Zwischen Rache und Begehren

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Dieses unschuldige Gesicht, die großen blauen Augen und der sinnliche Mund! Nie hat Milliardär Zachary Temple die mysteriöse Fremde vergessen. Durch einen spektakulären Auftritt bei ihrer einzigen Begegnung hat sie ihn einst fast ruiniert! Als Ashling jetzt zufällig wieder in seinem Leben auftaucht, durchfährt ihn sengende Hitze. Vor Wut natürlich, nicht vor Begehren! Endlich ist der Zeitpunkt der Rache gekommen! Doch er hat nicht mit der sinnlichen Anziehungskraft der sexy Schauspielerin gerechnet, der er trotz allem nicht lange widerstehen kann …


  • Erscheinungstag 17.05.2022
  • Bandnummer 2545
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509695
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Ashling Doyle war so nervös, dass sie viel zu schnell und zu flach atmete. Ihr war schon ganz schwindlig. Sie musste sich unbedingt beruhigen. Om

Sie hatte einfach nicht erwartet, dass dieser Ort so … einschüchternd sein würde.

Hinter einer großen Grünpflanze versteckte sie sich vor den Blicken der anderen Gäste, die zum exklusivsten Event des Jahres in diesem Kulthotel in London zusammengekommen waren.

Selbst die Luft roch irgendwie teuer. Kein Wunder, denn sie wurde extra parfümiert, wie Ashley erstaunt beobachtet hatte.

Zum wiederholten Mal nestelte sie nervös an ihrem Haar herum. Alles okay, die Perücke saß bombenfest. Sie war nicht an langes Haar gewöhnt, das ihr in großzügigen Locken über die Schulter fiel. Und die rote Haarfarbe ließ sie jedes Mal erschrocken zusammenzucken, wenn sie ihr Bild im Spiegel erhaschte.

Jemand öffnete eine Tür. Ashling erschauerte leicht, als sie die kalte Winterluft auf ihrer nackten Haut spürte. Und davon gab es jede Menge. Unbehaglich blickte Ashley an dem engen, trägerlosen schwarzen Fummel hinab und versuchte vergeblich, es ein Stück höher über ihre Brust zu zerren. Der Saum endete viel zu hoch über ihren Knien, und bei jeder Bewegung glänzte der mit Pailletten besetzte Stoff. Diskret war etwas anderes.

Besorgt wandte sie sich an Carter, der neben ihr stand. Sie sah ihn heute Abend zum ersten Mal. Er hatte ihr die Rahmenbedingungen für den Job erklärt und war hier, um sie anzuleiten. „Die anderen Frauen tragen alle lange Abendkleider … falle ich da nicht auf?“

Carter warf ihr einen abschätzenden Seitenblick zu. „Es ist perfekt. Vergessen Sie nicht, Sie spielen eine Rolle und sind nicht als Gast hier.“

Als ob er sie daran erinnern müsste, dass sie nicht hierhergehörte. Unter normalen Umständen hätten ihre Wege wohl nie die dieser exklusiven Gesellschaft gekreuzt. Doch von normalen Umständen konnte nicht die Rede sein. Sie war nur hier, um einer Freundin aus ihrer Theatergruppe einen Gefallen zu tun, weil diese verhindert war.

Konzentriert spähte sie durch eine Lücke in den Zweigen. „Ist er das? Der Mann da in der Mitte? Mit dem dunkelbraunen Haar?“

In seinem klassischen Smoking sollte er eigentlich nicht aus der Menge identisch gekleideter Männer hervorstechen, und doch fiel er auf. Nicht nur durch seine hochgewachsene und stattliche Erscheinung. Es war die Aura, die ihn umgab. Macht. Charisma. Sinnlichkeit.

„Ja, der sich gerade mit einer Blondine unterhält.“

Ein unangenehmes Prickeln überlief sie. Von einer Frau war nicht die Rede gewesen.

Carter nahm sie am Arm und schob sie Richtung Menge. „Das ist Ihr Einsatz. Los!“

Ashling zögerte.

