Süße Melodie der Leidenschaft

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Die junge Sängerin Charlene kann ihr Glück kaum fassen: Der berühmte Musikproduzent Akil Hutton hat sie unter Vertrag genommen - und nach jeder Aufnahme knistert es heißer zwischen ihnen! Doch trotz aller Leidenschaft scheint Akil sein Herz hinter einer Mauer zu verbergen …


  • Erscheinungstag 20.07.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733734442
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Charlene war im siebten Himmel. Vor zwei Tagen hatte sie den Anruf ihrer Agentin Sofia Wellesley von Limelight Entertainment erhalten. Jetzt stand der geöffnete Koffer vor ihr auf dem Bett. Miami! Während sie packte, sang sie laut einen alten Song von CeCe Peniston.

Singen war ihre große Leidenschaft. Charlene arbeitete als Stimmbildnerin am College. Diese Aufgabe empfand sie gleichermaßen als herausfordernd und befriedigend. Ihre Eltern hingegen waren nicht sehr glücklich gewesen über ihre Berufswahl. Sie hätten es lieber gesehen, wenn sie die gleiche Richtung eingeschlagen hätte wie ihre drei Jahre ältere Schwester. Die Karriere von Candis Quinn hatte bereits im zarten Alter von einem Jahr begonnen, mit einem Werbespot für Baby-Windeln. Seither hatte Candis immer wieder vor der Kamera gestanden und ihre Fotos zierten die Seiten diverser Zeitschriften. Noch während ihrer Zeit an der Highschool hatte sie schließlich begonnen, als Model zu arbeiten.

Gewöhnlich verloren Kinder ihren Babyspeck zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr, weil sie sich dann mehr bewegten. Bei Charlene war dies jedoch nicht der Fall gewesen, sie blieb ein pummeliges Kind. Daher war Candis der einzige Kinderstar der Familie.

Ihr Vater, Randall Quinn, hatte im Laufe der letzten dreißig Jahre gut über zwanzig populäre Sitcoms produziert. Und Marjorie war die perfekte Ehefrau und Mutter. Sie unterstützte ihren Mann, begleitete Candis zu allen Foto-Shootings und Werbeaufnahmen und versuchte, ihre jüngere Tochter zu etwas zu machen, das sie definitiv nicht sein konnte.

Als Charlene sechzehn wurde, hatte ihre Mutter schließlich genug von all den fehlgeschlagenen Diäten und ging mit ihr zum Arzt. Der stellte eine Schilddrüsenunterfunktion fest – offensichtlich produzierte ihre Schilddrüse nicht genügend Hormone. Zu den frühen Symptomen dieser Erkrankung zählten Müdigkeit, Gewichtszunahme und Wassereinlagerung – Probleme, die Charlene plagten, seit sie ein kleines Mädchen war. Meist trat dieses Phänomen erst später im Leben und überhaupt eher selten auf. Charlene war, wie der Arzt sagte, eine absolute Ausnahme.

Diese Diagnose änderte jedoch nichts daran, dass Charlene in Beverly Hills aufwuchs, wo es nur so wimmelte von Models und Schauspielerinnen, die mit einem Meter fünfundsiebzig, einer Wespentaille und üppigen Brüsten den absoluten Idealvorstellungen entsprachen. Noch jetzt fühlte Charlene sich unbehaglich mit ihrem Äußeren, obwohl sie mit ihrer Größe von eins fünfundsechzig, einem makellosen Teint und ihren leicht schräg gestellten Augen überaus apart wirkte.

Sie fühlte sich besser als früher, aber die Erinnerungen an die kränkenden Hänseleien in der Schule saßen tief. Damals hatte sie aber auch ihre beste Freundin Rachel kennengelernt. Sie waren beide in der dritten Klasse der Beverly Vista School gewesen. Bei einem warmen Kakao und klebrigen Makkaroni and Cheese hatten sie die Grundlage für eine lebenslange Freundschaft gelegt.

Rachel Wellesley war die jüngere Schwester von Charlenes Agentin Sofia. Erst vor drei Wochen war eine richtige Katastrophe über sie hereingebrochen. Passiert war, wovor Charlene und sie sich am meisten fürchteten: Rachel war in die Schlagzeilen der Regenbogenpresse geraten.

