Wenn du mich verführst ...

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"Ich bewerbe mich um den Job." Lucas kann selbst kaum fassen, was er da sagt. Er will sich als Megans Verlobter ausgeben? Die hinreißende Blondine muss seine Sinne betört haben! Schließlich lebt der erfolgreiche Autor sonst fern der Öffentlichkeit. Jetzt tritt er plötzlich auf einer Party als Megans leidenschaftlicher Liebhaber auf. Und das sinnliche Spiel wird schneller ernst als erwartet …


  • Erscheinungstag 29.05.2015
  • Bandnummer 0008
  • ISBN / Artikelnummer 9783733733209
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Du hast was gesagt?“

Die kraftvolle tiefe Stimme am anderen Ende der Leitung verriet ungläubiges Erstaunen. Malcolm rutschte unruhig in seinem Sessel hin und her, froh darüber, dass er seinem berühmten Autor nicht ins Gesicht schauen musste.

Nicht, dass der Anblick unerträglich gewesen wäre. Im Gegenteil: Luc sah blendend aus. Ausgeprägte Wangenknochen, ein markantes Kinn, tief liegende, ausdrucksvolle graue Augen und dazu ein Mund, der Frauen schwach machte. Malcolm hingegen fürchtete die bissigen Kommentare, die diese Lippen gelegentlich hervorbrachten.

Der Verleger unterdrückte ein Seufzen. Als er dem talentierten Jungautor zum ersten Mal begegnet war, hatte er sein Glück kaum fassen können. Das Manuskript des Erotikthrillers, das auf seinem Schreibtisch gelandet war, hatte Bestsellerpotenzial, und Malcolm sah Scharen von begeisterten Frauen vor sich, die nach einer Lesung des attraktiven, wortgewandten Mannes ihm das Buch förmlich aus den Händen rissen. Er sah Luc als begehrten Gast in den Talkshows sämtlicher Sendeanstalten. Doch leider hatte der Star selbst ihn unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, indem er lakonisch erklärte, er sei Schriftsteller und kein Vertreter. Für solche Marketingoffensiven stünde er nicht zur Verfügung.

Malcolm hatte mit Engelszungen geredet, aber Luc war hart geblieben. Keine Fototermine, keine Interviews, er wolle anonym bleiben. Wenn seine Bücher sich nicht wegen ihres Inhalts verkauften, dann eben nicht.

Malcolms letztes Argument, dass eine schlechte Erfahrung mit der Presse kein vernünftiger Grund für eine fatale Geschäftspolitik sei, hatte auch nichts gefruchtet. Luc bestand sogar darauf, eine entsprechende Klausel in seinen Vertrag aufzunehmen.

Malcolm schlug einen jovialen Ton an. „Ich war überzeugt, dass du mit Freuden an diesem Wochenende dabei sein wolltest, also habe ich … nun ja, angedeutet, dass du kommst.“

Das folgende Schweigen zerrte mehr an seinen Nerven, als lautstarker Protest es getan hätte. Luc wurde nie laut, wenn er wütend war. Malcolm fühlte sich genötigt, die Angelegenheit noch zu beschönigen.

„Eine völlig ungezwungene Sache, keine Kleiderordnung“, beeilte er sich zu versichern. „Meine Schwester ist sehr charmant. Jeder liebt ihre Partys.“

„Hast du plötzlich Humor entwickelt, Mal? Oder bist du vollkommen verrückt geworden?“

„Ich weiß ja, wie du bist, wenn du gerade ein Buch fertig gestellt hast.“

„Erleichtert. Das meinst du doch, oder?“

„Ein Wochenende auf dem Land ist genau das, was du brauchst.“

„Ich lebe auf dem Land“, betonte Luc.

