Tiffany Pure Lust Band 10

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TANZ MIT DEM BOSS von NICOLA MARSH

Tänzerin Makayla braucht diesen Job unbedingt! Doch ausgerechnet Hudson Watt entscheidet, ob sie ihn auch bekommt. Er ist ihre unerreichbare große Liebe und wird ihr neuer Boss! Selbst wenn sie den Job ergattert, muss sie dann täglich gegen das drängende Begehren ankämpfen ...

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  • Erscheinungstag 06.01.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751523646
  • Seitenanzahl 320
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Nicola Marsh, Clare Connelly

TIFFANY PURE LUST BAND 10

1. KAPITEL

Makayla Tarrant hatte sich in ihren vierundzwanzig Lebensjahren schon so manche Peinlichkeit geleistet.

Zum Beispiel die, als Siebenjährige bei ihrer ersten Ballettaufführung starr vor Ehrfurcht von der Bühne zu fallen.

Dann wäre da der Busenblitzer, als ihr mit sechzehn bei ihrem Bühnendebüt das Trikot verrutscht war.

Oder die Szene, wie sie vor wildfremden schmierigen Kerlen in einer Spelunke in Kings Cross gestrippt hatte, um ihrer Mum ein anständiges Begräbnis ermöglichen zu können.

Doch nichts davon kam auch nur annähernd an die Demütigung heran, die sie empfand, als sie in das bisher wichtigste Vortanzen ihres Lebens marschierte und feststellen musste, dass der Besetzungschef Hudson Watt war. Alles in ihr verkrampfte sich, wenn sie auch nur daran dachte.

Er war ihr bester Freund aus Jugendzeiten.

Ihr Vertrauter.

Ihr Kumpel, auf den in jeder Lebenslage Verlass war.

Der einzige Mann, dem sie je wirklich vertraut hatte.

Bis zu jener Nacht vor fünf Jahren, als er sie nackt auf der Bühne gesehen hatte und ihre Welt in sich zusammengebrochen war.

Seitdem hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Seit den abscheulichen Anschuldigungen, die sie einander an den Kopf geworfen hatten. Er hatte sie abgestempelt, ohne ihr die Chance zu geben, sich zu erklären. Sie wiederum hatte ihn aus ihrem Leben gestrichen, ohne es auch nur eine Sekunde zu bereuen.

Na gut, das war gelogen. Zu einer Zeit, da der unerwartete Tod ihrer Mum sie aus der Bahn geworfen hatte, als sie ihren Freund am meisten gebraucht hätte, und das Undenkbare getan hatte, um ein anständiges Begräbnis bezahlen zu können, hatte sich Watson in ein voreingenommenes Scheusal verwandelt – und sie den besten Freund verloren, den sie je gehabt hatte.

Damals hatte sie so getan, als würde es ihr nichts ausmachen, doch in Wirklichkeit hatte sie um ihre verlorene Freundschaft beinahe ebenso getrauert wie um ihre Mum.

„Die Nächste“, rief Hudson ungeduldig, während er die Seiten auf einem Klemmbrett umblätterte.

Makayla rührte sich nicht. Sie verharrte auf der linken Bühnenseite, die Füße noch schwerer als das Herz, und wünschte, sie hätte den Mut, sich einfach umzudrehen und wegzulaufen, bevor er sie sah.

Doch sie brauchte diesen Job dringend. Ihre Mitbewohnerin Charlotte wollte demnächst ausziehen, und Makaylas Teilzeitjob im Le Miel, der hippsten Patisserie von ganz Sydney, brachte nicht genug Geld für die Miete, von allem anderen ganz zu schweigen.

Sie hatte in den letzten Wochen für achtzehn verschiedene Rollen vorgetanzt. Vergebens.

Das Embue war der coolste Nachtclub in einer Stadt voller trendiger Hotspots, und als sie gehört hatte, dass dort für Liveshows gecastet wurde, hatte sie sich augenblicklich beworben. Sie war wild entschlossen gewesen, die erste Tanzrolle seit Monaten zu ergattern. Doch jetzt, wo sie Hudson vortanzen musste, schwand ihre Entschlossenheit rasant.

Mist.

Was in aller Welt sollte sie nur tun?

In diesem Moment hob er den Kopf, und ihre Chance, unbemerkt zu flüchten, war dahin.

Erschrocken riss er die Augen auf und öffnete überrascht den Mund, bevor er die Lippen zu einer schmalen Linie zusammenpresste. Dann runzelte er die Stirn. Dass er nicht gerade erfreut war, sie zu sehen, war keine große Überraschung angesichts des Schimpfworts, das sie ihm bei ihrer letzten Begegnung an den Kopf geknallt hatte.

„Hi, Hudson“, begrüßte sie ihn mit gespielter Begeisterung und schaffte es, lässig zu klingen. Doch ihre Hand zitterte, als sie ihm zuwinkte. „Lange nicht gesehen.“

Sie wand sich innerlich, so gelangweilt und klischeehaft kam ihr diese Begrüßung vor. Sie musste ihre Beine förmlich zwingen, sich in Bewegung zu setzen und zur Mitte der Bühne zu gehen. Wo sie im Scheinwerferlicht stehen würde. Entblößt. Verletzlich.

Verdammt.

Nachdem er sie eine gefühlte Ewigkeit angestarrt hatte, nickte er. „Mak. Du tanzt also für die Hauptrolle vor?“

Mak … Nur Hudson sprach diese kurze Silbe so aus, dass es sie tief berührte; wie eine warme Hand, die ihr träge und sanft über die Wirbelsäule strich. Seine Stimme kam ihr tiefer vor, heiserer als bei ihrer letzten Begegnung … als er ihr gemeine Unterstellungen an den Kopf geworfen hatte und ihre Freundschaft zerbrach.

„Mak?“

Verdammt, er hatte sie beim Tagträumen erwischt.

„Ja. Ich würde furchtbar gern die Hauptrolle in der neuen Produktion des Embue tanzen! Vielen Dank für die Chance.“

Sie ließ ihm keine Zeit zu antworten, sondern nickte dem musikalischen Leiter kurz zu, damit er ihren Song startete.

Sie würde sich besser fühlen, sobald die Musik einsetzte. Die Furcht, deretwegen sich ihr der Magen zusammenzog, würde vergehen. Die Nervosität, die ihre Muskeln verspannte, würde nachlassen. Das war auch unbedingt nötig. Denn sie durfte dieses Vortanzen nicht vermasseln. Es stand zu viel auf dem Spiel.

Als der erste dröhnende Basston eines Lady-Gaga-Hits aus dem Soundsystem erklang, fühlte Makayla eine Welle der Ruhe über sich hinwegrollen.

Das hier war ihr Ding.

Musik und Tanz und rhythmische Bewegungen – das verstand sie.

Männer, die sie verließen, wenn sie sie am meisten brauchte, eher nicht.

Als das Tempo anschwoll, begann sie mit ihrer Darbietung. Steps und Drehungen und Kicks, eine Choreografie, die den Zuschauer überwältigen sollte. Sie ließ sich von der Musik vereinnahmen, stampfte rhythmisch mit den Füßen und ließ die Arme in perfekter Synchronisation durch die Luft wirbeln.

So war es schon immer gewesen. Von dem Moment an, da sie als neugierige Dreijährige ihre Mum in einer Abendrevue in Kings Cross auf der Bühne hatte tanzen sehen und von den glitzernden Kostümen, dem Make-up und dem Applaus wie gebannt gewesen war.

Sie hatte ihre Mutter angehimmelt und genauso werden wollen wie sie. Hatte nach der gleichen Anmut und Eleganz und Bühnenpräsenz gestrebt. Aber Makayla wollte mehr. Mehr Ruhm. Mehr Anerkennung.