Wie Charlene kam Rachel aus einer prominenten Familie. Die Wellesleys betrieben die erfolgreiche Künstleragentur Limelight Entertainment. Das in Verbindung mit der Tatsache, dass sie in Beverly Hills lebten, brachte die Mädchen in eine Position, die sie hassten: Immer schwirrten Paparazzi und Reporter um ihre Elternhäuser oder auf dem Schulhof herum. Alle wollten einen Einblick in ihr Privatleben bekommen oder in das Leben ihrer prominenten Familien.

Es war abstoßend und beide Mädchen schworen sich, der Presse und den Medien als Erwachsene so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen. Für Charlene war das bisher kein Problem gewesen.

Aber dann war sie mit Rachel in die Karaoke-Bar gegangen, um sich einen Mädelsabend zu gönnen. Und dieser Abend hatte alles verändert.

„Wieso singst du nicht etwas?“, hatte Rachel vorgeschlagen, nachdem ein Mann mit Bierbauch und Zauselbart die grottenschlechte Version eines bekannten Hits zum Besten gegeben hatte.

„Nein danke.“ Charlene nippte an ihrem Mineralwasser. „Stell du dich doch ans Mikrofon. Es wird dir guttun, die Sache mit Ethan und der Presse für eine Weile zu vergessen.“

Rachel schüttelte den Kopf. „Du weißt doch, dass ich nicht singen kann. Und unter gar keinen Umständen will ich der Presse noch mehr Munition gegen mich liefern.“

Charlene runzelte die Stirn. Sie hasste es, ihre sonst so fröhliche Freundin so unglücklich zu sehen. Spontan drückte sie ihre Hand. „Es wird vergehen. Du weißt doch, dass diese Geier alle fünfzehn Minuten ein neues Opfer finden. Dann ist Ethans Liebesleben Schnee von gestern.“

Rachels Versuch, ein Lächeln aufzusetzen, schlug jämmerlich fehl.

„Komm schon, Rachel, wenn du weiter so dreinschaust, bekomme ich noch Komplexe. Es kann doch nicht so schrecklich sein, den Abend mit mir zu verbringen.“

„Ich weiß, was meine Laune wirklich heben würde …“

„Nämlich?“

„Geh nach vorn und sing.“

Charlene hatte das Nein schon auf den Lippen. Sie mochte es nicht, im Mittelpunkt zu stehen, aber an diesem Abend ging es nicht um sie, sondern um ihre Freundin, die ihr über die Jahre bei all ihren Problemen immer zur Seite gestanden hatte. Nun war es an ihr, Rachel zu helfen. Wozu waren Freunde schließlich da?

„Okay, aber wenn ich das mache, dann möchte ich, dass du den Rest des Abends lächelst. Abgemacht?“

Rachel wusste, dass sie eine große Schlacht gewonnen hatte. Sie erwiderte Charlenes Händedruck. „Abgemacht. Komm, lass uns mal sehen, was sie für Songs anbieten.“

An der digitalen Jukebox klickten sie sich durch die Anzeige der verfügbaren Titel. Plötzlich deutete Rachel auf einen Song und rief: „Den da!“

Charlene sah ihre Wahl und musste lächeln. Es war einer ihrer Lieblingssongs während der Zeit an der Highschool gewesen.

Also betrat sie die kleine Bühne, während Rachel sich wieder an den Tisch setzte. Es war Freitagabend, kurz nach zehn, und die Bar füllte sich langsam. Charlene stellte das Mikrofon auf die richtige Höhe ein – der Mann mit dem Bierbauch war wesentlich größer gewesen als sie. Dabei fiel ihr Blick auf die Menschen, die erwartungsvoll zu ihr heraufsahen. Menschenmengen irritierten Charlene nur insofern, als sie es nicht mochte, angestarrt zu werden. Sobald sie anfing zu singen, ging sie so in der Musik auf, dass alles andere in den Hintergrund trat. Sie räusperte sich.

Einige der Gäste applaudierten aufmunternd.

„Sing, Baby! Sing!“ Ein schon nicht mehr ganz nüchterner Mann mit einer Zigarette im Mundwinkel prostete ihr zu. Geistesabwesend fragte sie sich, wie sich die Zigarette dort halten mochte. Dann nickte sie der Frau zu, die die Karaoke-Maschine bediente.

Sie brauchte den Text auf dem Teleprompter nicht, sie kannte ihn auswendig. Das Licht wurde gedimmt und ein Scheinwerfer auf sie gerichtet. Die ersten Takte der Musik erklangen. Sie spürte das vertraute Kribbeln in ihrem Inneren. So war es immer, wenn sie sang. Die Musik erfüllte ihren ganzen Körper, ihre ganze Seele.