„Nein, du lebst hinter dem Mond.“ Ein Schaudern begleitete die gepflegt artikulierten Worte. „Ich rede von Sussex. Dort gibt es Bürgersteige.“

Die sarkastische Bemerkung brachte Luc zum Lächeln. „Erst kürzlich versuchte jemand mich zu überzeugen, ich bräuchte unbedingt einen Standort in der Stadt. Wie sagte er noch? Ja, richtig … um auf Tuchfühlung mit dem wirklichen Leben zu bleiben. Wer war das nur? Oh, jetzt fällt es mir ein – du, Malcolm!“

„Anregende Gesellschaft, exzellentes Essen …“, fuhr sein Verleger einfach fort. „Du hast doch ein Faible für Antiquitäten, oder? Mein Schwager war passionierter Sammler, und das Haus stammt in Teilen noch aus dem 16. Jahrhundert, als Königin Elisabeth I. regierte.“ Er senkte verschwörerisch die Stimme. „Ganz zu schweigen von … den Gespenstern!“

„Verzeihung?“

„Nun, es gibt einen Geist … mindestens einen, vermute ich. Persönlich bin ich bisher keinem begegnet, aber in den Kellergewölben haben sich bereits Wissenschaftler umgesehen, und an einigen Tagen im Jahr werden diese Räume für die interessierte Öffentlichkeit geöffnet. Muss schon etwas Besonderes sein.“

Luc verzog angewidert das Gesicht. Dank persönlicher Erfahrungen gab er sich keinen Illusionen mehr hin, wenn es um die Familien ging, die einst den Reichtum des Landes unter sich aufgeteilt hatten. Die adligen Herrschaften scheuten nicht davor zurück, seinen Vater, der ein Leben lang für sie als Förster gearbeitet und in einem kleinen Cottage auf dem Anwesen gewohnt hatte, von einem Tag auf den anderen auf die Straße zu setzen.

Mit einem Schlag ohne Job und ohne Zuhause, und was tat sein Vater? Er hörte sich brav an, dass mit Touristen bessere Geschäfte zu machen seien, und ging widerspruchslos. Luc war damals zehn Jahre alt gewesen, und die Demut, mit der sein Vater dieses Schicksal annahm, hatte ihn zornig gemacht. Luc beobachtete, wie sein Alter Herr die Schultern hängen ließ, bis die gebeugte Haltung ihm in Fleisch und Blut übergegangen war, und er schwor sich, immer auf Augenhöhe zu bleiben, niemals vor jemandem zu buckeln.

Der Weg war steinig. Sie zogen in eine große, von Industrieanlagen geprägte Stadt, und als Erstes musste Luc sich der Hänseleien in der Schule erwehren. Nicht wenige Schulkameraden erkannten an seinem Dialekt, dass er vom Land kam, und knöpften sich den Bauerntölpel, wie sie ihn nannten, gern vor. Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis er sich eine kultivierte Sprache angewöhnt hatte, die nicht den geringsten Rückschluss auf seine Herkunft zuließ.

Luc war ein Kämpfer.

„Gilbert hat meiner Schwester Tonnen von Geld hinterlassen“, fuhr Malcolm fort. „Kannst du schießen, Luc?“

„Schießen?“, wiederholte er scharf. „Was soll das werden – Gosford Park?“

„Auf Tontauben, meinte ich“, beeilte Malcolm sich mit der Antwort.

„Das Einzige, worauf ich schieße, sind Verleger, die in meinem Namen Einladungen annehmen.“ Trotz seines Ärgers verspürte er eine gewisse Neugier. „Sag mir eins … Du wusstest genau, dass ich nicht einverstanden sein würde. Warum, um alles in der Welt, hast du dann zugesagt?“

„Du kennst meine Schwester nicht“, entgegnete Malcolm düster. „Wenn sie etwas will, ist sie so unerträglich wie ein tropfender Wasserhahn.“

„Muss eine bezaubernde Gastgeberin sein“, kommentierte Luc trocken.

„Und ein großer Fan von dir. Glaub mir, sie würde dich wie einen König behandeln.“

„Daran liegt mir nicht das Geringste, und als Gast wäre ich eine herbe Enttäuschung.“

„Und wenn du mir den Gefallen tust …?“, bettelte Malcolm.

„Versprich ihr ein handsigniertes Exemplar meines neuesten Buches.“

„Das hat sie bereits. Du ahnst nicht, wie leicht deine Unterschrift zu fälschen ist.“

Gegen seinen Willen musste Luc lachen.

Malcolm nahm es als gutes Zeichen. „Laura liegt mir seit einer Ewigkeit in den Ohren, dass ich dich mitbringen soll“, setzte er erneut an. „Und da Megan im nächsten Monat dreißig wird und der junge Anwalt sich ausgerechnet jetzt das Bein gebrochen hat …“ Er ließ das Ende des Satzes in der Luft schweben und seufzte bedeutungsschwer.

