Baccara Collection Band 455

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LEKTIONEN IN SACHEN LIEBE von SOPHIA SINGH SASSON
Endlich nicht mehr so schüchtern sein … Um ihr Mauerblümchen-Dasein zu beenden, bittet Caitlyn den unwiderstehlichen Dev Mallik, ihr Flirt-Unterricht zu geben. Theorie und Praxis bringen die beiden einander schnell näher. Doch mehr als eine unverbindliche Affäre darf nie zwischen ihnen sein …

DEIN UNVERGESSLICHER KUSS von A.C. ARTHUR
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  • Erscheinungstag 21.02.2023
  • Bandnummer 455
  • ISBN / Artikelnummer 9783751516310
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sophia Singh Sasson, A.C. Arthur, Debbi Rawlins

BACCARA COLLECTION BAND 455

1. KAPITEL

„Du bist einfach gegangen?“, fragte Caitlyn Lattimore ungläubig. Sie war Alices verrückte Dates gewohnt, doch diesmal setzte sie sich auf ihrer Poolliege auf. Alice schob sich die Sonnenbrille in ihre welligen blonden Haare, goss sich ein weiteres Glas Chardonnay ein und schenkte Caitlyn nach, die ihr erstes Glas kaum angerührt hatte.

„Der Mann hat zwei Vorspeisen, Hummer und eine teure Flasche Wein zum Abendessen bestellt. Dann tut er so, als hätte er seine Brieftasche vergessen. Ich habe mich auf die Toilette verdrückt und die Kellnerin gefragt, ob ich durch die Küche verschwinden könnte, weil der Typ unheimlich wäre.“ Alice nahm die Sonnencreme und rieb sich die Arme ein. „Ich muss eine bessere Dating-Website finden.“

Caitlyn griff nach dem Sunblocker. Es war Anfang Juni, und schon ein Hauch von UV-Strahlung würde genügen, um ihre Haut deutlich dunkler werden zu lassen. Nächsten Monat standen mehrere Familienveranstaltungen an, und ihre Visagistin hatte tagelang daran gearbeitet, die perfekte Foundation für sie zu kreieren. Alice nannte das Luxusprobleme, und Caitlyn stimmte ihr zu. Sie hatte den Jackpot gewonnen, als die Lattimores sie vor vierundzwanzig Jahren adoptierten. Das zeigte sich auch jetzt, als sie am glitzernden Pool auf der Lattimore-Ranch saßen, ihre Weinflasche perfekt gekühlt und jemand vom Personal in der Nähe, um ihnen alles zu bringen, was sie wollten. Alice nannte es „Ritz Lattimore“, doch für Caitlyn war es einfach „Zuhause“.

„Wenn mir das passiert wäre, hätte ich die Rechnung bezahlt und mich die ganze Nacht geärgert“, erwiderte Caitlyn.

„Schätzchen, damit dir so etwas passiert, müsstest du dich erst mal verabreden. Diesen goldenen Käfig verlassen und dich in den Smog und Dreck hinauswagen, den wir Sterblichen die echte Welt nennen.“

„Du klingst wie Alexa.“ Alexa war nach New York City aufs College gegangen und dann nach Miami gezogen. Vor Kurzem war sie wieder zu Hause in Royal gewesen, zur Beerdigung von Victor Grandin.

Alice zog eine Braue hoch. „Es ist traurig, dass Laylas Großvater gestorben ist.“

„Ja. Alexa war zur Beerdigung hier, und Layla wäre es lieb, wenn sie auf Dauer bliebe, da sie als Anwältin unseren beiden Familien sehr helfen würde.“

„Hat das etwas mit dem Brief zu tun, der vor der Beerdigung kam? Du hast mir nie die ganze Geschichte erzählt.“

Caitlyns Magen zog sich zusammen. „Heath Thurston hat Anspruch auf die Ölrechte unter den Ranches der Grandins und Lattimores erhoben.“

Alice beugte sich vor. „Das passiert, wenn wir uns einen Monat lang nicht sehen – ich verpasse den ganzen Klatsch.“

„Es ist mehr als Klatsch. Die Ölrechte umfassen das Land, auf dem das Lattimore-Anwesen steht. Heath behauptet, Daniel Grandin wäre der Vater von Heaths verstorbener Halbschwester Ashley und dass Daniels Vater Heaths Mutter Cynthia die Ölrechte übertragen hätte. Er sagt, er habe Papiere seiner Mutter gefunden, die den Anspruch stützen.“

Alice sah sie mit offenem Mund an. Sogar sie war sprachlos. Der Gedanke, was der Verlust des Familienanwesens für ihre Geschwister bedeuten würde, hatte seit Victor Grandins Beerdigung an Caitlyn genagt.

„Woran ist Ashley gestorben?“

„Sie und ihre Mutter Cynthia sind bei einem Autounfall umgekommen.“

„Warum hat Victor Grandin Sr. die Ölrechte Cynthia übertragen und nicht Ashley?“

„Das wissen wir nicht. Mein Großvater hat das Dokument auch unterzeichnet, aber jetzt erinnert er sich an nichts mehr. Deshalb hat Victor Grandin Jr. einen Privatdetektiv engagiert, der herausfinden soll, warum sie die Ölrechte für unser Land abgetreten haben und ob Daniel wirklich der Vater von Cynthias Kind ist.“

Alice lehnte sich zurück. „Hast du Heath oder seinen Zwillingsbruder Nolan mal getroffen?“ Caitlyn schüttelte den Kopf. „Ich bin mit ihnen zur Highschool gegangen. Sie sind wirklich heiß. Ich hatte Nolan schon ganz vergessen. Er hatte Royal verlassen, aber wenn er wieder da ist, ändert das die Datingszene.“ Sie zog vielsagend die Augenbrauen hoch. „Sie sind beide Single.“

Caitlyn lächelte. „Wir haben schon genug Drama in der Familie, auch ohne dass ich mit Männern ausgehe, die unsere Ranch vernichten wollen.“ Caitlyn biss sich auf die Lippe. Mit einem hatte Alice recht – sie musste ihr Leben ändern. Sie hatte es satt, als die ruhige, schüchterne Frau angesehen zu werden, die zusammenzuckte, wenn ein Mann neben ihr nieste. Auch wenn es stimmte. „Vielleicht sollte ich mich bei einer Dating-Website anmelden. Deine waren nicht alle schlecht. Was ist aus diesem Typen geworden, der dir Blumen geschickt und dich seiner Familie vorgestellt hat?“

„Er war okay, ein bisschen langweilig im Bett, aber das hätte ich akzeptiert, bis er einen Anruf seiner Mutter annahm, während er auf mir lag.“

Caitlyn, die gerade einen Schluck Wein getrunken hatte, prustete los. Beschämt hielt sie sich die Hand vor den Mund. Lächelnd reichte ihr Alice ein Handtuch. Caitlyn wischte sich den Mund ab und sagte lachend: „Du weißt, dass du das nicht tun sollst, wenn ich etwas trinke.“

„Entschuldige, ich hatte deine charmante Angewohnheit ganz vergessen.“

„Der Typ hat beim Sex mit seiner Mutter geredet?“

Alice nickte. „Er hat gut zwei Minuten mit ihr geredet und wollte dann weitermachen, als wäre nichts passiert.“

„Wieso hast du mir nichts davon erzählt?“

„Das war am Tag der Beerdigung. Es war mir zu peinlich.“ Alice schüttelte den Kopf. „Wir müssen Männer im echten Leben treffen. Online lässt sich der Gruselfaktor nur schwer bestimmen. Im Lone Star Nachtclub ist Singlesabend. Wollen wir hingehen?“

Lieber stehe ich einem Rudel hungriger Wölfe gegenüber. „Du weißt, dass das nichts für mich ist. Es gibt auf der ganzen Welt nicht genug Cocktails, um mich entspannt mit einem fremden Mann reden zu lassen. Es scheint sicherer zu sein, erst online zu chatten.“

Alice schüttelte den Kopf. „Dating-Websites sind nichts für dich. Du brauchst jemanden mit Führungszeugnis. Übe besser erst ein wenig, ehe du dich unter die Geier und Muttersöhnchen wagst.“

Wieder prustete Caitlyn fast los. „Ich verzichte auf Muttersöhnchen, aber ich könnte jemanden gebrauchen, der den Mumm hat, sich den Lattimore-Geschwistern entgegenzustellen. Bei meiner letzten Verabredung hat Jonathan gefragt, ob er die Sozialversicherungsnummer des Typen kriegen könnte, um ihn zu überprüfen. Das Mal davor folgte mir Jayden zu dem Restaurant, in dem ich zu einem Blind Date verabredet war. Ihm gefiel das Aussehen des Mannes nicht, also blieb er die ganze Zeit draußen im Auto sitzen und folgte uns anschließend nach Hause.“

Alice legte eine Hand auf ihr Herz. „Deine Brüder sind so süß.“

„Nein, sie übertreiben. Das haben sie bei Alexa nicht gemacht.“

„Weil sie weggezogen ist.“ Alice trank einen Schluck Wein. „Ich hätte da einen netten, anständigen Jungen, mit dem du flirten üben könntest.“ Sie lächelte verschmitzt, sodass Caitlyn sie misstrauisch ansah.

„Etwas muss mit ihm nicht stimmen, sonst würdest du mit ihm ausgehen.“

Alice lachte. „Wohl kaum. Ich meine Russ.“

Caitlyn zog eine Braue hoch. „Dein Bruder? Du hast doch gesagt, er sei nicht an ernsthaften Beziehungen interessiert.“

„Stimmt, deshalb wäre er genau richtig, um Unterhaltungen zu üben. Ihr kennt euch kaum, also ist er praktisch ein Fremder.“

Caitlyn biss sich auf die Lippe. Sie wollte Alice nicht beleidigen, aber sie hatte nie etwas für ihren Bruder Russ empfunden. Er war nett, aber so weiß. Nicht, dass sie ein Problem damit hatte, mit weißen Männern auszugehen. Ihre leibliche Mutter war weiß, doch in den letzten Jahren hatte sie, ebenso wie der Rest des Landes, mit ihrer Identität gerungen. Trotz ihres engen Verhältnisses verstand ihre beste Freundin nicht, was es für Caitlyn bedeutete, eine schwarze Frau zu sein. Alice war nie gefragt worden, woher sie denn käme, als ob Caitlyns braune Haut automatisch bedeutete, dass sie exotisch war oder aus einem anderen Land kam. In den letzten beiden Jahren hatte Caitlyn ihre Identität kritisch hinterfragt. War sie schwarz, weiß, beides oder keines von beidem? Wenn sie auf einem Formular angeben sollte, welcher Ethnie sie angehörte, ließ sie das Feld frei, denn keine der Kategorien traf auf sie zu. Das hatten sie und ihr Exfreund Jax gemein gehabt. Trotzdem hatte es auch mit ihm nicht funktioniert. Vielleicht war sie ein hoffnungsloser Fall.