Hinter ihr zischte Carter: „Wenn sie jetzt nicht in Aktion treten, ist es zu spät, und Sie können Ihr Honorar vergessen.“

Der Magen sank ihr in die Kniekehlen. Sie brauchte das Geld dringend, um ihren Ausbildungskurs zur Yogalehrerin zu beenden. Also atmete sie tief durch, um ihre Nerven zu beruhigen, und schob sich durch die Menge, bis sie direkt hinter ihrem Zielobjekt stand.

Aus der Nähe betrachtet war er sogar noch größer, überragte sie um einen Kopf, obwohl sie auch nicht gerade klein war und High Heels trug. Sein zweifellos maßgeschneiderter Anzug saß wie angegossen.

Ashling hatte keine Ahnung, wer der Mann war – man hatte sie bloß mit einem vorgefertigten Text ausgestattet. Es sollte irgendein harmloser Spaß sein, leicht zu performen. Etwas, worauf nur reiche, gelangweilte Leute kommen konnten. So jedenfalls hatte sie sich die Sache zusammengereimt.

Da es sie nicht weiterbrachte, seinen breiten Rücken zu bewundern, ging sie rasch um ihn herum und baute sich direkt vor ihm auf.

Im selben Moment blieb ihr der Atem weg, und sie konnte nicht mehr klar denken.

Der Mann sah einfach umwerfend gut aus. Kurzes dunkles Haar, dunkle Augen, sehr maskuline Züge mit einem energischen Kinn und hohen Wangenknochen. Sinnliche Lippen.

Sein Lächeln, mit dem er eben noch seine blonde Gesprächspartnerin entzückt hatte, verblasste, als sein Blick auf Ashling fiel – und auf ihr mehr als freizügiges Kleid. Das sie wohl genau aus diesem Grund tragen musste.

Trotz des teuren Designerlabels stach sie damit hervor wie billiger, schillernd bunter Tand unter lupenreinen Diamanten. Der Kontrast zu der Blondine in ihrem eleganten weißen Kleid konnte nicht größer sein.

Spul deinen Text herunter und verschwinde.

Sie löste sich aus ihrer Trance und konzentrierte sich ganz auf ihre Rolle. Mit einem koketten Lächeln machte sie sich an den Mann heran und schlang ihm die Arme um den Hals. „Hier bist du also, Darling. Ich habe dich schon überall gesucht.“

Sie drückte ihm einen Kuss aufs Kinn, höher konnte sie nicht reichen. Ashling spürte raue Bartstoppeln unter ihren Lippen. Sein Duft betörte ihre Sinne – herb und holzig, mit einer exotischen Kopfnote. Sie erschauerte. Schockiert über ihre intensive Reaktion auf ihn erstarrte sie.

Der Mann legte die Hände auf ihre Arme und befreite sich aus ihrer Umklammerung, ohne sie loszulassen. Sein grimmiger Blick durchbohrte sie. „Wer zum Teufel sind Sie? Ich habe Sie nie zuvor in meinem Leben gesehen.“

Ashling brauchte nicht auf ihr Schauspieltalent zurückzugreifen, um erschrocken dreinzuschauen. Sein Ton und sein Gesichtsausdruck spiegelten Entsetzen wider, das machte sie stutzig. Natürlich hatte sie mit einer gewissen Irritation gerechnet, wenn sich ihm eine wildfremde Frau an den Hals warf, aber nicht mit dieser heftigen Reaktion.

Das ergab keinen Sinn.

Sie blinzelte, um ein paar Tränen herauszuquetschen. Mit zitternder Stimme brachte sie hervor: „Aber Darling, letzte Nacht war es so großartig mit uns beiden. Du hast mir doch gesagt, dass ich ganz etwas Besonderes bin. Wieso behauptest du jetzt, mich nicht zu kennen?“

Kurz fragte sie sich, wie es wohl wäre, wenn ein Mann wie er ihr sagen würde, dass sie etwas Besonderes war. Dann riss sie sich zusammen und rief sich zur Ordnung. Solche gefährlichen Fantasien hatten ihr gerade noch gefehlt. Dieser Mann, diese Umgebung – das war nicht ihre Welt, war es nie gewesen.

