Romana Gold Band 66

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HEISSKALTE WINTERNACHT von BRENDA JACKSON
So hatte sich Patrina das nicht vorgestellt, als sie Cole aus dem Schneesturm gerettet hat: Von seinen leidenschaftlichen Küssen erregt, gibt sie sich ihm hin. Obwohl sie weiß, dass ihre Liebe nur eine heiße Affäre in einer kalten Winternacht sein kann …

EIN LEOPARD IM SCHNEE von ANNE MATHER
Vorsichtig schleicht sich der Leopard im tiefen Schnee an Helen heran! In letzter Sekunde wird sie vom Besitzer des Raubtiers gerettet. Aber was sie in der kalten Winternacht in seinen Armen erlebt, bringt nicht ihr Leben, sondern ihr Herz in Gefahr ...

… UND HINTERHER CHAMPAGNER von SHAWNA DELACORTE
„Es ist alles bereit. Der Whirlpool, der Champagner und ich.“ Flammende Sehnsucht lässt Paige jede Vernunft vergessen, hingebungsvoll erwidert sie Bryces Zärtlichkeiten. Doch sie nascht von verbotenen Früchten: Denn es war Bryce, der ihre Familie in den Ruin gestürzt hat …


  • Erscheinungstag 10.12.2021
  • Bandnummer 66
  • ISBN / Artikelnummer 9783751503327
  • Seitenanzahl 444
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Brenda Jackson, Anne Mather, Shawna Delacorte

ROMANA GOLD BAND 66

PROLOG

„Cole, wenn du nicht so sehr damit beschäftigt wärst, Patrina Foreman zu bewundern, hättest du vielleicht schon bemerkt, dass sich da zwischen McKinnon und Rick Summers ein handfester Streit anbahnt“, sagte Durango Westmoreland zu seinem Cousin, während er sich ein Glas Punsch einschenkte.

„Was?“, fragte Cole zerstreut und zwang sich, den Blick von der Frau am gegenüberliegenden Ende des Raumes abzuwenden.

Seit er auf der Party seiner Schwester Casey angekommen war, beobachtete er diese Frau wie gebannt.

„Rick Summers, dieser ausgemachte Trottel, flirtet mit deiner Schwester. Und das gefällt McKinnon überhaupt nicht.“

„O nein. Nein, ich werde mit dir nicht über Summers reden. Ich möchte mehr über diese Frau erfahren. Du hast gesagt, sie heißt Patrina“, erwiderte Cole und blickte seinen Cousin erwartungsvoll an.

Durango schüttelte missbilligend den Kopf und seufzte. „Ja, sie heißt Patrina Foreman. Ihre Freunde nennen sie Trina. Sie ist Gynäkologin. Wenn du es genau wissen willst, sie ist Savannahs Ärztin und wird ihr während der Geburt zur Seite stehen.“

„Verheiratet?“

„Verwitwet. Ihr Mann Perry war hier Sheriff. Vor ungefähr drei Jahren wurde er von einem flüchtigen Verbrecher erschossen. Trina und Perry waren sozusagen seit der Sandkiste ein Paar. Sie leidet schwer unter ihrem Verlust.“ Durango hielt kurz inne und blickte Cole von der Seite her an. „Wenn du das vorhast, was ich glaube, solltest du dich von deinen Plänen verabschieden. Du bist Texas Ranger. Und Trina hat sich geschworen, nie wieder etwas mit einem Gesetzeshüter anzufangen. Um ehrlich zu sein, sie verabredet sich sowieso so gut wie nie. Seit Perrys Tod lebt sie nur noch für ihre Arbeit.“

Was für eine Verschwendung, dachte Cole. Patrina Foreman war eine Schönheit. In dem Moment, als sie in den Raum gekommen war, hatte sie seine gesamte Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sich das letzte Mal von einer Frau so angezogen gefühlt hatte. Und er würde diese Party nicht verlassen, ohne zumindest ein paar Worte mit ihr gewechselt zu haben.

Als sich vorhin ihre Blicke kreuzten, hatte Cole die gegenseitige Anziehungskraft deutlich gespürt. Er war sich sicher, dass Patrina ihn ebenso attraktiv fand wie er sie. Er würde einen Teufel tun und ihr seine Dienstmarke unter die Nase halten.

„Ich denke, ich werde mich vorstellen und ein Weilchen mit ihr plaudern.“

Durango verdrehte die Augen. „Aber sag hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“

Cole wandte den Blick wieder zu Patrina und bemerkte, dass sie ihn ebenfalls ansah. Ein Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab. „Keine Sorge. Ganz bestimmt nicht.“

1. KAPITEL

Sieben Monate später

Mühsam öffnete Cole Westmoreland die Augen und wünschte sich sofort, er hätte es nicht getan. Ein scharfer Schmerz durchzuckte ihn vom Kopf bis zu den Fußsohlen. Er unterdrückte ein Stöhnen und ballte die Hände zu Fäusten. Blinzelnd blickte er sich um. Er lag auf dem Rücken auf einem Bett, das nicht sein eigenes war.

Mühsam bewegte er den Kopf, um sich umzuschauen. Auch das Schlafzimmer war ihm völlig unbekannt. Eine weitere Schmerzwelle überkam ihn. Er schloss die Augen und fragte sich, wo um alles in der Welt er sich befand.

Er konnte sich daran erinnern, am Flughafen von Bozeman ausgestiegen zu sein. Dann hatte er sich einen Mietwagen besorgt. Er hatte vorgehabt, seine Schwester und ihren Mann zu besuchen. Casey und McKinnon lebten am Stadtrand von Bozeman. Sie rechneten mit seiner Ankunft eigentlich erst in drei Wochen, aber er hatte sie überraschen wollen. Er erinnerte sich auch, dass der Angestellte der Mietwagenniederlassung ihn vor einem nahenden Schneesturm gewarnt hatte. Er hatte diese Warnung ignoriert, weil er sicher gewesen war, sein Ziel noch rechtzeitig zu erreichen.

Aber da hatte er sich offenbar gründlich geirrt.

Voller Vorfreude war er den zweispurigen Highway entlanggefahren, als plötzlich ein böiger Wind aufkam, es in dichten Flocken zu schneien begann und er kaum noch etwas sehen konnte. Er hatte die Hände fest um das Lenkrad geschlossen, doch dann hatte er gespürt, wie er die Kontrolle über das Fahrzeug verlor. Laut fluchend war er gegen ein unsichtbares Hindernis geprallt. Das war das Letzte, an das er sich erinnerte.

Als er ein Geräusch hörte, schlug er die Augen wieder auf und zwang sich, den schmerzenden Kopf zur Seite zu drehen. Sein Blick fiel auf die Frau, die gerade das Zimmer betrat. Er konnte sie nur undeutlich erkennen, aber sie war mit Sicherheit nicht seine Schwester Casey. Während er noch überlegte, um wen es sich wohl handeln mochte, stellte sie einen voll beladenen Wäschekorb auf einen Tisch neben dem Kamin und begann, Kleidungsstücke zu falten.

Ratlos studierte er ihr Profil. Das Gesicht kam ihm bekannt vor. Er grub in seinem Gedächtnis, um zu ergründen, wo er diese Frau schon einmal gesehen hatte. Er gehörte nicht zu den Männern, die eine schöne Frau so schnell vergaßen. Auch wenn er mit hämmerndem Schädel und schmerzenden Gliedern in einem fremden Bett lag, war er doch in der Lage, eine schöne Frau zu erkennen, wenn er eine vor sich hatte.

Und diese hier war hinreißend schön.

Sie war groß gewachsen und schlank. Ihr glänzendes schwarzes Haar war am Hinterkopf zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie hatte hohe Wangenknochen, eine niedliche Nase und volle sinnliche Lippen. Er konnte sich daran erinnern, dass er diese Lippen schon einmal begeistert betrachtet hatte. Plötzlich wusste er, wer sie war.

Patrina Foreman.

Er hatte sie letztes Jahr auf der Party seiner Schwester Casey kennengelernt, die seine Stiefmutter Abby und McKinnons Mutter für sie gegeben hatten. Er und sein Bruder Clint waren zu diesem Anlass aus Texas angereist. Cole konnte sich noch sehr gut daran erinnern, wie Patrina ihn vom ersten Moment an in ihren Bann gezogen hatte. Als ihre Blicke sich begegnet waren, hatte ihm der Atem gestockt. Und Patrinas schlanke, aber sehr kurvenreiche Figur hatte ein Übriges getan. Er fühlte sich unwiderstehlich von ihr angezogen.

Wie sein Cousin Durango ihm damals erzählt hatte, war Patrina achtundzwanzig Jahre alt. Folglich musste sie jetzt neunundzwanzig sein. Durango erwähnte auch, dass sie Gynäkologin in Bozeman war und ihren Mann vor einigen Jahren verloren hatte. Er war in Erfüllung seiner Pflicht gestorben.

Dann hatte Cole sie im November auf der Hochzeit von Casey und McKinnon wiedergetroffen. Allerdings hatte er kaum ein Wort mit ihr wechseln können, denn sie war zeitig gegangen. Trotzdem hatte er auch bei dieser kurzen Begegnung wieder die prickelnde Anziehung zwischen ihnen gespürt.

Er beobachtete, wie sie sorgfältig die Wäsche zusammenlegte. Dabei zermarterte er sich das Hirn, warum er in ihrem Bett lag. Er öffnete den Mund, um zu fragen. Aber plötzlich fühlte er sich unendlich müde. Ihm wurde schwarz vor Augen, und er verlor das Bewusstsein.

Patrina Foreman summte leise vor sich hin, während sie die letzten Wäschestücke faltete. Sie warf einen Blick auf den Mann in ihrem Gästebett und stellte fest, dass er immer noch tief und fest schlief. Sein braunes Haar war zerzaust, und die dunklen Augen waren geschlossen. Wenn er nicht bald von allein erwachte, würde sie ihn wecken müssen, um seine Vitalwerte zu messen. Es war ein glücklicher Zufall gewesen, dass sie gerade zur richtigen Zeit die Craven Road entlanggefahren war. Sonst hätte er vermutlich endlose Stunden bewusstlos in seinem Wagen gelegen. Angesichts des furchtbaren Wetters mochte sie sich nicht ausmalen, was dann mit ihm geschehen wäre.

