Berauscht von deinen heißen Küssen

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"Oh nein!" Johanna Fletcher ist entsetzt! Ausgerechnet sie soll Stone dabei helfen, ein neues Heim für die Hunde seiner Großmutter zu suchen - und das, obwohl sie dem sexy Cowboy am liebsten aus dem Weg gehen würde. Schließlich haben sie erst vor Kurzem ihre Verlobung gelöst. Noch immer verletzt, schwört Johanna, nie wieder auf Stones Charme hereinzufallen. Doch auf ihrer gemeinsamen Reise durch Texas beginnt es erneut heftig zu knistern. Zwischen prickelnden Küssen gesteht Stone, dass er Johanna noch immer begehrt. Wird sie schwach und riskiert zum zweiten Mal ihr Herz?


  • Erscheinungstag 19.04.2016
  • Bandnummer 1921
  • ISBN / Artikelnummer 9783733721596
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Meine Herren, geben Sie auf Ihre Kronjuwelen acht.“

Unbeeindruckt vom derben Spott seiner Großmutter, duckte sich Stone McNair tiefer im Sattel und wich so einem tief hängenden Zweig aus, bevor er mit seinem Pferd zum Sprung über den Bach ansetzte. Mariah McNair, die stolze und unkonventionelle Matriarchin einer riesigen Schmuckdynastie, führte die wilde Jagd zu Pferde an. Stone folgte ihr, sein Cousin Alex und seine Cousine Amie waren ihm dicht auf den Fersen.

Alex holte weiter auf. Sein Pferd galoppierte jetzt schon Kopf an Kopf mit Stones kräftigem Quarter Horse. Hufe wirbelten die Erde auf, Grasbrocken flogen durch die Luft und landeten im Bach. Geschickt wichen beide Pferde den Wurzeln einer Zypresse aus.

Stone genoss den rasanten Ritt und nahm gleichzeitig die Gerüche und Geräusche seiner Umgebung in sich auf. Er hörte, wie der Ledersattel unter ihm knarzte und wie der Wind durch die Kiefern pfiff. Der Duft nach Erde und Bergnelken hing in der Luft, eine Mischung, die auf ihn ebenso berauschend wirkte wie ein Schluck aus einer frisch geöffneten Flasche Whiskey.

Dieses Stück Land befand sich seit Generationen im Besitz der McNairs. Hier, etwas außerhalb von Fort Worth, hatte die Familie ihr Geschäft aufgebaut. Das Blut rauschte schneller durch Stones Adern, als er über das Land galoppierte, das zur Ranch gehörte. Die Liebe zu seiner texanischen Heimat hatte sich ihm seit frühester Kindheit eingeprägt – genauso unauslöschlich wie das Brandzeichen der Hidden Gem Ranch auf der Flanke seines Pferdes.

Gemeinsame Ausritte mit seiner Großmutter, seiner Cousine und seinem Cousin waren selten geworden. Dafür hielt sie alle ihr hektischer Arbeitsalltag zu sehr auf Trab. Stone war sich nicht sicher, warum seine Großmutter dieses kleine Treffen heute einberufen hatte. Aber es musste sich um etwas Wichtiges handeln, wenn sie es für wert befand, sie drei vom Familienunternehmen abzuziehen.

Seine Cousine Amie galoppierte jetzt direkt hinter ihm. Stone hörte ihr rauchiges, ausgelassenes Lachen.

„Na, wie geht es deinen Kronjuwelen?“, rief sie. Ohne eine Antwort abzuwarten, spornte Amie ihren Araberhengst weiter an. Ihr pechschwarzes Haar flatterte im Wind. Sie wirkte eher wie ein übermütiges Mädchen, nicht wie die dreißigjährige Frau, die sie in Wirklichkeit war.

Stone war mit Amie und Alex aufgewachsen. In ihrer Kindheit hatte seine Großmutter oft Ausritte mit ihnen unternommen. Stone verdankte ihr alles.

