Der Preis brennender Sehnsucht

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Einmal so verführerisch zu sein wie die Models, die sie täglich trifft! Für die scheue Stylistin Willow ist es ein Wink des Schicksals, als Dante Di Sione am Flughafen heiß mit ihr flirtet. Kein Wunder, dass sie die Chance ergreift und den sexy Erben einer Reeder-Dynastie einfach erpresst: Wenn Dante sie auf die Hochzeit ihrer Schwester begleitet, erhält er die Diamanten seiner Familie zurück! Eigentlich ein fairer Tausch, der ihr die sinnlichsten Stunden ihres Lebens schenkt. Bis sie erkennt, einen berüchtigten Bad Boy wie Dante herauszufordern, hat einen gefährlich hohen Preis …


  • Erscheinungstag 29.08.2017
  • Bandnummer 0018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708603
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Pures Adrenalin pulsierte in Dante Di Siones Adern, während er den Terminal des kleinen Flughafens durchquerte. Seine Stirn war schweißnass, das Herz schlug hart gegen den Rippenbogen. Als ob er gerannt wäre. Oder direkt aus dem Bett einer besonders leidenschaftlichen Geliebten kam. Wobei er sich kaum noch daran erinnerte, wann er überhaupt das letzte Mal Sex gehabt hatte! Dante runzelte die Stirn. Wie lange mochte das her sein?

Er dachte an die letzten hektischen Wochen, die er auf verschiedenen Kontinenten in den unterschiedlichsten Zeitzonen verbracht hatte. Dabei hatte er in einer beachtlichen Anzahl von Ländern nonstop falsche Fährten verfolgt und war immer wieder in Sackgassen geraten, bis er schließlich hier in der Karibik gelandet war.

Und all das auf der Jagd nach einem unschätzbar kostbaren Schmuckstück, das sein Großvater unbedingt wieder in seinen Besitz bringen wollte – aus Gründen, die er lieber für sich behielt. Dante fühlte, wie sein Herz sich schmerzhaft zusammenzog.

Der Wunsch eines sterbenden Mannes …

Was ihn momentan peinigte, war jedoch nicht die Anstrengung, die er für jemanden auf sich nahm, der ihm die Eltern ersetzt hatte, sondern dass diese Mission einen Appetit nach Aufregung und Abenteuer wiederbelebt hatte, der ihm irgendwann abhandengekommen war. Alles in Dante sträubte sich, in die hochkarätige Tretmühle aus Big Business und dem dekadenten Glamour seiner neuen Wahlheimat Paris zurückzukehren.

Er hatte die unberechenbare Suche nach dem Schmuck und das damit verbundene Verlassen seiner Komfortzone weitaus mehr genossen, als er sich eingestehen wollte.

Seine Finger krampften sich um den Griff der Reisetasche, in der er die kostbare Tiara transportierte. Jetzt musste er das wertvolle Stück nur noch heil und unbeschadet nach New York und bis zum Krankenbett seines Großvaters bringen, damit der alte Mann damit tun konnte, was immer er im Sinn hatte.

Dante schluckte. Sein Mund fühlte sich schrecklich trocken an. Er brauchte einen Drink … oder irgendetwas anderes, um sich davon abzulenken, dass sein Adrenalinspiegel bedenklich abzusinken drohte.

Aufmerksam blickte er sich im Terminal um. Die kleine Abfertigungshalle war voll mit den üblichen Verdächtigen, die sich von derartigen Karibiktraumzielen angezogen fühlten wie Motten vom Licht. Anscheinend hatte es auf der Insel außerdem noch ein Fotoshooting gegeben, da sich neben den sonnenverbrannten Reichen und Schönen auch etliche Models in der Halle tummelten. Junge Dinger, deren ellenlange Beine in knappen Denim-Shorts steckten. Alle trugen wirkungsvoll ramponierte Strohhüte, unter deren breiten Krempen er nur niedliche Stubsnasen ausmachen konnte – und volle, weiche Lippen, die sie beziehungsvoll schürzten, sobald er in ihre Richtung schaute.

Dante seufzte. Er war einfach nicht in der Stimmung, auf derart durchsichtige Manöver zu reagieren. Vielleicht sollte er stattdessen lieber René in seinem Pariser Büro anrufen, um zu erfahren, was in der Zwischenzeit an Arbeit aufgelaufen war.

