Baccara Exklusiv Band 99

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Joan Elliott Pickart

Titel: Mein Freund - mein Geliebter

Wie konnte das nur passieren! Brenda ist fassungslos. Bis gestern war Richard ihr bester Freund … und jetzt haben sie eine berauschend sinnliche Nacht miteinander verbracht! Ist das Ende ihrer wunderbaren Freundschaft gekommen - oder ein aufregender Neubeginn?

Christine Pacheco

Titel: Küss mich, wärm mich - liebe mich

Romantische Weihnachten? Das ist nichts für Meghan! Bis ihr ein mächtiger Schneesturm einen Motorradfahrer beschert: Kyle Murdoch klopft an die Tür ihres Cottages. So sexy und männlich in seiner schwarzen Lederkluft, dass Meghan plötzlich an das Fest der Liebe glaubt …

Jane Sullivan

Titel: Endlich der Richtige?

… ist Nick Chandler ganz sicher nicht! glaubt die Psychologin Sara. Aber vor dem Mikro liefert sie sich mit dem frechen Radiomoderator ein heißes Wortgefecht über Sex und Liebe! Was Sara nicht ahnt: Nick will sie überzeugen, dass der Falsche genau der Richtige sein kann …


  • Erscheinungstag 07.12.2012
  • Bandnummer 0099
  • ISBN / Artikelnummer 9783954461936
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Joan Elliott Pickart, Christine Pacheco, Jane Sullivan

BACCARA EXKLUSIV, BAND 99

JOAN ELLIOTT PICKART

Mein Freund – mein Geliebter

Tausend Mal haben Brenda und Richard sich berührt – nie ist was passiert. Aber plötzlich liegt Brenda in den Armen ihres besten Freundes! Wer hätte gedacht, dass sie im Bett so fantastisch zusammenpassen und Richard so ein sinnlicher Liebhaber ist! Nichts ist mehr, wie es war. Besonders, als Brenda erfährt, dass sie ein Baby bekommt …

CHRISTINE PACHECO

Küss mich, wärm mich – liebe mich

Oh nein, ausgerechnet in dieser eiskalten Dezembernacht gibt die Heizung ihren Geist auf! Die junge Töpferin Meghan zittert vor Kälte – bis Kyle sie voller Verlangen an sich zieht. Der Schneesturm hat den sexy Motorradfahrer und Millionenerben zu Meghan geweht. Sie hat ihn gerettet … und dafür wird er sie jetzt wärmen. Nicht nur diese Nacht …

JANE SULLIVAN

Endlich der Richtige?

Finger weg von Männern mit Bindungsangst! Darüber hat die schöne Psychologin Sara Davenport einen Ratgeber geschrieben. Und als sie dem Radiomoderator Nick Chandler Rede und Antwort über ihr Buch steht, sollte sie gewarnt sein: Nick hat den Ruf eines unverbesserlichen Verführers. Aber wie kann sich etwas Schlimmes nur so verteufelt gut anfühlen?

1. KAPITEL

Richard MacAllister betrat seine Wohnung und schlug die Tür hinter sich zu. Er zog sein Jackett aus, warf es über einen Sessel, besann sich aber gleich wieder und nahm das Jackett, um es säuberlich auf einen Bügel an die Garderobe zu hängen. Dann ging er ins Wohnzimmer zurück und ließ sich auf dem Sofa nieder. Aber auch dort hielt es ihn nicht lange. Schon nach kurzer Zeit sprang er wieder auf und begann, in dem geräumigen Zimmer ruhelos auf und ab zu gehen.

„Diese verdammten Weiber!“, fluchte er halblaut vor sich hin. „Ich habe die Nase voll ihnen. Sie sind zu nichts zu gebrauchen. Sie sind nur launisch, zickig, unzuverlässig, unberechenbar, unverstehbar – nein, das Wort gibt es nicht. Jedenfalls bringen sie mich um den Verstand.“

Richard hielt in seiner rastlosen Wanderung inne und fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. Danach ging er durchs Zimmer, blieb vor der Wand gegenüber stehen und klopfte mit der Faust drei Mal fest dagegen.

„Hoffentlich ist sie da“, murmelte er vor sich hin, während er ungeduldig wartete. „Ich brauche dringend jemanden, mit dem ich reden kann … Meine Güte, los! Melde dich!“

Endlich waren von der anderen Seite zwei gedämpfte Klopfzeichen zu hören. Rasch antwortete er mit einem Klopfen. Drei Mal Klopfen hieß: „Ist jemand zu Hause?“, zwei Mal: „Ja“, ein Mal: „Komm rüber“. Es war eine etwas simple, aber sehr brauchbare Art der Verständigung. Außerdem hatte sie etwas Verschwörerisches, etwas von einem Geheimcode, den nur man selbst und der beste Freund kannte. Und Richards bester Freund würde nun gleich auf der Bildfläche erscheinen, ihm zuhören und ihn wieder aufrichten. So war es immer.

Nicht, dass Richard MacAllister nicht Manns genug gewesen wäre, seine Probleme selbst zu lösen oder seine Wunden zu lecken und sich aus dem gerade akuten Schlamassel selbst wieder herauszuziehen. Aber wenn man schon jemanden hatte, bei dem man sich aussprechen konnte, warum sollte man auf ihn verzichten?

Es läutete an seiner Tür, und er eilte hin, um zu öffnen.

„Ein Glück, dass du da bist“, sagte er, noch während er die Klinke in der Hand hielt. „Ich bin fix und fertig und … Oje, wie siehst du denn aus? Danach zu urteilen, dass du dich in dieses grauenvolle Ding geschmissen hast, das aussieht wie ausgespuckte Erbsensuppe, muss es dir ja noch schlechter gehen als mir. Was ist denn los, Brenda?“ Richard zog die Brauen zusammen und musterte aufmerksam die zierliche junge Frau, die vor ihm stand.

Brenda war ganz offensichtlich nicht in bester Verfassung. Vom Hals bis zu den Knöcheln steckte sie in einem riesigen Morgenmantel, aus abgetragenem Cordstoff in einem undefinierbaren Grünton, wenn man die Farbe nicht so drastisch beschreiben wollte, wie Richard es gerade getan hatte. Er kannte dieses zeltartige Gebilde schon. Für Brenda war es, das wusste er, eine Art Schmusedecke, die sie regelmäßig anzog, wenn sie sich schlecht fühlte oder Kummer hatte. Ihr hübsches Gesicht sah blass aus, und ihre sonst strahlenden braunen Augen hatten einen stumpfen Glanz. Sein Blick fiel auf eine Rolle Küchenpapier, die sie unter den Arm geklemmt mitgebracht hatte.

„Kann ich reinkommen?“, fragte sie und schnäuzte sich die sichtlich gerötete Nase.

„Was? Ja, natürlich, entschuldige“, sagte Richard zerstreut und trat einen Schritt zurück. „Ich hätte dich fast nicht wieder erkannt. Du siehst ja grauenhaft aus.“

„Oh, besten Dank für die Blumen“, meinte Brenda und stapfte an ihm vorbei. Ihre Füße steckten in viel zu großen Wollsocken, die eigentlich Richard gehörten. Im Wohnzimmer ließ sie sich aufs Sofa fallen. „Du verstehst es wirklich, deine Mitmenschen aufzumuntern.“ Sie unterzog ihn nun ebenfalls einer strengen Musterung. „Aber du siehst auch nicht gerade hitverdächtig aus. Platz vier bis fünf, würde ich schätzen.“

Richard ließ sich neben ihr nieder. „Was ist los? Bist du krank?“

„Du hast es erfasst! Ich bin gekommen, um mich von dir zu verabschieden, mein lieber Richard. Ich werde den morgigen Tag wohl nicht mehr erleben. Du warst ein wunderbarer Freund und Nachbar die letzten vierzehn Monate. Also leb wohl …“

„Hör auf mit dem Quatsch“, unterbrach er sie. „Mal im Ernst – bist du krank?“

„Ich habe eine scheußliche Stirnhöhlenvereiterung“, erklärte Brenda, während sie erneut ins Küchenpapier schnaubte. „Gestern fühlte ich mich derart mies, dass ich mich entschlossen habe, zum Arzt zu gehen. Er hat mir Antibiotika verschrieben. Aber blöd, wie ich nun einmal bin, habe ich mich trotzdem zu einer Verabredung überreden lassen mit jemandem, den ich nicht kenne.“.

„Ich dachte, du hättest solchen Blind Dates ein für alle Mal abgeschworen?“

„Ach, ich war einfach verzweifelt“, antwortete Brenda und seufzte. „Dieser Mensch ist der Cousin eines Kunden unseres Reisebüros, ein Zahnarzt. Du glaubst es nicht, aber er hat die ganze Zeit auf meine Zähne gestarrt.“

Richard musste lachen, woraufhin Brenda ihm einen strafenden Blick zuwarf.

„Das ist kein Witz“, sagte sie. „Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass er sich nicht mit mir unterhält, sondern mit meinen Zähnen, kannst du dir das vorstellen? Und als er mich nach Haus brachte, legte er mir den Arm um die Schulter und meinte, ich hätte die zauberhaftesten Zähne, die er je gesehen hätte, und küsste mich auf die Stirn. Da quält man sich von seinem Krankenlager, um sich dann anhören zu müssen, man habe reizende Zähne. Nein, danke vielmals. Ich bin fertig mit Männern.“

„Willkommen im Klub“, bemerkte Richard lakonisch.

„Wieso? Bist du auch fertig mit den Männern?“, fragte Brenda grinsend.

„Sehr witzig.“ Richard stand auf. „In meinem Fall sind es da wohl doch eher die Frauen. Und die stehen mir bis hier.“ Er machte eine Handbewegung in Höhe der Nase. „Warum misshandelst du eigentlich deine arme Nase mit diesem Küchenpapier?“

„Ich hab keine Papiertaschentücher mehr“, antwortete Brenda. „Sie standen zwar auf meinem Einkaufszettel, aber …“

„… aber du hast ihn versiebt. Was hast du denn mit dem kleinen Magnet-Pinguin gemacht, den ich dir aus Alaska mitgebracht habe, damit du deine Einkaufszettel an den Kühlschrank pinnst?“

„Ich kann ihn nicht finden“, erklärte Brenda resigniert. „Den Pinguin, meine ich. Der Kühlschrank steht immer noch da, wo er hingehört.“

Richard trat auf sie zu. „Hör damit auf! Das kann man ja nicht mit ansehen, was du deiner entzückenden kleinen Nase mit dieser Papierrolle antust.“

„Meine entzückende kleine Nase? Soll ich dich vielleicht mal mit diesem Zahnarzt bekannt machen? Was habt ihr bloß alle mit meinen Einzelteilen?“

„Wart mal einen Moment“, sagte Richard und verschwand aus dem Wohnzimmer. Kurz darauf kam er mit einem frisch gebügelten, sauber zusammengelegten Taschentuch zurück, das er Brenda in die Hand drückte, während er ihr gleichzeitig die Küchenrolle wegnahm und sie mit Nachdruck auf den Couchtisch stellte.

„Nimm lieber das“, erklärte er und setzte sich wieder neben sie.