Vom ersten Tag seines Lebens an hatte sie für ihn gekämpft und dafür gesorgt, dass er die beste Fürsorge bekam, die man für Geld kaufen konnte. Und er hatte sie gebraucht, denn als Sohn einer cracksüchtigen Mutter war auch er süchtig zur Welt gekommen. Klaglos hatte seine Großmutter die Aufenthalte ihrer Tochter in zahllosen Entzugskliniken bezahlt, auch wenn Jades Versuche nie von Erfolg gekrönt waren. Jahr für Jahr war Mariah so beständig gewesen wie das Land, auf dem sie lebten.

Die Matriarchin hatte ihm, seiner Cousine und seinem Cousin jeweils eine bestimmte Rolle zugewiesen.

Während sich Alex um die Hidden Gem Ranch kümmerte, eine Ferienranch für die Reichen und Berühmten, leitete Stone das Schmuckimperium der Familie.

Diamonds in the Rough produzierte hochwertige Designerschmuckstücke im typischen Western-Stil. Das Sortiment reichte von Rodeo-Gürtelschnallen über die sogenannten Bolos, Schnürsenkel-Krawatten mit Cowboy-Flair, bis hin zu Aztekenschmuck. Ihr Angebot fand im ganzen Land reißenden Absatz.

Wenn alles nach Plan verlief, würde Stone mit Diamonds in the Rough in Kürze expandieren und Niederlassungen in London und Mailand eröffnen. Er hatte vor, die große Neuigkeit bei einem Wohltätigkeitsball in diesem Herbst zu verkünden. Amie – die Schmuckdesignerin der Familie – arbeitete bereits an den Entwürfen für die neue Saison.

Ja, langsam kam seine Welt wieder ins Lot. Nachdem ihn seine geplatzte Verlobung vor sieben Monaten ziemlich aus der Bahn geworfen hatte …

Aber er wollte jetzt nicht an Johanna denken. Am liebsten nie wieder. Leider war das nicht so einfach, denn Johanna arbeitete als Tierärztin für die Hidden Gem Ranch. Heute Morgen, als sie für den Ritt aufgesattelt hatten, hatte er sie noch nicht gesehen. Würde er ihr heute noch über den Weg laufen?

Der Gedanke war quälend – und zugleich aufregend.

Seine Großmutter ließ ihr Lieblingspferd, einen Palominohengst namens Goldie, in einen gemächlichen Trott verfallen. Langsam näherten sie sich dem Teich, an dem sie als Kinder oft gespielt hatten. Anscheinend war das Rennen vorbei. Vielleicht würde er ja nun erfahren, was seine Großmutter im Schilde führte.

Stone tätschelte seinem Pferd Copper den Hals. „Also, Grandma, würdest du uns jetzt freundlicherweise den Grund für dieses Familientreffen verraten?“

Sein Cousin und seine Cousine brachten ihre Pferde rechts und links neben Mariah zum Stehen.

Seine Großmutter nickte. Mit ihrem grauen, geflochtenen Zopf und ihrer aufrechten Haltung war sie noch immer eine eindrucksvolle Erscheinung. „Die Zeit ist gekommen, um zu entscheiden, wer die Leitung des Familiengeschäfts übernehmen soll.“

Unwillkürlich umklammerte Stone den Sattelknauf fester. „Du ziehst doch nicht ernsthaft in Erwägung, dich zur Ruhe zu setzen?“

„Nein, mein Lieber …“

Seine Großmutter zögerte, dann sog sie tief den Atem ein. Stone fiel auf, dass ihre Hände zitterten. Das war sonderbar, denn normalerweise verfügte seine Großmutter über eine eiserne Entschlossenheit und war durch nichts zu erschüttern.

„Die Ärzte haben mir gesagt, es sei an der Zeit, meine Angelegenheiten zu ordnen.“

Ihre Worte trafen ihn wie ein Schlag in die Magengrube. Ungefähr so hatte es sich angefühlt, als er das erste Mal vom Pferd gefallen war. Auch jetzt verschlug es ihm den Atem. Er konnte sich eine Welt ohne Mariah McNair einfach nicht vorstellen.

