Baccara Exklusiv Band 234

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STÜRMISCHE BEGEGNUNG, SINNLICHE UMARMUNG von DANI WADE
„Was machen Sie in meinem Haus?“ Die raue Stimme, der maskuline Duft – Willow ist atemlos! Das muss Tate Kingston sein, für den sie den Sommer über als Haushälterin arbeiten wird. Seine Nähe fühlt sich gut an. Auch wenn er nie erfahren darf, warum sie den Job überhaupt angenommen hat …

NUR EINE NACHT IN NEW ORLEANS? von LAUREN CANAN
Eine laue Sommernacht, guter Jazz und heißer Sex: für Milliardär Cole Masters war es ein perfekter One-Night-Stand mit der hinreißenden Fremden. Bis sie drei Monate später vor seiner Tür steht! Tallie ist Archäologin und will auf seinem Land graben. Und das ist nicht ihre einzige Überraschung …

JA, ICH WILL – DICH LIEBEN! von SARA ORWIG
„Wie machen wir es mit dem Sex?“ Als Antwort bekommt Talia einen glühenden Kuss! Dabei war bis jetzt nur von einer Scheinehe zwischen ihr und dem vermögenden Nick Duncan die Rede. Sie darf sich nicht in diesen Mann verlieben, der zwar an Leidenschaft, aber nicht an Liebe glaubt …


  • Erscheinungstag 30.06.2023
  • Bandnummer 234
  • ISBN / Artikelnummer 9783751516495
  • Seitenanzahl 512
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Dani Wade, Lauren Canan, Sara Orwig

BACCARA EXKLUSIV BAND 234

1. KAPITEL

Das Sabatini-Haus! Endlich!

Durch die regennasse Windschutzscheibe starrte Willow Harden auf das beeindruckende Gebäude, das mehr einem Schloss als einem normalen Haus glich. Das schwere Gewitter mit Blitz und Donner und gewaltigen Sturmböen verlieh dem Gebäude etwas Dunkles, Mysteriöses.

Leider hatte die Gegensprechanlage nicht funktioniert, und so stand Willow jetzt vor der prächtigen Haustür und überlegte, was sie tun sollte. Murdoch hatte ihr zwar den Schlüssel für eine Seitentür gegeben, aber sie hatte Hemmungen, ihn zu benutzen.

Schon seit einigen Jahren war Willow von dem Sabatini-Haus fasziniert, eigentlich seit sie im Tagebuch ihrer Urgroßmutter den Namen der damaligen Besitzer gefunden hatte. Der Familie Kingston gehörte das Anwesen wohl auch heute noch.

Über die Geschichte des Sabatini-Hauses hatte die Urgroßmutter leider so gut wie nichts aufgeschrieben, was Willows Neugier nur noch steigerte. Auch in alten Zeitungsartikeln hatte sie sehr wenig über das Haus gefunden – lediglich, dass es von einem spanischen Piraten für seine Geliebte gebaut worden sein sollte. Es war offenbar über einer unterirdischen Höhle errichtet worden, die vom Meerwasser geflutet wurde und so einen natürlichen Pool bildete. Willows Urgroßmutter hatte diese Höhle mit eigenen Augen gesehen, wenn auch nur ein einziges Mal, als sie sich heimlich unter die Gäste einer großen Party gemischt hatte. Da sie selbst von Seeräubern abstammte, hielt sie das irgendwie für ihr Recht.

Von außen wirkte das Haus mit seinen Türmchen und Erkern wirklich wie ein verwunschenes Schloss. Wie es wohl innen aussah? Willow hatte keinerlei Fotos oder andere Unterlagen finden können. Der jetzige Besitzer lebte total zurückgezogen und ließ niemanden ins Haus. Mit zwei Ausnahmen: Murdoch Evans, seinen Verwalter, ein echtes Faktotum, und, wenn nötig, einen vertrauenswürdigen Handwerker.

Bis heute.

Willow holte tief Luft und zog ihren Regenmantel fester um sich. Das bisschen Regen sollte ihr nichts ausmachen. Sie musste irgendwie in das Gebäude hineinkommen. Je eher sie sich dort eingerichtet hatte, desto eher konnte sie versuchen, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Das war es, was sie im Grunde an dem Haus faszinierte. Und an den Kingstons. Denn was damals vor Generationen in jener verhängnisvollen Nacht geschehen war, könnte auch für ihr eigenes Schicksal von Bedeutung sein.

Sollte sie den Schirm mitnehmen? Das wäre vermutlich nicht sehr sinnvoll. Er würde in dem starken Wind sofort umklappen. Also biss sie die Zähne zusammen, zählte bis drei, öffnete die Wagentür und rannte zu der Seitentür, für die Murdoch ihr einen Schlüssel mitgegeben hatte. Da er seine Tochter und das neugeborene Enkelkind während des Sommers in Florida besuchen wollte, brauchte er jemanden, der ihn vertrat, der kochte und putzte. Willow und Murdoch kannten sich relativ gut, da sie ihn immer wieder wegen der Geschichte des Hauses gelöchert hatte. Also hatte er sie gefragt, ob sie nicht für ihn einspringen wolle. Genau in der Zeit hatte sie Semesterferien, und nach dem Sommerjob konnte sie wieder am College unterrichten. Also hatte sie zugesagt.

Und das, ohne den Mann auch nur gesehen zu haben, für den sie arbeiten würde! Das schien ihr damals nicht von Bedeutung zu sein, aber jetzt war ihr doch ziemlich mulmig zumute.

Eigentlich hatte sie bereits am Nachmittag ankommen sollen, aber das heftige Gewitter hatte alles verzögert. In strömendem Regen hatte sie ihr Auto beladen, denn sie wollte doch so einiges mitnehmen, auch wenn sie vorhatte, sonntags immer nach Hause zu fahren. Als sie schließlich hinter dem Lenkrad saß, waren sie und ihr Gepäck vollkommen durchnässt gewesen. Und die Fahrt selbst hatte auch viel länger gedauert als geplant.

Das Haus in Savannah, Georgia, in dem sie mit ihren Schwestern lebte, lag eigentlich nur eine Dreiviertelstunde Autofahrt von der Insel entfernt. Aber wegen der schlechten Sicht und des starken Gegenwinds hatte sie mindestens doppelt so lange gebraucht. Nun war es schon dunkel, als sie endlich vor dem Sabatini-Haus stand. Und da bei dem Gewitter auch noch der Strom ausgefallen war, hatte sie Mr. Kingston noch nicht einmal wegen ihrer Verspätung Bescheid geben können.

Der Schlüssel zur Seitentür passte. Mit klopfendem Herzen trat Willow ins Haus. Irgendwie war es ihr unangenehm, auf diese Weise anzukommen. Aber Murdoch hatte ihr erklärt, dass Mr. Kingston generell die Klingel abstellte, weil er nicht gestört werden wollte. Vorsichtig schloss sie die Tür und sah sich um. Dabei fiel ihr Blick auf die Alarmanlage, die nicht leuchtete und wegen des Stromausfalls offensichtlich nicht funktionierte.

„Hallo! Hallo, Mr. Kingston!“

Keine Antwort. Was angesichts der krachenden Donnerschläge kein Wunder war. Es sei denn, er war ganz in der Nähe. Wieder hatte sie ein schlechtes Gewissen, einfach so einzudringen. Aber Murdoch hatte ihr erklärt, dass es auf der Insel keinen Handyempfang gab. Wenn der Strom ausfiel, war alles stockdunkel, und nichts ging mehr.

Hoffentlich war Mr. Kingston nichts passiert. Sie musste ihn unbedingt suchen. Allein in diesem alten Haus mit steilen Treppen war er nicht sicher.

Was für ein Mann er wohl war, dass er so zurückgezogen lebte? Hatte er keine Familie? Aber das ging sie im Grunde nichts an.

Auf Zehenspitzen ging sie langsam durch den leeren Raum. „Mr. Kingston!“, rief sie wieder. „Ich bin es, Willow, Ihre neue Haushälterin!“

Ihr war, als würde ihre Stimme von der Dunkelheit und dem prasselnden Regen verschluckt. Im Licht der Taschenlampe sah sie, dass sie sich offenbar in einem Vorraum befand, in dem Gummistiefel und Regenmäntel aufbewahrt wurden. Vorsichtig öffnete sie eine Tür und stand in einer modernen Küche. Stimmt, Murdoch hatte erwähnt, dass die Küche vor fünf Jahren modernisiert worden war. An einer Wand des lang gestreckten Raumes befanden sich schmale hohe Bogenfenster. Hin und wieder wurde die Küche von gleißenden Blitzen erhellt.

Willow stieß die Tür am Ende des Raums auf und gelangte in einen breiten Flur. „Mr. Kingston? Mr. Kingston!“ Noch immer keine Antwort. Die Dunkelheit machte ihr zu schaffen, aber mehr noch der Gedanke, dass der Herr des Hauses keine Ahnung von ihrer Anwesenheit hatte. Hoffentlich ging es ihm gut. So ein Gewitter setzte gerade älteren Leuten schnell zu.

