Sehnsucht unter tausend Sternen

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Eine neue Herbstkollektion soll Teodor Domene helfen, sich endlich vor seinem Vater zu beweisen. Dafür braucht der adelige Modemogul ausgerechnet Kreativdirektorin Sabeen – doch die verachtet den arroganten Playboy-Prinzen, der ihr Herz gegen ihren Willen gefährlich ins Wanken bringt. Umgeben von den goldenen Dünen Marokkos beginnt ein Spiel aus Herausforderung, Nähe und sehnsuchtsvollem Verlangen. Aber darf sie ihrem Herzen vertrauen, vor allem aber einem Mann, der alles verkörpert, wovor sie fliehen wollte?


  • Erscheinungstag 11.11.2025
  • Bandnummer 2727
  • ISBN / Artikelnummer 0800252727
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

Maya Blake

Sehnsucht unter tausend Sternen

PROLOG

Teodor Domene leerte das Glas alten Cognacs in einem Zug. Das Spektakel der Hochzeit des Jahrzehnts hinter ihm verblasste unter der Woge hilflosen Zorns, die ihn überrollte. Er stand auf einer Terrasse des königlichen Palastes und blickte in die prächtigen Gärten, ohne etwas wahrzunehmen.

Er hätte eine Wette darauf abschließen sollen, wie lange er auf der Hochzeit seines Bruders durchhalten würde, bevor die gute Laune, zu der er sich gezwungen hatte, unter der Mischung aus Herabsetzungen, Gleichgültigkeit und Spott zusammenbrach. Er hatte damit gerechnet. Er wusste schließlich, welche Wirkung dieser Ort – dieser palacio – auf ihn hatte.

Verdammt! Er verdiente eine Medaille für jede einzelne Minute, die er hier durchhielt – ganz gleich, wie sehr er seinen ältesten Bruder liebte.

Am besten wäre es gewesen, auf das royale Protokoll zu pfeifen und seinem Vater aus dem Weg zu gehen. Dann hätte er sich dies alles erspart.

Es hatte wie immer mit Kleinigkeiten begonnen. Ein zu langer Seitenblick von einem Mitglied des inneren Kreises des alten Königs hier, eine unwidersprochene, herabsetzende Bemerkung von irgendjemandem dort. Kleine Sticheleien unter der Fassade von Humor und aufgesetztem Lächeln. Und schließlich das eisige Schweigen seines Vaters, des Königs, das in einer verbalen Ohrfeige mündete.

Als kreativer Mensch konnte Teo dieses komplexe Netz der Emotionen sogar bewundern.

Es hatte Zeiten gegeben, in denen er sich einredete, es ginge bei alledem gar nicht wirklich um ihn, und er sei einfach zu empfindlich. So hatte seine Mutter es immer bezeichnet, wenn er einmal das Unvorstellbare tat und sich beklagte.

Inzwischen war er älter und klüger geworden und verschanzte sich hinter einer Fassade lässiger Sorglosigkeit, die ihm den Titel des Playboy-Prinzen eingetragen hatte. So versuchte er, die offene Zurücksetzung nicht an sich herankommen zu lassen.

Er spürte einen vertrauten Blick auf sich ruhen, drehte sich aber nicht herum. Er wusste auch so, dass sein Zwillingsbruder Valenti irgendwo in der Nähe war und einen seiner grüblerischen Blicke in seine Richtung warf. Bei dem Gedanken rang Teo mit einer Mischung aus Verdruss und Scham.

Es war nicht fair, Valenti in die Reihe derer zu schieben, die er verachtete, nur weil der Bruder sich für einen Lebensweg entschieden hatte, der ihm die Achtung ihres Vaters eingetragen hatte. Dieser Weg hatte aber auch zu einer schrecklichen Tragödie geführt, die Teo ihm so gerne erspart hätte. Da war er selbst schon besser dran: Er musste nur das tiefe Gefühl der eigenen Wertlosigkeit abwehren, das ihn jedes Mal überkam, wenn er den Palast seines Vaters betrat. Nur wenige hießen ihn dort wirklich willkommen, obwohl man ihm widerstrebend den Titel des Prinzen von Cartana verliehen hatte.

Der Playboy-Prinz.