Broadway. Der Olymp. Ihr Traum.

Doch sofern sie nicht bald eine Hauptrolle ergatterte, würde sich ihr Traum in Luft auflösen, ebenso wie das, was sich noch auf ihrem Bankkonto befand.

Der Song näherte sich dem Ende, und Makayla setzte zum Finale an, einem Lauf über die Bühne inklusive Spagatsprung, bevor sie elegant auf den Füßen landete, die Arme in Siegespose hochgerissen.

Die Musik verklang, und die Stille war ohrenbetäubend.

Bei einigen Castings hatte sie schon erlebt, dass die Intendanten nach herausragenden Darbietungen applaudierten.

Hudson zuckte nicht mal mit dem Mundwinkel.

Sie schluckte den wachsenden Kloß im Hals hinunter und trat an den Rand der Bühne, aus dem Scheinwerferlicht heraus.

Hudson kritzelte etwas, bevor er mit unergründlicher Miene zu ihr aufsah.

Ihr rutschte das Herz in die Hose, aber sie zwang sich zu einem Lächeln, das umso verkrampfter wirkte, je länger er sie aus schmalen Augen anstarrte.

„Wir melden uns“, sagte er und entließ sie mit einem kurzen Nicken.

Vor Enttäuschung drohten ihr die Knie zu versagen, aber nicht um alles in der Welt würde sie ihn merken lassen, dass sie am Boden zerstört war.

Sie kratzte ihr letztes bisschen Mut zusammen und stolzierte von der Bühne.

Hinter dem goldenen Plüschvorhang angekommen, zeigte sie ihm den Stinkefinger.

2. KAPITEL

Hudson verkniff sich ein Lachen.

Mak hatte ihm den Stinkefinger gezeigt, als sie glaubte, er könne sie nicht mehr sehen. Aber das Embue war für seine vielen Spiegel bekannt, und so hatte er genau mitbekommen, was sie bei ihrem Abgang von der Bühne getan hatte.

Temperamentvoll. Frech. Selbstbewusst. Immer noch dieselbe alte Mak. Und dennoch war sie längst nicht mehr dieselbe.

Fünf Jahre war es her, dass er sie in diesem Stripclub in Kings Cross gesehen hatte, splitterfasernackt vor einem Haufen sabbernder Höhlenmenschen. Fünf Jahre, seit er Mist gebaut hatte. Und was für einen Mist!

Sie war seitdem aufgeblüht, ihre Kurven waren fraulicher, ihre Beine einen Hauch länger, ihre Augen hatten ein tieferes Blau, ihr Haar ein sattes, wunderschönes Kastanienbraun. Schon früher, als sie miteinander aufwuchsen, war Mak eine Wucht gewesen, doch jetzt konnte ihr Anblick einen Mann buchstäblich in die Knie zwingen.

Als er ihren Namen auf der Bewerberliste gesehen hatte, hätte er schwören können, dass sein Herz einen Schlag aussetzte – diese Wirkung hatte sie auf ihn. Schon immer gehabt.

Seine erste Reaktion, nämlich ihren Namen durchzustreichen, hatte er rigoros unterdrückt. Schließlich war es nicht ihre Schuld, dass er jene Nacht nicht auslöschen konnte, in der er ihren Striptease mit angesehen und sich deswegen mit ihr überworfen hatte.

Wie oft hatte er danach zum Telefon gegriffen, um sich zu entschuldigen? Um zu sehen, ob es ihr gut ging? Um sie davon abzubringen, einen liederlichen Weg einzuschlagen, von dem er aus erster Hand wusste, dass er in einer Tragödie enden würde?

Er wollte ihr eine Standpauke über die Gefahren halten, mit dem Strippen leichtes Geld zu machen. Sie vor diesem Teufelskreis warnen. Wollte ihr den wahren Grund für seine Angst erzählen – in der Hoffnung, sie würde verstehen, wieso er dermaßen ausgerastet war.

Stattdessen legte er jedes Mal wieder auf, weil er wusste, dass Worte den Schaden, den er in jener Nacht angerichtet hatte, nicht wiedergutmachen konnten.

Er hatte in seiner Wut furchtbare Dinge gesagt, hasserfüllte Dinge. Und sie leider nicht mehr zurücknehmen können.

Eine Woche später verließ er Kings Cross, zog in ein kleines Apartment im Stadtteil Manly und nahm den Managerjob im Embue an. Er mied die Clubs im Cross aus Angst, Mak auf der Bühne zu sehen. Er hätte es nicht ertragen zuzusehen, wie diese schmierige Welt ihr ihre angeborene Unschuld raubte.

Ihren Namen auf der Bewerberliste zu sehen, versetzte ihm einen Stich. Konnte er ihr wirklich erneut beim Tanzen zusehen, wo sie doch beim letzten Mal nackt gewesen war? Er fürchtete, dass es all die alten Gefühle wecken würde: Verärgerung, Ekel und auch eine gute Dosis Eifersucht. Verrückte, außer Kontrolle geratene Emotionen, wo es ihm doch überhaupt nicht zustand, irgendetwas davon zu empfinden.

Zwei Tage lang hatte er gezögert, bevor er die Agentur angerufen und um eine Liste mit potenziellen Tänzern gebeten hatte, die er sich ansehen wollte. Bevor er seine eigene Entscheidung hinterfragen konnte, hatte er auch Maks Namen auf die Liste gesetzt.

Und nachdem er nun vor wenigen Minuten gesehen hatte, was sie draufhatte, war er froh.

Mak konnte tanzen. Wirklich tanzen. Sie besaß genau die Art von Talent, die das Embue zu dem Schauplatz für Liveshows machen würde.

Hudson war besorgt gewesen, ihr Auftritt könne ihn in jene entsetzliche Nacht vor fünf Jahren zurückkatapultieren und seine Objektivität als Produzent ruinieren.

Doch Gott sei Dank war dem nicht so gewesen. Ihre geschmeidigen Bewegungen, ihre Fähigkeit, einen kleinen Raum zu beherrschen, ihre Bühnenpräsenz hatten ihn in ihren Bann geschlagen.

Als Tänzerin war Mak ganz einfach eine Wucht.

Umso mehr bereute er es nun, in den vergangenen fünf Jahren verpasst zu haben, wie sie vom Teenager zur Frau gereift war. In einer Welt, in der er niemandem schnell vertraute, war Mak eine gute Freundin gewesen. Eine der besten, abgesehen von Tanner.

„Vortanzen beendet?“ Tanner ließ sich auf den Sitz neben ihn fallen und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. „Abby kriegt nämlich langsam Angst bei all den langbeinigen Schönheiten, die hier zeigen, was sie zu bieten haben.“

Hudson schnaubte „Deine Freundin weiß ganz genau, dass du sie anbetest und sie dich fest an der Leine hat.“

„Sie ist die Beste.“ Tanners dümmliches Grinsen verursachte Hudson Brechreiz.

Nicht dass er seinem besten Kumpel und Boss das Glück nicht gönnte. Wenn jemand es verdiente, dann Tanner, nach all dem Scheiß, den er als Kind hatte ertragen müssen. Aber seit Abby vor einem Monat auf der Bildfläche erschienen war, war Tanner nur noch ein Schatten seines früheren Selbst. Er starrte zu den unmöglichsten Zeitpunkten entrückt ins Leere. Er verließ den Nachtclub früh, um sich mit Abby Schnulzen anzusehen. Er hatte keine Lust mehr, mit ihm um die Häuser zu ziehen wie früher.

Beziehungen waren echt das Letzte.