Hoffentlich war er nicht verärgert, dass sie einfach in sein Haus eingedrungen war. Murdoch hatte zwar nicht erwähnt, dass sein Boss gebrechlich war, aber in dieser Finsternis konnte allerlei passieren. Mr. Kingston hätte stolpern und fallen, sich verletzen, ja, sich sogar eine Gehirnerschütterung zuziehen können. Vielleicht lag er schon seit Stunden hilflos und blutend auf dem Boden. Da das Telefon nicht funktionierte, hatte er auch keine Hilfe herbeirufen können. Ein schrecklicher Gedanke.

Zögernd ging sie den Flur entlang, wobei sie in jedes Zimmer leuchtete, an dem sie vorbeikam. Die meisten Türen standen offen. Manche Räume waren vollkommen leer, in anderen standen Möbel, durch weiße Laken vor dem Staub geschützt. Lediglich ein Zimmer war wie ein Wohnraum eingerichtet, mit teuer aussehenden antiken Möbeln. Trotzdem wirkte es, als würde es nie benutzt.

Auch die Küche hatte ziemlich unberührt ausgesehen. Hätte Willow es nicht besser gewusst, hätte sie geglaubt, das Haus sei unbewohnt. Aber sie war absolut sicher, dass Mr. Kingston irgendwo sein musste.

Langsam wurde ihr unheimlich zumute. Was sollte sie bloß tun? Das Heulen des Sturms übertönte ihre Rufe und ihre Schritte. Schließlich mündete der Flur in eine runde Halle, die über zwei Stockwerke ging. Eine breite geschwungene Treppe führte nach oben. Willow blickte hinauf. Auch dort war kein Lichtschein zu sehen. Aber es gab ja auch keinen Strom.

Ihr fröstelte. „Mr. Kingston!“, versuchte sie es wieder, und diesmal warfen die hohen Wände ihre Stimme wie ein Echo zurück. Sie zuckte zusammen. Sicher, sie musste ihn finden, aber hier in einem fremden Haus herumzuschreien war auch irgendwie peinlich.

Plötzlich hörte sie ein leises Geräusch, so als sei etwas zu Boden gefallen. „Hallo! Ist da jemand?“

Keine Antwort.

Langsam drehte sie sich um die eigene Achse und versuchte, so gut es ging, den großen Raum auszuleuchten. Viele Türen gingen davon ab. Mutlos ließ sie die Schultern hängen. Wo sollte sie nach Mr. Kingston suchen?

Vielleicht war es ein Fehler gewesen, so spät noch hier aufzukreuzen. Das Haus, auf das sie so neugierig gewesen war, wurde ihr immer unheimlicher.

Ein leises metallisches Rasseln ließ sie zusammenfahren. Was war das? Fensterläden? Vorsichtig machte sie ein paar Schritte in die Halle hinein. Die Schlafzimmer lagen ja wahrscheinlich oben. Vielleicht sollte sie mal im ersten Stock nachsehen? Bestimmt hatte er da sein Zimmer. Wenn sie doch nur irgendwo Licht machen könnte. Da auf der Insel so oft der Strom ausfiel, gab es doch sicher irgendwo Laternen oder zumindest Kerzen und Streichhölzer.

Oder sogar einen Generator? Hatte Murdoch in seinen Notizen einen Generator erwähnt? Sie konnte sich nicht erinnern. Aber egal, wenn Mr. Kingston ins Bett gegangen war, hatte er den Generator sowieso nicht mehr in Betrieb gesetzt.

Ihre nassen Sneakers machten quietschende Geräusche auf den Fliesen. Schließlich stand sie am Fuß der Treppe und blickte nach oben. Sie legte die Hand auf das glatte hölzerne Geländer und betrat vorsichtig die leuchtend blauen Fliesen, die perlmuttern schimmerten. Sie leuchtete nach oben, und ihr Herz schlug plötzlich wie verrückt. Hatte sich da auf dem Treppenabsatz nicht etwas bewegt? Vor Schreck ließ sie die Taschenlampe fallen, die nach unten polterte. „Hallo, ist da jemand?“

Sie ging ein paar Stufen hinunter, und als sie sich bückte, um die Taschenlampe aufzuheben, legte sich ihr plötzlich ein starker Arm um den Hals und presste sie gegen einen warmen, muskulösen Körper. Ein Mensch … ein großer Mann!

Der Arm schnürte ihr fast die Luft ab. Dann zischte eine scharfe tiefe Stimme dicht an ihrem Ohr: „Was fällt Ihnen ein, in mein Haus einzudringen?“

Wie ein Feuerstoß schoss das Adrenalin durch Tate Kingstons Adern. So einen Schub hatte er schon lange nicht mehr verspürt. Die Schritte in der Halle hatte er trotz des Regensturms gehört. Sofort hatte er mit skrupellosen, brutalen Einbrechern gerechnet. Was hätte einem berühmten Autor von Horrorstorys auch sonst einfallen sollen? Allerdings war bisher noch nie jemand hier eingedrungen, zumindest nicht, solange er in diesem Haus wohnte, und das war fast sein ganzes Leben lang.

Auf Zehenspitzen schlich er die Treppe hinunter, und da sah er ihn, einen jungen Mann, der die Halle betrat, sicher kaum zwanzig Jahre alt. Tate verhielt sich ganz still, bis der junge Mann zögernd die Treppe heraufkam, sich dann aber umdrehte, um seine Taschenlampe aufzuheben. Da hatte Tate zugepackt.

Doch zu seiner großen Überraschung war es eindeutig eine Frau, die er jetzt mit hartem Griff an sich presste. Sie reichte ihm nur bis zum Halsansatz und zitterte vor Angst. Das wunderte ihn nicht, schließlich wäre es ihm genauso gegangen, wenn er in einem Haus überrascht worden wäre, das er für leer hielt.

Dieses allerdings war bewohnt.

Er drückte ihr den kräftigen Unterarm gegen das Schlüsselbein, lockerte den Griff aber dann doch ein wenig. Sonst hetzte diese Person ihm vielleicht noch eine Klage wegen Körperverletzung auf den Hals.

„Ich habe Sie etwas gefragt“, sagte er langsam und betonte dabei jedes Wort. „Was wollen Sie hier in meinem Haus?“

„Ihr Haus?“, stieß sie leise und atemlos hervor. Hatte sie Angst? Sehr gut. Dann würde sie es sich bestimmt zweimal überlegen, noch einmal hier einzudringen – allein oder gemeinsam mit ihren Komplizen. „Was meinen Sie damit?“

Unwillkürlich lockerte er den Griff noch etwas mehr, obwohl er fest entschlossen war, auf keinen Fall nachzugeben, was auch immer sie wollte. Aber er musste wissen, was sie vorhatte. „Vielleicht beantworten Sie mir erst mal meine Fragen. Wer sind Sie?“

Ruckartig machte sie sich frei, was ihn überraschte. Aber sie konnte ihm sowieso nicht entkommen, dazu kannte er dieses Haus zu gut. Doch offenbar hatte sie gar nicht die Absicht wegzulaufen. Sie beugte sich vor, hob die Taschenlampe auf und ließ sich seufzend auf einer Stufe nieder. Dann blickte sie von unten zu ihm hoch. „Sie können unmöglich Mr. Kingston sein.“

„Warum nicht?“

„Weil …“ Im Schein der Taschenlampe musterte sie ihn aufmerksam, was ihn irgendwie nervös machte. „Mr. Kingston ist … also, er ist …“

„Was denn?“

Sie schwieg und senkte den Blick.

„Nun hören Sie mir mal gut zu. Mir ist egal, warum Sie hier eingedrungen sind. Aber wenn Sie nicht augenblicklich verschwinden, werde ich die Polizei rufen.“

„Aber ich sollte doch herkommen.“

Was? „Wie kommen Sie denn darauf?“

„Ich bin die neue Haushälterin.“

Das wird ja immer schöner! „Das kann gar nicht sein.“

Nun war sie es, die ihn erstaunt ansah. „Und warum nicht?“

„Sie können nicht die neue Haushälterin sein.“ Das hätte Murdoch mir nie angetan. Er ließ das starke Licht seiner Taschenlampe über sie gleiten. Sofort registrierte sein Autorengehirn genau, was er sah. Helle glatte Haut, leuchtend rotes Haar und ein dünnes, klatschnasses T-Shirt, das eng anlag und ihre Brüste betonte, die der offene Regenmantel kaum zu verbergen vermochte.

Sie stand auf und straffte sich. „Ich bin die neue Haushälterin. Murdoch hat mich engagiert.“

„Das kann nicht sein. Der Vertretungshausmeister ist ein Mann, und er heißt Will Harden.“

Sie lächelte flüchtig. „Tut mir leid, Sie irren sich. Ich bin es, und mein Name ist Willow Harden.“

Verdammt.