„Und wer bitte ist Megan?“

„Meine Nichte. Ein süßes Geschöpf … und unverheiratet.“

„Ich verstehe“, sagte er amüsiert. „Deine Schwester braucht einen Trottel, der ihrer Tochter den Hof macht.“

„Megan ist ein nettes Mädchen“, konterte Malcolm erbost. „Eine großartige Persönlichkeit. Zugegeben, was das Äußere betrifft, kommt sie eher nach ihrem Vater, aber man kann nicht alles haben.“

Mit wachsender Belustigung lauschte Luc dem vertraulichen Geplauder seines Verlegers. Als er Malcolm Halls Büro zum ersten Mal betrat, war er fest entschlossen gewesen, den Mann unter keinen Umständen zu mögen. Schließlich verkörperte er alles, was Luc verachtete. Angefangen bei der gepflegten Aussprache bis hin zu seiner privilegierten Herkunft.

Doch er hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Malcolm erwies sich als ein charmanter, äußerst sympathischer Kerl, der trotz seiner verbindlichen Art ein knallharter, aber fairer Verhandlungspartner sein konnte.

„Leben alle deine Verwandten im vorletzten Jahrhundert?“

„Also wirklich, Lucas“, beschwerte Malcolm sich. „Eingedenk dessen, was ich für dich getan habe, verlange ich doch sicher nicht zu viel. Du kannst recht egoistisch sein, weißt du das?“

Warum sollte er widersprechen? In gewisser Hinsicht hatte Malcolm recht. Luc lag nicht viel am großen Geld, aber er genoss die Freiheit, die es ihm schenkte. Und er konnte sich glücklich schätzen, weil der Schriftstellerberuf ihm nicht nur ein angenehmes Leben sicherte, sondern ihm obendrein viel Spaß machte.

Anfangs war ihm das nicht klar gewesen, aber im Nachhinein erkannte er, dass ihm nichts Besseres hatte passieren können als damals die Firmenpleite. Hätte sein Expartner nicht unterschlagen und veruntreut, was ihm in die gierigen Finger kam, Luc hätte sich wohl nie in seinem Zimmer vergraben und drei Wochen lang an dem Roman gearbeitet, den er schon immer hatte vollenden wollen.

„Ich könnte Laura sagen, du hättest die Grippe …“

„Sag ihr von mir aus, was du willst, nur nicht, dass ich mit Freuden zu ihrer Party kommen würde.“ Er schätzte Malcolm sehr. Das hieß aber nicht, dass er ein ganzes Wochenende damit vergeuden würde, zu Menschen nett zu sein, mit denen er nicht das Geringste gemein hatte.

Es war keine detektivische Meisterleistung gewesen, seine Anschrift herauszufinden. Ein heimlicher Blick in das Adressbuch ihres Onkels hatte genügt.

Lucas Patrick, der hochgelobte Bestsellerautor, residierte direkt am Fluss, im Penthouse eines zum Apartmentgebäude umgebauten Lagerhauses, das dem Architekten zahlreiche Auszeichnungen eingebracht hatte. Patricks Leserinnen und Lesern wurde diese Adresse jedoch genauso vorenthalten wie ein Foto von ihm.

War der Mann grundsätzlich öffentlichkeitsscheu oder steckte eine geniale Marketingstrategie dahinter? Megan hatte keine Ahnung, aber sie wusste, dass die Geheimnistuerei um seine Person die Verkaufszahlen in die Höhe trieb. Die meisten stellten ihn sich als den rätselhaften Heldentypus vor, der seine Romane prägte. Onkel Malcolm war auch keine große Hilfe gewesen. Die einzige Information, die sie ihm hatte entlocken können, bestand darin, dass Lucas Patrick jung und Single war.

Falls er sich jemals einem breiten Publikum zeigen und sich herausstellen sollte, dass er mit Bauchansatz und beginnender Glatze gesegnet war … welch eine Enttäuschung. Vor allem für Mutter! Megan lächelte. Hoffentlich sieht er ganz passabel aus, dachte sie. Es würde ihr Vorhaben erheblich vereinfachen.

