Wie zähmt man einen Wolfe?

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Seidiges Haar auf seinem Kissen, verlockende Kurven unter rotem Samt … Als Selfmade-Milliardär Jack Wolfe im Morgengrauen nach Hause kommt, wähnt er sich in einem erotischen Traum: Eine sexy Fremde im Rotkäppchenkostüm liegt in seinem Bett. Kinderanimateurin Katie ist beim Warten auf ihn eingenickt; jetzt teilt sie ihm mit, dass ihre Schwester die Zweckverlobung mit ihm löst. Jacks Erregung verwandelt sich in Wut: Er braucht dringend eine Braut, und Katie muss einspringen! Ein gefährlich sinnlicher Plan mit märchenhaft süßen Folgen …


  • Erscheinungstag 13.12.2022
  • Bandnummer 2574
  • ISBN / Artikelnummer 9783751510134
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Liebe Leserin, lieber Leser,

als man mich fragte, ob ich Lust hätte, die moderne Version eines Märchens zu schreiben, kam mir sofort „Rotkäppchen“ in den Sinn. Nicht nur, weil es eines meiner Lieblingsmärchen ist, sondern weil ich den großen bösen Milliardär Jack Wolfe bereits vor mir sah.

Jack ist ein Zyniker voller Narben, ein gnadenloses, getriebenes Alphatier, das jede Frau in sein Bett bekommt, aber nicht will, dass sie bleibt. Bis Katherine Medford, mein Rotkäppchen, die Bühne betritt. Sie ist genauso mutig und unerschrocken wie das Mädchen im Märchen (denn mal ganz im Ernst, wer besucht schon die Großmutter im Wald, wenn ein böser Wolf dort sein Unwesen treibt?). Doch anders als Rotkäppchen muss Katherine kein Jäger zur Hilfe eilen, als sie sich in Jacks Bett wiederfindet, denn helfen kann sie sich selbst.

Ein Abend in Großmutters sturmumtostem Cottage, eine ungeplante Schwangerschaft plus eine Zweckehe – schon hatte ich ein modernes Märchen, denn Katherine muss herausfinden, dass es unglaublich schwer ist, sich vor einem Wolf in Sicherheit zu bringen, besonders wenn man dabei ist, sich in ihn zu verlieben!

Mir hat es großen Spaß gemacht, der alten Erzählung eine ordentliche Dosis Leidenschaft, Glamour und dramatischer Entwicklungen hinzuzufügen, und ich hoffe, Sie haben beim Lesen genauso viel Spaß wie ich beim Schreiben.

Ihre Heidi Rice

PROLOG

Katie, ich brauche deine Hilfe! Das hier ist ein Notfall!

Katherine Medford trat aus der U-Bahnstation am Leicester Square in den Regen und wickelte ihren schwarzen Trenchcoat enger um das rote Cape, das sie darunter trug, um es vor dem Regen zu schützen. Dabei las sie die Nachricht, die ihre Schwester Beatrice ihr geschickt hatte. Es war schon die achte heute.

Worum mochte es wohl gehen? Welches Problem sollte sie diesmal für Bea lösen? Sie hatte jetzt keine Zeit dafür, denn sie war ohnehin schon spät dran. Und anders als Bea, die sich wegen des ansehnlichen Vermögens ihres gemeinsamen Vaters, Lord Henry Medford, keine finanziellen Sorgen machen musste, konnte Katie es sich nicht leisten, auf diesen Auftrag und die zwanzig Pfund Stundenhonorar zu verzichten. Ihr Telefon begann zu summen. Sie war versucht, das Gespräch wegzudrücken, während sie den Fußgängern auf dem Weg zum Kinderbuchladen auswich. In weniger als zehn Minuten sollte sie dort Vier- und Fünfjährigen Märchen vorlesen.