„Danke.“ Brenda tupfte sich die Nase ab. „Du bekommst es gewaschen zurück.“

„Glaub ich nicht“, bemerkte er, bevor er den Kopf auf die Sofalehne zurücklehnte und an die Zimmerdecke starrte. „Es wird wieder irgendwo zwischen Waschmaschine und Trockner verschwinden.“

„Du bist gemein. Du glaubst mir ja nicht, dass meine Waschmaschine Sachen auffrisst. Guck nicht so. Das tut sie tatsächlich. Du hast ja keine Ahnung mit Waschmaschinen, weil du deine ganze Wäsche in die Wäscherei gibst.“

„Na schön, dann frisst deine Waschmaschine dein Zeug eben auf.“

Brenda runzelte die Stirn. Sie rückte zu Richard heran und sah ihm aufmerksam ins Gesicht. „Was ist los mit dir? Du gibst dich doch sonst nicht so schnell geschlagen. Ist in Kansas City irgendetwas passiert? Ich wusste auch gar nicht, dass du heute schon zurück in Ventura sein wolltest.“

„Ich bin heute Nachmittag angekommen“, antwortete er. Noch immer starrte er an die Decke. „Gestern Abend habe ich Beverly angerufen, um ihr zu sagen, dass ich komme und mich darauf freue, sie zu sehen und mit ihr zusammen zu sein. Haha!“

„Wieso? Was ist passiert?“

Richard hob den Kopf von der Lehne und sah Brenda an. „Sie hat mit mir Schluss gemacht, Brenda. Sie hat jemand anderen kennengelernt, während ich nicht da war, irgendeinen Börsenfritzen. Beverly meint, so oft, wie ich unterwegs sei, könnte sie ja gleich ins Kloster gehen.“

„Na ja, ganz unrecht hat sie damit nicht“, gab Brenda zu bedenken.

„Na hör mal, auf wessen Seite stehst du eigentlich?“, entgegnete er empört. „Ich bin gerade sitzen gelassen worden. Ich dachte, du würdest mich unterstützen.“

„Beruhige dich, Richard. Was willst du denn von mir hören? Sehen wir den Tatsachen ins Gesicht. Du bist seit Anfang des Jahres auf Achse. Erst hattest du den Auftrag in Alaska. Da warst du zwei Monate weg. Als du wiederkamst, hast du Beverly auf einer Party kennengelernt, und ihr habt euch – wie lange? Drei Wochen? – fast jeden Abend gesehen.“

„Drei Wochen und was für drei Wochen! Ich kann dir sagen …“, warf Richard schwärmerisch ein.

„Erspar mir die Details.“ Brenda putzte sich mit seinem Taschentuch die Nase. „Jedenfalls warst du anschließend wieder verschwunden – für vier Wochen in Kansas City. Du kannst nicht einmal sagen, wie lange deine Aufträge dauern und wann du wieder zurück in Ventura bist.“

„Das ist nun einmal so in diesem Job, das weißt du doch“, verteidigte sich Richard. „Wenn irgendwo ein Computer-Netzwerk abstürzt, kann ich doch nicht schon vorher sagen, woran das liegt und wie lange es dauert, das wieder in Ordnung zu bringen.“

„Ja, natürlich. Ich weiß das ja auch. Ich vermisse dich zwar auch, wenn du weg bist, aber ich kann mich darauf einstellen. Aber für jemanden, die dich gerade kennengelernt hat und sich in dich verliebt hat, ist das etwas anderes. Offensichtlich hat Beverly lieber Schluss gemacht, bevor es anfängt, für sie schmerzlich zu werden.“

Richard runzelte die Stirn. „Sehr viel Aufmunterndes hast du mir heute ja nicht zu sagen“, bemerkte er.

„Tut mir leid, mein Lieber, aber ich sag nur, wie es ist“, antwortete Brenda und zuckte die Achseln. „Und du solltest mal darüber nachdenken. Du wünscht dir so sehr, mal eine Familie und Kinder zu haben. So wie es jetzt aussieht, findest du nicht einmal eine feste Freundin. Jedes zarte Pflänzchen einer sich anbahnenden Beziehung muss doch sofort wieder eingehen. Oje, jetzt werde ich lyrisch. Das kommt bestimmt von den Antibiotika.“

„Du bist mir ein schöner Freund, Brenda Henderson.“ Richard starrte wieder an die Decke. „Wenn du es darauf angelegt hast, mich restlos fertigzumachen, ist dir das jetzt gelungen.“

„Dazu gehörte nicht allzu viel.“

„Ach, ich hab von alldem genug. Lass uns von etwas anderem reden. Wir könnten etwas feiern“, meinte er und stand auf.

„Was um alles in der Welt gibt es an so einem Tag zu feiern?“, fragte Brenda, während er schon auf dem Weg in die Küche war.

„Ich habe nicht die geringste Ahnung“, rief Richard von nebenan. „Denken wir uns etwas aus. Hast du ein neues Quiz?“

„Ja, ich hab ’ne ganz gute Frage“, antwortete Brenda und richtete sich auf dem Sofa auf.

Richard kam mit einer Flasche Rotwein und zwei Kristallgläsern zurück. Er schenkte ihnen ein und reichte Brenda eines herüber. „Auf uns!“ Er hob sein Glas. „Und auf unsere Freundschaft in guten wie in schlechten Tagen, wobei wir heute anscheinend einen schlechten erwischt haben.“ Er unterbrach sich. „He, warte mal! Vielleicht solltest du keinen Alkohol trinken, wenn du Antibiotika genommen hast.“

„Das steht zwar auch auf der Packungsbeilage, aber ein Glas Wein kann ja wohl nicht schaden. Wahrscheinlich tut es mir sogar ganz gut und hilft mir, mich ein wenig zu entspannen.“

„Okay. Aber ich werde deine Dosis im Auge behalten.“

Sie stießen an und tranken einen Schluck.

Richard setzte sich wieder zu Brenda. „Komm, sag mir deine Quizfrage“, forderte er sie auf und trank sein Glas leer. „Das wird mich aufheitern.“

„Dieser Wein ist wirklich sehr süffig“, bemerkte Brenda. „Die Medikamente haben mich richtig ausgedörrt.“

Richard schenkte sich nach. „Das Quiz, Miss Henderson!“

„Sofort, Mr MacAllister. Also, hör zu. Was ist das beste Mittel, um zu verhindern, dass Gummibänder porös werden – sie kochen, in Wasser legen oder im Kühlschrank aufbewahren?“

„Nicht schlecht.“ Richard nickte anerkennend. „Ich tippe auf … Wasser.“

„Falsch. Der Punkt geht an mich. Kühlschrank wäre die richtige Antwort gewesen. Dieser Wein ist wirklich köstlich. Der wärmt einen durch bis in die Zehenspitzen.“ Brenda leerte den Rest in ihrem Glas in einem Zug. Sie streifte die Socken ab und zog die Knie an. „Und was ist mit dir? Hast du mir eine neue Quizfrage aus Kansas City mitgebracht?“

Richard hob die Socken auf und legte sie zusammen. „Das habe ich, meine arme kranke Freundin.“

Brenda kuschelte sich an ihn, und er legte ihr den Arm um die Schultern. „Kann ich noch etwas Wein haben?“, fragte sie.

„Einen Schluck noch, aber mehr nicht. Denk an die Antibiotika.“

„Na gut, einen Schluck. Ich bin auch schon ganz entspannt.“ Richard goss ihr genau abgemessen das Glas ein Viertel voll. Dann lehnte er sich wieder zurück. „Also: Trommelwirbel …“

„Vergiss den Trommelwirbel und mach schon!“

„Okay. Wie viele Möglichkeiten gibt es, einen Dollar in kleinere Münzen zu wechseln? Bemüh dich nicht – es sind genau zweihundertdreiundneunzig.“ Nachdem er einen weiteren Schluck getrunken hatte, stellte er das Glas ab und gab Brenda einen flüchtigen Kuss auf die Nasenspitze. „Da bist du platt, was?“

„Ich gebe zu, das schlägt meine Gummibänder um Längen. Die Runde geht an dich. Du bekommst einen Preis.“ Damit beugte sie sich vor und küsste Richard auf die Wange.

„Danke.“ Er unterdrückte ein Gähnen. „Meine Güte, bin ich erledigt. Jeden Tag achtzehn Stunden Arbeit, weit weg von zu Hause. Und dann kommt man zurück und kriegt zur Begrüßung einen Tritt von Betty. Ein Hundeleben ist das.“

„Ihr Name war Beverly, nicht Betty.“

„Meinetwegen, dann eben Beverly.“ Richard stutzte. „Da sieht man mal wieder – aus den Augen, aus dem Sinn. Aber ein Hundeleben ist das trotzdem.“

„Nun werde bloß nicht trübsinnig“, konterte Brenda. „Du hast eben einen haushohen Sieg im Quiz errungen. Das ist viel wichtiger. Außerdem bekommt der Verlierer auch einen Preis.“

„Und der wäre?“

„Einen Kuss vom Gewinner.“ Brenda beugte sich vor, schloss die Augen und hielt ihm ihre gespitzten Lippen hin.

Mit einem lauten Schmatzer gab Richard ihr einen Kuss. Dann, nachdem er den Bruchteil einer Sekunde gezögert hatte, küsste er sie noch einmal, dieses Mal sanft und sehr gefühlvoll.

Brenda leistete keinen Widerstand, im Gegenteil. Sie schmolz bei dem Kuss förmlich dahin und öffnete die Lippen, um Richard zu erlauben, mit der Zunge in ihren Mund vorzudringen, was er auch sofort tat, ebenso wie sie seine Liebkosungen zärtlich erwiderte.

Brenda, was tust du? fragte sie sich halb benommen. Richard und sie küssten sich, aber nicht so, wie gute Freunde sich gelegentlich einen Kuss gaben und wie Richard und sie es schon häufig getan hatten. Das muss sofort aufhören, dachte sie, aber noch nicht jetzt gleich, später … irgendwann …

MacAllister, reiß dich zusammen, wies Richard sich an, das geht doch nicht. So küsst man nicht seinen besten Freund, seinen Kumpel, auch wenn das in deinem Fall eine Frau ist. Aber Brendas Lippen waren so süß, so weich; ihr Kuss war so voller Hingabe, dass sein Feuer der Leidenschaft schon entflammt war. Es war verrückt, aber es war überwältigend.

Als Brenda ihre Arme um seinen Nacken schlang, drückte Richard sie noch fester an sich. Ohne seine Lippen von ihren zu lösen, ließ er sich nach hinten in die Kissen sinken und zog Brenda mit sich, sodass sie nun auf ihm lag. Ein tiefes Stöhnen entrang sich seiner Kehle, denn durch die Bewegung war ihr das unförmige Kleid ein Stück von der Schulter gerutscht und er hatte ihre zarte Haut nun direkt vor seinen Augen.

Langsam drehte er sich auf die Seite, wobei sie beide fast vom Sofa gefallen wären, stützte sich auf den Ellbogen und bedeckte ihren Hals und ihre nackte Schulter mit schnellen kleinen Küssen.