Amie streckte zögerlich die Hand aus und strich ihrer Großmutter über den Arm. Solange sie alle auf ihren Pferden saßen, war mehr Körperkontakt nicht möglich. Und seine Großmutter machte keine Anstalten, abzusteigen. Wahrscheinlich hatte sie absichtlich diesen Zeitpunkt gewählt, um ihnen die furchtbare Nachricht beizubringen.

„Was genau haben die Ärzte gesagt, Grandma?“, fragte Alex.

Er legte ihr die Hand auf die Schulter. Es war rührend zu sehen, wie er und seine Schwester die zierliche alte Frau schützend in die Mitte genommen hatten. Als wären sie ihre persönlichen Leibwächter.

Amie und Alex – ihre Taufnamen lauteten Amethyst und Alexandrit – waren im Gegensatz zu Stone recht behütet aufgewachsen. Sie hatten Eltern gehabt, die sich um sie kümmerten, und ein richtiges Zuhause.

Als Kind hatte Stone immer heimlich davon geträumt, zu ihrer Familie zu gehören – der große Bruder der Zwillinge zu sein, nicht bloß ihr Cousin. Einmal hatte er ein Telefongespräch belauscht, bei dem Mariah seiner Tante genau das vorgeschlagen hatte. Aber die hatte nichts davon wissen wollen. Bei all den Misswahlen, an denen Amie teilnahm, sowie Alex’ Rodeo-Wettkämpfen könne sie sich unmöglich noch um ein weiteres Kind kümmern, hatte sie gesagt.

Damals war Stone schlagartig bewusst geworden, dass seine Familie ihn zwar liebte, aber dass ihn niemand wirklich haben wollte. Doch letztlich hatte sich seine Großmutter nicht aus der Verantwortung gestohlen. Dafür liebte und respektierte er sie.

Mariah tätschelte jedem der Zwillinge die Wange und lächelte Stone traurig an. „Ich habe einen Hirntumor. Unglücklicherweise lässt er sich nicht operieren.“

Stone schnürte es die Kehle zu. Auch Amie schnappte nach Luft. Sie blinzelte ein paarmal schnell hintereinander, konnte aber nicht verhindern, dass ihr eine Träne über die Wange lief.

Mariah schüttelte unwirsch den Kopf. „Lasst mich mit diesem gefühlsduseligen Quatsch in Ruhe. Das kann ich jetzt nicht gebrauchen. Die Ärzte hoffen, mit der Behandlung die Größe des Tumors reduzieren zu können. Das könnte mir Jahre schenken statt Monate.“

Monate?

Es verschlug Stone die Sprache. Er hatte von anderen Leuten oft zu hören bekommen, dass er der geborene Verführer sei, charmant und attraktiv, aber mit einem Herzen aus Stein. Doch dieses angeblich so steinerne Herz krampfte sich jetzt zusammen.

Mariah zuckte die Achseln. „Selbst wenn die Behandlung anschlägt, kann es sein, dass der Tumor meine Urteilsfähigkeit beeinträchtigt. Ich will nicht alles, wofür ich mein Leben lang gearbeitet habe, aufs Spiel setzen, indem ich die Entscheidung hinauszögere. Ich muss jetzt klären, was aus Diamonds in the Rough und der Hidden Gem Ranch werden soll.“

Das Familienunternehmen bedeutete ihr alles. Ihnen ging es genauso. Bis zu diesem Zeitpunkt war es Stone nie in den Sinn gekommen, dass sich an der Rollenverteilung, die sich ihre Großmutter als Hauptanteilseignerin für sie ausgedacht hatte, etwas ändern könnte.

„Und wie lautet deine Entscheidung?“, platzte Amie heraus, die sich wie gewöhnlich nicht zurückhalten konnte.

„Ich weiß es noch nicht“, gestand Mariah. „Aber ich habe einen Plan. Deswegen habe ich euch alle zu diesem Ausritt eingeladen.“

Alex, der sonst eher zurückhaltend war, runzelte die Stirn. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich dich richtig verstehe.“

„Ihr werdet alle etwas für mich tun müssen.“ Mariah beugte sich vor und stützte sich auf dem Sattelknauf ab. „Um mir zu zeigen, wer das Zeug dazu hat, die Leitung des Geschäfts zu übernehmen.“

„Du willst uns einer Prüfung unterziehen.“ Ein sanfter Vorwurf schwang in Amies Stimme mit.

