Bianca Exklusiv Band 389

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  • Erscheinungstag 21.06.2025
  • Bandnummer 389
  • ISBN / Artikelnummer 9783751531146
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Ami Weaver, Meg Maxwell, Katie Meyer

BIANCA EXKLUSIV BAND 389

Ami Weaver

1. KAPITEL

Josie Callahan hatte schon zwei turbulente Flüge hinter sich gebracht, dazwischen volle sechs Stunden auf einem Provinzflughafen gewartet und an ihrem Zielort einen fast völlig straßenuntauglichen Mietwagen in Empfang genommen. Da konnte sie so schnell nichts mehr schockieren. Auch dann nicht, als sie mit besagtem Mietwagen im Graben landete. Und das nach Einbruch der Dämmerung, auf einer abgelegenen, schlecht befestigten Straße im Bundesstaat Montana. Dazu mitten in der Regenzeit, so wie es aussah.

Und jetzt? Spaßeshalber zog sie ihr Handy aus der Handtasche und ließ es sofort wieder zurückgleiten. Kein Empfang, das war ja klar.

Da sie ohne Navigationssystem nicht wusste, wie weit die Silver River Ranch von hier aus noch entfernt war, ließ sie einfach den Kopf gegen die Lehne sinken und schloss fest die Augen. Ihr knurrte der Magen, allerdings hatte sie bloß einen zerkrümelten Müsliriegel und eine halbe Flasche Wasser dabei.

Sie öffnete die Augen wieder und bedachte den Regen, der unablässig über ihre Windschutzschreibe strömte, mit einem bösen Blick. Dort, wo sie herkam, wäre ihr so etwas nie passiert.

Plötzlich leuchtete ein Stück weiter die Straße hinunter etwas auf. Hatte es eben geblitzt? Dass auf dieser gottverlassenen Straße bei diesem Wetter ein Auto unterwegs war, war ja wohl unmöglich. Oder etwa nicht?

Das Licht kam langsam näher, bis sie feststellte, dass es sich dabei tatsächlich um Scheinwerfer handelte. Sie schienen zu einem riesigen Transporter zu gehören. Der Wagen verlangsamte sein Tempo, bis er schließlich auf der gegenüberliegenden Straßenseite zum Stehen kam. Blitzschnell suchte Josie nach ihrem Pfefferspray. Dabei schlug ihr das Herz bis zum Hals.

Die Fahrertür des Transporters ging auf, und ein großer Mann stieg aus dem Wagen.

Sie umklammerte fest das Pfefferspray. Ganz ruhig, sagte sie sich. Vielleicht war das ja jemand von der Silver River Ranch, der nach ihr suchte, weil sie noch nicht angekommen war? Schließlich hatte sie ihrer Tante durchgegeben, dass sie bald da sein müsste.

Als der Mann an ihr Fenster klopfte, ließ sie es ein Stück herunter und hob gleichzeitig für ihn gut sichtbar die Spraydose an. Regentropfen fielen durch den Fensterspalt und schlugen ihr kalt ins Gesicht.

Der Mann trug einen Cowboyhut, das Wasser rann ihm von der Krempe. Mit wachen blauen Augen betrachtete er sie. „Sind Sie Josie Callahan?“ Seine Stimme klang tief und ein bisschen heiser.

„Ja“, erwiderte sie, ohne die Spraydose sinken zu lassen. „Und Sie sind …?“

„Luke Ryder. Ihre Tante hat mich losgeschickt, ich soll nach Ihnen Ausschau halten.“ Er beugte sich ein Stück weiter zu ihr herunter, dann zog er eine Augenbraue hoch. „Das Spray können Sie übrigens wieder runternehmen, Ma’am.“

Oje, wie peinlich, dachte sie und ließ die Dose sinken. Luke Ryder wollte sie nun wirklich nicht damit besprühen. Der Mann war ein bekannter Ex-Countrystar und außerdem der Arbeitgeber ihrer Tante. „Oh, entschuldigen Sie bitte. Und vielen Dank auch.“

„Steigen Sie schon mal bei mir ein, dann hole ich schnell Ihr Gepäck. Bis zur Ranch ist’s nicht mehr weit, und Rosa macht sich schon Sorgen um Sie.“

Schuldbewusst verzog Josie das Gesicht. „Tut mir leid, ich konnte mich nicht bei ihr melden. Mein Telefon …“

„Ich weiß, hier gibt es keinen Handyempfang, darum hat sie mich ja losgeschickt.“ Während Josie auf einen Knopf drückte, um das Fenster wieder ganz zu schließen, öffnete er ihre Fahrertür. Dann drehte sie sich nach hinten, um Mantel, Handtasche und Laptop vom Rücksitz zu holen. Der Mann streckte ihr seine freie Hand entgegen, und nach kurzem Zögern ließ Josie sich von ihm aus dem Auto ziehen. Er war erstaunlich groß. Obwohl sie hochhackige Stiefel trug, überragte er sie immer noch um einen ganzen Kopf.

Trotz des kalten Windes war seine raue Handfläche warm. Sie erschauerte – nicht seinetwegen, sagte sie sich, sondern wegen des kalten Regens, mit dem sie Ende August nicht gerechnet hatte.

„Jetzt steigen Sie schnell in meinen Wagen, ich hole Ihr Gepäck“, forderte er sie auf.

„Vielen Dank“, sagte sie erneut und stöckelte auf ihren Acht-Zentimeter-Absätzen über die matschige, unebene Straße – in der Hoffnung, sich dabei nichts zu brechen. Es waren eben echte Großstadtstiefel, ebenso wie sie selbst eine echte Großstädterin war. Jetzt befand sie sich allerdings in Montana …

Sie kletterte in die Kabine des großen roten Transporters und ließ sich dort auf den butterweichen Ledersitz sinken. Mit so einer Luxusausstattung hätte sie nicht gerechnet. Eher mit abgewetzten, dreckigen Polstern. So, wie man sich den Wagen eines Cowboys eben vorstellte. Und so sah sich der ehemalige Countrysänger Luke Ryder inzwischen: als Cowboy, wie sie von ihrer Tante Rosa erfahren hatte.

Im Wageninneren duftete es nach ihm. Als er die Hintertür öffnete, um ihr Gepäck auf dem Rücksitz zu verstauen, wehte ein frischer Luftzug zu ihr herüber, der nach Regen roch und gleichzeitig nach Seife und einer leicht würzigen, männlichen Note. Sie konnte sich gerade noch davon abhalten, tief und hörbar Luft zu holen.

Sie hatte sich schon einmal in einen Star verliebt, war sogar eine Beziehung mit ihm eingegangen. Und dafür hatte sie teuer bezahlen müssen.

„So, jetzt ist Ihr Kofferraum leer“, erklärte er. „Ist sonst noch etwas im Auto?“

„Nein, jetzt habe ich alles zusammen. Vielen Dank.“ Selbst für ihren Geschmack klang es ein bisschen zu unterkühlt.