Als er zu ihren Brüsten kam, hielt er inne und hob den Kopf: „Was trägst du eigentlich unter diesem Monstrum?“

„Nichts“, antwortete Brenda. „Ich kam gerade aus der Badewanne, als du an die Wand geklopft hast. Da habe ich mir das alte Ding schnell übergeworfen.“

Sofort beugte Richard sich wieder zu ihr hinunter und küsste sie erneut und mit einem solchen Verlangen, dass es ihr den Atem nahm. Ihr wurde heiß und heißer, kleine Schauer durchströmten sie; sie dachte an nichts mehr, konnte nur noch fühlen und auskosten, was sie spürte. Sie wollte nichts anderes als Richard, und zwar hier und jetzt. Ganz.

Und Richard wollte sie ebenso. Die Leidenschaft, die ihn gepackt hatte, machte es ihm leicht, die Stimmen in seinem Innern, die missbilligten, was er da tat, zum Schweigen zu bringen. Er war völlig erfüllt von dem Verlangen nach Brenda, die ein solches Feuer in ihm entfacht hatte, wie er es noch bei keiner anderen Frau erlebt hatte.

Sie fühlte sich so gut an, und sie duftete noch nach dem Schaumbad, das sie genommen hatte. Im Geist sah er die Bläschen aufsteigen; unzählige kleine Bläschen, die überall ihre feine zarte Haut umgaben und berührten, daran haften blieben und darüber hinwegglitten. Hingerissen von der Vorstellung, streifte er ihr die weiten Ärmel des Morgenmantels von den Schultern und entblößte ihren Oberkörper. Ihm war, als seien ihm all diese Bläschen, an die er dachte, zu Kopf gestiegen, während er die Knospen ihrer Brüste mit den Lippen streifte und mit der Zunge liebkoste, bis sie sich verhärteten und aufrichteten.

Sich weiter nach vorn beugend, bedeckte er die weiche Haut ihres flachen Bauchs mit Küssen, die so zahlreich sein sollten wie die Bläschen des Schaumbads. Dann wandte er sich wieder ihren Brüsten zu, schloss die Lippen um eine der köstlichen Knospen und saugte daran voller Genuss.

Brendas Finger fuhren in sein dichtes hellbraunes Haar. Ihr Atem beschleunigte sich. Wohin auch immer sie jetzt getragen wurde, es war ein Ort, an dem sie nie zuvor gewesen war. Auf jeden Fall hatte sie es nie zuvor so intensiv mit all ihren Sinnen erlebt. Bald hatte sie das Gefühl, das brennende Verlangen, das sie zu verzehren drohte, nicht länger auszuhalten.

„Richard, bitte“, flüsterte sie leise stöhnend, „ich will dich so sehr. Bitte!“

„Ich will dich auch, Brenda“, antwortete er, und seine Stimme klang, als käme sie von weit her, dass er sie selbst kaum wieder erkannte. „Aber …“

„Denk jetzt nicht nach, Richard, bitte. Wir brauchen jetzt an nichts zu denken.“

„Wirklich an nichts? Vielleicht sollten wir doch, bevor es zu spät ist.“

„An nichts“, versicherte sie. „Ich nehme die Pille. Mach dir keine Sorgen.“

Richard richtete sich auf und entledigte sich hastig seiner Sachen. Brenda beobachtete ihn genau dabei und betrachtete eingehend seinen gut gebauten Körper, obwohl sie ihn nicht zum ersten Mal sah. Schon oft waren Richard und sie gemeinsam Schwimmen gegangen oder hatten nach dem Squash zusammen geduscht. Aber das hier war etwas anderes. Das hier war nicht Richard, der Kumpel, ihr bester Freund, sondern Richard, der Mann. Und was für ein Mann! Sie sah ihn jetzt mit ganz anderen Augen.

Er hob sie auf seine Arme, wobei ihr Morgenmantel auf dem Sofa liegen blieb. Er küsste sie, und die Arme um seinen Nacken geschlungen, erwiderte sie seinen Kuss. Ohne sie abzusetzen, trug er sie in sein Schlafzimmer. Neben dem Bett ließ er sie herunter und schlug die Decke zurück. Sie legte sich in die Mitte des großen Betts, und Richard legte sich dicht neben sie.

Sie ist so schön, so anziehend, dachte er. Keine andere Frau als sie hatte ihm seine Männlichkeit jemals so bewusst gemacht. Dass Brenda eine hübsche und natürliche Frau war, hatte er schon bei ihrer ersten Begegnung festgestellt. Doch Brenda jetzt war noch weit mehr. Sie war sinnlich und betörend und sehr erregend. Schon als sie vor gut einem Jahr zur gleichen Zeit in die beiden nebeneinanderliegenden Wohnungen eingezogen waren, hatten sie sofort gewusst, dass ein glücklicher Zufall sie zusammengeführt hatte.

Brenda hatte sich bald als eine vergnügte, intelligente und fürsorgliche Nachbarin erwiesen. Ebenso bald hatten sie gemerkt, dass sie in mancher Hinsicht die totalen Gegensätze waren, was nichts daran geändert hatte, dass sie Freunde wurden. Immer war einer für den anderen da. Aber nie wäre es Richard eingefallen, dass Brendas Weiblichkeit so verlockend sein könnte. Eine Verlockung, die für ihn jetzt unwiderstehlich war.

Nicht nachdenken, dachten sie beide zur gleichen Zeit, während sie sich immer glühender küssten, sich mit Händen und Lippen gierig gegenseitig erkundeten, während ihr Atem immer schneller wurde und ihr Herz immer heftiger schlug, bis sie es vor Wollust und Leidenschaft kaum noch aushielten.

„Oh, Richard, bitte“, keuchte Brenda sehnsüchtig.

„Ja“, antwortete er mit vor Verlangen rauer Stimme.

Er schob sich über sie und drang in sie ein, und sie war vollkommen offen für ihn. Seine Bewegungen waren erst langsam und verhalten, bis Brenda sie aufnahm und das Tempo sich allmählich beschleunigte. Es war wie ein sinnlich-wilder Tanz, dessen Rhythmus sie trug und immer höher trieb, um sie dann mitzureißen. Sie erreichten gemeinsam den Gipfel und wurden einen unbeschreiblichen Moment lang in eine Welt fortgewirbelt, wo es weder Raum noch Zeit gab.

„Richard!“

„Oh, Brenda!“

Sie klammerten sich aneinander, während die letzten Wellen der abebbenden Ekstase sie überrollten. Langsam kehrten sie in die Wirklichkeit zurück.

Erschöpft, aber sehr befriedigt und mit einem Ausdruck tiefer Zufriedenheit im Gesicht ließ Richard sich auf Brendas ausgestreckten Körper sinken. Dann drehte er sich auf die Seite. Er hielt sie neben sich fest im Arm. Mit der anderen Hand langte er nach der Decke und breitete sie über sie beide.

Sie sprachen nicht. Sie verharrten in einem geradezu andächtigen Schweigen, während es ihnen zu Bewusstsein kam, dass sie eben etwas wirklich Einmaliges erlebt hatten. Sie hatten eine solche Intensität, eine solche Nähe und vollendete Harmonie miteinander erfahren, dass es ihnen vorkam, als sei das wirklich das erste Mal überhaupt in ihrem Leben gewesen.

Erst ganz allmählich kehrten ihre Gedanken wieder in die gewohnten Bahnen zurück, und nun machten Richard und Brenda sich klar, dass sie weiter gegangen waren, als gute Freunde gemeinhin miteinander gehen sollten.

„Nicht nachdenken“, murmelte Richard vor sich hin, und es klang wie eine Beschwörungsformel.

„Nein, nicht nachdenken“, bestätigte Brenda und war bemüht, den Anflug von Panik in ihrer Stimme zu unterdrücken.

Hand in Hand, die Köpfe auf demselben Kissen leicht aneinander gelehnt, fielen sie bald in einen erlösenden Schlaf, der sie für eine Weile von allem Nachdenken entband.

2. KAPITEL

Das Klingeln des Telefons, gefolgt vom leisen Fluchen einer tiefen Männerstimme ließen Brenda aus ihrem tiefen traumlosen Schlaf hochfahren. Mit einem Ruck setzte sie sich kerzengerade im Bett auf und riss die Augen auf. Sie sah, dass Richard die Füße aus dem Bett schwang und nach dem Telefon auf dem Nachttisch griff. Mit dem Rücken zu ihr blieb er auf der Bettkante sitzen.

„Hallo“, brummte er unfreundlich in den Hörer. „Ja, ich habe allerdings geschlafen … Nein, ist ja nun auch nicht mehr zu ändern. Was gibt’s denn? … Dafür brauche ich ein paar genauere Informationen.“

Brenda angelte sich die Bettdecke und bedeckte ihre Blöße. Sie ließ sich ins Kissen zurücksinken und zog die Decke bis unters Kinn, während ihre Gedanken in ihrem Kopf Achterbahn fuhren und ihr Blick auf Richards muskulösen nackten Rücken gerichtet war.

Gütiger Himmel, dachte sie, wie konnte das passieren? Sie hatte tatsächlich mit Richard geschlafen, mit ihrem Freund, ihrem besten Kumpel. Noch während sie sich das fragte, formten ihre Lippen ein verträumtes Lächeln. Sie blickte zur Zimmerdecke hinauf und gestattete ihren Gedanken einen Ausflug zurück in die vergangene Nacht und zu deren unglaublichen Geschehnissen.

Brenda war mit ihren sechsundzwanzig Jahren gewiss nicht mehr unerfahren. Aber eine Nacht wie diese hatte sie noch nie erlebt, und noch kein Mann hatte ihr so viel gegeben. Wie es zwischen ihr und Richard gewesen war, lag außerhalb jeder Norm; diese vollkommene Harmonie zwischen ihnen, diese noch nie zuvor erreichte Ekstase – das war etwas ganz Besonderes.

„Ja und? Gibt es denn niemand anderen, der das machen kann?“, drang Richards ungeduldige Stimme zu ihr. „Hören Sie, ich bin gerade eben aus Kansas City zurück. Ich habe noch nicht einmal meinen Koffer ausgepackt. Ich bin völlig erledigt. … Ja, natürlich … Was ist denn mit Jeff?“

Brenda unterbrach ihre Träumereien und wickelte die Decke fester um sich. Denk nach, ermahnte sie sich. Noch gestern Abend waren sie und Richard sich einig gewesen, dass sie nicht nachdenken sollten. Aber das war gestern gewesen, jetzt war der Morgen danach. Gleich würde Richard das Telefonat beendet haben und den Hörer auflegen. Bis dahin musste sie wissen, was sie sagen und wie sie sich verhalten sollte. Am liebsten würde sie sich ihren Morgenmantel schnappen und wortlos in ihre Wohnung verschwinden.

Reiß dich zusammen, Brenda Henderson! ermahnte sie sich im Stillen. Schließlich war sie eine erwachsene Frau, und was war denn schon groß passiert? Sie hatte mit einem Mann geschlafen, das war nichts, woraus man ein Drama machen musste. Nein, so war es nun auch nicht. Brenda schloss die Augen. Eine furchtbare Angst kroch in ihr hoch, die Angst, dass Richard und sie letzte Nacht ihre wertvolle einmalige Freundschaft aufs Spiel gesetzt hatten. Auf der anderen Seite gab es keinen Zweifel für sie, dass sie etwas einzigartig Schönes miteinander erlebt hatten. Daher weigerte sich ein Teil in ihr auch standhaft, zu bedauern, was geschehen war.