„Warum denn nicht, Caitlyn? Es ist nur Russ, und du könntest die Übung gebrauchen.“

„Ich weiß nicht … Hast du Russ gefragt?“

Zögernd schüttelte Alice den Kopf. „Er kommt bald nach Hause, nachdem er monatelang weg war. Ich treffe ihn am Freitag zum Abendessen. Warum kommst du nicht mit? Nur wir drei. Ganz ruhig, kein Druck. Ich stehe dir bei, wenn du über deine Worte stolperst oder deinen Wein ausspuckst.“

Caitlyn warf ihr Handtuch nach Alice. Was habe ich zu verlieren? Sie war gelangweilt von den Diskussionen über das Schicksal der Grandin- und Lattimore-Ranches zu Hause und war es leid, sich dafür zu rechtfertigen, warum sie sich nicht öfter verabredete. Seit Layla Grandin und Josh Banks ein Paar geworden waren, war ihre Familie noch entschlossener, Caitlyn zum Ausgehen zu bewegen. Sie hatte keine Lust mehr, von ihren Geschwistern bedauert zu werden. Es war an der Zeit, über Jax hinwegzukommen. Ihre Trennung war ein Jahr her. Seitdem hatte sie ein paar Verabredungen gehabt, aus denen nichts geworden war – dank der Narben, die Jax hinterlassen hatte. Auch wenn Jax nur eine schlechte Erfahrung gewesen war, ließ es sie nicht los. Es war Zeit, diese Erinnerungen zu ersetzen, und sei es nur mit etwas Bedeutungslosem.

„Komm schon, Caitlyn, was soll schon Schlimmes passieren?“

Sie seufzte. Dass ich Russ nicht ausstehen kann, du dich aber in die Vorstellung von Russ und mir verliebst und unsere Freundschaft darunter leidet.

„Ich bestelle auch etwas von deinem Lieblingsitaliener“, lockte Alice.

„Ich komme zum Essen. Als Freundin, nicht wegen eines Dates mit Russ.“

Alice strahlte. „Wer hat etwas von einem Date gesagt? Betrachte es als Übungsstunde.“

„Das ist nicht dein Ernst.“ Wütend starrte Alice auf ihr Handy.

„Ärger?“, fragte Caitlyn, während sie den Tisch deckte. Alice wohnte in einem hübschen Reihenhaus im Zentrum von Royal. Caitlyn war früh gekommen, um Alice bei den Vorbereitungen zu helfen. Ihr gefiel es, dass sie in Alices Küche einen Salat zubereiten konnte. Zu Hause betrachtete das Personal es als Beleidigung, wenn sie sich selbst etwas zu essen machte.

„Russ kommt später und bringt jemanden mit.“

Caitlyn lächelte. Es geschähe Alice ganz recht, wenn Russ eine andere Frau mitbrächte. Ohne Zweifel hatte sie Russ nichts von dem Übungsdate erzählt.

„Ich lege ein weiteres Gedeck auf“, erklärte Caitlyn zuckersüß. Falls Russ eine Frau mitbrachte, könnte sich Caitlyn zurücklehnen, die beiden beobachten und sich im Kopf Notizen machen. Ihr Magen beruhigte sich, und sie goss zwei Gläser Wein ein. Sie trank nicht gern, wenn sie nervös war, doch der Abend schien sich zum Besseren zu wenden.

„Wie kann Russ es wagen, eine Frau mitzubringen?“, fauchte Alice.

„Hast du ihm gesagt, dass er mir Flirtunterricht geben sollte?“ Caitlyn hatte es kaum ausgesprochen, als ihr klar wurde, wie lächerlich die Idee gewesen war. Man konnte Verabredungen nicht üben. Oder? Sie stellte sich vor, wie sie sich wie in einem Klassenzimmer Notizen machte, während sich Russ und seine Begleitung beim Essen unterhielten. Dabei musste sie kichern.

Als es eine halbe Stunde später an der Tür klingelte, hatten Alice und Caitlyn je eine halbe Flasche Bordeaux getrunken, und Caitlyn freute sich auf den Abend. Alice öffnete die Tür. Caitlyn wartete auf dem Sofa, um nicht dazwischenzuplatzen, wenn Alice ihren Bruder dafür beschimpfte, dass er das gespielte Date verdorben hatte, von dem er gar nichts gewusst hatte. Russ tat ihr leid, und seine arme Begleitung noch mehr, die keine Ahnung hätte, womit sie sich Alices passiv-aggressiven Zorn zugezogen hatte.

„Ich fasse es nicht, dass du es bist!“

Bei Alices Ausruf setzte sich Caitlyn auf. Dann kamen alle herein, und Caitlyn verschluckte sich fast an ihrem Wein, als sie den schönsten Mann erblickte, den sie je gesehen hatte.

2. KAPITEL

Sobald er in Alices Wohnung trat, wusste Dev Mallik, dass Russ ihn am Ende des Abends hassen würde. Am College waren Russ und er ein ziemlich ungleiches Paar gewesen, Dev mit seinem dunklen Haar, seinen ernsten grünen Augen und seiner reservierten Art und Russ mit babyblauen Augen, dunkelblonden Haaren und einem entwaffnenden Lächeln, das Frauen dazu brachte, ihm noch nach einer Trennung nachzulaufen. Russ bekam immer das Mädchen, und Dev fiel die Aufgabe zu, ihre Freundin zu unterhalten. Doch dieses Arrangement passte ihm gut. In seiner Familie gab es schon genug Drama, er brauchte nicht auch noch Beziehungsprobleme. Er bevorzugte Frauen, die lebhaft, selbstbewusst und bereit waren, ihn nach einer Nacht zu vergessen. Deshalb hatte Russ ihn überredet, heute mit zu seiner Schwester zu kommen. Alice versuchte ständig, Russ zu verkuppeln, und nachdem er das letzte Mal mit einer ihrer Freundinnen aus Royal ausgegangen war, konnte er anschließend sechs Monate nicht nach Hause, damit er der Frau nicht über den Weg lief. Darum hatte er Dev mitgebracht, um die Freundin von seinem unwiderstehlichen Charme abzulenken.

Doch als Dev einen Blick auf Alices Freundin warf und sie eine Hand auf ihren zarten Mund legte, wurden seine Knie weich. Vor ihm stand die atemberaubendste Frau, die er je gesehen hatte. Als sie seinem Blick begegnete, riss sie ihre tiefbraunen, vor Unschuld und Fröhlichkeit überfließenden Augen auf. Langsam erhob sie sich, wobei das Weinglas in ihrer Hand nach vorn kippte. Rasch trat er vor und legte eine Hand auf ihren Arm. Ihre Augen wurden noch größer, und er starrte wie gebannt auf ihre leicht geöffneten rosigen Lippen, die sich perfekt von ihrer gebräunten Haut abhoben. Wie es wohl wäre, mit den Fingerspitzen über diese vollen Lippen zu streichen? Jemand räusperte sich, was die schöne Frau aufschreckte. Sie trat von ihm weg.

„Dev, das ist meine Freundin Caitlyn.“

Caitlyn. Er ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen. Der schöne Name passte zu ihr. Er lächelte. „Sehr erfreut.“ Er streckte die Hand aus. Sie stellte das Weinglas ab und ergriff sie. Ihre Haut war seidig und warm. Es war die Art von Hand, die er auf seiner nackten Haut spüren wollte, und er hielt sie etwas zu lange fest. Alice sagte etwas, was er nicht mitbekam, und Caitlyn zog ihre Hand weg.

„Russ, du erinnerst dich doch an Caitlyn“, stellte Alice sie vor.

„Hey Caitie, schön, dich wiederzusehen.“ Russ umarmte sie, und Dev verspürte einen Hauch von Eifersucht. War Russ mit ihr ausgegangen? Oder gehörte sie zu den Frauen, die Russ als „zu gut, um sie zu vögeln“ einstufte?

„Seit wann bist du wieder in der Stadt, Dev?“, fragte Alice.

„Seit heute. Ich habe Russ angerufen, und er hat den ganzen Nachmittag damit verbracht, mich aus dem Royal Grand Hotel in seine Wohnung umzusiedeln.“

„Natürlich!“ Alice wandte sich an Caitlyn. „Die beiden waren im College unzertrennlich. Ich habe dich seit Jahren nicht gesehen, Dev. Wie ist es dir ergangen?“

Dev lächelte Alice herzlich an. Er hatte Russ’ kleine Schwester immer gemocht. „Nach dem College hat Dad mich ins Familienunternehmen gesteckt. Jetzt bin ich in Royal, um Urlaub vom Familiendrama zu machen.“ Das mochte er an Alice und Russ – sie standen sich aufrichtig nahe. Ihre Eltern hielten sich meist aus ihren Angelegenheiten heraus, doch sie unterstützten Alice und Russ bei allem, was die beiden tun wollten. Dev konnte sich nicht vorstellen, dass seine Eltern so zurückhaltend wären. Sosehr er sein kulturelles Erbe auch liebte, beneidete er Russ doch um seine Freiheit. Seine indischen Eltern mischten sich in alles ein, von seinem Frühstück bis hin zu der Frage, wie er sein Leben leben sollte. Für seine Reise nach Royal hatte er eine epische Schlacht mit seiner Familie ausfechten müssen. Er freute sich darauf, sich nur auf sich selbst zu konzentrieren, während er hier war. Es war an der Zeit, eigene Ziele zu verfolgen.

„Er will ein Restaurant eröffnen“, erklärte Russ. „Ich werde ihm dabei helfen.“

„Was für eine Art von Restaurant?“ Es war das erste Mal, dass Caitlyn etwas gesagt hatte, und im Gegensatz zum breiten texanischen Akzent von Russ und Alice sprach sie mit einer akzentfreien, gehobenen Ausdrucksweise, die auf eine Ausbildung an einem Internat schließen ließ. Dabei war ihre Stimme so süß wie ein Glas perfekt gekühlten Eistees an einem heißen Tag. Dev brauchte eine Sekunde, um sich an ihre Frage zu erinnern. Russ klopfte ihm auf den Rücken und sprang ein. „Ein piekfeines mit indischer Fusionsküche. Du solltest mit Caitlyn sprechen – sie gehört zur Hautevolee von Royal.“

Caitlyn runzelte die Stirn, da ihr die Beschreibung offensichtlich nicht gefiel. „Wir könnten ein nettes indisches Restaurant in der Stadt gebrauchen.“ Sie lächelte Dev freundlich an, und ein Blitz durchfuhr ihn.

Alice gab jedem Mann ein Glas Wein. „Wie sehen deine Pläne aus?“

„Ich bleibe einen Monat lang hier, um mir mögliche Standorte anzusehen und Marktforschung zu betreiben. Soweit ich weiß, gibt es hier schon einige gehobene Restaurants, also muss ich mir die Stadt genauer ansehen, um herauszufinden, wo Platz für ein weiteres wäre.“ Devs Antwort war an Alice gerichtet, doch er konnte seinen Blick nicht von Caitlyn abwenden. „Vielleicht könnte mir jemand aus Royal helfen?“ Warum nicht Geschäftliches mit Vergnügen verbinden?

