Süße Küsse – gefährliche Wahrheit

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Umweltschutz bedeutet Liam Montgomery alles. Jetzt ist er zurück auf Black Oak und will die Familiendestillerie in einen nachhaltigen Betrieb umwandeln – sehr zum Missfallen seiner Geschwister! Sie gewähren ihm einen Monat, um gemeinsam mit der engagierten Ava seine Vision zu verwirklichen. Ava, die seine Leidenschaft für eine bessere Welt teilt, begleitet ihn auf Geschäftsreisen – und stiehlt ihm überraschend mit einem heißen Kuss sein Herz. Doch dann erfährt Liam, dass sie die Tochter seines größten Rivalen ist …


  • Erscheinungstag 22.07.2025
  • Bandnummer 152025
  • ISBN / Artikelnummer 0800250015
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

K. C. Leonard

Süße Küsse - gefährliche Wahrheit

1. KAPITEL

Mit einem sanften Ruck setzte das Flugzeug auf der Landebahn des San Antonio International Airport auf. Im nächsten Moment spürte Liam, wie die Maschine so stark abbremste, dass er in seinen Gurt gepresst wurde. Er atmete tief durch und zwang sich, die Finger, einen nach dem anderen, von den Armlehnen seines Sitzes zu lösen.

Er hasste es, zu fliegen – und zwar nicht nur aus ökologischen Gründen, auch wenn er sich der Ironie darin durchaus bewusst war. Liam Montgomery, Naturschützer und Umweltaktivist, gezwungen, mit einem der umweltschädlichsten Verkehrsmittel überhaupt zu reisen. Aber ihm war keine Alternative geblieben. Seine Schwester Charlotte hatte seine umgehende Rückkehr nach Texas dafür zur Bedingung gemacht, dass sie mit dem Familienunternehmen, das Liam eigentlich geglaubt hatte, für immer hinter sich gelassen zu haben, sein jüngstes Projekt im Amazonasregenwald unterstützen würde.

Und so saß er jetzt hier im Flieger, atmete wiederaufbereitete Luft und schaute durch das schmale Fenster neben sich auf ein Ödland aus Beton und Asphalt, wo sich früher endlose Prärie, Eichen- und Mesquitewälder erstreckt hatten. Allein der Anblick ließ Zorn in ihm hochkochen – auf die Rücksichtslosigkeit der Menschen, die in ihrer Geldgier und ihrem grenzenlosen Egoismus alles zerstörten, was ihnen im Weg stand.

Zehn Minuten später, als die Maschine ihre endgültige Parkposition eingenommen hatte, trat Liam über eine kurze Gangway auf die Fluggasttreppe in den gleißenden Sonnenschein von San Antonio.

Es roch nach heißem Asphalt, Kerosin und der trockenen Hitze von Texas – einer Mischung aus Staub und verbrannter Erde. Ein Shuttlebus brachte ihn und die anderen Passagiere zum Flughafenterminal. Als sie eintraten, ließ Liam die stark klimatisierte Luft im Inneren des Gebäudes beinahe frösteln. Er runzelte missbilligend die Stirn. Was für eine unglaubliche Verschwendung von Ressourcen – und wozu? Nur, damit sich die Geschäftsreisenden und Touristen nicht der Sommerhitze von San Antonio ausgesetzt sahen.

Er ignorierte das aufgeregte Schnattern der anderen Passagiere und machte sich mit ausgreifenden Schritten auf den Weg zur Gepäckausgabe. Wie immer reiste er mit wenig Gepäck. Er hatte schon früh gelernt, Praktikabilität über Komfort zu stellen. In den Regionen der Welt, in denen er sich aufhielt, war das oft auch kaum anders möglich. Wenn es elektrischen Strom gab, dann wurde er in der Regel über Generatoren erzeugt, die wiederum Abgase erzeugten, die er und seine Mitstreiter möglichst vermeiden wollten. Zum Duschen verwendeten sie gesammeltes Regenwasser, das nach einer gründlichen Filterung auch getrunken wurde. Kommunikation mit der Außenwelt war nur über Satellitentelefone möglich, die aber im dichten Dschungel nicht funktionierten, sodass ihr Einsatz auf Orte beschränkt war, an denen freie Sicht zum Himmel herrschte, wie an Flussufern, auf Lichtungen und auf Hügelkuppen ohne starken Baumbewuchs.