„Also schön“, erklärte Richard. „Wo hinterlegen Sie das Ticket? … Und einen späteren Flug gibt es nicht? Ich muss mich sonst ziemlich abhetzen … Okay, okay, meinetwegen. Wiedersehen.“ Richard legte auf. „Verdammter Mist!“

Kein Grund zur Panik, kein Grund zur Panik! hämmerte Brenda sich ein, während sich Richard langsam zu ihr umwandte.

„Hi, Brenda“, sagte er gleichmütig. Sein Gesicht war regungslos und verriet nicht, was er dachte.

„Oh, ich bin gar nicht da“, erwiderte Brenda so zaghaft, dass es wie ein Piepsen klang, und zog sich die Decke über den Kopf.

„Ich gleich auch nicht mehr“, meinte er seufzend und sank neben sie ins Bett zurück.

Brenda kam bis zur Nasenspitze wieder zum Vorschein und blinzelte in seine Richtung. „Wollen wir uns nicht lieber wie erwachsene Menschen benehmen?“, murmelte sie unter der Bettdecke.

Richard drehte sich auf die Seite und stützte den Kopf in die Hand. „Damit kannst du gleich anfangen. Sich die Decke über den Kopf ziehen ist das etwa nicht kindisch?“

Brenda seufzte und kam brav wieder unter der Bettdecke hervor. „Ich weiß nicht, was ich machen soll, wirklich nicht“, sagte sie kleinlaut. „Ich bin so durcheinander. Ich weiß nur, dass ich dich als Freund nicht verlieren möchte, Richard. Das würde mir das Herz brechen. Ich glaube, es war falsch, was wir gemacht haben. So etwas macht man einfach nicht unter Freunden. Andererseits war es wunderschön und anders als alles andere, aber wir durften das nicht tun. Ach, ich rede lauter Unsinn.“

„Nein“, erklärte Richard lebhaft, „das ist kein Unsinn. Du sprichst nur genau das aus, was ich auch gerade sagen wollte. Ich brauche dich, Brenda. Aber ich brauche dich als Freund, so wie es vor gestern Abend war, als ich nach Hause kam. Ich kann zwar nicht sagen, dass ich den gestrigen Abend bereue – es war nämlich wunderschön, um dein Wort zu gebrauchen –, aber es würde mir ewig leidtun, wenn das das Ende unserer Freundschaft bedeuten würde.“

Richard sah Brenda in die Augen. Wieder spürten sie beide, dass es zwischen ihnen knisterte und dass ihnen bedeutend wärmer wurde. So hatte es in der vergangenen Nacht auch angefangen.

Abrupt blickte Richard in eine andere Richtung. „Nein, es wird nicht wieder vorkommen“, sagte er. Den Blick starr auf die gegenüberliegende Wand gerichtet, verfiel er einen Augenblick in Schweigen. „Brenda“, begann er dann von Neuem, „du verstehst doch, was ich meine? Wir kennen uns jetzt schon ziemlich lange. Und wir wissen, wie verschieden wir sind. Eine Beziehung zwischen uns könnte doch niemals funktionieren, stimmt’s?“

„Ja“, antwortete sie, „das glaub ich auch nicht.“

„Natürlich war das eine fantastische Nacht mit uns beiden, die schönste Nacht, die ich je erlebt habe, und …“ Richard unterbrach sich. Ein träumerischer Ausdruck lag in seinen Augen. Dann räusperte er sich. „Lassen wir das. Das Wichtigste ist unsere Freundschaft, stimmt’s?“

„Ja“, gab Brenda ihm erneut recht.

„Ich glaube, das Beste wird sein, wir sprechen nicht mehr davon. Es war einzigartig, aber es gehört der Vergangenheit an. Wir reden nicht mehr darüber und erneuern stattdessen den Bund unserer Freundschaft. Was meinst du?“

„Nun ja“, erwiderte sie gedehnt, „klingt vernünftig. Also dann sprechen wir nicht mehr davon. Wir ignorieren es einfach – so schön es auch war, so leidenschaftlich, so unbeschreiblich …“

„Brenda, bitte!“, unterbrach Richard sie.

„Oh, Entschuldigung. Ich hab mich wohl etwas mitreißen lassen. Nein, ich weiß, was du meinst, Richard. Und du hast recht. Das mit dem Bund hab ich aber nicht ganz verstanden.“

„Das war nur sinnbildlich gesprochen. Wir sagen uns einfach, dass wir die besten Freunde sind und es immer bleiben werden.“

„Jawohl, verstanden“, antwortete Brenda jetzt mit Bestimmtheit. „Also, Richard MacAllister, du bist mein bester Freund und wirst es immer bleiben. Richard, ich bin dir wirklich dankbar, dass du das alles so geklärt hast. Ich hätte das nicht gekonnt.“

Richard nickte zufrieden: „Sehr gut. Brenda Henderson, ich erkläre hiermit, dass du mein bester Freund bist und es immer bleiben wirst. Beschlossen und verkündet.“

„Fein. Wärst du dann noch so nett, mir meinen Morgenmantel zu holen, damit ich nach drüben in meine Wohnung gehen kann?“

„Warum holst du es dir nicht selbst?“

Brenda sah ihn groß an. „Richard, wie stellst du dir das vor? Soll ich hier vielleicht nackt, wie ich bin, vor dir herstolzieren? Gehört sich das für beste Freunde?“

„Aber ich soll vor dir nackt herstolzieren?“ Richard lachte und schüttelte den Kopf. „Wir benehmen uns wirklich wie die Kinder.“ Er schlug die Decke beiseite und stieg aus dem Bett.

Brenda tat so, als hielte sie sich die Augen zu, spähte aber durch die Finger. „Meine Güte, nicht schlecht“, murmelte sie leise.

„Du guckst, Henderson“, rief er ihr über die Schulter zu.

„Stimmt ja gar nicht, MacAllister!“, rief sie ihm ins Wohnzimmer hinterher.

Wenige Augenblicke später landete das erbsengrüne Ungetüm vor ihr auf der Bettdecke. Sie schlüpfte hinein und vergewisserte sich, dass ihr Haustürschlüssel noch in der Tasche steckte. Währenddessen war Richard schon im Badezimmer verschwunden.

In der Schlafzimmertür drehte Brenda sich noch einmal um und warf einen sehnsüchtigen Blick auf das große Bett. Dann gab sie sich einen Ruck. Richard hatte völlig recht. Keiner von ihnen sollte ihre Freundschaft aufs Spiel setzen. Deshalb war es wohl wirklich das Beste, so schwer es auch fiel, aus ihrem Gedächtnis zu streichen, dass sie miteinander geschlafen hatten.

Mit einem Seufzer verließ sie Richards Wohnung. Aber schon als sie Momente später die Tür ihrer eigenen Wohnung hinter sich zuzog, wusste Brenda, dass es ein hoffnungsloses Unterfangen war, vergessen zu wollen, wie wundervoll sie sich geliebt hatten.

Eine Stunde später hatte Brenda geduscht, sich das Haar gewaschen und gefönt und Jeans und ein sportliches rotes Top angezogen. Sie setzte sich an ihren Küchentisch. Die nahezu erschöpften Vorräte im Haus und der fast leere Kühlschrank gaben für ein Frühstück nicht viel her. Es reichte zu einer Schüssel mit trockenen Cornflakes, einem Glas Orangensaft und einem Stück kalter Lasagne von gestern.

Ihre Infektion schien sie los zu sein. Die Antibiotika hatten offensichtlich angeschlagen und ihren Job getan. So betrachtet war sie wieder die Alte. Aber sie war nicht mehr die Alte. Brenda stützte den Kopf in die Hand und starrte ins Leere. Alles war anders geworden seit gestern, einem Gestern, das Ewigkeiten zurückzuliegen schien. Eigentlich war es ein trauriger Gedanke, dass das, was sich in der Nacht ereignet hatte, sich nicht wiederholen würde.

Sie konnte nun zwar von sich behaupten, wenigstens einmal im Leben erfahren zu haben, welche Hochgefühle zwischen Mann und Frau möglich waren. Aber was nützte ihr diese einmalige Erfahrung? Denn, und davon war sie fest überzeugt, es würde ihr nicht noch einmal möglich sein, sich einem Mann so rückhaltlos hinzugeben, wie sie es gestern bei Richard getan hatte.

„Oh, verdammt! Jetzt sitze ich hier und warte für den Rest meiner Tage darauf, dass es wieder so wird, wie es gewesen war – und das alles nur seinetwegen“, sagte sie laut zu sich selbst. Das war einfach nicht fair. Und dennoch …

Brenda stand auf und stellte die Schüssel und das Glas in die Spüle. Sie konnte nicht einfach Richard allein die Schuld geben. Was sie gestern getan hatten, hatten sie beide getan, und sie waren beide verantwortlich dafür und für das, was daraus folgte. Außerdem hatten sie eine Vereinbarung getroffen, wie sie künftig damit umgehen wollten.

Richard würde also fortfahren, seine Traumfrau zu suchen, mit der er Romantik pur erleben konnte. Und sie, Brenda? Sie würde sich weiterhin mit Cousins von Bekannten – Zahnärzte ausgenommen – verabreden, in der Hoffnung, sich doch noch einmal in einen von ihnen zu verlieben, der dann der Richtige wäre, mit dem sie dann glücklich werden könnte.

Brenda ging hinüber ins Wohnzimmer, setzte sich aufs Sofa und legte die nackten Füße auf den Couchtisch. Also blieb alles beim Alten. Richard ging seinen Weg und sie ihren. Zwischendurch würden sich ihre Wege bisweilen kreuzen, und sie würden sich wie beste Freunde begegnen, alles wie gehabt. Von ihrer gemeinsamen Nacht würde nicht mehr die Rede sein. Daran, dass Richard mit einer anderen Frau im Bett liegen würde, durfte sie überhaupt nicht denken. Nein, es war nicht wie gehabt. Warum sonst hatte sie das Gefühl, als müsste sie im nächsten Augenblick losheulen?

Aber das konnten auch nur die Auswirkungen der Infektion sein, die ihr noch in den Knochen steckte. Brenda berührte ihre Stirn. Das Fieber schien weg zu sein. Geschwächt von der Krankheit fühlte sie sich trotzdem noch. Außerdem stand ihr ein Sonntag bevor, den sie damit verbringen musste, die Wohnung sauber zu machen und mit der verhexten Waschmaschine im Keller zu kämpfen.

Es klingelte an der Tür. Sie ging hin und öffnete. Vor ihr, in Jeans, einem frisch gebügelten schwarzen Hemd und mit finsterer Miene, stand Richard. Brenda sah ihn erstaunt an.