„Eigentlich wollte ich schon früher hier sein“, fuhr sie fort. „Aber bei dem Sturm hat sich alles verzögert. Und als ich hier ankam, war der Strom ausgefallen, und ich hatte Angst, dass Ihnen etwas passiert ist.“

„Was nicht der Fall ist, wie Sie sehen. Ich bin weder alt noch gebrechlich.“ Obwohl ihm an manchen Tagen schon bewusst war, dass er nicht mehr einundzwanzig, sondern achtunddreißig war. „Und Sturm haben wir hier häufiger, darauf bin ich vorbereitet. Deshalb brauchen Sie nicht in mein Haus einzubrechen!“

„Bin ich auch nicht. Murdoch hat mir einen Schlüssel gegeben.“

Das hätte er sich denken können. „Etwa auch den Code für die Alarmanlage?“

„Ja, Sir.“ Willow blickte verschüchtert zu Boden, und Tate wurde klar, dass er auf diese Weise nicht weiterkam. Wenn er Näheres erfahren wollte, musste er freundlicher mit ihr umgehen. Offenbar hatte Murdoch ihn absichtlich falsch informiert. Dem alten Freund war klar gewesen, dass sein Boss eine Frau als Bedrohung ansehen würde. Weil sie in sein einsames Leben eindrang, das er sich als Buße auferlegt hatte – für die entsetzlichen, ja tödlichen Fehler, die er in seinem Leben gemacht hatte.

Murdoch hatte sich verändert, seit er seine Tochter ausfindig gemacht und sich entschlossen hatte, sie zu besuchen. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass ich sein Spiel mitspielen muss, dachte Tate wütend.

Die Frau muss verschwinden.

Da standen sie nun beide in der Finsternis und hielten die Taschenlampen wie Waffen aufeinander gerichtet. Eine absurde, ja, eigentlich komische Situation, ging es ihm durch den Kopf. Wenn sie sein Leben nicht auf unangenehme Weise durcheinanderbringen würde. Das konnte und würde er nicht hinnehmen.

„Es rührt mich, dass Sie sich Sorgen gemacht haben, Ms. Harden …“

„Willow“, fiel sie ihm ins Wort.

„… aber wie ich schon sagte, Stromausfall sind wir hier gewohnt. Ich habe Petroleumlampen, einen Campingherd, genug Wasser und sogar einen Generator. Sie sehen, mir kann nichts passieren.“

Langsam ließ sie die Taschenlampe sinken, und wieder fragte sich Tate, was Murdoch sich dabei gedacht hatte, ihm eine Frau ins Haus zu schicken. Sicher, sie hatten sich nicht über das Geschlecht der Person unterhalten, die Murdoch vorübergehend ersetzen sollte. Aber sein alter Freund kannte Tates ganze Geschichte und hätte wissen müssen, dass nur ein Mann für diesen Job infrage kam.

Als Willow schwieg, hatte Tate das Gefühl, etwas sagen zu müssen. „Also, Willow, da ich nicht der bin, den Sie sich vorgestellt haben, und Sie nicht die, die ich …“

Er stockte, als er sah, wie sie die Brauen zusammenzog. Was er als Warnung verstand, seine Worte sorgfältiger zu wählen. Seltsam, dass er ihren Gesichtsausdruck gleich deuten konnte. Und wie gut sie sich angefühlt hatte, als er ihren zierlichen Körper an sich gepresst hatte. Sie musste verschwinden!

Denn so etwas wie Lebensfreude, vielleicht sogar ein bisschen Glück, war das Letzte, was er verdiente. Wenn sie blieb, war die Versuchung groß. „Und Sie nicht das, was ich … erwartet habe“, fuhr er fort, „wird es das Beste sein, wenn wir die ganze Sache abblasen. Finden Sie nicht?“

Hatte sie etwas erwidert? Es hatte sich so wie „Sind Sie da so sicher?“ angehört, aber genau konnte er es nicht sagen. „Offenbar hat Murdoch einen Fehler gemacht“, fügte er zögernd hinzu.

„Oh, nein!“ Energisch schüttelte sie den Kopf. „Das hat er nicht! Er hat sehr genaue Anweisungen hinterlassen. Und so wie ich ihn einschätze, verlässt er sich darauf, dass ich alles befolge.“

„Dann kennen Sie ihn schon lange?“

„Seit Beginn des letzten Jahres. Wenn man ihn besser kennenlernt, merkt man erst, was für ein gutes Herz er hat.“

Genau so hätte Tate den Mann, der ihm in den mittlerweile fast zwanzig Jahren seines selbst gewählten Exils zur Seite stand, auch beschrieben. Er hatte den Tod von Tates Eltern miterlebt, den Erfolg seines ersten Buchs und war vor allem in der schweren Zeit bei ihm gewesen, die für Tate immer noch andauerte. Zwar hatte Murdoch ihn immer wieder gewarnt, dass er sich mit diesem Einsiedlerleben keinen Gefallen tat, ja, dass es ihm sogar schadete, aber das hatte Tate nicht von seinem Entschluss abgebracht.

Und nun hatte ihn der alte Freund allein gelassen – mit einer Frau, der ersten, die seit dem Tod von Tates Mutter das Haus betreten hatte.

„Eins ist sicher“, sagte Willow und machte einen Schritt auf ihn zu, „Murdoch würde mir nie verzeihen, wenn ich wieder gehe. Er hat sich so viel Mühe gegeben, jemanden zu finden, der sich um das Haus kümmert, während er weg ist. Lassen Sie es mich doch wenigstens versuchen. Bitte.“

Kurz schloss Tate die Augen und erinnerte sich unwillkürlich an ihren weichen Körper, die Hitze, die er spontan empfunden hatte, ihren süßen Duft, die festen Brüste … Nein, es durfte nicht sein. Auf keinen Fall. Entschlossen verschränkte er die Arme vor der Brust und blickte Willow düster an.

Doch das schien sie nicht sonderlich zu beeindrucken. „Wie wollen Sie denn so schnell jemand Passenden finden? Sie müssen telefonieren, viele Gespräche führen … Das kann dauern.“

„Egal.“ Er wollte keine Frau hier im Haus. Diese Willow war viel zu intelligent und offenbar gut informiert. Wer wusste schon, was Murdoch ihr alles erzählt hatte?

„Dann müssen Sie sich wohl ins Unabänderliche fügen.“ Sie seufzte leise.

Er stutzte. „Und das wäre?“

„Ohne meine Hilfe müssen Sie sich darauf gefasst machen, dass Sie von einer Menge Leute gestört werden, die alle neugierig auf das Sabatini-Haus sind. Und das wird Ihnen nicht gefallen, wie Murdoch meinte.“

„Das heißt, ich muss mich mit Ihrer Gegenwart abfinden?“

Sie lächelte. „Kann sein. Zumindest kurzfristig.“ Sie richtete den Strahl ihrer Taschenlampe auf die hohen Fenster. „Sind Sie in letzter Zeit bei einem solchen Unwetter mal draußen gewesen? Auf dem Weg hierher bin ich vor Angst fast gestorben. Und ich habe keine Lust, das gleich noch mal durchzumachen.“

„Werden Sie bloß nicht dramatisch!“

Als sie sich empört aufrichtete, konnte er nicht anders, als auf das nasse T-Shirt zu starren, besser gesagt auf ihre vollen Brüste, die sich darunter abzeichneten.

„Wollen Sie sich über mich lustig machen? Ich wette, Sie sind noch nie in einem kleinen Wagen bei Sturm über die Brücke gefahren. Und haben noch nie das Gefühl gehabt, jeden Moment ins Meer geblasen zu werden.“

Tate wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Nein, schon seit vielen Jahren war er bei diesem Wetter nicht über die schmale Brücke gefahren, die seine Insel mit dem Festland verband.

„Ich habe viel auf mich genommen, um hierherzukommen. Dann könnten Sie wenigstens so höflich sein, mir die Chance zu geben, das zu tun, wofür Murdoch mich eingestellt hat.“

Für einen Moment presste Tate die Lippen aufeinander. „Wenn Sie hierbleiben“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, „werden Sie sehr schnell feststellen, dass Höflichkeit nicht zu meinen Tugenden zählt.“

Sie sagte nichts, sondern sah ihn mit einem Blick an, den er nur zu gut kannte. Nicht, dass er Willow schon mal gesehen hätte. Aber sie war die Verkörperung seiner Romanheldinnen. Frauen, die schlau, mutig, sexy und durchsetzungsfähig waren und auch die schwierigsten Situationen meisterten. Das bestärkte ihn nur in seinem Entschluss, sie möglichst bald loszuwerden.

Ein Blitz erhellte den Raum, dann krachte der Donner. Tate hatte gesehen, wie Willow die Schultern zurücknahm und das Kinn hob, als wolle sie dem Unwetter trotzen. Bewundernswert. Und dass sie in diesem Sturm hergekommen war, zeugte von einer Kraft und einem Durchhaltevermögen, die viele nicht ein einziges Mal in ihrem Leben aufbrachten.

Sollte er nachgeben? Das war gefährlich. Dennoch, in diesem Höllensturm konnte er sie nicht wieder nach Hause schicken. Wenn ihr etwas passierte, würde er sich ewig Vorwürfe machen. Und dieses Gefühl kannte er zur Genüge.

„Na gut“, brummte er, „dann kommen Sie mit.“

2. KAPITEL

Immerhin ließ Tate Kingston sie bleiben und schickte sie nicht wieder in dieses scheußliche Wetter hinaus. Ein schwacher Trost, denn Willow war noch ganz aufgedreht von all dem, was in den letzten Stunden passiert war. Erst die Fahrt in diesem Sturm, dann das finstere Haus, und nun ging sie diese Treppe hinauf, begleitet von einem großen, attraktiven und mürrischen Mann, der ihr leuchtete. Das war abenteuerlicher, als sie zu hoffen gewagt hatte.