Sein Blick fiel auf eine junge Frau, die etwas abseits saß. Sie war blond und wirkte auffallend blass in diesem Meer von gebräunten Körpern. Irgendwie … sauber, fast durchscheinend, als hätte sie den Großteil ihres Lebens unter Wasser verbracht und wäre gerade erst aufgetaucht. Vielleicht zog sie auch deshalb das weiche Kaschmirtuch um die schmalen Schultern, als ob sie friere.

Sie saß an der Bar, vor sich ein Glas Rosé Champagner, den sie bisher nicht angerührt hatte. Ihre Blicke trafen sich … Die Frau griff nach dem Glas und starrte es an, als versuche sie, einem Geheimnis auf den Grund zu gehen. Trinken tat sie den Champagner immer noch nicht.

War es diese unerwartete Demonstration von Schüchternheit, die ihn auf sie zugehen ließ? Frauen wie sie waren ihm schon lange nicht mehr begegnet. Nicht in dem Leben, das er jetzt führte …

Mit wenigen Schritten war Dante bei ihr und stellte sein Handgepäck auf dem Boden ab, neben einer ledernen braunen Tasche, die seiner erstaunlich ähnelte.

Die Fremde hob scheu den Blick. Dante betrachtete fasziniert ihre zarten Gesichtszüge.

„Hi“, sagte er.

„Hi“, erwiderte sie mit einem sehr britischen Akzent und musterte ihn scheu unter dichten, gebogenen Wimpern hervor.

„Haben wir uns schon einmal getroffen?“

Sie wirkte verwirrt, wie jemand, der sich plötzlich und unerwartet im Rampenlicht sah. Dann schob sie die feinen Brauen zusammen, nagte an ihrer Unterlippe und schüttelte schließlich den Kopf. „Ich glaube nicht.“ Ihr blondes Feenhaar floss wie ein seidiger Wasserfall über die schmalen Schultern herab. „Nein, ich bin mir sogar sicher. Ich würde mich an Sie erinnern.“

Dante lehnte sich gegen den Tresen und lächelte. „Aber Sie haben mich angestarrt, als würden wir uns kennen.“

Willow antwortete nicht, jedenfalls nicht sofort. Dafür war sie viel zu konfus und verlegen. Gleichzeitig fühlte sie sich geradezu unwiderstehlich von dem Fremden angezogen, was sie völlig verunsicherte. Natürlich hatte sie ihn angestarrt, aber wer würde das nicht tun?

Willow spürte, wie sich ihre Nackenhärchen aufstellten, zog ihren Schal noch fester um die Schultern und schauderte unwillkürlich, als sie seinem amüsierten Blick begegnete. Keine Frage, er war der attraktivste Mann, der ihr je begegnet war. Und das, obwohl sie in ihrem Beruf fast ausschließlich mit perfekten Typen zu tun hatte.

Sein legeres Outfit täuschte sie nicht. Er trug es mit der typischen Nachlässigkeit der Reichen und so, als wäre er eben erst aus dem Bett gefallen. Und wahrscheinlich nicht aus seinem eigenen!

Verblichene Jeans, schmale Hüften, dazu die langen muskulösen Beine eines Athleten. Obwohl das Leinenhemd ziemlich zerknittert war, demonstrierte seine ganze Erscheinung Macht und ein privilegiertes Leben.

Über strahlend blauen Augen schwarzes, zerrauft wirkendes Haar, das bis über den Hemdkragen reichte. Der goldene Bronzeton seiner Haut deutete mediterrane Wurzeln an. Hinter der lässigen Playboyfassade ließen sich trotzdem stählerne Härte und hitziges Temperament erahnen, was seinen Bad-Boy-Charme nur unterstrich.

Normalerweise waren Männer wie er weniger ihr Fall, was möglicherweise an einer gewissen Scheu lag, die sie in ihrer Gegenwart überfiel. Das führte Willow für sich auf ihre lange Krankheit zurück. Gefolgt von Aufenthalten in reinen Mädchenschulen!

Tatsächlich war sie in einem rein weiblichen Umfeld aufgewachsen. Die einzigen Männer, die sie zu Gesicht bekommen hatte, waren Ärzte gewesen.

Über Jahre hinweg hatte sie eingeschlossen im sicheren Kokon ihrer reduzierten Welt gelebt. Und bis heute bedeutete ihr Sicherheit nahezu alles.

