Auf der Liebesinsel des stolzen Italieners

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Wie kann der sexy Unbekannte behaupten, sie sei seine Ehefrau? Ally kennt ihn nicht einmal! Dennoch löst Angelo Riccis tiefe, dunkle Stimme ein erregendes Kribbeln in ihr aus. Sein athletischer Körper, sein markantes Gesicht … alles an ihm erscheint ihr merkwürdig vertraut, auch wenn sie sich nach einem Unfall an nichts erinnern kann. Verzweifelt hofft sie, mit Angelos Hilfe ihr Gedächtnis wiederzuerlangen und zu erfahren, was sie auf der idyllischen Mittelmeer-Insel wollte. Doch was der stolze Italiener ihr vorwirft, ist einfach ungeheuerlich …


  • Erscheinungstag 10.01.2023
  • Bandnummer 2579
  • ISBN / Artikelnummer 9783751518260
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ein Schrei erregte Angelos Aufmerksamkeit. Er trat durch die offene Glastür und sah seinen Gärtner Enzo, der sich über das Geländer der Terrasse beugte.

Enzo starrte hinunter, als würde er etwas im Wasser suchen. Dann wirbelte er herum, sah Angelo und winkte.

„Jemand wurde angespült!“, rief er aufgeregt.

Angelo runzelte die Stirn. Enzos Sehkraft hatte in den letzten Jahren nachgelassen, und er brauchte eine Augenoperation. Er musste sich irren. Doch jetzt rief er noch einmal: „Am Strand liegt eine Leiche.“

Angelo rannte über die Steintreppen nach unten. Bei jedem Schritt sagte er sich, dass es sich bestimmt um einen Touristen handelte, der sich auf dem feinen Sandstrand der Insel sonnte.

Doch angesichts des stärker werdenden Windes und der bedrohlichen Wolken, die über den dunklen Himmel zogen, wirkte die Erklärung nicht sehr überzeugend. Der Wetterbericht hatte für heute Sturm angesagt.

Wahrscheinlich hatte der Tourist nicht gewusst, dass die Bucht nicht öffentlich zugänglich war, und war von einem Boot aus an Land geschwommen. Allerdings würde keiner von den einheimischen Bootsführern einen Touristen an Angelo Riccis Strand bringen. Die Menschen hier respektierten seine Privatsphäre.

Endlich erreichte Angelo die Terrasse. Er beugte sich neben Enzo über das Geländer und starrte auf die reglose Gestalt hinab. Eine Frau. Mit dem Gesicht nach unten lag sie am anderen Ende der Bucht.

Bei ihrem Anblick stockte ihm der Atem, und jede Hoffnung, dass sie sich nur sonnte, erstickte im Keim. Angelos Gedanken rasten. Er nahm jedes Detail wahr.

Ihre schlanken nackten Beine lagen im Wasser, ihr übergroßes weißes T-Shirt klebte an ihrem Körper. Das einzige Zeichen von Bewegung war der Wellenschlag an ihren Schenkeln. Sie selbst rührte sich nicht.

Ihr Kopf und ein ausgestreckter Arm ruhten auf einem Felsvorsprung, als hätte sie ihren Oberkörper noch selbst hinaufgezogen. Aber sogar von hier aus sah Angelo, dass ihre Hand erschlafft war.

„Ruf den Notarzt!“, sagte er zu Enzo.

Dann sprang Angelo mit einem Satz über das Geländer. Rasend schnell lief er die Stufen zur Bucht hinunter, die in die steile Felswand gehauen waren.

Seit Enzos Schrei waren erst wenige Minuten vergangen, doch es fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Und für die Frau dort unten im Sand konnte jede Sekunde über Leben und Tod entscheiden.

Während er über den weichen Sand rannte, spürte Angelo seinen Herzschlag wie in Zeitlupe. Zuletzt hatte er diese drängende Eile gefühlt, als er und sein Kletterpartner in den Dolomiten im Norden des Landes zwei Anfänger gerettet hatten. Einer der Kletterer war gestürzt und hatte sich schwer verletzt. Nur mit viel Einfallsreichtum hatten sie es geschafft, die beiden in Sicherheit zu bringen. Auch damals hatte jede Sekunde gezählt.