„Alice und ich können dich herumführen“, bot Russ an, und Dev sah ihn unwirsch an. Hatte Russ ihn nicht mitgebracht, damit er die Freundin unterhielt? Warum drängte er sich jetzt dazwischen?

„Warum setzen wir uns nicht? Ihr wart spät dran, und das Essen wird langsam kalt.“ Alice packte Russ am Arm und zog ihn in die Küche. Ein leises Lächeln umspielte Caitlyns Lippen.

„Was ist so witzig?“, flüsterte Dev ihr zu, als sie zum Esstisch gingen. Er musste wissen, was so ein schönes Lächeln auf ihre unwiderstehlichen Lippen zaubern konnte. Aus der Küche drang aufgeregtes Flüstern zu ihnen herüber. Verschmitzt sah Caitlyn Dev an, sodass ihm ganz warm zumute wurde. Sie senkte die Stimme. „Ich glaube, dass Alice gerade Russ aufträgt, Ihnen zu sagen, dass Sie mich nicht beachten sollen. Denn Russ weiß es zwar nicht, aber ich war als seine Begleitung heute Abend vorgesehen.“

Dev biss sich auf die Lippen, um nicht laut loszulachen. Caitlyns Augen funkelten amüsiert. Er flüsterte ihr ins Ohr: „Russ hat vermutet, dass Alice ihn verkuppeln will, also hat er mich mitgebracht, um die Freundin zu unterhalten.“ Ihr Duft drang ihm in die Nase, ein Hauch von Vanille und Lavendel. Es war süß und sexy und entzündete ein Feuer in seinem Inneren.

„Verstehe, Sie halten ihm den Rücken frei.“ Sie rückte ein Stück von ihm weg und trank etwas Wein.

„Ich lenke ihn eher ab.“ Er war fast einen Kopf größer als sie, also beugte er sich zu ihr hinunter und flüsterte: „Obwohl ich vermute, dass Russ seit einiger Zeit versucht, mich mit Alice zu verkuppeln.“

Caitlyns Lächeln schwand. „Würden Sie gern mit ihr ausgehen?“ Ihr war die Enttäuschung anzuhören.

„Ich habe Alice immer als Russ’ kleine Schwester betrachtet und damit als meine kleine Schwester. Ich kann mir nicht vorstellen, etwas mit ihr anzufangen.“

Sie lächelte wieder. „Mir geht es auch so. Ich kenne Russ als Alices Bruder, deshalb fällt es mir schwer, ihn in romantischem Kontext zu sehen.“

„Warum sind Sie dann heute hier?“

Caitlyn seufzte. „Ich brauche mehr Übung darin, mit Männern zu reden.“

„Sie machen Witze.“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht gut in punkto Small Talk und Verabredungen. Da Russ extrem gut darin ist, fand Alice, es wäre praktisch für mich, mit ihm zu üben.“

Er trat näher, um zu sehen, ob sie wirklich so ängstlich war, wie sie es klingen ließ, doch sie blickte ihn flirtend, ja sogar herausfordernd an. Wenn das schüchtern sein soll, warum stehen die Männer von Royal dann nicht Schlange bei ihr?

„Was wollten Sie denn mit ihm üben?“ Ihr Hals und ihre Wangen röteten sich aufreizend, und er hielt sich mit Mühe davon ab, eine Hand auf sein Herz zu legen.

„Nur Konversation. Sie wissen schon, Flirten und Small Talk.“

„Sie scheinen keine Probleme zu haben, mit mir zu reden. Und flirten wir nicht sogar ein wenig?“

Sie zog eine Braue hoch. „Gefällt es Ihnen etwa, mit mir zu reden?“

Er lehnte sich vor, bis seine Lippen fast ihr Ohrläppchen streiften. Sie wich nicht aus, holte aber scharf Luft. „Ich würde gern noch viel mehr tun, wenn Sie mich ließen.“ Der rosige Hauch auf ihren Wangen wurde dunkler. „Ich meine reden, natürlich“, fügte er verschmitzt hinzu. Obwohl das nicht ganz der Wahrheit entsprach. Zwar wollte er mit Caitlyn reden, doch eigentlich wollte er mit ihr allein sein, um herauszufinden, wie rot ihre Wangen wirklich werden konnten.

Sie trank einen Schluck Wein und musterte ihn. Es hörte sich an, als ob Alice und Russ mit dem Essen kämen. „Sie haben recht. Mir fällt es nicht schwer, mit Ihnen zu reden.“ Sie kaute auf ihrer Lippe. „Darf ich Sie um einen Gefallen bitten?“

Was du auch willst, ich bin mehr als bereit dazu. „Jetzt bin ich gespannt.“

„Würden Sie mir Flirtunterricht geben?“

3. KAPITEL

Caitlyn war fassungslos. Habe ich gerade einen völlig Fremden gebeten, mir Flirtunterricht zu geben? Es war nur so einfach, mit Dev zu flirten. So entspannt war sie noch nie bei einer Verabredung gewesen – keine Spur von der lähmenden Nervosität, die sie überkam, wenn sie unbekannte Männer traf, und das, obwohl sie sich wahnsinnig zu ihm hingezogen fühlte. Wenn sie entspannt mit ihm reden konnte, hätte sie nie wieder Probleme mit anderen Männern. Außerdem blieb er nur einen Monat in Royal, also würde es später keine peinlichen Begegnungen geben. Sie müsste ihm auch nicht aus dem Weg gehen, wie sie es bei Jax im letzten Jahr getan hatte.

Am Esstisch saß Caitlyn gegenüber von Russ und neben Dev, der Alice gegenübersaß. Alice hatte Rindfleisch-Ragù mit Ravioli in Rosésoße, gedämpftes Gemüse und Knoblauchbrot von Caitlyns Lieblingsitaliener bestellt. Caitlyn hatte noch einen Caesar Salad gemacht.

„Die Soße ist exzellent“, sagte Dev.

Russ rümpfte die Nase. „Ich mag die von Primi Piatti lieber. Die hier ist zu cremig.“

„Das liegt am hochwertigen Käse. Die meisten verwenden nur billigen Mozzarella.“ Mit seiner Gabel schöpfte Dev etwas Soße auf und leckte sie ab. Gegen ihren Willen sah Caitlyn gebannt zu, wie seine Zunge an der Gabel entlangfuhr. In ihr wurde es ganz heiß, ein vollkommen unerwartetes Gefühl bei einem Abendessen. Für gewöhnlich brauchte es mehr, um sie zu erregen. Viel mehr.

„Da ist auch Grana Padano drin, der verleiht der Soße ihr kräftiges Aroma“, fuhr Dev fort, und Caitlyn musste sich zusammenreißen, um auf seine Worte zu achten.

„Sie kennen sich mit Essen aus“, sagte sie bewundernd.

„In einem anderen Leben wäre ich Koch geworden.“

„Warum nicht in diesem?“ Ihre Blicke verschmolzen, und Russ und Alice verschwanden aus ihrem Bewusstsein. Er zuckte die Achseln. „Es ist kompliziert. Aber deshalb eröffne ich ein Restaurant. Ich möchte eine Kette gehobener indischer Fusionsrestaurants etablieren.“

Er ist also Inder. Angesichts seines Namens hatte Caitlyn das bereits vermutet. Seine Haut war etwas dunkler als ihre, aber diese grünen Augen – wow. Sein Haar war kräftig und wellig, und sie fragte sich, ob es ihm gefiele, wenn sie mit den Fingern hindurchführe.

„Warum willst du das erste in Royal aufmachen?“, durchbrach Alice den Bann. Schuldbewusst sah Caitlyn sie an, weil sie Russ völlig ignoriert hatte. Nicht, dass es etwas ausmachte, da er auf sein Handy starrte.

„Weil Royal weit genug von meiner Familie entfernt ist, dass sie nicht unangemeldet hier auftauchen können. Und von Russ weiß ich, dass die Stadt tiefe Taschen und genügend Feinschmecker hat, um ein neues Restaurant zu stützen. In Städten wie Vegas oder LA würde es kein Aufsehen erregen. Ich müsste zehnmal so hart arbeiten, um auf mich aufmerksam zu machen. Eine Stadt wie Royal ist voll von wohlhabenden“, obwohl Caitlyn geflissentlich wegschaute, spürte sie seine Blicke auf sich, „und anspruchsvollen Leuten, die Gourmetküche zu schätzen wissen.“ Als Caitlyn aufblickte, merkte sie, dass er sie tatsächlich angesehen hatte. Das Funkeln in seinen grünen Augen machte sie ganz kribbelig.

„Außerdem sind die Startkosten in Royal relativ niedrig“, fügte Russ hinzu. „Im Zentrum haben einige Geschäfte dichtgemacht, und ihre Räume sind spottbillig.“

„Diese Geschäfte gehörten langjährigen Bewohnern aus Royal“, warf Caitlyn ärgerlich ein. „Mrs. Lowrey hatte ihren kleinen Teeladen von ihrer Mutter übernommen, die ihn eröffnet hatte, als sie in den Zwanzigerjahren nach Royal kam. Das sind hundert Jahre Geschichte, die ausradiert wurden, als sie schließen mussten.“

„Russ wollte nicht unsensibel sein“, erwiderte Alice rasch. „Caitlyn hat versucht, den Unternehmen zu helfen, Kredite zu bekommen. Sie hat sogar Hilfsaktionen veranstaltet und die reichen Rancher dazu gebracht, ihre Brieftaschen zu öffnen.“

„Was ist passiert?“, fragte Dev interessiert.

Caitlyn zuckte die Achseln. „Wir haben es geschafft, ein paar kleinere Geschäfte zu erhalten, aber viele ältere Bewohner hatten einfach nicht die Kraft, unter den Umständen weiterzumachen.“

Dev lächelte freundlich. „Sie haben versucht, etwas dagegen zu unternehmen. Das zählt schon viel.“

„Okay, Russ, erzähl mal, wie läuft die Arbeit?“, fragte Alice laut, um Russ von seinem Handy abzulenken. Russ hielt einen Monolog über ein lukratives Geschäft, das er gemacht hatte. Er arbeitete als Investmentbanker in New York, doch jetzt wollte er sich zu Hause eine kurze Auszeit gönnen.

Caitlyn schweifte ab und dachte daran, wie unverfroren sie Dev gefragt hatte, ob er ihr Übungsfreund sein wolle. Je weiter der Abend voranschritt, desto mehr mischten sich Angst und Panik unter ihre Verlegenheit. Was musste er von ihr denken? Sie überlegte, wie sie am besten aus der Situation herauskam. Sollte sie es nicht erwähnen? Ihm sagen, dass es nur ein Witz war?