Doch dann sah sie Bea vor sich und die Tränen, die der damals Vierzehnjährigen übers Gesicht liefen. Verwirrt und ängstlich hatte Bea sich an Katie geklammert, als ihr Vater Katie aus Medford Hall, dem Familiensitz, geworfen hatte. Seufzend nahm sie das Gespräch an und fiel in einen leichten Laufschritt.

„Bea, was gibt’s?“, fragte Katie atemlos. Das enge Korsett des Kostüms schnürte ihr fast die Luft ab. „Ich bin spät dran und habe überhaupt keine Zeit, es sei denn, es ist wirklich wichtig …“

„Es geht um Jack Wolfe“, kam Bea sofort zur Sache. Katie war dem milliardenschweren Unternehmer nie persönlich begegnet. Wie auch, sie bewegten sich nicht in denselben Kreisen. Doch ihre Schwester hatte sich vor einer Woche mit Wolfe verlobt, und das Internet war voll von Bildern der beiden.

Auf den Fotos sah Wolfe auf eine wilde, ungezähmte Art und Weise unglaublich sexy aus. Auf seiner Wange prangte eine rätselhafte Narbe, die in scharfem Kontrast zu seinen perfekten, wie gemeißelten Zügen stand. An seinem Hals ragte eine Tätowierung knapp über den Hemdkragen. Neben der blonden, strahlend schönen Bea wirkte er unwiderstehlich düster. Fast war Katie auf ihre Schwester neidisch, doch sie musste Jack Wolfe nicht persönlich kennenlernen, um zu wissen, dass er derselbe Schlag Mann war wie ihr Vater.

Vielen Dank, aber ein Tyrann im Leben reicht mir.

„Er hat mich für heute Abend in sein Penthouse am Hyde Park Corner zum Essen eingeladen. Nur wir beide. Und ich habe Angst, dass er mehr will.“

Katie blieb wie angewurzelt stehen, als sie die Panik aus Beas Stimme heraushörte.

„Wie meinst du das, du hast Angst?“ Sie bemühte sich, ruhig zu klingen. „Hat Wolfe dir irgendetwas getan?“

Wolf stand in dem Ruf, ein ungeschliffener Diamant zu sein mit dem Aussehen eines gefallenen Engels. Aufgewachsen in einer Sozialwohnung in East London, hatte er einen sagenhaften Aufstieg in der Sphäre der reichsten Geschäftsleute, in der auch ihr Vater verkehrte, hinter sich. Er war groß gewachsen und stark und hatte eine athletische Statur, an der die Smokings, die er auf den Fotos trug, perfekt saßen.

Woher stammte wohl die Narbe in seinem Gesicht, über die die Klatschpresse seit Jahren Spekulationen anstellte? War Wolfe gewalttätig, aggressiv und gefährlich?

„Nein, Katie, jetzt sei nicht albern. So ist Jack nicht. Er würde mir niemals etwas antun.“

„Wieso hast du dann Angst davor, mit ihm allein zu sein?“

Bea stieß die Luft aus. „Weil er wahrscheinlich Sex haben will und ich nicht weiß, ob ich dazu bereit bin. Eigentlich bin ich mir ziemlich sicher, dass ich es nicht bin. Er ist mir irgendwie zu viel. Beinahe lachhaft intelligent, manchmal sehr, sehr witzig, und es ist aufregend, mit ihm zusammen zu sein. Aber alles an ihm ist so intensiv. Ich habe keine Ahnung, was wirklich in ihm vorgeht. Er ist so furchtbar selbstbeherrscht, viel zu tiefgründig für mich. Du weißt ja, wie oberflächlich ich bin.“

Bea hatte so viel erzählt, dass Katie gar nicht wusste, wo sie anfangen sollte – auch weil sie mehr Informationen über Jack Wolfe erhalten hatte, als ihr lieb war. Am interessantesten war, dass die beiden noch nicht miteinander geschlafen hatte. Bea hatte durchaus schon einen Freund gehabt, obwohl sie ein wenig eigen war. Und Jack Wolfe erschien Katie nicht wie ein Mann, der sich lange zurückhielt, wenn er mit einer Frau zusammen war – zumal wenn er um ihre Hand angehalten hatte. Der Mann strotzte nur so vor Sexappeal. Vermutlich konnte er einer Frau sogar aus dreißig Schritten Entfernung zu einem Höhepunkt verhelfen.