Aus dem Augenwinkel registrierte sie, wie die Blondine im weißen Kleid sich versteifte, ihr Lächeln gefror. In welcher Beziehung standen sie wohl zueinander? Egal, sie war schon zu weit gegangen, es gab kein Zurück mehr.

„Verdammt …“ Er schien ernsthaft verwirrt. „Wie ich schon sagte, ich kenne Sie nicht.“ Kühl maß er sie von Kopf bis Fuß. „Und mit Frauen wie Ihnen pflege ich für gewöhnlich keinen Umgang.“

Jetzt war es Ashling, deren Lächeln gefror. Was bildete dieser arrogante Kerl sich eigentlich ein? Verärgert musste sie sich eingestehen, dass seine Worte sie getroffen hatten. Zum Teil wohl deshalb, weil sie ihn durchaus attraktiv fand und er sie eiskalt abblitzen ließ.

Die Erinnerung an ein ähnliches Ereignis stieg in ihr auf. Wie sie sich einem Mann in einer Menge genähert, ihm sanft auf die Schulter getippt hatte. Wie er sich zu ihr umdrehte, sie nicht erkannte. Sie hatte ihrem eigenen Vater erklären müssen, wer sie war – seine erstgeborene Tochter. Seine uneheliche Tochter.

Allmählich war die Erkenntnis eingesickert, das las sie in seiner Miene. Und mit der Erkenntnis kam das Entsetzen, nicht etwa freudige Überraschung, wie Ashling es sich erhofft hatte. Er hatte sie am Arm gepackt und sie zur Seite gezogen. Aus dem Sichtfeld der anderen …

Rasch verbannte Ashling die unwillkommene Erinnerung wieder in die Tiefen ihres Unterbewusstseins. Doch der Schmerz der Zurückweisung schnitt ihr tief ins Herz, und sie riss sich von dem Fremden los.

Verzweifelt versuchte sie, sich auf ihren Job zu konzentrieren, aber ihr Herz konnte nicht zwischen vergangenem Schmerz und der heutigen Situation unterscheiden. „Na los, nur frei heraus vor all deinen Freunden: Ich bin dir also nicht gut genug?“

Ein abschätziges Lächeln legte sich um seine Lippen. „Sie reden Unsinn. Sie gehören einfach nicht hierher, das ist alles.“

Seine Worte trafen sie wie eine Ohrfeige. Ohne sich an ihren Text zu halten, platzte Ashling hervor: „Wenn ich mich recht erinnere, haben wir uns letzte Nacht nicht groß mit Reden aufgehalten. Wie oft haben wir uns auch ohne Worte verstanden? Zweimal? Dreimal? Du hast gesagt, ich sei die Beste, die du je hattest.“

Irgendjemand schnappte hörbar nach Luft. Die Blondine an seiner Seite? Ashling konnte sich nicht vom Blick aus seinen dunklen Augen lösen. Eine Gänsehaut überlief ihre nackte Haut. Ganz allmählich meldete sich ihr gesunder Menschenverstand wieder zurück.

Ihr wurde bewusst, dass ihr nur noch Sekunden blieben, bevor der Schwindel aufflog.

Angriffslustig schob sie das Kinn vor. „Aha, jetzt bin ich wohl nicht mehr willkommen. Fürs Bett bin ich dir gut genug, aber nicht, um dich mit mir vor aller Welt zu zeigen.“ Noch immer konnte sie den Schmerz spüren, deshalb kamen die Tränen von ganz alleine. Ihre Sicht verschwamm. „Du hast mich einfach nur benutzt, aus Langeweile oder Übersättigung, was weiß ich. Das ist eine Beleidigung.“

Damit drehte sie sich um und drängte sich durch die Menge, zitternd vor einer Überdosis Adrenalin und Erschütterung.