„Das ist nicht fair“, sagte er, als er an ihr vorbei in die Wohnung stürmte. „Während ich unter der Dusche stand, hast du dich einfach aus dem Staub gemacht. Das gehört sich nicht am ‚Morgen danach‘, Miss Henderson.“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und war bereit, die Herausforderung anzunehmen. „Das mit dem ‚Morgen danach‘ hatte sich meines Wissens schon erledigt, Mr MacAllister“, entgegnete sie kampfeslustig. „Hatten wir uns nicht geeinigt, einen gewissen Punkt und alles, was damit zusammenhängt, auszulassen? Also, wenn du einen Grund für schlechte Laune brauchst, such dir einen anderen.“

Richard seufzte und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Tut mir leid. Du hast recht“, meinte er. „Ich bin wahrscheinlich nur sauer, weil ich in zwei Stunden nach Detroit fliegen muss.“

„Du musst schon wieder los?“, fragte Brenda und setzte sich aufs Sofa. „Stehen dir zwischen zwei Jobs nicht ein paar freie Tage zu, in denen du dich erholen kannst und dich um deine persönlichen Sachen kümmern kannst?“

„Normalerweise schon.“ Richard ließ sich in einen Sessel fallen. „Aber dies scheint wirklich ein Notfall zu sein, und dummerweise bin ich im Augenblick der Einzige, der verfügbar ist.“

„Und was ist mit der Hochzeit deiner Schwester?“, erkundigte Brenda sich. „Die ist am kommenden Wochenende. Das kannst du Kara nicht antun, nicht zu erscheinen. Und wer weiß, ob du in einer Woche mit dem Auftrag fertig wirst.“

„Wenn’s ganz hart kommt, muss ich für das Wochenende eben zurückkommen und anschließend wieder nach Detroit fliegen. Ich könnte sie natürlich auch fragen, ob sie die Hochzeit für mich um zwei Wochen verlegen können. Aber die haben sie ja schon zwei Mal aufgeschoben.“

„Kara und Andrew haben sich nun einmal in den Kopf gesetzt, in ihrem neuen Haus zu heiraten, und dass die Handwerker nicht rechtzeitig fertig geworden sind, dafür konnten sie nichts. Übrigens ist es noch nicht einmal sicher, ob diesmal alles klappt. Soweit ich weiß, ist der Teppichboden noch nicht geliefert worden.“

„Wir werden sehen. Ich rufe Kara jedenfalls aus Detroit an.“ Richard schwieg. Dann fuhr er zögernd fort: „Hast du schon jemanden, der dich begleitet, wenn du zu dieser Hochzeit gehst?“

Brenda schüttelte energisch den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Das ist eine Familienfeier. Ich empfinde es als große Ehre, dass ich dazu eingeladen bin. Da werde ich doch nicht irgendeinen wildfremden Mann anschleppen. Das würde mir nicht im Traum einfallen.“

Richard nickte zufrieden. „Hättest du denn etwas dagegen, wenn wir zusammen hingehen?“

„Warum sollte ich? Schließlich haben wir das Geschenk gemeinsam ausgesucht. Da können wir den Grill auch gemeinsam begleiten.“

„Fein! Dann ist es also abgemacht.“ Richard erhob sich aus dem Sessel. „Ich muss jetzt rüber und mich startklar machen. Übrigens, wie geht es dir? Was macht deine Infektion?“

„Ich bin drüber weg, glaube ich. Obwohl …“, Brenda lachte, „… wenn ich an die Hausarbeit heute denke, bekomme ich bestimmt noch einen Rückfall.“

„Immer noch besser als Detroit. Jetzt muss ich aber los“, sagte Richard, rührte sich aber nicht vom Fleck.

„Okay. Ich wünsche dir einen schönen Flug. Wir sehen uns, wenn du zurück bist.“

„Ja. Wiedersehen, Brenda.“ Immer noch stand er wie angewurzelt da.

Ihre Blicke trafen sich, und ihre Herzen schlugen schneller. Unwillkürlich machten Brenda und Richard einen Schritt aufeinander zu.

Richard hielt inne und räusperte sich. „Ja, tschüs denn“, sagte er, drehte sich um und ging zur Tür.

„Tschüs“, sagte Brenda leise. Da war die Tür aber schon ins Schloss gefallen.

Brenda spürte, dass ihr die Tränen kamen.

3. KAPITEL

„Nun, Brenda, das Ergebnis steht fest. Sie sind schwanger.“ Dr. Kara MacAllister legte ihre gefalteten Hände vor sich auf Brendas Akte und schaute aufmerksam über ihren Schreibtisch zu der Patientin, die ihr gegenübersaß. „Brenda, was ist?“

„Oh“, meinte Brenda geistesabwesend, „ich habe gar nicht richtig zugehört. Ich musste an diesen Witz denken, wo der Arzt seiner Patientin sagt: ‚Mrs Henderson, ich habe eine gute Nachricht für Sie.‘ Und die Patientin erklärte: ‚Ich bin Miss Henderson, nicht Mrs‘. Daraufhin sagt der Arzt: ‚Also, Miss Henderson, ich habe eine schlechte Nachricht für Sie.‘“

Brenda schaute Kara MacAllister an. Als sie keine Reaktion entdecken konnte, zuckte sie die Achseln. „Na ja, schon gut. Ich kann nun einmal keine Witze erzählen. Aber jetzt im Ernst. Gibt es eine Erklärung dafür, dass ich immer so müde bin und mir so häufig schlecht wird?“

„Ich sagte es bereits. Und das war kein Witz.“ Kara lehnte sich in ihrem Schreibtischsessel zurück. „Sie sind schwanger in der vierten Woche. Und was das Unwohlsein angeht, schätze ich, dass das die ganz normale morgendliche Übelkeit ist, die sich in Ihrem Fall ein bisschen länger über den Tag hinzieht.“

Brenda war sekundenlang sprachlos. „Wie bitte?“, hauchte sie dann. „Ich bin in der vierten Woche?“ Sie sprang auf. „Das ist ganz und gar ausgeschlossen. Da muss ein Fehler vorliegen. Sie müssen etwas verwechselt haben. Wahrscheinlich ist es die Aufregung, weil morgen Ihre Hochzeit ist. Das kann ich verstehen.“

„Brenda, bitte setzen Sie sich wieder. Es liegt kein Fehler vor, und ich habe auch nichts verwechselt.“

„Aber das ist doch unmöglich. Ich nehme die Pille. Da kann ich doch nicht …“ Brenda sank in den Stuhl zurück.

„Können Sie doch“, erklärte die Ärztin geduldig, „wenn Sie gleichzeitig Antibiotika einnehmen. Sie hatten mir doch vor einem Monat von Ihrer Infektion erzählt. Und wenn Sie etwas dagegen eingenommen haben, besteht die Möglichkeit, dass das Medikament die Wirkung der Antibabypille aufgehoben hat.“

Brenda sah Kara mit weit aufgerissenen Augen an. „Ich bekomme ein Baby?“

„So ist es“, bestätigte Kara, während sie aufstand, und ging um den Schreibtisch herum. Sie nahm sich einen zweiten Stuhl, setzte sich Brenda unmittelbar gegenüber und nahm deren Hände. „Sie müssen hier und jetzt keine Entscheidungen treffen. Lassen Sie sich Zeit damit. Verdauen Sie erst einmal die Neuigkeit, dann sehen wir weiter. Es findet sich ganz sicher für alles ein Weg. Vielleicht wollen Sie auch erst mit dem Vater des Kindes darüber sprechen.“

Der Vater des Kindes! Erst jetzt wurde es Brenda richtig klar, dass der Vater dieses Kindes nur Richard sein konnte, Richard MacAllister, der Mann, dessen Schwester, die morgen heiratete, jetzt hier vor ihr saß und ihre Hand hielt. „Ich glaub es einfach nicht“, sagte sie leise.

„Brenda, ich will Ihnen nicht zu nahe treten. Aber erlauben Sie mir die Frage, ob Sie wissen, wer der Vater ist?“

„Oh, natürlich weiß ich, wer der Vater ist, Kara. Es ist ja nicht so, dass die Männer vor meiner Schlafzimmertür Schlange stehen.“ Brenda seufzte. „Du meine Güte! Das hat mir gerade noch gefehlt! Eine Katastrophe …“

Kara hob die Hand und unterbrach sie. „Ist das wirklich eine Katastrophe?“

Brenda legte ihre Hände flach auf den Bauch. „Ein Baby“, sagte sie, und etwas von ehrfürchtigem Staunen lag in ihrer Stimme. „Ein richtiger kleiner Mensch, der da in mir lebt und wächst – jetzt, in diesem Augenblick. Ist das nicht unglaublich? Und ich werde das Baby zur Welt bringen. Ich kann es noch immer nicht fassen.“

Kara lächelte gerührt. „Erübrigt sich dann die Frage, ob Sie das Kind behalten wollen?“

„Ja, selbstverständlich“, versicherte Brenda eifrig, um dann im nächsten Moment fortzufahren: „Ich bin so verwirrt. Es ist ein so schöner Gedanke, ein Baby zu haben, aber ich habe auch eine Heidenangst. Am besten, Sie vergessen das alles, was ich hier erzähle, Kara. Ich bin nur durcheinander. Ich muss das erst verkraften.“

„Gemischte Gefühle zu haben, ist in Ihrer Situation völlig normal. Machen Sie sich deshalb keine Vorwürfe.“ Kara machte eine Pause. „Wollen wir noch mal auf den Vater zurückkommen?“

Brenda schüttelte den Kopf. „Nein, lieber nicht.“

„Fürchten Sie, dass er das Kind ablehnt?“

„Nein, das bestimmt nicht, aber …“ Brenda verflocht ihre Finger. „Das ist eine ziemlich komplizierte Angelegenheit. Ich möchte sie im Augenblick lieber nicht vertiefen, Kara.“

„Ist schon in Ordnung“, beruhigte Kara sie. „Aber schieben Sie es nicht zu lange auf, es ihm zu sagen. Und denken Sie daran, dass Sie jederzeit zu mir kommen können, wenn Sie darüber sprechen wollen.“ Sie nahm die Akte zur Hand. „Ihr Hausarzt ist in Urlaub, nicht wahr? Soll ich ihm das Untersuchungsergebnis zuschicken?“

„Das ist nicht nötig. Ich würde gern bei Ihnen bleiben. Das heißt, wenn Sie noch weitere Patienten aufnehmen. Immerhin stehen Sie ja auch vor einem neuen Lebensabschnitt. Bitte nehmen Sie mich trotzdem, wenigstens für die Zeit der Schwangerschaft.“

„Aber natürlich, kein Problem.“

„Wird der kleine Andy denn morgen bei der Hochzeit auch dabei sein?“, fragte Brenda.

„Na klar“, antwortete Kara mit einem Lächeln. „Wir haben ihm extra einen Anzug gekauft, in dem er ganz süß aussieht. Aber das Schönste wissen Sie noch nicht: Das Jugendamt hat alle Unterlagen fertig, und wir können Andy adoptieren, sobald wir verheiratet sind. Ist das nicht fabelhaft? So, und nun muss ich mich noch ein bisschen um die anderen Patienten im Wartezimmer kümmern. Lassen Sie sich vorn in der Anmeldung einen Termin in vier Wochen geben. Ich sage Bescheid, dass man Ihnen ein paar Informationsbroschüren mitgibt.“

Sie standen auf und Kara umarmte Brenda. „Herzlichen Glückwunsch! Ich sage das jetzt einfach, weil ich das Gefühl habe, dass Sie sich doch freuen. Wenn etwas ist, rufen Sie mich jederzeit an. Und denken Sie daran, was immer geschieht, Sie sind damit nicht allein. Die ganze MacAllister-Familie steht Ihnen bei.“

Brenda konnte ein nervöses Kichern nicht unterdrücken.

Kara ließ sie los und sah sie verwundert an. „Hab ich was Falsches gesagt?“, fragte sie.