Und dann setzte sie ein. Es war Hero, ein Song von Mariah Carey.

Charlene liebte den Text. Sie legte ihre ganze Seele hinein. Für den großen schlanken Mann, der ihr von einem Tisch hinten im Raum aus zuhörte, hatte sie keine Augen.

Minuten später brandete Applaus auf. Glücklich und wie benommen verließ Charlene die Bühne und begab sich zurück zu ihrer Freundin. Rachel strahlte sie an, aber noch bevor sie ihre Begeisterung kundtun konnte, war der Mann vom anderen Tisch zu ihnen getreten.

„Entschuldigen Sie, meine Damen …“

„Ja?“ Charlene sah ihn fragend an.

„Ich störe nur ungern, aber ich wollte Ihnen gratulieren, Ms. Quinn. Sie haben wunderbar gesungen. Und ich möchte mich vorstellen. Ich bin Jason Burke. Talentscout.“ Er reichte Charlene seine Karte. „Bitte rufen Sie mich an. Ich möchte einiges mit Ihnen besprechen. Meine Firma würde Ihnen gern ein Angebot machen.“

Charlene steckte die Karte ein, ohne seine Worte ernst zu nehmen.

„Ich rufe Sie an“, versicherte sie, um ihn loszuwerden. „Ist nächste Woche früh genug?“

Der Mann grinste. „Ja, ich freue mich darauf“, versicherte er und verließ den Club.

Charlene verdrehte die Augen. „Glaubt er wirklich, ich würde ihn anrufen?“

Rachel nippte an ihrem Drink. „Du hast es ihm versprochen.“

„Ich bitte dich! Ich kann singen, aber so gut nun auch wieder nicht. Und wahrscheinlich ist er gar kein Talentscout.“

„Zeig mal seine Karte.“

Charlene zog sie aus der Tasche ihrer Jeans, damit Rachel sie betrachten konnte.

„Ich finde, du solltest Sofia anrufen und sie bitten herauszufinden, ob das stimmt, was er sagt. Falls ja, würde ich ihn an deiner Stelle anrufen. Was hast du zu verlieren?“

Und damit kam die Sache ins Rollen. Sofia kannte durch Limelight Entertainment so gut wie jeden in der Musikbranche, beim Film und beim Fernsehen. Sie überprüfte den Mann und stellte fest, dass er tatsächlich zu Playascape gehörte, einem Label im Vertrieb des internationalen Konzerns Empire Music.

Charlene beriet sich mit ihr und beschloss, den Mann anzurufen. Gemeinsam mit Sofia, die sie offiziell als ihre Managerin begleitete, kam sie der Einladung zu einem Gespräch nach. Und so hielt sie zwei Wochen später ihren ersten Plattenvertrag in Händen.

Das Ganze kam Charlene vor wie eine aufregende Fahrt mit der Achterbahn. Und als sei das alles noch nicht genug, stand sie jetzt im Begriff, nach Miami zu fliegen, um mit dem Starproduzenten Akil Hutton zu arbeiten, dem Mann, der alle ihre Träume wahr werden lassen sollte.

Irgendetwas stimmte nicht.

Es konnte einfach nicht wahr sein! Das dachte Akil Hutton wohl schon zum tausendsten Mal, seit er am vergangenen Morgen die Sendung von Jason Burke erhalten hatte.

„Sie wird die nächste Whitney Houston, Ace. Ich sage es dir! Warte, bis du sie selbst kennenlernst.“

Jason nannte ihn Ace, seit sie vor Jahren gemeinsam als Praktikanten bei Empire angefangen hatten. Während der vergangenen zehn Jahre hatten sie sich ins Zeug gelegt, um ihr Label Playascape zur ersten Adresse im Bereich Hip-Hop und Rhythm & Blues zu machen. Schon als Praktikanten hatten sie gewusst, dass sie eines Tages ein Stück von diesem Kuchen für sich haben wollten. Da Jason ein untrügliches Gespür für neue Trends hatte, war er der ideale Mann für die A&R-Abteilung. Artists & Repertoire – das war sein Ding.

Akil hingegen hatte es immer ins Studio gezogen. Er liebte es, zusammen mit den Künstlern und den Tontechnikern am perfekten Sound zu arbeiten.

