Romana Extra Band 165

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NUR DAS MEER KENNT UNSER LIED von BRYONY TAYLOR

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  • Erscheinungstag 25.10.2025
  • Bandnummer 165
  • ISBN / Artikelnummer 0801250165
  • Seitenanzahl 400

Leseprobe

Bryony Taylor, Sophie Pembroke, Becky Wicks

ROMANA EXTRA BAND 165

Bryony Taylor

PROLOG

Die Luft im Galley Head war erfüllt von Bierdunst und Schweiß – normalerweise keine Kombination, für die sich Emma O’Shea begeistern konnte. Doch die Stimmung in dem kleinen Pub der quirligen South William Street in Dublin, die gesäumt war von Backsteinhäusern mit kleinen Läden und Cafés, war einfach zu mitreißend, um sich davon die Laune verhageln zu lassen.

Die Pixie Lads, eine lokal bekannte irische Folk-Pop-Band, verstand es, dem Publikum, das vor der improvisierten Bühne versammelt war, einzuheizen. Der Violinist stampfte bei seinem großen Solo im Takt des Songs, der sich dem Höhepunkt zuneigte. Dann trat der Gitarrist zurück ans Mikrofon, um die letzte Strophe anzustimmen.

My love, don’t stray so far from me,

The world is cold without you.

Stay by my side, I’ll hold your hand,

And never let you go.

I’ll never let you go.

Lautlos formten Emmas Lippen die Worte, die sie so gut kannte. Besser als irgendjemand sonst auf der Welt, stammten sie doch aus ihrer eigenen Feder. Sie nahm einen Schluck von ihrem Pint und wischte mit dem Zeigefinger den Schaum weg, der auf ihrer Oberlippe zurückgeblieben war.

Die letzten Geigenklänge verstummten, und die Menge brach in frenetischen Jubel aus. Cillian, der Sänger, bedankte sich und sprang dann, als das Publikum sich zu zerstreuen begann, mit einem Satz von der Bühne.

Über beide Ohren strahlend kam er auf Emma zu, das graue T-Shirt schweißdurchnässt, das Haar ein chaotisches Durcheinander und das Gesicht vor Anstrengung gerötet.

„Hast du gesehen, wie die Leute deinen Song gefeiert haben?“

Verlegen strich sich Emma eine kupferrote Strähne zurück hinters Ohr, die sich aus ihrem Messy Bun gelöst hatten. „Wenn schon, dann ist es unser Song, Cillian“, protestierte sie. „Du hast immerhin die Musik geschrieben und alles arrangiert.“

„Ja, aber der Text, der genau das widerspiegelt, was ich mir für diesen Song gewünscht habe, der stammt von dir.“ Tadelnd hob er den Zeigefinger. „Ehrlich, Em, stellt dein Licht nicht immer so unter den Scheffel. Du bist unglaublich talentiert. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis du so richtig groß durchstartest.“

Emma schnaubte unladylike. „Das bezweifle ich aber noch erheblich.“

Vor allem, da Zeit genau das war, was ihr nicht unbegrenzt zur Verfügung stand. Sie war jetzt vierundzwanzig, und mit spätestens fünfundzwanzig, das hatte sie mit sich selbst vereinbart, hatte sie es entweder geschafft – oder sie würde das tun, was ihre Eltern sich schon immer von ihr gewünscht hatten.

Ins Familienrestaurant in Smithfield einsteigen.

Ihr blieben noch fast genau drei Monate, um ihr Ziel zu erreichen. Die Chancen, dass sich bis dahin etwas an ihrer Situation änderte, waren verschwindend gering. Eigentlich konnte sie jetzt gleich aufgeben. Aber das war einfach nicht ihre Art. Sie war eine unverbesserliche Optimistin, schon immer gewesen, und solange auch nur ein Fünkchen Hoffnung bestand, würde sie nicht das Handtuch werfen.

„Schön wär’s“, seufzte sie. „Aber dummerweise scheint sich niemand für meine Lyrics zu interessieren. Du hast ja keine Ahnung, an wie viele Plattenlabel, Musikmanager und Produzenten ich schon Proben geschickt habe, ohne je wieder auch nur einen Piep davon zu hören …“

„Gut Ding will Weile haben“, entgegnete Cillian. „Du darfst einfach nur den Glauben an dich selbst nicht verlieren, dann kommt alles andere schon ganz von allein.“

„Wenn das so einfach wäre, würde es ja jeder schaffen, seine Träume zu verwirklichen.“

Cillian lachte. „Ach ja? Also, wenn du mich fragst, ist das mit das Schwierigste überhaupt.“

„Was meinst du?“

„Na, den Glauben an sich selbst nicht zu verlieren.“ Ein paar Fans der Band hatten sich zu ihnen gesellt, und Cillian warf ihr einen entschuldigenden Blick zu. „Die Pflicht ruft“, sagte er und deutete mit dem Zeigefinger einen Salut an. „Sehen wir uns gleich noch auf der Afterparty?“

„Afterparty? Ich dachte, so etwas ist nur für die ganz großen Stars.“

„Wieso? Feiern kann doch jeder, oder nicht?“ Lachend winkte er ab. „Es ist nur eine klitzekleine Party bei Paddy zu Hause. Die Band, ein paar Freunde … Na, was ist?“

Emma schüttelte den Kopf. „Danke für die Einladung, ehrlich, aber ich glaube, ich gehe lieber nach Hause. Ich bin reif fürs Bett.“

„Wie furchtbar langweilig“, spottete Cillian gutmütig und lachte, als ihm Brian, der Drummer der Band, von hinten die Hände auf die Schultern legte.

„Du kommst doch auch zur Party, oder Em?“

„Sie will lieber ins Bett, kannst du dir das vorstellen? Man könnte glauben, dass sie in drei Monaten zweiundfünfzig wird, nicht erst fünfundzwanzig.“

„Buh“, kommentierte Brian und zerzauste seinem Bandkollegen das Haar, bevor er sich wieder Emma zuwandte. „Da hat übrigens jemand nach dir gefragt.“

„Nach mir?“ Sie blinzelte überrascht.

„Ja – genauer gesagt, nach unserem Songtexter.“

„Wer denn?“

„So ein Typ. Blond, groß, vom Akzent her Engländer, Mitte bis Ende vierzig, hat sich aber gut gehalten.“

„Ist mir bisher nicht über den Weg gelaufen“, entgegnete Emma. „Was wollte er denn?“

Er zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Mit dir sprechen, nehme ich an. Meinte, ihm hätte ‚Never Let You Go‘ gut gefallen, und fragte, wer die Lyrics für den Song geschrieben hätte. Ich hab ihm gesagt, dass du hier bist und … Ach, da ist er ja!“

Emma drehte sich um und sah einen Mann, auf den Brians Beschreibung passte, auf sich zukommen.

„Hier“, rief Brian. „Das ist sie. Das ist unsere Em.“ Er zwinkerte Emma verschwörerisch zu. „Wir machen uns dann mal dünn“, sagte er, schlang Cillian einen Arm um die Schultern und zog ihn weg.

„Miss O’Shea?“ Der Mann schenkte ihr ein professionell wirkendes Lächeln und streckte ihr die Hand entgegen. „Freut mich wirklich, Sie kennenzulernen. Ich muss schon sagen, Ihre Texte gehen wirklich ins Ohr.“

„Vielen Dank, Mr. …“

„Dalton Lewis“, erwiderte er. „Aber den Namen müssen Sie sich nicht merken.“ Er präsentierte ihr eine Visitenkarte, auf der in fetten Lettern das Logo einer großen Plattenfirma prangte. Emma nahm sie entgegen. Als sie sie umdrehte, sah sie, dass auf der Rückseite eine handgeschriebene Telefonnummer stand und darüber ein Name.