Sie zitterte, was wohl mehr mit der ganzen unsicheren Situation als mit ihrem nassen T-Shirt zu tun hatte, das ihr feucht kalt auf der Haut klebte. Im ersten Stock angekommen, ging Tate nur wenige Meter den Flur hinunter und blieb dann vor einer geschlossenen Tür stehen. Wie die meisten anderen Türen war auch diese mit reichem Schnitzwerk versehen. Er öffnete sie. „Hier können Sie heute Nacht bleiben.“

Nur die eine Nacht? „Und wo schlafen Sie?“ Mist, das hätte sie nicht fragen dürfen! Was sollte er jetzt von ihr denken?

Überrascht hob er eine seiner dunklen Augenbrauen. „Warum wollen Sie das wissen? Am Ende des Flurs.“ Er öffnete die Tür, ging geradeaus auf einen Kamin zu und entzündete die Kerzen zweier dreiarmiger Leuchter, die aus dem Sims standen. Was für ein Raum! Willow sah sich bewundernd um, während Tate noch weitere Kerzen anzündete. Die antiken Möbel warfen schwankende Schatten auf die Wände, unheimlich und faszinierend zugleich.

Den Raum beherrschte ein breites Vierpfostenbett mit Brokatvorhängen. Tate zog sie zurück, und während Willow ihn beobachtete – diesen athletischen Mann mit der ungekämmten dunklen Haarmähne –, musste sie unwillkürlich an Heathcliff denken, den Helden aus dem dramatischen Roman „Sturmhöhe“. Wieder überlief sie ein Schauer.

Als er sich zu ihr umwandte und sie betrachtete, war ihr nur zu bewusst, dass er ihr auf die Brüste starrte. Dass die harten Spitzen mit der Kälte zu tun hatten, konnte er ja nicht wissen. Und das stimmte auch nicht, wie ihr plötzlich klar wurde. Er war es, der diese Reaktion bei ihr auslöste.

„Was für ein wunderschöner Raum“, sagte sie schnell und wandte sich ab.

„Ja. Aber hängen Sie lieber nicht Ihr Herz daran“, fuhr er sie an. „Wir reden morgen früh über alles.“

„So? Dann haben Sie sich also immer noch nicht mit Murdochs Entscheidung abgefunden?“ Allmählich ärgerte sie sich über seine Hartnäckigkeit.

„Nein. Ich fürchte, ich muss Ihre Geduld noch etwas mehr strapazieren. Auch wenn Ihnen das missfällt.“

„Ich habe mehr Geduld, als Sie glauben. Ich unterrichte nämlich Geschichte für Studenten im ersten Collegejahr. Und die glauben oft, sich alles erlauben zu können, nur weil sie nicht mehr zu Hause wohnen.“

Tatsächlich! Er lächelte!

„Sie sind eine Frau, haben keine Furcht, in ein fremdes dunkles Haus einzudringen, besitzen die Geduld einer Heiligen … Gibt es noch etwas, das Murdoch mir hätte erzählen sollen?“

Ja, dass ich dunkle, große, mysteriöse Männer unwiderstehlich finde. „Ja, vielleicht dass der Seminarraum mit achtzig dieser jungen Monster mich abgehärtet hat. Und ich gelernt habe, gut zu organisieren und meine Vorlesungen einigermaßen unterhaltsam zu gestalten.“

„Monster? Ist das nicht ein bisschen hart?“

Sie lachte. „So nenne ich sie. Aber sie wissen, dass ich das nett meine.“

„Da mag ich mir gar nicht ausmalen, wie Sie mich nennen würden.“ Tate ging zur Tür. „Gute Nacht.“ Er nickte Willow zu und verließ den Raum.

Überrascht stand sie da und starrte auf die Tür. Er hatte es wohl sehr eilig. Eigentlich schade. Dann musste sie über sich selbst lachen. Gut, dass ihre Schwestern nicht da waren. Die wären entsetzt, dass ihre selbstbewusste, feministisch gesinnte Willow dabei war, einem mysteriösen Mann in einem dunklen Haus auf einer einsamen Insel zu verfallen. Das war ja wie in einem dieser kitschigen Liebesromane, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hatten. Oder doch?

Egal, Tate Kingston sah in ihr wohl eher eine Nervensäge als die Heldin eines dieser Romane. Und das sollte sie lieber nicht vergessen.

Obwohl sie sich danach sehnte, endlich aus ihren nassen Sachen herauszukommen, sah sie sich noch einmal in dem Raum um. Unglaublich, die Einrichtung schien direkt aus einem Märchenschloss zu stammen, würdig eines Prinzen, der bald ein großes Land regieren würde. Das Bett, die kostbare Kommode, große, prächtig gerahmte Spiegel, schwere geschnitzte Schränke, ein dunkelblauer Teppich und ein Kronleuchter, dessen Glasteile im Kerzenlicht in allen Farben funkelten – das alles war einfach märchenhaft.

Willow zog sich aus und öffnete die Schränke, in der Hoffnung, etwas zu finden, das sie überziehen konnte. Natürlich waren die Schränke leer. Aber bei diesem Wetter noch mal rausgehen, um ihren Koffer zu holen? Nein, dazu hatte sie keine Lust. Also schlüpfte sie nackt unter die Bettdecke. Mm, was für ein schönes Gefühl. Sie musste Tate unbedingt davon überzeugen, dass Murdochs Wahl richtig gewesen war. Wenn er ihr nur die Chance geben würde, das zu beweisen …

Alle Kerzen bis auf die auf dem Nachttisch hatte sie ausgeblasen. Auf dem Rücken liegend, die Arme unter dem Kopf verschränkt, starrte sie an die Decke. Sie war eine gute Köchin, vielleicht konnte sie Tate damit überzeugen? Sagte man nicht, dass Liebe durch den Magen ging? Liebe … wie kam sie jetzt darauf?

Ärgerlich mit sich selbst, griff sie nach ihrem Smartphone, um den Wecker zu stellen, als ein lautes Knacken sie innehalten ließ. Unwillkürlich wollte sie sich unter der Bettdecke verstecken, bis ihr einfiel, weshalb sie hier war. Wollte sie nicht herausfinden, was hinter den geheimnisvollen Andeutungen steckte, die ihre Urgroßmutter über das Sabatini-Haus gemacht hatte? Also, nur Mut!

Wieder dieses Knacken. Das kam von oben und hörte sich nicht so an, als ob nur das Holz in dem alten Haus arbeitete. War Tate nach oben gegangen? Aber dann hätte sie doch Schritte hören müssen.

Rums!

Willow zog sich die Decke über die Ohren, musste dann aber über sich selbst lachen. Sie glaubte doch nicht an Gespenster! Aber so etwas hatte sie noch nicht erlebt.

Tropf, tropf …

Was war das? Neugierig steckte sie die Nase unter der Bettdecke hervor und blickte nach oben. Hatte sich auf dem schweren Stoff Wasser angesammelt? Schnell schlug sie die Bettdecke zurück und kniete sich auf die Matratze. Dann krachte es, und die Welt um sie herum wurde schwarz.

Sollte er sich wieder an den Laptop setzen und weiterarbeiten oder es für heute gut sein lassen? Tate war gut vorangekommen, bevor er die Schritte unten gehört und dann diese Willow überrascht hatte. Irgendwie hatte ihn die Begegnung aufgebracht, ja, er war gereizt wie ein Grizzlybär. In dieser Stimmung klappte das Schreiben selten. Außerdem sollte er vielleicht ein Auge auf seinen Hausgast haben. Nicht, dass er sie noch einmal in den Armen halten wollte, nein, bestimmt nicht!

Vielleicht sollte er jetzt lieber ins Bett gehen und morgen weiterschreiben. Nachdem er die Sache mit dieser rothaarigen Schönheit geklärt hatte, die jetzt Murdochs Zimmer besetzte. Er ging in sein Büro und knipste die batteriebetriebene Lampe aus. Der Regen schlug heftig gegen die Fensterläden, die Tate wie üblich geschlossen hielt, denn den Blick auf die aufgewühlte See hielt er nicht gut aus.

Sofort verfolgten ihn wieder diese schrecklichen Bilder. Wahrscheinlich würde er in der Nacht kein Auge zutun können. Plötzlich hörte er ein schwaches Geräusch. Kam es aus der Halle? Versuchte diese Ms. Harden, ihn zu finden? Hoffentlich nicht. Er hatte zwar einen ausgeprägten Willen, aber irgendwie schien sie doch seine Schwachstellen zu finden.

Dann krachte es! Er rannte den Flur entlang und stoppte vor Willows Tür. Von dort war das Geräusch gekommen. Schnell stieß er die Tür auf und blieb wie angewurzelt stehen. Was war das? Wild bewegte sich der offenbar nasse Brokat auf dem Bett, der bisher den Himmel gebildet hatte. Gesplittertes Holz lag auf dem Boden, und Wasser tropfte vom Bett. Wo war die junge Frau in diesem Chaos, die er vor kaum einer halben Stunde verlassen hatte?

Was für ein Anblick! Ließ sich eine solche Szenerie nicht in einem seiner Romane verwenden? Er grinste breit, als sich zwischen dem Stoffgewirr eine wohlgeformte Wade zeigte. Er sollte Willow wirklich helfen, anstatt hier zu stehen und den Anblick zu genießen.