Neunzehn Nummer-eins-Hits, sieben Platin-CDs, drei Goldene Schallplatten und viele andere Auszeichnungen später arbeiteten Akil und Jason immer noch eng zusammen. Akil konnte sagen, dass Jason der einzige Mensch auf der Welt war, den er als seinen Freund bezeichnet hätte.

Und das war wirklich eine Schande.

Aber zurück zu seinem momentanen Dilemma.

Akil betrachtete das Foto einer hübschen Frau mit leicht gebräuntem Teint und dunkelbraunen Augen. Ihr Lächeln ließ entzückende Grübchen auf ihren Wangen erscheinen. Das dunkle Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden.

Obwohl ihr Gesicht ihn spontan ansprach, ließ der Rest ihn innehalten. Nachdem er nun schon seit Jahren in diesem Business war, wusste er, dass Stars groß und schlank sein mussten, fast ausgemergelt. Sie hingegen war eine Vollblutfrau mit richtigen Kurven. Sie trug eine dunkelblaue Hose und eine geknöpfte Bluse, High Heels und nur wenig Make-up.

Aus Sicht des Produzenten war das einfach Durchschnitt. Farblos. Unauffällig. Eine tödliche Kombination.

Aus persönlicher Sicht – darüber mochte er gar nicht weiter nachdenken.

Er schloss die Augen, verdrängte den visuellen Eindruck und lauschte der Stimme, die aus seinen Studioboxen kam. Ein rauer und doch voller Mezzosopran durchflutete den Raum.

Diese Demo-Aufnahme hatte er sich wohl schon ein Dutzend Mal angehört in den letzten vierundzwanzig Stunden. Er war wie süchtig nach diesem melodiösen Klang. Es gab keinen Zweifel, sie hatte eine Stimme. Eine gute, kräftige Stimme. Genau richtig für Rhythm & Blues. Jason hatte Gold gefunden.

Diese Charlene Quinn war den Unterlagen zufolge die Tochter eines Filmproduzenten und befreundet mit Sofia Wellesley von der Agentur Limelight Entertainment. Das sagte ihm zweierlei. Erstens: Sie war reich und privilegiert. Wahrscheinlich erwartete sie, dass die ganze Welt sie entsprechend behandelte. Zweitens: Sie hatte Beziehungen. Limelight zählte zu den ersten Adressen der Branche. Die Agentur vertrat viele Stars sowohl aus der Filmszene als auch im Musikbusiness. Aber für Akil zählte nur das Talent. Beziehungen und Geld bedeuteten ihm nichts, solange der Künstler kein Talent hatte, mit dem er arbeiten konnte.

Für die Demo-CD hatte sie drei Tracks aufgenommen. Das erste war ein alter Hit von Tina Turner. Akil wippte automatisch mit dem Fuß und spürte die emotionale Kraft, die bisher nur Tina hatte herüberbringen können. Der zweite Track war ein Song, den Jason sie in der Karaoke-Bar hatte singen hören. Hero von Mariah Carey. Wieder ein Song, an dem sich niemand außer der Originalinterpretin versuchen sollte, aber sie hatte es sehr gut gemacht. Ihr Stimmumfang war erstaunlich – sie traf die hohen Töne ebenso sicher wie die tiefen.

Den dritten Song kannte er nicht. Der Beat war langsam, jazzig und der Text sehr sinnlich. Charlene hatte mit einem leisen Intro begonnen, das seine Aufmerksamkeit sofort gefesselt hatte. „Das erste Mal, als wir uns liebten“, hieß es im Text und so, wie sie es sang, klang es, als erlebte sie dieses erste Mal noch einmal. Sehr emotional. Sehr gefühlvoll. Fasziniert lauschte Akil, er fühlte sich hineingezogen in das Herz des Songs, in die Seele der Sängerin.

Blieb nur der Gegensatz zwischen ihrem Aussehen und ihrem Sound.

Akil war der Produzent und als solcher verantwortlich für alle Stadien der Tonaufnahme. Er arbeitete mit dem Künstler, mit den Studiomusikern und den Tontechnikern. Das waren seine Standardaufgaben. Aber er wäre wohl kaum einer der erfolgreichsten Produzenten, wenn er sich mit dem Standard zufriedengeben würde.