Angelo schob die Erinnerung beiseite und lief, so schnell er konnte, auf die Felsen zu. Vielleicht war die Frau noch nicht tot. Vielleicht gab es noch eine Möglichkeit, sie zu retten …

Als er sie erreichte, fiel er neben ihr auf die Knie. Mit einem Blick suchte er die Umgebung ab. Er sah keine Fußspuren, kein Zeichen, dass jemand außer ihr hier gewesen war.

Ihr Haar war nass, also lag sie noch nicht lange hier. Er umfasste sanft ihr Handgelenk, suchte nach einem Puls.

Dann spürte er einen Herzschlag. Schwach, aber regelmäßig. Erleichterung durchfuhr ihn. Wenigstens lebte sie noch.

Auf den ersten Blick sah er keine Verletzungen. Nach der makellosen glatten Haut ihrer Arme und Beine zu urteilen, war sie noch jung. Ihre Haut war leicht gebräunt, heller als die der meisten Süditaliener. Also eher eine Touristin als eine Einheimische.

Ob er sie bewegen sollte? Sie umdrehen? Nein. Sie konnte sich an den Felsen den Rücken oder den Kopf verletzt haben. Am besten wartete er auf den Arzt.

Nachdenklich sah Angelo auf das kobaltblaue Meer hinaus. Wie war sie hergekommen? Das Festland war nah, aber zu weit entfernt, um zur Insel zu schwimmen. Doch er entdeckte kein Boot.

Besorgt beugte er sich über die Frau und schob vorsichtig einige Strähnen der nassen blonden Haare aus ihrem Gesicht. Trotz seiner Berührung bewegte sie sich nicht.

Als sein Blick auf den sanften Schwung ihrer Wangenknochen fiel, auf die zierliche Nase, die vollen Lippen, die viel zu blass wirkten, schnappte er hörbar nach Luft. Das Herz hämmerte wild in seiner Brust. Er kannte sie.

Sie konnte unmöglich hier sein … und doch bestand kein Zweifel. Dieses Gesicht würde er niemals vergessen.

Er erinnerte sich daran, wie sie im Schein der Morgensonne neben ihm im Bett gelegen hatte.

Angelo blinzelte und verdrängte die Bilder. Dann fiel sein Blick auf die winzigen Sommersprossen auf ihrer Nase, und er runzelte die Stirn. Die waren neu. Auch ihre Augenbrauen sahen etwas anders aus. Immer noch wunderschön geschwungen, aber natürlicher.

Aber ihre letzte Begegnung lag fünf Jahre zurück. Natürlich hatte sie sich verändert. Und doch … sie wirkte kein bisschen älter. Im Gegenteil, sie sah sogar jünger aus. Aber wahrscheinlich lag das an den Unsummen, die sie für Schönheitsoperationen ausgab.

Damals hatte sie behauptet, als Model wäre das für ihre Arbeit nötig. Aber er wusste, dass sie vor allem aus Eitelkeit handelte.

Was immer noch nicht erklärte, warum sie hier war. Ausgerechnet auf seinem Strand. Plötzlich bemerkte er etwas Dunkles an seiner Hand. Blut? Stammte es von ihrem Kopf?

Beunruhigt beugte er sich vor. In diesem Moment flatterten ihre Augenlider. Er hielt inne. Jetzt sah er ein kleines Stirnrunzeln über ihren Brauen. Eine kaum merkliche Bewegung.

Zu seinem eigenen Entsetzen ertappte er sich bei dem Gedanken, dass ihr stilles Gesicht fast unschuldig wirkte.

Unschuldig? Er lächelte bitter. Das war ganz bestimmt kein Wort, mit dem man diese Frau beschreiben konnte.

Durchtrieben passte eher. Selbstverliebt. Intrigant. Lügnerin.

Je länger er darüber nachdachte, desto weniger Sinn ergab ihre Anwesenheit an seinem Privatstrand. Auf jeden Fall konnte es kein Zufall sein.

Angelo Ricci war vieles, aber ganz bestimmt nicht leichtgläubig. Früher vielleicht, aber jetzt nicht mehr. Nein, er hatte auf brutale Art und Weise gelernt, misstrauisch zu sein.