„Hilfe!“

Das löste ihn aus seiner Starre. Mit wenigen Schritten stand er vor dem Bett und versuchte, einen Zipfel des Tuchs zu fassen, in das sie sich verwickelt hatte. Dann endlich hatte er ihn gefunden und zog kräftig daran, sodass Willow sich aus dem nassen Zeug befreien konnte.

Ihm stockte der Atem, und am liebsten hätte er sie sofort wieder eingewickelt, denn sie war splitterfasernackt! Sie kniete sich auf das Bett, strich ihr langes kastanienrotes Haar aus dem Gesicht und erstarrte, als sie ihn sah.

Schnell wandte er den Blick ab und versuchte herauszufinden, was passiert war. In der Decke über dem Betthimmel war ein Loch, durch das es auf den schweren Stoff getropft hatte. Offenbar hatten sich in dem Sturm ein paar Dachziegel verschoben und ließen Wasser durch, sodass der nasse schwere Brokat gleich noch zwei der Pfosten mitgerissen hatte.

Er drehte sich wieder zu Willow um, die sich inzwischen notdürftig mit einem Betttuch bedeckt hatte. „Vermutlich werden Sie heute Nacht nicht hier schlafen wollen. Offenbar ist das Dach undicht. Über diesem Zimmer gibt es nur noch ein Stockwerk, das bei der letzten Inspektion vollkommen in Ordnung war, allerdings nur selten benutzt wird.“ Entschlossen hob er sie vom Bett. Sie quiekte empört – ein Laut, den er seit seiner Teenagerzeit nicht mehr gehört hatte. Die Frauen, mit denen er bisher zu tun gehabt hatte, hielten so etwas für vollkommen unsexy.

„Mal sehen, wo wir Sie jetzt unterbringen können“, meinte er und wollte sie auf den Flur tragen, aber sie wehrte sich und schüttelte heftig den Kopf.

„Nein, wir müssen erst Ordnung machen!“

Überrascht ließ er sie los und sah verblüfft zu, wie sie wieder aufs Bett kletterte und anfing, die Matratze abzuräumen. Da dabei immer wieder das Betttuch verrutschte, kriegte er mehr zu sehen, als für sein Seelenheil gut war. „Ich hol mal eben einen Eimer, um das Wasser aufzufangen.“

Schnell verließ er den Raum, aber als er zurückkehrte, hatte sich die Situation nicht verbessert. Im Gegenteil. Willow hatte ihr feuchtes T-Shirt wieder angezogen, und der Slip, den sie trug, war auch mehr als knapp. Mit einer Kerze in der Hand stand sie auf der wackeligen Matratze und leuchtete nach oben.

„Was machen Sie denn da?“

Willow fuhr zusammen, und die Matratze schwankte gefährlich.

„Mein Gott, Mädchen!“, fuhr er sie an. „Sie stecken noch das Haus in Brand!“

Stirnrunzelnd blickte sie ihn an. „Wieso? Ich will doch nur rausfinden, wo das Wasser durchkommt.“

„Das werde ich mir morgen ansehen.“ Er wies auf das Bett. „Das muss sowieso alles ersetzt werden.“ Dabei konnte er den Blick nicht von ihren wohlgeformten Schenkeln lösen. Sie schien es zu bemerken und zog hastig den Saum des T-Shirts herunter, allerdings mit wenig Erfolg. Dabei war sie rot geworden, und ihm war klar, dass sie sich bewusst war, wie sie auf ihn wirkte.

„Kommen Sie, lassen Sie sich helfen“, sagte er leise und griff nach ihrer Hand. Sie sträubte sich nicht länger und stieg vom Bett. „Ihnen ist ja eiskalt.“ Das kühlte glücklicherweise seine Erregung etwas ab und ließ ihn an praktischere Dinge denken. Wo sollte sie jetzt schlafen?

Er stellte den Eimer auf das Bett. „Der Regen sollte bald aufhören“, meinte er. „Da wird der Eimer genügen.“

„Hoffentlich.“ Willow lief um ihn herum und öffnete die Tür. „Ich muss mir was zum Anziehen holen.“

„Wo wollen Sie denn hin?“ Er hielt sie am Arm fest.

„Mein Koffer ist noch im Auto.“ Sie blickte auf ihre nackten Füße. „Wahrscheinlich sollte ich lieber Schuhe anziehen.“

Er schüttelte den Kopf. „Kommt nicht infrage, dass Sie bei diesem Wetter rausgehen.“ Wieder zuckte ein gleißender Blitz über den Himmel, gefolgt von krachendem Donner. „Wir werden irgendwas finden, was Sie überziehen können.“ Er wollte sie vorgehen lassen, aber sie zögerte. Ach so, durch sein Einsiedlerleben hatte er vollkommen vergessen, dass es da wohl gewisse Regeln gab, die ein Mann einhalten sollte. Vor allem wenn die Frau so gut wie nackt war.

Also ging er vor, und sie folgte ihm. Doch vor seiner Schlafzimmertür blieb sie stehen.

„Sie können ruhig reinkommen“, sagte er unwirsch.

„Warum?“

Ihr unsicherer Blick machte ihm klar, dass er kein Recht hatte, sie anzufahren. Schließlich war es weder ihre noch seine Schuld, dass sie in dieser verzwickten Situation steckten. Wie verzwickt, würde sie gleich erfahren. „Weil in den anderen Zimmern keine Betten sind“, stieß er verlegen hervor.

Entsetzt riss sie die Augen auf. „Was?“

„Nur in Murdochs und in meinem Zimmer stehen Betten. Und Murdochs Zimmer ist wohl vorläufig nicht zu gebrauchen. Aber immerhin habe ich noch ein Sofa“, er wies auf die Couchgarnitur in einer Ecke des großen Raumes, „das ziemlich bequem ist. Aber ich fürchte, wir müssen beide heute Nacht hier schlafen.“

Sie runzelte die Stirn, und er konnte sehen, dass sie fieberhaft nach einer anderen Lösung suchte. „Aber … aber das Haus hat doch so viele Zimmer …“

„Die größtenteils leer sind. Wenn es noch irgendwo eine Matratze geben sollte, ist sie verschlissen oder besteht nur noch aus Sprungfedern.“

Lächelnd nahm er eins seiner T-Shirts aus dem Schrank. „Ihr Nachtgewand, meine Liebe.“

3. KAPITEL

Trotz des Regens, der immer noch kräftig gegen die Fensterläden schlug, nahm Willow überdeutlich wahr, wenn Tate sich auf der Ledercouch bewegte. Und er schlief sehr unruhig – falls er überhaupt schlief.

Wieder knarzte das Leder, als Tate sich umdrehte. Willow war hellwach, starrte an die Decke und dachte über die absurde Situation nach. Murdoch hatte zwar gesagt, dass sie nie Gäste hätten, aber dass ein Riesenhaus wie dieses nicht wenigstens ein oder zwei Gästezimmer hatte, hatte sie trotzdem überrascht. Gastfreundschaft wurde hier im Süden schließlich großgeschrieben. Dass all diese Räume nie genutzt wurden, war kaum vorstellbar. Wie konnte ein Mann wie Tate sich so vollkommen von der Außenwelt abschotten?

Und wieso konnte sie nicht einschlafen? Die Fahrt hierher und dann der Stress durch die Begegnung mit ihrem neuen Boss hatten sie reichlich erschöpft. Aber die Sache mit dem tropfenden Wasser und zusammengebrochenen Betthimmel hatte ihre Müdigkeit offensichtlich verscheucht. Und da Tate sich dauernd hin und her wälzte, ging es ihm wahrscheinlich genauso.

Wieder drehte er sich um und stöhnte dabei laut auf. Jetzt reicht’s! Willow setzte sich auf. „Das ist doch lächerlich“, sagte sie laut. „Nun kommen Sie schon hier in Ihr Bett.“ Sie biss sich auf die Lippe. Hm … das war vielleicht ein bisschen missverständlich.

Ein verstrubbelter Kopf und nackte Schultern tauchten oberhalb der Rückenlehne auf. „Was haben Sie gesagt?“

Jetzt konnte sie nicht mehr zurückrudern. „Sie sollten in Ihrem eigenen Bett schlafen. Auf dem Sofa finden Sie nie Ruhe. Und ich auch nicht.“

„Was meinen Sie damit?“

„Jedes Mal, wenn Sie sich bewegen, knarrt die Couch. So laut, dass ich es trotz des Regens höre.“

Langsam erhob er sich. Glücklicherweise hatte er sich die Decke über die Schultern gehängt. Nervös, wie sie war, weil ihr sexy Boss geradewegs auf sie zukam – noch schlimmer, auf sein Bett, in dem sie lag –, stieß sie halblaut hervor: „Gut, dass das einzige Bett hier im Haus so groß ist wie ein Fußballplatz.“

„Ich bin ja auch nicht gerade klein.“ Da hatte er recht. „Aber das ist keine gute Idee, finde ich.“

„Wieso nicht? Das kriegen wir schon hin.“ Sie kicherte. Was für eine verrückte Situation. „Wenn Sie wollen, können Sie gern ein paar Kissen in die Mitte legen. Vielleicht gibt es in diesem alten Haus sogar ein Schwert. Aber keine Angst, ich tue Ihnen nichts.“

Verblüfft schwieg er. Dann fragte er: „Hätte ich das nicht sagen sollen?“ Er lachte leise. Immerhin, dachte sie. Allerdings schien er nicht wirklich an ihr interessiert zu sein, sonst hätte er sich nicht so viel Zeit gelassen. Er ging so langsam, als würde er zum Galgen geführt.