Was hatte ausgerechnet dieser Mann nur an sich, dass ihr Herz so heftig oben im Hals schlug, als wollte es heraushüpfen?

Immer noch fixierte er sie fragend aus diesen unglaublich blauen Augen, während Willow fieberhaft überlegte, wie ihre Schwestern in einer Situation wie dieser reagieren würden. Jedenfalls nicht wie paralysiert vor ihm sitzen und tumb zurückstarren. Wahrscheinlich würden sie die gebräunten, durch regelmäßigen Sport modellierten nackten Schultern zucken und irgendeine launige Bemerkung machen … oder ihm lächelnd ihr leeres Champagnerglas als stumme Aufforderung hinhalten.

Nervös drehte sie den Stiel ihres vollen Glases zwischen Daumen und Zeigefinger. Mach’s wie sie! ermunterte sie sich selbst. Tu einfach so, als würdest du jeden Tag von atemberaubenden Männern angesprochen.

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie daran gewöhnt sind, angestarrt zu werden“, eröffnete sie ihm völlig aufrichtig und um einen ironischen Ton bemüht. Dann hob sie das Glas und trank ihren ersten Schluck Champagner. Es folgte ein zweiter und ein dritter. Erfreut registrierte Willow, dass sie sich schon viel lockerer fühlte.

„Stimmt“, bestätigte er schamlos. Um seine Mundwinkel zuckte es verdächtig, als er auf dem Barhocker neben ihr Platz nahm. „Was trinken Sie?“

Willow schüttelte den Kopf und lachte leise. „Sorry, aber ich denke, ich sollte es nicht übertreiben.“ Für die ungewohnte Leichtigkeit in ihrem Kopf und die wohlige Wärme, die ihren gesamten Körper durchströmte, konnte nur der Champagner verantwortlich sein. „Ich habe seit dem Frühstück noch keinen Bissen zu mir genommen.“

Dante hob die dunklen Brauen. „Ich wollte eigentlich nur wissen, ob es gut ist“, erklärte er und brachte sie damit noch mehr in Verlegenheit.

„Oh ja … natürlich! Wie albern von mir. Es ist …“ Ihre Wangen brannten, als sie noch einen Schluck nahm, der plötzlich wie Medizin schmeckte. „Es ist der beste Champagner, den ich je getrunken habe.“

„Dann gehört es zu Ihren Gepflogenheiten, auf Flughäfen ganz allein Champagner zu trinken?“

Erneut schüttelte sie den Kopf. „Nein, aber heute habe ich etwas zu feiern … das Ende eines Jobs.“

Dante nickte und wusste, dass von ihm erwartet wurde zu fragen, was für ein Job das gewesen war. Doch da er befürchtete, sich gleich wieder zu langweilen, verzichtete er darauf. Das Letzte, was er jetzt hören wollte, war ein Resümee ihrer Karriere.

Darum wandte er sich an den Barkeeper, bestellte ein Bier und lehnte sich zurück, um die ätherische Schönheit neben ihm eingehender zu betrachten.

Er begann bei ihrem Haar. Es war die Art von goldenem Gespinst, das er bevorzugt über seine nackten Lenden drapiert sähe. Wobei er eine kecke Brünette oder einen heißen Rotschopf auch nicht von der Bettkante stoßen würde. Trotzdem fühlte er sich von Blondinen so unwiderstehlich angezogen wie ein hungriger Bär vom Honigtopf.

Jetzt, aus der Nähe betrachtet, wirkte sie auf ihn eher interessant als schön. Der helle Ton ihrer zarten Haut, die sich über den hohen, perfekt modulierten Wangenknochen spannte, schien nahezu transparent. Ihre Augen waren grau. Es war das verhangene, nebelige Grau eines englischen Winterhimmels.

Ihre Lippen waren wohlgeformt und wirkten vielleicht deshalb besonders weich und üppig, weil sie sehr schlank war. Zu schlank. Sie trug enge Jeans mit aufgestickten Pfauen auf den Taschen und einem breiten Gürtel, der ihre Wespentaille noch betonte. Mehr konnte er wegen des störenden Kaschmirschals, in den sie gehüllt war, nicht sehen.