Keiner anderen Frau würde er unterstellen, eine Szene wie diese zu inszenieren. Aber bei ihr überlegte er nur, was dahinterstecken mochte. Ihr konnte man nicht trauen. Vielleicht war sogar das Blut in ihrem Haar nur Farbe.

Jetzt vertiefte sich ihr Stirnrunzeln, als hätte sie Schmerzen. Falls es echt war … Genauso gut konnte es sein, dass sie nicht einmal verletzt war. Dass sie ihm etwas vorspielte, weil sie genau wusste, dass er misstrauisch war.

Aber warum sollte sie sich die Mühe machen? Ob sie wirklich glaubte, er könnte jemals vergessen, was zwischen ihnen vorgefallen war?

Sie stöhnte. Ein leises, jämmerliches Geräusch. Gegen seinen Willen spürte Angelo Mitleid. Vielleicht war sie wirklich verletzt. Er setzte sich neben sie auf einen Felsen und dachte nach, was er jetzt tun sollte.

In diesem Moment öffnete sie die Augen.

Noch immer sah er nur eine Hälfte von ihrem Gesicht, aber eine Verwechslung war unmöglich. Nur eine Frau, die er kannte, besaß solche Augen. Augen in der Farbe von Lavendel. Eine atemberaubende Farbe irgendwo zwischen Blau und Violett.

Er atmete tief aus.

Sie schien ihn nicht sofort zu bemerken. Erst als er sich bewegte, hob sie den Kopf und sah ihn an. In ihren Augen fand er kein Zeichen des Erkennens. Keine Überraschung oder Zufriedenheit.

„Hallo, Alexa“, begrüßte er sie kühl.

Sie blinzelte und starrte ihn ausdruckslos an. Dann fielen ihre Augen wieder zu.

Angst schoss durch Angelos Körper. Er wollte diese Frau nicht hier haben. Wollte sie nie wiedersehen. Aber ganz bestimmt wollte er nicht, dass sie hier an seinem Strand starb, unter seiner Verantwortung.

„Alexa!“

Sie zuckte zusammen. Hatte sie auf eine herzlichere Begrüßung gehofft? Oder hatte sie wirklich Schmerzen? Vielleicht war die Kopfverletzung tatsächlich echt. Oder sie spielte die Schmerzen nur vor. Bei Alexa war beides möglich.

„Alexa, sprich mit mir.“ Trotz seines Misstrauens sorgte er sich um sie. Sollte er sie in sein Haus tragen, oder war es zu riskant, sie zu bewegen? Er beschloss erneut, auf den Arzt zu warten.

Ihre Lippen bewegten sich. „Nicht ‚Alexa‘.“ Er lehnte sich zu ihr, so nah, dass er sie fast berührte. „Ally.“

Hatte sie ihren Namen geändert? Die Frau, die er damals gekannt hatte, bestand darauf, bei ihrem vollen Namen genannt zu werden, keine Abkürzungen, keine Kosenamen. Der Name war ihr Markenzeichen gewesen.

In diesem Moment hörte er Rufe vom anderen Ende der Bucht. Er sah auf und erkannte den Rettungsdienst. Erleichtert winkte er dem Team zu. Der Arzt würde wissen, was zu tun war.

Bald würde Angelo erfahren, ob ihre Verletzungen echt oder gespielt waren.

Ihr Mund fühlte sich trocken und pelzig an. Aber viel schlimmer waren die Schmerzen. Jeder Zentimeter ihres Körpers tat weh. Ganz besonders der Kopf.

Für einen langen Moment blieb sie reglos liegen und spürte den Schmerz in ihren Schultern. In ihren Armen, ihren Beinen. Ihre rechte Hüfte schien in Flammen zu stehen. Aber vor allem ihr Kopf …

Wie aus weiter Ferne hörte sie ein Geräusch. Es erinnerte an ein Rauschen. Oder war es ihr eigener Herzschlag? Dann ein anderes Geräusch, nah bei ihr. Eine Bewegung.

Sie öffnete die Augen. Grelles Licht blendete sie, und das Pochen in ihrem Kopf wurde schlimmer. Schnell schloss sie die Augen wieder.

Sie hörte jemanden sprechen. Einen Mann mit warmer, sanfter Stimme. Aber sie verstand die Worte nicht. Finger schlossen sich um ihr Handgelenk und überprüften ihren Puls.