Ihre Augen wurden groß. „Was …?“

„Rufen Sie an“, sagte Mr. Lewis, dann nickte er ihr noch einmal lächelnd zu, wandte sich um und verschwand in der Menge.

Ungläubig blickte Emma ihm nach. Sie war versucht, sich in den Arm zu kneifen, um sicherzugehen, dass sie nicht träumte. Doch war nicht die Visitenkarte, die sie in der Hand hielt, der beste Beweis dafür?

Rufen Sie an, hörte sie das Echo von Mr. Lewis’ Stimme in ihrem Kopf. Sollte sie? Natürlich sollte sie, was war das für eine Frage. Ihr lief die Zeit davon, und sie brauchte dringend einen Erfolg, um sich selbst und dem Rest der Welt zu beweisen, dass sie es konnte.

Dass ihr Traum, Songtexterin zu sein und davon leben zu können, nicht nur eine Illusion war.

Für ihre Schwester Shannon.

Nicht zuletzt aber auch für sich selbst.

1. KAPITEL

Zwei Monate später

Emma beschattete mit einer Hand ihre Augen gegen die gleißende Sonne der Côte d’Azur und stieg aus dem Taxi. Ihr Flieger war vor knapp drei Stunden in Nizza gelandet, vom Flughafen aus war sie dann noch einmal anderthalb Stunden mit dem Taxi bis zu ihrem Hotel nahe des berühmten Plage de Saint-Tropez gefahren, hatte dort eingecheckt und ihren Koffer aufs Zimmer gebracht, nur um sich dann gleich wieder auf den Weg ins Studio zu machen, in dem in den Siebzigern schon große Stars Songs aufgenommen hatten.

Jetzt war sie zwar vollkommen erledigt, wusste aber, dass sie es nicht ausgehalten hätte, tatenlos auf ihrem Zimmer herumzusitzen. Sie hatte zwei Monate gewartet, und jetzt war es um ihre Geduld endgültig geschehen.

Im Grunde genommen war sie schon vor acht Wochen gleich bereit gewesen, mit der Arbeit zu beginnen. Oder, genauer gesagt, seit sie gesehen hatte, wessen Name auf der Rückseite der Visitenkarte stand, die ihr Mr. Lewis im Galley Head überreicht hatte.

Laszlo Byrnes.

Eine kurze Google-Suche hatte enthüllt, dass der Mann nicht einfach nur irgendjemand war, der für eine Plattenfirma arbeitete. Nein, er war niemand anderes als der Manager der Flames.

Die Band war vor nicht allzu langer Zeit extrem erfolgreich gewesen. Eine Nummer-eins-Single nach der anderen, und im Radio spielten sie ihre Songs ohnehin rauf und runter. Dann, vor fünf Jahren, hatten die Flames überraschend ihre Trennung verkündet. Oder vielleicht doch nicht so überraschend, denn es war allgemein bekannt, dass sich die verschiedenen Bandmitglieder nicht besonders mochten. Im Grunde war es vermutlich also nur eine Frage der Zeit gewesen.

Seit ein paar Monaten wurden aber mehr und mehr Gerüchte laut, dass die Band ein großes Comeback plante. Gerüchte, die Emma als Wunschdenken der Fanbase betrachtet hatte, bis … bis sie mit Laszlo Byrnes telefoniert hatte, der bestätigte, dass solche Pläne tatsächlich bestanden und dass man sie brauchte, um sie in die Tat umzusetzen.

Die Flames brauchten einen Texter, und unter den Kandidaten, die infrage kamen, hatte Emma mit ihren Lyrics am meisten überzeugt. Der Rest war Geschichte.

Als man ihr schließlich das Angebot gemacht hatte, zusammen mit dem Frontmann der Flames an einem Song zu schreiben, hatte sie nicht lange gezögert.

Dies war ihre große Chance.

Die einzigartige Gelegenheit, doch noch all das zu erreichen, was sie sich immer erträumt hatte.

Die Zeit, bis sie gestern endlich ins Flugzeug nach Frankreich hatte steigen können, war ihr unendlich erschienen. Und nun, wo das erste Zusammentreffen mit der Band unmittelbar bevorstand, konnte sie an nichts anderes mehr denken.

Sie blieb vor dem Gebäude stehen, in dem sich das Tonstudio befand, und sah sich erst einmal um. Das Studio befand sich in unmittelbarer Nähe zum Strand, sodass man das Rauschen der Wellen und die Schreie der Möwen, die am hellblauen Himmel ihre Kreise zogen, deutlich hören konnte.

Die Straße, die daran entlangführte, war gesäumt von Palmen, deren Blätter sich leicht in der lauen Meeresbrise wiegten.

Bei dem Gebäude selbst handelte es sich um einen großen Bungalow, der, soweit Emma es von ihrer Position aus erkennen konnte, wie ein Hufeisen geformt war. Mitten im Zentrum des ‚U‘ befand sich eine gläserne Eingangstür.

Mit klopfendem Herzen ging sie auf eben diese Tür zu, deren Hälften mit einem leisen Zischen auseinanderglitten, als die Sensoren sie erfassten.

Kühle Luft schlug ihr entgegen, als sie das Foyer betrat, das ihr nach dem hellen Sonnenschein regelrecht düster erschien. Sie musste blinzeln, um sich an die neuen Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Dann fühlte sie sich fast ein wenig eingeschüchtert angesichts der Tatsache, wie groß der Raum war. Die Tonstudios, in denen sie bei früheren Jobs gewesen war, wirkten im Vergleich wie enge Besenkammern. Aber das hier war Studios Chrysalides, eines der bekanntesten Tonstudios der Welt, bei dem sich die großen Stars die Klinke in die Hand gaben. Sie war bereit, darauf zu wetten, dass das Equipment erstklassig und nur von höchster Qualität war. Hier gab es ganz sicher kein Mischpult aus dem Secondhandmusikladen, ebenso wenig wie gebrauchte Mikrofone.

Hinter einer Theke aus Chrom und Glas saß eine junge Frau, im Ohr eine Telefon-Freisprecheinrichtung, die mit langen Fingernägeln auf die Tastatur ihres Computers einhackte. An der Wand in ihrem Rücken hingen mehrere gerahmte Goldene Schallplatten.

Als Emma sich räusperte, reagierte sie zunächst gar nicht. Schließlich ließ sie sich dazu herab, ihr ihre Aufmerksamkeit zu schenken – jedoch nicht, ohne durch ihren Gesichtsausdruck mehr als deutlich zu machen, was sie von Emma hielt.

„Ja, bitte?“

„Mr. Byrnes erwartet mich“, erklärte sie, ohne sich etwas anmerken zu lassen. „Ich soll bei den Songs für das Comeback-Album der Flames mitarbeiten.“

Die Empfangsdame tippte etwas in ihren Computer und verkündete dann: „Studio 3A.“ Sie deutete nach rechts. „Den Gang hinunter, ganz am Ende links.“

Damit wandte sie sich wieder ihrem Monitor zu, so als wäre das, was darauf zu sehen war, unglaublich faszinierend.

Vermutlich, so dachte Emma gehässig, spielt sie gerade eine Runde Solitaire oder scrollt sich durch ihren Instagram-Account.

Sie wandte sich ab und setzte ich in Bewegung. Ihr Herz klopfte mit jedem Schritt, den sie machte, ein wenig heftiger.

An den Wänden des Korridors hingen gerahmte Goldene Schallplatten von verschiedenen Künstlern, deren Namen so etwas wie Ehrfurcht in Emma hervorriefen.