„Du bist nicht oberflächlich, Bea“, widersprach Katie ihrer Schwester. Sie hasste es, wenn Bea sich schlechtmachte, denn dahinter steckte niemand anders als ihr Vater.

„Ist ja auch egal.“ Bea klang noch immer panisch. „Jedenfalls finde ich, dass wir nicht zueinander passen. Ganz und gar nicht sogar.“ Sie schniefte. „Ich habe Angst, mich in ihn zu verlieben und dass er meine Gefühle nicht erwidert.“

Wie bitte?

„Wieso hast du dann eingewilligt, seine Frau zu werden?“ Hastig setzte Katie sich wieder in Bewegung. In der Buchhandlung warteten die Kinder bestimmt schon ungeduldig darauf, dass sie ihnen als Rotkäppchen verkleidet vorlas. Sie war zwar erleichtert, dass Beas Beziehung nicht gewalttätig war, hatte jetzt aber absolut keine Zeit, das Liebesleben ihrer Schwester zu diskutieren.

„Weil Daddy darauf bestand“, gab Bea kläglich zu. „Jack hat ihm einen Kredit zu äußerst großzügigen Konditionen bewilligt. Wenn Daddy herausfindet, dass ich die Verlobung gelöst habe und Jack die Bedingungen ändert, flippt er aus.“

Katie verlangsamte ihre Schritte. Sie hätte sich denken können, dass ihr Vater dahintersteckte. Warum wehrte Bea sich nicht gegen ihn? Dabei kannte sie den Grund genau. Bea hatte Angst vor seinen Wutausbrüchen, und das aus gutem Grund … „Aber du weißt, dass du Jack Wolfe nicht heiraten musst, wenn du nicht willst, oder, Bea?“, sagte sie weich.

„Ich weiß, dass ich die Beziehung beenden muss, aber, Katie, der Druck ist so groß. Jack ist absolut sexy, und ich habe Angst, dass er vorhat, mich heute ins Bett zu bekommen. Ich weiß nicht, ob ich ihm widerstehen kann. Und wenn wir erst einmal miteinander geschlafen haben, wird die Trennung viel schwerer. Ich möchte seine Gefühle nicht verletzen.“

Wie bitte? Was zum …?

„Bea, das kann nicht dein Ernst sein. Jack Wolfe ist so reich geworden, weil er absolut skrupellos ist. Seine Geschäftsstrategie ist es, Firmen zu kaufen, auszusaugen und wieder auszuspucken. Du hast selber gesagt, du glaubst nicht, dass er sich jemals in dich verliebt. Mich würde wundern, wenn dieser Mann überhaupt Gefühle hat.“

„Jeder Mensch hat Gefühle, Katie“, widersprach Bea ihr sanft. „Sogar Jack.“

„Glaubst du denn, dass er etwas für dich empfindet?“

„Nein“, seufzte Bea. „Er ist zwar sehr aufmerksam, aber kein bisschen romantisch. Er hat mir mehr oder weniger gesagt, dass er mich heiraten will, weil ich eine gute Vorzeigefrau darstelle.“

„Bea, er klingt ja noch schlimmer als Vater“, stöhnte Katie entsetzt. Henry Medford hatte vor langer Zeit wenigstens so getan, als hätte er ihre Mutter geliebt. „Du hättest dich nicht in diese Situation drängen lassen sollen.“