Tanner legte die Hände in den Schoß. „Also? Verschwende ich bloß meine Zeit, wenn ich dir die Chance gebe, diese Liveshow auf die Beine zu stellen?“

Das hoffte Hudson definitiv nicht. Seine Idee musste einfach funktionieren. Er schuldete Tanner etwas, und seine Schulden bezahlte er immer.

„Ich muss nur noch die Hauptrolle besetzen, dann können die Proben beginnen.“

Tanner nickte nachdenklich. „Wie war Makayla?“

Hudson zuckte zusammen und bekam augenblicklich ein flaues Gefühl in der Magengegend. Eines, das in ihm den Wunsch weckte, irgendetwas zu schlagen. Vorzugsweise Tanner, sofern er mit Mak geschlafen haben sollte.

Die Frauen lagen Tanner zu Füßen, das war schon immer so gewesen. Und Hudson war ja auch nicht neidisch auf ihn. Schließlich konnte er selbst sich ebenfalls nicht beklagen. Aber die Vorstellung, dass seine Mak mit irgendjemandem … wobei sie ja gar nicht die Seine war. Nicht mehr. Eigentlich war sie es nie gewesen, nicht wirklich. Dafür hatte sein Tobsuchtsanfall vor fünf Jahren gesorgt.

„Mak war gut.“ Nur mit Mühe gelang es Hudson, seine Stimme unter Kontrolle zu halten. „Woher kennt ihr zwei euch?“

Tanner lachte so laut auf, dass es durch den Club hallte. „Mann, du solltest dein Gesicht sehen. Du siehst aus, als hättest du in eine Zitrone gebissen.“

„Leck mich“, knurrte Hudson. Der Drang, Tanner eine reinzuhauen, wurde von Minute zu Minute größer.

„Die passendere Frage ist doch wohl: Woher kennst du Mak?“ Tanners Lachen verklang zu einem Kichern. „Deinem finsteren Gesichtsausdruck nach zu urteilen, gehe ich davon aus, dass du sie wesentlich besser kennst als ich.“

„Du hast meine Frage nicht beantwortet, du Wichser.“

Mit aufreizender Gelassenheit und entschlossen, ihn schwitzen zu lassen, verschränkte Tanner die Finger und streckte die Arme nach vorn. „Makayla arbeitet zusammen mit Abby im Le Miel. Und als Remy im Krankenhaus war und ich dort ausgeholfen habe, habe ich sie kennengelernt.“

„Oh.“ Hudsons Empörung verpuffte, und er kam sich vor wie ein Idiot, weil er vor lauter Eifersucht nicht mehr klar denken konnte.

Er hatte kein Recht, eifersüchtig zu sein, was Mak anging. Und wenn sie mit ganz Nordsydney im Bett gewesen wäre, hätte es ihm nichts ausmachen dürfen. Aber das tat es. Tief in seinem Innern, wo ein Teil von ihm sie noch immer schrecklich vermisste, machte es ihm etwas aus. Und zwar verdammt viel.

„Wenn du sie Mak nennst, kennst du sie wohl schon länger als ich?“ Tanner grinste, doch seine Neugier war offensichtlich.

Hudson hätte lügen können. Aber sie hatten gemeinsam zu viel durchgemacht seit ihrer Zeit auf der Kings Cross Highschool. Zwei Außenseiter ohne Mütter, die sich so gut wie möglich mit ihren Arschlöchern von Vätern durchzuschlagen versuchten.

„Mak und ich kennen uns schon ewig“, erklärte er. „Als ich in den Clubs im Cross gearbeitet habe, sind wir uns ständig über den Weg gelaufen. Ihre Mutter war dort Tänzerin und Kellnerin, und so haben wir uns angefreundet.“

Tanner spürte wohl, dass eine ernste Geschichte dahintersteckte, denn statt weiterhin idiotisch zu grinsen, sah er einfach geradeaus. „Wie kommt’s, dass du sie damals nie erwähnt hast?“

Weil Mak nur ihm allein gehört hatte. Der einzige Lichtblick in einer miesen Welt. Jemand, dem er vertrauen konnte.

Aber davon erzählte er Tanner nichts. „Ich hatte keine Lust, mich von dir damit aufziehen zu lassen. Sie ist jünger als ich, und ich wollte sie schützen.“

„Der edle Sir Galahad“, spöttelte Tanner und setzte wieder sein dämliches Grinsen auf. „Was ist passiert?“

„Wir haben uns entzweit.“ Die Untertreibung des Jahrhunderts, wenn man bedachte, was für einen verbalen Schlagabtausch sie sich an dem Abend geliefert hatten, als er sie zufällig beim Strippen gesehen hatte. „Bin ihr seit Jahren nicht mehr begegnet.“

„Also habt ihr beide nie … du weißt schon?“

„Nein.“

Mak war aufgrund ihres Alters tabu gewesen. Sie hatte eine Unschuld ausgestrahlt, die in einer ansonsten schmutzigen Welt wie ein Leuchtfeuer gewesen war. In einer Welt der Drogen, Zuhälter, Prostituierten und Stripperinnen. Einer Welt, in der er notgedrungen hatte arbeiten müssen, von der er sich aber nicht verderben lassen wollte.

Das war einer der vielen Gründe, weshalb er an jenem Abend ausgeflippt war, als sie sich nackt auf der Bühne gewunden hatte.

Deswegen und wegen seiner Mum.

„Tja, Mann, keine Ahnung, was mit dir nicht stimmt. Makayla ist eine Granate, und wenn ich Single wäre, würde ich definitiv versuchen, bei ihr …“

„Halt die Klappe!“

„Woah, immer mit der Ruhe, Großer.“ Tanner hielt die Hände hoch. „Ich sage bloß meine Meinung. Und wenn du bei einer harmlosen Bemerkung schon so überreagierst, solltest du dringend mal wieder vögeln.“

Völlig daneben lag Tanner ja nicht. Seit Hudson diese Show plante, hatte er keine Zeit für Dates gehabt. Sein letzter Sex lag mindestens drei Monate zurück. Vielleicht war das der Grund, weshalb er auf die Bühne hatte springen und Mak in die nächstbeste Garderobe schleifen wollen, als er sie vor zehn Minuten dort oben gesehen hatte?

„Ich muss die Recalls organisieren, wenn du mich also entschuldigen würdest, ich habe zu tun.“ Er wedelte mit dem Klemmbrett vor Tanners Nase, und Tanner grinste, als hätte er seine lahme Ausrede durchschaut.

„Geh vögeln, Kumpel. Dann stehst du nicht mehr so unter Druck. Laut Abby hatte Mak schon ewig kein Date mehr, also solltet ihr zwei eure Freundschaft vielleicht wieder auffrischen.“

Hudsons wütenden Blick bekam Tanner nicht mehr mit, als er davonschlenderte und zum Abschied die Hand hob. Verdammt, der Ratschlag klang wirklich verlockend.

Aber wie könnte er sich Mak als Freund nähern, wo sie doch soeben die Hauptrolle in seiner Tanzshow ergattert hatte?

Maks Talent hatte ihn umgehauen. Sie hatte sich diese Rolle verdient.

3. KAPITEL

Als Makayla das Le Miel erreichte, hatte sie sich bereits dreiundvierzig verschiedene Möglichkeiten ausgedacht, wie sie Hudson wehtun könnte.

Köpfen, ausweiden, beschneiden … Sie hatte große Lust, es ohne Betäubung zu tun.

Sein knappes, abgedroschenes „Wir melden uns“ fühlte sich an wie eine Verhöhnung und war ihr durch den Kopf gehallt, bis sie mehrmals gegen das Lenkrad ihres Wagens schlug. Geholfen hatte es nicht. Hoffentlich würde es ihr besser gehen, wenn sie bei Abby Dampf abließ.