„Nein, bestimmt nicht“, beeilte Brenda sich zu antworten. „Es tut mir leid. Das ist nur die ganze Aufregung. Vielen Dank für alles. Wir sehen uns ja morgen bei der Hochzeit. Richard wird wohl aus Detroit herfliegen müssen, um dabei zu sein.“

„Das sollte er besser tun, wenn er den nächsten Tag erleben will“, meinte Kara lachend. „Bis morgen dann.“

Das Wishing Well Reisebüro, das Brenda leitete, war ein gut gehendes Unternehmen, das einem Geschäftsmann gehörte, der die meiste Zeit in der Welt herumgondelte und so fast nie zu Hause war. Es lag in einem von Venturas schönsten Einkaufszentren.

Zu Brendas eigener Überraschung gelang es ihr ohne größere Schwierigkeiten, ihren Wagen durch den dichten Berufsverkehr von Karas Praxis sicher zurück zu ihrem angestammten Parkplatz zu lenken. Nicht, dass sie die Neuigkeit, die sie eben erfahren hatte, bereits verkraftet hätte. Die Nachricht, ein echter Knaller, wie Brenda sie inzwischen getauft hatte, war nur noch nicht vollständig in ihr Bewusstsein durchgedrungen.

Mit einiger Verspätung, aber dafür umso deutlicher wurde ihr dann klar, was eigentlich passiert war, als sie die klimatisierte Einkaufspassage betrat. Die Erkenntnis traf sie mit solcher Wucht, dass sie sich auf eine der Bänke neben einen Springbrunnen setzen musste, weil ihre Beine ihr den Dienst verweigerten.

Sie bekam ein Kind! Ein Kind von Richard, ihrem Hausgenossen, ihrem Kumpel Richard – Richard, ihrem besten Freund. Eine einzige Nacht, über die sie nicht mehr reden wollten, eine einmalige berauschende Nacht hatte genügt, um ihr ganzes Leben durcheinanderzubringen.

Ängstlich sah Brenda in die Gesichter der vorübereilenden Passanten, als erwartete sie, dass sie stehen blieben, um sie anzustarren. Für einen Moment hatte sie die Vorstellung, dass niemandem verborgen bleiben konnte, dass sie schwanger war. Aber natürlich war das Unsinn. Niemand blieb vor ihr stehen, niemand nahm die geringste Notiz von ihr. Trotzdem stand fest, dass sie ihr Geheimnis nur eine absehbare Zeit für sich behalten konnte. Dann würde man ihr in der Tat deutlich genug ansehen, was mit ihr los war.

Brenda seufzte. Sie fühlte sich müde und ausgelaugt. Am liebsten hätte sie sich für eine Weile auf der harten Bank zusammengerollt, die Augen geschlossen und der Welt den Rücken zugekehrt. Wie lange konnte oder sollte sie vor Richard geheim halten, dass sie ein Kind von ihm erwartete? Morgen auf Karas Hochzeit würden sie sich wiedersehen. Von Kara selbst würde niemand ein Wort erfahren, da war Brenda sich vollkommen sicher. Kara hatte es ihr versprochen und war außerdem viel zu professionell, um selbst im engsten Familienkreis etwas verlauten zu lassen.

Von Richard hatte sie überhaupt nichts mehr gehört, seitdem er vor vier Wochen Richtung Detroit entschwunden war. Diese vier Wochen hatte sie größtenteils mit vergeblichen Versuchen verbracht, ihre Gedanken von jenem unglaublichen Erlebnis mit Richard loszureißen. Dass sie diese Nacht niemals wirklich vergessen könnte, war ihr schnell klar geworden, und sie hatte sich das bescheidenere Ziel gesteckt, zu versuchen, wenigstens einen Tag lang nicht daran zu denken.

Aber das war nun alles müßig. Jetzt hieß es für sie, sich zu entscheiden, wie sie Richard gegenübertreten sollte. Sollte sie ihn gleich damit überfallen, und es auf diese Weise so schnell wie möglich hinter sich bringen? Sollte sie es ihm verheimlichen – solange, bis es schließlich nicht mehr zu übersehen war? Oder sollte sie auswandern?

Brenda gab sich einen Ruck. Es hatte keinen Sinn, hier noch weiter herumzusitzen. Sie hatte noch zwei Stunden zu arbeiten. Danach konnte sie nach Hause gehen und darauf warten, dass Richard an die Wand klopfte. Und wenn er klopfte, was dann? Nun, warum sollte sie die Dinge nicht einfach auf sich zukommen lassen? Sie würde ja sehen, was passierte, wenn Richard leibhaftig vor ihr stand.

Sie erhob sich und schüttelte den Kopf. Das war auch keine Lösung und nichts Halbes und nichts Ganzes.

Ihre rastlosen Gedanken wurden unterbrochen, als sie wenig später die Tür zum Reisebüro öffnete.

„Hi, Brenda“, begrüßte sie einer der Angestellten. „Haben Sie von Ihrem Doktor erfahren, was Sie wissen wollten?“

Brenda fuhr herum. „Wie bitte? Wer hat denn gesagt, dass ich etwas erfahren wollte?“

„Sie selbst. Sind Sie nicht zum Arzt gegangen, um zu erfahren, warum Sie sich in letzter Zeit so abgespannt fühlen?“

„Ja, natürlich, Kevin.“ Brenda hatte sich wieder unter Kontrolle. „Es ist nichts. Nur ein paar Nachwirkungen der Antibiotika, die ich neulich gegen meine Infektion genommen hatte. Danke der Nachfrage. Das geht von selbst wieder weg.“ In acht Monaten, nein, genau genommen in achtzehn Jahren, setzte sie in Gedanken hinzu. Ein Anruf auf dem Apparat ihres Kollegen erlöste sie von weiteren gut gemeinten Nachfragen.

„Hier ist die Wishing Well Reiseagentur. Mein Name ist Kevin. Was kann ich für Sie tun?“

Ich wünschte, jemand täte jetzt etwas für mich, dachte Brenda. Sie ging in ihr Büro und setzte sich hinter den Schreibtisch. Was Sie für die kommenden beiden Tage brauchte, war ein wohlüberlegter Plan. Brenda stützte den Kopf in die Hände und dachte nach. Da nicht abzusehen war, wie Richard auf ihre große Neuigkeit reagieren würde, ging sie ein ziemliches Risiko ein, wenn sie ihn sofort damit konfrontierte. Es blieb ihr ohnehin nur noch sehr wenig Zeit, um sich auf das große Familienfest vorzubereiten. Noch weniger Zeit blieb da für lange Erklärungen.

Außerdem waren alle in der Familie MacAllister aufgeweckt genug, um sofort zu merken, wenn zwischen Richard und ihr etwas nicht stimmte. Aus diesem Grund war es auf jeden Fall klüger, mit der sensationellen Ankündigung zu warten, bis die Hochzeit vorüber war, und zwar unabhängig davon, ob Richard anschließend gleich wieder nach Detroit fliegen musste oder nicht. Das hieß mit anderen Worten, sie konnte die Bombe erst platzen lassen, wenn sie von dem Fest wieder nach Hause zurückgekehrt waren. Was die weitere Entwicklung betraf, konnte sie nur hoffen, dass Richard tatsächlich wieder nach Detroit aufbrechen musste, sodass ihr die Chance blieb, in Ruhe mit sich selbst ins Reine zu kommen.

„Das ist es!“, rief sie erleichtert aus.

„Das ist es leider noch lange nicht“, kam eine Stimme von der Tür. Kevin streckte den Kopf durch die Tür. „Wir haben immer noch keine Unterkunft für die beiden Pitbulls von Mrs Gillispie. Und ihr Flug nach Europa geht nächste Woche.“

„Kein Hundehotel nimmt mehr Pitbulls“, entgegnete Brenda. „Wollen Sie die beiden Schätzchen nicht so lange bei sich aufnehmen?“

„Ich geh lieber, bevor Sie sich das ernsthaft überlegen“, meinte Kevin und verzog sich rasch wieder.

„Dann muss ich mir wohl etwas anderes einfallen lassen“, murmelte Brenda und griff zum Telefon.

Brenda betrat ihr Wohnzimmer, stellte die Einkaufstüten neben dem Sofa ab und legte ihre Handtasche auf den Couchtisch. Mit gerunzelter Stirn fixierte sie die gegenüberliegende Wand, als könnte sie auf diese Weise das erwartete Klopfsignal heraufbeschwören. Das hatte sie schon letzte Nacht ausgiebig getan und war darüber auf dem Sofa eingeschlafen. Jetzt blieb gerade noch eine Stunde, bis es Zeit war, sich für Karas Hochzeit fertig zu machen. Wo steckte Richard nur so lange?

Sie legte eine Hand auf ihren Bauch, weil sie sich wieder einmal so fühlte, als sei sie gerade Achterbahn gefahren. Diese Anfälle von Schwindel und Übelkeit, die sich nicht nur auf den Morgen beschränkten, waren die Hölle. Eine der Broschüren für werdende Mütter, die sie von Kara bekommen hatte, empfahl in solchen Fällen, ein paar Salzstangen zu essen. Aber sie hatte inzwischen schon so viele davon vertilgt, dass ihr schon bei dem bloßen Gedanken daran schlecht wurde.

Sie ließ sich auf dem Sofa nieder und strich den Rock ihres pastellgrünen Kleides glatt, das sie eigens für das bevorstehende Fest gekauft hatte. Erschöpft legte sie den Nacken auf die Rückenlehne. Ihr schwirrte der Kopf. Den einen Augenblick war sie außer sich vor Freude darüber, ein Kind zu bekommen; im nächsten bekam sie schreckliche Angst, wenn sie nur daran dachte, wie sie damit allein fertig werden sollte. Am meisten machte ihr jedoch zu schaffen, dass sie Richard die Neuigkeit noch beibringen musste.

Dennoch sollte nichts sie davon abbringen, diesen Tag, die Hochzeitsfeier und die Gesellschaft all der Menschen, an denen ihr so viel lag, zu genießen. Vielleicht würde sie es sogar schaffen, sich ein wenig abzulenken und für eine Weile einmal nicht an das Baby zu denken. Schon deshalb war sie fest entschlossen, Richard vorher nichts davon zu sagen.

Zunächst aber war die Frage, wo Richard überhaupt blieb. Wenn er sich nicht beeilte, würde er alles verpassen, angefangen mit der Hochzeit seiner Schwester. Gerade als Brenda sich das ausmalte, klopfte es drei Mal dumpf gegen die Wand. Erschrocken sprang sie auf, merkte im selben Moment, dass ihr Bauch gegen die heftige Bewegung rebellierte, unterdrückte aber das leichte Schwindelgefühl und eilte zur Wand, um Richard zu antworten.

„Jetzt heißt es, Ruhe bewahren“, sprach Brenda sich Mut zu.

Sie nahm die Tragetasche, die sie bereitgestellt hatte, vom Tisch, und schneller, als ihr lieb war, stand sie vor Richards Tür. Er öffnete auf ihr Klingeln, drehte sich aber gleich wieder um und ging in die Wohnung zurück.

„Komm rein“, rief er ihr über die Schulter zu. „Ich bin gerade dabei, mich umzuziehen.“ Damit war er auch schon im Schlafzimmer verschwunden.