Ohne Umwege kehrte sie in die Suite zurück, wo sie sich vorhin umgezogen hatte. Carter erwartete sie schon dort. Mit einem Ruck riss sie das winzige Mikrofon ab, das sie im Ausschnitt versteckt hatte, und gab es ihm. Erst jetzt wurde ihr richtig bewusst, was sie getan hatte. Übelkeit stieg in ihr auf.

Carter grinste übers ganze Gesicht. „Super Job, Ihre Improvisation war ein brillanter Einfall. Hey, wir veranstalten demnächst ein Murder Mysterie Weekend auf einem Schloss in Schottland … Sie wären die perfekte Besetzung.“

Alleine die Vorstellung ließ sie schaudern. „Ich habe das heute nur gemacht, weil Sarah sich nicht wohlgefühlt hat. Das ist nicht wirklich mein Ding.“ Tatsächlich zweifelte sie daran, ob sie nach der heutigen Erfahrung überhaupt noch bei der Laientruppe bleiben wollte.

Carter musterte sie von oben bis unten. Sein taxierender Blick stieß sie ab. „Zu schade, Sie sind ein richtiges Naturtalent.“ Er drückte ihr einen Umschlag mit Bargeld in die Hand. „Vielleicht hilft das, Ihre Meinung zu ändern.“

Ashling starrte auf den Umschlag, nahm ihn nur widerstrebend. Er fühlte sich schmutzig an. Befleckt. „Das sollte doch alles nur ein harmloser Spaß sein … so kam mir das aber gar nicht vor.“

Carters Blick war stechend. „Sie wollten doch unbedingt improvisieren. Vorgesehen waren nur Ihre zwei Zeilen Text, danach sollten Sie verschwinden.“

Beschämt musste sie sich eingestehen, dass er recht hat. Sie hatte total überreagiert, denn der Mann hatte sie aus der Fassung gebracht. Damit hatte sie nicht gerechnet. Hatte nicht damit gerechnet, dass sie seine Zurückweisung so persönlich nehmen würde.

„Wer ist er eigentlich?“, fragte sie.

Gelangweilt zuckte Carter die Achseln. „Nur irgendein Milliardär. Glauben Sie mir, er hat den Zwischenfall mit Ihnen längst vergessen.“

Die Bemerkung traf sie tiefer, als sie sich eingestehen wollte. „Wozu dann der ganze Aufwand?“

Seine Miene verhärtete sich. „Wenn ich davon ausgehen kann, dass es sich nicht um eine zwielichtige Sache handelt, stelle ich für gewöhnlich keine Fragen, wenn jemand einen Schauspieler aus meiner Truppe für ein privates Event anheuert. Das war doch ein superleichter Job. Wer kennt schon die wahren Motive der Leute? Es ist leicht verdientes Geld – nehmen Sie es einfach und verschwinden Sie. Wenn Sie noch mehr Aufträge wie diesen wollen, Sie wissen ja, wo Sie mich finden.“

Als Ashling wenig später in ihren eigenen Sachen das Hotel verließ, fühlte sie sich schlecht. Auf ihrem Weg lag eine Obdachlosenunterkunft. Einem Impuls folgend, ging sie hinein und übergab dem erstaunten Leiter den Umschlag mit dem Geld.

Er sah sie regelrecht geschockt an. „Vielen Dank, Miss, aber sind Sie sicher?“

Sie nickte knapp und verließ fluchtartig die Unterkunft. Den Abend hakte sie als unangenehme Erfahrung ab, die sie nicht zu wiederholen gedachte. Und sie dankte dem Schicksal, dass sie dem Mann aus dem Hotel ganz sicher nie wiederbegegnen würde.

1. KAPITEL

Vier Jahre später …

Es war ein warmer Spätsommerabend. Ashling Doyle eilte die Mayfair Street entlang, die zu beiden Seiten mit prachtvollen Stuckvillen gesäumt war. Sie stellte sich vor, dass all die vielen Fenster Augen wären, die ihre leicht zerzauste Erscheinung in diesem noblen Viertel von London missbilligend musterten.

Ein hysterischer Lachanfall stieg in ihr auf, den sie gerade noch unterdrücken konnte. Seit ihre beste Freundin Cassie sie um diesen Gefallen gebeten hatte, nagte ein Gefühl drohenden Unheils an ihr.