Denn eines war Makayla völlig klar: So, wie sie vor fünf Jahren auseinandergegangen waren, hegte Hudson nicht die geringste Absicht, sie anzurufen. Niemals.

Und selbst wenn doch – würde sie den Job annehmen? Könnte sie mit einem Kerl zusammenarbeiten, der sie als Charakterschwein verurteilt und damit ihre Freundschaft beendet hatte?

Sie hatte mitbekommen, was in der Entertainment-Gerüchteküche gemunkelt wurde. Dass mit der Hauptrolle im Embue eine gute Chance einherging, auch eine Rolle im neuesten Tanzspektakel zu bekommen, das in ein paar Monaten im Opernhaus inszeniert werden sollte. Und danach … tja, ein Engagement im Wahrzeichen von Sydney würde in ihrem Lebenslauf wahnsinnig gut aussehen, falls sie es je an den Broadway schaffen sollte.

Broadway … Ihr großer Traum, seitdem sie in ihr erstes Tutu und ihre ersten Stepptanzschuhe geschlüpft war.

Ihre Mum hatte sich nie über ihre Träume lustig gemacht. Stattdessen hatte Julia Tarrant die große Liebe ihrer Tochter zum Tanz unterstützt und jeden Cent, den sie verdiente, in Makaylas Tanzstunden investiert. Erst als ihre Mum gestorben war, hatte Makayla erkannt, wie viele Opfer ihre Mum gebracht hatte: Julia besaß keinerlei Ersparnisse, dafür aber eine detaillierte Liste darüber, wohin ihr Geld im Laufe der Jahre geflossen war. Die Ausgaben zeigten deutlich, wie sehr Julia ihre Tochter geliebt hatte.

Makayla hatte ihre Mum vergöttert, und als sie feststellen musste, dass sie sich kein anständiges Begräbnis leisten konnte … hatte sie drastische Maßnahmen ergriffen und für einen einzigen Abend diesen Stripteasejob angenommen.

Den Abend, an dem Hudson durchgedreht und ihre Freundschaft zerbrochen war.

Von allen Besetzungschefs für eine Tanzshow musste sie ausgerechnet an Hudson geraten.

Wieso um alles in der Welt produzierte er überhaupt eine Tanzshow im Embue? Er wollte es immer aus dem Cross heraus schaffen, wenn er älter wäre, und in die Clubszene einsteigen. Wie kam es also, dass er jetzt eine Bühnenshow produzierte?

Sie betrat die Küche und knallte die Tür fester zu als beabsichtigt, sodass Abby zusammenschrak und ihr der Backpinsel aus der Hand fiel.

„Meine Güte, was hat dich denn so auf die Palme gebracht? Ist dir nicht klar, wie viel Präzision und Genialität nötig sind, um ein perfektes Zitronentörtchen zu kreieren?“

Makayla verdrehte die Augen. „Du könntest auch im Schlaf Gebäck zubereiten, und es würde köstlich schmecken, also hör auf zu jammern.“

„Da hat aber jemand schlechte Laune. Was ist denn los?“

„Ich hatte heute Morgen ein Vortanzen. Es lief nicht so gut. Es war eine große Sache. Und ich hab’ mir den Arsch abgetanzt.“

„Und sie haben sofort Nein gesagt?“

„Hudson meinte ‚Wir melden uns‘. Aber das hab’ ich schon oft gehört.“

„Hudson? Ich kenne einen Typen namens …“

„Ja, er ist Tanners bester Freund. Ich wusste nicht, dass er im Embue arbeitet, als ich mich angemeldet habe, sonst hätte ich gar nicht erst vorgetanzt.“

Makayla sackte auf ihrem Hocker noch weiter in sich zusammen. Sie hätte sich freuen sollen, sich aus eigener Kraft ein so wichtiges Vortanzen verschafft zu haben. Doch sie konnte nur daran denken, dass diese Rolle längst ihr gehören würde, wenn jemand anderes für die Besetzung zuständig gewesen wäre.

„Ich kenne Hudson nicht gut, aber er scheint nett zu sein.“

„Er ist ein Arschloch.“

Das stimmte nicht ganz, und sie fühlte sich augenblicklich schuldig, weil sie es gesagt hatte. Hudson war einer von den Guten. Zumindest war er das gewesen, bis er durchgedreht war, ihr Vorhaltungen gemacht und sie zurechtgewiesen hatte, ohne überhaupt zu wissen, warum sie sich ausgezogen hatte.

Sie war von der Heftigkeit seines Zorns wie benommen gewesen. Hudson hatte ihr keine Chance gelassen, es ihm zu erklären. Sie war schon beschämt genug gewesen, sich vor einem Raum voller sabbernder Idioten auszuziehen, aber sie hatte es durchgestanden, indem sie sich ausschließlich auf ihre Mum konzentriert hatte.

Dann hatte Hudson seinen Sturm der Empörung über ihr entfesselt, und das zu einem Zeitpunkt, als sie seine Unterstützung ganz dringend gebraucht hätte. Sie würde ihm niemals verzeihen, und das hatte sie ihm auch gesagt.

Abby wischte sich die Hände ab und setzte sich neben Makayla. „Was ist passiert?“

„Hudson und ich waren mal dicke Freunde. Und dann waren wir’s nicht mehr. Und als ich heute zum Vortanzen erschienen bin, war er der Besetzungschef, also ist es nur logisch, dass es das für mich war.“

„Ich weiß ja nicht, was zwischen euch vorgefallen ist, aber glaubst du echt, dass er so kleinkariert ist?“

„Wir sind nicht gerade im Guten auseinandergegangen.“ Sie hob eine Hand. „Und bevor du fragst, mehr habe ich dazu nicht zu sagen.“

„Okay. Du glaubst also, Hudson beurteilt dich nicht nach deinem tänzerischen Können? Dass er sich von eurer Vorgeschichte beeinflussen lässt? Das wäre aber nicht besonders professionell von ihm.“

Bevor Makayla antworten konnte, klingelte ihr Handy. Sie zog es aus der Tasche und sah aufs Display: eine unbekannte Nummer.

„Ich warte noch auf die Rückmeldung von einem anderen Vortanzen, da muss ich also rangehen“, erklärte sie. Abby nickte, und Makayla nahm den Anruf entgegen. „Makayla Tarrant.“

„Hey, Mak, ich bin’s.“

Scheiße. Er war der letzte Mensch, mit dessen Anruf sie gerechnet hätte.

Sie brachte ein kurzes „Hi“ heraus, bevor er fortfuhr.

„Ich wollte dir Bescheid geben, dass dein Vortanzen beeindruckt hat. Komm doch bitte vorbei, damit wir reden können.“

Sie sollte ihm danken. Begeistert klingen. Aber ihr stand vor Schock der Mund offen, und sie konnte nur eines denken: Ich habe die Chance, einen tollen Job an Land zu ziehen.

„Mak?“

Sie räusperte sich. „Klar, ich komme vorbei, danke.“

„Kannst du heute Abend so gegen sieben ins Studio im Embue kommen?“

„Gut“, erwiderte sie. Sie war noch immer überrascht von seinem Angebot, schaffte es aber, gelassen zu klingen. „Bis dann.“

Sie legte auf, bevor er noch etwas sagen und sie noch mehr durcheinanderbringen konnte, und starrte ungläubig auf ihr Handy.

„Gute Nachrichten?“ Abby berührte sie am Arm, und Makayla nickte.