Sie hatte auf den ersten Blick festgestellt, dass seine Verletzungen nicht sehr schwer waren. Allerdings hatte er sich bei dem Aufprall offenbar den Kopf angeschlagen und wurde immer wieder ohnmächtig. Dennoch war es ihr gelungen, ihn in ihren Wagen zu schaffen. Wenn er für kurze Momente das Bewusstsein wiedererlangte, hatte er ziemlich benebelt, aber gehorsam ihre Anweisungen befolgt. Trotzdem war es eine Herausforderung gewesen, den großen kräftigen Mann in ihr Haus zu schaffen. Widerspruchslos hatte er es sich gefallen lassen, dass sie ihm beim Ausziehen half und ihn warm zudeckte. Wahrscheinlich würde er sich an nichts davon erinnern können. Ihr selbst hingegen hatte sich jeder Moment unauslöschlich ins Gedächtnis gebrannt.

Während er sich, nur mit Boxershorts bekleidet, ins Bett legte, hing ihr Blick wie gebannt auf seinem muskulösen Körper. Seine breiten Schultern, die schmalen Hüften und die langen kräftigen Beine hatten Empfindungen in ihr ausgelöst, die sie schon lange vergessen geglaubt hatte. Erschrocken hatte sie registriert, wie eine heiße Welle des Verlangens sie überschwemmte und ihr Atem unregelmäßig ging.

Sie hatte ihn bereits erkannt, als sie seine Wagentür öffnete. Er war über dem Lenkrad zusammengesunken gewesen. Aber es konnte keinen Zweifel geben. Das war Cole Westmoreland, ein Texas Ranger, der mit den Westmorelands hier in der Gegend verwandt war. Er war Corey Westmorelands Sohn, Caseys Bruder und Durangos Cousin. Sie wusste auch, dass er, Casey und Clint Westmoreland Drillinge waren. Clint hatte, wie man sich in der Stadt erzählte, vor Kurzem geheiratet.

Alle Straßen waren wegen des Unwetters gesperrt oder unpassierbar. Es wäre ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, Hilfe für Cole zu rufen. Also hatte sie beschlossen, ihn in ihr Haus zu bringen. Bis jetzt war er kein schwieriger Patient. Es war nun fünf Stunden her, seit sie ihn ins Bett gebracht hatte. Patrina nahm an, er würde bald aufwachen. Für den Fall, dass er hungrig war, hatte sie einen deftigen Eintopf mit Gemüse und Rindfleisch zubereitet.

Sie warf einen Blick aus dem Fenster. Immer noch herrschte dichtes Schneetreiben. Die Leitung des Festanschlusses war tot, und auf dem Handy hatte sie keinen Empfang. Aus dem batteriebetriebenen Radio in der Küche war vor Kurzem die Meldung gekommen, das Unwetter würde mindestens noch zwei Tage anhalten. Es handelte sich um einen der seltenen Schneestürme, die diese Region noch im April heimsuchen konnten. Während der Rest des Landes heiteres Frühlingswetter genoss, befand sich Bozeman, Montana, noch immer fest im Griff des Winters. Cole und sie waren also fürs Erste auf sich allein gestellt. Patrina war froh, dass sie sich ohnehin eine Woche frei genommen hatte. Derzeit hatte sie keine Patientin, deren Niederkunft unmittelbar bevorstand. Sie wollte eigentlich nichts anderes tun, als einmal gründlich auszuspannen, Bücher zu lesen und Musik zu hören. Sie hatte ja nicht ahnen können, dass sie Besuch haben würde.

Plötzlich spürte sie eine Veränderung in der Atmosphäre, die nichts mit dem Wetter zu tun hatte. Vielmehr hörte sie, wie Cole ihren Namen flüsterte. Beim warmen Klang seiner Stimme überlief sie eine Gänsehaut. Sie drehte den Kopf und bemerkte, dass er sie ansah.

Ihre Blicke trafen sich. Für einen endlosen Moment sah sie in seine dunklen Augen. Die Luft schien vor Elektrizität zu flirren. Das Gleiche war schon einmal passiert. Als sie ihn auf Caseys Party zum ersten Mal gesehen hatte. Damals hatte sie den Eindruck gehabt, dass er sie nicht für eine Sekunde aus den Augen ließ. Und genau wie damals irritierte es sie, wie heftig ihr Körper auf seinen Blick reagierte.

„Bitte“, sagte er leise. „Wasser.“

Sie versuchte, ihre seltsamen Empfindungen zu ignorieren, und nahm den Krug, der auf dem Nachttisch stand. Sie füllte Wasser in ein Glas, setzte sich auf die Bettkante und stützte Coles Nacken, damit er trinken konnte. Seine Haut fühlte sich warm an, aber er hatte kein Fieber. Patrina stellte fest, dass ihr selbst bei dieser Berührung auch ziemlich warm wurde.

Er war der erste Mann, von dem sie sich seit Perrys Tod angezogen fühlte. Sie hatte in der Zwischenzeit ein paar Verabredungen gehabt, aber keiner der Männer hatte ihr Interesse wirklich geweckt. Nicht so wie Cole Westmoreland. Wenn er sie ansah, spürte sie seinen Blick wie eine Berührung auf ihrer Haut.

„Möchtest du noch mehr?“, fragte sie, als er das Glas geleert hatte.

„Nein, danke“, sagte er und sah ihr in die dunkelbraunen Augen.

Seine tiefe, ein wenig raue Stimme schien ihre sämtlichen Nervenenden zum Vibrieren zu bringen. Sie riss sich zusammen und ließ seinen Kopf behutsam auf die Kissen zurückgleiten. Dabei versuchte sie, möglichst nicht an seinen durchtrainierten, muskulösen Körper unter der Decke zu denken.

„Warum bin ich hier?“

Sie nahm sein Handgelenk und fühlte seinen Puls. Er war normal, ganz im Gegensatz zu ihrem eigenen. „Erinnerst du dich nicht?“

„Nein.“

Das war nicht ungewöhnlich nach einem solchen Unfall. Sie nickte. „Du bist mit dem Wagen verunglückt und hast dir ziemlich heftig den Kopf angeschlagen.“

„Und wie bin ich hierhergekommen?“

„Ich bin zufällig auf dem Heimweg an der Unfallstelle vorbeigefahren. Ich nehme an, du wolltest es vor dem Sturm noch zum Haus deiner Schwester schaffen. Du hattest großes Glück, dass ich dich gefunden habe.“

„War ich bewusstlos?“, wollte er wissen.

„Immer mal wieder“, antwortete sie und ließ sein Handgelenk los. Mit seinem Puls konnte sie zufrieden sein, aber nicht mit der Art, wie er sie ansah. „Du bist so weit zu dir gekommen, dass ich dich aus dem Wagen holen und schließlich hierherbringen konnte. Ich habe es sogar geschafft, dich dazu zu überreden, dich auszuziehen und ins Bett zu legen.“

Cole unterdrückte ein Lächeln und nickte. Er hatte noch nie ein Problem damit gehabt, sich für eine attraktive Frau auszuziehen. Allerdings fiel es ihm schwer, sich vorzustellen, wie sie ihn aus dem Wagen geholt und ins Haus gebracht haben sollte. Sie war groß und sportlich, aber im Gegensatz zu ihm ein Federgewicht.

„Wie lange bin ich schon hier?“, fragte er und löste den Blick von ihren verführerischen Lippen.

„Ungefähr fünf Stunden. Die meiste Zeit hast du friedlich geschlafen. Ich war schon drauf und dran, dich zu wecken. Nach einem Schlag auf den Kopf sollte man nicht zu viel schlafen.“

Er nickte zustimmend. Das hatte er auch schon gehört. In der Familie Westmoreland gab es zwei Ärzte. Seinen Cousin Delaney und Tara, die Frau seines Cousins Thorn.

„Bist du hungrig?“, wollte Patrina wissen.

„Nein, vielen Dank“, antwortete er und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen.

„Der Strom ist ausgefallen. Ich habe einen Dieselgenerator, also haben wir fürs Erste Elektrizität. Aber die Telefonleitung ist tot, und auf dem Handy habe ich keinen Empfang. Deshalb kann ich leider weder Casey noch deinem Vater Bescheid sagen, was passiert ist. Ich hoffe, sie machen sich keine allzu großen Sorgen.“

„Das ist schon in Ordnung. Mein Besuch bei ihnen war eigentlich erst in drei Wochen geplant. Ich wollte sie überraschen, indem ich früher komme.“

Patrina ließ erleichtert die Schultern sinken. Sie hatte schon befürchtet, dass Coles Familie sich große Sorgen machen würde. Casey wohnte etliche Kilometer von ihrer Farm entfernt, ganz in der Nähe von Durango und seiner Frau Savannah. Patrina hatte im vergangenen September ihr Baby auf die Welt geholt. Ein bezauberndes kleines Mädchen, das nach Durangos Mutter Sarah getauft wurde. Coles Vater lebte mit seiner Frau Abby noch weiter weg. Sein Haus stand in einer abgelegenen Gegend auf einem Berg. Patrina bekam ihn sehr selten zu Gesicht.

„Ich habe meine Meinung geändert“, sagte Cole in ihre Gedanken hinein.

„Worüber?“, fragte sie zerstreut.

„Über etwas zu essen. Ich habe doch Hunger.“

„Gut. Ich bringe dir eine Portion von dem Eintopf, den ich gekocht habe.“

„Aber ich kann doch aufstehen“, brummte er. „Ich bin ja nicht gelähmt.“

Der Gedanke, bemuttert zu werden, gefiel ihm nicht. Nicht einmal von Patrina. Und er fühlte sich gut. So gut, dass sein Körper sehr eindeutig auf Patrinas Attraktivität reagierte.

„Es wäre mir lieber, wenn du liegen bleiben würdest, Cole. Ich habe dich zwar kurz untersucht und keine Brüche festgestellt. Aber trotzdem, wegen der Kopfverletzung solltest du fürs Erste im Bett bleiben.“

Er hob die Brauen. Sie hatte ihn untersucht? Während er bewusstlos gewesen war? Dieser Gedanke war ebenso irritierend wie aufregend. Sein Blick fiel auf ihre schönen sensiblen Hände. Er stellte sich vor, wie sie behutsam seine Haut abtastete.

„Ich bin Ärztin“, erklärte sie angesichts seines beharrlichen Schweigens.

„Ich weiß“, gab er mit einem Lächeln zurück. „Aber du bist Frauenärztin, nicht wahr?“

„Ja. Das bedeutet aber nicht, dass ich mich nicht um einen Mann kümmern kann, wenn es sein muss“, bemerkte sie kühl, stand auf und ging zur Tür.

„Oh, gut zu wissen. Ich werde es mir merken“, sagte er mit einem frechen Grinsen.