Was ihn ausgerechnet zu ihr gezogen hatte, während es um sie herum von atemberaubenden weiblichen Wesen nur so wimmelte, denen seine Aufmerksamkeit mehr als willkommen gewesen wäre, konnte Dante sich selbst nicht erklären. Sie dagegen erinnerte eher an ein scheues Wildtier, das in eine Falle getappt war.

Vielleicht war es das Gefühl, dass sie nicht hierhergehörte, sondern wie ein Fremdkörper wirkte. Habe ich mich selbst nicht auch ein Leben lang so gesehen? Der Außenseiter, der stets außen vor steht und von dort aus zu den anderen hinübersieht?

Oder wollte er sich einfach nur davon ablenken, dass er mit dieser verdammten Tiara in der Tasche in die Staaten zurückkehren musste, wo er wieder daran erinnert werden würde, wie viel in seiner turbulenten Familie über Jahre hinweg unausgesprochen und unerledigt geblieben war.

Der bedrohliche Gesundheitszustand seines Großvaters hatte Dante an einen Scheideweg seines Lebens gebracht. Er konnte sich eine Welt ohne Nonno, wie er und seine Geschwister ihn liebevoll nannten, unmöglich vorstellen. Ohne den klugen, starken Mann, der ihn ungeachtet seines wilden Wesens und seiner etlicher Verfehlungen von klein auf geliebt und akzeptiert hatte.

Aber noch war er nicht zurück in New York, sondern auf einer Karibikinsel und erging sich in erotischen Fantasien, die sich alle um diese ungewöhnliche Blondine neben ihm rankten. Obwohl die zarte Schönheit immer noch einen wachsamen Blick hatte.

Dante lächelte, weil er eigentlich daran gewöhnt war, den Frauen die ersten Schritte zu überlassen, damit er sich mit einem relativ reinen Gewissen aus der Affäre zurückziehen konnte, wenn sie endete. Ihm gefielen Frauen mit gesundem Selbstbewusstsein, klaren Vorstellungen und Eigeninitiative.

Doch dieses scheue Reh reizte ihn auf eine ganz andere Weise, die zumindest eine neue Erfahrung versprach. Und Ablenkung!

„Also, was tun Sie hier?“, fragte er mit zugewandtem Lächeln und interessiertem Blick. „Ich meine abgesehen von der üblichen Antwort: Auf den Flieger warten.“

Willow starrte auf ihre Hände und überlegte, was ihre Schwestern darauf geantwortet hätten. Ihre drei klugen, schönen Schwestern, in deren abwechslungsreichen Lebensläufen Worte wie Zweifel oder Schüchternheit keinen Platz fanden. Zweifellos hätte jede von ihnen irgendeine witzige oder ironische Antwort parat, auf die der attraktive Fremde den dunklen Kopf in den Nacken gelegt und laut gelacht hätte.

Anstatt sich immer noch zu fragen, warum er ausgerechnet sie angesprochen hatte.

Warum kam sie im Rahmen ihrer Arbeit problemlos mit Männern zurecht, ohne sich ständig zu wünschen, der Boden würde sich vor ihr auftun und sie verschlingen?

Aus der Nähe gesehen war er noch umwerfender. Man fühlte sich förmlich von der unterschwelligen Energie angesteckt, die ihn umgab wie ein elektrisches Kraftfeld. Das Bemerkenswerteste an ihm waren aber eindeutig die Augen. Noch nie zuvor hatte Willow so eine Augenfarbe gesehen – blauer als der karibische Himmel. Blauer als die Flügel der Schmetterlinge, die sie an langen Sommerabenden umflatterten.

Ein strahlendes Blau, aber intensiver … härter.

Sein scharfer Blick traf sie mitten ins Herz, während er auf eine Antwort wartete.

Sie hätte ihm sagen können, dass sich ihr erstes Solo-Shooting als Stylistin eines großen englischen Modejournals gerade als überwältigender Überraschungserfolg entpuppt hatte. Doch so sehr sie sich auch darüber zu freuen versuchte, ihre Euphorie wurde von dem Ereignis gedämpft, das sie in England erwartete.

Noch eine Hochzeit! Eine weitere Demonstration von Liebe und Romantik, die sie bevorzugt in ihrem eigenen Leben begrüßt hätte. Stattdessen kehrte sie in ihr Elternhaus zurück, das ihr über viele Jahre hinweg gleichzeitig Schutzhort und Gefängnis gewesen war. Zurück in die Arme ihrer wohlmeinenden Schwestern und überfürsorglichen Eltern.