„Ich weiß“, schniefte Bea noch einmal laut. „Deshalb habe ich dich ja angerufen.“ Den verzweifelten Tonfall kannte Katie nur zu gut. Bea legte ihn immer dann an den Tag, wenn sie ihre ältere Schwester um einen Gefallen bat. „Könntest du heute Abend um sieben in Jacks Penthouse gehen, das im Übrigen absolut spektakulär ist“, bat Bea, deren Tonfall nahtlos von verzweifelt in beschwörend übergegangen war. „Wenn er nach Hause kommt, könntest du ihm sagen, dass ich ihn nicht heiraten werde, und ich wäre aus allem heraus. Dann könnte ich Daddy erzählen, dass Jack die Verlobung gelöst hat.“

Wieder blieb Katie wie angewurzelt stehen. Sie war so schockiert, dass sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Bea hatte sie schon früher um die absurdesten Gefallen gebeten. Katie war ihren Bitten immer nachgekommen, weil sie wollte, dass Bea glücklich war, und weil sie wusste, dass Bea ein massives Problem hatte, für sich selbst einzustehen. Dank ihrer beider gestörten Kindheit.

Katie war immer für ihre Schwester da, wenn es Bea an Mut und Entschlossenheit fehlte. Aber das hier …

„Das kann nicht dein Ernst sein“, sagte sie laut. „Ich kann nicht unangekündigt bei ihm auftauchen, um eure Beziehung in deinem Namen zu beenden. Ich bin dem Mann schließlich noch nie begegnet!“ Doch noch während sie diese Worte aussprach, verspürte sie ein erregtes Prickeln, etwas Elektrisierendes, das ihren viel zu eng umschnürten Brustkorb durchlief. Dasselbe Knistern, das sie verspürte, wenn sie die Fotos von ihrer Schwester und Jack Wolfe etwas zu genau betrachtete. „Außerdem habe ich keine Zeit, mich vorher umzuziehen und nicht als Rotkäppchen bei ihm aufzutauchen“, fügte sie leicht verzweifelt hinzu. Sie lebte im Norden Londons und sollte bis achtzehn Uhr Märchen vorlesen. Vorausgesetzt, man hatte sie noch nicht gefeuert, weil sie zu spät dran war. „Ich werde es nicht tun, Bea. Auf gar keinen Fall.“

Doch noch während sie die Worte aussprach, spürte sie, wie das Herz ihr gegen die Rippen schlug, und ihre Entschlossenheit, sich nicht zu einer Idiotin machen zu lassen, schwand.

Bea war ihre Schwester, und Katie würde ihr jederzeit aus der Patsche helfen. Denn Bea war auch für sie da gewesen, als sie sie am meisten gebraucht hatte.

Außerdem war da bei dem Gedanken an diesen düsteren, herrischen Milliardär noch dieses Kribbeln, das merkwürdige Dinge in ihr anrichtete. Dabei war er der letzte Mann auf Erden, der eine intelligente, geerdete, pragmatische und Reichtum verachtende Frau, wie sie es war, erregen sollte.

Vielleicht musste sie ihn kennenlernen und herausfinden, wie tyrannisch, arrogant und unsympathisch er war, um diese Erregung ein für alle Mal loszuwerden.

1. KAPITEL

Jack Wolfe sah auf seine Armbanduhr, als sein Chauffeur vor den Wolfe Apartments am Grosvenor Place vorfuhr und anhielt.

Fünf nach drei am frühen Morgen. Wunderbar. Nur acht Stunden Verspätung.

Er rieb sich die brennenden Augen, während er seinen steifen Körper aus der Limousine hievte.

Die Kontaktlinsen klebten förmlich an seinen Pupillen, und er hatte im Flugzeug nicht eine Sekunde geschlafen. Normalerweise nahm er nicht den Linienflug, aber wegen eines Triebwerkproblems des Wolfe Jet hatte er sich mit seinen ein Meter neunzig auf seinem Flug von New York in ein winziges Bett quetschen müssen, das für einen Zehnjährigen gemacht zu sein schien.