„Nenn es, wie du willst.“ Mariah klang entschlossen. „Aber so, wie die Dinge im Augenblick stehen, habe ich bei keinem von euch ein gutes Gefühl, was die Nachfolge angeht.“

Ihre Worte trafen Stone wie eine Ohrfeige. Wie immer in solchen Momenten verspürte er das Bedürfnis, das Ruder an sich zu reißen. „Was soll ich für dich tun?“

„Du sollst ein neues Zuhause für meine vier Hunde finden“, antwortete Mariah.

Ein leises Plätschern am Teich war das einzige Geräusch, das die verblüffte Stille unterbrach. Wahrscheinlich ein Fisch, dachte Stone abwesend.

„Du machst Witze, stimmt’s?“, fragte er schließlich.

„Es war mir noch nie in meinem Leben so ernst“, entgegnete Mariah. „Meine Hunde sind mir sehr wichtig, das weißt du. Sie gehören praktisch zur Familie.“

„Diese Prüfung kommt mir nur so … seltsam war.“ Konnte es sein, dass der Tumor die Denkfähigkeit seiner Großmutter bereits beeinträchtigte?

Diese schüttelte langsam den Kopf. Sie wirkte enttäuscht. „Allein die Tatsache, dass du meine Bitte nicht ernst nimmst, zeigt mir, wie berechtigt meine Bedenken sind. Du musst mir beweisen, dass du ein gutes Herz hast. Denn genau das braucht man, um dieses Unternehmen zu führen.“

Sie sah ihn aus ihren klaren blauen Augen herausfordernd an. Er hielt ihrem Blick stand. Dann stieß sie ihrem Pferd die Fersen in die Flanken und ritt wieder an.

Nachdem Stone seine Benommenheit abgeschüttelt hatte, folgte er ihr. Amie und Alex ritten dicht hinter ihm. Auf dem Weg nach Hause kamen sie an den Blockhütten der Urlauber vorbei, die das ganze Jahr über vermietet wurden.

Nach Hause.

Das Zuhause der McNairs war ein im Landhausstil gehaltenes Farmhaus, das über zwei Seitenflügel verfügte. In einem Flügel wohnte die Familie, in dem anderen befanden sich die Zimmer für die Touristen. Unter Alex’ Führung hatte sich die Gästeunterkunft von einem kleinen Bed and Breakfast zu einer großen Ferienranch mit allem denkbaren Komfort entwickelt. Die Gäste konnten ausreiten, den Wellnessbereich genießen, fischen gehen oder Abenteuerausflüge unternehmen. Im Saloon fanden sogar Pokerspiele statt. Außerdem richteten sie auf Wunsch auch private Feiern aus.

Im Geschenkeshop gab es Schmuckstücke aus dem Sortiment der McNairs zu kaufen, auch wenn die Auswahl im Vergleich zu ihrem Hauptgeschäft in Fort Worth eher bescheiden war.

Stone runzelte die Stirn. Alex war ein cleverer Geschäftsmann. Wollte seine Großmutter etwa ihm die Nachfolge übertragen?

Vielleicht hatte sie ja auch jemand ganz anderes im Sinn. Einen Fremden. Ein furchtbarer Gedanke. Stone fühlte sich plötzlich völlig überfordert und wie gelähmt. Er konnte sich ein Leben ohne seine Großmutter einfach nicht vorstellen. Weder in einem Monat noch in einem Jahr.

In jedem Fall konnte er ihr jetzt keine Bitte abschlagen.

Stone spornte sein Pferd an. Kurz bevor seine Großmutter den Pferdestall erreicht hatte, holte er sie ein.

„Okay, Grandma, in Ordnung“, sagte er. „Ich mache es. Ich treibe Leute auf, die sich um, äh …“ Verdammt, wie zum Teufel hießen diese Köter noch mal? Stone setzte neu an: „Die sich um deine Hunde kümmern.“

„Es sind vier, falls du das auch vergessen haben solltest“, gab Mariah bissig zurück.