Nach dem Essen nahm Alice Russ mit in die Küche, um das Geschirr wegzuräumen – und ihn möglicherweise anzuschreien. Caitlyn setzte sich auf Alices Platz am Tisch, damit sie nicht wieder neben Dev sitzen musste. Während des Essens hatte sie immer wieder zu ihm hinsehen müssen, und Alices wütende Blicke waren ihr nicht entgangen. Sie trank einen Schluck Wein und überlegte, was sie sagen könnte.

„Also, wie erreiche ich meine Übungsfreundin?“

Sie hielt sich den Mund zu, aber zu spät. Wein spritzte über den Tisch und auf seine Hand. Sofort nahm sie eine Serviette und wischte hektisch über seine Hand. Sie war zu beschämt, um ihn anzusehen. „Oh Gott, tut mir leid. Es tut mir so leid.“

Dev legte eine Hand auf ihre, und sie sah auf. Er grinste breit, und seine grünen Augen strahlten. Wärme stieg ihr von der Brust bis ins Gesicht. „Tut mir leid“, wiederholte sie verlegen.

Er ließ seine Hand auf ihrer, als er sich erhob und über den Tisch beugte, bis sein Gesicht nah an ihrem war. Ihr ganzer Körper vibrierte. Sein Aftershave roch himmlisch, der Bartschatten auf seinen Wangen lud sie ein, darüber zu reiben. „Können Sie das morgen bei unserem ersten Date wieder machen? Es war das Heißeste, was ich je gesehen habe.“

Entsetzt sah sie ihn an. „Tut mir leid, das ist eine furchtbare Angewohnheit.“

Er legte ihr einen Finger auf die Lippen, was sie erschauern ließ, und schüttelte den Kopf. „Dafür brauchen Sie sich nie wieder zu entschuldigen.“

Alice räusperte sich, und sie sprangen beide zurück. „Sollte ich fragen, was hier los ist?“ Caitlyn merkte ihr an, dass sie sauer war.

„Ich habe wieder diese Sache gemacht, die passiert, wenn ich beim Weintrinken überrascht werde“, erklärte sie betreten und hoffte, Alice zu besänftigen. „Dev hat mir geholfen, es wegzuwischen.“

Russ stellte einen Stapel Teller ab. „Oh je, du hast die Caitie-Dusche abbekommen“, sagte er. „Wir waren alle schon Opfer.“

Caitlyn wollte unter den Tisch kriechen und sich verstecken. Alice sah Russ böse an. „Ich habe Tiramisu als Dessert, und Russ hat einen guten Eiswein mitgebracht.“

Caitlyn hatte keinen Appetit auf Dessert und war sich nicht sicher, ob sie noch länger in Devs Gesellschaft bleiben konnte, ohne zu verbrennen und ihn zu bitten, ihr viel mehr beizubringen als Konversation. „Entschuldigt, ich muss gehen. Ich habe meinen Bruder gebeten, mich mitzunehmen.“

„Oh, bleib doch. Du kannst dir später ein Uber-Taxi rufen“, bat Alice, aber Caitlyn schüttelte den Kopf. Sie wollte ohnehin ein Uber-Taxi nehmen, ihr Bruder war nur eine Ausrede.

Nachdem Caitlyn weg war, entschied Russ, eines ihrer alten Collegespiele zu spielen, bei dem es darum ging, viel zu trinken und ihre peinlichsten/frustrierendsten Erlebnisse wieder aufzuwärmen. Alice war nicht begeistert, ebenso wenig wie Dev, doch dem Überschwang von Russ war schwer beizukommen. Nach einer Weile hob Alice die Hände. „Ich glaube, wir haben keinen Alkohol mehr.“

Russ buhte sie aus. „Dann sollten wir uns wohl verabschieden.“

„Eines noch vorher“, sagte Alice an Russ gewandt. „Was hältst du von Caitlyn?“

„Caitie? Was soll ich von ihr halten?“

Dev verkniff sich das Lachen. „Ich fand sie fantastisch.“

Wütend sah Alice ihn an. „Caitlyn sollte Russ’ Date sein.“

Zu Alices Bedauern lachten beide Männer. „Schwesterchen, du solltest mich schon in deine Pläne einweihen. Allerdings gebe ich zu, dass Caitlyn nicht mehr das schüchterne kleine Ding ist, an das ich mich erinnere.“

Dev reagierte angespannt. War Russ an Caitlyn interessiert? In einer Bar würden sie eine Münze werfen, doch das hier war anders. Russ kannte Caitlyn, und wenn er an ihr interessiert wäre, konnte Dev sich ihm nicht in den Weg stellen. Auch wenn Caitlyn sein Interesse auf eine Weise geweckt hatte, die er noch nie erlebt hatte. Es war nicht nur ihr umwerfendes Aussehen. Normalerweise dachte er nur daran, wie er eine Frau ins Bett kriegen konnte. Doch Caitlyn wollte er wirklich kennenlernen. Sie hatte etwas an sich – vielleicht ihre echte Unschuld –, was an sein Herz rührte. Russ war nicht der Richtige für sie – er war ein skrupelloser Investmentbanker mit einer goldenen Zunge, der Frauen belog, um das zu bekommen, was er wollte. Dev hasste die Vorstellung, wie Caitlyn Russ in die Hände fiel. Der Mann würde nicht zögern, sie auszunutzen.

„Also, bist du an ihr interessiert?“, fragte er Russ nachdrücklicher als beabsichtigt.

„Dev, deine Zunge hing dir so weit aus dem Mund, dass es mich überrascht hat, dass du nicht den Teller abgeleckt hast“, erwiderte Russ.

Dev boxte ihn freundschaftlich. „Ja, ich glaube, ich mag sie – das heißt, wenn du nicht an ihr interessiert bist.“

Sein Herz setzte aus, als er auf Russ’ Antwort wartete, doch Alice kam ihm zuvor. „Er ist absolut interessiert.“

„Wie bitte?“ Russ sah seine Schwester wütend an, und Dev lehnte sich zurück. Selbst wenn Russ an Caitlyn interessiert war, würde er es jetzt nie zugeben. Russ hasste es, dass sich Alice in sein Liebesleben einmischte. Dev verstand ihn. Seine eigene Familie präsentierte ihm ständig die „Biografien“ heiratsfähiger indischer Frauen aus aller Welt, in der Erwartung, dass eine von ihnen seine Aufmerksamkeit erregen würde. Keine hatte es getan. Nicht wie Caitlyn. Beim Gedanken an seine Familie überlief es ihn eiskalt. Sie würden sie nie akzeptieren. Dev schüttelte den Gedanken ab. Er wollte sie nicht heiraten. Es gab keinen Grund, seine Familie in ihre potenzielle Beziehung hineinzuziehen. Beziehung? Er hatte die Frau gerade erst getroffen. Ein Schritt nach dem anderen, Mallik.

„Russ wird sich nicht mit Caitlyn verabreden, weil du ihn mit ihr verkuppeln willst.“

Alice sah Dev böse an, und Russ lehnte sich zurück. „Ich überlasse sie meinem Kumpel Dev hier“, erklärte er jovial.

„Keiner von euch verdient sie“, gab sie eisig zurück. „Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe, sie in diese Schlangengrube zu werfen. Dieses Mädchen ist viel zu gut für euch. Ich hatte gehofft, dass du“, sie stieß Russ einen Finger vor die Brust, „erwachsener geworden wärst.“

Dev setzte sich auf. „Im Ernst, ich mag sie, und ich verspreche, sie anständig zu behandeln. Außerdem hat sie mich gebeten, ihr Übungsfreund zu sein.“

Alice klappte die Kinnlade herunter. „Wirklich? Was hat sie noch gesagt?“

„Nichts. Wir hatten keine Gelegenheit, uns zu unterhalten, da du ständig versucht hast, Russ mit ins Gespräch zu ziehen. Ich habe nicht einmal ihre Nummer. Würdest du sie mir geben?“

Alice kniff die Augen zusammen, und er wand sich unter ihrem eisigen Blick. „Keine Chance. Wenn es nach mir geht, kommst du nicht einmal in die Nähe von Caitlyn.“

4. KAPITEL

Am nächsten Morgen hatte Caitlyn eine Textnachricht von einer unbekannten Nummer auf ihrem Handy. Sie warf die Decke zurück und stöhnte angesichts der Helligkeit in ihrem Zimmer.

Als sie gestern nach Hause gekommen war, hatte sie ihre Familie und die Grandins im Wohnzimmer angetroffen. Sie besprachen gerade ihr Lieblingsthema: Heath Thurstons Klage. Sie hatten alles aufgewärmt, was sie wussten – was nicht viel war. Der Privatdetektiv hatte bestätigt, dass Daniel sehr wahrscheinlich Ashleys Vater war. Trotzdem wussten sie nicht, warum Victor Grandin die Ölrechte Cynthia gegeben hatte und nicht Ashley, wenn sie ihr Geburtsrecht sein sollten. Noch verwirrender war, warum Augustus Lattimore die Papiere unterzeichnet hatte. Jonas Shaw, der Detektiv, prüfte auch, ob die Dokumente, die Heath Thurston vorgelegt hatte, legitim waren.

Auch Layla und Josh waren da gewesen, und Caitlyn hatte sich gefragt, ob sie so etwas je mit jemandem teilen würde. Dev kam ihr in den Sinn, aber sie schob den Gedanken beiseite. Nachdem die Grandins weg waren, blieben Jonathan, Jayden und Caitlyn noch auf und redeten. Jonathan schlug vor, alle Unterlagen durchzugehen, die sie für das Grundstück besaßen. Augustus, Caitlyns Großvater, war so vergesslich, dass nicht einmal ihr Vater Ben sagen konnte, ob er nicht etwas auf dem Dachboden versteckt und dann vergessen hatte. Jonathan hatte die verstaubten Kisten vom Dachboden geholt. Beim Durchsehen fanden sie alte Fotos, jede Menge tote Spinnen und sogar eine tote Maus. Als der Morgen dämmerte, gaben sie auf. Caitlyn war kurz duschen gegangen, um den Staub abzuspülen, und dann ins Bett gefallen.

Beim Aufwachen sah sie die Nachricht von einer unbekannten Nummer.

Wie wäre es heute Abend mit einem Übungsdate? Dev

Dev? Hatte sie ihm ihre Nummer gegeben? Sie las seine Nachricht erneut. Seine Nummer war nicht in ihren Kontakten gespeichert, also hatten sie gestern keine Nummern ausgetauscht. Dann sah sie mehrere Nachrichten von Alice.

Russ hat deine Kontaktdaten von meinem Handy genommen und sie Dev gegeben.

Hat er sich bei dir gemeldet?

Geh NICHT mit ihm aus.

Ruf mich an, wenn du das liest.