In dem großen, dunkelgrünen Treckingrucksack, der jetzt über das Laufband auf ihn zufuhr, befand sich nahezu sein gesamtes Hab und Gut. Er hatte es nur widerstrebend als Gepäck aufgegeben, aber die Dame beim Einchecken in Belém hatte ihm unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass es zu groß war, um als Handgepäck in der Kabine mitbefördert zu werden.

Er schlang sich die Tragegurte über die Schultern und ging dann auf die großen automatischen Milchglastüren zu, die zur Arrival-Lounge des Flughafens führte. Dort sollte ein Fahrer auf ihn warten, der ihn zur Black Oak Ranch bringen würde – dem Ort, an dem er aufgewachsen war und an den er eigentlich nie wieder hatte zurückkehren wollen. Aber die Umstände hatten ihm, wie so oft, einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Stünde das Projekt ohne die finanzielle Unterstützung durch Black Oak nicht auf der Kippe, er hätte sich niemals dazu bereit erklärt, auch nur einen einzigen weiteren Tag in seinem Elternhaus zu verbringen. Seit dem Anruf vor zwei Wochen, bei dem Matthew Caultner, ihr bisheriger Hauptsponsor, verkündet hatte, dass er sich aus dem Projekt zurückziehen wollte, hatte er mit wachsender Verzweiflung versucht, einen Ersatz aufzutun. Aber der Grund, aus dem Caultner sie im Stich gelassen hatte, schreckte auch die meisten anderen potenziellen Sponsoren ab. Ein Grund, der in Liams Augen mehr als lächerlich war.

„Du hast dich verändert“, hatte Caultner ihm am Telefon gesagt. „Als ich angefangen habe, euch zu unterstützen, war ich besonders angetan von eurem Enthusiasmus, eurer Begeisterung für die Sache. Und ehe du etwas sagst: Ja, ich weiß, dass das immer noch so ist. Ihr brennt mehr denn je für eure Projekte, aber … Liam, du schießt einfach immer weiter übers Ziel hinaus. Friedliche Proteste und Aktionen sind eine Sache. Aber ihr kettet euch an die Fahrzeuge der Holzfäller und lasst euch auf direkte Auseinandersetzungen ein.“

„Wo gehobelt wird, da fallen auch Späne“, erwiderte Liam. „Wir können keine Veränderungen bewirken, wenn wir nicht bereit sind, dafür auch etwas zu tun. Du findest, wir gehen zu weit? Ich persönlich bin der Meinung, wir gehen noch lange nicht weit genug. Wir müssen unbequem sein, den Menschen den Spiegel vorhalten, sonst wird sich nie etwas ändern.“

Doch Caultner blieb hart. „Tut mir wirklich leid, Liam. Ich habe lange dabei zugesehen, wie deine Aktionen immer extremer geworden sind. Aber ich kann das jetzt einfach nicht mehr unterstützen.“

Liam war zunächst sprachlos. Caultner hatte immer ihre Leidenschaft geteilt, warum also jetzt dieser plötzliche Rückzug?

Er versuchte, seine Wut zu zügeln, konnte aber nicht lange an sich halten: „Also, weil wir jetzt entschlossener und kompromissloser für den Schutz des Regenwaldes eintreten, sollen wir plötzlich nicht mehr unterstützenswert sein? Wir haben es mit Menschen zu tun, die den Planeten systematisch zerstören!“

„Ich verstehe, dass du frustriert bist“, entgegnete Caultner. „Aber ich glaube einfach, dass du dich verrennst. Es gibt andere Wege, Liam.“

Doch für Liam gab es keinen anderen Weg. Nicht mehr. Er hatte das Gespräch beendet, enttäuscht und entschlossen, neue Mittel und Wege zu finden, um ihr Projekt am Leben zu erhalten. Und das hatte ihn schließlich hierher zurückgebracht, an einen Ort, den er nie wieder hatte betreten wollen.