Brenda trat ein und ging ins Wohnzimmer. Durch die halb offene Schlafzimmertür konnte Richard, der gerade dabei war, sich die Krawatte zu binden, sie im Spiegel sehen. Es entging ihm nicht, wie gut ihr das neue Kleid stand, dessen Farbe ihn an Pistazieneis erinnerte, und wie hübsch sie aussah, wenn sie ihr Haar offen trug, das ihr schön geschnittenes Gesicht umflutete und in weichen Wellen auf ihre Schultern fiel.

Hör auf damit, MacAllister, rief er sich zur Ordnung und konzentrierte sich darauf, einen perfekten Windsorknoten hinzubekommen. Der vergangene Monat war ihm verdammt lang vorgekommen. Immer wieder hatte er Brendas Bild vor Augen gehabt. Immer wieder waren seine Gedanken zu jener einzigartigen Nacht mit ihr zurückgekehrt. So verzweifelt er es auch versucht hatte, aber es war ihm ganz unmöglich gewesen, Brenda aus seinem Kopf zu verbannen.

Sei’s drum. Jetzt war er wieder zu Hause, nachdem er den ermüdenden Job in Detroit endlich hinter sich gebracht hatte. Jetzt würde er Brenda wieder jeden Tag sehen und sie, als die wahrnehmen können, die sie war: seine Nachbarin, sein guter Kumpel. Alle anderen Erinnerungen würden im Lauf der Zeit von selbst verblassen.

„Alles nur eine Frage der Einstellung“, sagte er zufrieden zu seinem Spiegelbild und ging hinüber ins Wohnzimmer.

Brenda stand neben dem Sofa und erwartete Richard.

„Warum machst du es dir nicht bequem?“, fragte er. „Wir haben noch Zeit, setz dich doch. Ich hole nur eben unser Hochzeitsgeschenk und bin gleich wieder da. Hast du übrigens deinen Badeanzug dabei? Wir wollen heute auch noch Karas und Andrews neuen Swimmingpool einweihen, wenn der offizielle Teil vorbei ist. Ich freu mich schon darauf. Das wird bestimmt eine lustige Party, meinst du nicht?“

Ohne ihre Antwort abzuwarten, war Richard schon wieder aus dem Zimmer gestürmt. Brenda atmete tief durch und ließ sich aufs Sofa sinken. Das Wiedersehen mit Richard war wie ein Schock für sie gewesen. Auch wenn er offenbar nichts davon gemerkt hatte, aber sie hatte ihn angestarrt, als würde sie ihn zum ersten Mal sehen. Und in gewisser Weise stimmte das ja sogar: Sie sah ihn zum ersten Mal als den Vater des Kindes, das sie erwartete, und ihre Gedanken überschlugen sich.

Richard kehrte mit einem riesigen, kunstvoll verpackten und mit silbernen Glöckchen und Tauben dekorierten Paket zurück, das er auf einem Stuhl absetzte.

„Donnerwetter, ist das schwer.“ Er keuchte. Dann warf er sich in seinen Lieblingssessel und wandte sich lächelnd an Brenda. „Tut mir leid, dass ich erst jetzt komme. Die Maschine hatte Verspätung, und in Denver war kein Anschluss zu bekommen. Aber jetzt bin ich ja da, geduscht, rasiert und herausgeputzt.“

Brenda sagte nichts. Er sah sie von der Seite an.

„Wie wär’s mit einer Quizfrage aus dem fernen Detroit?“, fuhr er nach einer kurzen Pause fort. „Bist du bereit, meine Brenda? Also, was gibt es mehr auf der Erde: Hühner oder Menschen? Na? Keine Ahnung, was? Hühner! Was sagst du dazu? Hast du auch etwas Neues für mich?“

„Ich bin schwanger, Richard. Von dir.“ Kaum hatte Brenda es ausgesprochen, schossen ihr die Tränen in die Augen.

4. KAPITEL

Durch ihren Tränenschleier hindurch starrte Brenda Richard an, und Richard starrte zurück. Sein Mienenspiel glich einer Großaufnahme aus der Stummfilmzeit. Ruckartig zeigte sein Gesicht die unterschiedlichsten Gefühlsregungen. Es wäre wert gewesen, filmisch festzuhalten, was sich da auf Richards Gesicht abspielte, aber Brenda hatte in diesem Augenblick keinen Sinn dafür.

Das Erste, was zu erkennen war, war ein mildes Lächeln, das zu besagen schien: Du kannst mich nicht verkohlen, Brenda, altes Haus. Es wurde gefolgt von einem ungläubigen Staunen, bei dem ihm buchstäblich der Mund offen stand. Dann machte er den Mund zu und schüttelte den Kopf, wobei seine Augen einen fragenden Ausdruck hatten, als bemühe er sich verzweifelt, den Sinn der Worte zu erfassen, die er gerade gehört hatte.

Schließlich verzog sich sein Mund – Brenda glaubte, ihren Augen nicht zu trauen – zu einem breiten Grinsen. Jetzt hat er den Verstand verloren, dachte sie für einen Moment.

„Hast du gerade gesagt“, fragte Richard gedehnt, aber nach wie vor von einem Ohr zum anderen grinsend, „dass wir ein Kind bekommen? Wir bekommen ein Baby!“ Der Jubel in seiner Stimme war nicht zu überhören.

„Richard, um Himmels willen!“ Brenda rang die Hände. „Jetzt krieg dich wieder ein. Begreifst du denn nicht? Ich, dein Kumpel Brenda, bekomme ein Kind von dir.“

Er stutzte. „Hattest du mir nicht erzählt, du nimmst die Pille?“

„Dass die versagt hat, liegt an den Antibiotika, die ich damals genommen hatte.“

„Das ist ja irre! Das schlägt alles!“ Seine Begeisterung war ungebremst.

„Richard, hör jetzt bitte auf zu grinsen, als wärst du nicht ganz bei Trost. Die Lage ist ernst. Wir beiden guten alten Freunde und Nachbarn bekommen ein Kind. Wahrscheinlich ist das alles zu viel für dich. Leg dich erst einmal hin und erhol dich. Ich fahr schon mal zu Karas Hochzeit. Du kannst ja später nachkommen.“ Brenda stand auf.

„Halt! Warte!“, rief Richard und war mit zwei Schritten bei ihr. Er nahm sie bei den Schultern. „Du musst nicht glauben, ich hätte irgendwie die Nerven verloren. Ich habe haargenau kapiert, was du gesagt hast. Ich gebe ja zu, im ersten Moment hat mich die Nachricht umgehauen.“

„Das wundert mich nicht“, bemerkte Brenda. „Stell dir vor, wie geschockt ich war, als ich es erfuhr.“ Sie wischte sich mit der Hand die Tränen aus dem Gesicht.

„Das glaub ich dir.“ Er griff in die Hosentasche und reichte ihr ein frisches Taschentuch.

„Danke“, sagte sie. „Ich muss dir noch das andere zurückgeben. Ich kann es im Augenblick bloß nicht finden.“

„Mach dir darüber keine Gedanken. Was mein ist, ist auch dein.“ Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände. „Aber wir brauchen doch jetzt nicht den Kopf zu verlieren. Du willst das Kind doch, oder?“

„Natürlich! Wie kannst du so etwas fragen, Richard?“

„Na also. Du willst es. Ich will es. Es tut mir nur leid, dass ich nicht da war, als du es erfahren hast. Aber es wird alles gut werden. Wir werden heiraten, und …“

Brenda riss die Augen auf und trat einen Schritt zurück. „Heiraten?“, fragte sie fassungslos. „Richard! Wir sind zwar die besten Freunde, aber wir lieben uns doch nicht. Hast du das vergessen? Wie sollen wir denn da heiraten?“

„Ich dachte, es geht um unseren kleinen Frosch“, erklärte Richard und deutete auf ihren Bauch. „Der braucht eine Mutter und einen Vater. Und die hat er – eine Mutter und einen Vater, die sich beide auf ihn freuen. Oder freust du dich nicht?“

„Selbstverständlich freue ich mich auf das Kind“, bekräftigte Brenda.

„Na also, dann ist doch alles bestens. Wir heiraten, und das Kind …“

„Richard, jetzt tritt mal auf die Bremse“, fiel Brenda ihm ins Wort. „Es geht doch nicht nur um das Kind, sondern auch um dich und mich. Ich kann doch keinen Mann heiraten, den ich nicht wirklich liebe. Und damit meine ich romantische Liebe, mit allem, was dazugehört. Als Freunde sind wir bestimmt ein unschlagbares Team. Aber wir passen in so vielen Dingen überhaupt nicht zusammen. Ich kann aber nur aus Liebe heiraten – und wenn ich genauso wiedergeliebt werde.“

„Oh“, sagte Richard nur, hielt sich mit der Hand den Nacken und sah auf seine Füße. Dann ließ er die Hand kraftlos fallen und hob den Blick. „Verdammt, Brenda, aber ich möchte am Leben meines Kindes teilhaben. Ich will nicht so ein Wochenend-Vater sein wie meine geschiedenen Freunde und Bekannten.“

„Das musst du doch auch nicht“, beruhigte sie ihn. „Wir leben doch Tür an Tür. Warum solltest du dein Kind nicht sehen können, wann immer du willst?“

„Aha! Und wie erklären wir dem Wurm diese merkwürdige Konstruktion, dass seine Eltern zwar Tür an Tür, aber in zwei verschiedenen Wohnungen hausen?“

Brenda seufzte vernehmlich. „Richard, ich bin gerade mal in der vierten Wochen schwanger. Bis unser Sohn oder unsere Tochter uns Fragen stellt, warum wir so und nicht anders zusammenleben, wird noch eine ganze Weile dauern. Eines nach dem anderen. Fürs Erste muss ich mich selbst an den Gedanken gewöhnen, dass ich ein Kind bekomme. Und zuallererst müssen wir uns jetzt auf den Weg zu Kara und Andrew machen, sonst kommen wir zu spät.“

„Vielleicht kann man mit dem Standesbeamten einen Gruppentarif vereinbaren? Zwei Trauungen zum Preis von einer oder so etwas Ähnliches?“

„Richard, wir heiraten nicht – nicht jetzt und nicht später. Schlag dir das aus dem Kopf“, erklärte Brenda mit allem Nachdruck.

Richard murmelte etwas vor sich hin und schob die Hände in die Hosentaschen.

„Eine Bitte hab ich noch, bevor wir gehen“, erklärte Brenda. „Kein Wort darüber, und zwar zu niemandem! Der Frosch und ich brauchen noch etwas Zeit für uns allein, um uns aneinander zu gewöhnen. Deine Schwester Kara weiß natürlich Bescheid. Sie hat mich ja untersucht. Aber dass sie nichts verrät, weiß ich hundertprozentig. Also, benimm dich so normal wie möglich. Deine Leute haben einen verdammt guten Riecher dafür, wenn etwas im Busch ist. Die merken sofort, wenn du verändert bist.“

„Natürlich bin ich verändert“, antwortete Richard und grinste schon wieder. „Ich bin bald Daddy.“

„Und ich bin verändert, weil mir fast jeden Morgen übel ist, und dieser Zustand hält den ganzen Tag an.“

Richard trat zu ihr und nahm sie in die Arme. Brenda wollte ihn zuerst abwehren. Aber dann gab sie ihren Widerstand auf und genoss den Augenblick, in dem sie seine Wärme und seine Stärke spüren und sich geborgen fühlen konnte.