Dabei handelte es sich um eine ganz einfache Sache, nichts Dramatisches. Ashling sollte nur einen Smoking für eine Abendveranstaltung bei Cassies Boss abliefern. Das hatte sie ihrer Freundin, die heute verhindert war, natürlich nicht abschlagen können. Wie hätte sie es auch erklären sollen? Wie sollte sie Cassie beibringen, dass sie ihrem Boss Zachary Temple schon einmal begegnet war? Er hatte sich aus dem Nichts zu einem der mächtigsten Finanziers in London hochgearbeitet. Temple Corp stellte seine gesamte Konkurrenz durch innovative Ansätze und rücksichtslose Ambitionen in den Schatten.

Mit einem Fingerschnippen konnte er die ganze Finanzwelt aufwirbeln.

Er war der Mann, den Ashling nie im Leben hatte wiedersehen wollen. Der Mann, dem sie vor vier Jahren einen üblen Streich gespielt hatte, als sie sich, gerade mal zwanzig, als Amateurschauspielerin versucht hatte.

Ihr war erst bewusst geworden, um wen es sich handelte, als Cassie auf ein Zeitungsfoto gedeutet hatte. „Das ist er! Das ist mein neuer Boss.“

Zwar hatte Ashling ihrer Freundin damals von dem peinlichen Auftritt erzählt, zu der Zeit hatte sie ja seinen Namen noch nicht gekannt. Jetzt besaß sie aber nicht den Mumm, Cassie zu beichten, dass deren Boss mit dem Mann identisch war, den Ashling vor vier Jahren in aller Öffentlichkeit bloßgestellt hatte.

Sie verlangsamte ihren Schritt, als sie sich Temples Haus näherte – eine beeindruckende Stadtvilla auf einem riesengroßen Grundstück. Ein Anwesen dieser Größe mitten in London kostete vermutlich ein Vermögen. Das war nicht Temples einziger Wohnsitz. Wenn man Cassie glauben durfte, besaß er noch ein mindestens ebenso imposantes Landhaus, ein Penthouse in Manhattan und eine Luxuswohnung in Paris.

Ashling bezweifelte, dass sie je genug Geld zusammenkratzen könnte, um sich wenigstens eine bescheidene Eigentumswohnung zu kaufen. Oh, sie kam zurecht, das ja, und sie war stolz auf ihre Unabhängigkeit. Aber ihre Einkünfte reichten nicht, um etwas auf die hohe Kante zu legen.

Bei der Vorstellung, Temple gleich gegenüberzustehen, verwandelte sich ihr Magen in einen flüssigen Feuerball. Wie wahrscheinlich war es, dass er sie wiedererkannte? Damals war sie stark geschminkt gewesen und hatte eine Perücke getragen. Außerdem lag das Ganze jetzt vier Jahre zurück.

Sie trug ihr blondes Haar zu einem Longbob geschnitten, den sie heute zu einem lässigen Pferdeschwanz hochgebunden hatte. Kein Make-up. Lässige Sportklamotten anstatt eines eng anliegenden Minikleids. In Gedanken an die anderen Frauen an jenem Abend in ihren eleganten langen Abendkleidern krümmte Ashling sich immer noch vor Verlegenheit.

Sie gab sich einen Ruck und sprintete die Stufen zum Eingang hinauf. Peinlicherweise war sie spät dran. Wieder mal. Cassie beschwerte sich ständig über die Unpünktlichkeit ihrer Freundin. Ashling war das ziemlich unangenehm, sie fand es unhöflich, andere warten zu lassen. Leider war sie manchmal zu sehr in andere Dinge vertieft, sodass sie ganz einfach die Zeit vergaß. Daran musste sie unbedingt noch arbeiten.