Sie warf einen Blick über die Schulter. „Was wirst du dir merken?“

„Dass du dich um einen Mann kümmern kannst.“

Sie schüttelte missbilligend den Kopf und verließ den Raum. Cole beschloss, sich von nun an besser zu benehmen.

Sauer auf sich selbst, rührte Patrina in dem großen Topf auf dem Küchenherd. Es war dumm von ihr, sich so über diesen Mann zu ärgern. Schließlich war er nur ein flüchtiger Bekannter, der wieder verschwinden würde, sobald der Schneesturm aufhörte. Sie kräuselte die Nase und schnupperte. Der appetitliche Duft des Eintopfs, der vor sich hin köchelte, erfüllte die Küche. Patrina nahm einen Löffel und kostete. Wirklich gut gelungen, befand sie.

Sie war in dieser Gegend aufgewachsen und an lange, harte und kalte Winter gewöhnt, hatte gelernt, sich darauf vorzubereiten. So sorgte sie dafür, dass Kühlschrank, Gefriertruhe und Küchenschränke immer gut mit Lebensmitteln gefüllt waren. Seit sie in diesem Haus lebte, gab es den Stromgenerator.

Während sie ein Tablett für Cole herrichtete, rief sie sich ins Gedächtnis, wann in diesem Haus zum letzten Mal ein Mann übernachtet hatte. Das musste wohl im vergangenen Jahr gewesen sein, als ihr Bruder Dale wegen McKinnons Hochzeit aus Phoenix angereist war. Schon bevor sie und Perry sich ineinander verliebten, waren Perry und Dale die besten Freunde gewesen. Dale hatte sie mehr als einmal daran erinnert, was Perry sich für den Fall, dass ihm etwas zustoßen sollte, gewünscht hatte. Er hätte nicht gewollt, dass sie fortan um ihn trauerte. Er hätte sich gewünscht, dass sie auch ohne ihn ein glückliches und erfülltes Leben führte. Patrina seufzte leise. Wenn das doch nur so einfach wäre. Noch immer schnürte ihr die Trauer um ihre verlorene Liebe oft unvermutet die Kehle zu.

Kurz darauf ging sie mit dem Tablett zum Gästezimmer. Neben den Teller mit dem dampfenden Eintopf hatte sie ein Truthahnsandwich gelegt. Außerdem hatte sie Cole noch ein großes Stück von ihrem selbst gebackenen Schokoladenkuchen abgeschnitten. Ein Glas Wasser und ein Becher Kaffee vervollständigten die Mahlzeit.

Als sie den Raum betrat, war das Bett leer. Obwohl sie Cole gebeten hatte, liegen zu bleiben, war sie nicht überrascht. Das hatte sie kommen sehen. Dennoch beunruhigte sie der Gedanke daran, er könnte wieder das Bewusstsein verlieren und stürzen.

Das Geräusch von rauschendem Wasser aus dem angrenzenden Gästebad bestätigte ihren Verdacht. Er stand unter der Dusche. Unwillkürlich stellte sie sich vor, wie heißes Wasser über seine glatte gebräunte Haut rann. Im gleichen Moment fragte sie sich, was denn nur mit ihr los war. Sie hatte doch sonst nicht derartig abwegige und erotische Gedanken. Sie war Ärztin, die mit dem menschlichen Körper vertraut war und stets professionelle Distanz wahrte.

Vielleicht hatten die Blicke aus Coles dunklen Augen sie daran erinnert, dass sie eine Frau war. Er hatte sie heute genauso angesehen wie letztes Jahr auf Caseys Party. Schon damals hatten diese Blicke sie beunruhigt. Ziemlich schnell hatte sie den Entschluss gefasst, Cole besser aus dem Weg zu gehen. Sie konnte niemanden gebrauchen, der ihr Leben auf den Kopf stellte, denn sie war gerade dabei, ihren Seelenfrieden wiederzufinden. Außerdem hatte sie erfahren, dass Cole ein Texas Ranger war. Und nach Perrys Tod hatte sie sich geschworen, nie wieder etwas mit einem Polizisten anzufangen.

„Ich wollte eigentlich wieder im Bett sein, bevor du zurückkommst.“

Patrina drehte sich zu ihm um und wünschte sich sofort, sie hätte es nicht getan. Cole stand an der Tür zum Bad. Auf seinem Gesicht lag ein herausforderndes Lächeln. Aber was sie wirklich in Aufruhr versetzte, war die Tatsache, dass er völlig nackt war. Bis auf das schmale Handtuch um seine Hüften. Unwillkürlich ließ sie den Blick über seinen Körper wandern. Er sah geradezu unverschämt gut aus. Glatte bronzefarbene Haut. Perfekt ausgebildete Muskeln. Sie ertappte sich bei der Vorstellung, wie sich sein Körper wohl anfühlen mochte.

„Das riecht köstlich.“

Beim Klang seiner Stimme kehrte sie in die Wirklichkeit zurück. Ihr wurde plötzlich bewusst, dass sie mit dem Tablett in den Händen dastand und ihn unverblümt musterte. Sie räusperte sich und stellte das Tablett auf den Tisch neben dem Kamin.

„Es scheint dir besser zu gehen. Aber ich habe vorsorglich zwei Schmerztabletten auf die Serviette gelegt. Es kann durchaus sein, dass die Schmerzen durch die Bewegung stärker werden.“

„Willst du denn gar nichts essen?“

Nein, dachte sie. Ich will so schnell wie möglich hier raus. Bevor ich etwas sehr Dummes und Unüberlegtes tue. „Nein. Ich habe noch in der Küche zu tun. Guten Appetit.“ Sie wandte sich zum Gehen.

„Patrina?“

Sie blieb stehen. „Ja?“

„Ich danke dir. Für alles. Du hast sogar mein Gepäck hereingebracht. Das weiß ich wirklich zu schätzen. Jetzt muss ich jedenfalls nicht nackt im Haus herumlaufen.“

Sie schluckte und hoffte, dass sie nicht allzu rot wurde. „Nun, ich habe mir gedacht, dass es gewisse Dinge gibt, die ein Mensch unbedingt braucht. Und Kleidung gehört dazu.“

Bevor er etwas erwidern konnte, hatte sie den Raum schon verlassen.

Sie sieht bezaubernd aus, wenn sie rot wird, dachte Cole, während er in seine Jeans schlüpfte. Nachdem er noch ein T-Shirt übergezogen hatte, blickte er aus dem Fenster. Der Schneesturm hielt mit unverminderter Heftigkeit an. Es gab keinen Zweifel daran, dass er heute Nacht Patrinas Gast sein würde. Und dabei spielte es keine Rolle, ob ihm das passte oder nicht. Aber eigentlich hatte er nichts dagegen, bei diesem Wetter an einem warmen gemütlichen Ort zu sein. Patrinas Haus kam seiner Vorstellung von einem perfekten Heim sehr nahe. Nach einem solchen hatte er sich immer dann besonders gesehnt, wenn er in Ausübung seines Berufs als Texas Ranger draußen in unwirtlichem Gelände den Elementen trotzen musste.

Aber diese Zeit war nun vorbei. Sein Bruder Clint war der Erste gewesen, der letztes Jahr seinen Dienst quittiert hatte. Er selbst hatte im vergangenen Monat seinen Job an den Nagel gehängt. Ein Onkel hatte Clint und ihm vor einigen Jahren eine Ranch hinterlassen. Clint hatte ihm seinen Anteil ausgezahlt. Dieses Geld hatte Cole erfolgreich investiert. Sein Cousin Spencer, das Finanzgenie der Familie, hatte ihm dabei geholfen. Und nun war er im Alter von zweiunddreißig Jahren in der Lage, als wohlhabender Mann seinen Beruf aufzugeben.

Inzwischen steckte sein Geld in mehreren Unternehmen. Darunter war auch das Gestüt, das sein Cousin Durango und sein Schwager McKinnon vor ein paar Jahren gegründet hatten. Dort wurden Pferde nicht nur gezüchtet, sondern auch ausgebildet. Im Gegensatz zu Clint war Cole ein stiller Teilhaber in dem lukrativen Betrieb. Cole beteiligte sich nicht aktiv, da er den Kopf für andere Pläne frei haben wollte.

Zu diesen Plänen gehörte eine private Helikoptergesellschaft ebenso wie eine Sicherheitsfirma. Clint hatte auch schon sein Interesse am Aufbau einer solchen Agentur bekundet. Als ob er nicht genug damit zu tun hatte, sich um seine Pferde zu kümmern. Außerdem beabsichtigte sein Bruder, bald eine Familie zu gründen.

Cole musste unwillkürlich lächeln, als er an Clint als verheirateten Mann dachte. Schließlich war er lange Zeit ein überzeugter Junggeselle gewesen. Alyssa, seine Ehefrau, war jedoch genau die Richtige für ihn. Cole freute sich für seinen Bruder. Er selbst war aber nach wie vor eingefleischter Single. Eine Ehe kam für ihn in absehbarer Zukunft nicht in Frage. Nun, da er nicht mehr gezwungen war, einer regelmäßigen Arbeit nachzugehen, genoss er seine Ungebundenheit in vollen Zügen. Er fand es wunderbar, immer das tun zu können, wonach ihm der Sinn stand.

Und im Moment stand ihm der Sinn danach, Patrina Foreman näher kennenzulernen. Er machte sie nervös, das hatte er ihr deutlich angemerkt. Er tat es bestimmt nicht mit Absicht. Aber es war ein gutes Zeichen, dass sie offenbar auch auf ihn reagierte. Denn er fand sie außerordentlich anziehend. Als sie seinen Puls gefühlt hatte, war ihm abwechselnd heiß und kalt geworden.

Patrina war noch schöner, als er sie in Erinnerung hatte. Sie war in der Lage, ihm im wahrsten Sinne des Wortes den Atem zu rauben.

Auch wenn er schwören konnte, dass sie sich ebenfalls von ihm angezogen fühlte, so hatte er doch bemerkt, wie sie dagegen ankämpfte. Vermutlich glaubte sie, dass er immer noch Ranger war. Durango hatte ihn ja gewarnt. Nach seinen Worten verabredete sie sich wegen ihres verstorbenen Ehemanns nicht mit Polizisten. Aber Durango hatte auch gesagt, dass sie überhaupt nur äußerst selten mit Männern ausging.