Wenn er einen neuen Künstler aufbaute, dann ging er jeden Aspekt durch, von der künstlerischen Seite über die Performance auf der Bühne bis hin zum allgemeinen Image, das der Öffentlichkeit präsentiert werden sollte. Er wollte die beste Musik produzieren, wollte die beste Performance. Das war es, was ihn einzigartig machte in der Szene. Er war bekannt als Perfektionist. Einige bezeichneten ihn sogar als Sklaventreiber. Aber letztlich tat er alles für die Sache.

Er konnte auf eine beeindruckende Erfolgsbilanz zurückblicken, hatte einen hervorragenden Ruf und ein paar Millionen Dollar auf dem Konto. Und alles begann damit, dass er an das Potenzial eines Künstlers glaubte.

Sein Blick fiel noch einmal auf das lächelnde Gesicht auf dem Foto. Er schüttelte den Kopf. Er war sich einfach nicht sicher, ob das Gefühl bei Charlene Quinn reichte.

2. KAPITEL

Einige Männer standen auf Brüste, andere auf Po. Akil stand auf Schenkel. So war es kein Wunder, dass sein Puls schneller ging, als Charlene Quinn den Regieraum seines Studios betrat, wo er gerade am Mischpult saß.

Er hatte sie schon einmal persönlich gesehen, als sie sich kurz im Büro von Empire Music getroffen hatten. Deswegen überraschte es ihn nicht zu sehen, wie hübsch sie von Nahem betrachtet war. Aber der Anblick ihrer Schenkel, die von einer weichen blauen Hose umhüllt waren, nahm ihn so gefangen, dass er sich langsamer als gewöhnlich erhob.

Ihr breites Lächeln ließ ihre Augen blitzen – wenn man denn auf so etwas achten wollte. Auf jeden Fall lächelte sie, als sie ihm die Hand reichte, und er spürte seine gerunzelte Stirn, bevor er sich einen Ruck gab und ihr Lächeln erwiderte.

„Ms. Quinn, es freut mich, dass Sie gut angekommen sind.“ Ein Händedruck war üblich. Nicht üblich war die prickelnde Reaktion seines Körpers auf ihre Berührung. Hastig entzog er ihr die Hand und tat so, als beanspruche irgendetwas am Mischpult seine Aufmerksamkeit.

„Ja, das war kein Problem – dank der Privatmaschine, die Sie mir geschickt haben.“

Ihre Stimme war tiefer, als er sie in Erinnerung hatte, rauer, fast so, wie wenn sie sang. Und was auch immer sie für ein Parfum benutzte – es reizte seine Sinne. Glücklicherweise war Akil nicht ganz unerfahren, er wusste, wie er mit den Bedürfnissen seines Körpers umgehen musste. Und er wusste auch, dass Bedürfnisse, die in die Richtung einer seiner Künstlerinnen gingen, ausgeschlossen waren. Außerdem: Dies war Charlene Quinn, der kommende Star von Playascape. Er würde alle Hände voll zu tun haben damit, ihr Image zu verändern. Da war es nur sinnvoll, die Situation nicht durch Sex unnötig kompliziert zu machen.

„Ich habe hier ein paar Songs von einem großartigen Texter, mit dem ich schon ein paarmal gearbeitet habe. Ich möchte, dass Sie sich die Lieder heute Abend ansehen und ein Gefühl für sie bekommen, damit wir dann morgen früh gleich mit der Arbeit beginnen können.“

Er saß wieder am Mischpult. Sah sie nicht an, wusste aber, dass sie noch da war.

„Ich dachte, wir essen heute Abend zusammen.“ Sie räusperte sich. „Ich meine, Jason sagte, ich würde das Team heute Abend beim Essen kennenlernen. Werden Sie nicht dabei sein?“

Akil nickte. „Doch, ich werde da sein. Aber ich möchte nicht, dass Sie das als eine große Einladung missverstehen. Wir sind hier, um zu arbeiten. Ich habe Sie in meinem Haus untergebracht, weil ich mich besser konzentrieren kann, wenn wohnen und arbeiten unter einem Dach stattfinden. Und für diese CD werden wir sehr viel arbeiten müssen.“

Ihr gefiel nicht, in welchem Ton er das sagte.

Ihr gefiel eigentlich überhaupt nichts an Akil Hutton. Noch nie hatte sie jemanden getroffen, der derart unhöflich und arrogant war. Aber sie hätte es wissen sollen. Er war einer der angesagtesten Produzenten der Szene. Es war ein Schock für sie gewesen, als Jason ihr sagte, dass sie mit Akil Hutton zusammenarbeiten würde. Aber bei Licht betrachtet war ja die ganze jetzige Situation ein Schock für sie.