Er blickte auf sein Telefon, als er das Gebäude betrat und dem Mann am Empfang müde zunickte. Beatrice hatte ihm nicht geantwortet, aber wenigstens hatte Jack es geschafft, ihr vom JFK-Flughafen aus eine Nachricht zu schicken und das für gestern geplante Abendessen zu verschieben. Sie würde also nicht in seinem Apartment auf ihn warten.

Er betrat den Privataufzug, der direkt in sein Penthouse im obersten Stock fuhr. Stirnrunzelnd betrachtete er die Etagenanzeige. Eigentlich merkwürdig, dass es ihm nicht schwerfiel, die Verabredung mit Beatrice abzusagen. Vielleicht sollte er sich Gedanken darüber machen, warum ihm die Verführung seiner Verlobten offenbar nicht wichtig war.

Er mochte Beatrice. Sehr sogar. Schon bei ihrer ersten Begegnung hatte er in ihr die perfekte Kandidatin als seine Ehefrau erkannt. Sie war hoch gewachsen und schön wie ein Supermodel, außerdem hatte sie ein harmoniebedürftiges Wesen, was bedeutete, dass sie sich kaum streiten würden. Und da sie keinem Beruf nachging, würde es keinen Interessenkonflikt in dem engen Zeitmanagement ihrer Ehe geben – immerhin war er bekennender Workaholic.

Am besten jedoch war, dass Beatrice dank der Position ihres Vaters und als Angehörige des englischen Adels die Klasse und gesellschaftlichen Verbindungen mitbrachte, die endlich die letzten Schranken einreißen würden, die ihm in Londons Finanzwelt noch im Weg standen. Vor allem sollten sie ihm den Weg in den Vorstand von Smyth-Brown ebnen. Die Ehe mit Beatrice würde ihm bei der Übernahme helfen, die er bereits seit Jahren plante. Endlich würde Jack den Mann zerstören können, der das Leben seiner Mutter auf dem Gewissen hatte.

Es gab nur ein Problem bei diesem Arrangement mit Beatrice.

Sex. Oder besser das Fehlen desselben.

Anfangs war sie es gewesen, die gezögert hatte, vor allem, nachdem sie seinen Antrag angenommen hatte. Doch sie hatten keine Eile, und Beatrice hatte eine Zerbrechlichkeit an sich, die Jack an seine eigene Mutter erinnerte.

Funken sprühten zwischen ihnen nicht gerade, aber auch das hatte ihn nicht gestört. Er war ein Mann mit reichlich Erfahrung und einer äußerst lebendigen Libido. Seine Unschuld hatte er als Teenager an eine Frau verloren, die doppelt so alt war wie er. Und seither hatte er reichlich Übung darin sammeln können, wie man eine Frau befriedigte.

Das einzige Problem: Nachdem er alles dafür vorbereitet hatte, Beatrice zu verführen, hatte er sich auf das gestrige Abendessen nicht so gefreut wie erwartet. Es erschien ihm eher wie eine Pflicht. Er war nie länger als ein paar Monate mit einer Frau zusammen und hatte Bea deshalb vorschlagen wollen, dass sie beide diskret Affären führen könnten, wenn ihre Leidenschaft füreinander nachließ. Allerdings hatte er wirklich nicht gedacht, dass er so lustlos sein würde, bevor ihr gemeinsames Liebesleben überhaupt begann.

Im vierzehnten Stock kam der Lift zum Stehen. Ein leises Plingen ertönte, und die Türen glitten auf. Müde fuhr er sich mit einer Hand durchs Haar, trat in die riesige Eingangshalle und stellte sein Gepäck achtlos neben einem Beistelltischchen ab.

Ach was, das war lächerlich. Seine Verlobte zu verführen würde keine Pflichtübung sein, sondern ein Vergnügen, das lange überfällig war. Er war einfach erschöpft und frustriert darüber, ihre erste gemeinsame Nacht im Bett nun wieder mehrere Tage verschieben zu müssen.