Die Flames waren eine Band aus den Staaten, die ihre Karriere ganz klassisch, in der Garage der Eltern des Schlagzeugers in einem Vorort von Maine, begonnen hatte. Sie waren ein paar Jahre ohne großen Erfolg in Clubs aufgetreten, bis sie schließlich von ihrem ersten Produzenten, Maurice Bennett, entdeckt worden waren. Er hatte ihnen ihren ersten Plattendeal verschafft, und schon die Debüt-Single war absolut durch die Decke gegangen. Was nicht zuletzt an der Ausstrahlung lag, die der Sänger der Band, Isaac Rivers, verströmte, ganz gleich, ob man ihn nun live auf der Bühne sah, im eilig gedrehten Musikvideo oder auf dem Cover des Albums.

Emma war selbst ein großer Fan der Band gewesen und hatte heimlich auch ein wenig für den charismatischen Leadsänger geschwärmt. Und er sah eben nicht nur absolut zum Niederknien aus, er war auch ein fantastischer Sänger.

Bei dem Gedanken daran, ihn bald persönlich kennenzulernen, spürte sie gleich wieder, wie es in ihrem Bauch zu flattern begann, und sie drängte ihn zur Seite. Sie war schließlich nicht als Fan hier.

Sei professionell, Emma.

Als sie die Tür am Ende des Korridors erreichte, holte sie tief Luft und klopfte an. Es dauerte nicht lange, bis auf der anderen Seite jemand laut „Herein“ rief. Sie straffte die Schultern, drückte die Klinke herunter und trat ein.

Der Mann, der an einem Mischpult mit unzähligen Reglern saß und eine Hälfte eines Kopfhörers zwischen Schulter und Ohr eingeklemmt hatte, hob lediglich die Hand, ohne auch nur aufzublicken. Er schob einen Hebel nach oben, drehte an einem Einstellrad und nickte schließlich, bevor er sich zu Emma umdrehte.

„Ja? Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?“

„Ich … mein Name ist Emma O’Shea. Ich … werde erwartet?“

Es hatte nicht wie eine Frage klingen sollen, tat es aber. Und sie wollte sich am liebsten selbst dafür ohrfeigen. Das war ja ein toller erster Eindruck, den sie hier machte. Wenn sie als Songtexterin ernst genommen werden wollte, dann durfte sie sich nicht so leicht einschüchtern lassen.

Sie war gut in dem, was sie tat. Ansonsten hätte man sie wohl kaum hierher eingeladen.

„Ah, Miss O’Shea“, sagte der Mann und erhob sich von seinem Drehstuhl. Er war etwa eins siebzig groß, und Emma schätzte ihn auf Ende vierzig bis Mitte fünfzig. Sein dunkles Haar war voll und wellig und von grauen Strähnen durchzogen. Zu lockeren, hellblauen Destroyed-Jeans trug er ein enges, anthrazitfarbenes Henley-Shirt, dessen obersten beiden Knöpfe offen standen. „Freut mich, Sie endlich persönlich kennenzulernen. Mein Name ist Laszlo Byrnes, aber bitte fangen Sie gar nicht erst an, mich Mr. Byrnes zu nennen. Laszlo reicht vollkommen.“

„Aber nur, wenn Sie im Gegenzug Emma zu mir sagen.“

Lachend streckte er ihr die Hand entgegen, die sie schüttelte. „Deal. Hatten Sie eine angenehme Anreise?“

„Das hängt davon ab, ob Sie den Flug in einer besseren Sardinenbüchse, eingepfercht zwischen zwei anderen Reisenden, als angenehm bezeichnen würden.“

Er verzog mitfühlend das Gesicht. „Economy Class, wie? Ich weise meine Assistentin an, Business Class für Sie zu buchen, sollten weitere Flugreisen nötig werden.“

„Ist das denn zu erwarten?“

Er zuckte die Achseln. „Man weiß ja nie, nicht wahr? Wir leben in hektischen Zeiten, und unser Business ist besonders schnelllebig. Da kann es schon einmal vorkommen, dass man sich spontan in einen Flieger setzen muss. Wobei ich zugeben muss, dass mir nicht besonders viele Gründe einfallen, warum man plötzlich ganz dringend einen Songtexter benötigen sollte.“

Emma lachte. „Nein, mir auch nicht.“

„Ich nehme nicht an, dass Sie unseren großen Star bereits kennen?“

„Isaac Rivers? Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Wir verkehren nicht ganz in denselben Kreisen. Ich habe bisher nur für kleinere Bands und Sänger geschrieben.“

War es eine gute Idee, Byrnes das auf die Nase zu binden? Aber vermutlich wusste er das alles ohnehin längst. Und wenn nicht, dann war es besser, wenn er sie jetzt gleich wieder zurück nach Hause schickte und nicht erst, wenn die Hoffnung darauf, dass sich ihr Traum tatsächlich noch erfüllen könnte, noch weiter Gelegenheit gehabt hatte, in ihrem Herzen heranzuwachsen.

Sie wollte diese Chance. Sie wollte sie so unbedingt, dass es ihr manchmal schier den Atem raubte.

Für Shannon.

„Na, dann beschnuppern Sie sich mal“, sagte Laszlo, ehe er sich vorbeugte, eine Taste am Mischpult drückte und in ein eingebautes kleines Mikrofon sprach: „Wir machen Schluss für heute, Isaac. Ich habe hier jemanden, den du unbedingt kennenlernen musst.“

Emmas Augen wurden groß, als sie dem Blick des Produzenten durch die Scheibe folgte, die den Raum, in dem sie standen, vom Aufnahmestudio trennte, in dem es neben dem Mischpult noch eine Couchgarnitur samt niedrigem Tisch und einem Sessel gab.

Sie spürte, wie ihre Knie weich wurden.

Der Mann, der da stand, ganz in Schwarz gekleidet mit ein paar wenigen, silbernen Akzenten, war niemand anderes als Isaac Rivers.

Er hatte sich in den vergangenen Jahren kaum verändert. Nur sein schwarzbraunes Haar trug er nicht mehr in dem wilden Stil wie zu Zeiten der Flames. Es fiel ihm jedoch noch immer in Wellen bis fast auf die Schultern, und Emma verspürte den impulsiven Wunsch, ihre Finger in den seidig glänzenden Strähnen zu vergraben.

Sein Teint war sehr blass, was die dunklen, fast schwarzen Augen noch mehr in den Vordergrund treten ließ. Seine Züge waren nicht ganz gleichmäßig, und seine Nase eher groß, was seiner Attraktivität aber keinen Abbruch tat.

Wenn überhaupt möglich, dann war er jetzt, wo sie ihm praktisch Auge in Auge gegenüberstand, sogar noch anziehender.

Sie schluckte hart, als er auf die Tür zum Regieraum zukam, in dem sie sich mit Byrnes befand.

Reiß dich zusammen, Emma! Vergiss nicht: Du willst wie ein Profi behandelt werden? Dann benimm dich, um Himmels willen, auch wie einer!

Es irritierte sie, wie stark allein sein Anblick sie aus dem Konzept gebracht hatte. Sie ballte die Hände so fest zu Fäusten, dass die Fingernägel ihr in die Handinnenflächen schnitten. Der scharfe Schmerz half ihr zum Glück dabei, sich wieder ein bisschen zu grounden.

Und dann stand er ihr auf einmal gegenüber, und sie konnte nicht verhindern, dass ihr Herz Purzelbäume schlug.

„Hallo“, hauchte sie so leise, dass sie nicht sagen konnte, ob er sie gehört hatte. Vermutlich nicht, denn er wandte sich sofort Laszlo zu.