Sie wandte sich wieder Devs Nachricht zu. Was meinte er mit Übungsdate? Ihr Gehirn war noch benebelt von dem Whiskey, den sie mit ihren Brüdern getrunken hatte. Es dauerte eine Minute, bis die Erinnerung an den gestrigen Abend sie aufschrecken ließ. Sie hatte einen Fremden gebeten, ihr Flirtunterricht zu geben. Sie starrte auf den Text, und ihr Herz pochte wild. Es war so einfach gewesen, mit ihm zu reden. Die Furcht und die Anspannung, die sie für gewöhnlich empfand, waren ausgeblieben. Dann erinnerte sie sich an Devs grüne Augen, seine Größe, die Art, wie er die Soße von der Gabel geleckt hatte. Wärme breitete sich in ihr aus. Sie müsste verrückt sein, sich mit ihm zu verabreden. Bestimmt gab es bessere Wege, um Flirten zu üben. Sie holte tief Luft und tippte eine Antwort.

„Was genau ist ein Übungsfreund?“, fragte Dev.

Caitlyn hielt inne, ehe sie einen Schluck Wasser trank. Wie konnte sie es ihm erklären, wenn sie es selbst nicht wusste?

„Möchten Sie bestellen?“

Im Stillen dankte Caitlyn dem übereifrigen Kellner des RCW Steakhouse, eines der Gourmetrestaurants in Royal. Dev hatte es vorgeschlagen. Er trug ein Hemd und eine Khakihose. Darin wirkte er auf lässige Art perfekt, nicht zu elegant, nicht zu leger. Sie dagegen hatte ihr übliches Outfit für förmliche Mittagessen angezogen – ein knielanges pinkfarbenes Etuikleid mit U-Boot-Kragen. Um das unablässige Flattern zu beruhigen, das sich in ihrem Magen breitgemacht hatte, seit sie Devs Einladung angenommen hatte, hatte sie ein vertrautes Kleidungsstück gewählt, das ihr Selbstvertrauen hob.

„Sagen Sie mir, was Sie auf der Karte haben und was Sie empfehlen können“, forderte Dev den Kellner leicht amüsiert auf. Der Kellner beschrieb jedes Steak auf der Karte und endete mit dem Tagesangebot.

„Was würden Sie empfehlen?“, wandte sich Dev an Caitlyn.

„Das Steak“, frotzelte sie.

Sie bestellten Zwiebelsuppe als Vorspeise und Prime Rib Steak als Hauptspeise. Dann lachte Dev. „In New York servieren Steakhäuser nicht nur Steaks. Das hier ist nett, aber die Speisekarte könnte etwas Abwechslung vertragen.“

Caitlyn lächelte. „Das ist eine Rancherstadt, und RCW ist bei den Einheimischen sehr beliebt. Ich komme mindestens einmal die Woche her.“

„Braucht die Stadt wirklich ein weiteres Gourmetrestaurant?“

„Ja“, erwiderte Caitlyn. „Viele Meetings und Geschäfte werden in Restaurants getätigt. Sogar der Klinikvorstand kommt zum Mittagessen her. Die Frauen bestellen alle Salat ohne Steak. Tatsächlich kommen sie wegen des Whiskeys her. In dieser Hinsicht ist das hier die beste Adresse in der Stadt, und wenn Sie die alten Rancher überzeugen wollen, müssen Sie in Ihrem Restaurant erstklassigen Alkohol anbieten.“

Er lächelte und tat, als würde er sich Notizen machen. „Sieht so aus, als würden Sie mir Unterricht erteilen – darin, wie man in Royal Erfolg hat.“

Ihre Wangen wurden warm. Was hatte sie gestern Abend nur geritten? Sie musste wahnsinnig gewesen sein. Sie redete weiter über Wein, Whiskey und Bourbon. Für gewöhnlich war sie nicht so redselig, doch sie wollte vom Thema Flirtunterricht ablenken. Das Gespräch setzte sich beim Essen fort. Aus irgendeinem Grund empfand sie nicht die Anspannung, die sie bei Verabredungen immer überkam. Devs freundliches Lächeln entspannte sie.

„Was machen Sie beruflich?“

Die gefürchtete Frage. Dann werde ich ihm mal etwas von all der wichtigen Arbeit vorschwafeln, die ich mache, um es so klingen zu lassen, als hätte ich einen richtigen Job. Sie sah ihn an und bedauerte es gleich wieder. Seine Miene war so offen, seine Augen warm und einladend. Ihr fiel ein, wie er reagiert hatte, als sie ihn mit Wein bespuckt hatte. Als das bei Jax passiert war, hatte er sich über sie lustig gemacht, angewidert, als hätte sie sich auf seine guten Schuhe erbrochen. So reagierten alle Männer. Außer Dev. Sie seufzte. „Im Grunde nehme ich nur gesellschaftliche Aufgaben wahr. Wie Sie gestern mitbekommen haben, ist meine Familie wohlhabend. Nach dem College war es schwer, mich auf einen Job festzulegen, weil meine Eltern mich brauchten. Für die Arbeit in den verschiedenen Gremien, in die wir eingeladen werden, die Planung und Durchführung wohltätiger Veranstaltungen usw. Ich würde lügen, wenn ich sagte, dass ich die Welt rette. Ich bin nur ungebunden. Meine Familie brauchte mich, also habe ich meine Pläne zurückgestellt.“

Immer wenn ein Mann erfuhr, dass sie keinen geregelten Job hatte, reagierte er auf eine von zwei Arten: Entweder nahm er an, dass sie vom Geld ihrer Familie leben wollte oder dass sie auf der Suche nach einem Ehemann war. Caitlyn wusste nicht, was beleidigender war. In Devs Miene suchte sie nach einem Anzeichen dafür, in welche Kategorie er fiel. Er legte seine Hand auf ihre. „Sie können stolz darauf sein, dass Sie für Ihre Familie da sind. Große Familien sind kompliziert, und es erfordert gewaltige Anstrengungen, Menschen und Geschäftskontakte auf Ihrer Seite zu behalten. Dafür brauchen Sie sich nicht zu entschuldigen.“

Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie blinzelte. „Haben Sie auch eine große Familie?“, brachte sie heraus.

Er lächelte. „Ich habe große Persönlichkeiten in meiner Familie. Ich habe einen Bruder und eine Schwester, die beide verheiratet sind und Kinder haben. Und Eltern, die ein ziemlich großes Unternehmen haben, das ich übernehmen soll, sehr zum Missfallen meiner Geschwister.“

Sie konnte sich nicht vorstellen, mit ihren Geschwistern um das Familienunternehmen zu streiten. Einer der Gründe, warum sie so viele gesellschaftliche Aufgaben der Familie übernahm, war, dass kein anderer sie machen wollte. Dabei war es wichtig für ihr Ansehen in Royal und den Erfolg ihres Ranchgeschäfts. „Ihre Geschwister wollen das Unternehmen, aber Sie wollen es ihnen nicht überlassen?“

Er schmunzelte, als wäre die Vorstellung amüsant. Dann schüttelte er den Kopf. „Ma und Dad sind in Indien aufgewachsen, wo der älteste Sohn das Familienimperium übernimmt und für die Familie sorgt. Das bin ich. Aber ich will nicht bloß das Vermögen meines Vaters erben. Ich will selbst etwas erreichen, und sei es nur, um zu beweisen, dass ich erfolgreich ein Geschäft führen kann. Deshalb bin ich in Royal. Meine Geschwister wären überglücklich, das Familienunternehmen zu übernehmen, doch sie leben gern auf großem Fuß, und Dad befürchtet, dass sie das Geschäft in den Sand setzen. Er vertraut ihnen nicht, also muss ich den Vermittler spielen.“

„Wow. Und was wird aus dem Unternehmen, wenn Sie Ihre Restaurantkette eröffnen?“

„Darüber will ich nicht nachdenken. Ich hoffe, dass meine Geschwister in meiner Abwesenheit meinem Vater zeigen, dass sie der Aufgabe gewachsen sind. Ich liebe meinen Vater, aber er ist streng mit uns allen. Vielleicht sieht er jetzt die Fähigkeiten meiner Schwester. Sie hat wirklich Sinn fürs Geschäftliche, aber mein Dad weigert sich bislang, das anzuerkennen.“

Die meisten Männer betrachteten Caitlyns enge Familienbindung als Unreife. Doch hier war ein Mann, der verstand, was es hieß, seine Familie zu lieben, für sie zu sorgen und Opfer zu bringen. „Werden Sie Ihre Familie vermissen, während Sie hier sind?“

Er schüttelte den Kopf und lachte. „Ich habe die Nase voll vom Familiendrama. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich würde mir für meine Familie eine Kugel einfangen, aber ich brauche eine Pause. Darum habe ich Texas für mein erstes Restaurant gewählt. Wir haben keine Geschäfte hier, also gibt es keinen Grund, warum meine Familie auftauchen sollte.“

Caitlyns Herz zog sich zusammen. Sie hatte ihm gerade vom Dilemma ihrer Familie erzählen wollen, doch das erschien jetzt nicht fair.

„Also, wenn Sie damit fertig sind, mich mit Small Talk hinzuhalten, erzählen Sie mir dann, warum Sie Flirtunterricht brauchen?“

Nein, ich rede lieber über alles andere. Er sah sie mit solch einem Funkeln in den Augen an, dass ihr Herz aussetzte und sie die wenigen Worte vergaß, die sie sich zurechtgelegt hatte. Wer bittet einen derart gut aussehenden Mann, ein Übungsfreund zu sein? „Verabredungen fallen mir schwer.“ Sie schluckte. „Wenn ich mit einem Mann zusammen bin, versteife ich mich und werde still. Ich brauche etwas Übung, um mich beim Small Talk und Flirten zu entspannen. Sie sind der Erste, bei dem ich nicht völlig sprachlos bin. Ich wollte Sie damit nicht überfallen. Ich hatte nur zu viel getrunken.“

„Aber heute haben Sie Ihren Wein noch nicht angerührt, und Sie scheinen keine Probleme zu haben, mit mir zu reden.“

Diese Tatsache war ihr nicht entgangen. „Deshalb eignen Sie sich perfekt als Übungsfreund. Ich fühle mich wohl bei Ihnen und …“ Halte es mit Ihnen aus. Das Letzte sprach sie nicht laut aus. Wie könnte sie Dev die Angst erklären, die sie jedes Mal überkam, wenn sie einem Mann näherkam? Sie hatte selbst keine Erklärung. Kalter Fisch. Das waren Jax’ Worte, aber andere hatten Ähnliches zu ihr gesagt. Ihr Therapeut nannte es Angst vor Intimität. Eine Angst, die auf dem beruhte, was mit Jax passiert war. Der Sex war in Ordnung, doch er hatte nichts daran geändert, dass sie unfähig war, eine emotionale Bindung herzustellen. Sie hatte gesehen, was Layla und Josh hatten. War es zu viel verlangt, das Gleiche zu wollen?