Lag sie im Krankenhaus?

Wieder sprach der Mann. Sie runzelte die Stirn. Zuerst hatte sie gedacht, es läge an ihren Kopfschmerzen, dass sie ihn nicht verstand. Aber jetzt wurde ihr klar, dass das nicht der Grund war.

Bene, bene. Sei sveglia.“

Sie blinzelte. „Ich …“ Ihre Zungenspitze fühlte sich trocken an, als sie versuchte, ihre Lippen zu befeuchten. „Bin ich im Krankenhaus?“, flüsterte sie. Jedes Wort kostete Kraft.

„Nicht im Krankenhaus“, sagte eine Stimme mit starkem Akzent. „Sie sind in Signor Riccis Haus. Er hat sie am Strand gefunden.“

Angestrengt dachte sie nach. Also war sie an einem Strand gewesen. Sie war verletzt. Jemand hatte sie in ein Haus gebracht. „Danke“, hauchte sie.

„Können Sie die Augen öffnen?“

Sie verzog den Mund. Konnte sie den Schmerz aushalten? Aber sie nicht zu öffnen, war auch keine Lösung. Sie biss die Zähne zusammen und öffnete die Augen. Nach einigen Sekunden gewöhnten sich ihre Augen an das grelle Licht.

Neben ihr bewegte sich jemand. Sie sah einen hageren Mann mit einem schmalen Gesicht und freundlichen braunen Augen.

Bene, bene.“

Das hatte er gerade schon gesagt. Die Worte kamen ihr bekannt vor, aber sobald sie versuchte, darüber nachzudenken, entglitt ihr der Gedanke.

„Was …“ Sie schluckte. „Was sagen Sie?“

Einen Moment lang glaubte sie, Besorgnis in seinem Gesicht zu sehen. Aber vielleicht bildete sie sich das auch ein.

Er lächelte. „Nur, dass es Ihnen gut geht.“

Sie lachte humorlos. Bei der Bewegung schoss Schmerz durch ihren Körper. „Wenn das hier gut ist, dann möchte ich nicht wissen, was schlecht ist“, brachte sie heraus.

„Sie sind in Sicherheit“, beruhigte er sie und nahm ihre Hand.

Er klang so aufrichtig, dass sie ihm glaubte.

„Sie sind in guten Händen.“

Als sie das nächste Mal aufwachte, war das Licht nicht mehr hell und der Arzt nicht da. Stattdessen lag sie allein in einem schwach erleuchteten Raum. Ihr Kopf schmerzte immer noch, aber das entsetzliche Pochen war verschwunden.

Trotzdem bewegte sie sich vorsichtshalber nicht. Sie schloss die Augen wieder und horchte in ihren Körper hinein. Irgendetwas beunruhigte sie. Ein seltsames Gefühl. Aber sobald sie versuchte, es zu greifen, verschwand es.

Darum würde sie sich kümmern, wenn es ihr wieder besser ging.

Immer noch hörte sie dieses Rauschen, das ihr schon vorhin aufgefallen war. Nach einer Weile wurde ihr klar, dass es der Wind war, der um das Haus peitschte. Unruhe ergriff sie. Wenn das Wetter so schlecht war, musste sie aufstehen und draußen nach dem Rechten sehen … aber wonach? Der Gedanke verschwand wieder.

Sie runzelte die Stirn. Was fühlte sich so dringend an? Worum musste sie sich kümmern? Irgendeine Verantwortung. Sie wusste nicht was, nur, dass es etwas Wichtiges war.

Was auch immer es sein mochte, es musste warten. Außerdem fühlte sie sich viel zu schwach, um aufzustehen.

Vorsichtig hob sie eine Hand. Ihr Arm war schwer wie Blei. Aber wenigstens konnte sie ihn bewegen. Also war er nicht gebrochen. Nacheinander bewegte sie den anderen Arm, die Beine und Füße. Nur so viel, um sicher zu sein, dass sie es noch konnte. Erleichtert seufzte sie auf.

Der Arzt hatte gesagt, es gäbe keine Anzeichen für eine Verletzung der Wirbelsäule, erinnerte sie sich. Bei dem Gedanken fühlte sie sich sofort besser.