„Wer ist das?“, fragte er den Produzenten. „Ich dachte, wir waren uns einig, im Moment noch keine Außenstehenden mit einzubeziehen.“

„Sind wir auch“, bestätigte Laszlo. „Aber Emma hier ist nicht irgendwer, Isaac. Sie ist die Songtexterin, mit der du in den kommenden Wochen eng zusammenarbeiten wirst.“

Isaac schien wenig begeistert. „Zu dem Thema habe ich dir meine Meinung auch bereits gesagt“, entgegnete er eisig. „Ich bin absolut in der Lage, meine eigenen Texte zu schreiben. Du kannst deine Freundin hier also gleich wieder dorthin zurückschicken, wo du sie hergeholt hast.“

Wow.

Emma starrte ihn an. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Aber warum überraschte es sie eigentlich? Man sagte doch schließlich, dass es besser war, seinen Idolen niemals zu begegnen, weil dies eben meistens in einer Enttäuschung endete. Nicht, dass Isaac Rivers je wirklich ihr Idol gewesen wäre. Aber sie hatte durchaus zu ihm aufgeblickt, und er war nicht so, wie sie ihn sich vorgestellt hatte.

„Das Thema haben wir doch nun wirklich zur Genüge diskutiert, Isaac. Die Entscheidung steht fest. Du wirst mit Emma zusammenarbeiten, ob es dir nun gefällt oder nicht. Der Vertrag, den du unterzeichnet hast, lässt keinen Raum für Verhandlungen. Entweder du tust, was man von dir erwartet, oder man wird dich fallen lassen und auf eine Konventionalstrafe verklagen.“ Er neigte den Kopf zur Seite. „Du hast die Wahl.“

Isaacs Miene verdüsterte sich noch weiter, doch er sagte nichts.

„Dachte ich mir“, sprach Laszlo weiter. „Dann lass ich euch mal allein, damit ihr euch in Ruhe beschnuppern könnt.“

Mit diesen Worten wandte der Produzent sich ab und verließ den Raum. Emma blieb allein mit Isaac zurück, und sie verspürte den heftigen Wunsch, Laszlo nachzueilen. Doch natürlich tat sie nichts dergleichen. Sie war kein kleines Kind mehr, das sich unter den Röcken seiner Mutter versteckte, wenn es sich fürchtete, und diese Sache war einfach zu wichtig. Sie durfte sich diese Chance nicht durch die Finger gleiten lassen.

„So“, sagte sie, als die Stille im Regieraum zu beklemmend wurde. „Ich war ein großer Fan der Band, bevor …“ Sie verstummte. „Also, ich … war ein Fan.“

„Wunderbar“, murrte Isaac und ließ sich auf den Drehstuhl hinter dem Mischpult fallen. „Ein Fan.“

Aus seinem Mund klang es wie eine Beleidigung. Und vermutlich war es auch genau so gemeint, wenn sie seinen Gesichtsausdruck richtig deutete.

Ärgerlich verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Ja, ein Fan. Ist dagegen irgendetwas einzuwenden?“

Er reckte das kantige Kinn. „Ich nehme an, das hängt vom Standpunkt des Betrachters ab. Meiner Erfahrung nach sind Fans aufdringlich und übergriffig. Sie denken, sie haben das Recht, alles über ihren Star zu erfahren und ihn auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Ihre Liebe ist alles verzehrend und ihr Hass zerstörerisch. Sie nehmen und nehmen, und wenn nichts mehr übrig ist als eine leere Hülle, lassen sie sie achtlos im Staub zurück.“

Emma runzelte die Stirn. „Okay, das klingt … unangenehm. Und Sie kennen sich damit sicherlich um einiges besser aus als ich, aber …“

„Aber?“ Er trommelte mit den Fingern auf dem Rand des Reglerpults.

„Nun, es werden ja wohl kaum alle Fans so sein. Und davon abgesehen sagte ich, dass ich ein Fan war. Vergangenheitsform. Und wenn ich Sie mir so anhöre, dann bin ich darüber auch ganz froh.“

Er lachte auf. „Ich mache also keinen guten ersten Eindruck? Wie bedauerlich.“

Sie bezweifelte ernsthaft, dass er es wirklich bedauerte. Warum sollte er? Er war ganz offensichtlich nicht daran interessiert, mit ihr in irgendeiner Form zusammenzuarbeiten. Es gab für ihn keinen Grund, ihr gegenüber professionelle Höflichkeit zu zeigen. Nun, einmal abgesehen von den generellen sozialen Umgangsformen in einer zivilisierten Gesellschaft.

Aber solche Regeln galten für Rockstars vermutlich nicht.

„Ja, äußerst bedauerlich“, stimmte sie ihm zu. „Vor allem angesichts der Tatsache, dass wir gezwungen sind, auf unbestimmte Zeit zusammenzuarbeiten.“

„Hah!“ Er schüttelte den Kopf.

„Was soll das nun wieder heißen?“

„Hören Sie, Miss …“

„O’Shae.“

„Miss O’Shae. Sie haben gehört, was Laszlo gesagt hat, von daher wiegen Sie sich vermutlich in Sicherheit. Aber wenn Sie tatsächlich glauben, dass ich mich von ihm oder sonst irgendjemandem erpressen lasse, dann haben Sie sich getäuscht.“

Emma runzelte die Stirn. „Und das heißt im Klartext?“

„Das heißt im Klartext, dass Sie sich als gefeuert betrachten dürfen, Miss O’Shae.“

2. KAPITEL

„Gefeuert? Aber … das können Sie überhaupt nicht“, stieß Emma, nachdem sie den ersten Schock überwunden hatte, entgeistert hervor. „Sie haben gar nicht die Befugnis, mich zu feuern. Schließlich arbeite ich gar nicht für Sie!“

Der Blick, den Isaac Rivers ihr zuwarf, hätte Milch sauer werden lassen können. Doch sie dachte gar nicht daran, sich von ihm einschüchtern zu lassen. Ihr Vater war ein echter irischer Sturkopf, und sie hatte sich gegen ihn durchgesetzt. Da würde sie sich von einem Rockstar, dessen Karrierezenit längst überschritten war, ganz gewiss nichts sagen lassen.

„Das werden wir ja noch sehen“, ätzte er, die graugrünen Augen gewitterumwölkt. „Am Ende des Tages bin immer noch ich es, für dessen Songs Millionen von Menschen Geld zahlen.“

„Nicht mehr allzu viel Geld, wenn man den Gerüchten Glauben schenken darf“, gab sie bissig zurück. „Und wohl auch nicht mehr wirklich Millionen von Menschen.“

Einen Moment lang schien er regelrecht zu erstarren. Dann verfinsterte sich seine Miene noch weiter, was Emma schon ein wenig erstaunte. Sie hätte nicht gedacht, dass das möglich wäre.

„Sie kennen weder mich, noch können Sie sich ein Urteil über meine finanzielle Situation erlauben“, stellte er mit eisiger Stimme klar. „Und jetzt wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich in Ruhe weiterarbeiten lassen könnten. Allein.“

„Also, das ist doch …“ Schnaubend wandte Emma sich zur Tür. Jedoch nicht, um ihn, wie er verlangt hatte, in Ruhe zu lassen. Nein, wenn er das wirklich glaubte, würde er schon bald sein blaues Wunder erleben.

Doch bevor sie auch nur die Hand nach der Klinke ausstrecken konnte, wurde die Tür von außen geöffnet, und Laszlo Byrnes betrat das Tonstudio. Er schaute zwischen Emma und Isaac hin und her und stieß ein tiefes Seufzen aus.