„Wie haben Sie eigentlich diese beiden schweren Koffer ins Flugzeug bekommen?“, erkundigte er sich.

Sie lächelte angespannt. „Dafür musste ich natürlich einen Aufschlag zahlen.“ Im Gepäck befanden sich auch einige ihrer liebsten Töpfe und Kochutensilien. „Und was ist mit meinem Leihwagen?“, fragte sie ihn, als er neben sie auf den Fahrersitz kletterte. „Können wir den einfach so stehen lassen?“

„Erst mal ja, das geht leider nicht anders. Morgen schleppe ich ihn ab und schaue nach, ob er beschädigt ist.“

Sie seufzte innerlich. Ein Schaden am Leihwagen – das hatte ihr gerade noch gefehlt! „Okay. Danke noch mal.“

„Gern.“ Er startete den Motor und vollführte mit dem riesigen Wagen eine Hundertachtzig-Grad-Wendung. Dann fuhr er los. Schweigend saßen sie nebeneinander, nur das rhythmische Geräusch der Scheibenwischer war zu hören. Wenn Josie nicht aufpasste, würde sie ohne Weiteres einschlafen. Immerhin hatte sie einen harten Tag hinter sich, war um vier Uhr morgens aufgestanden, um rechtzeitig am Flughafen zu sein. Jetzt war es fast neun Uhr abends, wie die Uhr im Armaturenbrett anzeigte.

Los Angeles kam ihr inzwischen unendlich weit weg vor. Aber wahrscheinlich war das auch besser so, nach allem, was sie dort hatte durchmachen müssen. Hatte Tante Rosa ihrem Arbeitgeber Luke wohl davon erzählt? Hoffentlich nicht.

Verstohlen betrachtete Josie sein Profil. Er hatte ein kantiges Kinn und trug immer noch seinen Cowboyhut. Sein klatschnasses Hemd schmiegte sich um muskulöse Oberarme. Viel hatte Tante Rosa ihr nicht von ihrem berühmten Arbeitgeber erzählt – nur, dass er sehr hart auf seiner Ranch arbeitete. Seine durchtrainierten Arme schienen das zu bezeugen.

Nicht, dass Josie das besonders interessierte.

Den Blick von ihm losreißend, fixierte sie stattdessen das Stück Straße vor ihnen, das sie im Scheinwerferlicht ausmachen konnte. Links und rechts am Straßenrand hatte der Regen kleine Rinnsale gebildet. Wahrscheinlich war sie dadurch von der Straße abgekommen und im Graben gelandet. „Vielen, vielen Dank, Mr. Ryder“, sagte sie erneut. „Dafür, dass Sie mir geholfen haben. Es tut mir leid, dass Sie extra meinetwegen bei dem Wetter losfahren mussten.“

„Gern geschehen. Und das mit dem Mr. Ryder ist nicht nötig, wir sind hier nicht so förmlich“, erklärte er. „Ich bin einfach Luke. Hat Rosa eigentlich nicht gesagt, dass es besser wäre, erst morgen früh weiter zur Ranch zu fahren?“ In seiner Frage schwang unterschwellige Kritik mit.

„Doch, das hat sie.“ Aber Josie hatte endlich ankommen und in einem richtigen Bett schlafen wollen.

„Das haben Sie … das hast du wohl nicht richtig ernst genommen.“

Josie verschränkte die Finger so fest miteinander, dass es wehtat. „Doch, schon. Aber ich dachte …“ Sie hielt inne. So schlimm hatte sie die Lage nicht eingeschätzt. Sie war davon ausgegangen, dass die „abgelegene Ranch“ wenigstens in der Nähe einer Stadt lag, dass es befestigte Straßen gab und sie hin und wieder auf andere Menschen treffen würde. Dass sie hier mitten im Nichts in einen sintflutartigen Regen geraten würde – damit hatte sie nicht gerechnet. Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht. Ihre ordentliche Hochsteckfrisur hatte sich schon vor einigen Stunden in Wohlgefallen aufgelöst. „Okay, das war ganz schön dumm von mir“, gab sie schließlich zu. „Das ist mir jetzt völlig klar.“

„Dummheit kann einen hier leider das Leben kosten“, gab er sanft zurück, als würde er mit einem kleinen Kind sprechen. „Es dauert nicht mehr lange, dann fällt hier nicht mehr bloß Regen, sondern auch Schnee. Dann dauert es schon mal mehrere Tage, jemanden wiederzufinden, der sich verirrt hat.“

Ein kalter Schauer durchfuhr sie. Zum Glück würde sie diese Gegend noch vor dem ersten Schnee wieder verlassen. „Alles klar. Wenn ich das nächste Mal losfahre, passe ich besser auf.“ Offenbar gab es hier keinen Ort, den sie ansteuern konnte. Die letzte Kleinstadt auf dem Weg zur Ranch lag inzwischen eine Autostunde entfernt.

Aus ihrer Wohngegend in Los Angeles war sie anderes gewohnt. Da konnte sie alles zu Fuß erreichen. Sie rieb sich die Schläfen.

„Anstrengender Tag, was?“

Sie lachte. „Das kann man wohl sagen.“ Ihre letzten Monate hatten aus lauter anstrengenden Tagen bestanden, und sie sehnte sich nach besseren Zeiten. Genau aus diesem Grund war sie nach Montana gekommen, statt weiter zu versuchen, ihre Karriere zu Hause in Kalifornien zu retten.

Da gab es nämlich nichts mehr zu retten. Und von ihrem bisherigen Leben musste sie sich auch verabschieden. Dummheit konnte einen nicht nur das Leben kosten, sondern auch alles andere.

In diesem Moment bog Luke in eine winzige Straße ein, die sie in der Dunkelheit und dazu bei diesem Regen nie gesehen hätte, wenn sie allein hergefahren wäre. Der Wagen ruckelte über unebenes Gelände, bis er schließlich einen Torbogen passierte. Nach einem weiteren Stück kam hinter einer Anhöhe das Ranchhaus in Sicht.

Josie schnappte nach Luft. Selbst in der Dunkelheit war deutlich zu erkennen, dass es sich um ein beeindruckend riesiges Holzgebäude handelte. Dabei hatte ihre Tante immer von einer „Holzhütte“ gesprochen. Das hier war aber ein richtiges Anwesen. In vielen Fenstern brannte Licht, auch die Veranda war beleuchtet. Luke fuhr eine kurze, mit Kies bestreute Auffahrt hoch und stellte den Transporter neben einer niedrigen, ebenfalls beleuchteten Steinmauer ab. „Näher am Haus kann ich leider nicht parken, wir müssen schnell rüberrennen.“ Kritisch betrachtete er ihre Schuhe. „Aber nicht, dass du dir dabei etwas brichst.“

Sie nahm Laptop- und Handtasche. „Keine Angst, ich kann in den Stiefeln gut laufen. Ich hab ja mein ganzes Leben in der Großstadt gewohnt.“ Nicht, dass sie das hier in der Wildnis weiterbringen würde, aber sie war ja nicht mal für zwei Monate in Montana.