„Hudson lädt mich zum Recall ein.“

„Das ist ja toll, Süße!“ Abby umarmte sie. „Siehst du? Ich sag doch, er ist ein netter Typ.“

„Ja …“ Mak klang keineswegs überzeugt.

Einen Augenblick lang überlegte sie, ob sie ihn zurückrufen und ein vorheriges Engagement als Ausrede vorschieben und ihm absagen sollte.

Was ziemlich dumm wäre, wo sie diesen Job doch dringend brauchte und er ihr Sprungbrett zu Größerem sein konnte. Auf keinen Fall würde sie kneifen, ohne es überhaupt versucht zu haben.

„Auch auf das Risiko hin, dass du mir den Kopf abreißt, gebe ich dir jetzt einen Rat. Das Tanzen ist dein Leben, nicht die Teilzeitarbeit in einer Patisserie, um deine Rechnungen bezahlen zu können. Also was auch immer zwischen euch beiden vorgefallen ist, vergiss es und konzentrier dich darauf, das Beste aus dieser Chance zu machen, okay?“

„Danke, Abs.“ Makayla beugte sich vor und umarmte ihre Freundin. „So eine Tanzrolle wie diese habe ich mir schon so lange gewünscht. Also werde ich diesen Recall für mich entscheiden, und wenn es mich umbringt.“

4. KAPITEL

Hudson kam dieser Tage nicht mehr oft nach Kings Cross. Was weniger damit zu tun hatte, dass er seiner Vergangenheit entfliehen wollte, als damit, dass er sich weiterentwickelt hatte. Aber Bluey McNeil hatte ihn angerufen, und wenn der Mann anrief, der ihm zu seinem ersten Job verholfen hatte, dann sprang Hudson über seinen Schatten.

Bluey klang nicht gut. Er hatte während des kurzen Gesprächs dreimal gehustet. Ein trockener Husten, bei dem Hudson an Blueys tägliche Schachtel Zigaretten denken musste und daran, wie ausgezehrt er ausgesehen hatte, als er ihn vor drei Monaten das letzte Mal gesehen hatte.

Eine böse Vorahnung ließ Hudson schneller gehen, als er den berühmten El-Alamein-Brunnen umrundete, die Kneipe passierte, in der er seinen Vater unzählige Male volltrunken vorgefunden hatte, und den kleinen Jazzclub betrat, der treffenderweise Bluey’s hieß, nach seinem Besitzer.

Obwohl draußen die Sonne schien, herrschte im Club tiefste Nacht. Ein paar Gäste saßen an den Tischen um die kleine Bühne herum, auf der ein einzelner Saxofonist spielte.

„Hey, Zwerg, danke, dass du gekommen bist.“ Eine Hand schlug ihm auf den Rücken, und Hudson grinste. Er war ein Spätzünder gewesen, weshalb Bluey ihn immer Zwerg genannt hatte. Der Spitzname war ihm geblieben, selbst als er mit siebzehn auf über eins achtzig in die Höhe schoss.

Doch als Hudson sich zu seinem alten Freund umdrehte, verging ihm das Grinsen. Bluey sah furchtbar aus. Ein wandelndes Skelett. Dünn wie Pergament spannte sich die Haut über seinen Wangenknochen. Und seine Blässe ließ erahnen, wie krank er war.

„Jederzeit, du alter Halunke.“ Bluey hatte enorm viel Gewicht verloren, und aus Hudsons böser Vorahnung von vorhin wurde handfeste Panik.

Bluey deutete auf die Bar. „Setzen wir uns. Was trinkst du?“

„Das Übliche“, antwortete Hudson, womit er seinem alten Freund – wie jedes Mal – eine Reaktion entlockte.

Bluey rümpfte die Nase. „Orangensaftschorle ist was für Mädchen.“

„Das hast du mir schon tausend Mal gesagt.“ Hudson goss Orangensaft in ein Glas und gab statt Wasser einen Schuss Wodka hinzu, wie er es schon so oft getan hatte. „Was ist los, alter Mann? Frauengeschichten?“

Bluey schob ihm das Glas über die Bar hinweg zu. „Du weißt, dass mein Herz Julia gehörte, und seither hat keine Frau ihr je das Wasser reichen können.“

„Wer redet denn von deinem Herz?“ Hudson fragte sich, ob Maks Mum je von Blueys Gefühlen für sie gewusst hatte.

Dieser Club war nicht nur deshalb etwas Besonderes für ihn, weil er seinem ersten Boss gehörte. Im Bluey’s hatte er Mak kennengelernt, als sie auf einer provisorischen Bank in einer Nische im Hauptflur zur Küche Hausaufgaben machte, während ihre Mum an den Tischen bediente. Sie war fünfzehn, fröhlich und lebhaft gewesen; er zwanzig, abgestumpft und verzweifelt darum bemüht, aus dem Cross herauszukommen.

Sie hatte etwas Erfrischendes an sich gehabt, und als sie erst einmal ins Gespräch gekommen waren, war ihre Freundschaft besiegelt.

Damals hatte er mitbekommen, wie Bluey Julia mit Hundeblick angeschmachtet hatte. Julia war locker damit umgegangen und so freundlich zu Bluey gewesen wie auch zu seinen Gästen. Jeder hatte Julia geliebt, und Hudson hätte schon längst das Gleiche für ihre Tochter empfinden können, wenn er nicht so einen Riesenmist gebaut hätte.

„Hör mal, Zwerg, ich muss dir etwas sagen.“ Bluey stützte sich auf den Tresen hinter der Bar und wandte den Blick ab. Hudson war klar, dass es sich um schlimme Neuigkeiten handelte. „Ich bin auf dem Weg zur großen Jazzbar im Himmel. Lungenkrebs. Endstadium. Ein paar Monate noch, höchstens.“

Hudson wurde ganz flau im Magen, und er kippte seinen Orangensaft mit Wodka in zwei Schlucken hinunter, während Bluey weiterredete. „Ich wollte, dass du es von mir erfährst und nicht von irgendeinem der Typen hier, der dich dann anruft und zu meinem Begräbnis einlädt.“

Hudson hätte gern etwas gesagt, irgendetwas, um die Hiobsbotschaft abzumildern. Doch ihm fiel nichts ein.

„Und bevor du mir hier jetzt noch sentimental wirst, lass es bleiben. Ich hatte einundsechzig Jahre und das große Glück, die meiste Zeit davon diesen Laden hier zu betreiben. Also lass das Mitleid stecken. Ich hatte einen guten Lauf. Und ich habe jeden einzelnen von diesen verdammten Sargnägeln genossen, die mir diese Scheißkrankheit verpasst haben.“ Er klopfte sich auf die Brust. „Also, jetzt weißt du’s. Was gibt’s bei dir Neues?“

Hudson schnürte sich vor Schmerz die Brust zusammen, wenn er daran dachte, dass er Bluey bald verlieren würde. Dieses Gefühl hatte er schon einmal erlebt, an dem Abend, als er das Le Chat betreten und Mak auf der Bühne strippen gesehen hatte.

Er hatte beinahe ebenso sehr um den Verlust ihrer Freundschaft getrauert wie um seine Mutter, die viel zu früh aus seinem Leben verschwunden war.

Diesmal wartete er, bis der Schmerz nachließ. Nahm sich Zeit, um eine Antwort zu formulieren. Hätte er das auch damals bei Mak getan, hätten sie vielleicht noch eine Chance gehabt.