Die automatischen Milchglastüren schoben sich zur Seite, und Liam trat in die helle, ebenfalls klimatisierte Ankunfts-Lounge. Er blinzelte gegen das grelle Licht und suchte die Menge nach einem Fahrer oder einem Schild mit seinem Namen ab. Doch statt eines Chauffeurs erblickte er zu seiner Überraschung seinen Bruder Ethan, der geradewegs auf ihn zukam.

Ethan, etwas kleiner als Liam, aber muskulöser gebaut, trug ein breites Lächeln auf dem Gesicht, als er ihn erreichte. „Bruderherz!“, rief er aus und zog ihn in eine feste Umarmung.

Liam spürte die kräftigen Hände seines Bruders auf seinen Schultern, fühlte den Druck seiner Arme und war für einen Moment wie erstarrt. Diese Art von Nähe war ihm fremd geworden. Zu lange war er in den entlegenen Ecken der Welt unterwegs gewesen, um sich an körperliche Zuneigung zu erinnern.

Aber dann, ganz langsam, entspannte er sich. Ein unerwartetes Gefühl der Vertrautheit durchströmte ihn, und er erwiderte die Umarmung. „Ethan“, murmelte er, überrascht von der Intensität der Emotionen, die ihn überkamen. Für einen Moment vergaß er den Grund seiner Rückkehr und die Spannungen der letzten Monate. Es war einfach nur gut, seinen Bruder zu sehen, jemanden, der ihn verstand, auch wenn sie oft unterschiedlicher Meinung waren.

Ethan löste die Umarmung und trat einen Schritt zurück, musterte ihn mit einem amüsierten Blick. „Du siehst aus wie ein wild gewordener Yeti“, sagte er schmunzelnd. „Sag, wann hast du dich das letzte Mal rasiert?“

Liam grinste schief. „Vielleicht, als du das letzte Mal ein Buch gelesen hast.“

Ethan lachte laut auf. „Touché. Komm, ich bringe dich zur Ranch. Charlotte kann es kaum erwarten, dich zu sehen.“

Liam nickte, obwohl ein Teil von ihm widerstrebte. Doch Ethan legte ihm einen Arm um die Schultern und führte ihn Richtung Ausgang. Während sie durch die Halle gingen, verspürte Liam einen seltsamen Frieden, den er lange nicht mehr empfunden hatte. Vielleicht war nicht alles schlecht daran, dass er gezwungen gewesen war, herzukommen. Natürlich wusste er, dass es nicht so leicht werden würde. Aber jetzt, in diesem Moment, fühlte es sich an, als wäre er wieder zu Hause – zumindest ein bisschen.

Die Black Oak Ranch breitete sich in all ihrer rustikalen Pracht vor Liam aus, als Ethan den Wagen über den langgestreckten Auffahrtsweg zum Haupthaus fuhr. Die imposante Architektur des weißen Gebäudes mit den schiefergrauen Dächern hob sich klar gegen den Abendhimmel ab, dessen warmes Gold langsam in die kühleren Töne des Dämmerungsblau überging.

Auf den staubigen Weiden, die das Haus umgaben, grasten Pferde. Eines davon, tiefschwarz mit einer Blässe auf der Stirn, kam auf das Gatter, das den Weg von der Weide abtrennte, zugelaufen, und Liam atmete scharf ein. „Ist das …“

„Shadow“, entgegnete Ethan mit einem warmen Lächeln. „Charlie hat dafür gesorgt, dass er seinen wohlverdienten Lebensabend auf der Ranch verbringen kann. Ebenso wie deine Stute Ginger im Übrigen auch.“

Liam verschlug es für einen Moment die Sprache. Ginger musste inzwischen schon weit über zwanzig sein – zu alt, als dass man sie noch als Reitpferd hätte nutzen können.

Sie war ein Fohlen gewesen, als er sie zu seinem neunten Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Jetzt war er zweiunddreißig, aber obwohl er bereits mit achtzehn von zu Hause fort war, hatte er noch gelegentlich an Ginger denken müssen. Kein Wunder, vermutlich, waren doch die besten seiner Kindheitserinnerungen mit ihr verknüpft.