„Genau das hatte ich befürchtet“, murmelte er vor sich hin – so leise, dass sie es fast nicht mitbekommen hätte. Noch bevor sie etwas erwidern konnte, stieg er aus und holte einen ihrer Koffer vom Rücksitz. Sie nahm sich den anderen und schleifte ihn auf dem Weg zum Haus hinter sich her, während sie versuchte, mit Luke Schritt zu halten.

In dem Moment ging die schwere Tür auf. Vor ihnen, im Licht des Eingangsbereiches, stand Tante Rosa. In ihrem Gesicht zeichneten sich gleichzeitig Sorge und Erleichterung ab. „Josie! Da bin ich aber froh, dass es dir gutgeht!“

Josie ließ sich von ihrer Tante umarmen, obwohl das mit all dem Gepäck und ihren nassen Sachen gar nicht so einfach war. „Entschuldige bitte, das tut mir wirklich leid.“

Rosa drückte sie fest an sich. „Du bist genauso störrisch wie dein Vater.“ Es klang liebevoll und gar nicht wie ein Vorwurf. Trotzdem hatte Josie ein schlechtes Gewissen.

„Warte, ich hole dir ein Handtuch.“ Sofort lief Rosa los und Josie und Luke gingen mit den Koffern im Schlepptau ins Haus. Luke blieb direkt hinter Josie stehen, sodass sie deutlich seine Körperwärme spürte.

„Ich bringe den Koffer schon mal ins Zimmer“, sagte er leise. Sie nickte und sah ihm dabei nur kurz in die Augen.

„In Ordnung. Vielen Dank für alles.“

Josie zwang sich, den Blick von seinen breiten Schultern zu lösen, um sich stattdessen im Wohnzimmer umzusehen. Von innen kam ihr das Haus sogar noch größer vor als von außen. Der Raum hatte hohe, gewölbte Decken und im riesigen Kamin, der bis zur Decke durchgemauert war, loderte ein Feuer. Davor standen zwei große Ledersofas und zwei Sessel mit samtigem Chenille-Bezug.

In diesem Augenblick kam Tante Rosa mit einem Handtuch den Flur entlang.

Dankbar nahm Josie es entgegen. „Vielen Dank.“ Sie wies auf den Raum. „Das ist ja toll hier.“

„Ja. Wir sind hier im Haupthaus, das Lukes Vater gebaut hat. Luke und seine beiden Brüder haben später noch angebaut. Morgen siehst du auch, was für eine tolle Aussicht man von hier aus hat. Normalerweise haben wir um diese Jahreszeit ja nicht so viel Regen.“

Josie zwang sich zu einem Lächeln. „Dann habe ich heute also einfach Glück gehabt?“, scherzte sie.

Rosa erwiderte ihr Lächeln und legte ihr eine Hand auf den Arm. „So ungefähr. Komm, wir bringen schnell die Sachen in dein Zimmer, dann ziehst du dir etwas Trockenes an, und ich mache dir etwas zu essen.“

Josie hob ihren Koffer hoch und schlang sich die anderen beiden Taschen über die Schulter, bevor Rosa danach greifen konnte. „Danke, ich mache das schon.“

Als sie ihrer Tante den Flur hinunter folgte, kam plötzlich eine ältere Frau aus einem der Zimmer. Sie hatte eine Gehhilfe und bewegte sich auffällig langsam. Als sie Josie und Rosa erblickte, lächelte sie freundlich. „Oh, hallo. Du bist bestimmt Josie Callahan. Ich bin Alice Ryder, Lukes Mutter.“

Josie reichte ihr die Hand. „Ja, das stimmt. Schön, Sie kennenzulernen, Mrs. Ryder. Und vielen Dank, dass ich bei Ihnen wohnen darf.“

Alice lachte leise. „Wir können uns gern mit den Vornamen anreden, Josie, das ist bei uns so üblich“, erklärte sie, genau wie Luke vorhin. „Und das Haus gehört nicht mir, sondern Luke“, erklärte sie. „Ich wohne eigentlich ein Stück die Straße runter und bin nur vorübergehend hier.“

„Alice hatte gerade eine Hüftoperation“, erklärte Rosa.

„Ja, und meine Jungs wollten unbedingt, dass ich bei ihnen wohne, damit sie mich im Auge behalten können“, erklärte die Frau fröhlich, bevor sie plötzlich ernst wurde. „Ich bin froh, dass du sicher hier angekommen bist. Die Ranch ist ja schon tagsüber bei schönem Wetter schwer zu finden, nachts und in der Dunkelheit ist das fast unmöglich.“

„Ja, das habe ich heute auch gemerkt“, gab Josie zu.

Alice lächelte. „Jetzt komm aber erst mal an und ruh dich ein bisschen aus.“

Josie und Rosa gingen weiter den Flur hinunter. „Das ist wirklich ein tolles Haus“, schwärmte Josie, während sie die Blicke über die Wände schweifen ließ.

„Ich arbeite auch sehr gern hier“, sagte Rosa. „Aber jetzt will ich unbedingt bei Kelly sein.“ Kelly war ihre Tochter, nächste Woche sollte ihr erstes Kind geboren werden, Rosas erstes Enkelkind.

„Sie freut sich bestimmt schon sehr auf deinen Besuch“, sagte Josie.

Rosa lachte. „Jedenfalls war sie nicht besonders überrascht, als ich mich angekündigt habe. Sie weiß ja, dass ich mir schon lange ein Enkelkind wünsche.“ Sie blieb stehen und öffnete eine Tür. „Das hier ist übrigens dein Zimmer.“

Josie betrat nach ihrer Tante den Raum. Die Nachttischlampen brannten bereits und tauchten die Einrichtung in ein sanftes Licht. Josie stellte ihr Gepäck neben dem Koffer ab, den Luke schon ins Zimmer gebracht hatte. Bildete sie sich das nur ein oder lag immer noch ein Hauch seines Duftes in der Luft?

„Du hast von hier aus einen wunderschönen Blick auf die Berge“, erklärte Rosa. „Morgen früh siehst du, was ich meine.“

„Das Zimmer ist wunderschön. Es wirkt so freundlich“, sagte Josie. Hier waren die Wände in einem hellen, abgetönten Fliederton gestrichen, einer Farbe, die Josie ein bisschen an die Morgendämmerung erinnerte. Der Boden war mit einem dicken cremefarbenen Teppichboden bedeckt. Auf dem breiten Bett lag eine hellblaue Steppdecke, an der Wand hingen mehrere gerahmte Fotografien von der Ranch. Auf der anderen Seite des Raumes gab es einen kleinen Wohnbereich mit Fernseher. Und über der Tür zum Badezimmer hing ein Rinderschädel.