„Die strubbelige Kleine heißt Dorothy, richtig?“

Mariah schnaubte lauter als ihr Pferd. „Knapp daneben. Pearl. Der blonde Labrador heißt Gem. Ein Freund hat ihn mir geschenkt. Ruby, meine liebe Rottweilerhündin, habe ich aus dem Tierheim adoptiert. Und mein süßer kleiner Chihuahua heißt Sterling.“

Chi-was? Ach ja, Stone erinnerte sich: Sterling war ein Mischling, halb Chihuahua, halb Dachshund. „Was ist mit den beiden Katzen?“

Stone war zufrieden mit sich. Immerhin hatte er sich gemerkt, dass es zwei waren.

„Die nimmt Amie bei sich auf.“

Natürlich, Amie hatte es schon immer verstanden, sich lieb Kind zu machen.

„Dann kümmere ich mich um die Hunde.“ Wie viel Arbeit konnten vier Hunde schon machen? Er musste sich ja nicht allein um sie kümmern. Er konnte sich einen Hundesitter besorgen.

„Ich sagte, ich will, dass meine Hunde ein gutes Zuhause bekommen.“

Stone zuckte zusammen. „Ich verstehe.“

„Außerdem möchte ich, dass ihr neues Zuhause von einer Expertin abgesegnet wird“, fuhr Mariah fort und lenkte ihr Pferd zu den Pferdeställen.

„Eine Expertin?“ Stones Nackenhaare sträubten sich. Ihm schwante Böses.

Und wirklich – durch den Mittelgang im großen Pferdestall kam Johanna auf sie zu. Mit ihrer schlanken Figur und ihren langen Beinen hätte sie problemlos in jeder Jeanswerbung auftreten können. Sie trug das Haar zu einem französischen Knoten hochgesteckt, damit ihre blonden Locken ihr bei der Arbeit nicht im Weg waren. Unwillkürlich kribbelte es Stone in den Fingern.

Was er nicht darum geben würde, ihr Haar zu lösen. Noch einmal mit ihr zu schlafen …

„Ist sie deine Expertin?“, vergewisserte er sich.

„Ja“, erwiderte Mariah knapp. „Alle Adoptionen müssen von unserer Tierärztin Johanna Fletcher abgesegnet werden.“

Er sah, wie Johanna langsam auf sie zukam, während sie von Box zu Box ging und sich vergewisserte, dass es den Pferden gut ging. Ihr Gesicht nahm einen verschlossenen Ausdruck an, als sie ihn entdeckte. Früher hatte sie ihn immer mit einem strahlenden Lächeln begrüßt. Aber damals war sie ja auch noch seine Verlobte gewesen.

Vor sieben Monaten hatte sie ihn eiskalt abserviert. Und das ausgerechnet bei einem Wohltätigkeitsball – vor all seinen Freunden.

Stone McNair, der leitende Geschäftsführer im Businessanzug, der mit eiserner Hand jeden Sitzungssaal regierte, war beeindruckend. Aber Stone McNair, der Cowboy-Casanova, war einfach unwiderstehlich. Zumindest für Johanna.

Sie blieb vor einer Pferdebox stehen und musterte Stone verstohlen aus den Augenwinkeln. Warum musste er nur so verdammt attraktiv sein?

Sie stieß die Boxentür auf und hörte mit übertriebener Sorgfalt das Herz des Pferdes ab. Der Palomino war zwar kerngesund, aber sie wollte nicht, dass jemand dachte, sie hätte noch irgendein Interesse an Stone. Jeder von Fort Worth bis Del Rio kannte ihre Geschichte. Sie musste die Gerüchteküche nicht noch zusätzlich anheizen, indem sie jedes Mal fast ihn Ohnmacht fiel, wenn Stone den Stall betrat.

Auch wenn er in seinen hautengen Jeans wirklich verdammt heiß aussah.

Stone schwang ein Bein über den Sattel und sprang vom Pferd. Trotz der Entfernung meinte sie zu spüren, wie der Boden vom Aufprall seiner Stiefel vibrierte. Seine Gürtelschnalle blitzte in der Sonne – ein typisches Stück aus der Kollektion von Diamonds in the Rough.