Dev lehnte sich vor. „Bin ich nur als Gesprächspartner vorgesehen, oder üben wir auch andere Sachen?“ Seine Lippen zuckten, und ihr Herz fing an, wild zu pochen. Ihr Blick fiel auf seine Lippen. Wie es wohl wäre, sie auf ihren empfindsamsten Stellen zu spüren? Hitze stieg in ihr auf, und als sich seine Augen verdunkelten, wusste sie, dass er ihre Gedanken erraten hatte.

Wir können alles üben, was du willst. Sie wandte den Blick ab und trank einen Schluck Wein, um sich von dem Gedanken an sie beide nackt abzulenken. Sie wollte ausgehen, Unterhaltungen üben und lernen, wie sie jemanden kennenlernen konnte, um eine emotionale Bindung zu ihm aufzubauen. Wenn sie Sex mit Dev hätte, würde ihre körperliche Beziehung alles überschatten. Sie konnte nicht bestreiten, dass sie von Dev angezogen war, doch wenn sie eine körperliche Beziehung zuließ und er auch davon enttäuscht war? Nein, unmöglich. Ich muss ihm klarmachen, dass es um eine rein platonische Beziehung geht. „Ich könnte Sie bei Ihrer Suche nach Restaurants in der Stadt begleiten. Ich kann Sie herumführen und Ihnen die richtigen Leute vorstellen, und im Gegenzug bringen Sie mir bei, wie …“

„Wie …?“

„Dessert?“

Verärgert sah Dev den Kellner an, der ihnen ungerührt die Dessertkarten reichte. Rasch lehnte Caitlyn eine Nachspeise ab, und Dev tat es ihr nach. Sie vertraute sich in seiner Gegenwart nicht, und es war das Beste, die Verabredung zu beenden, solange alles gut lief. Als Dev seine Brieftasche herausholte, winkte Caitlyn den Kellner zu sich und zog ihre eigene Kreditkarte hervor. „Ich sollte bezahlen.“

Er schüttelte den Kopf. „Ich habe Sie eingeladen.“

Seit gestern hatte er unaufhörlich an sie gedacht. Sie war noch schöner als am Abend zuvor. Warum brauchte jemand wie sie einen Freund zum Üben? Männer sollten sich überschlagen, um eine Verabredung mit ihr zu bekommen. Die letzten anderthalb Stunden hatte er sich angenehm mit ihr über Royal, Texas und Essen aus aller Welt unterhalten. Sie war intelligent, geistreich und bodenständig. Ganz und gar nicht wie die reichen Frauen aus New York, deren Hauptinteresse darin bestand, einander zu übertreffen, sei es bei Mode, Schmuck oder Partys in Manhattan. Sie war seit Langem die erste Frau, die er kennenlernen und nicht nur ins Bett kriegen wollte. Obwohl er das auch wollte. Solange sie akzeptierte, dass ihre Beziehung nur vorübergehend war. Er war nicht an einer langfristigen Verpflichtung interessiert. Doch auch wenn er keine Affäre in Royal geplant hatte, würde es seine Zeit hier interessanter machen.

„Ja, aber nur, weil ich Sie gebeten habe, ein … Übungsfreund zu sein.“ Sie stolperte über die letzten Worte, und er lächelte. Als der Kellner kam, hielt Dev ihm seine Karte hin. „Ich habe Sie zum Abendessen eingeladen. Weil ich Sie sehen wollte. Übung oder nicht. Außerdem sind das Geschäftskosten, schließlich bin ich hier, um die Konkurrenz auszukundschaften.“

Caitlyn lächelte breit, und er lächelte zurück, gefesselt von ihrem sanften Blick. „Das hier ist eine Institution in Royal. Es wird zu Ihrer Hauptkonkurrenz zählen.“

„Russ sagt mir seit Jahren, dass es sich lohnen würde, in Royal ein Restaurant aufzumachen. Viele tiefe Taschen und echte Wertschätzung für gutes Essen.“

„Er hat recht.“

Der Kellner kam ein wenig zu schnell zurück mit dem Kreditkartenbeleg. Dev hatte gehofft, noch mehr Zeit mit Caitlyn zu haben. „Wissen Sie, wo wir einen Kaffee trinken können?“

Sie hielt inne, und er war sich sicher, dass sie ablehnen würde. Doch dann nickte sie. Als sie das Restaurant verließen, legte er ihr eine Hand auf den Rücken. Es geschah ganz unbewusst, doch Caitlyn spannte sich an. Er nahm die Hand weg. Habe ich etwas falsch gemacht?

Sie gingen die Hauptstraße entlang. Alte Straßenlampen warfen verführerische Schatten auf den Gehweg. Dev wollte Caitlyns Hand nehmen oder ihren Arm in seinen ziehen, doch er ließ es. Unterwegs zeigte sie ihm verschiedene örtliche Geschäfte, die bereits geschlossen waren. Vor einem roten Backsteingebäude mit einem altmodischen Schild, auf dem General Store stand, blieb sie stehen.

„Wenn Sie ernsthaft vorhaben, hier ein Restaurant zu eröffnen, müssen Sie sich mit Ol’Fred anfreunden. Nennen Sie ihn nicht Fred. Er möchte Ol’Fred genannt werden.“

„Mit texanischem Akzent?“

Sie lächelte. „Ja. Seine Familie lebt in Royal, seit die Stadt gegründet wurde. Er kennt nicht nur alle Landbesitzer hier, sondern auch alle Bauunternehmer, Abnahmebeamten und Architekten. Falls Sie irgendetwas brauchen, ist er Ihr Mann.“

Sie standen unter einer Straßenlampe, die Caitlyns Gesicht in weiches goldenes Licht tauchte. Er hielt es nicht aus, ihr so nahe zu sein, ohne sie zu berühren. „Caitlyn, Karten auf den Tisch. Ich mag Sie. Ich möchte gern mehr Zeit mit Ihnen verbringen, und nicht nur, weil Sie mir einen Crashkurs über Royal geben können. Was genau wollen Sie von mir?“

Sie schluckte, wandte aber den Blick nicht ab. „Ich möchte nicht bemitleidet werden, weil ich meist nicht über die ersten paar Verabredungen hinauskomme. Ich möchte lernen, mich einem Mann zu öffnen und sinnvolle Gespräche zu führen, nicht nur Small Talk. Eine Verbindung auf emotionaler Ebene.“

Er trat näher. Sie spannte sich an, wich aber nicht zurück. „Ist das alles? Eine emotionale Verbindung? Was ist mit einer körperlichen Beziehung? Brauchen Sie darin Übung?“ Seine Stimme war leise und heiser. Sie sah so unfassbar sexy und verletzlich aus, dass er sie berühren wollte – nein, berühren musste, um ihr zu zeigen, dass sie keine Hilfe brauchte, um eine Verbindung zu ihm oder zu sonst irgendjemandem herzustellen. Falls sie Probleme hatte, lag der Fehler ganz klar bei dem Mann, der nicht sah, wie intelligent und warmherzig sie war.

„Ich … ich weiß nicht“, stammelte sie hilflos. Ihre Augen wurden dunkel, und sie senkte den Blick zu seinen Lippen und hob ihr Gesicht leicht an.

„Dann lassen Sie mich Ihnen helfen, es herauszufinden.“ Er strich über ihre nackten Arme und genoss das Gefühl ihrer weichen, seidigen Haut. Dabei betrachtete er ihr Gesicht. Sie schloss die Augen, und ihre Lippen öffneten sich leicht. Auf ihren Armen bildete sich Gänsehaut, und er wusste, dass sie dieselbe elektrische Verbindung spürte wie er. Sanft nahm er ihre Hand. „Sehen Sie mich an.“ Sie tat es. „Ich werde Sie jetzt küssen.“

Ihre Augen weiteten sich. Sanft küsste er sie, wobei er ihre Lippen kaum berührte. Er spürte den leichten Druck ihrer Lippen, als sie seinen Kuss erwiderte und ihren Mund für ihn öffnete. Mehr als alles wollte er den Kuss vertiefen, doch er wollte sie nicht verschrecken. Er legte den Arm um ihre Taille. Sie fühlte sich so richtig an, dass er sie enger an sich zog, bis er ihre Brust an sich gepresst spürte. Dann geschah es. Zum ersten Mal in seinem Leben schob ihn eine Frau von sich, als ob sie seine Berührung nicht ertragen konnte.

5. KAPITEL

Sie hatte ihn nicht so rüde wegstoßen wollen. Vielmehr wollte sie ihn leidenschaftlich küssen, ihm das Hemd ausziehen und über seine Brust streichen. Sie hatte sich an ihn gepresst und die gleiche Hitze, die zwischen ihren Beinen pulsierte, in seiner Hose gespürt. Und das hatte ihr eine Heideangst eingejagt. Sie wollte nicht riskieren, zurückgewiesen zu werden. Ein kalter Fisch.

Er trat von ihr weg und hielt die Hände hoch. „Tut mir leid, wenn ich etwas missverstanden habe. Ich wollte dich nicht küssen, wenn du es nicht wolltest.“

Das war nicht das Problem. Sie wollte es zu sehr, mit einem Feuer und einer Intensität, die keinen Sinn ergaben. Es war nur ein Kuss. Er war nur ein Mann. Sie schüttelte den Kopf. „Nein, mir tut es leid. Das wollte ich nicht.“

„Mich küssen oder mich wegstoßen?“

Beides. „Dich wegstoßen. Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Das habe ich noch nie getan.“

„Küsse ich so schlecht?“, sagte er leichthin und legte eine Hand auf seine Brust, wo sie ihn gestoßen hatte. Es sah so unfassbar jungenhaft gut aus, dass sich ihr Herz zusammenzog. Sie wollte ihm sagen, dass sie sich die Sache mit ihm als Übungsfreund anders überlegt hätte. Dass sie ihn nicht wiedersehen wollte. Diese Nicht-Beziehung war jetzt schon zu intensiv. Aber will ich nicht genau das? „Nein. Das Problem ist eher, dass es so gut war.“

„Das ist mal eine interessante Antwort.“ Er trat auf sie zu. „Wie meinst du das?“

„Können wir weitergehen?“ Es war zu verwirrend, wenn er sie ansah. Sie hatte das Gefühl, dass er ihre Gedanken lesen konnte. Er sollte nicht wissen, wie sehr er sie aus dem Gleichgewicht brachte.

„Wohin du möchtest.“

Als sie weitergingen, fuhr sie mit ihren Erläuterungen über die Geschäfte von Royal fort. Bewusst vermied sie das Gespräch über das soeben Geschehene. Dev ließ sie gewähren und stellte ihr Fragen über Royal und ihre Familie. Vertraute, unverfängliche Themen. Als sie an der Sattlerei ankamen, blieb sie stehen. „Hier kaufen alle in der Stadt die Reitausstattung für die Pferde, die sie bei Shows reiten.“

„Reitest du?“

Sie nickte und blickte wehmütig zu dem Geschäft. Dev war in der Stadt, um seinen Traum zu verwirklichen, ihrer dagegen lag auf Eis.