Doch jetzt musste sie sich erst mal auf ihre Mission konzentrieren. Sie starrte auf die massive schwarze Eingangstür, flankiert von zwei schmalen, hohen Koniferen in edlen Marmorübertöpfen. Als sie die Hand ausstreckte, um zu überprüfen, ob sie echt waren, wurde die Tür geöffnet – was ihr nur recht war, denn nach einer Türklingel oder einem Türklopfer hatte sie vergeblich Ausschau gehalten.

Vor ihr stand ein uniformierter Butler. Er maß sie mit genau so einem Blick, wie man ihn sich bei einem distinguierten, weißhaarigen Butler vorstellte.

„Guten Abend, ich bin Ashling Doyle – Cassies … äh … Cassandra James’ Freundin. Sie ist die Chefsekretärin von Mr. Temple und hat mich gebeten, ihm einen Smoking vorbeizubringen.“

Wie zum Beweis hob sie den Arm, über dem der teure Anzug in einer schwarzen Schutzhülle baumelte.

Sie hätte schwören können, dass der Butler indigniert zusammenzuckte, als er ihr die Kleiderhülle abnahm. „Mr. Temple wartet schon darauf, denn er ist spät dran …“

„Peters, ist da jemand an der Tür?“, erklang eine ungeduldige Männerstimme aus dem Hintergrund. „Ist das endlich die dumme Gans mit meinem Smoking?“

Sein verärgerter Ton verwandelte ihre Eingeweide in flüssiges Blei. Ashling hatte so sehr gehofft, ihren Auftrag ausführen zu können, ohne ihm zu begegnen.

Jetzt erschien Temple hinter dem Butler, den er um Haupteslänge überragte.

„Ja, Sir, es ist Ihr Anzug. Ich bringe ihn gleich hoch in Ihr Ankleidezimmer. In fünfzehn Minuten wartet der Wagen.“

Unbeachtet stand Ashling da, konnte sich kaum vom Anblick des Mannes lösen, der sie schon vor vier Jahren mit seiner imposanten Erscheinung beeindruckt hatte. Sie war nicht in der Lage, sich von der Stelle zu rühren. Der Blick aus seinen dunklen Augen war nicht zu deuten, genau wie damals.

Es gab keine Anzeichen, dass er sie wiedererkannte. Sie wusste nicht, ob sie sich darüber freuen oder enttäuscht sein sollte – was einfach lächerlich war. Auf keinen Fall wollte sie, dass der Mann sich an sie erinnerte.

Er war größer als in ihrer Fantasie. Breitschultriger. Sein kräftiger Bizeps sprengte fast die Ärmel des schwarzen Polohemds. Unter dem dünnen Stoff zeichneten sich seine beeindruckenden Brustmuskeln ab.

Genau wie vor vier Jahren trug er einen fast militärisch kurzen Haarschnitt, trotzdem erkannte sie, dass sein Haar die Tendenz hatte, sich zu locken. Aus irgendeinem Grund beschleunigte diese Entdeckung ihren Pulsschlag. Sein Kinn wirkte hart wie Granit. Sie musste daran denken, wie sich seine rauen Bartstoppeln unter ihren Lippen angefühlt hatten.

„Kommen Sie lieber rein, Sie sehen ja total erhitzt aus“, sagte er jetzt.

Ashling blinzelte, als erwachte sie aus einem Traum. Sie war den ganzen Weg von der U-Bahn-Station bis hierher gerannt, ihre billigen Sportsachen waren bestimmt völlig durchgeschwitzt. Immerhin waren es noch fast dreißig Grad an diesem heißen Sommerabend in London.

Kein Wunder, dass Temple sie nicht erkannt hatte …

Sie durfte nicht riskieren, dass er es doch noch tat, indem sie sich hier länger als unbedingt nötig herumdrückte. Rasch trat sie den Rückzug an. „Alles gut. Cassie hatte mich nur darum gebeten, den Anzug vorbeizubringen, und das ist ja nun erledigt.“

„Fast eine Stunde zu spät.“ Missbilligend schaute er auf seine Armbanduhr.

Sofort fühlte sie sich an damals erinnert, als er ihr mit verächtlichem Blick entgegengeschleudert hatte: Eine Frau wie Sie würde ich nie anrühren.