„Du Arme. Es tut mit leid, dass es dir so schlecht geht“, sagte er, während sie den Kopf an seine breite Brust legte. „Hat Kara nichts, womit sie dir helfen kann?“

„Sie hat mir Salzstangen verordnet.“

„Dann halten wir unterwegs bei einer Tankstelle und kaufen welche“, meinte er entschlossen. „Zwanzig Tüten, wenn du willst.“

„Nein danke, Richard. Das hab ich auch schon probiert. Ich hoffe bloß, es stimmt, dass diese Übelkeit nur in der ersten Phase der Schwangerschaft so ausgeprägt ist. Und jetzt müssen wir los, sonst kommen wir wirklich zu spät.“

„Ja, es wird Zeit“, pflichtete Richard ihr bei, doch sie rührten sich nicht von der Stelle.

Aneinander geschmiegt hielten sie sich in den Armen. Jeder hing seinen Gedanken nach, die sich bei beiden um das Gleiche drehten: um das Baby und um die Nacht, in der es entstanden war. Und damit regte sich noch etwas anderes in ihnen, ein Verlangen, das keine Ruhe geben wollte, eine Sehnsucht, die sich nicht unterdrücken ließ; und es dauerte eine Weile, bis sie ihre Gefühle – zumindest vorerst – wieder unter Kontrolle hatten.

Brenda stieß einen tiefen Seufzer aus. Richard schob sie behutsam ein Stück von sich weg, und als er ihr einen freundschaftlichen Kuss auf die Stirn gab, hatte sie das sichere Gefühl, dass er viel lieber etwas anderes getan hätte.

„Wir müssen los“, meinte er.

Brenda nickte zustimmend.

„Aber vorher muss ich dir noch etwas sagen, Brenda“, fügte er hinzu, und seine Stimme klang eigenartig gepresst. „Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Es klingt sicherlich merkwürdig, aber ich danke dir, Brenda. Ich danke dir wirklich. Du machst mir das größte und schönste Geschenk, das ein Mensch mir überhaupt machen kann. Sicher war das nicht so geplant, aber … danke, Brenda.“

Brenda nickte nur stumm. Sie konnte jetzt nicht sprechen, denn sie hatte einen dicken Kloß in der Kehle.

„Hey, Brenda!“ Brenda wäre fast zusammengezuckt, als sie die Kinderstimme hörte. „Was ist? Kommst du gar nicht mit uns ins Wasser?“

Sie hob den Kopf vom Liegestuhl und öffnete die Augen. Vor ihr standen in regenbogenfarbenen Badeanzügen drei kleine Mädchen, die kaum voneinander zu unterscheiden waren. Es waren die sechsjährigen Drillinge von Forrest und Jillian.

„Hallo, ihr drei. Ihr seht ja süß aus in euren bunten Badeanzügen.“

„Und wo ist dein Badeanzug, Brenda?“, fragte eines der Mädchen.

„Den habe ich hier drunter an“, antwortete Brenda. „Aber ich bin so faul heute. Ich weiß gar nicht, ob ich in den Pool gehen möchte. Eigentlich möchte ich noch ein bisschen in der Sonne liegen.“ Die Wahrheit war, dass sie unsinnigerweise Angst hatte, jeder könnte sehen, dass sie schwanger war, wenn sie sich im Bikini zeigte.

„Brenda“, fragte eine aus dem Trio, „wie kommt es, dass du so geweint hast bei der Hochzeit? Bist du traurig, weil Kara und Andrew geheiratet haben?“

„Nein …“ Brenda unterbrach sich. „Wer von euch Dreien bist du? Ich kann euch einfach nicht auseinanderhalten.“

„Ich bin Jessica.“

„Nein, Jessica, ich war nicht traurig darüber, dass sie geheiratet haben. Aber wenn alles so schön und feierlich ist, muss ich immer ein bisschen weinen. Manchmal weint man auch, wenn man sich freut.“ Noch während sie das sagte, gestand Brenda sich ein, dass das höchstens die halbe Wahrheit war. Kara und Andrew hatten sich so verliebt angesehen, dass ihr tatsächlich schwer ums Herz geworden ist. Ach was, rief sie sich zur Ordnung, das sind nur diese verflixten Hormone. Wenn man schwanger ist, ist man wohl immer nah am Wasser gebaut.

„Du hast aber ganz schön doll geweint“, bemerkte Jessica naseweis.

„Nun, wie auch immer“, gab Brenda zurück und versuchte, so unbefangen wie möglich zu klingen, „wollt ihr jetzt nicht in den schönen neuen Swimmingpool gehen? Ich komme ganz bestimmt später nach.“

„Okay!“, riefen die drei Mädchen im Chor und liefen winkend davon.

Brenda schloss die Augen und sank in den Liegestuhl zurück. Richards spontane Reaktion auf ihre schockierende Nachricht war einfach großartig gewesen. Sie hatte seine Worte noch im Ohr. Natürlich war es nobel und sehr lieb von ihm, dass er sie sofort hatte heiraten wollen. Er war eben ein feiner Kerl. Aber selbstverständlich kam es überhaupt nicht infrage für sie, Richard MacAllister zu heiraten. Nachdem er sich von der Überraschung erholt haben würde, würde er das genauso sehen und ihr vermutlich dankbar sein, dass sie seine totale Verblüffung nicht ausgenutzt und ihn gleich beim Wort genommen hatte.

Nein, es kam überhaupt nicht infrage. Sie konnte sich nicht vorstellen, einen Mann zu heiraten, zu dem sie nur so etwas wie eine kumpelhafte Beziehung hatte. „Nur“ war in diesem Zusammenhang vielleicht nicht ganz fair. Immerhin konnte sie sich ein Leben ohne einen Freund wie Richard nicht mehr vorstellen. Aber das war eben Freundschaft und nicht Liebe – was ein gewaltiger Unterschied war. Und die Nacht, die sie miteinander verbracht hatten – mochte sie auch noch so schön gewesen sein – war passiert, weil es sich zufällig so ergeben hatte. Das allein konnte man nicht wirkliche Liebe nennen.

Brenda ärgerte sich über sich selbst, weil sie fast wieder zu weinen begann, während ihr all das durch den Kopf ging. Du liebe Zeit, dachte sie, das kann ja heiter werden in den nächsten acht Monaten.

„Na, mein kleiner Knallfrosch, wollen wir nicht zusammen in den Pool gehen?“

Brenda fuhr zusammen. „Richard, bist du verrückt“, flüsterte sie und sah sich ängstlich um. „Wenn nun jemand hört, was du sagst …“

„Und wenn schon.“ Richard, der sich neben sie gehockt hatte, grinste verschmitzt. „Der würde sich höchstens wundern, was für einen komischen Spitznamen ich mir für dich ausgedacht habe. ‚Knallfrosch‘, ‚mein Fröschchen‘, das gefällt mir gar nicht schlecht. Das ist so etwas wie ein Geheimcode, den nur wir beide kennen.“ Richard hielt inne und sah sie an. „Warum hast du dich denn noch nicht umgezogen? Willst du nicht ins Wasser?“

Brenda verschränkte die Arme vor der Brust und verzog das Gesicht. „Ich weiß es noch nicht. Ehrlich gesagt habe ich Angst, dass man mir etwas anmerkt. Du weißt schon.“ Sie seufzte verzweifelt. „Richard, ich möchte nach Hause, sobald das möglich ist, ohne unhöflich zu erscheinen. Ich glaube, ich brauche ein wenig Zeit für mich allein.“

„Kein Problem, Brenda. Wir können gehen, wann immer du willst.“ Er nahm ihre Hand und lächelte. „Du brauchst nur ein Wort zu sagen, und wir fahren los.“

„Nein, Richard, das möchte ich nicht. Du hast dich auf die Hochzeit gefreut. Du hast so viel auf dich genommen, um rechtzeitig hier zu sein. Ich werde sagen, ich hätte Kopfschmerzen, und dann nehme ich mir ein Taxi.“

„Kommt nicht infrage“, widersprach Richard. „Wir sind zusammen gekommen, da gehen wir auch zusammen. Außerdem hätte ich auch gar keine Ruhe, wenn ich wüsste, dass du allein zu Hause sitzt. Bestimmt wirst du da nur trübsinnig. Du hast bei der Trauung schon so geweint. Ich bring dich auf jeden Fall nach Hause.“

Brenda beugte sich zu ihm vor. „Nein, Richard, das musst du wirklich nicht tun. Außerdem sagte ich ja, ich will ein wenig für mich sein. Warum solltest du allein in deiner Wohnung herumsitzen und an die Decke starren, wenn du hier bei deiner Familie sein kannst?“

„Wir könnten uns doch zusammen bei dir ins Wohnzimmer setzen. Ich werde auch mucksmäuschenstill sein und irgendetwas lesen; du wirst mich überhaupt nicht bemerken. Aber ich könnte den Gedanken nicht ertragen, hier zu sein, während du dich in deiner Erbsenkutte in der Sofaecke verkriechst und leise vor dich hinweinst.“

„Oh, Richard.“ Brenda ließ sich wieder in den Liegestuhl fallen. „Du begreifst nicht, was ich mit ‚für mich sein‘ meine.“

„Was Frauen wirklich meinen, wenn sie sagen, sie wollen ‚für sich sein‘, wird uns Männern wohl immer verborgen bleiben“, bemerkte plötzlich eine Stimme hinter ihnen.

„Oh, Vetter Michael, unser Frauenkenner“, rief Richard.

„Spotte nicht“, entgegnete Michael MacAllister und hob scherzhaft mahnend einen Zeigefinger. „Vielleicht kannst du doch noch etwas von mir lernen.“ Er zog einen Stuhl heran und setzte sich zu ihnen.

Brenda blinzelte ihn erwartungsvoll mit einem Auge an. „Da bin ich aber gespannt“, meinte sie.

„Gut, also aufgepasst.“ Michael setzte eine bedeutungsvolle Miene auf. „Wenn eine Frau sagt, sie möchte allein sein, dann möchte sie wirklich allein sein.“

„Sehr scharfsinnig“, warf Brenda ein.

„Aber“, fuhr Michael fort, „das bedeutet keineswegs, dass der Mann jetzt beruhigt in die Kneipe oder zum Fußball gehen kann. Halt dich in Rufweite und sei bereit, jederzeit die gedanklichen Früchte des Alleinseins zu diskutieren. Bist du nicht zur Stelle, kannst du dich auf einigen Ärger gefasst machen.“

„Du liebe Zeit, Michael!“ Brenda lachte. „Wenn man Sie so hört, könnte man meinen, wir Frauen wären alle nicht ganz dicht.“

„Hab ich recht oder nicht?“, wollte Michael wissen.

Autor

Joan Elliott Pickart
Joan Elliott Pickart ist eine berühmte amerikanische Schriftstellerin, die seit 1984 über 100 Liebesromane veröffentlicht hat. Sie schreibt auch unter dem Pseudonym Robin Elliott. Joan Elliott Pickart ist Mitbegründerin der Autorenvereinigung Prescott, einem Mitglied der Romance Writers of America (RWA).
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