Als der Kloß in seinem Hals schließlich abschwoll, sagte Hudson: „Danke, dass du es mir erzählst, aber das ist wirklich eine verdammte Scheiße.“

„Ja, Zwerg, ist es, aber was soll man tun? Erzähl mir etwas, um mich auf andere Gedanken zu bringen.“

„Mak hat heute bei mir vorgetanzt.“ Die Worte platzten einfach heraus, und er bereute sie augenblicklich. Denn nicht nur er hatte Blueys Schwärmerei für Julia mitbekommen, sondern der alte Mann hatte auch seine Schwäche für Mak bemerkt und ihn endlos damit aufgezogen.

„Wie geht’s ihr?“

„Gut. Sie hat Talent. Ich besetze in der Revue, die ich im Embue produziere, die Hauptrolle mit ihr.“

„Sieh mal einer an.“ Bluey verschränkte die Arme und grinste süffisant. „Das dürfte interessant werden.“

„Wir werden auf rein professioneller Ebene zusammenarbeiten“, erklärte Hudson und hoffte, dass er das auch tatsächlich durchhalten konnte.

Gleich von Anfang an musste er klare Grenzen ziehen: Er würde Maks Boss sein, sie würde seinen Anweisungen folgen. Wie sollte er es sonst schaffen, ihr tagtäglich beim Tanzen zuzusehen, wenn er seine Erinnerungen nicht im Griff hatte?

Er dachte ohnehin bereits viel zu viel über sie nach und malte sich ihre zukünftigen Zusammentreffen aus – berufliche oder auch andere.

Bluey kicherte. „Ich habe keine Ahnung, wieso ihr beide euch zerstritten habt. Wenn du auch nur drei Gehirnzellen in deinem Dickschädel besitzt, dann behandelst du sie diesmal anständig.“

„Was meinst du mit diesmal?“

Bluey verdrehte die Augen. „Weil immer der Mann schuld ist, du Dummkopf, und wenn du das bis jetzt noch nicht kapiert hast, dann bist du dümmer, als ich dachte.“

Hudson rang sich ein schiefes Lächeln ab. „Du wirst mir fehlen.“

„Du mir auch, Kleiner.“ Blueys Augen schimmerten feucht, bevor er sich wegdrehte und hustete.

Das Leben war nicht fair. Das hatte Hudson bereits verdammt früh erfahren müssen, als sich seine Mum vom Acker machte und ihn in der Obhut eines gemeinen Säufers zurückließ. Aber Bluey zu verlieren, würde ihn schwer treffen, dessen war er sich bewusst.

Blueys Hustenanfall ließ langsam nach, und er drehte sich wieder um. „Jetzt sieh gefälligst zu, dass du hier verschwindest, damit ich arbeiten kann.“

„Dir deinen besten Fusel selbst hinter die Binde kippen, meinst du?“ Hudson stand auf, ging um die Theke herum und schloss den Freund erneut in die Arme. „Ruf mich an, wenn du irgendetwas brauchst, okay? Jederzeit, Tag und Nacht.“

„Danke, Kleiner.“ Bluey schob ihn halbherzig von sich. „Du warst schon immer ein Softie.“

„Ich schaue nächste Woche noch mal rein“, sagte er. Bluey salutierte als Antwort, die Augen sorgenvoll.

Bluey hatte gesagt, dass ihm noch ein paar Monate blieben. Hudson war klar, dass der alte Mann jeden Tag leben würde, als wäre es sein letzter.

Die Ungerechtigkeit des Ganzen übermannte ihn erneut, und er ging zur Tür, bevor er noch losheulen würde. Er stolperte zum nahe gelegenen Brunnen und ließ sich auf eine Bank fallen.

Für ihn würde Kings Cross immer sein Zuhause bleiben. Das war etwas, das niemand verstand, der nicht selbst hier gelebt hatte. Der nicht selbst den finsteren Gassen getrotzt hatte, um zu überleben. Mak verstand das. Und sein Treffen mit Bluey hatte Hudson völlig unerwartet deutlich gemacht, wo er mit ihr stand.

Das Leben war zu kurz, um an der Vergangenheit festzuhalten. Nachdem er so hart gearbeitet hatte, um erfolgreich zu werden und die Vergangenheit hinter sich zu lassen, war er jetzt dennoch wieder hier, wo alles begonnen hatte, und fühlte sich ebenso verloren und einsam wie damals.

Er hatte es weit gebracht. Mak vermutlich auch. Er hatte kein Recht, sie zu verurteilen. Nicht mehr.

Wenn sie heute Abend vorbeikam, würde er ihr ohne Vorurteile gegenübertreten. Versuchen, die Vergangenheit zu vergessen und sich auf die Zukunft zu konzentrieren. Das war er ihnen beiden schuldig.

5. KAPITEL

Mak schritt ins Embue, als ob ihr der Laden gehörte: selbstbewusst und überzeugt, dass sie genau den umwerfenden Eindruck machte, den sie beabsichtigte.

Smokey Eyes. Sirenenrote Lippen. Seidig glänzendes, geföhntes Haar. Mörderische Absätze. Und ein knielanges, figurbetontes smaragdgrünes Etuikleid.

Heute Abend wollte sie ihre Stellung behaupten und Hudson zeigen, wer der Boss war.

In Wirklichkeit würde sie ihm gegenüber respektvoll sein müssen, weil sie diesen Job wirklich brauchte. Aber ihre Aufmachung verlieh ihr ein gutes Gefühl.

Sie konnte das hier. Hudson davon überzeugen, sie zu engagieren. Sich für die Dauer dieser Show den Hintern abtanzen. Definitiv machbar.

Bis sie ihn auf sich zukommen sah. Das Herz rutschte ihr in die Hose und ihr Selbstvertrauen gleich hinterher.

Hudson war der Typ, in den sie jahrelang heimlich verliebt gewesen war.

Der Typ, den sie angehimmelt hatte.

Der Typ, der der beste Freund gewesen war, den ein Mädchen sich wünschen konnte.

Und der sie in ihrem verletzlichsten Augenblick splitterfasernackt gesehen und sich von ihr abgewandt hatte.

„Hey, Mak, schön, dass du es geschafft hast. Gehen wir ins Studio zum Reden.“

Es war Jahre her, dass sie ihn gesehen hatte, wieso also dieselbe irrationale Reaktion – als würde ihr Körper auf instinktiver Ebene das erkennen, was ihr Verstand nicht wahrhaben wollte?

Sie sollte ihn eigentlich dafür hassen, wie er sie behandelt und ihre Freundschaft einfach so mir nichts, dir nichts weggeworfen hatte. Aber dieser Job hatte Priorität.

„Wie war dein Tag?“

„Alles wie immer“, erwiderte sie. „Ich arbeite Teilzeit in einer Patisserie. Le Miel. Schon mal davon gehört?“

Natürlich hatte er das, denn sein Boss Tanner hatte vorübergehend dort gearbeitet, als dessen Bruder Remy nach einem Sturz im Krankenhaus lag. Und Abby kannte ihn, also musste er wissen, dass sie auch dort arbeitete. Aber sie wollte sehen, wie ehrlich er wäre und wie ihre neue Arbeitsbeziehung beginnen würde.

Er starrte sie an, als wüsste er, dass sie ihn aufs Glatteis führen wollte. „Tanner ist mein bester Kumpel, also ja, ich kenne den Laden. Und Abby habe ich auch kennengelernt, sie ist reizend.“

Erleichtert über seine Aufrichtigkeit, nickte sie. „Die beiden sind gute Menschen.“

Er warf ihr einen fragenden Blick zu. „Alles okay mit dir?“

Nein, kein bisschen. Sie konnte nicht so tun, als wäre der Streit, der ihre Freundschaft ruiniert hatte, nie geschehen. Als täte es nicht immer noch weh, dass er so wenig von ihr gehalten hatte.