Das gedämpfte Licht verlieh dem modernen Mobiliar in der Eingangshalle einen blauen Schimmer, doch Jack widerstand der Versuchung, die große Lampe einzuschalten. Seine Augen juckten, als hätte er Sand darin. Kein Wunder, dass er keine Lust hatte, über seine Verlobte oder sonst eine Frau herzufallen.

Er nahm die Krawatte ab, steckte sie in die Jackentasche und ging in den Wohnbereich. Bodentiefe Fenster gaben den Blick frei auf den Wellington Arch und den spärlichen Verkehr in Richtung Piccadilly, über dem Green Park konnte man den Sonnenaufgang erahnen.

Tiefe Ruhe erfasste Jack, wie jedes Mal, wenn ihm bewusst wurde, wie weit er es gebracht hatte. Er liebte den Blick aus dem Penthouse, denn es schien ihm eine Million Meilen weg zu sein von der erbärmlichen Zwei-Zimmer-Sozialwohnung auf der anderen Seite Londons, in der er als verängstigtes Kind gewohnt und versucht hatte, Faustschlägen seiner Stiefvaters auszuweichen.

Er rieb sich die Augen und ging zu seiner Schlafzimmersuite. Vom Flur aus betrat er das Bad. Endlich konnte er die Kontaktlinsen herausnehmen. Ohne sie war er fast blind. Lediglich das Licht über dem Spiegel brannte. Nachdem er geduscht hatte, trat er in sein Schlafzimmer.

Die Dunkelheit war sein Freund, war es immer gewesen, denn es hatte eine Zeit gegeben, in der er sich in ihrem Schutz hatte verstecken müssen.

Jetzt nicht mehr.

Der berauschende Duft traf ihn, als er die Badezimmertür hinter sich schloss. Würzig und verführerisch. War Beatrice hier gewesen, bevor sie seine Nachricht erhalten hatte, dass sein Flug sich verspätete? Obwohl sie sein Schlafzimmer noch nie betreten hatte?

Es roch jedoch nicht nach Beatrice. Sie trug immer ein teures Vanilleparfüm. Dieser Duft hier war viel aufregender. Frisch und erdig, wie reife Äpfel und Wildblumen an einem Sommertag. Jack verspürte ein Ziehen in den Lenden und lächelte. Seine harte Erregung bewies, dass seine Libido noch funktionierte.

Das angenehme Ziehen hielt auch noch an, als er das große Doppelbett erreichte und das um die Hüfte geschlungene Handtuch zu Boden gleiten ließ.

Als er unter die Decke kroch, war er so erschöpft, dass sein Geruchssinn ihm noch immer etwas vorgaukelte. Er schloss die Augen und genoss den köstlichen erotischen Duft und die Wärme in seinem Unterleib. Sofort fiel er in einen tiefen Schlaf und träumte von einem Obstgarten an einem Sommertag. An den Bäumen hingen reife Äpfel, und die Luft duftete nach Erde und Sonnenschein.

Eine leichte Brise wehte im Einklang mit Jacks Atem durch den Garten, gleichmäßig und unendlich sinnlich. In seinem Schritt begann es heftig zu pulsieren. Ein leises Seufzen – weich und süß – drang durch die Bäume zu ihm und streichelte seine Seele, während er in der warmen Sonne lag.

Er streckte die Hand aus und spürte erst seidiges Haar und zarte Haut unter seinen Fingern, dann wohlgerundete Kurven unter einem samtigen Stoff. Der Duft nach frischen Äpfeln erweckte rauschhaftes Begehren in ihm.

Seine Männlichkeit wurde härter, und im Halbschlaf sagte Jack sich, dass dies der beste erotische Traum war, den er je hatte … Aber warum war die Frau angezogen? Und was hatte sie da eigentlich an? Endlich fand seine Hand eine wohlgerundete Brust, deren Spitze sich hart aufrichtete, als er sie streichelte.