Der Titel entlockte ihm den Anflug eines bitteren Lächelns, das so gar nichts mit der aufgesetzten Selbstsicherheit zu tun hatte, die er sonst kultivierte. Er kannte die Quelle seiner Unzufriedenheit. Es waren achtlos hingeworfene, herabsetzende Bemerkungen, die er im Laufe des Lebens immer wieder zu hören bekommen hatte. So wie gerade vor fünf Minuten.

„Eine erfolgreiche Verbindung, König Alfonso. Vielleicht können Sie auch Valenti dazu bringen? Oder den wilden Playboy? Es ist doch sicher an der Zeit, dass er sein schamloses Treiben endlich aufgibt …“

„Ich habe jetzt jede Menge Erben und hoffentlich bald noch mehr. Ich vertraue darauf, dass Valenti das Richtige tut, wenn die Zeit kommt. Was Teo betrifft …“

Es folgte ein vielsagendes Schweigen. „Vielleicht ist es ja ganz gut, dass mir nicht mehr viel Zeit bleibt. Es gibt Dinge, die einem Vater erspart bleiben sollten …“

Zum Beispiel: einen Versager als Sohn?

Die Enge, die Teo in seiner Brust spürte, hatte nichts weiter zu bedeuten, da war er sich sicher. Er hatte vermutlich nur zu viel gegessen.

„Entschuldigen Sie … Eure Hoheit?“

Die raue Stimme hinter ihm ließ ihn zusammenfahren, aber er wandte sich nicht um.

Er war ein Meister darin geworden, seine Gefühle zu verbergen. Doch sogar er kam irgendwann an seine Grenzen. Die Besitzerin dieser Stimme hatte Augen, die viel zu viel sahen. Er hatte schon seit geraumer Zeit Mühe, eine passende Schublade für sie zu finden.

Sie räusperte sich vernehmlich. Mit einer stummen Grimasse stellte er sein Glas ab und drehte sich zu ihr herum. „Was gibt es?“ Sein Ton war schroff und abweisend, aber das war ihm einerlei. Im Moment hatte er einfach zu sehr damit zu tun, wieder einmal mit einer Herabsetzung fertig zu werden.

Sabeen El-Maleh kniff für den Bruchteil einer Sekunde die Augen zusammen, bevor sie stolz das Kinn hob. Sie war von einer aparten Schönheit, die zu diesem herrlichen, von Geschichte erfüllten Palast passte. „Ich muss mit Ihnen sprechen. Ich möchte …“

Sein hartes Lachen ließ sie einhalten. War gerade das nicht die Geschichte seines Lebens? Da waren einerseits die Menschen, die ihn verachteten, und andererseits die, die immer noch mehr von ihm wollten. „Sie ‚möchten‘ etwas von mir? Ich habe Ihnen einen Auftrag gegeben, von denen andere nur träumen können. Sie hatten die Ehre, das Brautkleid der künftigen Königin von Cartana zu entwerfen und ihre gesamte Ausstattung. Was könnten Sie noch mehr wollen, Miss El-Maleh?“

Sie hob das Kinn noch etwas höher. „Ich möchte wissen, wieso ich nach wie vor nur die interimistische Leitung Ihres Kreativteams habe. Ich habe es verdient …“

„Jetzt ist nicht der richtige Moment“, unterbrach er sie. „Sie sollten gehen.“

„Wirklich?“ Sie sah ihn empört an. „Was beschäftigt Sie denn so? Sie sind hier schon seit wenigstens zehn Minuten allein.“

„Und das haben Sie als Einladung verstanden?“, höhnte er. „Gut, wenn Sie sich mir schon aufdrängen wollen, dann tanzen Sie mit mir.“

„Was?“

Dios! Sogar wenn sie die Stirn runzelte, war ihr Gesicht noch perfekt. „Sie haben mich sehr wohl verstanden.“

„Ich tanze nicht“, erklärte sie kühl.

Er machte sich nicht die Mühe, ein spöttisches Lachen zu unterdrücken. „Unsinn. Jeder tanzt. Und ich habe Sie mit eigenen Augen tanzen sehen.“ Es hatte ihn mehr fasziniert, als er sich selbst eingestehen mochte.

„Was ist los mit Ihnen?“, wollte sie wissen.