„Tja“, seufzte Rosa, als sie Josies Blick bemerkte. „Die Leute hier haben einen etwas schrägen Humor. Wenn du dir so etwas lieber nicht täglich ansehen willst, kann ich den Schädel gern abnehmen.“

„Nein, alles in Ordnung“, erwiderte Josie. „Das gibt dem Raum eine interessante Note.“

Rosa umarmte sie. „Ich freue mich so, dass du hier bist!“

„Ich mich auch.“ Als Josies Magen laut knurrte, begannen beide Frauen herzlich zu lachen. „Meintest du nicht vorhin etwas von Abendessen?“

„Allerdings“, erwiderte Rosa lächelnd. „Du kannst dich noch schnell umziehen, wenn du willst, und dann gehst du immer der Nase nach direkt in die Küche.“

Innerhalb weniger Minuten war Josie kurz im Badezimmer verschwunden und hatte sich eine weite Jerseyhose und ein langärmeliges T-Shirt übergezogen. Das Haar band sie sich zu einem Pferdeschwanz zusammen, dann sah sie in den Spiegel – und zuckte zusammen. Sie war weiß wie eine Wand, unter ihren Augen waren dunkle Ringe zu sehen. Kurz: Sie sah genauso erschöpft aus, wie sie sich fühlte. Und obwohl sie Los Angeles nicht schnell genug hatte verlassen können, war sie sich inzwischen nicht sicher, ob sie diesem Ort gewachsen war.

Sie atmete tief durch. Doch, sagte sie sich. Ich schaffe das. Ich brauche es hier ja bloß sechs Wochen lang auszuhalten und vier Menschen zu versorgen.

Immerhin hatte sie in den letzten Jahren die strengsten Kritiker und ganze Restaurants bekocht und dabei ihr ganzes Leben ihrer Karriere untergeordnet.

2. KAPITEL

In ihrer ersten Nacht schlief Josie wie ein Stein. In Los Angeles hatte sie schon lange nicht mehr durchgeschlafen, dort hatte sie sich stundenlang im Bett hin und her gewälzt.

Sich verschlafen die Augen reibend, musste sie erst mal darüber nachdenken, wo sie überhaupt war. Ach ja, auf der Silver River Ranch. Sie stand auf und machte sich schnell für ihren ersten Arbeitstag fertig. Rosa hatte ihr erzählt, dass sie normalerweise ab fünf Uhr früh in der Küche stand, und bis dahin blieben ihr nur noch wenige Minuten.

Sie rannte ins Wohnzimmer und hätte fast laut aufgeschrien, als sich plötzlich ein Schatten aus dem dunklen Kaminbereich löste und hechelnd auf sie zustürzte.

Schnell floh sie hinter einen Sessel, stieß sich dabei das Schienbein und unterdrückte einen Fluch. Während sie sich das Bein rieb, kam der Schatten zu ihr herüber und stupste sie mit der Nase an. Bei dem Schatten handelte es sich um einen großen, dunklen Hund, der heftig mit dem Schwanz wedelte.

„Du hast mich ganz schön erschreckt“, sagte sie vorwurfsvoll, was den Hund aber nicht zu beeindrucken schien. Er setzte sich vor sie hin und hörte nicht auf, mit dem Schwanz zu wedeln.

Seufzend tätschelte Josie seinen Kopf, während ihr Herz immer noch raste. Mit Hunden und Tieren im Allgemeinen konnte sie nicht viel anfangen, sie hatte nur als Teenager mal Reitstunden genommen. In den zweiunddreißig Jahren ihres bisherigen Lebens hatte sie allerdings noch nie ein Haustier gehabt.

Der Hund folgte ihr in die Küche, wo es schon ganz wunderbar roch, vor allem nach Kaffee.

Tante Rosa begrüßte sie mit einem Lächeln. „Guten Morgen! Hast du gut geschlafen? Ach, und Hank hast du auch schon kennengelernt.“

„Guten Morgen. Danke, ja. Dürfen hier die Ranchhunde etwa ins Haus?“

„Die Arbeitstiere nicht, aber Hank gehört Luke“, erklärte sie und wandte sich dem Tier zu. „Leg dich wieder in deinen Korb, Hank!“

Der Hund warf Josie zum Abschied einen kurzen Blick zu, bevor er aus der Küche trottete.

Rosa wies mit dem Kopf auf die Becher, die auf der Arbeitsplatte neben der Kaffeekanne standen. „Nimm dir ruhig.“

„Danke.“ Josie ging um die Kücheninsel herum und schenkte sich Kaffee mit Milch ein. Als sie den ersten Schluck probierte, schloss sie genießerisch die Augen. „Wow, der Kaffee schmeckt ja toll!“

„Tja, Luke will von allem nur das Beste“, erwiderte Rosa gut gelaunt.

Josie zog sich der Magen zusammen. Von allem nur das Beste – diesen Leitspruch kannte sie doch! Von ihren Eltern und von Russ, ihrem Exverlobten.

Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Das hat er hier ja auch“, gab sie zurück und stellte die Tasse mit einem lauten Klonk auf der Arbeitsplatte ab. „Okay, was kann ich jetzt tun?“

Die folgende Stunde verbrachten die beiden Frauen damit, Essen für die Hausbewohner zuzubereiten. Josie genoss es, mit ihrer Tante zusammen zu kochen, betrachtete dabei jedoch verwundert die Unmengen von Lebensmitteln.

Rosa lachte. „Ja, das ist wirklich alles nur für die drei Männer, dich, mich und Alice“, erklärte sie. „Eine ganze Menge, oder? Aber es muss auch lange vorhalten. Wenn die drei auf der Ranch arbeiten, können sie sich nicht kurz zwischendurch einen Snack holen.“

Wie aufs Stichwort hörte Josie Männerstimmen, kurz darauf betraten die besagten Brüder auch schon die Küche. Zuerst fiel ihr Blick auf Luke. Er trug bloß alte Jeans, ein Flanellhemd mit einem T-Shirt darunter und denselben Hut wie gestern – trotzdem brachte sein Anblick ihren Puls zum Rasen. Höflich nickte er ihr zu.

Bevor sie etwas erwidern konnte, schoben sich zwei große Männer zu ihnen in den Raum. Noch nie hatte sie so gutaussehende Brüder gesehen. Alle drei waren groß und schlank und hatten ähnliche blaue Augen. Aber während Lukes Haar dunkelbraun war, war das seiner Brüder heller.

