den Mann nicht kannte, musste er ein Fremder sein.

War es etwa jemand von Valanu?

Sie ging in den Empfangsbereich und auf den Mann zu, der dort stand und ihr den Rücken zukehrte. „Es tut mir leid, dass es länger gedauert hat …“ Unvermittelt verstummte sie. Sie war entsetzt und rang nach Atem.

Slade Hawkings drehte sich zu ihr um. „Ich bin sehr geduldig“, antwortete er.

Es kam Alli so vor, als wäre sie in die Zeit vor zwei Jahren zurückversetzt worden. Sie fühlte sich seiner faszinierenden Ausstrahlung gegenüber noch genauso hilflos wie damals. Er beobachtete sie mit regloser Miene.

„Was willst du?“, fragte Alli unsicher.

Er zog arrogant eine Augenbraue hoch. „Vielleicht will ich herausfinden, warum du dich nicht an unsere Abmachung gehalten hast.“

„Ich habe keinen Kontakt mit Marian Hawkings aufgenommen“, wehrte sie sich. „Das war doch für dich das Wichtigste.“

„Darüber kann man verschiedener Meinung sein“, entgegnete er gleichgültig.

„Außerdem macht Sea Winds keine Verluste mehr“, fügte sie hinzu.

„Das habe ich wohl vor allem dir zu verdanken.“ Er senkte die Lider, sodass Alli seine erstaunlich grünen Augen nicht sehen konnte. „Wer hätte gedacht, dass sich eine Südseeschönheit zu einer Expertin für Werbung entwickelt?“

„Expertin für Werbung? Wie kommst du denn darauf?“

„Als ich von der Werbekampagne erfuhr, mit der der neue Manager mehr Gäste in die Ferienanlage locken wollte, hat er mir verraten, dass du diese Ideen gehabt hast. Es war ein großartiger Vorschlag, Touristen mit mehr Geld anzusprechen und sie mit einem Flugboot von Sant’Rosa auf die Insel befördern zu lassen. Auf der Nostalgiewelle zu schwimmen zahlt sich genauso aus, wie ein Picknick auf einer einsamen Insel anzubieten. Es scheint viele Möchtegern-Robinson-Crusoes anzuziehen.“

Sie zuckte die Schultern. „Die Superreichen interessieren sich dafür ganz bestimmt nicht. Ich war überrascht, dass dein Management meine Vorschläge akzeptiert hat.“

„Es waren neue Ideen, und sie waren gut“, antwortete er gleichgültig. „Außerdem war klar, dass der Stammesführer ganz auf deiner Seite war.“

Ich muss mich zusammennehmen und darf mir nicht anmerken lassen, wie unbehaglich ich mich fühle, mahnte sie sich. Tamas Vater hatte seinen Sohn nach Auckland auf die Universität geschickt. Er hatte offenbar seine Liebe zu Alli überwinden sollen. Der Stammesführer war der Meinung, Alli hätte sich korrekt verhalten, und hatte sich dafür eingesetzt, dass ihre Pläne für die Ferienanlage verwirklicht wurden.

Der neue Manager, der zwei Tage nach Slades Abreise eingetroffen war, hatte Alli gewähren lassen. Barry Simcox war nach Australien zurückgekehrt.

„Lebt Barry in Australien wieder mit seiner Frau zusammen?“, fragte Slade.

Sie war auf der Hut und sah Slade aufmerksam an. Er erwiderte ihren Blick jedoch betont unschuldig.

Wieder zuckte sie die Schultern. „Woher soll ich das wissen?“

Er lächelte belustigt. „Wie bist du von Valanu weggekommen? Der Manager hat berichtet, niemand hätte eine Ahnung gehabt, wo du warst, bis du ungefähr eine Woche später eine Ansichtskarte von den Fidschiinseln geschrieben hättest.“

„Er hätte nur den Stammesführer zu fragen brauchen“, erwiderte sie steif. „Ich habe auf einer Jacht angeheuert.“

„So etwas habe ich vermutet.“ Sein Lächeln wirkte nicht ganz echt. „Auf der mit den jungen Australiern?“

Autor

Robyn Donald

Die Neuseeländerin Robyn Donald ist überzeugt, dass Schreiben und Gärtnern viel gemeinsam haben: Beide Tätigkeiten sind mit Fantasie, Gefühlen, Visionen, viel Arbeit und Rückenschmerzen verbunden - und machen, wenn sie erfolgreich abgeschlossen sind, sehr glücklich.

Schon als Kind erzählte Robyn ihren vier jüngeren Schwestern und ihrem Bruder sehr gern haarsträubende Abenteuer...

Mehr erfahren
Lindsay Armstrong

Lindsay Armstrong wurde in Südafrika geboren, und bis heute fasziniert sie der Kontinent sehr. Schon als kleines Mädchen wusste sie, was sie später machen wollte: Sie war entschlossen, Schriftstellerin zu werden, viel zu reisen und als Wildhüterin zu arbeiten.

Letzteres ist ihr zwar nicht gelungen, aber noch immer ist sie...

Mehr erfahren
Angela Devine
Mehr erfahren