„Was ist?“

Überrascht sah sie ihn an. „Nichts.“

Er verdrehte die Augen. „Ich habe eine Schwester und eine Mutter, deshalb weiß ich, wenn eine Frau ‚Nichts‘ sagt, heißt es in Wirklichkeit ‚Alles‘.“

Nun verdrehte sie die Augen. „Jetzt bist du also ein Frauenversteher? Manchmal heißt es auch, dass ich nicht darüber reden will, oder genauer, dass ich nicht mit dir darüber reden will.“

Er lächelte. „Komm schon, ich bin dein Übungsfreund. Wenn du es mir nicht sagen kannst, wem dann?“

Das Lachen in seiner Stimme war ansteckend, und sie lächelte über sich selbst. „Schön, wenn du es wissen musst. Ich plane – eigentlich ist es mehr ein Traum –, ein Reitcamp für Pflegekinder auf der Lattimore-Ranch aufzumachen. Ich bin mit Pferden aufgewachsen, und es war ein unglaubliches Erlebnis, das mir beigebracht hat, wie man für ein Tier sorgt und sich mit einem anderen Lebewesen eins fühlt.“ Sie zeigte auf eine Gürtelschnalle im Laden. Es war eine große silberne Schnalle mit Strasssteinen. „Diese Gürtelschnalle kostet so viel, wie eine Pflegefamilie im Monat verdient. Sie können es sich nicht leisten, Kinder in Reitcamps zu schicken. Wir haben so viele Pferde, dass wir Leute anstellen müssen, um sie zu reiten, weil niemand die Zeit hat, sie zu versorgen und zu reiten. Das ist doch Verschwendung.“

„Was hält dich davon ab?“

„Ich kann nicht einfach die Lattimore-Ranch aufmachen und Kinder zum Reiten einladen. Ich brauche Genehmigungen – es ist ein aufwendiges Verfahren.“

Er zog eine Braue hoch. „Verstehe. Du hast Ol’Fred verärgert, und jetzt verstellt er dir den Weg.“

Sie lächelte. „Ol’Fred will mich adoptieren, seit ich ein kleines Mädchen war. Er würde alles tun, um mir zu helfen.“

„Was dann?“

„So ist das Leben einfach. Ich habe so viele Verpflichtungen. Es ist schwer, die Zeit zu finden.“

„Für mich klingt das nach Ausreden.“

„Was?“ Er hatte keine Ahnung, wie ihr Leben aussah. Dev drehte sich zu ihr um. Er hob die Hände, als wolle er sie berühren, verschränkte sie dann aber. „Du scheinst zu wissen, wie man in dieser Stadt Dinge erledigt. Wenn du dieses Camp eröffnen möchtest, dann wette ich, dass du nur mit den Fingern schnippen müsstest. Was hält dich zurück? Der wahre Grund, nicht derjenige, den du dir und allen anderen erzählst.“

Wütend wollte sie ihm antworten, doch der warme Ausdruck seiner Augen und die Falte auf seiner Stirn brachten ihr Herz zum Schmelzen. Sie suchte nach einer echten Verbindung. Was hatte ihr Therapeut gesagt? Dass sie Barrieren errichtete, sich hinter ihren Gesprächspunkten versteckte. Normalerweise gingen Männer nicht genauer darauf ein, was sie gesagt hatte. Sie waren zu sehr darauf fokussiert, wie der Abend enden würde und ob sie eine Einladung in ihr Bett annehmen würde. Doch Dev wollte mehr wissen. Er wollte über Dinge reden, auf die sie nicht vorbereitet war. Sie schluckte und sah in das Schaufenster, um seinem Blick auszuweichen. „Ich bin die Jüngste in der Familie. Ich habe zwei Brüder und eine Schwester. Sie haben mein Leben lang auf mich aufgepasst. Dafür gesorgt, dass ich bei allem, was ich tue, Erfolg habe.“

„Du hast noch nie etwas Eigenes gemacht.“

Sie schüttelte den Kopf. „Das ist es nicht. Ich habe viele Wohltätigkeitsveranstaltungen und Hilfsprogramme geplant. Das kann ich im Schlaf. Aber ich habe noch nie etwas so Wichtiges gemacht. Seit der Pandemie ist das Pflegeprogramm überlastet. Und nicht nur aus den Gründen, die man erwarten würde – Kinder, die im Stich gelassen, misshandelt oder vernachlässigt wurden. Es sind Kinder, deren Eltern sie lieben, die aber ihren Job verloren haben und nicht mehr über die Runden kamen. Die Behörden mussten ihnen die Kinder wegnehmen, weil sie in Autos und Obdachlosenheimen lebten. Weder die Eltern noch die Kinder wollen getrennt sein, aber der Staat muss den Kindern ein stabiles Zuhause geben. Hinzu kommen Kürzungen beim staatlichen Programm, sodass Pflegefamilien wenig Hilfe bekommen und überlastet sind. Diese Kinder werden von einer Familie zur nächsten geschickt. Und sogar Kinder, die eine gute Familie finden, haben das Gefühl, dass sie ihren leiblichen Eltern gegenüber loyal sein müssen, sodass sie nicht wissen, wie sie mit ihren Empfindungen für ihre Pflegeeltern umgehen sollen.“

Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie an die Kinder dachte. Sie arbeitete ehrenamtlich bei der Kinderschutzbehörde und betreute Kinder, die auf eine Pflegefamilie warteten. „Ich möchte ihnen etwas geben, das von Dauer ist. Einen Ort, an dem sie sich sicher fühlen und mit einem Lebewesen interagieren können, ohne dass es mit komplizierten Etiketten wie ‚Pflegevater‘ und ‚echte Mom‘ verbunden ist.“

„Denken Sie so über Pferde?“

Verblüfft hielt sie inne. „Was?“

„Ein Pferd braucht nur Wasser, Futter, einen Unterstand und Pflege. Da gibt es keine komplizierten menschlichen Gefühle.“

Ein bitterer Geschmack stieg ihr in die Kehle. War sie deshalb immer gut mit Pferden ausgekommen? Weil sie keine echten Gefühle von ihr erwarteten? Nein, sie liebte ihre Pferde, redete mit ihnen, ging eine Bindung mit ihnen ein. Sie spürten es, wenn sie traurig oder wütend war. Doch sie erwarteten nicht so viel von ihr wie ein Mann, das stimmte. Aber das würde sie Dev gegenüber nicht zugeben. Sie waren sich ohnehin schon unbehaglich nahe gekommen. Sie seufzte. „Pferde spüren Emotionen. Sie brauchen Liebe, darum ist ja ein Reitprogramm für Kinder ideal. Sie haben so viel Liebe zu geben, sie wissen manchmal nur nicht, wohin damit.“

Er ging in die Knie, bis er ihr direkt ins Gesicht schauen konnte. Seine Augen waren sanft, sogar ein wenig feucht glänzend. „Du bist ein wundervoller Mensch, Caitlyn. Ich hoffe, das weißt du. Nur sehr wenige Menschen kümmern sich um etwas anderes als sich selbst.“

Warum bin ich dann so ein kalter Fisch? platzte sie fast heraus. Sie versuchte, ihn anzulächeln, doch dann wandte sie den Blick ab, um ihre Tränen zurückzuhalten. „Ich wollte schon anfangen, aber jetzt gibt es ein Problem mit der Ranch. Ich will das Programm nicht einführen und es dann wieder einstellen müssen.“

„Was meinst du damit?“

„Es ist genau die Art von Familiendrama, mit der du nichts zu tun haben willst.“

Er lachte. „Solange es nicht mein Familiendrama ist, macht es mir nichts aus. Schieß los.“ Sie erzählte ihm von Heath Thurstons Klage. „Verstehe ich das richtig, Ashley ist womöglich eine Blutsverwandte, aber Cynthia ist Ashleys Mutter, und die Ölrechte wurden ihr übertragen?“

„Richtig, was den Anspruch sogar noch stärkt, weil Heath und Nolan Cynthias Söhne sind, sodass sie direkt von ihrer Mutter erben. Ein paar Sachen ergeben trotzdem keinen Sinn, also haben wir einen Privatdetektiv engagiert.“

„Warum kann Victor Grandin die Ölrechte an eurem Land weggeben, um die Sünden seines Sohnes zu sühnen?“

„Das ist ja das Seltsame. Mein Großvater hat die Papiere unterzeichnet, also sind die Rechte an unserem Land inbegriffen.“

„Hast du nicht gesagt, dass du bei deinem Großvater wohnst? Warum fragt ihr ihn nicht?“

„Augustus ist sechsundneunzig und hat Gedächtnisprobleme. Jedes Mal, wenn wir ihn fragen, erzählt er eine andere Geschichte. Wir versuchen auch, herauszufinden, ob die Unterschrift echt ist.“

„Wie wirkt sich das auf dein Reitcamp aus?“

„Wenn der Anspruch berechtigt ist und Heath und Nolan Thurston ihr Recht durchsetzen, würden sie genau dort nach Öl bohren, wo die Stallungen sind. Wir würden sie und die Pferde verlieren. Das kann ich den Kindern nicht antun. Zwar kann diese Angelegenheit einige Zeit dauern, aber ich kann nicht zulassen, dass sie sich in etwas verlieben, was ihnen dann wieder entrissen wird.“

„Ist dir das passiert?“

„Was?“

„Wurde dir etwas genommen?“, fragte er leise.

Ihr Herz pochte wild, und ihre Hände wurden feucht. Sie war das privilegierteste Kind, das sie kannte. Ein afroamerikanisches Baby, das von einer wohlhabenden, liebevollen Familie adoptiert wurde, die sie vergötterten. Es gab nichts in ihrem Leben, was ihr nicht gegeben worden wäre. Das Einzige, was sie je verloren hatte, war Jax, ihr bester Freund und womöglich ihre große Liebe. Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin der Traum jedes Pflegekinds. Meine Eltern adoptierten mich als Baby. Meine Familie, einschließlich meiner Geschwister, liebt mich wahnsinnig. Ich könnte mir nicht mehr wünschen.“

„Fühlst du dich deshalb schuldig?“

„Was?“

„Dass du eine Chance bekommen hast, die Pflegekinder nicht haben? Willst du deshalb die Pferderanch eröffnen?“

Zitternd holte sie Luft. Wie konnte er das wissen?

„Es ist okay, sich schuldig zu fühlen, weil man alles hat. Sogar wütend darauf zu sein. Du hast nicht darum gebeten.“

Diesmal hielt sie ihre Tränen nicht zurück. Ihr Leben lang war ihr gesagt worden, wie viel Glück sie habe, dass sie dankbar sein solle für das Geschenk, das sie bekommen hatte. Deshalb war sie nach dem College zurückgekommen und hatte die Wohltätigkeitsarbeit der Lattimores übernommen. Um ein wenig von dem zurückzugeben, was sie bekommen hatte. Doch bei alldem fühlte sie sich nur schuldig. Weil sie alles hatte. Weil sie nicht genug zurückgab. Weil sie die anderen Kinder, die meisten von ihnen schwarz, nicht vor dem Schicksal rettete, vor dem die Lattimores sie gerettet hatten. Dev legte ihr sanft eine Hand auf den Arm und streckte seinen anderen Arm einladend aus. Sie konnte nicht widerstehen. Sie trat an ihn heran und legte die Wange an seine Brust. Sofort spürte sie, wie seine Wärme ihr Kraft gab.