Charlene hatte immer gern gesungen, aber sie hatte nie erwogen, das Singen zu ihrem Beruf zu machen. Gut, das stimmte vielleicht nicht ganz. Wieso sonst hatte sie eine fertige Demo-CD in der Schublade liegen, als Jason danach fragte? Die Aufnahme hatte sie vor gut einem Jahr gemacht. Einer ihrer Studenten hatte einen Song geschrieben und sie gebeten, ihn zu singen. Als sie es tat, erbot er sich, ein Demo für sie aufzunehmen. Charlene hatte die fertigen CDs genommen und sie in ihrer Schublade verschwinden lassen. Sie wusste, sie würde niemals den Mut aufbringen, sie irgendjemandem zu schicken. Die Aufnahme zeigte sie als eine starke Frau voller Selbstvertrauen und Intelligenz, aber Charlene kannte auch ihre Schwächen – und die größte war ihr Körper.

Sie war nie schlank gewesen wie Candis oder zierlich und kurvig wie Rachel. So hatte die Natur sie nicht vorgesehen, das musste sie akzeptieren. Aber an manchen Tagen schickte sie doch ein stummes Stoßgebet zum Himmel und flehte darum, ein paar Zentimeter in der Taille und an den Schenkeln abzunehmen. Letztlich musste sie jedoch schon froh sein, wenn sie dank ihrer täglichen Dosis Levoxyl, das die Schilddrüsenfunktion anregte, ihr Gewicht auf dem jetzigen Level hielt.

Das war der Grund, wieso sie nie weiter über eine Karriere als Sängerin nachgedacht hatte. Sie wollte nicht, dass die Menschen sie anstarrten und vielleicht über sie spotteten. Der Job am College war ideal, weil er ihr die Chance gab zu tun, was sie liebte, ohne dass sie sich der Öffentlichkeit stellen musste. Jetzt hatten Rachel und Sofia sie überzeugt, dass sie sich diese einmalige Chance nicht entgehen lassen durfte. Im Grunde ihres Herzens wusste sie, dass die beiden recht hatten. Bei allen Vorbehalten war es doch das Klügste, es wenigstens zu versuchen. Nicht jede Sängerin bekam eine solche Gelegenheit geboten. Es wäre mehr als undankbar gewesen, sie auszuschlagen.

Und hier war sie nun in Miami, stand im Studio des berühmten Akil Hutton und wünschte sich nichts sehnlicher, als entweder auf der Stelle das Haus zu verlassen oder aber im Boden zu versinken, damit Hutton sie nicht mehr bemerkte. Aber stattdessen stählte sie sich, atmete tief durch und fuhr fort: „Wir hatten in L. A. kaum Gelegenheit, über das Projekt zu sprechen. Was für eine CD schwebt Ihnen vor?“

Akil sah sie nicht einmal an, während er eine ungeduldige Handbewegung in ihre Richtung machte. „Dazu kommen wir später. Nehmen Sie einfach die Songs mit und lassen Sie sich von Nannette Ihr Zimmer zeigen, damit Sie sich zum Essen umziehen können.“

Sie war entlassen – und doch blieb sie einfach stehen. Blieb stehen und sah ihn an.

Er war nicht unansehnlich. Glatte Haut mit dunklem Teint, kurz geschnittenes dunkles Haar und ein glatt rasiertes Gesicht. Er trug eine schwarze Hose und ein eng anliegendes Hemd, unter dem sich feste Muskeln an Oberarmen und Bauch abzeichneten. Während er weiter die Knöpfe des Mischpults drehte, bemerkte sie, dass er schlanke lange Finger hatte wie ein Pianist. Er trug eine goldene Armbanduhr, aber sonst keinen Schmuck, was heutzutage ungewöhnlich war – die meisten Produzenten behängten sich ebenso mit Schmuck wie ihre Künstler.

„Ist noch etwas?“ Sein unfreundlicher Ton riss sie abrupt zurück in die Wirklichkeit.

„Nein, nichts“, beschied sie ihn knapp. „Wir sehen uns dann beim Abendessen.“

Sie machte auf dem Absatz kehrt, dankte dem Himmel, dass ihre Füße sie trugen, und verließ das Studio.