„Ich nehme an, dass das Kennenlernen nicht ganz so optimal verlaufen ist?“

„Das kann man wohl sagen“, entgegnete Emma frostig. „Ihr großer Star hat mich gefeuert.“

„Du hast – was?“ Laszlo hob eine Braue und schüttelte den Kopf. „Ich rate dir, treib es nicht zu weit, Isaac. Ich bin an deine Sperenzchen gewöhnt, und kann die Augen davor verschließen, wenn du dich mal wieder wie eine Diva aufführst.“ Als Isaac protestieren wollte, hob der Produzent seinen Zeigefinger. „Aber nicht jeder in der Branche ist so geduldig. Und wir wissen doch wohl beide, dass du es dir nicht leisten kannst, es dir mit dem Plattenstudio zu verderben. Ich glaube nicht, dass dir sonst jemand auf die Schnelle eine Chance geben wird. Nicht mit deiner Vorgeschichte.“

Isaac wurde blass. Dann presste er die Lippen zusammen und nickte, bevor er auf dem Absatz kehrtmachte und durch die Tür im Aufnahmebereich des Studios verschwand.

„Tut mir leid“, sagte Laszlo. „Ich hatte gehofft, dass er sich inzwischen mit dem Gedanken abgefunden hat, einen Textschreiber an die Seite gestellt zu bekommen. Aber Isaac ist so verdammt stolz, dass er sich mitunter selbst im Weg steht. Und dann liegt es an mir, ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.“

„Schon gut.“ Emma zwang ein Lächeln auf ihre Lippen, doch sie bezweifelte, dass es wirklich echt wirkte. „Es ist ja nicht Ihre Schuld.“

„Mag sein, aber ich hätte Sie zumindest vorwarnen können.“ Seufzend fuhr er sich durch sein graumeliertes Haar. „Er ist im Grunde kein schlechter Kerl. Wirklich nicht. Aber er steht in letzter Zeit ziemlich unter Stress. Die Trennung der Band ist nicht gerade besonders harmonisch abgelaufen, und die Differenzen haben sich nicht einfach in Wohlgefallen aufgelöst.“

„Dann war das Comeback also nicht seine Idee.“

Der Produzent lachte auf. „Nein, wohl kaum. Er war anfangs sogar absolut dagegen. Aber am Ende hat er sich den Notwendigkeiten beugen müssen.“

„Er braucht Geld“, schlussfolgerte Emma.

Laszlo nickte. „Er braucht Geld.“

Emma schüttelte den Kopf. Isaac Rivers musste sowohl in seiner Zeit als Leadsänger der Flames wie auch später als Solokünstler ein Vermögen gemacht haben. Wie war es möglich, dass er das ganze Geld in nur wenigen Jahren auf den Kopf gehauen hatte?

Sie dachte daran, wie lange sie nun schon versuchte, als Songtexterin einen Fuß in die Tür zu bekommen, und verspürte einen Anflug von Bitterkeit. Sie arbeitete hart und war dennoch gezwungen, jeden Cent zweimal umzudrehen, um über die Runden zu kommen. Und dieser Schnösel …

Nein, ermahnte sie sich selbst. Das ist nicht fair. Du kennst seine Situation nicht, weißt nicht, was ihm widerfahren ist, um ihn zu dem Mann zu machen, der er heute ist.

Wahrscheinlich würden die meisten Leute sie auch für verrückt erklären, wenn sie ihnen erzählte, dass sie einem Traum nachjagte, der sich vermutlich nie erfüllen würde, anstatt sich sicher und bequem ins gemachte Nest zu setzen. Ihre Eltern, so viel stand fest, würden sie mit offenen Armen begrüßen, sollte sie sich entschließen, ins Familienunternehmen einzusteigen.

Doch das wollte sie nicht.

Nicht, solange auch nur der kleinste Hauch einer Chance bestand, dass sie es schaffen konnte. Nicht einen Tag vor ihrem Fünfundzwanzigsten. Bis dahin würde sie kämpfen.

Für Shannons Traum, der im Laufe der Jahre zu ihrem eigenen geworden war.

Denn eigentlich war Emmas ältere Schwester Shannon die Künstlerin in der Familie gewesen. Musisch begabt, hatte sie sich schon als kleines Mädchen selbst das Klavierspielen beigebracht und später dann professionellen Unterricht auf der Geige und der Querflöte bekommen. Sie hatte gesungen wie ein Engel und auch ihre eigenen Songs geschrieben.

Die sechs Jahre jüngere Emma hatte nur staunen können. Sie war die Wilde gewesen, die ihre Tage mit den Jungs auf dem Fußballplatz verbrachte oder durch die Wälder streifte. Dass sie jemals etwas mit Musik machen würde, wäre ihr nie in den Sinn gekommen.

Das hatte sich erst viel später ergeben. Jahre nach jenem schicksalhaften Tag, an dem sich das Leben der O’Shaes für immer verändert hatte.

Dem Tag, an dem Shannon starb.

Durch meine Schuld.

Emma schüttelte den Kopf, doch leider ließen sich die Erinnerungen nicht so einfach verscheuchen. Dabei war es nun wahrlich nicht mangelnde Motivation, die sie zurückhielt. Ganz und gar nicht.

Doch das Musikbusiness war erbarmungslos, und nur die Allerwenigsten schafften es bis ganz nach oben, so wie die Flames.

Und ihr blieben noch genau vierunddreißig Tage, um zu beweisen, dass sie ebenfalls dazu in der Lage war.

Wenn ihr Name erst einmal als Co-Texterin auf dem Comeback-Album der Band genannt wurde, dann konnte wirklich niemand mehr behaupten, dass sie es nicht schaffen konnte. Und sie würde tun, was immer notwendig war, um dafür zu sorgen, dass es so kam.

Und wenn sie dafür dem Teufel höchstpersönlich Honig um den sprichwörtlichen Bart streichen musste. Denn einen Bart hatte Isaac Rivers nicht, wohl aber teuflisch gutes Aussehen und das Benehmen eines Dämons.

Sie holte tief Luft. „Wir werden uns schon irgendwie zusammenraufen“, sagte sie zu Laszlo, der daraufhin regelrecht erleichtert wirkte.

„Sie werfen also nicht das Handtuch?“

„Nein“, entgegnete sie fest. „Eher friert die Hölle zu.“

Der Produzent lachte auf. „Sie haben wirklich Mumm, junge Lady. Und Ihre Einstellung gefällt mir. Also, wollen wir uns mal anhören, was wir bisher haben?“

Sie nickte. „Ich kann es kaum abwarten.“

„Fuck!“ Isaac schleuderte sein Handy auf das riesige Bett seiner Hotelsuite. Dann ließ er sich auf den Rand der Matratze fallen und fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar.

Konnte eigentlich nie mal etwas so laufen, wie es sollte? War es nicht schlimm genug, dass ihm das Wiedersehen mit der Band bevorstand?

Vor dem Moment graute es ihm schon seit Wochen. Bisher war es ihm noch gelungen, dem Unausweichlichen aus dem Weg zu gehen. Aber jetzt blieben ihm wirklich keine Ausreden mehr, die er vorschieben konnte. Wenn es ein Comeback geben sollte, dann musste er mit den anderen zusammenarbeiten, ob es ihm nun gefiel oder nicht. Und er war nicht in der Position, sich irgendwelche Schwächen erlauben zu können.

Das Comeback-Album musste unbedingt ein Erfolg werden. Und dafür würde er tun, was auch immer nötig war. Selbst wenn ihm bei der Vorstellung, den anderen gegenüberzutreten, die Kehle wie zugeschnürt war.

Vor allem Max.

Mit einem unterdrückten Aufstöhnen ließ er sich rücklings aufs Bett sinken und legte sich einen Arm über die Augen. Er hatte Max – hatte sie alle – nie wiedersehen wollen. Hatte sich geschworen, dass dieses Kapitel in seinem Leben für immer abgeschlossen war.

Ein Irrtum, wie er nun wusste. Und ihm blieb keine andere Wahl, als sich mit den Tatsachen zu arrangieren. Sich mit Max zu arrangieren. Er hatte keine Ahnung, wie ihm das gelingen sollte, aber solange ihm keine Alternative einfiel, stand er mit dem Rücken zur Wand.