„Ich habe keine Angst.“ Sie schlug auf ihr Kopfkissen. „Wenn ich jetzt nicht bald etwas Schlaf kriege, kann ich meinem Boss morgen nicht beweisen, dass er ohne mich nicht auskommen kann.“

„Soso.“ Mit wenigen Schritten stand er neben dem Bett. Als er sich setzte und dann hinlegte, schwankte die Matratze ein wenig. Offenbar lag er ganz dicht am Rand, so dicht, dass Willow ihn auch mit ausgestrecktem Arm nicht hätte berühren können.

„Keine Kissen? Kein Schwert?“

„Danke, nicht nötig. Ich fühle mich durchaus sicher.“

Wenn du dich da nur nicht täuschst. Sie versuchte, sich zu entspannen – vergeblich.

„Wenn ich bedenke, wie gut Sie auf das reagiert haben, was Sie heute durchmachen mussten, finde ich schon, dass Sie sich bereits ein paar Pluspunkte verdient haben“, fing er wieder an. „Ich nehme an, Ihr Boss sieht das genauso.“

Sie lachte gepresst und versuchte dann, die Muskeln anzuspannen und wieder zu lockern. Normalerweise lenkte das gut ab. Der Mann war so nah und doch so fern. Aber dieses kitzelnde Verlangen ließ sich nicht unterdrücken. Na, das konnte ja heiter werden, wenn er sie wirklich bleiben ließ.

Obwohl sie gedacht hatte, dass sie unter diesen Umständen bestimmt nicht einschlafen könnte, holte der Schlaf sie doch ein. Wahrscheinlich waren es die Erschöpfung, das gleichmäßige Rauschen des Regens und die ruhigen Atemzüge des Mannes neben ihr.

Als Willow am nächsten Morgen langsam zu sich kam, war alles anders. Es regnete nicht mehr. Stattdessen drang strahlender Sonnenschein durch die Spalten der schweren Vorhänge. Sie war warm zugedeckt, fühlte sich ganz entspannt und streckte sich, ohne die Augen zu öffnen. Doch als irgendetwas gegen ihre Beine stieß, war sie mit einem Mal hellwach. Das, was ihr den Rücken und die Beine warm hielt, war nicht eine kuschelige Decke, sondern ein Mann!

Ihr Puls raste. Sie lag auf dem Bauch, und Tate hatte sich mit dem Oberkörper halb auf sie geschoben. Sanft streichelte sein warmer Atem ihre rechte Schulter, und Willow holte tief Luft. Wie gut er roch.

Aber was sollte sie tun? Würde ihn schon die kleinste Bewegung aufwecken? Sosehr sie die Berührung genoss, es wäre doch zu unangenehm, wenn er jetzt aufwachte, mit einem Bein zwischen ihren … Warum war er bloß nicht auf seiner Seite des Fußballplatzes geblieben?

Dann bewegte er sein Bein, und sie spürte ein erregendes Kitzeln an der weichen Haut ihrer Schenkel. O Gott. … Das T-Shirt, das er ihr gegeben hatte, reichte ihr fast bis zu den Knien, war aber jetzt hochgerutscht, über ihren Slip.

Sie musste raus aus dem Bett! Aber wie?

Plötzlich seufzte er tief auf und drückte sich noch fester an sie. Er war erregt! Willow unterdrückte ein lustvolles Stöhnen. Der Mann fühlte sich verdammt gut an.

Dann schien er zu erstarren. Sie kniff die Augen zu, als schliefe sie noch. Auf keinen Fall durfte er sehen, wie sehr sie die Berührung seines muskulösen Körpers genoss! Doch dann bewegte er sich und hob den Kopf. „O nein!“

O doch. Das Einzige, was sie tun konnte, um die Situation zu retten, tat sie. Sie drehte sich langsam auf den Rücken und sah Tate harmlos an. „Haben Sie gut geschlafen?“

„Nicht so wie sonst“, brummte er, und beim Klang seiner tiefen, rauen Stimme überlief es sie heiß.

Sie versuchte, sich gegen die Reaktion zu wappnen, die sein verschlafener Gesichtsausdruck mit den schweren Lidern in ihr auslöste – dazu noch dieses zerzauste schwarze Haar … „Wieso?“

„Normalerweise schlafe ich allein.“

Zwar hatte sie in den letzten zwölf Stunden sehr deutlich mitgekriegt, dass er so gut wie nie Gäste empfing, konnte sich aber nicht vorstellen, dass dieser sehr attraktive sexy Mann allein schlief. „Tatsächlich?“

Er erhob sich, setzte sich auf die Bettkante und drehte Willow den Rücken zu. „Ja, seit ich dreizehn war.“

Während er aufstand und ins Bad ging, blieb sie liegen, verwirrt von dem, was er eben gesagt hatte. So, wie sich sein Körper an ihren geschmiegt hatte und sie fühlen ließ, dass er sie begehrte, war sie davon ausgegangen, dass er ein Experte im Schlafzimmer war. Oder wo auch immer er sein Können beweisen konnte.

Wie gut, sie ist nicht mehr da, ging es Tate durch den Kopf, als er aus dem Bad kam. Dass seine Hände zitterten, während er sich wusch und anzog, hatte ihn erschreckt.

Ein solch intensives Verlangen nach einer Frau hatte er schon lange nicht mehr verspürt, nicht mehr, seit er ein hormongesteuerter Teenager gewesen war. Seine Beziehungen zu Frauen hatten sich mehr oder weniger auf One-Night-Stands beschränkt, kurze Affären, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Zwar konnte er immer noch schöne Frauen bewundern, ja, sie vielleicht auch begehren, aber dieses drängende Verlangen hatte er nie wieder gehabt.

Bis zum gestrigen Tag. Da hatte ihn pure sexuelle Begierde erfasst. Und das hatte ihn so verwirrt, dass er sich letzten Endes zurückgehalten hatte. Sonst wären sie ganz sicher immer noch im Bett – ohne eine Faser am Leib …

Bei der Vorstellung musste er ein paarmal tief durchatmen, um die Erregung zu überwinden, die sich erneut bemerkbar machte. Dann erst verließ er sein Zimmer und ging die Treppe hinunter. Statt des prasselnden Regens hörte er jetzt das Donnern der Brandung, die gegen die Felsen schlug.

Deshalb bemerkte Willow ihn auch nicht, als er in die Küche trat. Sie stand vor dem offenen Kühlschrank, leicht gebückt, und untersuchte den Inhalt. Ihr kleiner knackiger Po zeichnete sich deutlich in der engen, noch feuchten Jeans ab. Was Tates Körper sehr gefiel, seinem Verstand allerdings weniger.

„Was machen Sie denn da?“

Sie schreckte zusammen, und sofort hatte er ein schlechtes Gewissen wegen seines rauen Tons. Ihr leiser Aufschrei machte es auch nicht besser, denn wieder dachte er an Dinge, an die er nicht denken sollte. Hier im Sabatini-Haus hatte er tatsächlich noch nie Sex gehabt, hatte also nicht gelogen, als er sagte, er hätte hier noch nie mit jemandem geschlafen. Aber warum hatte er das überhaupt erwähnt?

Egal. Er wollte ihr jetzt endlich sagen, was gesagt werden musste, und dann raus aus der Küche. Doch als sie sich zu ihm umdrehte, fiel ihm nichts mehr ein.

Sie hier in dem hellen Sonnenlicht zu sehen war, verglichen mit gestern Nacht, als habe er ein Farbfoto vor Augen statt einer Schwarz-Weiß-Aufnahme. Willow hatte die typisch helle Haut einer Rothaarigen und wenige Sommersprossen auf der kleinen Nase. Die Augen waren leuchtend grün, eine Farbe, die er auch seinen Romanheldinnen gern andichtete. Außerdem war sie mittelgroß – und sehr gut proportioniert.

Er sah an ihr vorbei aus dem Fenster, um sich zu fassen. Den Blick auf den nackten Felshügel hielt er besser aus als den auf die schäumende See. Denn der hätte ihn daran erinnert, warum eine Frau wie sie für einen Mann wie ihn tabu war.