Während er sich an den Tisch setzte, nahm er sich vor, dafür zu sorgen, dass sich das änderte. Er blickte sich im Raum um. Die Einrichtung war geschmackvoll und bewies viel Liebe zum Detail. Teppiche, Vorhänge, Kissen und Decken hatte sie farblich aufeinander abgestimmt. Die Möbel waren aus dunklem Holz, das Bett war breit und bequem. Unwillkürlich dachte er daran, wie geeignet dieses Bett für eine stürmische Liebesnacht war.

Er hörte, wie Patrina in der Küche mit Geschirr klapperte. Nachdem er die Schmerztabletten geschluckt hatte, probierte er den Eintopf. Er schmeckte köstlich. Auch das üppige Sandwich war nicht zu verachten. Zum Nachtisch trank er den Becher Kaffee, den Patrina ebenfalls auf das Tablett gestellt hatte, und verspeiste den Schokoladenkuchen. Es konnte keinen Zweifel daran geben, die schöne Ärztin verstand ihr Handwerk auch in der Küche. Genießerisch ließ Cole sich den letzten Bissen des Kuchens auf der Zunge zergehen und lehnte sich zufrieden zurück.

Allerdings hasste er es, allein zu essen. Das gehörte für ihn zu den wenigen Dingen, die wirklich keinen Spaß machten. Er hatte sich auch nie daran gewöhnen können. Und es war umso schlimmer, wenn sich gleich nebenan eine hinreißend schöne Frau befand.

„Ich wollte nur nachsehen, ob du noch etwas brauchst.“

Beim Klang von Patrinas Stimme blickte er auf. Sie stand an der Tür und lächelte ihn freundlich an. Er ließ seinen Blick über ihr ebenmäßiges Gesicht und ihre atemberaubende Figur wandern. Langsam hob er den Becher zum Mund und trank einen Schluck.

„Nun, was ist? Brauchst du noch etwas?“

Er räusperte sich. In Anbetracht der Tatsache, wie sehr er sich von ihr angezogen fühlte, war diese Frage wirklich gefährlich.

„Gut, dass du fragst. Ja, da gibt es tatsächlich etwas“, sagte er schließlich.

2. KAPITEL

Coles Worte bekamen für Patrina auf einmal etwas Beunruhigendes. Sie hatte das Gefühl, als müsste sie sich wappnen gegen das, was gleich kommen würde. Er sah sie mit solchem Verlangen an, dass ihr ganz heiß wurde. Die Luft schien zu flirren. Sie konnte nur hoffen, dass er nicht das sagen würde, was sie befürchtete.

Seit Perrys Tod hatten mehrere Männer versucht, sich mit ihr zu verabreden. Einige von ihren Kollegen oder auch Freunde ihres Bruders Dale. Keiner von ihnen hatte Erfolg gehabt. Sie zog ein ruhiges Leben ohne emotionale Verwicklungen vor. In einigen Fällen war es schwer gewesen, ihren Standpunkt zu erklären. Es gab Männer, die eine Zurückweisung nicht so leicht akzeptieren. Aber keiner dieser Männer hatte sie so begehrlich angesehen, wie Cole es in diesem Moment tat.

Sie studierte sein Gesicht und atmete langsam aus. Er hatte ihr eine Antwort gegeben, und nun war es an ihr, nachzufragen. Zögernd trat sie näher und stellte sich neben den Tisch.

„Und was genau brauchst du, Cole?“, fragte sie schließlich.

Er antwortete nicht sofort, sondern blickte sie für einen Moment nur schweigend an. Sie konnte ihm ansehen, dass er mit sich kämpfte. Er war drauf und dran, ihr zu gestehen, wie es um ihn stand. Sie schickte ein stummes Stoßgebet zum Himmel, dass er sich anders besinnen möge. Es gab Dinge, die blieben besser unausgesprochen.

Er räusperte sich. „Ich brauche Gesellschaft.“

Sie schloss kurz die Augen vor Erleichterung. „Gesellschaft?“

„Ja. Ich hasse es, allein zu essen.“

Patrina war sich absolut sicher, dass er eigentlich etwas ganz anderes hatte sagen wollen und seine Pläne im letzten Moment verworfen hatte. Sie war mehr als froh darüber. Natürlich hätte sie die Situation gemeistert, wenn er etwa im Hinblick auf seine erotischen Absichten deutlich geworden wäre. Sie war schließlich alt genug und verfügte über genügend Erfahrung. Aber etwas in ihr flüsterte ihr hartnäckig zu, dass es bei diesem Mann besser für sie war, nicht in Versuchung geführt zu werden.

„Ich habe dir doch gesagt, warum ich nicht geblieben bin. Es gab in der Küche noch einiges zu erledigen.“

„Ich würde dich gern näher kennenlernen“, sagte er mit einem entwaffnenden Lächeln.

„Warum?“

Er wies auf das Fenster, vor dem die Schneeflocken tanzten. „Wir könnten die Gelegenheit nutzen. Es sieht ganz so aus, als würden wir noch für eine Weile hier festsitzen.“

Damit konnte er durchaus recht haben. Der Wettervorhersage im Radio zufolge würde der Schneesturm noch einige Tage lang anhalten. Ob es ihr gefiel oder nicht, sie saß tatsächlich hier fest. Mit Cole Westmoreland.

Nachdenklich schüttelte sie den Kopf. „Ich halte es für das Beste, wenn du dich wieder ins Bett legst und ein wenig schläfst. Du darfst nicht vergessen, dass du einen ziemlich heftigen Unfall hattest. Ich bringe das Tablett in die Küche und …“

„Aber dann kommst du zurück. Versprochen?“, unterbrach er sie und sah ihr in die Augen.

Sie zögerte kurz. Sie wusste, es wäre besser gewesen, ihm seine Bitte abzuschlagen. Aber andererseits war sie den Umgang mit Männern wie ihm gewöhnt. Sie war schließlich mit einem von seiner Sorte aufgewachsen. Ihr Bruder Dale war ein unverbesserlicher Herzensbrecher – stets auf Eroberungen aus und dabei wegen seines unerhörten Charmes fast immer erfolgreich. Sie warf einen Blick auf das Tablett. Cole hatte die Schmerztabletten offenbar eingenommen. Gut. Dann würde er bald schläfrig werden. In der Zwischenzeit konnte sie sich vermutlich gefahrlos ein wenig mit ihm unterhalten.

„Also gut. Ich komme gleich zurück. Versprochen.“

Patrina hielt ihr Versprechen und kehrte fünfzehn Minuten später ins Gästezimmer zurück. Cole hatte sich wieder ins Bett gelegt, war jedoch hellwach. Offensichtlich verfügte er über mehr Energiereserven, als sie angenommen hatte.

„Ich dachte schon, du hättest es dir anders überlegt.“

Sie rückte einen Sessel ans Bett, strich ihren Rock glatt und setzte sich. „Ich hatte es dir doch versprochen. Ich wollte nur noch den Wetterbericht im Radio hören.“

„Und?“, fragte er gespannt.

Sie seufzte. „Der Sturm soll heute Nacht und morgen den ganzen Tag lang anhalten.“

Er nickte. „Das habe ich mir gedacht. Fühlst du dich nie einsam, so allein in dieser abgelegenen Gegend? Besonders bei solchem Wetter?“

Sie schüttelte den Kopf. „Eigentlich nicht. Für gewöhnlich bleibe ich wochentags über Nacht in der Stadt. Ich habe ein kleines Apartment dort. Für den Fall, dass meine Patientinnen mich brauchen. Aber diese Woche habe ich frei. Ich nehme meinen Urlaub nur dann, wenn keine Geburtstermine anstehen.“

„Und was passiert, wenn ein Baby früher kommt als erwartet? Sozusagen als Überraschung?“

Sie lachte. „Oh, das geschieht öfter, als man denkt. Aber bei diesem Wetter muss das Kind dann ohne mich auf die Welt kommen. Es gibt andere Ärzte, die für mich einspringen können.“

„Du hast Durangos und Savannahs Baby auf die Welt geholt.“

Bei der Erinnerung musste sie unwillkürlich lächeln. „Ja. Und in dieser Nacht habe ich Durango von einer Seite kennengelernt, die ich an ihm vorher nie vermutet hätte.“

„Und welche Seite war das?“

„Eine sehr emotionale und hingebungsvolle Seite. Man konnte sehen, dass er ein wunderbarer Vater werden wird. Ich kenne Durango bereits seit vielen Jahren. Schon bevor er nach Montana gezogen ist, haben er und seine Brüder deinen Vater jeden Sommer besucht. Mein Bruder Dale war damals schon eng mit ihm befreundet. Es hat niemanden überrascht, als er beschlossen hat, hier zu studieren.“

Cole nickte zustimmend. Er kannte diese Geschichte, schließlich hatte er sie viele Male gehört. Er bewunderte seinen Vater Corey Westmoreland noch heute dafür, dass er sich so liebevoll um seine Neffen gekümmert hatte. Es war nicht seine Schuld gewesen, dass Cole, Clint und Casey in dem Glauben aufwuchsen, ihr Vater sei tot. Ihre Mutter hatte den Drillingen das erzählt. Erst auf ihrem Sterbebett vor einigen Jahren hatte sie ihren Kindern gestanden, dass ihr Vater nicht bei einem Rodeounfall tödlich verunglückt, sondern noch irgendwo am Leben war. Am Tag nach der Beerdigung ihrer Mutter hatten Clint und Cole einen Privatdetektiv beauftragt, ihren Vater zu finden. Seine Schwester Casey war zuerst nicht besonders erpicht darauf gewesen, ihn kennenzulernen. Daher war Cole sehr glücklich darüber, wie nah sie und sein Vater sich im vergangenen Jahr gekommen waren. Einer der Gründe für seinen Besuch in Bozeman war die große Party, die seine Schwester und die Frau seines Vaters anlässlich Coreys Geburtstags am Monatsende planten.

Cole sah Patrina in die Augen. Es gab da eine Frage, die ihm auf den Nägeln brannte. „Gibt es einen Mann in deinem Leben?“

Sie zog überrascht die Brauen zusammen. Mit dieser Frage hatte sie nicht gerechnet. „Warum willst du das wissen?“

„Ich bin ein neugieriger Mensch. Also, gibt es da jemanden?“

„Nein“, antwortete sie widerstrebend.

„Und möchtest du das ändern?“

„Nein, auf gar keinen Fall. Es ist gut so, wie es ist.“

Cole entschloss sich, direkt zum Angriff überzugehen. Er wollte diese Frau wirklich. Und er hatte nicht vor, lange um den heißen Brei herumzureden. „Und wenn ich dir sage, dass ich sehr gern etwas mit dir anfangen würde?“

Der Ausdruck ihres Gesichts war schwer zu deuten. Wut stand darin. Und Ärger. Aber auch etwas anderes, das nicht leicht zu bestimmen war. Sehnsucht vielleicht, dachte Cole.