Alle McNairs waren attraktiv und charismatisch, aber Stone sah einfach unverschämt gut aus. Mit seinem pechschwarzen Haar und den eisblauen Augen hätte man ihn für einen Filmstar halten können. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Er trug einen Stetson – er liebte diesen typisch texanischen Cowboyhut.

Schon als junges Mädchen hatte Johanna für Stone geschwärmt. Und als Frau war sie ihm verfallen – wie so viele andere.

Doch damit war jetzt Schluss.

Johanna ging zur nächsten Box, die ein bei den Urlaubern sehr beliebtes Quarter Horse namens Topaz beherbergte. Du musst dich jetzt auf deine Arbeit konzentrieren, ermahnte sie sich. Schließlich konnte sie sich glücklich schätzen, immer noch eine Arbeit zu haben – trotz der Szene, die sie Stone bei der Trennung gemacht hatte. Das hatte sie mit Sicherheit Mrs. McNair zu verdanken. Johanna war der Matriarchin dankbar, dass sie weiterhin in einem der besten Pferdeställe des Landes arbeiten durfte.

Ihre Karriere stand jetzt für sie an erster Stelle. Schließlich hatten ihre Eltern die Ersparnisse ihres ganzen Lebens geopfert, damit ihre Tochter die besten Schulen besuchen konnte. Der Job ihres Vaters hatte ihr Zutritt zu der schillernden Welt der McNairs verschafft – zu Stones Welt; auch wenn ihre Liebe am Ende nicht stark genug gewesen war. Johanna vermisste ihre Eltern sehr – sie waren vor einigen Jahren bei einem Brand in ihrer Wohnwagensiedlung ums Leben gekommen.

Sie hörte das Klappern von Hufen, als Stallburschen die Pferde von Stone und Mariah wegführten. Johanna wunderte sich. Die McNairs ließen es sich normalerweise nicht nehmen, ihre Pferde selbst abzusatteln. Stattdessen kamen Mariah und Stone nun direkt auf sie zu. Ein Kribbeln lief Johanna den Rücken herunter.

Nur scheinbar lässig hängte sie sich ihr Stethoskop um den Hals, während ihr Herz wie wild pochte. Der Duft nach Heu und Leder stach ihr auf einmal fast unangenehm in der Nase.

Nervös strich sie dem Quarter Horse über die samtigen Nüstern. Dann fasste sie sich ein Herz, verließ die Box und trat Stone und Mariah entgegen. „Hallo, Mrs. McNair …“ Johanna schluckte. „Hallo, Stone.“

Mariah McNair lächelte sie an. Doch Stones Blick blieb finster. Er war noch immer wütend auf sie. Doch sie las noch etwas anderes in seinen Augen …

War es Trauer? Es ärgerte sie, wie gut sie ihn immer noch kannte.

Mariah streckte ihr die Hand hin. „Komm, meine Liebe, lass uns ins Büro gehen. Dort können wir ungestört plaudern.“

Kam Stone etwa auch mit? Anscheinend. „Natürlich“, erwiderte Johanna schnell.

Mit jedem Schritt, den sie sich dem Büro näherten, wurde ihre Verwirrung größer. Die Mitarbeiter der Hidden Gem Ranch warfen ihnen ebenfalls neugierige Blicke zu. Sie kamen an Alex und Amie vorbei, die ihre Pferde absattelten. In ihren Gesichtern sah Johanna denselben verstörten Ausdruck, der ihr schon bei Stone aufgefallen war.

Es war beunruhigend. Unwillkürlich beschleunigte Johanna ihre Schritte. Sie war mit diesen Menschen aufgewachsen. Und obwohl sie selbst nicht aus einer wohlhabenden Familie stammte, hatte sie sich stets willkommen und geborgen gefühlt.

Jeder Winkel hier steckte voller Erinnerungen.

Rechts und links des Ganges prangten auf eigens angefertigten Böcken glänzende Sättel. Es waren handgefertigte Einzelstücke, wahre Kunstwerke – so wie alles, was die McNairs herstellten. Das Leder war mit aufwendigen Prägungen verziert – mit Rosen, Efeu und ländlichen Motiven. Manche Sättel hatten kunstvoll gearbeitete Knäufe aus Silber oder Messing, auf die jeder Cowboy stolz gewesen wäre.