„Guten Morgen“, sagte der größere der beiden Brüder charmant lächelnd. „Ich bin Cade, und das hier ist Jake. Und du bist bestimmt Josie.“

„Stimmt“, erwiderte sie und schüttelte beiden die Hände. Dabei blieb sie vollkommen gelassen, spürte kein Knistern und auch keine Gänsehaut. Das war auch besser so, allerdings fragte sie sich, warum sie das gestern bei Luke so erlebt hatte. Vielleicht nur aus Müdigkeit? „Schön, euch kennenzulernen.“

Luke stand hinter den beiden und hatte sich bereits einen Teller genommen, auf den er gerade Essen füllte.

Cade blinzelte ihr zu. „Und ich freue mich schon darauf, dich besser kennenzulernen. Wir haben von Rosa schon viel über dich gehört.“

Josie ignorierte den freundlich-spielerischen Unterton, stattdessen fragte sie sich, was Rosa erzählt haben könnte und was die Männer dadurch über sie wussten. Einerseits tratschte ihre Tante nicht, andererseits konnte man einiges über Russ und damit auch über sie in der Klatschpresse lesen. Mit seinem übergroßen Ego und seiner bekannten Kochshow war er immer für ein paar Zeilen gut.

Rosa stellte sich neben sie und legte ihr eine Hand auf den Arm. „Ich habe natürlich von deinen Kochkünsten geschwärmt und davon, was du schon Tolles gemacht hast.“

Jetzt entspannte sich Josie wieder etwas. „Ach so. Na ja, ich glaube nicht, dass ich euch mit den Dingen, die ich im letzten Jahr zubereitet habe, begeistern kann. Das war alles eher dekorativ als sättigend.“ Hatte das gerade etwas verbittert geklungen? Zur Sicherheit lächelte sie den Männern freundlich zu. „Jedenfalls freue ich mich darauf, endlich wieder richtiges Essen kochen zu können.“

Während Cade und Jake ihre Teller auffüllten, plauderten sie noch ein wenig, bevor die Brüder sich dann ins Esszimmer zurückzogen.

„Ich habe ihnen nichts Persönliches über dich erzählt“, beteuerte Rosa leise, während sie einen Servierteller zur Spüle trug. „Ich habe nur gesagt, dass du gerade deine Stelle wechselst und darum ein paar Wochen Zeit hättest, für mich einzuspringen. Ich weiß ja nicht genau, was du alles durchgemacht hast, aber es muss schlimm gewesen sein. Du siehst schrecklich erschöpft aus. Und bist bestimmt nicht ohne guten Grund so schnell bereit gewesen, von Kalifornien in diese Einöde zu kommen.“ Rosa klang ernsthaft besorgt.

Josie blinzelte sich die Tränen aus den Augen. „Ehrlich gesagt, war es wirklich ganz schön schlimm. Aber es wird schon wieder.“ Sie holte tief Luft. „Was weißt du eigentlich über Lukes Brüder?“

Rosa stutzte einen Moment, dann schien sie den Themenwechsel allerdings hinzunehmen. „Cade flirtet ganz gern“, sagte sie. „Alles völlig harmlos, und er kennt seine Grenzen. Er liebt einfach alle Frauen und kann es nicht lassen. Luke ist genau das Gegenteil, er flirtet überhaupt nicht. Und Jake ist irgendwo dazwischen. Drei toller Männer, alle eine gute Partie.“

Josie biss sich auf die Lippen. Sie war wirklich nicht auf der Suche nach einer Beziehung, auch nicht nach einer Affäre. Nicht nach allem, was sie in letzter Zeit erlebt hatte. Als sie erfahren hatte, dass Russ unter einer Verlobung offenbar nicht das Gleiche verstand wie sie, war sie am Boden zerstört gewesen. Zum Glück hatte sie das noch rechtzeitig vor der Hochzeit festgestellt!

Dass es mit der neuen Köchin so kommen würde, damit hatte Luke nicht gerechnet. Natürlich wusste er, dass Rosas Nichte sie in den nächsten Wochen vertreten würde. Das hatten sie alles genau besprochen. Und weil er der älteren Frau uneingeschränkt vertraute, war er sofort einverstanden gewesen. Stolz hatte Rosa ihm erzählt, dass Josie eine ausgebildete Köchin war und in Los Angeles ein eigenes, sehr beliebtes Restaurant betrieben hatte.

Bei dieser Abmachung hatte Luke allerdings nicht bedacht, dass es sich bei Josie um eine Frau handelte, noch dazu um eine sehr attraktive. Es war schon lange her, dass er sich eine Frau genauer angesehen hatte, mit den Augen eines Mannes. Aber als Josie ihn von ihrem Autositz aus mit ihren blauen Augen angefunkelt hatte, die Pfefferspraydose in der Hand, hatte er sich plötzlich auf eine Weise zu ihr hingezogen gefühlt, mit der er nicht umgehen konnte. Die plötzliche Gefühlsregung hatte ihn erschreckt. Zumal Josie außerdem eindeutig eine Städterin war. Städterinnen waren für ihn tabu, schließlich hatte er schon mal eine geheiratet.

„Findest du nicht, Luke?“, sprach Cade in seine Gedanken hinein.

Luke blickte von seinem Teller hoch, auf den er sich eine große Portion Frühstückswürstchen mit Sauce gefüllt hatte. „Wie bitte?“

Cade attackierte sein Rührei. „Ich rede gerade von Josie. Ein echtes Sahneschnittchen, oder?“

Luke schüttelte den Kopf, auch um sich selbst davon zu überzeugen, dass diese Frau ihn nicht großartig beeindruckt hatte. „Keine Ahnung“, gab er zurück.

Fassungslos sah Cade ihn an. „Ich glaube, unser Bruder ist blind.“

„Oder blöd“, fügte Jake zwinkernd hinzu.

„Oder auch beides.“ Cade fixierte ihn. „Jetzt komm schon, du kannst ruhig zugeben, dass du sie auch heiß findest. Es ist doch nichts Schlimmes dabei.“

Er zuckte mit den Schultern. „Sie ist nicht mein Typ.“

„Hm … vielleicht ist sie ja mein Typ“, überlegte Cade laut und biss von seinem Toast ab.

Luke kniff die Augen zusammen und warf seinem Bruder einen warnenden Blick zu. „Wehe! Die Frau kocht für uns und ist nicht zu deiner Belustigung hier.“

Ein selbstzufriedenes Lächeln breitete sich auf Cades Gesicht aus. „Hey, ich glaube, sie gefällt dir doch, stimmt’s?“ Er warf Jake einen vielsagenden Blick zu. „Doch, sie gefällt dir. Das gab’s bei dir ja schon ewig nicht mehr.“

Ich wäre wirklich blind und blöd, wenn Josie mir nicht gefallen würde, dachte Luke. Aber das mussten seine Brüder ja nicht wissen.