Ashling blieb unschlüssig stehen und biss sich auf die Unterlippe, eine lästige Angewohnheit. „Tut mir leid. Ich wollte gleich nach dem Unterricht zur Reinigung, aber eine meiner Schülerinnen ...“

Temple runzelte die Stirn. „Schülerinnen?“

„Ich unterrichte Yoga.“

Darauf erwiderte er nichts. Also tat Ashling das, was sie immer machte, wenn ein Schweigen zu unangenehm wurde: Sie fing an zu plappern.

„Wie gesagt, ich wollte mich gerade auf den Weg zur Reinigung machen, als eine meiner Schülerinnen eine Panikattacke bekam. Ich musste bei ihr bleiben und ihr helfen, sich zu beruhigen, bis ihr Freund kam, um sie abzuholen … In ihrem Zustand konnte ich sie schließlich nicht alleine lassen.“

Spöttisch hob er die Brauen. „Eine Panikattacke? Sollte Yoga nicht eigentlich den gegenteiligen Effekt haben?“

„Nun ja, eine intensive Yogastunde kann jede Menge Gefühle an die Oberfläche bringen, auch unangenehme.“

Er sah sie an, als verstünde er kein Wort. Dann trat er zur Seite. „Sie sollten ein Glas Wasser trinken – Sie sehen so aus, als könnten Sie es gebrauchen.“

Entgegen der Stimme der Vernunft, die ihr dringend empfahl, sofort zu verschwinden, folgte Ashling seiner Einladung und betrat die himmlisch kühle Eingangshalle seiner Villa.

Die Marmorfliesen im Schachbrettmuster verbreiteten eine Atmosphäre schlichter Eleganz. Eine imposante geschwungene Freitreppe führte nach oben zu einer umlaufenden Galerie. An der hohen Decke funkelte ein riesiger Kronleuchter und reflektierte die Strahlen der Abendsonne, die von draußen hereinfielen, bis Temple die schwere Eingangstür schloss und die Geräusche der Stadt ausblendete.

Wie aus dem Nichts tauchte ein Hausmädchen mit einem Glas Wasser mit Eiswürfeln und einer Zitronenspalte auf, als hätte er sie alleine durch die Kraft seiner Gedanken herbeordert.

„Vielen Dank.“ Ashling nahm das Glas von der jungen Frau entgegen, die sich daraufhin wieder wortlos in die Tiefen des Hauses zurückzog.

Ashling war die Gesellschaft reservierter Menschen nicht gewohnt. Sie selbst neigte zu überschäumendem Temperament und hatte keine Hemmungen, draufloszuplappern, womit sie regelmäßig das Eis zum Schmelzen brachte, wenn sie es mit fremden Leuten zu tun hatte.

Sie riskierte einen Blick in Temples Richtung und wunderte sich nicht, dass er sie anschaute wie ein Wesen von einem anderen Stern. Normalerweise umgab er sich wahrscheinlich nur mit makellos gestylten Leuten.

„Sie wohnen mit Cassie zusammen … sind eine Freundin aus Kindertagen.“

Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Ashling nickte. „Ja, wir sind seit unserem achten Lebensjahr befreundet. Meine Mutter war bei Cassies Vater als Haushälterin angestellt. Wir wohnten fünf Jahre unter demselben Dach.“

Ashling wurde rot. „Na ja, nicht ganz. Mum und ich bewohnten eine kleine Souterrainwohnung neben der Küche. Doch Cassie hat mir nie das Gefühl gegeben, gesellschaftlich unter ihr zu stehen, obwohl sie eine teure Privatschule besuchte und ich nur die staatliche …“ Ups, sie verfiel schon wieder ins Plappern.

„Jetzt lasse ich Sie besser alleine, Sie wollen sich bestimmt für heute Abend vorbereiten, Mr. Temple. Ich habe Sie schon lange genug aufgehalten, sorry.“

Sie stürzte das eiskalte Wasser in einem Zug herunter, dann schaute sie sich suchend um, wo sie das Glas abstellen konnte.

„Ich nehme es Ihnen ab“, sagte Temple.