„Dann würde ich dir antworten, dass du deine Zeit verschwendest. Ich habe keinerlei Interesse an einem Mann. Und schon gar nicht an dir“, gab sie brüsk zurück.

„Du willst mir etwas vormachen. Und dir selbst möglicherweise auch. Du fühlst dich genauso von mir angezogen, wie ich mich zu dir hingezogen fühle.“

Sie stand auf und stemmte zornig die Hände auf die Hüften. „Und wenn es so wäre? Ich kenne Typen wie dich genau. Mein Bruder ist ein Mann von deiner Sorte. Gegenseitige Anziehung hat überhaupt nichts zu bedeuten. So etwas kommt ziemlich häufig vor zwischen Männern und Frauen. Das vergeht meistens so schnell, wie es gekommen ist. Für dich bedeutet es doch sowieso nicht mehr als eine flüchtige Laune. Männer wie du geben solchen Launen ausnahmslos nach. Und wenn sie genug haben, gehen sie mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht zur nächsten Frau, die ihr Interesse weckt. Ich habe nicht die Absicht, für irgendeinen Mann die nächste Frau zu sein. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?“

Cole schluckte und sah sie verblüfft an. „Ja, das hast du. Jetzt bin wohl ich an der Reihe.“

Sie blinzelte kurz und nickte dann. „Na schön, schieß los.“

Er zog das Bettlaken beiseite, stand auf und stellte sich vor sie. „Zunächst einmal solltest du wissen, dass ich mich noch nie einer Frau aufgezwungen habe. Du kannst dich also in meiner Gegenwart völlig sicher fühlen. Aber ich merke es, wenn eine Frau mich will. Dafür habe ich spezielle und hervorragend funktionierende Antennen. Und wenn du es auch noch so sehr abstreitest, du willst mich. Du willst mich so sehr, dass mein ganzer Körper sich in Alarmbereitschaft befindet. Ich warte die ganze Zeit eigentlich nur auf das Startzeichen von dir. Ich würde dich niemals zu etwas drängen. Aber wenn du mich lässt, kann ich dir alles geben, was du brauchst. Auch wenn du vielleicht noch nicht einmal weißt, was du brauchst.“

„Ach, das siehst du also in mir. Eine arme vernachlässigte Witwe im sexuellen Notstand“, fauchte sie.

Unwillkürlich musste er lächeln. „Nein, das ist es nicht, was ich in dir sehe. Aber abgesehen davon, kann ich dich zu einer sehr glücklichen Witwe machen. Du bist eine schöne und begehrenswerte Frau, die sich aus mir unerfindlichen Gründen nicht mit Männern einlassen will. Vielleicht hast du seit dem Tod deines Mannes Angst, ein anderer Mann könnte dir zu nahe kommen und du müsstest noch einmal einen schmerzlichen Verlust erleiden. Oder vielleicht hast du das Gefühl, deinem Mann untreu zu werden. Aber ich möchte daran glauben, dass das Schicksal uns hier zusammengeführt hat. Ich denke, die Zeit wird das zeigen. Und ich verspreche dir etwas. Ich werde es nicht sein, der den ersten Schritt tut. Den wirst du machen.“

„Eher friert die Hölle ein!“

Sein Lächeln intensivierte sich. „Sieh mal aus dem Fenster, meine Liebe. Für mich sieht es aus, als könnte das heute noch passieren.“

Patrina stieß entnervt den Atem aus. Sie hatte keine Ahnung, was sie Cole erwidern sollte. Und sie wusste auch nicht, wie ihre widersprüchlichen Gefühle zu ordnen waren.

Wie kam dieser Mann dazu, solche Dinge zu ihr zu sagen? Sie hatte ihn aus dem Schneesturm gerettet und in ihr Haus gebracht, damit er sich hier von seinen Verletzungen erholen konnte. Und nicht, damit er sie bei der erstbesten Gelegenheit bedrängte, mit ihm ins Bett zu gehen. Patrina fand, das war ein ungerechter Lohn für ihre Hilfsbereitschaft.

Sicher, er hatte teilweise recht. Die Anziehungskraft zwischen ihnen war nicht zu leugnen. Aber sexuelle Anziehung war nun wirklich nicht von Bedeutung. Er war ein sehr attraktiver Mann. Es gab bestimmt viele Frauen, die sich mit ihm einließen. Wie kam er aber auf die Idee, dass sie eine von ihnen sein wollte? Er hatte gesagt, er könne aus ihr eine glückliche Witwe machen. Diese Vorstellung war ebenso anmaßend wie absurd. Selbst wenn sie sich ernsthaft für ihn interessieren würde, was nicht der Fall war, gäbe es ein großes Hindernis. Er war ein Texas Ranger. Am Tag von Perrys Beerdigung hatte sie sich geschworen, nie wieder etwas mit einem Gesetzeshüter anzufangen. Davon würde sie sich nicht abbringen lassen.

„Hast du gar nichts mehr zu sagen?“, fragte er in ihre Gedanken hinein.

„Was erwartest du denn?“, gab sie ärgerlich zurück. „Wir kennen uns kaum, und doch tust du so, als ob du alles über mich wüsstest. Irgendjemand muss dir weisgemacht haben, dass du Gottes Geschenk an die Frauen bist. Möglicherweise dieselbe Person, die dir gesagt hat, dass alle Frauen nur auf Sex aus sind. Du bist seit acht Stunden in diesem Haus und gehst schon fest davon aus, dass du leichtes Spiel mit mir hast. Zeigst du so deine Dankbarkeit für meine Gastfreundschaft?“

Cole runzelte die Stirn. Wenn sie glaubte, sie könnte ihm Schuldgefühle einreden, täuschte sie sich gewaltig. Und sie konnte auch nichts an den Tatsachen ändern. Sie wollte ihn, und er wollte sie. Vielleicht war er ein wenig vorschnell und zu direkt gewesen. Er hatte sie verärgert. Das kam seinen Absichten nicht unbedingt zugute. Ihm war eigentlich nur noch daran gelegen, dass sie wusste, wie bereit er war. Wenn sie den ersten Schritt tat, würde er reagieren.

„Es tut mir leid, Patrina, wenn ich unhöflich war. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als hätte ich keinen Respekt vor dir. Das Gegenteil ist der Fall. Aber das zwischen uns hat nichts mit Respekt zu tun. Sondern mit Verlangen und Sehnsucht. Ich glaube, du hast dich in gewisser Weise auf eine einsame Insel zurückgezogen. Und das bedaure ich sehr, denn du bist bezaubernd und sehr begehrenswert.“ Er beugte sich ein wenig vor und lächelte sie an. „Es ist höchste Zeit, dass du deine Insel verlässt. Ich bin der Mann, der dir dabei helfen kann. Wenn dir mein Angebot nicht gefällt, kann ich es nicht ändern. Aber das wäre schade. Ich bin genau der Mann, den du jetzt brauchst.“

„Du bist vor allen Dingen unverschämt“, zischte sie erbost.

„Warum? Weil ich dich daran erinnere, dass du eine Frau bist? Das ist wohl etwas, das du vergessen willst. Sieh mich an, Patrina. Ich bin ein Mann, der nichts dabei findet, eine Frau als Frau wahrzunehmen und sie das auch wissen zu lassen.“

Patrina hob das Kinn und öffnete den Mund, um ihm deutlich zu sagen, was sie von ihm hielt. Aber bevor sie den nächsten Atemzug tun konnte, hatte er sich schon vorgebeugt und seine Lippen auf ihre gepresst.

Sie hob die Hände, um ihn von sich zu stoßen. Doch in diesem Moment umfasste er ihr Gesicht mit beiden Händen. Ehe sie wusste, wie ihr geschah, legte sie den Kopf zurück, öffnete die Lippen und erwiderte seinen Kuss hingebungsvoll.

Eine Flut von Gefühlen überschwemmte sie. Ihr Zorn verschwand augenblicklich und wurde von etwas abgelöst, das sie lange nicht in diesem Maße empfunden hatte. Heftiges, vereinnahmendes sexuelles Verlangen. Ihr wurde abwechselnd heiß und kalt, und ihr Herz hämmerte wie wild.

Patrina spürte, wie er eine Hand an ihre Taille legte. Als er sie näher an sich heranzog, leistete sie keinen Widerstand. Sie schmiegte sich an ihn, schloss die Augen und tauchte in die Wärme seines Körpers ein. Sie nahm nichts anderes mehr wahr als Cole, seine Wärme und seinen Duft. So wie er hatte sie noch kein Mann zuvor geküsst. Er war leidenschaftlich und fordernd, aber auch zärtlich und sanft.

Als er schließlich behutsam seine Lippen von ihren löste, kehrte Patrina in die Wirklichkeit zurück. Fast erschrocken schlug sie die Augen auf, machte sich von Cole los und trat einen Schritt zurück. Ihr war klar, dass sie einen Fehler begangen hatte. Schon jetzt bereute sie diesen Kuss. Sie hatte damit nichts anderes getan, als Cole in seinen seltsamen Ansichten zu bestärken.

„Sag es nicht. Du solltest es nicht einmal denken“, meinte sie und blickte ihm warnend in die Augen. „Es war nur ein Kuss. Und es hat überhaupt nichts zu bedeuten.“

Er erwiderte ihren Blick, wobei er süffisant lächelte. Diese Frau war wirklich gut darin, sich etwas vorzumachen. Da behauptete sie einfach, der Kuss hätte nichts zu bedeuten. Dabei hatte ihr Körper ihm genau das Gegenteil gezeigt.

„Du kannst denken, was du willst. Ich weiß genau, was gerade passiert ist. Du schaffst es nicht, mir etwas vorzumachen. Es hat sehr wohl etwas zu bedeuten. Und das habe ich nun unter Beweis gestellt.“ Er rieb sich kurz den Nacken. Plötzlich fühlte er sich unendlich müde. Vermutlich ging es ihm doch noch nicht so gut, wie er dachte. Erschöpft ließ er sich aufs Bett sinken und schlüpfte unter die Decke. „Außerdem habe ich dafür gesorgt, dass du deine kalte, einsame Insel verlassen hast, Patrina. Du weißt es vielleicht noch nicht, aber du bist nicht mehr dort. Du bist auf die warme Seite des Lebens zurückgekehrt. Und es gefällt dir hier.“

Sie sah ihn an, als zweifelte sie an seinem Verstand. Doch das war ihm gleichgültig. Er war sich seiner Sache absolut sicher. Er hatte sie aufgeweckt aus ihrem Dornröschenschlaf. Und es hatte ihr gefallen. Ebenso wie es mir gefallen hat, dachte er und schloss die Augen. Und wie.