Zurück zu der Erkenntnis, dass ihr wahres Leben so gut wie nichts mit ihrem glamourösen Job zu tun hatte.

Dann verleih ihm doch endlich etwas Glamour! hetzte sie die kleine Stimme in ihrem Hinterkopf auf.

Sie hatte diesen Mann noch nie zuvor gesehen, und es war mehr als unwahrscheinlich, dass er ihr in Zukunft noch einmal über den Weg laufen würde. Warum also nicht ein einziges Mal in ihrem Leben die Femme Fatale spielen? Eine Rolle, die sie sich bislang strikt versagt hatte. Kann ich nicht einfach vorgeben, leidenschaftlich, souverän und begehrenswert zu sein?

Immerhin war sie seit über drei Jahren in der Mode-Industrie tätig und hatte genügend Zeit gehabt, die Topmodels der Welt zu beobachten, während sie vor der Kamera standen und posierten. Sie sah, wie sie kokettierten, flirteten und sich mit einer Leichtigkeit so herausfordernd lasziv zeigten, dass es einem den Atem verschlug.

Konnte sie nicht so tun, als wäre sie das Model und der Fremde die Kamera?

Warum versuchte sie nicht wenigstens einmal, der Typ Frau zu sein, von dem sie heimlich träumte, anstatt Willow Hamilton, die nie über die Stränge hatte schlagen dürfen? Und die nie so unbeschwert leben durfte wie andere Frauen ihres Alters.

Gedankenverloren fuhr Willow mit der Fingerspitze über den Rand ihres Champagnerglases. „Ich habe hier an einem Mode-Fotoshooting gearbeitet.“

„Oh …“ Dante machte eine kleine Pause. „Sie sind also Model?“

Irrte sie sich, oder hatte ein enttäuschter Unterton in der dunklen Stimme mit dem transatlantischen Akzent gelegen? Mochte er etwa keine Models? Wenn das zutraf, war er tatsächlich so ungewöhnlich, wie sie jetzt schon mutmaßte.

Willow zauberte ein Lächeln auf ihre weichen Lippen. „Sehe ich denn wie ein Model aus?“, erwiderte sie kokett und stellte fest, dass es ihr leichter fiel als gedacht.

„Ich bin nicht sicher, ob Sie sich darauf tatsächlich eine Antwort wünschen.“

„Oh …“ Willow hielt inne und schob ihr Glas von sich.

Dantes blaue Augen glitzerten. „Sage ich Nein, sind Sie womöglich beleidigt und fragen: Warum nicht? Und wenn ich Ja sage, könnten Sie ebenso beleidigt sein und seufzend fragen: Ist das wirklich so offensichtlich?“

Willow lachte und war fast schockiert von dem ungewohnten Laut, der ihr nur selten oder so gut wie nie über die Lippen kam.

Urplötzlich empfand sie ein Gefühl von Freiheit, Aufregung und Abenteuer. Seine funkelnden Augen signalisierten Willow, dass sie offenbar gar nicht so schlecht in diesem für sie unbekannten Spiel abschnitt.

„Danke für die aufrichtige Antwort“, sagte sie ernsthaft. „Jetzt kann ich mich getrost entspannen.“

„Warum das?“

„Na, wie es aussieht, bin ich so wenig originell, dass Sie jede Antwort bereits erahnen. So können Sie die Konversation ganz allein bestreiten.“

In den blauen Augen blitzte es überrascht auf. „Niemals! Das wäre ein herber Verlust für mich. Wie heißen Sie?“

„Willow … Willow Hamilton.“

Die dunklen Brauen schossen nach oben. „Ist das Ihr echter Name?“

„Hamilton, meinen Sie?“

Sein breites Lächeln wärmte ihr Herz. „Willow.“

„Verstehe …“ Einen Mann wie ihn amüsieren zu können, tat ihr gut. „Klingt eher nach einer Erfindung oder einem Spitznamen, oder? Tatsächlich ist es eine Art Familientradition. Meine Eltern haben all ihren vier Töchtern Namen verpasst, die der Natur entlehnt sind.“

„Sie meinen wie ein Berg oder …“ Er brach ab, als er ihr warmes Lachen hörte.