„Damit habe ich nicht gerechnet“, sagte er leise.

Ethan lachte. „Dann weißt du, wie es mir ging, als ich nach meiner Rückkehr hierher erfuhr, dass Shadow noch am Leben ist. Du solltest dich bei Charlie bedanken. Dad wollte unsere Pferde vom Abdecker abholen lassen, aber unsere Schwester hat das nicht zugelassen.“ Er parkte den Wagen neben der Veranda und stieg aus.

Liam holte tief Luft und öffnete die Beifahrertür. Sofort schlug ihm heiße, trockene Abendluft entgegen. Grillen zirpten, und für einen Moment hatte er das Gefühl, geradewegs in die Vergangenheit zurückversetzt worden zu sein. Was nicht zuletzt auch daran lag, dass in all den Jahren am Haus zwar verschiedene Veränderungen vorgenommen worden waren, die aber erst auf den zweiten Blick ins Auge fielen. Im ersten Moment sah alles aus wie immer. Die weitläufige Veranda, der große Balkon, alles war genau so, wie er es in Erinnerung hatte.

Ethan trat hinter ihn und klopfte ihm ermutigend auf die Schulter. „Ist ein ganz schön komisches Gefühl, oder? Glaub mir, das kann ich gut nachvollziehen. Mir erging es nämlich nicht viel anders. Aber das wird schon, alter Junge.“

Liam nickte nur und ließ den Blick hinüber zur Haustür schweifen. Charlotte stand bereits auf der Veranda und beobachtete sie aus der Ferne. Die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte sie mit einer Schulter am Stützbalken des Verandadachs. Ein schwaches Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie sich abstieß und die Stufen zu ihnen hinunterkam.

„Hey, großer Bruder“, sagte sie. Ihre Stimme klang warm, wenn auch nicht übermäßig herzlich. Sie hatten sich nie sonderlich nahegestanden. Anders als Liam hatte Charlotte ihrem Vater immer nachgeeifert. Vermutlich war der Schock bei der Testamentseröffnung für sie umso größer gewesen.

Liam war im Grunde nicht besonders überrascht gewesen, als der Notar von der Klausel angefangen hatte, die besagte, dass sie alle drei das Unternehmen zu gleichen Teilen erben würden – aber nur unter der Bedingung, dass sie alle vor Ablauf eines Jahres drei Monate bei Black Oak Bourbon zusammengearbeitet haben mussten.

Für Liam hatte damals gleich festgestanden, dass das für ihn nicht infrage kam. Unglaublich, dass ihr Vater nun auch noch aus dem Grab heraus versuchte, sie nach seiner Pfeife tanzen zu lassen.

Umso mehr ärgerte es ihn, dass ihn die Umstände nun dazu zwangen, doch zu Kreuze zu kriechen.

„Charlie.“ Er nickte ihr zu.

„Komm rein, wir haben dich schon erwartet.“

„Natürlich habt ihr das“, entgegnete er mit einem bitteren Lächeln. „Immerhin habt ihr mir keine andere Wahl gelassen, als herzukommen. Meine Entscheidung war das gewiss nicht.“

Seine Schwester schürzte die Lippen. „Ach, nun tu doch bitte nicht so, als wärst du nicht aus freien Stücken hier. So wie ich es sehe, ist es ein fairer Austausch. Du erfüllst die Bedingungen des Testaments, und im Gegenzug springt Black Oak Bourbon als Sponsor für dein Projekt ein. Quid pro quo.“

Er runzelte die Stirn. Es war ja nicht so, als ob Charlotte unrecht gehabt hätte. Aber gefallen musste es ihm deswegen noch lange nicht, dass er mit dem Rücken zu Wand gestanden hatte und gezwungen gewesen war, das Angebot seiner Geschwister anzunehmen.