„Im Moment? Einiges.“ Während er sprach, trat er auf sie zu, während sie grazil zurückwich. Es war wie der Tanz, den sie ihm verweigert hatte … Sie stieß mit dem Rücken gegen die Wand.

Sie waren allein hier draußen.

Er ließ den Blick über ihren Körper gleiten. Er wusste, dass er sich damit von seinem Zorn abzulenken versuchte, doch gleichzeitig war er voller Bewunderung für das, was er sah. Das perfekt sitzende Kleid, das sie für diese Hochzeit kreiert hatte. Die zarten Anklänge von Lila als Tribut an das Farbschema, für das sein Bruder und seine Braut sich bei ihrer Hochzeit entschieden hatten.

Am Talent von Sabeen El-Maleh konnte es keinen Zweifel geben.

Er fing einen Blick von ihr auf. Sah Kritik, aber auch etwas anderes. Etwas, das ihm in letzter Zeit schon mehrfach bei ihr begegnet war. Etwas, das er erkannte, weil er es selbst verspürte: Hitze. Verlangen. Lust.

„Im Moment könnte ich sehr genau benennen, was mit mir los ist. Die Frage ist nur, ob es falsch oder richtig ist …“

Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. „Ich … ich weiß nicht, was Sie meinen.“

Er lachte. „Wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Die Frage ist nur, ob mir etwas daran liegt, Ihnen das Gegenteil zu beweisen, Sabeen.“

Hätte sie nicht leise gestöhnt, hätte er sich wahrscheinlich zurückgehalten. Hätte sie ihren Körper nicht so schamlos bewegt …

Ehe sein Verstand einsetzen konnte, drückte er seine Lippen auf ihre. Die Vernunft hatte ihn an diesem Abend ohnehin schon schmählich im Stich gelassen. Sie hatte ihn glauben lassen, er könne die Gleichgültigkeit seines Vaters ertragen. Er hatte doch tatsächlich gedacht, der alte König könne durch die Krankheit etwas milder gegen ihn gestimmt sein.

Zum Teufel mit der Vernunft!

Stattdessen genoss er das verbotene Vergnügen, als sie nach einem Moment des Widerstands dahinschmolz. Sie schlang die Arme um seinen Nacken und schmiegte sich lustvoll an ihn.

Ihre Zungen lieferten sich ein heißes Duell, ihr Verlangen nacheinander wuchs. Der Duft ihrer Haut stieg ihm zu Kopf. Es war genau das, was er im Moment brauchte. Als das Bedürfnis nach Luft sie zwang, den Kuss zu beenden, drückte er seine Lippen auf ihren Hals, bis sie leise stöhnte.

„Das ist es. Das ist der einzige Wunsch, den ich im Moment erfüllen will.“

Sie versteifte sich augenblicklich und stieß ihn von sich, ihre Miene eine Mischung aus Bedauern und Entsetzen. „Wenn Sie glauben, Sie hätten leichtes Spiel mit mir, nur weil Sie gehört haben …“

„Weil ich was gehört habe?“

Sie senkte den Blick. „Das hier war ein Fehler.“

Ja, er hatte die Gerüchte über ihre Affäre mit einem Fotografen gehört, der sie verlassen hatte. In seinen eigenen Kreisen war darüber spekuliert worden, ob es sich lohnen könnte, die entstandene Lücke zu füllen …

Teo wusste nicht, wieso das Gerede ihn geärgert hatte, und er wollte jetzt nicht darüber nachdenken. Er begehrte diese Frau, auch wenn das falsch war – nicht zuletzt, weil sie für ihn arbeitete.

„Prinz …“

Die Erinnerung an seine Position ließ sein mühsam gezügeltes Temperament mit ihm durchgehen. Himmel! Jeder mit einem Hauch von Verstand musste doch sehen können, dass er sein Ruhe haben wollte! Wenn nicht, dann hatte er sich seine Reaktion selbst zuzuschreiben. „Schenken Sie sich die aufgesetzte Empörung, Sabeen. Wir wissen beide, dass Sie es auch wollten.“

Die Verachtung, die aus ihrem Blick sprach, hätte ihn ernüchtern sollen, aber er wollte nur eines: vor ihr auf die Knie gehen und sie um einen weiteren Kuss bitten.

Er, der nie um etwas bat.