3. KAPITEL

„Guten Morgen.“

Beim Klang von Coles Stimme hielt Patrina inne. Sie stand am Küchentresen und bereitete das Frühstück zu. Langsam drehte sie sich um und versuchte, ihre aufgewühlten Gefühle unter Kontrolle zu bekommen.

Sie war mitten in der Nacht aufgewacht und hatte zu ihrem großen Schrecken festgestellt, dass sie in dem Sessel neben Coles Bett eingeschlafen war. Schnell war sie aufgestanden und hatte kurz geduscht, um dann in ihr eigenes Bett zu schlüpfen. Dann hatte es ziemlich lange gedauert, bis sie einschlafen konnte.

Zweimal noch war sie aufgestanden, um nach Cole zu sehen. Jedes Mal hatte sie ihn tief schlafend vorgefunden. Er sah friedlich und entspannt aus. Gar nicht wie ein Mann, der ihr ganzes Leben durcheinanderbrachte, sobald er wach war.

Sie konnte sich noch gut an ihre erste Begegnung auf Caseys Party erinnern. Sein eindringlicher Blick hatte sie seltsam berührt. Zum ersten Mal seit Perrys Tod hatte sie erkannt, dass sie sich durchaus zu einem anderen Mann hingezogen fühlen konnte. Sie war sehr verwirrt gewesen von der Intensität seiner Anziehungskraft.

Eigentlich hatte sie ihm auf der Party aus dem Weg gehen wollen. Aber irgendwann war er zu ihr gekommen und hatte sich vorgestellt. Wie fast jeder aus Caseys Freundeskreis kannte sie die Geschichte von Coreys Drillingen natürlich. Aber sie hatte weder Cole noch Clint vorher jemals getroffen.

Die beiden sahen sich so ähnlich, dass man sie kaum auseinanderhalten konnte. Allerdings besaß Cole ein paar Eigenschaften, die ihn unverkennbar machten. So lag zum Beispiel ein sinnlicher Zug um seine vollen Lippen. Außerdem war er in der Lage, eine Frau mit seinen Blicken förmlich auszuziehen. Sie hatte ziemlich schnell erkannt, um welche Art von Mann es sich bei Cole handelte. Er war ein Schürzenjäger, der ständig auf der Lauer lag. Und sie hatte nicht die Absicht, seine Beute zu werden.

Ihr Wiedersehen auf der Hochzeit von Casey und McKinnon sechs Monate später hatte diesen Eindruck verstärkt. Sie hatte das untrügliche Gefühl gehabt, dass Cole die Absicht hatte, sie auf seine lange Liste von erfolgreichen Eroberungen zu setzen. Genau deshalb hatte sie die Hochzeitsfeier sehr früh verlassen – um ihm keine Möglichkeit zu einer längeren Unterhaltung zu geben. Sie wusste genau, dass es schwierig werden würde, seinen Verführungskünsten zu widerstehen.

Und nun, weitere sechs Monate später, war er Gast in ihrem Haus. Und sie hatte wegen des Schneesturms kaum eine Chance, ihm aus dem Weg zu gehen.

„Guten Morgen, Cole. Hast du gut …“

Das Wort blieb ihr bei seinem Anblick im Halse stecken. Er trug nichts weiter als seine engen Jeans und sah unerhört gut aus. Sie ballte die Hände, um sich selbst daran zu hindern, ihre Hände auf seine breite muskulöse Brust zu legen.

Als ihr bewusst wurde, dass sie ihn ziemlich unverhohlen musterte, drehte sie sich zum Herd, um ein paar Eier aufzuschlagen.

„Das sieht gut aus“, sagte er anerkennend.

Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter. „Ich hoffe, du hast Hunger.“

„Oh, ja. Und wie.“

Seine Stimme klang, als sei er sehr dicht hinter ihr. Sie wagte es nicht, sich umzudrehen.

„Magst du Rührei?“

„Sehr gern.“

Sie hatte das Gefühl, als würde er ihr die Worte ins Ohr flüstern. Mit dem Bratenwender in der Hand fuhr sie herum und wäre fast gegen ihn geprallt. Bevor sie fragen konnte, warum er so nah war, nahm er ihr ihn aus der Hand.

„Ich mag den Gedanken gar nicht, dass du dieses Ding als Waffe gegen mich benutzen könntest“, sagte er mit einem amüsierten Lächeln. „Ich wollte dir noch einmal danken. Für alles.“

Seine Lippen waren nur Millimeter von ihren entfernt. Patrina fragte sich unwillkürlich, wie viele Frauen er schon geküsst hatte. Sie räusperte sich und trat einen Schritt beiseite.

„Wofür genau willst du mir danken?“, fragte sie in das angespannte Schweigen hinein.

„Dafür, dass du mich hierher gebracht, dich um mich gekümmert und meine direkte Art ertragen hast.“

Direkte Art? Wohl eher Arroganz, dachte sie. „Ich bin Ärztin. Ich bin daran gewöhnt, mit Menschen und ihren unterschiedlichen Charakteren umzugehen.“

Er trat näher an sie heran. „Aber du bist auch eine Frau, Patrina. Und ich fühle mich geradezu verpflichtet, dich daran zu erinnern.“

„Du solltest dich meinetwegen zu nichts verpflichtet fühlen. Davon abgesehen, hast du auch gar kein Recht dazu. Im Übrigen bin ich mir sehr bewusst, dass ich eine Frau bin.“

Er zuckte mit den Schultern. „Das mag sein. Aber du scheinst diese Tatsache ziemlich oft zu ignorieren. Das kann und will ich nicht zulassen. Ich möchte, dass du wieder Leidenschaft empfindest.“

Noch bevor sie etwas entgegnen konnte, hatte er seinen Mund auf ihren gedrückt. Wie am Abend zuvor ertappte Patrina sich dabei, dass sie seinen Kuss voller Verlangen erwiderte. Und wie am Abend zuvor küsste er sie voller Leidenschaft und Zärtlichkeit. Sie seufzte leise, als er schließlich sanft seine Lippen von ihren löste. Sie senkte den Kopf und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. In diesem Moment konnte sie ihm nicht in die Augen sehen. Sie versuchte auch, die Wärme seiner Hand zu ignorieren, mit der er ihr über den Rücken strich. Sie wollte das alles doch eigentlich überhaupt nicht. Weder seine Küsse noch die Aufregung in ihrem Leben. Sie wollte einfach nur allein sein. Aber bei diesem grässlichen Wetter war das im Moment nicht möglich. Cole würde nirgendwo hingehen. Ebenso wenig wie sie.

„Ich hätte ewig so weitermachen können, weißt du“, flüsterte er ihr ins Ohr. Dann strich er leicht mit dem Finger über ihre Unterlippe.

„Du bist wirklich ein schwieriger Fall“, sagte sie leise.

„Nein, ich bin nur beständig. Ich verfolge ein Ziel sehr beharrlich, wenn ich es einmal vor Augen habe. Meistens habe ich Erfolg. Du wirst schon sehen. Früher oder später teilst du meine Ansichten.“

„Darauf würde ich nicht warten.“

Cole beschloss, das Gespräch fürs Erste zu beenden. Er war stark erregt und musste zunächst seinen inneren Aufruhr wieder unter Kontrolle bringen. Patrina zu küssen und ihren hinreißenden Körper so nah an seinem zu spüren, förderte sein Denkvermögen nicht gerade. Er ließ sie los und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Kann ich dir bei den Vorbereitungen fürs Frühstück helfen?“

„Nein, vielen Dank. Das ist nicht nötig. Setz dich doch ins Wohnzimmer. Ich rufe dich, wenn alles fertig ist.“

Um nicht in Versuchung zu geraten, sie wieder in die Arme zu nehmen und erneut zu küssen, steckte er die Hände in die Hosentaschen. „Mit anderen Worten, ich soll dir nicht länger im Weg herumstehen.“

„Genau.“

Er lachte leise. „Also gut. Dein Wunsch ist mir Befehl.“

Überrascht sah sie ihn an. Bis jetzt hatte er nicht so leicht aufgegeben.

„Was ist?“, fragte er lächelnd.

Sie hob die Augenbrauen und machte ein abweisendes Gesicht. Sie wollte die Diskussion um jeden Preis beenden. „Nichts. Ich rufe dich, wenn ich fertig bin.“

Sie nahm zwei Teller aus dem Küchenschrank und wandte ihm den Rücken zu. Er widerstand der Versuchung, ihr das Haar aus dem Nacken zu streichen und einen letzten Kuss auf ihre Wange zu drücken. Er wusste genau, dass sie das nicht sonderlich geschätzt hätte. Stattdessen warf er einen anerkennenden Blick auf ihren hübschen Po und verließ die Küche.

Patrinas Wohnzimmer war ebenso gemütlich und anheimelnd wie der Rest des Hauses. Statt sich zu setzen, wie sie es ihm vorgeschlagen hatte, streifte er in dem geräumigen Zimmer umher und betrachtete Einrichtungsgegenstände, Bücher und Bilder. Die Möbel waren solide und geschmackvoll. Sie sahen aus, als wären sie für die Ewigkeit gebaut. Die Einrichtung passte perfekt in ein Landhaus.

Ein großes, einladend wirkendes Ledersofa und ein dazu passender Sessel bildeten das Zentrum des Raumes. Auf dem Boden lagen dicke Teppiche. Cole konnte sich gut vorstellen, sich auf einem dieser Teppiche vor dem Kamin niederzulassen und in ein prasselndes Feuer zu schauen. Vor dem großen Fenster trieben noch immer unablässig dichte Schwaden von Schneeflocken dahin.

Er hatte sich oft gefragt, wie sein Vater mit dem rauen Klima Montanas zurechtkam. Zumal das Haus seines Vater sehr abgelegen auf einem Berg stand und den Elementen schutzlos ausgesetzt war. Bevor Abby in sein Leben getreten war, hatte sein Vater sich dort bestimmt oft einsam gefühlt. Nicht anders als Patrina jetzt. Eine zweifelnde Stimme in ihm fragte plötzlich, woher er das Recht nahm, ihr Leben als einsam zu bezeichnen. Sie hatte eine Arbeit, die ihr offenbar sehr gefiel. Und sie hatte Freunde. Doch er wurde das Gefühl nicht los, dass sie mehr brauchte. Dieses Gefühl hatte er auch bei seiner Mutter immer gehabt.