Bevor er noch etwas dazu sagen konnte, meldete sich Jake zu Wort. „Lass ihn doch in Ruhe, Cade. Wenn er sich nicht für sie interessiert, ist das eben sein Pech. Er ist ja sowieso komplett auf Tauchstation gegangen.“

Luke stöhnte leise auf. Offenbar spielte Jake darauf an, dass Luke sich seit seinem Ausstieg aus der Countrymusik-Szene fast komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte. Und zwar deswegen, weil er sich voll und ganz auf die Ranch konzentrieren wollte, damit sie endlich aus den Miesen herauskam – nachdem ihr Vater sie an den Rand des Ruins getrieben hatte. Er bemühte sich, möglichst ruhig zu bleiben, als er auf Jakes Bemerkung reagierte. „Ich bin nicht auf Tauchstation, ich habe mich einfach aus der Musikszene zurückgezogen. Das ist ein riesengroßer Unterschied. Und heute haben wir noch eine Menge zu tun. Aber erst mal muss ich Josies Leihwagen aus dem Graben ziehen, deswegen kann ich nicht zum Hügelkamm reiten, um nach den Tieren zu sehen.“

Damit war das Thema Josie erst mal beendet, worüber Luke ganz froh war. Er wusste, dass seine Brüder es mit dem Frauenthema eigentlich nur gut meinten. Aber sie hatten ja keine Ahnung, wie sehr er unter der kurzen, aber sehr unglücklichen Ehe mit Mandy gelitten hatte. Und darunter, dass er sich als Countrystar ständig vor der Klatschpresse in Acht nehmen musste. Nein, den Trubel und das gleißende Rampenlicht von Nashville vermisste er ganz und gar nicht.

Nachdem seine Brüder sich auf den Weg gemacht hatten, um nach dem Vieh zu sehen, ging Luke in die Küche und bat Josie um ihren Leihwagenschlüssel.

Sie holte ihn schnell aus ihrem Zimmer. „Vielen Dank, dass du den Wagen abschleppst.“ Ihre Worte klangen höflich und ein bisschen distanziert. Mit seinen Brüdern hatte sie heute Morgen ganz anders gesprochen, viel lockerer. Was soll’s, dachte er.

„Gern geschehen.“ Eine kurze blonde Strähne hatte sich aus ihrem Haarband gelöst. Um nicht in Versuchung zu geraten, ihr die Strähne aus dem Gesicht zu streichen, umklammerte er den Autoschlüssel fest. „Dieser Leihwagen taugt hier allerdings nicht viel. Jedenfalls nicht, wenn es in ein paar Wochen anfängt zu schneien. Hier in Montana geht das oft schon im Oktober los.“ Als Hank seinen Kopf an Lukes Bein rieb, kraulte er ihn hinter den Ohren.

Josie runzelte die Stirn. „Ich weiß. Aber sie hatten keinen anderen Wagen für mich da.“

Er gab Hank einen Klaps auf den Hintern. „Dann bringen wir das Auto zurück, und du nimmst einfach einen unserer Transporter. Damit sparst du eine Menge Geld. Außerdem ist das sicherer, bei den Straßen hier.“

Eigentlich wollte sie hier auf der Ranch so unabhängig wie möglich bleiben. Andererseits sah sie ein, dass er recht hatte. „In Ordnung. Vielen Dank noch mal.“

„Okay, ich fahre jetzt los und melde mich, wenn ich wieder da bin.“ Ohne einen Abschiedsgruß ging er zur Tür und ließ Josie einfach in der Küche stehen.

Laut seufzend, stemmte sie die Hände in die Hüften. Dieser Mann war für sie ein Rätsel. Warum verhielt er sich ihr gegenüber so kühl? Immerhin würden sie die nächsten Wochen unter einem Dach verbringen. Wenn sie ihm jetzt schon unsympathisch war, konnte das sehr unangenehm werden.

In diesem Moment kamen Rosa und Alice in die Küche. Alice schnitt sich einen Bagel auf und legte die Hälften in den Toaster, während Rosa versuchte, sie davon abzuhalten und ihr selbst das Frühstückmachen zu überlassen. Die beiden Frauen lachten und scherzten dabei, offenbar führten sie diese Diskussion nicht zum ersten Mal.

Rosa holte ein Marmeladenglas aus dem Kühlschrank, dann wandte sie sich an Josie. „Luke ist manchmal ein bisschen mürrisch, lass dich davon nicht einschüchtern. Er ist eigentlich ein wirklich netter Mensch.“

Josie lächelte den beiden Frauen zu. „Das glaube ich sofort. Ich habe bloß den Eindruck, dass er mich nicht besonders mag.“

Alice seufzte. „Lass ihm einfach noch etwas Zeit. Vielleicht erinnerst du ihn ja an seine Exfrau.“

Fassungslos schaute Josie sie an. „Wie bitte?“ Optisch war die kleine und sehr kurvige platinblonde Countrysängerin Mandy Fairchild so ziemlich das genaue Gegenteil von Josie. Sie selbst war groß, schmal und ziemlich gerade gebaut. „Das kann ich mir nicht vorstellen.“

Rosa lachte. „Ich glaube, Alice meinte das nicht vom Aussehen her, oder?“ Sie warf Lukes Mutter einen fragenden Blick zu.

Alice bestrich ihren Bagel dick mit der fruchtigen roten Marmelade und nickte. „Stimmt, ich meinte damit eher, dass ihr beide aus der Großstadt kommt und Montana für euch fremdes Terrain ist. Tja, Mandy hat es ungefähr einen Monat hier ausgehalten. Und weil Luke dich noch nicht kennt, befürchtet er wahrscheinlich, dass du ganz schnell alles wieder hinwirfst.“

„Ach so“, Josie konnte sich allerdings selbst beim besten Willen nicht vorstellen, hier „alles hinzuwerfen“. Schließlich hatte sie sich gewünscht, aus ihrem gewohnten Umfeld in Los Angeles rauszukommen, und das war ihr auf jeden Fall gelungen. Sie ließ den Blick aus dem großen Fenster über der Spüle schweifen: keine Spur von Großstadttrubel, stattdessen nur die Berge, die sanftrosa im Morgenlicht schimmerten. „Oh, wow! Guck dir das mal an!“

Ihrem Blick folgend, stellte sich ihre Tante neben sie. „Ja, genau das schaue ich mir jeden Morgen an und bin jedes Mal aufs Neue erstaunt. Ich fühle mich in Montana so unglaublich wohl.“

Alice kam ebenfalls lächelnd dazu. „Und ich bin schon mein ganzes Leben lang in Montana und kann immer noch nicht fassen, wie schön es hier ist.“

Josie bereitete gerade einen Kartoffeleintopf für später vor, als Luke in die Küche kam. Er nickte ihr kurz zu und ging zum Kühlschrank, um sich ein Sandwich zu machen. „Dein Leihwagen ist jetzt hier. Es scheint alles in Ordnung zu sein. Er ist nur ein bisschen dreckig geworden, ansonsten hat er wohl nichts abbekommen.“

Erleichtert atmete Josie auf. Also brauchte sie sich deswegen schon mal keine Gedanken zu machen. „Ein Glück. Vielen Dank!“

„Hast du inzwischen mit dem Autoverleih gesprochen?“

Sie deckte den noch ungekochten Eintopf ab, um ihn in den Kühlschrank zu stellen und rechtzeitig vorm Abendessen in den Ofen zu schieben. „Ja, hab ich. Ich kann den Wagen jederzeit zurückbringen.“

„Wie wär’s, wenn wir morgen beide hinfahren? Dann nehme ich dich auf dem Rückweg in meinem Transporter mit.“ Als sie nicht sofort reagierte, fuhr er fort: „Ich muss sowieso nach Kalispell, weil ich ein Ersatzteil für den Traktor brauche.“ Kalispell war die Kleinstadt, in der sich der Autoverleih befand.