„Ganz ehrlich? Es fällt mir schwer, dich als meinen potenziellen Boss zu betrachten, wo wir doch eine gemeinsame Vergangenheit haben.“

Keine Reaktion. Nicht einmal der Hauch eines Zugeständnisses war seinem Gesichtsausdruck anzumerken. Wie schaffte er das, seine Gefühle so unter Kontrolle zu halten?

„Lass uns hier drinnen reden.“ Er schob die Flügeltür zum Studio auf, ließ sie hindurchgehen und schloss sie wieder.

Bevor sie etwas sagen konnte, hob er auf irritierend gebieterische Weise die Hand. „Ich weiß, dass wir über das reden müssen, was damals vorgefallen ist. Aber vorher sollst du wissen, dass du die Hauptrolle in der Tasche hast. Dein Vortanzen hat mich umgehauen, und das sage ich nicht aufgrund von irgendwelchen Schuldgefühlen wegen dieser Sache damals, sondern weil du unglaublich talentiert bist und es für mich sehr wichtig ist, dass diese Show ein Erfolg wird. Darum möchte ich dich dabeihaben.“

Nach diesem Redeschwall stieß er einen langen Atemzug aus, und Makayla erkannte, dass auch er nervös war. Hudson hielt sonst keine langatmigen Reden.

„Danke, ich freue mich wahnsinnig über diesen Job. Aber als wir uns das letzte Mal gesehen haben, hast du mich praktisch eine Hure genannt, und das lässt sich nicht so leicht vergessen.“

Er zuckte zusammen. „Ich habe nicht …“

„Du hast nicht genau dieses Wort benutzt, aber aus allem, was du sonst so gesagt hast, klang verdammt deutlich heraus, was du von mir hieltest.“

Ihre Verbitterung hätte im Laufe der Jahre eigentlich nachlassen müssen, doch ihn erneut zu sehen, schien die ganze Demütigung wieder wachzurufen.

Sie erinnerte sich an jeden einzelnen Augenblick und jedes quälende Detail dieser beschämenden Nacht. Wie sie so getan hatte, als würde es ihr nichts ausmachen, als der Clubbesitzer mit anzüglichem Grinsen von ihr verlangt hatte, sich bis auf BH und Unterhöschen auszuziehen, bevor er ihr den Job gab. Wie sie sich vor dem Auftritt übergeben hatte. Der Gestank von billigem Aftershave und Bier, als sie dann gestrippt hatte.

Und als wäre all das nicht schon erniedrigend genug gewesen, hatte sie plötzlich Hudson entdeckt, der sie anstarrte, als wäre sie der letzte Abschaum.

Seine Meinung war ihr immer wichtig gewesen. Er war ihr wichtig gewesen, und dass er Zeuge ihrer beschämenden, erniedrigenden Show geworden war, hatte ihr den Rest gegeben. Sie hatte es ihm verzweifelt erklären wollen. Aber er ließ sie nicht. Seine schreckliche Standpauke klang ihr noch in den Ohren, nachdem er schon längst wieder hinausgestürmt war.

Jetzt musste sie all das wieder hervorwühlen, damit sie von nun an professionell miteinander umgehen konnten.

„Es tut mir leid. Das war der Abend, an dem ich den Job hier im Embue bekommen hatte, und ich war dich suchen gekommen, um dir die guten Neuigkeiten mitzuteilen. Bluey sagte mir, er hätte dich ins Le Chat gehen sehen, also bin ich dorthin. Ich bin durchgedreht. Habe Dinge gesagt, die ich nicht hätte sagen sollen …“

„Du warst mein bester Freund! Du hättest mir vertrauen sollen. Ich war dir damals keine Erklärungen schuldig, und das bin ich todsicher auch jetzt nicht, aber das war die schlimmste Nacht meines Lebens, und dass du meine Demütigung mit angesehen und mich dann dafür so niedergemacht hast, war das Allerletzte. Und dann hast du dich einfach von mir abgewandt … Vielleicht war es das Beste, dass wir – jeder für sich – mit unserem Leben weitergemacht und das Cross hinter uns gelassen haben, aber es vergeht kein Tag, an dem ich unsere Freundschaft von damals nicht vermisse.“

Hudson sagte kein Wort. Er starrte sie einfach nur an, die Mundwinkel traurig nach unten gezogen. Dann trat er mit einem Mal zu ihr und schloss sie so fest in die Arme, dass es ihr die Luft aus den Lungen presste.

Einen Augenblick lang wehrte sie sich, weil sie den körperlichen Kontakt nicht wollte. Aber das hier war Hudson, der Mann, auf den sie beinahe immer gebaut hatte. Und auch wenn ihr Verstand sich wehrte, hatte ihr Körper anderes im Sinn. Hudsons Arme fühlten sich stark an, und seine Körperwärme vertrieb das Frösteln, das sie zu Beginn der Unterhaltung gefühlt hatte.

Hier hätte das Ganze enden sollen. Eine Entschuldigungsumarmung zweier alter Freunde, die vor langer Zeit auseinandergerissen worden waren, jetzt jedoch zusammenarbeiten mussten.

Stattdessen merkte Makayla, wie sich etwas zwischen ihnen veränderte. Sie spürte genau, wie in einem kurzen Moment aus der Umarmung etwas anderes wurde. Seine Körperwärme wurde an den Stellen, an denen er sich an sie drückte, zu sengender Hitze. Seine Hand, die gespreizt auf ihrem Kreuz lag, streifte den Ansatz ihres Hinterns. Etwas Halbhartes drückte gegen ihre Hüfte.

Er zog sich ein Stück zurück, ließ sie aber nicht los. „Ich bin nicht stolz darauf, wie ich dich an jenem Abend behandelt habe, und es hat mir leidgetan, dass darüber unsere Freundschaft zerbrochen ist. Aber du bedeutest mir etwas, Mak. Schon immer, also wenn du es mich versuchen lässt, wäre ich gern wieder dein Freund.“

„Wir können es versuchen“, sagte sie in flapsigem Ton. „Ich bin Profi und habe vor, das Beste aus dieser Chance zu machen, die du mir gibst.“

„Ich habe nicht von der Arbeit gesprochen, und das weißt du auch“, bemerkte er.

Sie sollte gleich von Anfang an eine klare Grenze ziehen. Doch als sein brennender Blick auf ihren Mund fiel und ihre Brustwarzen als Reaktion darauf hart wurden, erkannte sie, dass mehr nötig sein würde als räumliche Distanz, damit nicht mehr als eine berufliche Beziehung zwischen ihnen bestand.

„Wir können das mit der Freundschaft versuchen“, sagte sie und brachte ihre Beine schließlich mit Willenskraft dazu, sich ein paar Schritte nach hinten zu bewegen, sodass sie sich aus seiner Umarmung lösen konnte. „Aber ich muss dich warnen. Ich bin nicht mehr das naive Mädchen, das ich mal war.“

„Und ich bin nicht mehr der engstirnige Idiot, der ich mal war. Jetzt, wo wir konstatiert haben, dass wir beide erwachsen geworden sind, wollen wir da über das Geschäftliche reden?“

„Unbedingt.“ Mak nickte nachdrücklich, wobei ihr das Haar über die Schulter fiel. Sie strich es wieder zurück, eine harmlose, unverfängliche Geste – mit komplizierten Folgen, denn Hudsons Blick fiel auf ihr Haar und verharrte dort, als wolle er sein Gesicht darin vergraben.

Verdammt. Das mit der Freundschaft würde sie notfalls hinbekommen, aber mehr zwischen ihnen beiden wäre katastrophal. Ihm war es vielleicht nicht bewusst, aber in beruflicher Hinsicht hatte er ihr mit dieser Hauptrolle zu einer Riesenchance verholfen. Sie durfte es nicht vermasseln. Und das würde sie auch nicht. Ganz gleich, wie heiß Hudson hinter seiner coolen Fassade war.