Seine gesamte Kindheit hindurch hatte er zugesehen, wie seine schöne und liebenswerte Mutter sich selbst jede Chance auf Glück und Liebe verbaute. Hartnäckig hatte sie an der Geschichte festgehalten, dass ihr Mann und der Vater ihrer Kinder bei einem Rodeounfall umgekommen war. Sein Vater war der einzige Mann gewesen, den sie jemals geliebt hatte. Ein anderer war für seine Mutter nie in Frage gekommen. Obwohl Cole und seine Geschwister später festgestellt hatten, dass ihr Vater noch lebte, so war er doch für ihre Mutter in gewisser Weise wirklich gestorben. Seit sie erkannt hatte, dass Corey Westmoreland ihre Liebe niemals erwidern würde, war für sie das Kapitel Ehe, Liebe und Zusammenleben endgültig abgeschlossen.

Cole konnte sich an mehrere sehr anständige und ehrenwerte Männer erinnern, die sich ernsthaft um seine Mutter bemüht hatten. Da war zum Beispiel sein Lehrer Mr. Jefferson gewesen. Aber keiner von ihnen war in der Lage gewesen, Carolyn aus ihrem selbst gewählten Gefängnis der Einsamkeit zu befreien. Sie war so einsam gestorben, wie sie dreißig Jahre lang gelebt hatte.

Alles in Cole sträubte sich gegen den Gedanken, dass es Patrina einmal genauso ergehen sollte. Auch wenn er an keiner langfristigen Bindung interessiert war, so wünschte er Patrina doch ein aufregendes und erfülltes Leben. Dazu gehörten natürlich auch Liebe und Leidenschaft.

Er trat zum Kaminsims und betrachtete die gerahmten Fotos, die dort aufgereiht waren. Sein Blick wurde sofort von einem der Bilder angezogen. Es war das Hochzeitsfoto von Patrina und ihrem Mann. Durango hatte ihm erzählt, dass die beiden fünf Jahre verheiratet gewesen waren, als Patrinas Mann starb. Ohne dass Cole den Grund dafür hätte nennen können, fesselte dieses Foto seine Aufmerksamkeit für eine geraume Zeit.

Durango hatte Perry Foreman als guten Freund und hervorragenden Polizisten beschrieben. Sein viel zu früher Tod war ebenso sinnlos wie tragisch. Und er hatte eine Frau hinterlassen, die zunächst an ihrer Trauer zu zerbrechen drohte. Wie lange mochte das her sein? Vielleicht drei Jahre? Cole fragte sich, wie lange es dauerte, bis ein Mensch nach einem solchen Verlust wieder ein normales Leben beginnen konnte.

Er wandte sich einem anderen Foto zu. Darauf war Patrina zusammen mit zwei älteren Frauen zu sehen. Wer mochte das sein? Der Ähnlichkeit nach konnte es sich um ihre Mutter und Großmutter handeln. Er hatte Patrina nicht nach ihrer Familie gefragt. Er wusste nur, dass sie einen Bruder hatte. Er war Dale auf Caseys Hochzeit begegnet.

„Die Brötchen sind schon im Ofen. Es wird nicht mehr lange dauern.“

Beim Klang ihrer Stimme drehte er sich um. Sie stand an der Tür und war schon wieder im Begriff zu gehen.

„Warte einen Moment“, bat er. „Wer sind diese beiden Frauen auf dem Foto hier?“

Während sie näher kam, zeichnete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht ab. Sie nahm das Bild in die Hand. „Das sind meine Mutter und meine Großmutter.“

„Sind sie noch am Leben?“

Ihr Lächeln verschwand. „Nein. Leider nicht. Sie fehlen mir sehr. Alle beide.“

„Oh. Das tut mir leid.“

„Sie haben eine große Lücke hinterlassen. Nicht nur in meinem Leben. Sie waren sehr beliebt in der Stadt. Beide waren Hebammen, ebenso wie meine Urgroßmutter. Mit mir sind es nun vier Generationen der Familie Epperson, die Babys auf die Welt holen. Ich kenne eigentlich niemanden in der Gegend, der nicht mithilfe eines Mitglieds meiner Familie das Licht der Welt erblickt hat. Sie haben beide gehofft, dass ich einmal in ihre Fußstapfen trete. Auf gewisse Weise habe ich das auch getan. Wenn auch nicht als Hebamme.“

„Ist Dale dein einziger lebender Verwandter?“

Sie nickte. „Ja. Und wenn ich ehrlich sein soll, bin ich froh, dass ich nicht noch mehr Brüder habe. Dale ist vollkommen ausreichend, das kannst du mir glauben. Er schafft es immer wieder, mich in Atem zu halten.“

Dem warmen Ton ihrer Stimme nach zu schließen, hatte sie eine ähnlich enge Bindung zu ihrem Bruder wie er selbst zu seinen Geschwistern.

„Ich nehme an, das hier ist dein Ehemann“, sagte er und deutete auf das Hochzeitsfoto.

Sie schwieg für eine Weile und schaute sich mit undurchdringlicher Miene das Foto an. „Ja“, sagte sie schließlich. „Das sind Perry und ich auf unserer Hochzeit. Er war ein wunderbarer Mann.“

„Das habe ich auch gehört. Durango und McKinnon haben ihn sehr gemocht.“

Sie schob die Hände in die Hosentaschen und lehnte sich an die Wand. „Jeder hatte Perry gern. Er gehörte zu den Menschen, die leicht zu lieben sind. Und er war ein guter Sheriff. Er hätte nicht sterben dürfen, damals in jener Nacht. Das hätte nicht geschehen dürfen.“

„Aber es ist passiert, und er ist tot“, gab Cole entschieden zurück. Auch wenn es herzlos wirken mochte, wollte er sie an diese Tatsache erinnern. Es schien ihm wichtig, ihr deutlich zu machen, dass sie sich mit ihrem Verlust abfinden musste.

„Daran brauchst du mich nun wirklich nicht zu erinnern“, zischte sie wütend. „Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht daran denke. Perrys Tod ist der Grund dafür, dass ich nie wieder etwas mit einem Polizisten anfangen werde.“

Er hob die Brauen. Nicht, weil er überrascht war. Durango hatte ihm ja schon von Patrinas Grundsätzen erzählt. Es war die feste Entschlossenheit in ihrer Stimme, die ihn in Erstaunen versetzte.

„Warum?“, fragte er vorsichtig. „Weil er im Dienst getötet wurde?“

„Ja. Es war ein sinnloser Tod. Und soweit es mich betrifft, ist das Grund genug.“

Bevor Cole etwas erwidern konnte, war sie schon in die Küche zurückgekehrt. Er hätte ihr gern widersprochen, auch wenn sie vermutlich ziemlich wütend geworden wäre. Er fand die Konsequenz, die sie aus dem Geschehenen zog, reichlich überzogen. Menschen, die sich für den Beruf des Polizisten entschieden, wussten im Allgemeinen sehr genau, welche Risiken sie eingingen. Die Gefahr, in Ausübung des Dienstes ums Leben zu kommen, wurde aufgewogen durch die Chance, Gutes zu tun. Er selbst hatte seinen Beruf als Texas Ranger mit großer Hingabe ausgeübt und hatte seine Arbeit immer als lohnenswert empfunden, auch wenn es im realen Leben keineswegs so war, dass das Gute immer siegte. Seine Laufbahn hatte er nicht wegen der Gefahren beendet, sondern weil er ein starkes Bedürfnis nach Veränderung verspürt hatte.

„Frühstück ist fertig!“, rief Patrina aus der Küche.

„Ich bin in einer Minute da“, rief er zurück.

Während er ins Gästezimmer ging, um ein Hemd anzuziehen, grübelte er über seine widersprüchlichen Gefühle nach. Jeder andere Mann hätte Patrinas Entscheidung vermutlich akzeptiert und sie in Ruhe gelassen. Aber er war eben nicht jeder andere Mann. Er begehrte diese Frau und wünschte sich, sie aus ihrer Isolation zu befreien. Und er hatte den Eindruck, dass er ziemlich genau wusste, welche Knöpfe er bei ihr drücken musste. Als sie sich geküsst hatten, war ihm klar geworden, zu welcher Leidenschaft sie fähig war. Und sie hatte die beiden Küsse genauso genossen wie er selbst. Er konnte jetzt einfach nicht aufgeben. Patrina war eine Frau, die für die Liebe geschaffen war. Und er würde alles daransetzen, um sie davon zu überzeugen.

4. KAPITEL

Patrina bemerkte durchaus, dass Cole die Küche betrat. Aber sie blickte nicht auf und fuhr stattdessen damit fort, den Tisch zu decken. Es war lange her, seit in dieser Küche zuletzt ein Mann gefrühstückt hatte. Sie hörte Wasser rauschen. Cole wusch sich offenbar die Hände in der Spüle.

„Das sieht großartig aus“, bemerkte er mit Blick auf den Tisch.

Seine Nähe machte sie nervös. Dieser Mann hatte aus seinen Absichten keinen Hehl gemacht. Er plante, sie zu verführen. Oder es zumindest zu versuchen. Vermutlich dachte er, dass zwei intensive Küsse innerhalb von vierundzwanzig Stunden dabei keine schlechten Voraussetzungen darstellten. Aber sie war fest entschlossen, es keinesfalls zu einem dritten Kuss kommen zu lassen.

„Vielen Dank“, gab sie zurück. „Ich bin fast fertig.“

„Leistest du mir Gesellschaft?“, fragte er. „Das würde mich freuen.“

Endlich hob sie den Kopf und sah ihn an. „Ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen.“

„Aber du musst doch auch irgendwann etwas essen“, wandte er ein und kam näher. „Du hast doch nicht etwa Angst vor mir? Oder vielmehr davor, was ich tun könnte? Oder was du tun könntest?“

Seine Nähe hatte die üblichen Auswirkungen auf sie. Ihr Herz hämmerte, und sie fand es zunehmend schwieriger, seine Anziehungskraft zu ignorieren.

„Ich würde zu gern wissen, warum du mich nicht einfach in Ruhe lässt“, sagte sie scharf.

„Deswegen“, gab er zurück und nahm ihre Hand. „Fühlst du es nicht? Diese sexuelle Spannung zwischen uns?“

Bei seiner Berührung bekam sie eine Gänsehaut. In seinen Augen stand das pure Verlangen. Patrina schluckte trocken und blinzelte nervös.