Jacks Erschöpfung wich heißem Begehren, das ihn wie eine elektrisierende Energie durchlief. Er begann, die zart duftende Haut mit seinen Lippen, seiner Zunge und den Zähnen zu liebkosen, küsste und knabberte eine weiche Wange, ein zartes Ohrläppchen, einen anmutigen Hals und ein entzückendes Kinn … Wie Federn streichelten erregte Atemzüge sein Gesicht und drängten ihn dazu, weiterzumachen.

Endlich fand er mit dem Mund ihre vollen Lippen und unterdrückte ihr erregtes Stöhnen mit einem leidenschaftlichen Kuss. Mit den Fingerspitzen strich sie über seinen festen Unterleib und sandte einen elektrisierenden Impuls in seine Lenden. Er fuhr durch ihre üppigen Locken, und der köstliche Apfelduft wurde noch stärker. Er hielt den Kopf dieses Engels fest und ließ den Kuss noch inniger werden, während die Sonne ihn wärmte und auf die reifen roten Früchte und den Baldachin aus grünen Blättern schien.

Ein besitzergreifender Hunger packte ihn, als er an seiner Erregung noch mehr Samt spürte. War das ein Oberschenkel? Ein Bauch? Noch mehr verfluchte Kleidung?

Der erdige Duft, das berauschende Seufzen und die sacht forschenden Finger lösten einen leidenschaftlichen Sturm in ihm aus, genau da, wo sein Bedürfnis jetzt am drängendsten war.

„Ja“, stöhnte er. Doch da änderte sich schlagartig alles.

„Warte … Aufhören“, flüsterte eine verschlafene Stimme, bevor sie laut wurde: „Runter von mir!“

Der aufgebrachte Ausruf schnitt wie ein Messer durch den erotischen Nebel, in dem er schwebte, und katapultierte Jack aus dem Obstgarten zurück in sein Penthouse. Er wich in der Dunkelheit zurück und ließ die Frau aus seinem Traum los, die plötzlich sehr real war.

„Was zum …“, knurrte er. Das schmerzhafte Pulsieren in seinen Lenden war nichts im Vergleich zu der Orientierungslosigkeit, die ihn überfiel. „Dich gibt es wirklich?“

„Ja, natürlich!“, zischte sie und presste die Hände auf seine Brust, vermutlich, um Jack von sich zu halten, dabei hatte er sich schon zurückgezogen. Er war hellwach, ihm brummte der Schädel, und seine schmerzhafte Erregung weigerte sich trotz des Schocks zu verschwinden.

Zahllose Fragen türmten sich in seinem Kopf auf.

Hatte er gerade im Schlaf eine Frau belästigt? Und was zum Teufel machte sie in seinem Bett? Um drei Uhr morgens? Denn Beatrice war sie ganz sicher nicht.

Eine dunkle Gestalt verließ das Bett und drückte auf einen Schalter.

„Autsch!“ Jack stieß einen heftigen Fluch aus, als gleißendes Licht ihn blendete.

Schützend legte er einen Unterarm über seine Augen und zog die Bettdecke hoch, um seine pochende Erregung zu bedecken. Zuvor aber erhaschte er noch einen schnellen Blick auf ungebändigtes rotbraunes Haar und die üppigen Kurven unter einem hocherotischen schwarz-roten Kostüm, das aus einer anderen Zeit zu stammen schien.

War das ein Korsett? Noch dazu eines, das das Dekolleté der Fremden in ein wahres Kunstwerk verwandelte?

Was immer es war, es half jedenfalls nicht, sein infernalisches Begehren zu lindern.

„Dimme das Licht“, befahl er der sprachgesteuerten Haustechnik. Allmählich gelang es ihm wieder, klar zu denken.

Handelte es sich hierbei um irgendeinen verrückten Streich? Oder, noch schlimmer, um den Versuch, ihn zu erpressen?

„Wer sind Sie?“, fragte er. Allmählich wurde er richtig wütend.