Es lag an diesem Ort. Sein Vater. Seine Mutter. Die ganze teuflische Brut. Er musste fort von hier. Nicht einmal die Liebe seiner Brüder konnte den Aufschrei seiner Seele, den er so lange unterdrückt hatte, verhindern.

„Was auch immer Sie möchten, Miss El-Maleh, die Antwort ist Nein. Wenn Ihnen das nicht passt, können Sie den Vertrag jederzeit beenden. Davon abgesehen schlage ich vor, dass wir diesen kleinen … Lapsus einfach vergessen. Einverstanden?“

Er sah, wie sie um Fassung rang und gewann, wo er so kläglich versagt hatte. Ihr Blick hätte nicht herablassender sein können. „Ich kann Ihnen nur zustimmen. Gute Nacht, Prinz.“

Teo machte auf dem Absatz kehrt und verließ die Terrasse. Der Duft ihrer Haut hing ihm noch nach, als er sich in seinem Privatjet unter die Dusche stellte, um sich um die Erektion zu kümmern, die nicht nachlassen wollte. Er wusste, dass es nun neben seinem Vater ein weiteres Problem in seinem Leben gab: Sabeen. Er würde nicht ruhen, bevor beide gelöst waren.

Der erste Schritt zur Lösung eines Problems war, es zu akzeptieren.

Oder?

1. KAPITEL

Sechs Monate später

„Entweder geht sie oder ich gehe!“

Der Satz wurde von dem dramatischen Schwingen eines bunten Kimonos begleitet.

Teo konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, die Augen zu rollen. Er zwang sich, tief durchzuatmen und musste sich ins Bewusstsein rufen, dass in der Sphäre der Haute Couture Melodramatik seit jeher hoch im Kurs stand. Manchmal war es wie bei dem Wutanfall eines Kindes – man musste es einfach aussitzen.

Also zügelte er seine Ungeduld und ließ den Blick zwischen den beiden Menschen vor sich hin und her gleiten – zwischen seinem melodramatischen Kreativdirektor und dessen gleichrangiger Kollegin, die etwas zurückhaltender war. Zu seiner großen Überraschung erkannte er in Sabeens Zügen winzige Anzeichen dafür, dass ihre für gewöhnlich durch nichts zu erschütternde Fassade nicht so undurchdringlich war, wie sie selbst es wünschte.

Ihre Pupillen weiteten sich leicht, und in diesem Augenblick fand Teo ihre braunen Augen, die von dunklem Kajal betont wurden, noch faszinierender als sonst.

Das Gesicht einer Göttin. So hatte es unter vielen anderen Lobeshymnen vor zwölf Jahren geheißen, als sie als das angesagteste Supermodel galt, das damals auf dem Markt war.

Acht Jahre später hatte die Welt den Abgang von Sabeen El-Maleh vom Laufsteg betrauert und gleichzeitig ihren Einstieg in das Haifischbecken des Modedesigns bejubelt – oder verhöhnt.

Alle Skeptiker wurden eines Besseren belehrt – zumindest in den ersten beiden Jahren. In den letzten beiden jedoch waren Sabeens Kreationen nicht mehr ganz so phänomenal gewesen – von ihrem kurzen Inspirationsschub zur Hochzeit der neuen Königin von Cartana einmal abgesehen. Dieses Niveau hatte sie nicht wieder erreicht – zur Freude derer, die sie hassten. Es war mehr als ärgerlich, dass ihre Kreativität gerade jetzt nachgelassen hatte, wo sie für Teos Spezial-Label Domene X arbeitete.

Zum Glück hatte er sein Modehaus House of Domene und die legendäre gleichnamige Haute Couture-Marke unter Kontrolle und feierte damit große Erfolge – ungeachtet dieses dramatischen Nebenschauplatzes, dessen Zeuge er gerade war.

Cristobal war ein Modegenie. Teo hatte ihn vor fünf Jahren von der Konkurrenz abgeworben. Jetzt verkniff er sich jeden Kommentar, als der Mann seine Tirade fortsetzte. Natürlich war es ungewöhnlich, zwei Kreativdirektoren zu haben, und natürlich wusste er, dass er Cristobal hätte feuern sollen, als dieser zum zweiten Mal eine Entziehungskur brauchte. Aber Teo gab nur ungern zu, sich geirrt zu haben. Das hatte viel mit dem alten König zu tun. Er wollte ihm und allen anderen etwas beweisen, bevor es zu spät war.