Als er schwieg, neigte sie leicht den Kopf zur Seite und sah ihn an. „Ich wollte nur sehen, was im Kühlschrank ist“, sagte sie lächelnd und griff nach einem Block und einem Stift, die auf dem Tresen lagen. „Außerdem muss das Dach wohl repariert werden. Zwar geht das Telefon noch nicht, aber sowie wir wieder Anschluss haben, kann ich ein paar Handwerker anrufen, deren Nummern ich hier aufgeschrieben habe. Natürlich nur, wenn es Ihnen recht ist.“

Vielleicht keine schlechte Idee, sich auf ein paar praktische Dinge zu konzentrieren, ging es Tate durch den Kopf, obwohl es ihn ärgerte, dass sie und nicht er die Initiative ergriffen hatte. „Das können wir auch gleich tun. In meinem Büro habe ich einen Satellitenanschluss.“

„Das hat Murdoch gar nicht erwähnt.“

„Ich bin auch nicht glücklich darüber. Aber mein Lektor hat darauf bestanden, weil er es satthatte, mich telefonisch nicht erreichen zu können. Zumal ich auch auf seine E-Mails selten reagiere. Das Satellitentelefon benutze ich nur im äußersten Notfall.“

Verblüfft sah sie ihn an, aber Tate hatte keine Lust, sein etwas exzentrisches Verhalten weiter zu erklären. Es ging sie schließlich nichts an. Er nahm ihr den Block aus der Hand. „Diese beiden Betriebe kenne ich. Die machen gute Arbeit. Rufen Sie sie an, und ich hole inzwischen Ihr Gepäck.“

„Ist das Ihr Ernst? Dann kann ich also blei…“

„Ja“, unterbrach er sie barsch. „Bisher haben Sie mich noch nicht geschlagen, also werden wir wohl einigermaßen miteinander auskommen. Und ich habe keine Lust, wieder nach einer Haushälterin zu suchen. Viel zu zeitaufwendig, wo es doch nur um zwei Monate geht.“

„Wunderbar!“ Begeistert hüpfte Willow herum, und er musste sich schnell abwenden, denn ihre bebenden Brüste lösten eine eindeutige Reaktion bei ihm aus.

„Sagen Sie mir Bescheid, wann die Leute kommen“, brummte er. „Ich zeige ihnen dann, was zu tun ist.“

„Das kann ich auch.“

„Es ist mein Haus, also mache ich das. Verstanden?“

„Wie Sie meinen.“

Ihm war ziemlich klar, dass sie nicht verstanden hatte, aber das würde schon noch kommen. „Sie können sich jetzt fertig machen, und dann gehen wir mal das Wichtigste durch.“

„Wir können gleich anfangen.“ Mit leuchtenden Augen sah sie ihn an. „Ich bin fertig.“

Okay, vielleicht war es besser, das Ganze schnell hinter sich zu bringen. „Gut, dann wollen wir mit den Regeln anfangen.“

„Regeln?“ Fragend zuckte sie die Schultern. „Was für Regeln?“

„Was hat Murdoch Ihnen denn erzählt?“

„Oh, eine Menge!“ Sie strahlte ihn an, machte den Rucksack auf, den sie auf einem Küchenstuhl abgestellt hatte, und holte ein Notizbuch heraus. Ihr Lächeln traf Tate mitten in sein düsteres Herz und raubte ihm kurz den Atem.

„Er hat mir alles aufgeschrieben“, erklärte sie eifrig und hielt ihm das Büchlein hin. „Über die Alarmanlage hier im Haus, wie das Tor zu öffnen ist, was an Hausarbeit wann zu machen ist, was Sie am liebsten essen …“

Aber nichts über feststehende Hausregeln? Gestern hätte ihn das noch überrascht. Heute irgendwie nicht mehr. Einer Frau wie Willow konnte man wohl nicht mit Regeln kommen. Dennoch, sie würde sich daran gewöhnen müssen.

„Regel Nummer eins: Ich darf nicht gestört werden.“

Das sollte doch wohl klar sein, aber Willow fragte trotzdem: „Sie meinen, wenn Sie schreiben?“

„Dann hat Murdoch Ihnen also erzählt, womit ich mein Geld verdiene?“

„Nicht unbedingt. Dass Sie Schriftsteller sind und sogar ziemlich berühmt, weiß man in Savannah. Aber was Sie schreiben, das hat bisher noch keiner rausgefunden.“

„Und Murdoch hat es nicht verraten?“

Schweigend schüttelte sie den Kopf, aber er konnte ihr ansehen, dass sie es nur zu gern gewusst hätte. Da kannst du lange warten!

„Immer wenn ich im Büro bin, darf ich nicht gestört werden“, wechselte er das Thema. „Zu den festgelegten Essenszeiten komme ich runter. Wann das ist, hat Murdoch Ihnen doch sicher aufgeschrieben.“

„Und was ist mit der Post? Soll ich sie Ihnen gleich bringen, wenn sie kommt, oder bis zum Essen warten? Und wenn …“

„Halt!“ Tate hob die Hand. „Ich darf nicht gestört werden. Unter keinen Umständen. Verstanden?“

„Aber …“

„Regel Nummer zwei: Was Sie hier hören oder sehen oder sonst irgendwie mitbekommen, darf nie nach außen dringen. Sie dürfen mit niemandem darüber sprechen.“

„Auch nicht mit meiner Familie?“

Das Problem hatte Tate mit Murdoch nie gehabt. Zehn Jahre lang hatte Murdoch überhaupt keinen Kontakt zu seiner Familie gehabt. Und danach hatte er den Mund gehalten und der Familie nichts erzählt, was mit Tates Privatleben zu tun hatte.

Aber Willows Familie könnte Probleme machen. „Regel zwei gilt selbstverständlich auch für Ihre Familie.“

„Aber in welchem Ausmaß? Ich vermute, dass ich nichts über Sie erzählen soll. Das hat Murdoch wohl auch so gehalten. Aber was ist mit dem Haus? Darf ich darüber sprechen? Oder muss ich generell über alles schweigen? Wo liegt da die Grenze? Darf ich meiner Familie sagen, wie sie mich erreichen kann?“

„Das versteht sich von selbst.“ Diese ewige Fragerei nervte ihn allmählich. Murdoch war ein ruhiger Typ, was man von Ms. Willow nicht behaupten konnte. Leise seufzte er. „Natürlich können Sie Ihren Verwandten die Nummer des Haustelefons geben, solange die nicht ständig anrufen oder die Nummer weitergeben. Aber über mich und meinen Job müssen Sie Stillschweigen bewahren.“

„Soll ich irgendeine Art von Vertrag unterschreiben, damit Sie sicher sein können?“

„Ist das denn nötig?“

Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre roten Locken flogen. Sie sieht hinreißend aus. Schnell wandte Tate den Kopf ab und blickte wieder aus dem Fenster. „Einige Räume in diesem Haus dürfen nur von mir betreten werden.“

„So was hat Murdoch auch erwähnt. Aber woher weiß ich, welche?“

„Du liebe Zeit, Mädchen, können Sie nicht endlich mit der Fragerei aufhören?“

Erneut wandte er sich ihr zu und sah, wie sie schluckte. Um Himmels willen, sie würde doch nicht in Tränen ausbrechen? Doch dann schniefte sie nur kurz und meinte: „Entschuldigung. Ich möchte nur alles richtig machen.“

Klar willst du das. Ich bin auch zu blöd. „Ich weiß. Ich werde Ihnen alles zeigen.“ Was er eigentlich gar nicht vorgehabt hatte.

Sofort strahlte sie ihn an und wirkte ausgesprochen unternehmungslustig. Und er hatte das ungute Gefühl, dass die Hausbesichtigung nicht die von ihm veranschlagten dreißig Minuten dauern würde. Sie würde ihn mit Fragen löchern, die er nicht beantworten wollte. Das konnte Stunden dauern. „Nicht jetzt“, fügte er hastig hinzu. „Später.“

Erst einmal musste er sich einen Drink genehmigen – oder auch zwei.

4. KAPITEL

Willow war nicht dumm und wusste, dass ihre Neugier vielen Leuten auf die Nerven ging. Aber sie war eben wissbegierig und würde nie aufhören, mehr von der Welt erfahren zu wollen – das hatte ihr schon einer ihrer Professoren prophezeit. Einige Leute konnten das nur schlecht ertragen, und die meisten Männer fanden eine Frau wie sie sterbenslangweilig.

Ihre Schwestern liebten es, sich schön anzuziehen, sich zu schminken und die neuesten Nagellackfarben auszuprobieren. Zwar war Willow gutmütig genug, mit ihnen mitzugehen, aber sie selbst war an diesen Dingen überhaupt nicht interessiert. Sie liebte Bücher, alte Häuser und Antiquitäten. Und wenn es etwas Mysteriöses aufzuklären gab, umso besser.

Tate schien von ihr besonders genervt zu sein. Und das war schade. Denn er war superattraktiv: groß, schlank und dabei muskulös, dunkles widerspenstiges Haar, ein durchbohrender Blick. Kurzum: Er passte wunderbar zu diesem geheimnisvollen Haus. Aber nicht zu ihr. Ihr war nicht entgangen, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte, vielleicht sogar von ihr träumte. Allerdings offenbar nur, wenn sie den Mund hielt.

Den Vormittag über hatte sie die Küche inspiziert und ihm etwas zum Lunch gemacht. Jetzt wartete sie ungeduldig darauf, dass er mit dem Essen fertig war, aber er ließ sich Zeit. Sie hatte schon mal einen Blick in die angrenzenden Räume geworfen, wollte aber endlich das ganze Haus kennenlernen. Ob er sie vielleicht nur auf die Zimmer hinweisen würde, die sie nicht betreten durfte?

Schließlich kam er in die Küche und stellte den Teller auf den Tresen.

„Können wir jetzt gehen?“, fragte sie hastig, ärgerte sich aber gleich danach über ihre Ungeduld.