Ihr Finger verharrte über dem Klingelknopf; Megan wurde von letzten Zweifeln geplagt. Vergangene Nacht erschien ihr die Idee genial, aber im kalten Licht des Tages war sie sich dessen nicht mehr so sicher. War sie nicht doch ein bisschen verrückt …?

Unsinn! Sie straffte die Schultern. Eine verzweifelte Lage verlangte drastische Maßnahmen.

Was konnte schon passieren? Bestimmt nichts Schlimmeres als letztes Jahr zu Ostern. Jeder, aber auch absolut jeder auf Mutters Party – von der Gastgeberin abgesehen –, hatte gleich gemerkt, dass der Investmentbanker, den sie als potenziellen Ehekandidaten eingeladen hatte, vom anderen Ufer war!

Megan liebte ihre Mutter heiß und innig, aber ihre Versuche, die Tochter unter die Haube zu bringen, waren nervtötend.

Leider vertrat Laura Semple eine schlichte Philosophie: Ohne Mann kann eine Frau nicht glücklich sein.

Erst heute Morgen beim Frühstück hatte sie ihr damit in den Ohren gelegen. Nicht zum ersten Mal, seit Megan vor vier Jahren beschloss, den ach-so-wundervollen Brian nicht zu ehelichen. Der aufmerksame, auf charmante und altmodische Art fürsorgliche Brian hatte sich letztendlich als herrischer Kontrollfreak erwiesen, dem sie über jede Minute ihres Tages Rechenschaft ablegen musste. Außerdem wurde er rasend eifersüchtig, wenn sie mit einem anderen Mann auch nur sprach.

Megan war froh, noch einmal davongekommen zu sein. Ihre Mutter sah das völlig anders.

„Selbstverständlich bin ich stolz auf dich, Liebes, aber erzähl mir nicht, dass du glücklich bist … wirklich glücklich.“

„Ich schwöre, Mum, ich bin absolut zufrieden.“

„Zufrieden?“ Mrs Semple seufzte ergeben. „Megan, so reden Frauen mittleren Alters!“

„Vielleicht gehöre ich zu denen, die schon mittelalt geboren wurden …?“

„Oh, ich weiß, du versuchst, die Tapfere zu spielen.“ Sie ignorierte die flapsige Bemerkung. „Aber was die Leute auch sagen mögen, keine Frau ist ohne einen Mann richtig ausgefüllt.“

Megan unterdrückte ein Lächeln. Ihrer Erfahrung nach war es zwecklos, diesen Punkt mit ihrer Mutter zu diskutieren.

„Für dich sollte es ein starker, selbstbewusster Mann sein“, sinnierte Laura. „Einer, der sich von deinem Verstand nicht einschüchtern lässt. Einer wie Lucas Patrick.“ Ihre Stimme bekam einen schwärmerischen Unterton. „Faszinierend, wie der Mann die Nerven bewahrt hat, als sein Flugzeug in den Anden abstürzte …“

„Das war sein Held, Mutter. Lucas Patrick sitzt am Schreibtisch und erfindet Geschichten“, erinnerte Megan. „Er stürmt weder die Gipfel der Welt, noch legt er Drogenbossen das Handwerk oder erwehrt sich rassiger Frauen, die ihn mit ihren Verführungskünsten bedrängen.“

„Ich bin sehr wohl in der Lage, Fakten von Fiktion zu unterscheiden, mein Kind.“ Mrs Semple schob das Kinn vor. „Doch dein Onkel hat gesagt, dass seine Bücher auf sorgfältigen Recherchen beruhen. Lucas Patrick lässt seinen Helden niemals etwas tun, was er selbst nicht erlebt hat.“

„Ich möchte bezweifeln, dass Flugzeugabstürze dazugehören, bei denen er sich nicht einen einzigen Kratzer einhandelt“, murmelte Megan, um lauter hinzuzufügen: „Tatsache ist, du würdest ihn nicht vom Milchmann unterscheiden können. Wahrscheinlich ist er ein völlig gewöhnlicher Typ.“ Eine steile Falte erschien zwischen ihren zarten Augenbrauen. „Was hat er eigentlich bei einer deiner Wochenendpartys auf dem Land zu suchen?“