Und dann war da noch diese Songtexterin.

Laszlo hatte ihm mehr als deutlich zu verstehen gegeben, was von ihm erwartet wurde. Er sollte mit dieser Emma zusammenarbeiten, mindestens einen Song in Co-Produktion mit ihr schreiben und diesen dann der Plattenfirma vorlegen.

Es war ein Affront, den er nur schwer zu verdauen vermochte. Isaac hatte seine Songs immer selbst geschrieben. Und mit großem Erfolg, wenn er in die Vergangenheit zurückblickte.

Sicher, bei seinen letzten beiden Soloalben waren Stimmen laut geworden, die kritisierten, seine Lyrics hätten stark nachgelassen, seien nichtssagend und uninspiriert geworden. Aber das waren doch nur die Meinungen von wenigen Einzelnen. Und gab ihm nicht der durchschlagende Erfolg seiner Alben recht? Die Verkaufszahlen mochten nicht mehr ganz so imposant sein wie zu Anfang seiner Solokarriere, aber er konnte noch mühelos mithalten.

Er war kein Auslaufmodell, wie böse Zungen behaupteten, und das würde er ihnen beweisen.

Aber wie sollte er, wenn man ihm keine Chance dazu gab?

Er brauchte keine Texterin, verdammt! Auch wenn er zugeben musste, dass die Kleine ihm imponiert hatte. Die meisten Leute, denen er begegnete, waren furchtbar beeindruckt von seinem Namen. Es kam nicht gerade häufig vor, dass ihm jemand gleich auf Anhieb die Stirn bot.

Diese Emma aber hatte sich nichts von ihm gefallen lassen. Und dafür bewunderte er sie widerwillig. Was nicht bedeutete, dass er vorhatte, deswegen mit ihr zusammenzuarbeiten. Nein, ganz gewiss nicht.

Aber so tun würde er fürs Erste müssen. Zumindest so lange, bis er selbst einen Song zu Papier gebracht hatte, der die Zweifel sowohl von Laszlo als auch den Verantwortlichen beim Label endgültig ausräumte.

Bevor er jedoch auch nur daran denken konnte, galt es, das Treffen mit dem Rest der Band hinter sich zu bringen. Bis dahin konnte er sich sowieso auf nichts anderes konzentrieren.

Er zwang sich, tief und gleichmäßig durchzuatmen. Er war fast eingenickt, als der Rufton seines Handys ihn aufschrecken ließ.

Bei dem Namen, der auf dem Display angezeigt wurde, legte sich seine Stirn in Falten. Er setzte sich auf und nahm das Gespräch an.

„Matthew, was ist los? Warum rufst du an? Ist irgendetwas passiert?“

Am anderen Ende der Leitung war einen Moment lang nur ein statisches Rauschen zu hören. „Nein“, erklang dann eine junge, männliche Stimme. „Keine Sorge, hier läuft alles verhältnismäßig rund. Ich wollte mich lediglich erkundigen, wie dein Treffen mit der Band verlaufen ist, und mich erkundigen … nun ja …“

„Du möchtest gern wissen, wann ihr mit einer ersten Zahlung rechnen könnt“, beendete Isaac denn Satz für ihn. „Kein Grund, um den heißen Brei herumzuschleichen. Wir wissen schließlich beide, dass ich nur des Geldes wegen hier bin. Um das Projekt am Laufen zu halten.“

Matthew seufzte. „Ich weiß, ich weiß. Und ich will dich auch wirklich nicht unter Druck setzen, aber …“

„Aber? Komm schon, Matt, was ist passiert.“

„Unser Vermieter hat sich heute Vormittag bei mir gemeldet. Er hat sich jetzt endgültig entschlossen, das Gebäude zu verkaufen.“

Isaac fluchte unterdrückt, und Matt verstummte. „Sprich weiter“, forderte er. „Das war doch noch nicht alles, oder?“

„Nein, war es nicht. Er meinte noch, dass er uns ein Vorkaufsrecht einräumen würde, wenn wir daran ein Interesse hätten. Und dass er, für den Fall, dass er sich nach einem anderen Käufer umsehen muss, versuchen wird, jemanden zu finden, der bereit ist, die Zusammenarbeit mit uns fortzusetzen. Garantieren kann er aber natürlich nichts.“

Mit der freien Hand fuhr Isaac sich durchs Haar. Das waren in der Tat keine besonders guten Neuigkeiten und ein weiterer Grund, warum er sich zusammenreißen und diese ganze Sache erfolgreich über die Bühne bringen musste. Matthew verließ sich auf ihn. Die Kids verließen sich auf ihn. Und sie hatten sonst niemanden, der sich für ihre Interessen einsetzte. Wenn Isaac es nicht tat, dann würde es niemand tun.

Nun, zumindest niemand, der, wenn er nur über seinen eigenen Schatten sprang, genug Geld zusammenbekommen würde, um das Gebäude zu kaufen, in dem der Jugendtreff untergebracht war.

„Ich kümmere mich darum“, sagte er. „Schick mir die Nummer unseres Vermieters, ich rufe ihn an und erkläre ihm, wie die Dinge liegen. Ich bin mir sicher, dass wir eine Lösung finden werden, mit der alle Beteiligten leben können.“

Er beendete das Gespräch, legte sein Handy zur Seite und presste die Handballen gegen die Augen, so fest, dass Sterne auf seinen Netzhäuten explodierten.

Es sah ganz so aus, als müsste er dieser Songwriterin wirklich eine Chance geben. Vielleicht taugte sie ja tatsächlich etwas, und er konnte einige ihrer Ideen benutzen. Dann wären alle zufrieden, er könnte sich um die wirklich wichtigen Dinge kümmern und hätte endlich seine Ruhe.

„Nein, nein, nein, das ist so nichts.“ Emma strich die letzte Zeile, die sie geschrieben hatte, durch und schlug eine neue Seite in ihrem Notizbuch auf. Dann hob sie die Rückseite ihres Stifts an die Lippen, so wie sie es immer tat, wenn sie angestrengt nachdachte.

Sie hatte nur ein kurzes Stück von dem Song gehört, an dem Isaac Rivers aktuell arbeitete, bevor der Sänger vorhin kurzerhand aus dem Tonstudio gestürmt war.

Aber das, was sie gehört hatte, war ihr gleich ins Ohr gegangen. Und so hatte sie sich hingesetzt und angefangen, dazu etwas zu schreiben.

Inzwischen war es früher Nachmittag, und sie war allein im Studio. Wohin Laszlo verschwunden war, wusste sie nicht. In einem Moment war er noch da gewesen, im nächsten auch schon verschwunden. Es kümmerte sie nicht wirklich. Bei dem, was sie gerade machte, konnte sie ihn ohnehin nicht gebrauchen.

Sie überflog noch einmal die Textzeilen, die sie bereits zu Papier gebracht hatte.

My heart is missing a piece,

Without you

Since you walked out of my life,

I am incomplete.

Incomplete.

Sie runzelte die Stirn. Für den Anfang war das nicht verkehrt, aber so richtig überzeugen konnte es sie noch nicht. Sie schloss die Augen und versuchte, sich an die Melodie zu erinnern, die sie gehört hatte.

Leise summte sie vor sich hin und formte dabei stumm die Worte der Lyrics mit den Lippen.

Nein, der Rhythmus stimmte irgendwie noch nicht. Sie trommelte mit den Fingern im Takt auf dem kleinen Beistelltisch, der neben der Couch, auf der sie es sich bequem gemacht hatte, im hinteren Bereich des Studios stand.