Er hob die dunklen Brauen, sah Willow aber eher amüsiert als verärgert an. Dann wies er in Richtung Flur, der zur Halle führte. „Wollen wir?“

Auf dem Weg durch den Flur sah Willow immer mal wieder in die offen stehenden Räume hinein. Die meisten waren tatsächlich vollkommen leer, in manchen standen Kisten und Möbel, die mit Laken zugedeckt waren. Überall lag eine dicke Staubschicht.

In der runden Halle blieb Tate genau in der Mitte stehen und starrte die wunderschöne geschwungene Treppe an. Von der hohen Decke hing ein großer Kronleuchter herab, und das Sonnenlicht, das durch die oben liegenden Fenster fiel, brach sich in allen Spektralfarben.

„Das Haus wurde einst von einem Piraten gebaut“, erklärte Tate, und seine Stimme hallte von den Wänden wider. „Erst nach zehn Jahren war es komplett ausgestattet, obwohl seine Liebste hier schon sieben Jahre früher eingezogen war. Er hat es an der Stelle errichten lassen, wo das Wasser auf das Land trifft.“

Sofort wollte Willow fragen, ob die Geschichten über die Höhlen unter dem Haus stimmten. Glücklicherweise fiel ihr noch rechtzeitig ein, dass er ihre Fragerei nicht leiden konnte, und sie schwieg. Auf keinen Fall wollte sie ihn jetzt verärgern. Sie würde schon noch Gelegenheit haben, mehr zu erfahren. Erst einmal sollte er sie wenigstens tolerieren können. Er brauchte Zeit, sich an sie und ihre Art zu gewöhnen, das war ihr inzwischen klar geworden.

Aber irgendeine harmlose Frage würde er vielleicht nicht übel nehmen. „Wie lange leben Sie schon hier?“

„Das Haus ist alt und hat eine lange, interessante Geschichte. Meine Familie stammt direkt von dem Erbauer ab. Ich bin hier aufgewachsen.“

Sie musste daran denken, wie sehr sie und ihre Schwestern schon an ihrem bescheidenen Haus hingen. Es war zwar nichts Besonderes, aber es verband sie mit ihrer Familiengeschichte. Wie musste es ihm da erst ergehen. „Wow, das ist bestimmt ein tolles Gefühl!“

Er hob kurz die Schultern und ließ sie wieder sinken. „Wie man’s nimmt. Es ist Segen und Fluch zugleich.“

Fluch? Wieso ein Fluch? Fragend sah sie ihn an, aber er wandte sich einfach ab. Was war mit seiner Familie? Warum hat man ihn hier alleingelassen? Aber besser, sie hakte nicht nach. Und von sich aus würde er bestimmt nie darüber sprechen.

„Das Gebäude ist stabil gebaut, um den Stürmen hier an der Küste zu trotzen. Und bisher hat es alles gut überstanden – im Gegensatz zu vielen anderen Häusern hier auf den vorgelagerten Inseln. Aber als Pirat, der sein Leben auf See verbracht hat, wusste der Erbauer natürlich auch, was zu tun war. Auch die erodierende Kraft des Wassers hat er einkalkuliert.“

Willow presste die Lippen zusammen. So viele Fragen, die sie nicht stellen durfte! Bezog Tate sich auf die Höhlen unterhalb des Hauses, über die spekuliert wurde? Murdoch hatte sich immer geweigert, dazu eindeutig Stellung zu nehmen. Hatte gemeint, es stünde ihm nicht zu, etwas dazu zu sagen.

Tate betrat die Treppe. „Das Haus hat keinen Fahrstuhl“, sagte er, während er langsam die Stufen emporstieg. „Die oberen Stockwerke sind nur über diese Treppe zu erreichen oder die hintere, die von der Küche aus nach oben führt. Alle abgeschlossenen Räume sind für Sie tabu, auch die im zweiten Stock.“

„Aber wenn …“

Er drehte sich um und blickte sie drohend an. „Tabu. Ohne Ausnahme.“

„Okay“, murmelte sie und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie wenig okay sie das fand. Schließlich hatte sie diesen Job angenommen, um einem Geheimnis auf die Spur zu kommen, das auch ihre Familie betraf. Murdoch hatte angedeutet, dass die Lösung möglicherweise in einem der Zimmer im zweiten Stockwerk verborgen war.

Während sie verschiedene Flure durchquerten, gab Tate kurze Hinweise in Bezug auf die Architektur, die Holzarbeiten und die Stuckdecken. Irgendetwas Persönliches kam dabei nicht zur Sprache. Er redete wie ein gelangweilter Führer eines aufregenden Museums, der bloß seine Pflicht erledigte.

Viele der Räume waren total verstaubt, einige ganz leer. Wie er gesagt hatte, fanden sich zwar ein paar wunderschöne antike Bettgestelle, aber keinerlei Matratzen. Alles in allem war dies kein Haus, das ein stolzer Besitzer gut instand hielt.

Wie schade! Nur allzu gern hätte Willow sich um das eine oder andere gekümmert. Etwa um die alte Standuhr, die in Leder gebundenen Bücher, einige der antiken Möbel. Restaurieren war ihr Hobby, aber sie bezweifelte, dass Tate es zulassen würde.

Im ersten Stock hatten sie jetzt den Flügel erreicht, den sie schon kannte und der vom Hauptflur durch eine schwere geschnitzte Tür abgetrennt war. Tate blieb stehen. „Dies ist der Zugang zu meinen Räumen. Wenn die Tür offen ist, können Sie reinkommen. Um die Räume zu putzen und die Wäsche zu holen, die gewaschen werden muss. Mein Büro bleibt für Sie jedoch immer geschlossen.“

Die Tür öffnete sich mit einem lauten Knarren. Sowieso unmöglich, hier unbemerkt reinzukommen, dachte Willow und unterdrückte ein Kichern. Für diese Art von Humor hatte Tate sicher kein Verständnis.

Der Flur war dunkler als die anderen, weil die meisten Zimmertüren geschlossen waren, sodass kein Licht hereinfiel. Tate wies auf das Ende des Flurs. „Dahinten ist die Tür zu meiner Schlafzimmersuite. Sie haben Zugang, um die Bettwäsche zu wechseln und das Bad zu säubern. Sonst nicht.“

Er deutete auf einen Tisch, der neben einer geschlossenen Tür stand. „Dort ist mein Büro. Wenn irgendetwas in der Post ist, was ich mir ansehen sollte, können Sie es dort ablegen. Ich hole es mir dann bei Gelegenheit.“

Er drehte sich zu Willow um und sah sie abwartend an. Wahrscheinlich rechnete er mit irgendwelchen Fragen, die sie aber nicht zu stellen wagte. Etwa die, warum keiner diese Räume betreten durfte, was er zu verheimlichen hatte oder warum sie die Post nicht direkt in sein Büro bringen durfte, sondern sie auf den Tisch legen musste. Seine Anweisungen schienen ihr mehr als unsinnig zu sein. Aber sie wusste, dass er ihre Fragen nicht beantworten, sondern nur verärgert darauf reagieren würde.

Schließlich fuhr er fort: „Die Räume im zweiten Stock und auch die Turmzimmer dürfen nicht betreten werden, sind absolut tabu.“

Tabu, tabu … das schien sein Lieblingswort zu sein. Am liebsten hätte Willow mit den Augen gerollt, aber sie beherrschte sich.

„Da oben ist nichts, was für Sie von Interesse wäre. Außerdem sind einige der Räume in sehr schlechtem Zustand. Die Folgen haben Sie gestern ja selbst miterlebt.“

„Aber ich dachte, das Dach wäre überprüft worden“, wagte sie nun doch einzuwenden.

„Ja, das geschieht einmal im Jahr. Aber bei so einem alten Haus kann immer mal was passieren.“

Er wandte sich wieder zu der Treppe um, und sie folgte ihm. Zu ihrer Überraschung nahm er kurz darauf eine schmale Seitentreppe, die nach unten führte. Willows Herzschlag beschleunigte sich, als das Rauschen des Meeres lauter wurde, je tiefer sie kamen.

„Hier unten ist der Raum mit Waschmaschine und Trockner“, erklärte er. „Außerdem gibt es zwei Vorratskammern.“ Er bog in einen schmalen Flur ein, dessen Boden direkt aus dem Fels gehauen zu sein schien. Der Waschraum war riesig und hatte offenbar früher einmal zu etwas anderem gedient. Die Vorratskammern waren mit Regalen ausgestattet. Die gleichbleibend kühle Temperatur hier unt...

Autor

Dani Wade
<p>Als Jugendliche erstaunte Dani Wade die Mitarbeiter der örtlichen Bibliothek regelmäßig. Sie lieh sich wöchentlich bis zu zehn Bücher aus – und las diese dann tatsächlich bis zu ihrem nächsten Besuch. Sie stellte sich gerne vor, selbst in der Rolle der weiblichen Heldin zu stecken. Vielleicht gelingt es ihr auch...
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Lauren Canan
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Sara Orwig
<p>Sara’s lebenslange Leidenschaft des Lesens zeigt schon ihre Garage, die nicht mit Autos sondern mit Büchern gefüllt ist. Diese Leidenschaft ging über in die Liebe zum Schreiben und mit 75 veröffentlichten Büchern die in 23 Sprachen übersetzt wurden, einem Master in Englisch, einer Tätigkeit als Lehrerin, Mutter von drei Kindern...
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