Immer noch lachend schüttelte sie den Kopf. „Zum Glück nicht ganz so abgedreht. Meine Schwestern heißen Flora, Clover und Poppy. Und alle drei sind überaus schön“, fügte sie etwas gepresst hinzu.

Dante stutzte. „Jetzt erwarten Sie natürlich, dass ich sage, aber Sie sind doch auch wunderschön. Und sie antworten …“

„Wie gesagt“, unterbrach Willow ihn spröde. „Wer so scharfsinnig ist wie Sie, braucht kein Gegenüber, um sich zu unterhalten.“

„Und trotzdem wissen wir beide, dass es daneben noch eine Menge Dinge gibt, die zu zweit sehr viel mehr Spaß machen, nicht wahr, Willow?“

Selbst, wenn sie noch nie einen festen Freund gehabt hatte, war Willow trotz Krankheit und Behütetsein dann doch nicht so weltfremd aufgewachsen, dass sie die Anspielung nicht verstand. Außerdem arbeitete sie in einer Branche, in der geradezu herausfordernd freimütig über Sex gesprochen wurde. Dass sie trotzdem brandrot wurde, ärgerte sie und erinnerte Willow daran, dass ihre Schwestern sie immer Scarlett Pimpernel nannten.

Sie griff nach ihrem Glas und atmete scharf ein, als sie eine warme, feste Männerhand auf ihrer spürte. Willow hatte das Gefühl, als reagierten auf ihrem Handrücken Millionen empfindlicher Nervenenden, von deren Existenz sie bisher keine Ahnung gehabt hatte. Fasziniert starrte sie erst auf die olivfarbenen Finger, die einen reizvollen Kontrast zu ihrer blassen Haut bildeten, und dann zu ihm hoch.

„Nicht“, sagte er sanft. „Eine Frau, die noch erröten kann, ist ein seltener Anblick, der Männern durchaus gefällt. Kein Grund also, sich zu schämen. Außerdem … Verlegenheit durch Alkohol kaschieren zu wollen, macht es nur schlimmer.“

„Sie scheinen ein Experte zu sein, was das weibliche Geschlecht betrifft“, versuchte Willow sich in Sarkasmus zu flüchten, brachte es aber aus einem unverständlichen Grund nicht über sich, diesem arroganten Schnösel ihre Hand zu entziehen.

„Ich bin in vielen Dingen Experte“, kam es dann auch prompt zurück.

„Aber nicht, was Taktgefühl betrifft, oder?“

„Nein“, gestand er mit einem Lächeln, das ihre Knie weich werden ließ. „Takt zählt nicht unbedingt zu meinen Tugenden.“

Unter seinem zwingenden Blick senkte sie die Lider. Kurz darauf unterbrach lautes Gekreische am anderen Ende des Terminals das lastende Schweigen zwischen ihnen. Ein kleiner Junge brüllte aus voller Kehle und traktierte seine Mutter mit winzigen Fäusten, währen die ungerührt ihr Handygespräch fortführte.

Sprich doch lieber mit ihm! dachte Willow angespannt. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, warum manche Menschen überhaupt Kinder in die Welt setzten, wenn sie offenkundig keine Lust hatten, sich um sie zu kümmern oder auch nur wahrzunehmen.

Erst als sie aus den Augenwinkeln sah, wie Blue Eyes auf seine Uhr sah, wurde ihr bewusst, dass sie gerade kostbare Zeit verschwendete, anstatt das unverhoffte Gespräch mit dem attraktiven Fremden so lange wie möglich auszudehnen. Wäre es nicht ein echter Triumph, mit dem Gefühl nach Hause zu fliegen, zum ersten Mal ihre fast krankhafte Schüchternheit besiegt zu haben?

Endlich einmal eine positive Antwort auf die stets gleichlautende Frage abgeben zu können: Na, endlich mal irgendein männliches Wesen an deinem Horizont, Willow?

„Wie heißen Sie eigentlich?“, fragte sie so beiläufig, als wäre es eine spontane Eingebung, und zog ihre Hand unter seiner zurück, ehe er es tun konnte.

„Dante.“

„Einfach nur Dante?“

„Di Sione“, fügte Dante zu Willows Irritation eher widerwillig hinzu, trank einen Schluck Bier und wartete. Es war durchaus möglich, dass diese zarte englische Schönheit, die noch wie eine schüchterne Maid errötete, bisher nie etwas von seiner skandalträchtigen Familie gehört hatte. Dass sie nie mit seinem Zwillingsbruder im Bett gewesen oder mit einem seiner in der ganzen Welt verstreut lebenden Geschwistern zusammengestoßen war.