Als sie ihm das Glas reichte, berührten sich versehentlich ihre Finger. Ashling zog ihre Hand so abrupt zurück, dass das Glas fast zu Boden gefallen wäre, doch Temple fing es noch rechtzeitig auf.

„Der verspätet gelieferte Smoking ist nicht mein einziges Problem“, erklärte er unvermittelt.

„Wie meinen Sie das?“

Seine Miene wurde grimmig. „Eigentlich sollte Cassies Assistentin Gwen mich heute Abend begleiten, um Notizen zu machen. Leider fällt sie aus, weil sie kurzfristig erkrankt ist.“

„Ah, okay …“

Abrupt platzte Temple heraus: „Können Sie ein Gesprächsprotokoll anfertigen?“

Die Frage traf Ashling völlig unvorbereitet. Ohne nachzudenken, erwiderte sie: „Ich habe mal als Aushilfs-Sekretärin gejobbt – also ja, ich könnte ein Protokoll anfertigen.“

„Dann begleiten Sie mich heute Abend.“

Ashling brauchte ein paar Sekunden, um zu verarbeiten, was er gerade gesagt oder vielmehr angeordnet hatte.

„Sie wollen, dass ich mitkomme?“, krächzte sie. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Je mehr Zeit sie in seiner Gesellschaft verbrachte, desto größer wurde die Gefahr, dass ihm dämmerte, wer sie wirklich war.

„Tja, Sie haben Cassie den Gefallen getan, den Smoking bei mir abzuliefern – zu spät, wie ich nochmals betonen möchte. Aber das bringt mich auch nicht wirklich weiter. Ohne Cassie oder ihre Assistentin bin ich heute Abend aufgeschmissen.“

Was sollte sie darauf erwidern? Sie hatte keine Pläne für den Abend, außer bei einem kühlen Glas Roséwein ein Buch auf der Terrasse zu lesen, die zu der Wohnung gehörte, die sie sich mit Cassie teilte.

Diese Aussicht rückte plötzlich in weite Ferne. Cassie würde nicht wollen, dass ihr Boss in der Klemme steckte, und Ashling wollte nicht, dass ihre beste Freundin Probleme bekam.

„Ich … Okay, wenn Sie wirklich unbedingt Unterstützung brauchen“, erwiderte sie widerstrebend.

Temple schien fest entschlossen, dieses Widerstreben zu ignorieren. Er musterte sie von Kopf bis Fuß. „Haben Sie etwas Passendes anzuziehen? Der Dresscode verlangt festliche Abendgarderobe.“

Mit Schaudern dachte Ashling an das gewagte schwarze Kleid zurück. Zu kurz und zu eng. Aber, wie der Zufall es wollte, hatte sie heute passende Kleidung dabei. Als Cassies selbst ernannte Modeberaterin hatte sie für die Hochzeitseinladung der Freundin eine Auswahl an Abendkleidern besorgt. Jetzt hatte sie die Modelle dabei, die sie zurückgeben wollte. Zum Glück hatten Cassie und sie ungefähr dieselbe Größe.

Sosehr Ashling auch versucht war, ihm eine Abfuhr zu erteilen, überwog das Bedürfnis, sich zu beweisen. „Ja, zufällig habe ich etwas dabei. Ein Cocktailkleid. Reicht das?“

„Das passt schon.“ Temple wandte sich zur Treppe. „Kommen Sie mit. Sie können sich in der Gäste-Suite umziehen.“

Schweigend folgte sie ihm nach oben, den Blick bewundernd auf seine imposante Erscheinung geheftet: die breiten Schultern, den kräftigen Rücken, die schmalen Hüften. Der Stoff seiner schwarzen Hose umspannte seinen muskulösen Hintern wie eine zweite Haut.

Autor

Abby Green

Abby Green wurde in London geboren, wuchs aber in Dublin auf, da ihre Mutter unbändiges Heimweh nach ihrer irischen Heimat verspürte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern: Von Enid Blyton bis zu George Orwell – sie las alles, was ihr gefiel. Ihre Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer...

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