Johanna konnte sich nicht vorstellen, je woanders zu arbeiten. Dieser Ort war mehr als ein Arbeitsplatz für sie, er war ihr Zuhause.

Stone hielt ihr die Tür zum Büro auf. Johanna spürte seinen warmen Atem im Nacken. Unwillkürlich musste sie daran denken, wie sich seine Haut angefühlt hatte, wenn sie an heißen Sommertagen im Wald miteinander geschlafen hatten.

Sie wandte sich um, und einen elektrisierenden Moment lang trafen sich ihre Blicke. Die Luft war so aufgeladen, dass sie zu knistern schien. Mühsam zwang sich Johanna, vorwärtszugehen.

Im Büro mit den holzgetäfelten Wänden standen mit rotem Leder bezogene Stühle, ein Sofa und ein schwerer Eichenholzschreibtisch. Gerahmte Drucke von der Ranch in verschiedenen Stadien der Entwicklung zierten die Wände. Über dem Kamin hing ein Porträt von Mariah und ihrem Ehemann, das an ihrem fünfundzwanzigsten Hochzeitstag aufgenommen worden war. Kurz darauf war Jasper an einem Herzinfarkt gestorben.

Mariah strich mit den Fingern gedankenverloren über den geschnitzten Rahmen, bevor sie sich mit einem leisen Seufzer in einen breiten Ledersessel sinken ließ. „Bitte, nimm Platz, Johanna. Stone? Bring uns ein Glas Wasser.“

Johanna kauerte sich auf den Rand eines Stuhls und sah die ältere Frau fragend an. „Mrs. McNair? Gibt es ein Problem?“

„Ich fürchte, ja. Deswegen brauche ich deine Hilfe.“

„Was kann ich tun?“

Mariah nahm ein Glas mit sprudelndem Mineralwasser von ihrem Enkel entgegen. Nachdem sie einen großen Schluck genommen hatte, setzte sie das Glas ab. „Ich habe gesundheitliche Probleme. Bevor ich mich in Behandlung begebe, möchte ich sicherstellen, dass die wichtigen Dinge in meinem Leben geregelt sind.“

„Was für gesundheitliche Probleme?“ Furcht packte Johannas Herz mit eisigen Klauen. Durfte sie nachfragen, oder war das zudringlich? Doch letztlich war es ihr egal. „Ist es etwas Ernstes?“

„Sehr ernst.“ Gedankenverloren tastete Mariah nach der Kette mit dem diamantenen Hufeisenanhänger, die um ihren Hals hing. „Ich hoffe, die Ärzte können mir ein wenig Zeit verschaffen. Aber die Behandlungen werden mich in den kommenden Wochen und Monaten voll in Anspruch nehmen. Ich möchte nicht, dass mein Geschäft oder meine Tiere darunter leiden.“

Ihre Tierliebe war etwas, das Mariah mit Johanna gemeinsam hatte. Auch als vielbeschäftigtes Oberhaupt eines milliardenschweren Unternehmens hatte Mariah McNair sich früher stets die Zeit genommen, der kleinen Johanna etwas über die Tiere der Hidden Gem Ranch beizubringen.

Johanna nahm Stone das Glas ab. Dabei zitterte ihre Hand so stark, dass die Eiswürfel in ihrem Glas klirrten. „Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Wie kann ich helfen?“

Mariah musterte sie mit ihren klaren blauen Augen, die Stones so ähnlich waren. „Indem du ein neues Zuhause für meine Hunde findest.“

„Ich kann selbst auf sie aufpassen“, schlug Johanna vor.

„Nein, meine Liebe“, erwiderte Mariah. Ihre Stimme klang sanft, doch es lag eine stählerne Entschlossenheit darin. „Ich habe einen Gehirntumor. Ich glaube, es wird das Beste sein, ein dauerhaftes Zuhause für sie zu finden.“

Diese Nachricht traf Johanna wie ein Schlag in die Magengrube. Tränen schossen ihr in die Augen, und sie biss sich auf die Unterlippe, um nicht laut aufzuschluchzen.