Vielleicht, wenn sie „I’m incomplete“ anstelle von „I am incomplete“ benutzte? Sie probierte es. Ja, schon viel besser. Natürlich konnte sie es noch nicht ganz genau sagen. Nicht, ohne sich zuvor die Passage des Songs noch einmal anzuhören.

Die Frage war nur, ob Isaac es ihr erlauben würde.

Seine Reaktion auf sie war nun wirklich nicht besonders vielversprechend gewesen. War unter diesen Umständen eine Zusammenarbeit überhaupt möglich?

Jemand hinter ihr klatschte langsam in die Hände. Sie drehte sich um und blinzelte überrascht, als sie Isaac erblickte.

Wann war er zurückgekommen? Und wie lange stand er schon da und sah ihr bei der Arbeit zu?

Sie spürte seinen Blick auf sich ruhen. Er war wie eine zärtliche Berührung, und sie musste sich zusammenreißen, sich die Reaktion ihres Körpers nicht anmerken zu lassen. Wenn es ein Wort gab, das sie nun sicher nicht in Zusammenhang mit Isaac Rivers bringen sollte, dann war es Zärtlichkeit. Der Mann war nichts als unverschämt zu ihr gewesen, und sie durfte nicht vergessen, dass er sie um jeden Preis loswerden wollte.

Angesichts dieser Tatsache, war sein Klatschen auch nicht als Kompliment zu werten. Er machte sich vermutlich nur über sie lustig.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und kniff die Augen zusammen. „Was? Wenn Sie hier sind, um mich zu verspotten, dann können Sie auch gleich wieder gehen. Ich bin gerade echt nicht in der Stimmung.“

„Nur gerade nicht?“

Sie sah seine Mundwinkel zucken, so als würde er ein Lächeln zurückhalten. Natürlich wusste sie, dass er lächeln konnte, hatte es schon auf Hunderten von Fotos gesehen, aber es überraschte sie trotzdem. Und es überraschte sie noch mehr, was für eine Wirkung es auf sie ausübte.

Verdammt, es sollte verboten sein, so mühelos gut auszusehen. Das war einfach nicht fair dem Rest der Menschheit gegenüber, die mit normalen Genen ausgestattet worden war. „Nein“, entgegnete sie. „Grundsätzlich nicht.“ Seufzend strich sie sich eine rotblonde Strähne zurück, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte. „Hören Sie, Mr. Rivers …“

„Isaac“, fiel er ihr ins Wort.

Sie runzelte die Stirn. Zuerst konnte er sie gar nicht schnell genug loswerden, und nun sollte sie ihn beim Vornamen ansprechen? „Isaac“, wiederholte sie langsam, und es fühlte sich seltsam auf ihrer Zunge an. Fast schon … intim. Hastig schob sie den Gedanken beiseite. Es war nur ein Name, nichts weiter. „Ich weiß, dass Sie nicht mit mir zusammenarbeiten wollen, Sie haben, was das betrifft, ja kein Blatt vor den Mund genommen. Und es tut mir echt leid, dass wir uns beide nun in einer Situation befinden, in der wir gezwungen sind, etwas zu tun, was wir nicht tun wollen.“

Er hob eine Braue. „Was genau willst du denn nicht tun, Emma?“

Schmetterlinge flatterten in ihrem Bauch auf, als er ihren Namen mit seiner tiefen, leicht rauchigen Stimme aussprach, doch sie stampfte sie sogleich nieder. Sie beschloss, für den Moment zu ignorieren, dass sie ihm nicht das Du angeboten hatte, und einfach Gleiches mit Gleichem zu vergelten.

„Was ich nicht tun will? Nun, das kann ich dir ganz genau sagen: Ich will nicht mit jemandem zusammenarbeiten, der meinen Input und meine Ideen nicht will. Als man mir das Angebot machte, an den Texten für das bevorstehende Comeback-Album der Flames mitzuschreiben, ging ich eigentlich davon aus, dass alle Beteiligten mit der Entscheidung einverstanden sind. Aber ich war da ganz offensichtlich wohl ein bisschen zu naiv.“

Er presste die Lippen zusammen, dann schüttelte er den Kopf. „Nein“, sagte er mit einem Seufzen. „Du konntest das nicht ahnen. Es ist nicht deine Schuld.“

Emma blinzelte überrascht. Das waren ja ganz neue Töne. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet, und sie wusste ehrlich gesagt auch nicht recht, was sie davon halten sollte.

Meinte er es ernst, oder war dieser plötzliche Sinneswandel einfach nur vorgeschoben, um … ja, um was zu erreichen? Ihr fiel beim besten Willen kein Grund ein, warum er sich plötzlich bemühen sollte, mit ihr auszukommen. Es hatte sich doch in der letzten Stunde nichts zwischen ihnen geändert.

„Und was bedeutet das jetzt?“, fragte sie. „Für unsere Zusammenarbeit?“

Er fuhr sich mit einer Hand durch sein dunkelbraunes Haar, das ihm in Wellen bis fast auf die Schulter fiel. „Das bedeutet, dass wir es miteinander versuchen werden.“

„Wirklich?“ Sie runzelte die Stirn. „Sie … Du bist wirklich bereit dazu?“

Nach kurzem Zögern zuckte er die Achseln. „Was bleibt mir schon für eine Wahl? Laszlo war vorhin wirklich mehr als deutlich. Entweder ich arbeite mit dir zusammen, oder es wird nicht abzusehende Konsequenzen für mich haben.“ Seine Lippen verzogen sich zu einem bitteren kleinen Lächeln. „Ich hätte vermutlich das Kleingedruckte in meinem Vertrag besser lesen sollen.“

Emma nickte. „Okay. Wollen wir gleich anfangen?“ Sie wertete sein Schweigen als Einwilligung. „Wie du weißt, habe ich schon ein paar Zeilen aufgeschrieben, aber da ich keine Ahnung habe, was du dir für diesen Song vorgestellt hast, dachte ich …“ Sie sah auf und verstummte, als sie bemerkte, dass der Blick seiner dunkelbraunen Augen fest auf sie gerichtet war. Zum ersten Mal fiel ihr auf, dass sie nicht einfach nur braun waren. Rund um die Pupille war die Iris mit goldenen Flecken gesprenkelt, und zum Rand hin ging Braun in einen warmen Cognacton über.

Auf den Postern und Titelseiten waren diese Details nicht zu sehen gewesen. Ebenso wenig wie die kleine Narbe über dem Lippenbogen, die so verblasst war, dass sie fast nicht mehr zu erkennen war.

„Was dachtest du?“

Emma blinzelte, dann wurde ihr klar, dass sie ihn angestarrt hatte, anstatt weiterzusprechen, und wandte rasch den Blick ab. Sie spürte, wie ihre Wangen zu brennen begannen. Dank ihres hellen Teints war das mit Sicherheit deutlich zu sehen. Verflixt, am Ende würde Isaac noch auf falsche Gedanken kommen!

Aber wären sie denn wirklich so falsch, bemerkte eine leise innere Stimme spöttisch. Findest du ihn denn nicht anziehend?

Sie holte tief Luft. „Ich dachte, du könntest mir vielleicht ein bisschen über den Song erzählen. Die Melodie klingt traurig, aber auch hoffnungsvoll. Was war deine Inspiration?“

Einen Moment lang blickte er sie verblüfft an, dann lachte er. „Das sind ganz schön viele Fragen auf einmal.“ Er deutete auf die Couch. „Darf ich mich setzen?“

„Aber natürlich.“ Emma rutschte auf der braunen Ledersitzfläche zur Seite, um ihm Platz zu machen.

Kurze Zeit später hatten sie die Köpfe über das Notizbuch gebeugt, in das Emma hastig kritzelte. Es war erstaunlich, wie leicht es war, mit ihm zusammenzuarbeiten. Fast schon zu leicht. So, als würden sie sich schon eine Ewigkeit kennen. Als wüssten sie, was im Kopf des anderen vor sich ging.