„Mir fehlte ein männlicher Gast, und dein Onkel Malcolm ist sein Verleger. Er wird ihn begleiten. Nun ja, das wollte Malcolm zumindest. Wie es aussieht, ist er verhindert, aber er hat mir versichert, Lucas nähme die Einladung mit Freuden an.“

„Du hast also nur Onkel Malcolms Wort, dass Lucas Patrick kommen wird?“ Ihr Onkel würde seiner Schwester das Blaue vom Himmel versprechen, damit sie ihn in Ruhe ließ. „War Onkel Malcolm nüchtern, als er das sagte?“

„Das habe ich überhört“, entgegnete Laura obenhin. „Wenn du einen Rock besitzt, Liebes, so pack ihn bitte ein, ja? Du hast sehr hübsche Beine … ach, was rede ich, du bist rundherum ein besonders hübsches Mädchen – oder wärest es, wenn du dir mehr Mühe geben würdest. Der erste Eindruck zählt, Megan.“

Eben. Sie holte tief Luft und drückte auf den Klingelknopf. Ihre Idee mochte mehr als ausgefallen sein, aber die Sache war einen Versuch wert.

Die Gegensprechanlage knackte.

„Na endlich …“, knurrte eine tiefe Männerstimme. Ihr Besitzer schien nicht gerade bester Laune. Megan sank das Herz.

„Hier ist …“

„Schon gut, jetzt sind Sie ja da. Bringen Sie’s einfach rauf.“ Ein Summton erklang, und die schwere Glastür schwang auf.

Schulterzuckend betrat Megan das Gebäude.

Der hochmoderne Fahrstuhl brachte sie im Handumdrehen nach oben, so dass ihr keine Zeit blieb, ihre Absicht zu ändern. Sie klopfte an die Apartmenttür und hörte wieder die ungeduldige Männerstimme.

„Stellen Sie sie auf den Tisch, das Geld liegt da. Sollten Sie die Extraportion Anchovis vergessen haben, lassen Sie das Trinkgeld liegen.“

Du meine Güte, er wartet auf seine Pizza, und was bekommt er? Eine Frau, in die er unsterblich verliebt zu sein vorgeben soll!

Megan räusperte sich und blickte sich in dem riesigen Wohnraum neugierig um. Die hohe gewölbte Decke und die Stahlträger strahlten nicht gerade Gemütlichkeit aus. Sie konnte sich kaum vorstellen, nach einem arbeitsreichen Tag hier zu landen, sich die Schuhe von den Füßen zu streifen, ein Glas Wein einzuschenken und es sich vor dem Fernseher bequem zu machen. Hier lebte ein Junggeselle, ein reicher, wohlgemerkt. Sämtliche Möbel waren unter Schutzhüllen verschwunden, sonst hätte sie seinen Geschmack einschätzen können. Sie rümpfte die Nase, als sie einen durchdringenden Geruch nach Farbe und Terpentin wahrnahm.

Wieder räusperte sie sich und stählte ihre Stimme, um den grimmigen, wenn auch unsichtbaren Wohnungsinhaber anzusprechen.

„Mr Patrick, ich fürchte …“ Sie unterbrach sich, als eine große, breitschultrige Gestalt am Türrahmen auftauchte.

Sie war ein hoffnungsloser Fall, wenn sie das Alter eines Menschen erraten sollte, aber dieser umwerfend gut aussehende Mann dürfte etwa Anfang dreißig sein. Hochgewachsen, mindestens ein Meter fünfundachtzig, gekleidet in farbbekleckste Jeans und ein T-Shirt, das zwar sauber, aber bei der Wäsche offenbar eingelaufen war. Weshalb sie nicht umhin konnte zu bemerken, welch einen perfekt geformten, athletischen Brustkorb sein Besitzer hatte. Da es zu kurz war, enthüllte es einen Streifen nackter gebräunter Haut über einem absolut hinreißenden Waschbrettbauch. Eine feine Linie schwarzer Härchen verschwand im Bund der Jeans.

Ihr Gegenüber zog die dunklen Augenbrauen zusammen. „Wer, zum Teufel, sind Sie?“ Mit einer Hand fuhr er sich durch das rabenschwarze Haar, das offenbar lange keinen Frisiersalon mehr gesehen hatte und stellenweise mit hellblauen Farbspritzern bedeckt war.