Falls das Ganze ein Vorgeschmack auf die Zusammenarbeit war, dann stand zu befürchten, dass diese CD niemals das Licht der Welt erblickte.

Das Haus war wunderbar, keine Frage. Die Mauern waren weiß, die Fensterläden schwarz, das Dach trug rote Schindeln. Das Ganze nur fünfundvierzig Minuten entfernt vom Flughafen und mitten im Wald – es passte zu dem geheimnisvollen Akil Hutton.

Bei ihrer Ankunft war Charlene nervös gewesen. Der Chauffeur, der sich auf dem Flughafen als Cliff vorgestellt hatte, hatte ihre zwei Koffer ins Haus getragen.

Jetzt, zwei Stunden später, stand sie am Fenster des Zimmers, das ihr Nannette, das hübsche südamerikanische Hausmädchen, gezeigt hatte, und fragte sich, was um alles in der Welt sie hier eigentlich machte. Das Zimmer ging nach hinten hinaus und bot einen Blick auf einen Pool, an dem man aus Felsbrocken einen Wasserfall gebaut hatte.

Das Anwesen war beeindruckend, ohne sie zu überwältigen. Das Haus ihrer Familie in L. A. war ebenso groß wie dieses und einige Freunde ihrer Familie hatten Häuser, die noch größer waren. Es war also nicht ihre Umgebung, die sie nervös machte. Sie schob es auf den Mann, von dem ihre Karriere als Sängerin abhing – er konnte sie mit einem Fingerschnippen beenden.

Das melodische Klingeln ihres Handys riss sie aus den Gedanken. Sie meldete sich.

„Hallo, Charly! Wie nett, dass du mich hast wissen lassen, dass du heil in Miami angekommen bist.“

„Hi, Candis. Tut mir leid, dass ich nicht angerufen habe, aber ich war beschäftigt.“

„Wirklich?“ Ihre ältere Schwester lachte leise. „Womit? Mit diesem Wahnsinnstypen Akil Hutton? Ich kann es immer noch nicht glauben, dass er deine CD produzieren wird. Du weißt ja gar nicht, was für ein Glück du hast.“

Charlene musste nicht einmal die Augen schließen, um sein Gesicht wieder vor sich zu sehen. Sie seufzte leise. „Ach, hör doch auf! Akil Hutton interessiert sich nur und ausschließlich für seine Arbeit. Aber das soll mir nur recht sein, denn ich möchte das hier so schnell wie möglich hinter mich bringen.“

„Hmmm. Du scheinst nicht sonderlich begeistert von der Chance, die dir da geboten wird. Du bist verrückt! Singen ist doch dein Leben!“

„Ich weiß, aber das Unterrichten macht mir auch Spaß.“

„Spaß, Spaß! Du sollst glücklich sein, und das bist du nur, wenn du singst.“

Dem konnte Charlene wenig entgegensetzen. „Aber es war okay, es nur mit meinen Studenten zu tun, Candis. Ich habe keine Erfahrung darin, vor Publikum aufzutreten. Was werden die Leute von mir denken? Was, wenn sie mich nicht mögen?“

„Und was, wenn morgen eine Atombombe hochgeht? Was, wenn ich extra zu einem Shooting nach Paris fliege und morgens einen Riesenpickel auf der Stirn habe? Wenn, wenn!“ Sie seufzte. „Charly, du kannst dich nicht immer was wäre, wenn fragen! Du hast eine gottgegebene Gabe. Nutze sie und teile sie mit der Welt!“

„Aber …“

„Nichts aber. Hör einfach auf, dir ständig Sorgen zu machen. Die Leute von dem Plattenlabel waren offensichtlich überzeugt genug von dir, um dir einen Vertrag anzubieten. Das tun sie doch nicht nur einfach so!“

Charlene nickte. Candis hatte ja recht. Das Problem war nur: Talent war nur eine Seite der Medaille. Es gab genügend Menschen, die Talent zum Singen hatten. Sie brauchte nur an die Casting-Shows im Fernsehen zu denken. Viele der größten Talente erreichten nie die Endausscheidung. Und immer wieder war von den Juroren zu hören, dass es nicht nur um die Stimme ging, sondern um das Gesamtpaket. Charlene wusste nicht, ob sie den Ansprüchen eines solchen Gesamtpakets genügen konnte.

„Ich bin mir nur nicht hundertprozentig sicher bei der ganzen Sache, das ist alles.“

Autor

AC Arthur
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