Der Gedanke an seinen Bruder verursachte einen schmerzhaften Druck in seiner Brust. Doch Dante ignorierte ihn mit einer Gefühlskälte, die ihm fast schon zur zweiten Natur geworden war.

Stattdessen suchte er in den sanften grauen Augen seines Gegenübers immer noch nach einem Aufblitzen oder anderen Signal des Erkennens. Doch es kam nichts. Sie erwiderte seinen harten, forschenden Blick so freimütig und offen, dass er sich am liebsten vorgebeugt und sie auf die weichen Lippen geküsst hätte.

„Ich versuche zu ergründen, was für eine Reaktion Sie gerade von mir erwarten“, eröffnete sie ihm zu seiner Verblüffung. „Ganz sicher werde ich nicht die naheliegende Vermutung äußern, dass Ihr Name aus dem Italienischen kommt“, überlegte sie laut weiter. „Am besten sage ich einfach, dass es ein sehr schöner, ungewöhnlicher Name ist. Di Sione …“ Willow lächelte versonnen. „Das lässt an ein weites blaues Meer denken, an Terrakottadächer, dunkelgrüne Zypressen, die nirgendwo besser hinzupassen scheinen als nach Italien. Ist das eine Antwort, die Sie zufriedenstellen könnte? Oder wieder einfach nur eine vorhersehbare.“

Es dauerte einen Moment, bevor Dante darauf antwortete.

Sie war so … unerwartet. Ein anderes Wort fiel ihm nicht ein, um seine Irritation auszudrücken. Es war, als wäre er inmitten verstörenden, schweißtreibenden Trubels unerwartet an einem ruhigen schattigen Plätzchen gelandet. Als flösse kühles klares Wasser über schmutzige, zerschundene Hände und schwemme alle Schmerzen hinweg.

„Nein, nicht vorhersehbar“, erwiderte er rau. „Aber auch nicht befriedigend.“

Dante beugte sich vor und nahm einen salzigen Hauch wahr, als wäre sie früher am Morgen noch im Meer geschwommen. Insgeheim fragte er sich, was für Körperformen sie unter dem verhüllenden Monsterschal verbarg. Wie ihr blondes Feenhaar auf ihrer nackten Haut wirken mochte …

„Die einzige für mich akzeptable Reaktion wäre, dass Sie sich zu mir beugen und Ihre anbetungswürdigen Lippen öffnen, damit ich Sie endlich küssen kann.“

Keine Frage, damit hatte er sie geschockt.

Willow hielt den Atem an und spürte einem überraschenden Gefühl nach. Es war, als führen unzählige Fingerspitzen über ihren Körper … streichelnd, lockend, verführend, ohne dass sie berührt wurde. Und bevor sie darüber nachdachte, ob es wirklich klug war, schloss sie die Augen, beugte sich ihm entgegen und spürte seinen Mund auf ihrem. Seine Zungenspitze, mit der er spielerisch über ihre Lippen fuhr.

War es der Champagner oder eine unbestimmte Sehnsucht, die sie dazu verleitete, ihm noch weiter entgegenzukommen? Oder einfach der Drang, aus einem unfreiwilligen Gefängnis auszubrechen und sich endlich frei zu fühlen? Alle Konventionen beiseitezuschieben und nicht länger die zarte, zerbrechliche Blume zu sein, als die sie ihr Leben lang behandelt wurde.

Hier und jetzt wollte sie nicht Willow Hamilton sein, sondern eine von der karibischen Sonne geküsste Schönheit. So wie die aufregenden Verführerinnen, als die sie Topmodels aus der ganzen Welt für die extravaganten Modeaufnahmen gestylt hatte.

Autor

Sharon Kendrick
Fast ihr ganzes Leben lang hat sich Sharon Kendrick Geschichten ausgedacht. Ihr erstes Buch, das von eineiigen Zwillingen handelte, die böse Mächte in ihrem Internat bekämpften, schrieb sie mit elf Jahren! Allerdings wurde der Roman nie veröffentlicht, und das Manuskript existiert leider nicht mehr.

Sharon träumte davon, Journalistin zu werden, doch...
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