Seufzend strich Charlotte sich das rotblonde Haar zurück. „Lass uns nicht gleich streiten, ja? Du bist gerade erst angekommen. Wollen wir nicht erst mal reingehen und uns ein bisschen beschnuppern? Wir haben uns ewig nicht mehr gesehen.“

Er hob eine Braue. „Na ja, so lange ist die Testamentseröffnung nun auch wieder nicht her.“

„Stimmt. Aber da warst du nach dem Termin beim Notar auch gleich wieder weg. Warum noch gleich?“

„Das interessiert dich doch ohnehin nicht. Aber meinetwegen, gehen wir rein und reden über die guten alten Zeiten. Allerdings dürfte das Gespräch dann eher kurz ausfallen.“

Ethan trat zwischen sie und legte ihnen beiden jeweils eine Hand auf die Schulter. „Jetzt hört aber auf. Komm rein, wir trinken ein Glas Wein zusammen, und du erzählst uns von deinem jüngsten Projekt. Und später stelle ich dir dann meine Verlobte, Lilly, vor.“ Gemeinsam betraten sie das Haus, wo Millie bereits wartete.

Im Gegensatz zu Charlotte war das Lächeln, mit dem die Haushälterin ihn begrüßte, warm und herzlich. „Mr. Liam, wie schön, Sie wiederzusehen!“

„Seit wann siezen Sie mich, Millie?“ Er ergriff ihre Hände und drückte sie sanft. „Sie haben mir als kleinem Jungen schon immer heimlich Snacks zugesteckt. Lassen Sie das mit dem Mr. Liam bitte ganz schnell wieder bleiben. Ich bin Liam – wie früher, verstanden?“

Sie lachte. „Verstanden. Ich habe übrigens Ihre …“ Als Liam eine Braue hob, korrigierte sie sich. „Ich habe deine Zimmersuite für dich vorbereit, als ich hörte, dass du länger bleiben wirst.“

„Vielen Dank“, sagte er und schenkte ihr ein Lächeln.

2. KAPITEL

Sie gingen in den großzügigen Wohnbereich, in dem sich seit seiner Kindheit kaum etwas verändert hatte. Das Ledersofa, die schweren Eichenmöbel. Ja, sogar der Geruch der Zigarren seines Vaters schien noch immer in den schweren Vorhängen festzusitzen.

Liam setzte sich, Ethan ließ sich neben ihn fallen und Charlotte nahm ihnen gegenüber Platz und verschränkte die Arme vor der Brust. „Okay, jetzt wo du da bist, haben wir einiges zu besprechen. Wie gedenkst du die Zeit zu nutzen, die du hier verbringst? Ich dachte, du könntest vielleicht das Sprachrohr der Geschäftsführung zu den Mitarbeitern sein. Du weißt schon, Betriebs-Newsletter, Rundschreiben und Ähnliches.“

„Nein, ganz sicher nicht.“

„Nein? Und was darf es dann sein?“

„Das kann ich dir ganz genau sagen, Schwesterherz. Und wenn du geglaubt hast, dass ich mich in irgendeine stille Ecke verbannen lasse, wo ich nichts erreichen kann, dann hast du dich geschnitten.“

„Wie bitte darf ich das verstehen?“ Sie warf ihm einen scharfen, misstrauischen Blick zu. „Was führst du im Schilde, Liam? Denk nur nicht, dass du herkommen und alles auf den Kopf stellen kannst.“

„Oh, aber genau das denke ich, Charlie. Und ich verrate dir noch etwas: Ich habe bereits damit angefangen.“

Sie ließ eine Braue in die Höhe schnellen. „Was?“

Liam setzte sich aufrechter hin. „Ich denke, es ist an der Zeit, dass Black Oak sich auf nachhaltigere Produktionsmethoden umstellt. Dieses Unternehmen ist ein ökologisches Desaster. Die Energiebilanz ist einfach nur katastrophal, und viele der Prozesse stammen noch aus dem vergangenen Jahrhundert. Davon abgesehen scheint sich niemand hier um den Schutz begrenzter Ressourcen zu scheren. Wie in einer trockenen, heißen Region wie Texas so verschwenderisch mit Wasser umgegangen werden kann, ist mir wirklich ein Rätsel.“