Dieser Mann war ein Prachtexemplar, das manches Frauenherz höher schlagen lassen würde.

Luc hatte Gelegenheit gehabt, die junge Frau genau zu mustern, bevor er auf sich aufmerksam machte. Lässig gekleidet in Jeans, Bluse und Jacke unterschied sie sich kaum von den unzähligen anderen, denen man tagtäglich auf der Straße begegnete. Abgesehen davon, dass ihre stolze Haltung ein gesichertes Maß an Selbstbewusstsein verriet.

Sie war groß und schlank, ihr Haar leuchtete goldgelb, ihre kobaltblauen Augen schauten offen. Und sie weiteten sich, als sie seinem Blick begegnete. Das intensive Blau bedeutete einen direkten Angriff auf seine Sinne, wie er gleich darauf feststellte, und lenkte von ihrer kleinen Nase und dem ausgeprägten Kinn ab. Soweit er es beurteilen konnte, trug sie kein Make-up. Sie hatte auch keins nötig, da ihr Teint glatt und ebenmäßig war. Wie Milch und Honig, dachte er.

Obwohl sie absolut nicht sein Typ war, erwachte sein Interesse.

Megan presste die Lippen zusammen. Sie hielt sich für jemanden, der sehr direkt sein konnte, wenn es darauf ankam, aber die Begrüßung dieses Mannes war mehr als rüde gewesen!

Anscheinend hatte sie auf den Maler keinen besonders guten Eindruck gemacht. Sie würde sich bei seinem Auftraggeber etwas mehr anstrengen müssen, wenn sie nicht ihre Zeit verschwenden wollte.

„Ich bin Dr. Semple.“ Entgegen ihrer Absicht klang sie überheblich. Megan stöhnte insgeheim auf. Gut aussehende Männer verunsicherten sie nun einmal.

Nicht, dass sie jemals einem derart attraktiven Mann begegnet wäre!

Prompt hob dieser hier die Augenbrauen und verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln. Sie ertappte sich dabei, wie sie länger als schicklich auf seine Lippen starrte, und ließ den Blick rasch höher gleiten. In ihrem Bauch tummelten sich plötzlich Schmetterlinge.

Sie klang so kühl und selbstbewusst, wie sie aussah. Luc mochte ihre Stimme und fragte sich unerwartet, wie seine Besucherin aussehen mochte, wenn sie nervös war. Wenn das goldblonde Haar leicht zerzaust ihr gerötetes Gesicht umgab … Lass das, Luc!

Er spreizte die Finger und hob beide Arme auf Schulterhöhe. „Sehe ich aus, als bräuchte ich einen Arzt?“

Die Frage war der pure Hohn. Der Kerl strotzte vor Vitalität und sah von Kopf bis … Megan schaute an ihm herab, woraufhin weitere Schmetterlinge aufflatterten. Er war barfuß und seine wohlgeformten Füße sonnengebräunt wie der Rest von ihm. Zumindest das, was für Megan sichtbar war. Mehr wollte sie auch gar nicht wissen.

Ihre Fantasie machte ihr einen Strich durch die Rechnung, und ein unerwünschter Gedanke verirrte sich in ihren Verstand. Nackt wäre der Mann atemberaubend …

Ihr brach der Schweiß aus. „Ich bin keine Medizinerin“, erklärte sie matt.

Als sie Sekunden später aufschaute, betrachtete er sie noch immer. Die eindringliche Musterung und die lastende Stille waren zu viel für sie.

Höchste Zeit, die Kontrolle zurückzuerobern.

2. KAPITEL

Luc war zu derselben Ansicht gelangt.

„Ich weiß nicht, wie Sie hier hereingekommen sind, Doktor, aber ich muss Sie bitten, denselben Weg wieder nach draußen zu nehmen.“

Sonst … Die Warnung blieb unausgesprochen, hing aber im Raum.

Doch es war nicht die drohende Haltung, die Megan einschüchterte. Bedrängender war vielmehr der kleine lustvolle Schauer, der ihr jetzt über den Rücken lief. Ihr Unterbewusstsein hatte die sinnliche Ausstrahlung dieses Mannes erfasst, und nun stand sie da wie ein dummer Teenager.