„In Ordnung“, erwiderte Josie. „Aber nur, wenn es wirklich gut passt. Sonst kann ich das auch anders lösen.“

Er lachte. „Das wird wohl schwierig. Ein Taxi von Kalispell zur Ranch kostet ein halbes Vermögen.“

Sie seufzte. „Das hatte ich befürchtet.“ Ein halbes Vermögen hatte sie wirklich nicht zur Hand. Erst recht nicht, seit sie ihr gesamtes Erspartes in ihr Restaurant investierte hatte. Und das hatte Russ ihr inzwischen weggenommen.

Luke legte ihr kurz die Hand auf die Schulter, als sie gerade die schwere Eintopfschüssel hochhob – um ein Haar hätte sie sie vor Schreck fallen lassen. Hatte er sie etwa eben berührt? Unglaublich, dabei war er ihr gegenüber bisher immer so unterkühlt gewesen.

„Tja, hier läuft einiges anders als bei euch in L. A.“, sagte er. „Daran wirst du dich noch gewöhnen müssen.“

Bevor Josie etwas dazu sagen konnte, kam Rosa in die Küche. Heute war ihr vorerst letzter Tag auf der Ranch, und Luke umarmte sie zum Abschied. Dann wandte er sich an Josie. „Ist es okay, wenn wir morgen früh um acht losfahren?“

„Das klingt gut“, stimmte sie zu, bevor er sich verabschiedete.

Sie lächelte ihrer Tante zu. „Geht es jetzt los? Hast du alles dabei? Ticket, Kreditkarte, Geld?“

Rosa klopfte auf ihre Umhängetasche und grinste. „Ich hoffe doch.“ Herzlich verabschiedeten die beiden Frauen sich voneinander, bevor Rosa das Haus verließ. Jetzt war Josie allein unter fremden Menschen.

Am nächsten Morgen räumte Josie gleich nach dem Frühstück die Küche komplett auf, damit sie und Luke pünktlich um acht Uhr losfahren konnten. Bevor sie nach draußen gingen, wandte er sich noch mal an seine Mutter. „Ist es auch wirklich okay, wenn wir dich hier ein paar Stunden allein lassen?“

Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach, komm schon Luke, wo soll da das Problem sein? Patty ist ja auch hier, wir wollen ein bisschen fernsehen und stricken.“ Patty war die Frau eines Rancharbeiters und eine gute Bekannte von Alice.

Josie lächelte. Auch wenn Luke sich ihr gegenüber meist ziemlich mürrisch gab – zu seiner Mutter war er immer ausgesprochen lieb.

Draußen auf der Veranda hörte Josie die Vögel zwitschern und die Stimmen der Rancharbeiter, die sich etwas zuriefen und miteinander lachten. Kein Hupen, keine Verkehrsgeräusche. Die Luft war kühl und roch nach Gras und Regen. Abgase, Essensdünste, die typischen Gerüche einer Großstadt – das alles gab es hier nicht.

Obwohl, ein bisschen unheimlich fand Josie es doch.

In diesem Moment ging die Haustür auf, und Luke kam nach draußen. „Okay, jetzt kann es losgehen. Ich fahre am besten vor, ich kenne den Weg ja in- und auswendig.“

Josie stieg in den kleinen Mietwagen und folgte dem großen Transporter in Richtung Straße. Jetzt bei Tageslicht sah sie erst, wie wunderschön die Gegend war. Und wie einsam. Erst nach einer guten halben Stunde, als sie sich gerade dem Ort Powder Keg näherten, kam ihnen das erste Auto entgegen. Von dort aus brauchten sie noch mal eine Viertelstunde zum Highway in Richtung Kalispell. Wenige Meter neben der Straße grasten einige riesige Elche.

In Kalispell war wesentlich mehr los als in dem winzigen Ort Powder Keg. Es war zwar eindeutig eine Kleinstadt und nur ein Bruchteil so groß wie Los Angeles, aber der Verkehr hatte es in sich. Josie nahm das gelassen, sie war so etwas gewohnt. Luke hielt seinen Transporter vor dem Autoverleih am Flughafen, und sie parkte den Wagen daneben. „Du brauchst nicht mit reinzukommen, ich kümmere mich schnell darum“, rief sie ihm zu.

Nachdem alles geregelt war, setzte er sie bei einem Lebensmittelgeschäft ab, damit sie ein paar Besorgungen erledigen konnte. Er selbst wollte in der Zwischenzeit das Ersatzteil für seinen Traktor kaufen und sie später abholen.

„Na, alles gefunden?“, begrüßte er sie, als sie mit ihren Einkäufen aus dem Laden kam.

„Allerdings. Sie haben hier wirklich eine tolle Auswahl.“

„Und jetzt? Wie sieht’s aus, hast du Hunger?“

Erst durch seine Frage wurde ihr bewusst, dass sie wirklich etwas zu essen vertragen könnte. „Ja.“

„Es gibt hier nämlich ein echt gutes Diner.“

„Das klingt super.“

„Ist es auch, sie haben richtig leckere Burger“, sagte er.

Luke parkte den Wagen vor einem kleinen Gebäude, das etwas heruntergekommen wirkte: Die Blumen in den Kübeln waren offenbar länger nicht mehr gegossen worden, und die Teerdecke des Parkplatzes hatte Risse, durch die Unkraut sprießte. Als Luke sich zu Josie umdrehte, schenkte er ihr ein so umwerfendes Lächeln, dass ihr die Luft wegblieb. Unglaublich, wie sich sein Gesicht dadurch veränderte! Im Grunde sah er immer unglaublich gut aus, auch wenn er wie so oft eine ziemlich finstere Miene aufsetzte. Aber wenn er lächelte … das war noch mal etwas völlig anderes. „Lass dich von dem Parkplatz hier nicht einschüchtern, das Essen wird gut. Glaub mir einfach, okay?“

„Okay“, erwiderte sie, bevor sie aus dem Wagen stieg und hinter Luke in das kleine Lokal ging.