Sie drehte ihren Kopf auf dem weichen Kissen. Für ein Krankenhausbett war es unglaublich gemütlich. Sie schloss die Augen und bewegte ihre Hand auf der weichen Matratze. Dann einen Fuß. Das hier war kein Einzelbett.

Was hatte der Arzt gesagt? Sie versuchte, sich zu erinnern. Irgendetwas von einem Strand. Jemand hatte sie in ein Haus getragen. War sie immer noch in dem Haus? Vielleicht sollte sie doch probieren, aufzustehen.

Auf keinen Fall wollte sie jemandem zur Last fallen. Sie musste nach Hause fahren. Wieder regte sich das ungute Gefühl in ihr. Hatte es etwas mit ihrem Zuhause zu tun?

„Du bist also wach.“ Eine fremde Stimme. Eine tiefe, dunkle Männerstimme. Weich und leicht heiser, die ein Kribbeln auf ihrer Haut verursachte. Sie schluckte.

Langsam öffnete sie die Augen. Sofort schoss ein scharfer Schmerz durch ihren Kopf. Neben dem Bett stand ein Mann. Ein großer, breitschultriger Mann mit dichtem schwarzem Haar.

Sie ließ ihren Blick über seine ausgebleichte Jeans wandern, die die langen Beine und schmalen Hüften betonte. Das helle Polohemd saß gerade eng genug, um seinen durchtrainierten Oberkörper zur Geltung zu bringen.

Eine Sekunde lang fragte sie sich, ob sie immer noch träumte. Dieser Mann war … atemberaubend. Das lag nicht nur an seiner Größe und dem sexy Körper. Auch nicht an seinem markanten, unglaublich attraktiven Gesicht. Ihn umgab eine unwiderstehliche Ausstrahlung, eine fast magische Anziehungskraft.

Ihr Herz setzte einen Schlag aus.

Aus irgendeinem Grund kam er ihr bekannt vor. Vielleicht hatte sie ihn schon einmal auf einem Werbeplakat gesehen. Mit dem Aussehen und Körperbau könnte er für Luxusartikel werben. Vielleicht hatte er ja in Klettermontur zu einem Bergwipfel hinaufgeschaut und dabei dekorativ sein Handgelenk mit einer sehr teuren Uhr in die Kamera gehalten.

Der Fremde hob fragend eine Augenbraue.

Die Bewegung holte sie aus ihren Träumereien zurück in die Wirklichkeit.

„Ja“, brachte sie heraus. „Ich bin wieder wach. Auch wenn ich gehofft hatte …“, sie zeigte mit der Hand auf sich und das Bett, „… das wäre nur ein Albtraum.“

Regungslos blieb er mit verschränkten Armen vor ihr stehen. „Kein Traum. Leider“, sagte er düster.

Wie hatte sie je denken können, seine Stimme wäre samtweich? Er klang kalt und abweisend. Unter seinem durchdringenden Blick klopfte ihr Herz schneller. Weshalb sah er sie auf diese Weise an?

„Sind Sie auch ein Arzt?“

Seine Miene verdunkelte sich. Fast, als ärgerte er sich über sie. Aber warum?

Ein Schauer lief über ihren Rücken. Plötzlich fühlte sie sich wehrlos und verletzlich. Der Instinkt war so stark, dass sie keine Sekunde länger zögerte. Sie biss die Zähne zusammen und rollte sich auf die Seite. Dann stützte sie sich mit einer Hand auf der Matratze ab und versuchte, aufzustehen.

Schmerz schoss durch ihren Körper. Aber davon ließ sie sich nicht abhalten. Es kostete sie all ihre Willenskraft, aber sie schaffte es, sich aufzusetzen.

Als sie den Blick zu ihm hob, zuckte ein Muskel an seinem Kinn. Sie spürte, dass er etwas unterdrückte. Aber was? Was hatte sie falsch gemacht?

Wenn sie nur aufstehen könnte. Aber ihre Beine fühlten sich schwer wie Blei an. Auf keinen Fall wollte sie die Situation noch schlimmer machen, indem sie vor ihm zusammenbrach. Also verschränkte sie stattdessen die Arme schützend vor der Brust und erwiderte seinen finsteren Blick.