Einen Moment lang starrte seine Schwester ihn einfach nur an, dann runzelte sie die Stirn. „Es mag sein, dass Black Oak deinen hohen Ansprüchen nicht genügt, Liam, aber solche Neuerungen kosten nicht nur Unsummen, sie sind auch nicht von heute auf morgen umzusetzen.“

„Entschuldige bitte, wenn ich dir da widerspreche“, entgegnete Liam. „Natürlich sind gewisse Investitionen notwendig, wenn man wirklich etwas erreichen will. Aber was den Zeitfaktor betrifft, kann ich dich beruhigen. Da ist durchaus einiges machbar in den drei Monaten, die ich hier verbringen werde.“

Charlotte sprang auf und fing an, die Länge des Raums auf und abzulaufen. „Ich hätte es wissen müssen! Du kommst her und fängst sofort an, Ärger zu machen. Aber das war ja schon immer so. Als Dad noch lebte …“

„Als Dad noch lebte, war das hier wie ein Gefängnis, in dem niemand, der so etwas wie eine eigene Meinung hatte, jemals hätte glücklich werden können. Nicht, dass du davon etwas wüsstest, Schwesterherz.“

„Hey, hey“, mischte Ethan sich ein und hob beschwichtigend die Hände. „Wollen wir die Feindseligkeiten nicht sein lassen? Letztendlich sitzen wir doch alle im selben Boot, oder nicht?“

Liam schüttelte den Kopf. „Nein, Ethan, eigentlich nicht. Charlotte war immer Daddys Vorzeigemädchen. Ich konnte ihm nie etwas recht machen, und du doch ebenso wenig, wenn du mal ganz ehrlich bist. Warum sonst hast du deine Sachen gepackt und bist hier abgehauen, sobald du konntest? Weil du dich so unglaublich wohl gefühlt hast?“

Ethan seufzte. „Nein, es war nicht immer leicht mit Dad. Aber dasselbe gilt auch für Charlie.“ Als Liam protestieren wollte, schüttelte er den Kopf. „Nein, wirklich. Ich glaube, du hast ein vollkommen falsches Bild von ihrer Situation hier. Sie hat genauso unter unserem Vater gelitten wie wir, nur vielleicht auf eine etwas andere Art und Weise.“

Liam schnaubte. „Das Goldkind? Wirklich?“

„Nenn mich nicht so“, fauchte Charlotte. „Und du solltest es wirklich besser wissen. Glaubst du, Dad hätte sich eine Tochter als seine Nachfolgerin gewünscht? Wohl kaum! Er war der Ansicht, dass Frauen in der Branche nichts zu suchen haben – ebenso wie die meisten seiner Geschäftspartner im Übrigen auch. Ich war nur ein schwacher Ersatz für dich, Liam, den Nachfolger, den er eigentlich wollte, aber nicht haben konnte. Warum denkst du, hat er sein Testament so verfasst?“

Liam zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Weil er ein missgünstiger alter Mann war, der uns zu guter Letzt noch einmal so richtig nach seiner Pfeife tanzen lassen wollte?“

Charlotte seufzte. „Er hat mir nicht zugetraut, das Unternehmen allein zu führen“, sagte sie leise. „Er wusste genau, was mir Black Oak bedeutet – und dass ich Himmel und Hölle in Bewegung setzen würde, um es zu erhalten.“

Von der Seite hatte Liam es noch gar nicht betrachtet. Und es ergab, auf eine verdrehte und manipulative Art und Weise, durchaus Sinn. Ihr Vater musste gedacht haben, dass es ihm mit diesem Trick am Ende doch noch gelingen würde, einen seiner Söhne dazu zu bewegen, das Unternehmen in seinem Sinne weiterzuführen.

Nun, wenn dem so war, dann hatte er sich getäuscht, zumindest soweit es Liam betraf. Er würde niemals dauerhaft hierher zurückkehren – die drei Monate, die ihm bevorstanden, würden schon hart genug werden. Und irgendwie konnte er sich auch nicht vorstellen, dass Ethan vorhatte, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten. Es erfüllte Liam mit grimmiger Befriedigung, wenn er daran dachte, dass der Alte am Ende seinen Willen nicht bekommen würde.

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