„Siehst du“, sagte er zufrieden. „Du spürst es auch.“

Sie befreite ihre Hand. „Ich habe dir doch schon gesagt, was ich davon halte. Es hat nichts zu bedeuten und vergeht wieder. Ich schlage vor, du setzt dich jetzt hin und isst. Bevor alles kalt wird.“

„Du zuerst“, sagte er zuvorkommend und rückte ihr einen Stuhl zurecht.

Mit einem resignierten Seufzer nahm sie Platz. „Vielen Dank.“

Er lachte leise. „Gern geschehen.“

Während sie sich noch darüber ärgerte, dass sie genau das getan hatte, was er wollte, trank er einen Schluck Kaffee.

„Dein Kaffee ist hervorragend“, sagte er und wies auf den üppig gedeckten Tisch. „Und dein Frühstück auch.“

Patrina hatte sich Mühe gegeben und eine große Auswahl vorbereitet. Es gab Brötchen, Toast, Rührei mit Speck, Würstchen und Orangensaft.

„Danke für das Kompliment“, erwiderte sie, bevor sie ebenfalls einen Schluck Kaffee trank.

Perry hatte ihren Kaffee auch immer sehr gelobt. Aber vielleicht war es besser, das nicht zu erwähnen.

„Funktioniert dein Fernseher eigentlich?“, wollte er wissen.

„Natürlich. Warum fragst du?“

„Du scheinst ihn nicht oft zu benutzen.“

„Das stimmt. Ich lese lieber. Aber du kannst ihn gern einschalten, wenn du möchtest.“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, vielen Dank. Ich unterhalte mich lieber mit dir. Was liest du denn gerade?“

„Einen Kriminalroman.“

„Spannend?“

„Das weiß ich noch nicht. Ich bin erst am Anfang“, antwortete sie und biss von ihrem Brötchen ab.

„Gibt es irgendetwas, das ich für dich tun kann?“, erkundigte er sich unvermittelt.

Sie blickte ihn erstaunt an. „Was denn zum Beispiel?“

Er zuckte die Schultern. „Feuerholz hacken, Geschirr spülen oder draußen einen Schneemann bauen. Du brauchst es mir nur zu sagen.“

Sie musste lachen. „Das ist nett von dir, vielen Dank. Aber Dale hat bei seinem letzten Besuch so viel Holz gehackt, dass es vermutlich noch für den kommenden Winter reicht. Und für das Geschirr habe ich eine Spülmaschine.“

„Und was ist mit dem Schneemann? Wir könnten zusammen einen bauen. Das macht bestimmt Spaß.“

„Oh, nein. Es ist viel zu kalt.“

„Ach, komm schon. Wir könnten jeder einen bauen und sehen, wer schneller fertig ist“, sagte er mit einem breiten Grinsen.

„Es hat keinen Sinn, mich herauszufordern“, erwiderte sie lächelnd. „Außerdem solltest du dich noch etwas schonen.“

„Mir geht es großartig“, widersprach er. „Ich mache dir einen Vorschlag. Ich räume das Geschirr weg, und du setzt dich aufs Sofa und liest deinen Krimi.“

„Cole, du musst mir wirklich nicht helfen.“

„Aber ich möchte gern. Also, geh und fang mit dem deinem neuen Buch an.“

„Das habe ich schon gestern Nacht getan“, sagte sie ausweichend.

Er nickte und begann, das Geschirr abzuräumen. „Ich weiß. Ich bin ein paar Mal aufgewacht und habe gesehen, wie du im Sessel gelesen hast. Aber kurz darauf bist du eingeschlafen. Mit dem Buch in der Hand. Und als ich das letzte Mal aufgewacht bin, war der Sessel leer.“

Sie hob die Schultern. „Na ja, der Sessel ist zum Schlafen nicht sehr bequem. Da ziehe ich mein Bett vor.“

„Du hättest dich auch zu mir legen können. Ich wäre bestimmt zur Seite gerückt.“

Resigniert stieß sie den Atem aus. „Du gibst wohl nicht auf.“

„So ist es“, sagte er. „Ich bin entschlossener denn je.“

„Aber warum nur?“

„Das haben wir doch schon diskutiert. Du weißt genau, warum. Ich will dich, und du willst mich. So einfach ist das.“

„Und wenn ich dir sage, dass du falsch liegst? Dass ich überhaupt kein Interesse an dir habe?“

Er legte den Kopf zur Seite. „Dann würde ich sagen, du lügst. Oder du bist eine Frau, die nicht weiß, was sie will.“

„Zwischen uns wird nichts passieren. Das solltest du endlich akzeptieren.“

Er stand auf und stellte die Teller auf die Arbeitsfläche. „Wollen wir wetten? Es ist doch bereits etwas passiert. Oder wie würdest du die Tatsache nennen, dass wir uns zweimal geküsst haben? Und das ist nicht das Ende der Geschichte. Leidenschaft kann man schwer kontrollieren. Sie folgt ihren eigenen Gesetzen.“

„Ich fürchte, du schätzt mich falsch ein. Ich werde deinen Verführungskünsten ganz bestimmt nicht nachgeben.“

Er kreuzte die Arme vor der Brust und lehnte sich an den Küchentresen. „Das mag ja sein. Aber ich kann deinen nicht widerstehen.“

Patrina stand auf und verließ die Küche. Cole war ganz offensichtlich ein Mensch, der gern das letzte Wort hatte. Die Unterhaltung mit ihm fortzusetzen, war sinnlos. Sie würde zu nichts führen. Im Wohnzimmer stellte sie sich ans Fenster und atmete tief durch. Von allen arroganten Männern, die sie in ihrem Leben kennenlernen musste, hatte Cole auf jeden Fall den ersten Preis verdient.

Allerdings war es ziemlich beunruhigend, dass sie bereits zweimal seine Küsse nicht nur zugelassen, sondern auch noch erwidert hatte. Was, wenn er recht hatte? Wenn Leidenschaft wie ein Naturgesetz war, dem man nichts entgegensetzen konnte?

Auf diesem Gebiet war sie ziemlich unerfahren. Perry und sie waren seit der Schulzeit ein Paar gewesen. In ihrer Beziehung hatte es nie heftige Gefühlsausbrüche oder dramatische Momente gegeben. Zwischen ihnen hatte sich alles wie von selbst entwickelt. Perry war immer gelassen und geduldig gewesen. Die Tatsache, dass sie erst in ihrer Hochzeitsnacht das erste Mal miteinander geschlafen hatten, war der beste Beweis dafür. In all den Jahren zuvor, in denen sie ein Liebespaar gewesen waren, hatten sie ihre Leidenschaft und die irritierenden Hormonausschüttungen während der Pubertät immer mühelos im Griff gehabt. Mit Perry hatte sie sich nie gedrängt oder überwältigt gefühlt. Aber sie hatte auch nie eine derartig vereinnahmende sexuelle Anziehungskraft verspürt wie bei Cole.

Aber niemand zwang sie, dieser Anziehungskraft nachzugeben. Zumal Cole kein Mann war, der eine dauerhafte Bindung eingehen würde. Und eine flüchtige Affäre kam für sie nicht in Frage. Dazu war sie sich zu schade.

Rastlos verließ sie den Wohnraum und ging in ihr Schlafzimmer. Sie war verwirrt und zornig über sich selbst. Sie wünschte sich, sie könnte ihre Gedanken endlich dazu bringen, nicht mehr fortwährend um dasselbe Thema zu kreisen. Sie schloss die Tür mit Nachdruck, ließ sich aufs Bett fallen und nahm ihr Buch zur Hand. Also gut, sie würde jetzt eine Weile lesen. Vielleicht gab Cole endlich Ruhe, wenn sie ihn einfach ignorierte. Sie war wirklich nicht erpicht darauf, dass er ihr auch noch den letzten Nerv raubte.

Cole war klar, dass er Patrina im Moment ziemlich auf die Nerven ging. Schwungvoll platzierte er den letzten Teller in der Spülmaschine. Doch wenn Patrina glaubte, er würde auch nur einen Millimeter von seinem Vorhaben abweichen, hatte sie sich gewaltig getäuscht. Es würde ihr nichts nützen, ihn zu ignorieren. Früher oder später musste sie ja einmal aus ihrem Schlafzimmer herauskommen. In der Zwischenzeit wollte er sich mit etwas beschäftigen, das ihm Spaß machte. Zudem konnte er dabei für gewöhnlich hervorragend seine Gedanken ordnen. In seinem Gepäck befand sich ein Stapel mit Kreuzworträtseln. Damit würde er sich die Zeit vertreiben.

Er ging zum Fenster und sah hinaus. Trotz des Schneegestöbers konnte er in der Ferne das malerische Panorama der Berge sehen.

Auf dem Weg ins Gästezimmer hielt er an Patrinas Schlafzimmertür kurz inne. Für einen Augenblick war er versucht zu klopfen. Doch dann entschied er sich, sie fürs Erste in Ruhe zu lassen. Es war vermutlich besser, zu warten, bis sich die Wogen geglättet hatten. Sie würde ja wohl nicht den ganzen Tag in ihrem Zimmer verbringen. Irgendwann musste sie schließlich auch etwas essen.

Patrina warf einen Blick auf die Uhr. Es war bereits später Nachmittag. Sie streckte sich aus und suchte eine bequemere Position. Ein Blick aus dem Fenster zeigte ihr, dass der Schneefall noch heftiger geworden war.

Kaum zu glauben, dass sie den ganzen Tag gelesen hatte. Aber es hatte ihr gutgetan. Sie hatte ein wenig Zeit für sich selbst gebraucht. Und auf eine weitere Diskussion mit Cole konnte sie gut verzichten. Zufrieden seufzend blätterte sie die Seite um und vertiefte sich wieder in ihr Buch.

Aber schon nach einer kurzen Weile richtete sie sich irritiert auf und hob schnuppernd die Nase. Ein köstlicher Duft drang von draußen herein. Sie stand auf, öffnete die Tür und stellte fest, dass der Geruch stärker wurde und offensichtlich aus der Küche kam. Neugierig ging sie hin und blieb wie angewurzelt an der Tür stehen.

Cole stand am Herd und rührte in einem Topf. In der Hand hielt er einen großen Kochlöffel, und um die Hüfte hatte er ihre rote Schürze gebunden. Das ist erstaunlich, schoss es ihr durch den Kopf. Er wirkt sogar mit Kochlöffel und Schürze sexy.

„Was tust du da?“

Autor

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