„Wer sind Sie?“, flüsterte sie.

Er schnaubte ungläubig. „Wirklich? Fängst du jetzt so an?“

Fassungslos schüttelte sie den Kopf. Dann zuckte sie vor Schmerz zusammen. Sie schloss die Augen und atmete tief ein und aus, bis das Pochen in ihrem Kopf schwächer wurde.

Als sie die Augen wieder öffnete, stand er näher bei ihr.

„Ich habe gefragt, wer Sie sind.“ In ihrer Stimme lag ein Hauch von Angst.

Vielleicht hatte er es auch gehört, denn anstatt näherzukommen, schob er die Hände in die Hosentaschen und entspannte seine Schultern. „Du weißt genau, wer ich bin. Und ich habe keine Zeit für deine Spielchen.“

„‚Spielchen‘? Sie denken, das hier ist ein Spielchen?“ Sie hob eine Hand zu ihrem schmerzenden Kopf.

Er beobachtete ihre Bewegung und ließ seinen Blick dann über ihren Mund hinunter zur Schulter gleiten. Irgendetwas in seiner Miene brachte sie dazu, an sich hinunterzuschauen.

Sofort wusste sie, dass das dünne Baumwollhemd mit der Knopfleiste nicht ihr gehörte. Dazu saß es viel zu weit. Die Ärmel waren bis zum Ellbogen aufgerollt, und es war verrutscht, sodass eine Schulter entblößt war.

Angst keimte in ihr auf. Wo war ihre Kleidung? Warum trug sie ein fremdes Männerhemd? Aber sie schob die Fragen beiseite.

Sie zog das Hemd zurück über die Schulter und hielt es am Kragen zusammen. Obwohl ihre Hände zitterten, ließ sie nicht los.

„Ich versichere Ihnen, das ist kein Spiel.“

„Da stimme ich dir zu. Mit Spaß hat das Ganze nichts zu tun. Also lass uns Klartext reden. Warum bist du hier?“

Verwirrt sah sie ihn an. „Das wissen Sie doch. Haben Sie mich nicht selbst gefunden? Ich war verletzt. Am Strand.“ Das hatte ihr jedenfalls der Arzt gesagt. Wenn sie versuchte, sich selbst zu erinnern, fuhr ein stechender Schmerz durch ihren Kopf.

„Ach ja? Wie hast du dich denn verletzt?“ Seine Stimme klang mitleidlos. „Und warum ausgerechnet dieser Strand?“

„Ich … ich weiß es nicht.“ Sie hielt inne. „Welcher Strand ist das denn?“

Mit jeder Sekunde wuchs ihre innere Unruhe. Plötzlich wurde ihr klar, dass sie nicht einmal wusste, wo sie hier war. Und mehr als das: Eigentlich begriff sie gar nichts. Es kam ihr vor, als wären ihre Gedanken ein einziger undurchdringlicher Nebel.

Er sagte etwas in einer fremden Sprache. Nein, nicht ganz fremd.

„‚Isola‘?“, wiederholte sie das einzige Wort, das sie verstanden hatte. „Das heißt Insel, nicht wahr?“

Er klatschte betont langsam in die Hände und sah sie spöttisch an. „Brava. Eine großartige Vorstellung. Aber leider nicht überzeugend genug. Dazu kenne ich dich zu gut.“

Am liebsten hätte sie ihm widersprochen. Ihm gesagt, dass sie ihm nichts vorspielte und ihr egal war, was er über sie dachte. Aber in diesem Moment begriff sie, dass sie ein viel größeres Problem hatte.

Eine dunkle, furchteinflößende Erkenntnis ließ das Blut in ihren Adern gefrieren. „Sie kennen mich?“

Er verdrehte die Augen. „Erspare mir deine Spielchen. Natürlich kenne ich dich.“

Sie schluckte trocken und rieb mit ihren plötzlich feuchten Handflächen über das Baumwollhemd. „Dann sagen Sie mir, wer ich bin. Denn ich erinnere mich an nichts.“

2. KAPITEL

Angelo empfand eine Mischung aus Wut und Ungläubigkeit, als er die Frau auf dem Bett ansah. Sie hatte nichts Gutes im Sinn, das wusste er aus Erfahrung. Aber sie schien wirklich verstört zu sein – auch wenn er sich mit dieser Erkenntnis schwertat.