Im nächsten Moment spürte sie, wie sich eine kräftige Hand auf ihre Schulter legte. Stones Hand.

Gott, er musste am Boden zerstört sein. Sie drehte sich zu ihm, um tröstend seine Hand zu ergreifen, doch der abweisende Ausdruck in seinem Gesicht hielt sie davon ab. Daher wandte sie sich wieder Mariah zu. „Ich werde tun, was auch immer Sie wollen.“

„Danke.“ Mariah lächelte sie an. „Stone wird ein Heim für meine Hunde finden. Ich will, dass du ihn begleitest und sichergehst, dass die Tiere wirklich dorthin passen. Das Ganze wird ungefähr eine Woche dauern.“

„Eine Woche?“, stieß Johanna mühsam hervor.

Eine Woche allein mit Stone. Niemals! Es war schon schlimm genug, dass sie ihm auf der Ranch ständig über den Weg lief. Aber hier hatte sie zumindest die Arbeit, die sie ablenkte.

Stone hatte ihr das Herz gebrochen, als er ihr erklärt hatte, dass er keine Kinder mit ihr haben wollte. Immer wieder hatten sie sich über dieses Thema gestritten – bis sie schließlich einen Schlussstrich gezogen hatte.

Anfangs hatte er noch geglaubt, dass sie bluffte. Glaubte Mariah das etwa auch?

Johanna wählte ihre Worte mit Bedacht. „Ich will nicht unverschämt sein, Ma’am. Und ich verstehe, dass Sie Ruhe brauchen, besonders jetzt …“ Sie schluckte. „Ihnen muss klar sein, dass dieser Verkuppelungsversuch nicht funktionieren kann. Stone und ich … Unsere Beziehung ist Vergangenheit.“

Sie warf Stone einen warnenden Blick zu – nur für alle Fälle. Schließlich hatte er ihr noch einen ganzen Monat nach der Trennung nachgestellt, bevor er begriffen hatte, dass sie ihre Meinung nicht ändern würde.

Doch jetzt hob er lediglich arrogant eine Augenbraue.

Mariah schüttelte den Kopf. „Ich habe nichts dergleichen vor. Seit Jahren vertraue ich dir meine Tiere an. Ich habe dich aufwachsen sehen. Du kennst Stone. Solange du in seiner Nähe bist, wird er keine Dummheiten machen. Oder fällt dir sonst irgendwer ein, den er nicht mit seinem Charme einwickeln könnte?“

Johanna musste sich geschlagen geben. „Nein, nicht wirklich.“

Stone runzelte die Stirn. „Hey, ich habe das Gefühl, ich werde hier gerade beleidigt.“

Mariah warf ihm einen wissenden Blick zu. „Wenn du nur das Gefühl hast, muss ich wohl deutlicher werden. Ich hoffe, du nutzt diese Chance, dich mir zu beweisen. Ich wünsche dir viel Erfolg. Trotzdem muss ich gestehen, dass ich meine Zweifel habe.“

Stone rieb sich mit der Hand übers Kinn, das wie immer von Stoppeln übersät war. Er konnte sich rasieren, sooft er wollte, es hielt nie lange vor. „Du vertraust Johanna mehr als deinem eigenen Fleisch und Blut?“

„Ja“, entgegnete Mariah, ohne zu zögern. „Und ich habe auch allen Grund dazu. Du wolltest mit der Firma expandieren und hast es vor mir verheimlicht.“

„Nur bis die Sache spruchreif war“, verteidigte sich Stone. „Ich wollte dich damit überraschen. Dich beeindrucken.“

„Unsere Firma ist kein Grundschulkunstprojekt, das man sich an die Kühlschranktür hängt. Du musst begreifen, wie wichtig Teamwork ist. Deswegen habe ich mir diese Prüfung für dich einfallen lassen. Johanna, du wirst ihn zu den Bewerbungsgesprächen mit den potenziellen Familien begleiten. Die Familien habe ich schon ausgesucht.“

Autor

Catherine Mann
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