„Weißt du, dass Royal ein Ghetto hat? Dort leben Leute wie ich. Dein Butler, Gärtner, Koch und Ol’Fred.“ Jax hatte diese Worte zu ihr gesagt, als er aufs College gegangen war. Es war seine Art, ihr zu sagen, dass es eine ganze Welt gab, die sie sehen musste. Die echte Welt. Er hatte es nicht böse gemeint, aber es hatte trotzdem wehgetan.

Dev war fast zwanzig Zentimeter größer als sie. Dennoch passte sie perfekt an ihn. Sie konzentrierte sich auf den Schlag seines Herzens, das ebenso wild zu rasen schien wie ihres. Sie schloss die Augen, während sich seine Brust hob und senkte, und atmete tief ein, um Jax aus ihren Gedanken zu vertreiben. Hier war ein Mann, der nicht dazu verpflichtet war, bei ihr zu sein. Er wollte hier sein. Niemand zwang ihn.

„Wie wäre es mit einer Abmachung?“ Caitlyn trat zurück und blinzelte die letzten Tränen weg. Devs grüne Augen funkelten. „Ich werde dein Übungsfreund und helfe dir, dein Reitcamp zu verwirklichen, und du stellst mich in der Stadt vor und hilfst mir, mein Restaurant aufzubauen?“

Sie lächelte. „Was genau bedeutet es, eine Übungsfreundin zu sein?“

Er grinste. „Da hast du den Spieß aber gut umgedreht.“

Obwohl sie sich aus seiner Umarmung gelöst hatte, lagen seine Hände immer noch auf ihren Armen. Ihr gefiel seine Berührung. Vielleicht wäre es keine schlechte Idee, ihn als richtigen Freund zu haben. Was, wenn sie mit ihm schliefe? Was wäre das Schlimmste, was passieren könnte? Dass ihre Beziehung auf die gleiche Weise endete wie ihre anderen? Na und? Dev blieb nur einen Monat. Nach der Restauranteröffnung wollte er nach New York zurück. Wenn er ihr in der Zwischenzeit helfen konnte, sich in Gegenwart von Männern wohler zu fühlen, wäre das alles, was sie bräuchte.

„Das kann ich dir anbieten“, sagte Dev, und Caitlyn ließ sich vom warmen, tiefen Klang seiner Stimme einhüllen. Er war ein Mann – er würde um das bitten, was alle Männer wollten. Und sie würde Ja sagen. „Wir können Zeit zusammen verbringen, ausgehen und uns so viel unterhalten, wie du willst.“ Sie nickte und wartete auf den nächsten Teil. Denn plötzlich war das der Teil, den sie wirklich wollte. „Ich werde dich ohne deine Erlaubnis nicht anfassen. Und ich werde nicht mit dir schlafen.“

„Was?“, entfuhr es ihr.

Er lächelte. „Ich musste eine Frau noch nie überreden, in mein Bett zu kommen, und damit fange ich jetzt nicht an. Wir halten die Sache platonisch, es sei denn …“

Ihre Kehle zog sich zusammen. „Es sei denn?“

Er beugte sich vor, bis seine Lippen ihre fast berührten. „Ich kann dir viel mehr beibringen als Konversation.“ Angestrengt holte sie Luft und wollte sich verzweifelt vorlehnen, um ihre Lippen auf seine zu pressen. Doch er zog sich zurück. „Aber wenn du mehr willst, musst du mich verführen.“

6. KAPITEL

Erhitzt setzte sie sich in ihrem Zimmer auf. Sie hatte geträumt, dass Dev ihr Unterricht im Bett gab. Die Art von Unterricht, die sie schwer atmen und in Schweiß ausbrechen ließ. Man musste kein Genie sein, um zu wissen, was der Traum bedeutete.

Als spürte Dev, dass sie an ihn dachte, ertönte ihr Handy.

Ich schaue mir um 9 Uhr ein Restaurant in der Colton Street an. Hast du Zeit, mitzukommen? Übungsbrunchdate danach?

Es war weniger als zwölf Stunden her, seit sie ihn gesehen hatte, doch die Vorstellung, mit ihm auszugehen, war aufregend. Sie schickte ihm ihre Antwort und sprang aus dem Bett. Da sie nur fünfundvierzig Minuten Zeit hatte, spülte sie ihre Haare nur kurz mit einem Conditioner und band sie zu einem Pferdeschwanz zusammen. Sie hatte von Natur aus Locken, aber nicht die festen, langen Locken wie Alexa. Auf die perfekten Haare ihrer Schwester war sie oft neidisch.

Sie zog eines ihrer Lieblingskleider an, ein pfauenblaues Wickelkleid mit einem tiefen V-Ausschnitt, das knapp über ihren Knien endete, und schlüpfte in flache Sandalen. Dann warf sie einen letzten Blick in den Spiegel. Fast könnte man meinen, dass sie wie eines dieser aufreizenden Mädchen auf dem Cover einer Modezeitschrift aussah. Normalerweise kleidete sie sich eher geschäftsmäßig. Ihr Haar war immer perfekt geglättet und gestylt, nie natürlich gelockt wie jetzt. Caitlyn war nicht eitel, aber sie wusste, dass sie eine hübsche Frau war, mit großen Augen, einer kleinen, geraden Nase und Lippen, die perfekt zu ihrem Gesicht passten. Ihre Hautfarbe rangierte von Beige bis Goldbraun, je nach Sommerbräune. Rasch trug sie noch Sunblocker auf. In ihrem Kalender standen mehrere Termine, bei denen es nicht angemessen wäre, ohne Make-up oder unfrisiert zu erscheinen. Doch dieser Morgen gehörte Dev.

Dev hatte angeboten, sie abzuholen, aber sie fuhr lieber selbst. Gegen den Wunsch ihres Vaters hatte sie sich ein Tesla Model 3 gekauft. Zwar wurde es von den größeren Autos auf der Straße überragt, doch ihr gefiel das Elektroauto unter den ganzen Spritfressern in der Stadt. Sie kam fünf Minuten zu spät. Dev wartete vor dem Restaurant. Er lehnte an der Wand des Gebäudes und schaute auf sein Handy. Als sie anhielt, blickte er auf.

„Hier darf man nicht parken. Da ist ein Parkplatz hinter dem Haus.“ Er wies auf eine kleine Einfahrt.

„Keine Sorge, ich bekomme keinen Strafzettel. Tut mir leid, dass ich zu spät bin.“

Er kam um das Auto herum und öffnete die Tür. Oder versuchte es. Sie war verriegelt. Er grinste, und sie entriegelte sie. „Diese Autobauer machen es einem wirklich schwer, ritterlich zu sein.“

„Das liegt daran, dass es keine Ritterlichkeit mehr gibt. Die edlen Herren von einst wurden von gruseligen Gestalten ersetzt, die Autos klauen und Frauen überfallen. Deshalb verriegeln sich Autotüren automatisch.“

Kopfschüttelnd streckte er die Hand aus, um ihr aus dem Auto zu helfen. Sie brauchte zwar keine Hilfe, aber es gefiel ihr. Es gab ihr einen Vorwand, ihn zu berühren. Als sie an ihm vorbeiging, flüsterte er: „Du siehst umwerfend aus.“ Von seinem heiseren Ton wurde ihr ganz warm. Er ließ ihre Hand los und streckte seine aus. Verwirrt sah sie ihn an. „Soll ich dir etwas geben?“

„Deine Autoschlüssel, damit ich dein Auto auf den Parkplatz fahren kann.“

Sie lachte. „Das Auto hat keinen Schlüssel. Es fährt über die App auf meinem Handy. Machen Frauen in New York das so? Sie geben dir ihren Schlüssel und sagen ‚Park den Wagen‘?“

„Nicht ganz, aber sie sind ein gewisses Maß männlicher Ritterlichkeit gewöhnt.“

Sie schüttelte den Kopf. „Das Auto kann hier stehen bleiben. Ich kenne die Polizisten, sie geben mir nie einen Strafzettel.“

Er zog die Brauen hoch. „Du hast wohl ganz Royal um den Finger gewickelt.“

„Es ist erstaunlich, was ein paar Wohltätigkeitsveranstaltungen und Bagel und Kaffee auf der Polizeistation bewirken können.“

Er deutete eine Verbeugung an. „Du bist wirklich die Prinzessin von Royal.“

Ein Mann trat aus dem Restaurant. Er war groß und schlaksig und hatte strohblonde Haare und blaue Augen. Als er sie sah, lächelte er breit. „Miss Caitlyn, ich wusste nicht, dass Sie die Freundin sind, auf die Mr. Mallik wartet.“

„Greg, wie schön, Sie zu sehen“, erwiderte Caitlyn. „Ihr Dad hat mir erzählt, dass Sie ins Immobiliengeschäft eingestiegen sind.“

Stolz nickte er. „Und es läuft gut, dank Mr. Lattimores Empfehlungen, Miss.“

„Greg, wir sind im selben Alter, bitte nennen Sie mich Caitlyn.“

Dev sah Caitlyn an. „Woher kennt ihr euch?“

„Hier kennt jeder jeden.“

„Sie ist zu freundlich“, entgegnete Greg. „Mein Daddy ist Rancharbeiter bei den Lattimores. Ich habe früher jeden Sommer bei Miss Caitlyn gearbeitet.“

„Bitte nennen Sie mich Caitlyn.“

Er errötete leicht und schien unsicher, ob es beleidigender wäre, ihrer Bitte nachzukommen oder die strikte Anweisung seines Vaters zu missachten, jeden im Herrenhaus mit Mister, Miss oder Missis anzureden. „Ich zeige Ihnen das Gebäude. Es war früher …“

„Die alte Stevens-Brauerei“, beendete Caitlyn den Satz.

Greg nickte. „Miss… Verzeihung, Caitlyn weiß mehr über die Geschichte Royals als sonst irgendwer, ausgenommen Ol’Fred.“

Autor

Sophia Singh Sasson
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AC Arthur
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Debbi Rawlins

Endlich daheim – so fühlt Debbi Rawlins sich, seit sie mit ihrem Mann in Las Vegas, Nevada, lebt. Nach viel zu vielen Umzügen beabsichtigt sie nicht, noch ein einziges Mal den Wohnort zu wechseln. Debbie Rawlins stammt ursprünglich aus Hawaii, heiratete in Maui und lebte danach u.a. in Cincinnati, Chicago,...

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