Zwar sah ihr Gesicht nicht mehr so blass aus wie am Strand, aber sie wirkte unglaublich zerbrechlich. In ihren unverwechselbaren Augen lagen Angst und Unsicherheit. Die zarten Sommersprossen auf ihren Wangen verliehen ihr ein fast naives Aussehen. Als hätte sich die weltgewandte Frau, die er kannte, in ein unschuldiges Mädchen vom Lande verwandelt.

Bei dem Gedanken stieg ein bitteres Lachen in Angelos Kehle auf.

Das honigfarbene Haar fiel locker über ihre Schultern. Sexy auf eine ganz natürliche Weise. Völlig anders als die früher immer perfekt frisierten platinblonden Locken. Die Frau von damals hatte größten Wert darauf gelegt, stets makellos auszusehen.

Rosetta hatte ihr eins seiner Hemden angezogen. An ihrem zierlichen Körper wirkte es riesig, und unter dem weichen Stoff zeichnete sich deutlich die Rundung ihrer Brüste ab. Er konnte nicht anders, als ihre verführerischen Kurven zu registrieren.

Der Anblick entfachte ein Feuer in ihm, und das erstaunte ihn mehr als alles andere. Nachdem er Alexas wahren Charakter erkannt hatte, wirkten ihre Verführungskünste bei ihm nicht mehr.

„Du erinnerst dich an gar nichts?“ Er hob spöttisch eine Augenbraue. „Wie unglaublich praktisch.“

Was hatte sie sich dabei gedacht, nach all der Zeit wieder hierherzukommen? Falls sie vorhatte, ihn noch einmal an der Nase herumzuführen, musste sie wirklich verzweifelt sein. Eins war sicher – sie hatte sich den falschen Mann ausgesucht. Er war nicht mehr so leichtgläubig wie vor fünf Jahren.

„Ganz im Gegenteil. Es ist überhaupt nicht praktisch.“ Sie hob das Kinn und funkelte ihn wütend an.

Es überraschte ihn, sie ärgerlich zu sehen. Alexas Verhalten war immer darauf ausgerichtet, sich den größtmöglichen Vorteil zu verschaffen. Bis zum letzten Tag war sie süß und lieb zu ihm gewesen.

Später hatte er herausgefunden, dass seine Angestellten unter ihrer schlechten Laune und ihren hohen Ansprüchen gelitten hatten. Besonders seine Haushälterin Rosetta hatte offenbar eine Menge einstecken müssen, wenn Alexa nicht sofort jeden Wunsch erfüllt bekam.

Angelo bemerkte, wie ihre Mundwinkel zitterten. War ihr erst zu spät eingefallen, dass Wut ihr kein Mitleid von ihm einbrachte?

Aber gegen seinen Willen regte sich sein Beschützerinstinkt. Sein halbes Leben lang hatte er sich um seine verwitwete Mutter und seine Schwester gekümmert.

Jeder, der ihn kannte, wusste, wie sehr er sich für Kinder, Tiere und benachteiligte Menschen einsetzte. Der Anblick einer Frau in Not ließ ihn niemals kalt. Doch diese Frau war eine Ausnahme.

„Versuch es gar nicht erst“, warnte er sie. „Wenn du einen Retter in der Not suchst, vergiss es. Hier findest du keinen.“

„Einen ‚Retter‘? Wie wäre es mit einfacher Höflichkeit?“ Ihre Stimme brach. „Warum sagen Sie mir nicht endlich, wer Sie sind und wo ich bin?“

Angelo seufzte und zuckte mit den Schultern. „Ich habe weder Zeit noch Lust für solche albernen Spielchen, Alexa.“

„‚Alexa‘?“ Sie runzelte sie Stirn. „Alexa“, wiederholte sie dann leise, als wollte sie den Klang ausprobieren. Sie erschauerte und schloss die Augen. Plötzlich wirkte sie gar nicht mehr durchtrieben, sondern … verloren.

Gegen seinen Willen berührte ihn ihr verunsicherter Gesichtsausdruck. Er spürte Mitleid und Sorge. Aber nur einen Moment lang. Dann erinnerte er sich wieder daran, wer sie war.