Sie blinzelte, entschlossen, das Bild zu korrigieren, falls sie sich zum Narren gemacht haben sollte. Tatsächlich hatte sie das Atmen vergessen, was sicher erklärte, dass sie sich ein bisschen benommen fühlte. Megan holte tief Luft. Ja, das tut gut!

„Nun, wenn Ihr Kurzzeitgedächtnis sich nicht verabschiedet hat, müssten Sie eigentlich wissen, dass … Sie mich hereingebeten haben“, erinnerte sie ihn.

In den faszinierenden Augen blitzte etwas wie Überraschung auf, verschwand jedoch rasch wieder. Er zuckte die breiten Schultern. „Und jetzt bitte ich Sie zu gehen.“

Von wegen Bitte. Es war ein Befehl.

Megan hob das Kinn, wie sie es seit neunundzwanzig Jahren tat, wenn man ihr etwas vorschreiben wollte. Das sagte jedenfalls ihre Mutter. „Ich bin hier, um mit Mr Patrick zu sprechen.“

„Wie Sie sehen, ist außer mir niemand da.“ Er trat an einen tuchbedeckten Tisch, nahm eine Flasche Mineralwasser zur Hand, schraubte den Verschluss ab und setzte die Flasche an den Mund.

Das hieß, sie war entlassen. Glaubt er wirklich, ich werde gehen, nur weil er es mir sagt? Erbost funkelte sie ihn an, wurde aber abgelenkt vom Spiel seiner Halsmuskeln, während er das Wasser durch die Kehle rinnen ließ. Rasch schaute sie zur Seite.

„Kommt Mr Patrick bald nach Hause?“

„Sind Sie eine Freundin oder nur ein Fan?“

„Das dürfte Sie nichts angehen“, entgegnete sie scharf. „Vielleicht sollten Sie endlich weitermachen mit dem, wofür Mr Patrick Sie bezahlt, anstatt Pizza zu essen.“

Er grinste. „Selbst einem einfachen Maler steht eine Mittagspause zu, Doktor. Möchten Sie, dass ich dem Chef etwas ausrichte?“

Megan schluckte. „Es geht um etwas Persönliches.“

„Wie Sie wollen.“

Ihre Blicke trafen sich. Grau senkte sich in Blau.

„Ich werde warten“, verkündete sie steif. Er müsste sie schon aus der Wohnung tragen, wenn er sie loswerden wollte. Sollte er sie auch nur anfassen, würde sie ihn anzeigen!

„Tun Sie, was Sie nicht lassen können“, erwiderte er grimmig. Verwöhnt und elitär von Kopf bis Fuß, ja, das ist sie. Ihre perfekt modulierte Stimme und die selbstgewisse Haltung verraten sie.

Megan hatte sich kaum auf einen der abgedeckten Stühle gesetzt, als das Tuch unter ihr einen Buckel machte. Mit einem spitzen Schrei sprang sie wieder auf. Fauchend und mit gezückten Krallen zischte eine Fellkugel unter ihr hervor und sauste wie ein rot-gelber Blitz quer durch den Raum.

„Au!“, rief sie. „Das Ding hat mich gekratzt!“ Sie rollte das rechte Hosenbein hoch. Eine lange rötliche Schramme zog sich über ihre Wade.

„Das Ding heißt Sybil, und Sie haben sich auf sie gesetzt. Armes Kätzchen.“

Megan verwunderte es nicht, dass die Katze sich von den samtigen Tönen besänftigen ließ. Diese Stimme …! Welche Frau würde nicht dahinschmelzen?

„Die Wunde geht bis zum Knochen, nehme ich an?“

„Ich werde es überleben“, kommentierte sie seine ironische Frage und zog den Stoff wieder herunter. Der Kratzer mochte oberflächlich sein, aber er brannte wie Feuer. „Haben Sie eine Ahnung, wann er zurück sein wird?“

„Wer?“

Autor

Kim Lawrence
<p>Kim Lawrence, deren Vorfahren aus England und Irland stammen, ist in Nordwales groß geworden. Nach der Hochzeit kehrten sie und ihr Mann in ihre Heimat zurück, wo sie auch ihre beiden Söhne zur Welt brachte. Auf der kleinen Insel Anlesey, lebt Kim nun mit ihren Lieben auf einer kleinen Farm,...
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