Teos Frust wuchs, als Sabeen von diesem Drama vollkommen unberührt zu bleiben schien, jeder Zoll eine selbstbewusste, sexy Frau von königlicher Haltung. Fast so, als habe sie das royale Blut in den Adern und nicht er. Es ließ sich nicht leugnen: Ihr Anblick erregte ihn. Er musste an den Kuss vor einem halben Jahr denken.

Es gab einen Grund, wieso der Playboy-Prinz von Cartana keine Dates mit Mitarbeiterinnen hatte: Er brauchte seine Konzentration, damit das House of Domene weiterhin Erfolg hatte, und er hatte nicht die Absicht, daran etwas zu ändern.

Schon gar nicht jetzt!

Ihm lief die Zeit davon. Mit der Gesundheit seines Vaters ging es stetig bergab. Sein Bedürfnis, sich vor diesem als ebenso würdiger Sohn zu beweisen, wie es seine beiden Brüder bereits getan hatten, wurde drängender denn je.

„Wollen Sie sich nicht verteidigen?“ Ein scharfer Unterton in Teos Stimme verriet, dass er nicht ganz so entspannt war, wie er vorgab. Die Frage an Sabeen kam in einem schärferen Ton heraus, als er es beabsichtigt hatte …

Sabeen drehte sich langsam zu ihm herum, ganz so, als habe sie alle Zeit der Welt, ihm ihr Interesse zu bekunden. Als ihre Blicke sich endlich trafen, war Teo gewappnet für den Eindruck, den sie auf ihn machen würde.

Und was für ein Eindruck.

In der Modewelt war äußere Schönheit nichts Ungewöhnliches. Wie oft hatte er erleben müssen, wie Männer darüber den Kopf verloren.

Die Schönheit von Sabeen El-Maleh war allerdings einzigartig – wohl gerade dadurch, dass sie nicht nur oberflächlich war. Diese Frau faszinierte mit einer Ausstrahlung, die in jedem nachhallte, der ihr begegnete – noch lange, nachdem sie einen Raum verlassen hatte.

Jetzt zuckte sie die schlanken Schultern, deren Haut förmlich leuchtete. „Ich habe nur abgewartet, bis er müde wird, oder bis seine theatralische Nummer zu Ende ist – je nachdem, was eher eintrifft.“

Ihre Bemerkung klang kühl bis unter die Haarwurzeln. Hätte er zuvor nicht diesen Hauch von Panik in ihrer Miene gesehen, hätte er glauben können, es sei ihr vollkommen einerlei, wie dieses Gespräch endete. Dabei wusste er aus der denkwürdigen Szene auf der Terrasse des Palastes nur zu gut, wie viel ihr an seiner Entscheidung lag, ihren vorübergehenden Status als Kreativdirektorin in einen permanenten umzuwandeln.

„Sehen Sie, wie sie mit mir spricht?“, wütete Cristobal und ließ seinen bunten Kimono noch einmal dramatisch in der Spätnachmittagssonne New Yorks flattern. Sie befanden sich in dem Loft, das Teo als eines seiner Studios in der City nutzte. „Es gab eine Zeit, da wussten die Menschen, wo ihre Position war und verhielten sich entsprechend.“

„Mit Menschen meinen Sie Frauen, oder?“ Sabeen hob kaum die Stimme. Nur eine leichte Schärfe im Blick verriet ihre Anspannung.

Teo konnte es ihr nachfühlen. Auch er fand den sexistischen Anklang in der Bemerkung seines Kreativdirektors mindestens überflüssig.

Cristobals Blick schoss nervös zwischen ihnen hin und her, während er zu erkennen versuchte, ob seine Provokation Schaden angerichtet hatte. „Das habe ich nicht gemeint“, versuchte er abzuwiegeln.

„Das freut mich“, bemerkte Sabeen spitz. „Dann erklären Sie uns doch bitte, was Sie wirklich gemeint haben …“

Sie schlug die langen Beine übereinander und wandte sich Cristobal zu. Dabei bewegte sie sich derart aufreizend, dass sie Teos Blick unweigerlich auf die atemberaubenden Konturen ihres Körpers lenkte, beginnend mit dem langen Haar, das zu einem Knoten in ihrem Nacken gebunden war.