Als er Alexa kennengelernt hatte, war sie ein mittelmäßig erfolgreiches Model gewesen. Ihre eigentliche Leidenschaft galt allerdings der Schauspielerei. Vielleicht hatte sie ihre Rolle an seiner Seite deshalb so überzeugend gespielt.

Offensichtlich beherrschte sie ihr Handwerk inzwischen noch besser als früher. Sonst könnte sie keinen Funken von Mitleid bei einem Mann auslösen, der ihren wahren Charakter kannte.

Er drehte sich um. „Ich habe keine Zeit mehr.“

„Warten Sie!“ In ihrer Stimme lag Angst.

Mit ihren lavendelfarbenen Augen hielt sie seinen Blick gefangen. „Ich heiße also Alexa. Und weiter?“

Angelo hob fragend eine Braue. Bestand sie wirklich darauf, mit dem Theater weiterzumachen?

„Alexa Barret“, sagte er nach einer Weile. Aus welchem Grund tat sie so, als würde sie ihren eigenen Namen nicht kennen?

Ihre Lippen bewegten sich, als wiederholte sie im Stillen den Namen, um ihn sich einzuprägen. „Und wir sind in Italien.“ Ihre Stimme klang verwundert.

„Süditalien.“ Er lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. Gegen seinen Willen war er neugierig geworden, was sie als Nächstes tun würde. Wie er Alexa kannte, führte sie etwas im Schilde.

„Der Arzt …“ Ihr Blick traf seinen, dann sah sie zur Seite. „Kommt er bald zurück?“

Angelo versuchte, in ihrer Miene zu lesen. Noch immer hatte er nicht die geringste Idee, was sie plante. Aber ihre hängenden Schultern, die zitternden Mundwinkel und verkrampften Hände zeigten nichts als eine verängstigte Frau.

Schnell verdrängte er sein aufsteigendes Mitleid. „Er kommt, wenn er Zeit hat. Das Wetter ist furchtbar, und er muss sich noch um einen anderen Notfall kümmern. Aber er hat versprochen, heute noch einmal nach dir zu schauen.“

Angelo hielt inne. Ganz gleich, was er von Alexa hielt – er hatte sie bewusstlos am Strand gefunden. Das war nicht gespielt gewesen. Auch der Arzt hatte ihre Kopfwunde bestätigt und ihr Bettruhe verordnet.

Ob es ihm gefiel oder nicht, er konnte eine verletzte Frau nicht einfach im schlimmsten Sturm seit Jahren vor die Tür setzen. Egal, wie sehr er sie verabscheute.

„Brauchst du irgendetwas?“

Bei seiner Frage zuckte sie zusammen, als hätte er sie aus ihren Gedanken gerissen. Oder als rechnete sie nicht mit einem freundlichen Wort von ihm.

„Vielleicht Wasser? Etwas zu essen?“, hakte er nach.

Ihre Augen weiteten sich erstaunt. Warum war sie so überrascht über seine Gastfreundlichkeit? Als wäre er ein grober Mistkerl ohne Manieren. Dabei war er nur ein Mann, der sein Zuhause beschützte. Das wusste sie ganz genau. Nicht er war hier der Bösewicht. 

„Danke“, sagte sie dann. „Ein Glas Wasser wäre schön.“

Er nickte und ging zu ihrem Nachttisch, wo Rosetta einen Krug bereitgestellt hatte. Dann füllte er ein Glas mit Wasser und reichte es ihr.

„Oh, Entschuldigung, das habe ich nicht gesehen.“ Alexa nahm das Glas entgegen.

Zu spät merkte er, wie sehr ihre Hände zitterten. Wasser spritzte aus dem Glas auf die Bettdecke. Schnell schloss er seine Hände um ihre und unterdrückte einen Fluch.

Autor

Annie West
Annie verbrachte ihre prägenden Jahre an der Küste von Australien und wuchs in einer nach Büchern verrückten Familie auf. Eine ihrer frühesten Kindheitserinnerungen besteht darin, nach einem Mittagsabenteuer im bewaldeten Hinterhof schläfrig ins Bett gekuschelt ihrem Vater zu lauschen, wie er The Wind in the Willows vorlas. So bald sie...
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