„Erzähl mir von der Show“, bat sie gekünstelt selbstbewusst, konnte jedoch nicht ausblenden, dass sie unter seinem Blick Flammen in sich lodern fühlte.

Als er sie eindringlich musterte, wurde ihr klar, dass er denselben inneren Kampf ausfocht wie sie. Lust kontra Logik.

Mist. Sie mochte ja gerade einen Traumjob an Land gezogen haben, aber sie hatte das Gefühl, sich damit gleichzeitig auch einen Haufen Ärger eingehandelt zu haben.

„Erzähl mir zuerst von dir.“ Er bedeutete ihr, auf einem Barhocker Platz zu nehmen. Sie wollte stehen bleiben, damit sie, falls nötig, weglaufen konnte.

Denn in Hudsons Armen zu liegen, hatte eine ganze Reihe von Gefühlen wachgerufen, die sie lange unterdrückt hatte. Sie sollte ihn dafür hassen, wie er mit ihr und ihrer Freundschaft umgesprungen war. Stattdessen hatte sie sich bereit erklärt, einen neuen Freundschaftsversuch zu wagen.

War sie völlig verrückt?

„Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich war eine Weile an der Uni und wollte den Bachelor-Abschluss im Tanzen machen, weil ich gehofft hatte, neben dem Tanzen auch unterrichten zu können. Aber ich habe die trockenen Unterrichtsstunden gehasst und es nicht mal sechs Monate ausgehalten.“

Er zog die Augenbrauen hoch, als könne er nicht fassen, dass sie eine Karriere als Lehrerin überhaupt je in Betracht gezogen hatte. „Ich kann dich mir nicht als Lehrerin vorstellen.“

Sie reagierte augenblicklich gereizt. „Und wieso nicht?“

„Weil du schon immer talentiert warst, und du kennst doch das alte Klischee: Wer etwas kann, der tut es, wer es nicht kann, der lehrt es.“

„Ich schätze, dann entspreche ich wohl dem Klischee, denn ich habe mich ganz auf das Tanzen konzentriert und nie wieder zurückgeschaut.“

„Die Agentur hat mir die Lebensläufe aller Bewerber für das Vortanzen geschickt. Du hast jede Menge Erfahrung, aber noch nie eine Hauptrolle gehabt?“

„Wird das jetzt ein Verhör?“ Sie klang schnippisch, und es war ihr egal.

Er war ihr Boss, sie seine Angestellte. Sie wollte nicht, dass er sie behandelte wie ein Freund, der wegen der alten Zeiten Versäumtes aufholen will.

„Ich möchte einfach gern wissen, wie du heute tickst.“ Er streckte die Hand aus und berührte sie über ihrem Herzen. „Hier drin.“

Es war nicht mehr als ein flüchtiges Streichen seiner Fingerspitzen über ihre Haut; eine kaum wahrnehmbare Berührung, die völlig bedeutungslos hätte sein sollen. Doch das war sie nicht, denn Hitze jagte durch Makaylas Körper und schoss ihr in die Wangen.

„Ich habe gesagt, dass ich das mit der Freundschaft probieren will. Treib’s nicht zu weit“, ermahnte sie ihn und schob ihn mit dem Zeigefinger weg.

„Freunde fragen einander nach ihren Interessen. Sie plaudern. Sie necken sich …“

„Kein Necken.“

Das war eines der Dinge, die sie damals am meisten an ihm geliebt hatte: dass er sie immer zum Lachen bringen konnte.

„Früher warst du begeistert, wenn ich dich geneckt habe. Nur weil wir uns seit Jahren nicht gesehen haben, heißt das nicht, dass ich irgendetwas vergessen habe.“

Wusste er, was sie damals für ihn empfunden hatte?

Sie waren mehr als zwei alte Freunde, die wieder zueinanderfanden, und sie wusste es. Zwischen ihnen herrschte eine sexuelle Spannung, die unter der Oberfläche brodelte und von beiden bewusst ignoriert wurde. Nichtsdestotrotz war sie da.

Sie stieß ihn mit dem Ellbogen weg, und er fasste sich in gespielter Empörung an die Seite. „Ich bin deine Angestellte. Ich muss mich konzentrieren und darf mich nicht ablenken lassen von … von … dir“, beendete sie ihren Satz.

„Ich lenke dich ab?“, fragte er leise.

„Du nervst mich.“

Ihre trockene Antwort brachte ihn erneut zum Lachen. „Sag mir, ob du dich jetzt nicht wohler fühlst als vorhin beim Reinkommen?“

Sie hätte erleichtert sein sollen. Stattdessen wurde sie von einem in seiner Gegenwart vertrauten Gefühl der Beschämung übermannt – hatte sie sich die Anziehung zwischen ihnen bloß eingebildet?

Sein Ständer während der Umarmung musste ja gar nichts zu bedeuten haben – die schlichte körperliche Reaktion eines Mannes in unmittelbarer Nähe einer Frau. Und sein Geplänkel war vielleicht nur ein Mittel gewesen, um ihr die Befangenheit zu nehmen.

„Sieh mal, Mak, wir müssen zusammenarbeiten. Ich finde es toll, dass wir die Vergangenheit angesprochen und einen Punkt erreicht haben, an dem wir so miteinander reden können. Das wird die nächsten paar Wochen viel einfacher machen.“

Er hatte natürlich recht. Aber er hatte ihre Hand noch immer nicht losgelassen. Und ihr drängte sich der Gedanke auf, dass er sich für einen Mann, der von Freundschaft sprach, hart an der Grenze bewegte und sie zu überschreiten drohte.

Wie zur Bekräftigung dessen streifte er mit dem Daumen über ihren Handrücken, langsam und verträumt. Ihre Haut kribbelte, und sie musste ein Stöhnen unterdrücken.

Verdammt.

Sie musste dieses Freundschaftsding mit Hudson hinbekommen.

Alles andere würde in einer Katastrophe enden.

6. KAPITEL

Hudson hatte Mak einen kurzen Überblick über ihre Pflichten in der Show gegeben und war unendlich erleichtert, als fünf Minuten später das gesamte Tanzensemble ins Studio marschiert kam.

Er hatte sich schon immer zu ihr hingezogen gefühlt, aber jetzt … Scheiße, er bekam schon wieder einen Ständer, wenn er nur daran dachte, wie sie in seinen Armen gelegen hatte.

Er war froh, dass sie reinen Tisch gemacht hatten. Aber er hatte ihr nicht erzählt, wieso er an diesem Abend ausgeflippt war, als er sie hatte strippen sehen, und sie hatte ihm nicht erzählt, wieso es die demütigendste Nacht ihres Lebens gewesen war.

Autor

Nicola Marsh
Als Mädchen hat Nicola Marsh davon geträumt Journalistin zu werden und um die Welt zu reisen, immer auf der Suche nach der nächsten großen Story. Stattdessen hat sie sich für eine Karriere in der Gesundheitsindustrie entschieden und arbeitete dreizehn Jahre als Physiotherapeutin

Doch der Wunsch zu schreiben ließ sie nicht los...
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Clare Connelly
Clare Connelly liebt Liebesromane – von Jane Austen bis  E L James. Nachdem sie lange erfolgreich Selfpublisherin war, ging 2017 ihr Traum in Erfüllung, als ihr erstes  Buch bei einem Verlag erschien. Seitdem ist sie nicht mehr zu stoppen. Clare liest und schreibt leidenschaftlich gerne, und lebt in einem kleinen...
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