Er hatte Sabeen bisher nur ein einziges Mal mit offenem Haar erlebt – auf der Party, mit der sie ihren Abschied als Model gefeiert hatte. Bis zu dem Zeitpunkt war ihm nicht bewusst gewesen, dass er bei Frauen nicht nur auf umwerfende Beine stand, sondern auch auf schönes Haar. Vielleicht bildete er sich das auch nur ein, denn bei keiner anderen Frau hatte er je dieses überwältigende Verlangen verspürt, seine Finger in ihr Haar zu schieben. Keine andere hatte diese zügellosen Fantasien in ihm ausgelöst.

Erstaunlicherweise war diese Faszination, die sich beinahe wie eine Besessenheit anfühlte, in letzter Zeit noch größer geworden. Und das, obwohl er seit jenem Vorfall auf der Hochzeit seines Bruders in Cartana für so viel Distanz wie möglich zu Sabeen gesorgt hatte. Aber dieser Krieg in seiner Kreativ-Spitze hatte ihn jetzt gezwungen, seine Wahlheimat Mailand zu verlassen und nach New York zu fliegen …

Distanz. Die hielt er auch heute noch zu San Mirabet, der Hauptstadt Cartanas, obwohl er dort inzwischen willkommen war.

Früher hatten die Angestellten des Palastes immer davor gewarnt, es sei zu skandalträchtig, die drei Söhne des Königs zusammen mit ihren beiden Müttern im Palast zu haben. König Alfonso hatte die Frauen während seiner wilden Junggesellenzeit kurz nacheinander geschwängert – ohne es zu wissen. Die Mutter der Zwillinge und die alte Königin lieferten sich giftige Wortgefechte, wann immer sie aufeinandertrafen, während der König apathisch dazwischenstand.

War es ein Wunder, dass Teo sich noch immer vom Palast fernhielt?

Vieles mochte sich geändert haben, seit nun sein ältester Bruder König Azar von Cartana war. Er liebte seine beiden Brüder, und wenn er mit ihnen zusammen war, konnte er sich entspannen. Im Moment war es allerdings schwierig. Azar war überschwänglich glücklich in seiner neuen Rolle als Ehemann, Vater und König, während Teos Zwillingsbruder noch verschlossener war als sonst. Dadurch wurde ihm die Einsamkeit seines Lebens deutlicher denn je vor Augen geführt.

Wie auch immer. Ihre Treffen zu dritt war eine unverrückbare Tradition, und da sein und Valentis Zwillings-Geburtstag vor der Tür stand, war Teo fest entschlossen, sich kopfüber in das Vergessen zu stürzen, das es versprach …

„Können wir nicht einfach akzeptieren, dass das Experiment gescheitert ist? Zwei Kreativdirektoren in einem Haus – das funktioniert nicht.“ Cristobals Stimme holte Teo zurück in die Gegenwart.

„Das sehe ich auch so“, stimmte Sabeen spitz zu.

Cristobal sah sie groß an. „Wirklich?“

Sie zuckte die Schultern. „Ich kann nicht ewig in einer Interims-Position sein. Einer von uns muss gehen.“

Teos Magen verkrampfte sich, als er die Kampfansage hörte. War es ihr Ernst, dass sie gehen könnte?

Oder spielte sie nur mit ihm?

Die Tage, in denen er übersehen und unterschätzt worden war, bis seine Mutter ihn als Druckmittel gegen seinen Vater einsetzte, lagen lange hinter ihm. Die Erinnerung daran erfüllte ihn mit Bitterkeit und Bedauern. Viel Zeit blieb ihm nun nicht mehr mit seinem alten Vater. Dieser kämpfte mit einer Krankheit, die ihn ins Grab bringen würde.

Seiner Mutter gegenüber hegte er großen Groll. Ihre Unfähigkeit, damit umzugehen, dass ihre Zwillinge nur der ‚Ersatz‘ für König Alfonsos Erstgeborenen waren, hatte die Atmosphäre in der Familie vergiftet. Sein Vater hatte sich davor in Gleichgültigkeit gerettet. Es war unmöglich gewesen, eine echte Beziehung zu ihm aufzubauen, bis zum heutigen Tag.