Egal wer die Frau war, es war nicht seine Schuld, dass er sie berührt, sie geküsst, liebkost hatte … Himmel, er hatte sie aufgefordert, ihn zu befriedigen …

Er versuchte nicht länger daran zu denken, was er fast getan hätte. Er hatte tief und fest geschlafen. Und er war derjenige, der nackt war. Außerdem hatte er aufgehört, als er aufgewacht war.

Und das hier war sein Bett, in seinem Apartment.

Das Licht wurde gedimmt, und das Einzige, was er hörte, war ihr heftig gehender Atem und sein eigener Herzschlag.

Er ließ den Arm sinken und wartete, bis seine brennenden Augen sich an das Halbdunkel gewöhnten. Er konnte die Frau nicht richtig sehen, dafür war er zu kurzsichtig, doch auch so nahm er wahr, dass sie auf eine sehr lebendige Weise strahlend schön war – nicht elegant und zerbrechlich wie Beatrice, sondern irdisch, real und unglaublich sinnlich. Noch immer hing der würzige Duft nach einem Obstgarten im Sommer in der Luft. Also war es keine Halluzination, sondern ihr Parfüm.

Unwillkürlich musste Jack daran denken, wie er ihre üppigen Kurven unter dem samtigen Stoff gespürt hatte. Noch immer hatte er ihren Geschmack im Mund, süßer und berauschender als jede Droge.

„Wieso haben Sie sich in meinem Bett versteckt?“, fragte er, als sie schwieg. Er versuchte gar nicht erst, Frustration und Wut aus seinem Tonfall herauszuhalten. „Mitten in der Nacht und verkleidet als Prostituierte aus einer anderen Zeit?“

„Ich bin keine Prostituierte, sondern Rotkäppchen.“ Die Erklärung klang in Katies eigenen Ohren lahm, doch da sie noch immer am ganzen Körper zitterte, weil Jack Wolfe sie berührt hatte, wusste sie nichts Besseres zu erwidern. Sie kämpfte noch immer damit, innerhalb eines Augenblicks vom Himmel direkt in die Hölle befördert worden zu sein.

Zudem befand sie sich jetzt in einer äußerst kompromittierenden und demütigenden Situation. Und das wollte etwas heißen bei einer Frau, die seit fünf Jahren mit der Betreuung von Kindern ihren Lebensunterhalt verdiente.

Ihre Brustspitzen waren steinhart, die Hitze in ihrem Unterleib versengte sie beinahe, und ihr Herz raste.

Sie hatte tief und fest geschlafen und von ihm geträumt … Hatte sie jedenfalls gedacht.

Da war er, in all seiner Pracht. Jack Wolfe.

Die Fotos wurden ihm nicht gerecht. Wie er da im Bett saß, die Decke über seiner gigantischen Erregung, die sie eben noch in der Hand hatte, war Jack Wolfe der Inbegriff von Sexappeal.

Als stünde sie unter Schock, nahm sie jedes Detail seines Körpers in sich auf. Den muskulösen Oberkörper, die breiten Schultern, die Wolfstätowierung, die sich von einem Schulterblatt bis über die linke Brust zog, teilweise verdeckt von den schwarzen Härchen, die pfeilförmig von seinem Brustkorb über den Waschbrettbauch bis unter die Decke verliefen.

Hastig hob Katie den Blick, bevor er wieder an der ansehnlichen, kaum verborgenen Erregung hängen blieb.

Wolfe sah sie aus zusammengekniffenen Augen an, und Katie beschlich das Gefühl, dass er sie nicht genau sehen konnte. Sein Gesichtsausdruck blieb unverändert, als sie die maskuline Schönheit seiner Züge musterte.

Kantig und sinnlich zugleich waren sie von symmetrischer Perfektion, bis auf einen kleinen Höcker auf dem Nasenrücken. Und die deutlich sichtbare Narbe, die rechts von der Augenbraue bis über die Wange verlief. Seine Augen waren hypnotisierend, von einem fast durchscheinenden Blau und einem schwarzen Kreis um die Iris – und erschreckend blutunterlaufen.

Autor

Heidi Rice
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