Unsinn, ermahnte sie sich und schob den Gedanken unwirsch beiseite. Doch sie konnte nicht leugnen, dass sie zumindest musikalisch auf einer Wellenlänge lagen.

Sie vergaß die Zeit, und so konnte sie nicht sagen, ob Minuten oder Stunden verstrichen waren, als plötzlich die Tür zum Studio aufgestoßen wurde und Laszlo, gefolgt von drei anderen Männern, vermutlich Studiomusikern, eintrat.

Sie blickte nur kurz auf und schürzte missbilligend die Lippen angesichts des Lärms, den die Neuankömmlinge veranstalteten. Dann wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu und ignorierte sie, so gut sie konnte. Doch es dauerte nicht lange, bis sie merkte, dass von Isaac keinerlei Input mehr kam. Und als sie fragend zu ihm aufblickte, sah sie, dass er fast wie versteinert wirkte.

Im nächsten Moment wurde ihr dann auch klar, warum.

„Isaac Rivers, was für eine Überraschung. Laszlo meinte, dass du hier sein würdest, aber ich konnte es fast nicht glauben. Du hast echt Nerven, hier aufzutauchen, nachdem du uns alles, was wir aufgebaut hatten, kaputtgemacht hast. Wir waren Freunde, aber du hast nur an dich selbst gedacht …“

„Freunde tun nicht das, was du mit mir gemacht hast, Powers“, zischte Isaac neben ihr. Sie hatte fast das Gefühl, spüren zu können, wie es in ihm vibrierte.

„Schluss mit dem Unsinn“, ging Laszlo dazwischen, ehe die Situation weiter eskalieren konnte. Er bedachte den Mann, den sie inzwischen als Max Powers erkannt hatte, den Leadgitarristen der Flames, mit einem scharfen Blick. Isaac und er mussten im selben Alter sein, doch während die Jahre Isaac nichts hatten anhaben können, wirkte Max deutlich älter und verlebter als zu den Hochzeiten der Flames. Sein dunkelbraunes Haar wirkte dünn, obwohl er sich alle Mühe gab, es voller wirken zu lassen, indem er es mit Massen von Haarspray in Form brachte. Seine Kleidung war ausnahmslos schwarz, bestehend aus Jeans, die in schweren Bikerboots steckten, und einem eng sitzenden Hemd. „Ich dachte, wir wären uns einig, dass Feindseligkeiten uns nicht weiterbringen. Die Plattenfirma hat die Bedingungen für euer Comeback ganz deutlich klargestellt: Entweder alle sind dabei, oder die ganze Sache platzt.“

Max Powers runzelte die Stirn. „Aber wir brauchen ihn nicht. Ich kann den Gesang übernehmen, und sie da“, er deutete auf Emma, „ist doch Songwriterin, oder?“

„Sie ist Textschreiberin“, entgegnete Laszlo ruhig. „Und dein Protest ist nutzlos, Max. Entweder alle oder keiner. Du hättest dir vorher überlegen sollen, ob du damit zurechtkommst oder nicht. Jetzt ist es zu spät. Also sei verdammt noch mal professionell und mach deinen Job.“

„Schön.“ Er blickte zwischen seinen anderen Bandkollegen hin und her, die ebenfalls nicht begeistert wirkten, aber schwiegen. „Ich bin brav und benehme mich. Aber du“, er stach seinen Zeigefinger in Isaacs Richtung, „brauchst gar nicht zu glauben, dass damit alles vergeben und vergessen ist.“

Mit einem ungläubigen Schnauben stand Issac auf und drängte sich an Laszlo vorbei in Richtung Tür. Doch bevor er hinausstürmte, blieb er noch einmal stehen und drehte sich um. „Nein“, sagte er, „nichts ist vergeben und vergessen. Und das wird es auch nie sein.“

Dann war er zur Tür hinaus, die er mit einem lauten Knall ins Schloss fallen ließ.

3. KAPITEL

Verdammt!

Isaac nahm eine Handvoll Sand und schleuderte ihn in Richtung der Wellen, die leise rauschend an den Strand rollten.

Er saß mit angewinkelten Beinen auf dem Boden und starrte zum Horizont hinaus, wo die Sonne gerade wie ein lodernder Feuerball im Wasser zu versinken schien. Der Himmel war getaucht in glühendes Rot und Orange, das zu den Rändern hin in ein zartes Rosé überging und schließlich vom Blau des Nachthimmels abgelöst wurde, an dem bereits die Sterne funkelten.

Er wusste nicht, was er erwartet hatte, als er beschlossen hatte, herzukommen. Dass er es auf mysteriöse Weise irgendwie schaffen würde, den anderen aus dem Weg zu gehen?

Absurd.

Und natürlich hatte Max gleich wieder zu sticheln anfangen müssen. Er hatte noch nie Dinge ruhen lassen können. Und dummerweise kannte er Isaac lange genug, um genau zu wissen, welche Knöpfe er bei ihm drücken musste.

Es ärgerte ihn, dass er so leicht zu manipulieren war. Vor allem von Max.

Ohne es zu wollen, wanderten seine Gedanken in eine Zeit zurück, in der Max und er noch wie Pech und Schwefel gewesen waren. Aufgewachsen im Pflegesystem – Isaac von den nächsten Angehörigen nicht gewollt, Max eine Waise –, waren sie beide für ein paar Jahre in derselben Familie untergebracht gewesen.

Die netten und freundlichen Kinder waren es, die von den netten, freundlichen Familien aufgenommen wurden. Solche wie Max und Isaac landeten bei denen, denen es vor allem um das Geld ging, das sie für die Aufnahme der schwierigen Fälle bekamen.

Es war nicht immer leicht gewesen, aber sie hatten einander gehabt. Sie waren beste Freunde gewesen.

Freunde fürs Leben.

Oder zumindest hatte Isaac das früher einmal gedacht.

Bevor sich herausgestellt hatte, dass man als Rockstar nicht einmal dem besten Freund über den Weg trauen konnte. Dass, wenn es um Karriere, Erfolg und Ruhm ging, die Freundschaft aufhörte …

Er widerstand dem Drang, irgendwie seiner Wut und seiner Frustration Luft zu machen. Der Strand war zwar jetzt, wo es dunkel wurde, verlassen, aber oben auf der Promenade, in den Bars, den Clubs und Restaurants, herrschte großer Andrang.

Isaac konnte schwach die Musik hören, die nicht vom Wind weggetragen wurde, bevor sie ihn erreichte. In seinem Kopf veränderte sich die Melodie von dem aktuell angesagten Dance-Track hin zu dem Song, an dem Emma und er gearbeitet hatten, bevor die anderen aufgetaucht waren.

Es überraschte ihn selbst, aber er musste zugeben, dass er es genossen hatte, mit ihr an den Lyrics zu basteln. Sie hatte gute Ideen und brachte neuen Schwung in den kreativen Prozess, wenn er drohte, sich in einen Gedanken zu verrennen. Was leider ziemlich häufig vorkam, vor allem in letzter Zeit.

Wenn er ehrlich war, konnte er die Kritik an den Texten seiner aktuellen Songs nachvollz...

Autor

Sophie Pembroke
<p>Seit Sophie Pembroke während ihres Studiums der englischen Literatur an der Lancaster University ihren ersten Roman von Mills &amp; Boon las, liebte sie Liebesromane und träumte davon, Schriftstellerin zu werden. Und ihr Traum wurde wahr! Heute schreibt sie hauptberuflich Liebesromane. Sophie, die in Abu Dhabi geboren wurde, wuchs in Wales...
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Becky Wicks
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