„Wollen Sie diejenige sein, die geht, Miss El-Maleh?“ Sein eisiger Ton zog wie eine Giftwolke durch den Raum und ließ die beiden Kampfhähne einhalten.

Mit Genugtuung sah er, dass ihre Fassade bröckelte, einen winzigen Augenblick lang. Er las so etwas wie Panik in ihren Zügen. Eine Sekunde später hatte sie die Fassung zurückgewonnen.

Das hatte gereicht.

Zweimal hatte sie ihr Blatt gezeigt.

Er lehnte sich zurück und sah weiter zu. Dabei wartete er auf eine ganz bestimmte Reaktion. Wünschte sie sich vielleicht sogar. Ja, er wollte, dass Sabeen um das kämpfte, was sie wollte. So wie nie jemand für ihn gekämpft hatte und so, wie er jeden Tag kämpfte, um eine wie es schien, um eine verlorene Sache.

„Sie sind der Chef des Hauses“, erklärte sie mit dieser rauen Stimme, die ihm so unter die Haut ging. „Ich stehe hinter der Arbeit, die ich gemacht habe, und ich habe meine Einstellung deutlich gemacht. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.“

Ihre Herausforderung war unmissverständlich. Teo hob eine Hand, um eine weitere wortreiche Erklärung von Cristobal abzuwehren. Genie oder nicht: Der ältere Mann hatte Teos Erwartungen nicht erfüllt.

„Sie haben recht, es funktioniert nicht.“ Mit kühler Miene sah er beide an. „Uns bleiben noch vier Monate bis zum Shooting. Sie beide haben jeweils sechs Wochen Zeit, um Ihre Kollektionen fertigzustellen. Dann fälle ich eine Entscheidung. Die Kollektion, die verliert, ist raus, und ihr Kreativdirektor ist gefeuert.“ Er sagte es vollkommen sachlich.

Für Teo stand das Label Domene X hinter der Haute Couture-Marke House of Domene zurück, für die er brannte. Aber beide trugen seinen Namen. Sie standen für das Erbe, auf das er stolz war – trotz allem, was seine Mutter getan hatte. Sie sollten sich wertlos fühlen, nur weil sie das Pech gehabt hatten, nach dem Thronfolger geboren zu sein. Sie hatte alle möglichen hässlichen Geschichten in Umlauf gebracht, damit sie sich für das schämten, was sie waren, und dafür, wie es zu ihrer Geburt gekommen war. Dabei klammerte sie sich erstaunlicherweise mit aller Macht an die materiellen Vorteile, die die Situation ihr verschafft hatte.

Er verdrängte das Chaos seiner Gefühle für den Moment, als sein Kreativdirektor auf ihn zutrat, im Gesicht rot vor Wut. „Sie lassen uns wie die Witzfiguren aus einer Reality-Show gegeneinander antreten?“

Teos Kiefer spannte sich an. „Gegen besseres Wissen und Gewissen gebe ich Ihnen beiden noch eine Chance, den Job zu machen, für den Sie eingestellt wurden. Wenn Ihnen das nicht passt, können Sie gehen. Da ist die Tür!“ 

Der ältere Mann zuckte sichtlich zusammen und schien schon zu fürchten, man könne ihn mit physischer Gewalt durch besagte Tür hinaustragen. Teo verbarg ein müdes Grinsen, während er auf die unausweichliche Kapitulation wartete. Cristobal hatte keine andere Wahl, und sie wussten es beide.

Sabeen hingegen …

Ihr Stolz konnte vielleicht dagegensprechen, seine Bedingungen zu akzeptieren. Falls es dazu kam, hatte er noch ein As im Ärmel.

Er beobachtete, wie sie den Rücken durchdrückte. Ihre Blicke trafen sich. Der Kampf, auf den er sich eingestellt hatte, begann.

Parieren und zustoßen. Er konnte ihren Gesichtsausdruck lesen, er war unmissverständlich.

Wie kannst du es wagen? und Das wird dir noch leidtun! Dazu kam ein Blick voller Verachtung. Schon an jenem Abend auf der Terrasse des Palastes hatte sie ihn so angesehen.

Ihm wurde heiß. Er zog die Brauen hoch, während er ihr in die Augen blickte.

Akzeptiere es oder lass es sein.

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