Innen gab es bloß acht Sitznischen. Die Polster wirkten zwar ähnlich alt und abgenutzt wie das ganze Diner, aber alles war erstaunlich sauber. Außerdem roch es hier überirdisch gut. Josie lief bereits das Wasser im Mund zusammen.

Luke reichte ihr die eingeschweißte Karte, die auf den ersten Blick ziemlich übersichtlich wirkte. „Hier gibt es nur Burger“, erklärte er. „Entweder mit Pommes frites oder mit Zwiebelringen. Und das hier ist die Auswahl an Toppings.“

„Alles klar.“ Neugierig betrachtete sie die Karte.

Die Kellnerin brachte ihnen erst mal zwei große Gläser Wasser.

Dann gaben sie ihre Bestellungen auf. Josie orderte einen Burger mit Brie, Honig-Senf-Sauce und Granny-Smith-Apfelstückchen. Luke bestellte so viele Toppings, dass sie irgendwann den Überblick verlor.

„Hast du dein Restaurant wieder geschlossen?“, erkundigte er sich, nachdem die Kellnerin gegangen war. „Das, das du mal hattest?“

Sie zuckte zusammen. Es sollte wahrscheinlich bloß eine harmlose, höfliche Frage sein. Bestimmt ahnte er nicht, wie empfindlich die Frage sie traf. Sie trank einen Schluck, dann fuhr sie mit dem Finger über den Resopaltisch. „Das Ganze ist etwas komplizierter“, erwiderte sie schließlich. „Ich habe das Restaurant zusammen mit einem Geschäftspartner eröffnet, und er führt es jetzt weiter.“

Falls ihm ihr verbitterter Tonfall aufgefallen war, ließ er sich nichts davon anmerken. „Und warum bist du ausgestiegen?“

So gerade eben gelang es ihr zu lächeln. „Ich wollte einfach etwas anderes machen. Da hat das mit Rosas Urlaubsvertretung perfekt gepasst.“

Eine Weile betrachtete Luke sie. Irgendetwas hielt sie gerade zurück, das spürte er. Aber er wollte sie auch nicht mit weiteren Fragen bedrängen, schließlich wusste er selbst genau, wie unangenehm es war, wenn jemand zu sehr in die eigene Privatsphäre eindrang. „Da haben wir ja großes Glück gehabt“, sagte er stattdessen.

Diesmal lächelte sie auch mit den Augen. „Das hoffe ich doch.“

Sie stellte ihm einige Fragen zur Ranch, die er ihr sehr gern beantwortete – zumal sie ernsthaft an seinen Erklärungen interessiert zu sein schien. Dann brachte die Kellnerin zwei sehr großzügig beladene Teller.

Josie riss die Augen auf, was Luke zum Lachen brachte. „Vielleicht hätte ich dich vorwarnen sollen. Von den Portionen hier werden locker zwei Leute satt.“

„Stimmt.“ Grinsend legte sie sich die Serviette auf den Schoß.

Er biss von seinem dick belegten Bacon-Cheeseburger ab und kaute genießerisch. So ein Diner wie dieses gab es auf der ganzen Welt nur einmal, und zwar hier. Zumindest hatte er noch nichts Vergleichbares gefunden, als er mit seiner Band auf Konzertreise von Stadt zu Stadt getourt war.

„Das schmeckt unglaublich lecker“, schwärmte Josie und leckte sich etwas Ketchup von der Oberlippe.

Bei dem Anblick wurde Luke ganz heiß. Schnell trank er ein paar Schlucke Wasser, in der Hoffnung, dadurch wieder abzukühlen. Nie im Leben hätte er damit gerechnet, dass er noch einmal so auf eine Frau reagieren würde. Schon gar nicht auf eine Großstädterin, die nach ein paar Wochen schon wieder von hier verschwinden würde. Genau wie Mandy.

Josie blickte hoch. Wahrscheinlich hatte sie gemerkt, dass er sie schon die ganze Zeit anstarrte, als würde er am liebsten gleich über sie herfallen. Sie tupfte sich den Mund mehrmals mit der Serviette ab. „Oje, hab ich Ketchup im Gesicht?“

„Nein“, erwiderte er, und seine Stimme klang verräterisch heiser. „Alles gut.“

Als sie offenbar verunsichert die Stirn runzelte, schob er ihr schnell seinen Teller zu. „Möchtest du mal einen Zwiebelring probieren?“

Sie nahm sich einen kleinen Ring und biss hinein. Genießerisch schloss sie die Augen. „Hm … die sind ja richtig gut!“

„Ja, wenn auch nicht unbedingt Haute Cuisine“, bemerkte er. Mandy hatte sich damals darüber beschwert, dass es in der Gegend keine gehobenen Restaurants und auch kein Sushi gab.

Josie blickte ihn verwirrt an. „Na und? Darum geht es doch gar nicht. Für mich geht es nur darum, ob das Essen schmeckt.“

Er lächelte. „Das sehe ich genauso.“

Den Teller beiseiteschiebend, beugte sie sich zu ihm vor – so weit, dass er ihr ein kleines Stück in den Ausschnitt schauen konnte. Er zwang sich, sich stattdessen auf ihre Augen zu konzentrieren. Leicht fiel es ihm allerdings nicht gerade.

„Ich habe zwar schon in einem Drei-Sterne-Restaurant gearbeitet, aber in erster Linie sehe ich mich als ganz normale Köchin, die leckeres Essen zubereiten will. Ich bin einfach gern in der Küche, experimentiere mit Rezepten und denke mir dabei neue aus. Mit dem ganzen Haute-Cuisine-Getue kann ich eher wenig anfangen. Das war übrigens einer der Gründe, warum mein Geschäftspartner und ich getrennte Wege gegangen sind.“

„Oh, ach so.“ Offenbar hatte das Kochen für sie eine ähnliche Bedeutung wie die Musik früher für ihn: Es war ihre Art, sich auszudrücken. Eigentlich bedeutete ihm Musik immer noch sehr viel, obwohl er nicht mehr auftrat.

Sie knabberte an einem Pommes-frites-Stäbchen. „Kann ich wohl den restlichen Burger mitnehmen? Es wäre schade drum.“

Luke hatte seinen vollständig aufgegessen, ebenso wie die Zwiebelringe. „Wahrscheinlich schon. Bei mir hat sich diese Frage nie gestellt.“ Er wies auf seinen leeren Teller.

Ihr Lachen hörte sich in seinen Ohren wunderschön an. „Das überrascht mich jetzt nicht.“

Josie ließ sich den Rest ihres Burgers einpacken, bevor sie gemeinsam zu Lukes Wagen gingen. Die Sonne schien, und er fühlte sich ganz leicht und beschwingt. Sie hatte ihn kein einziges Mal nach seiner Vergangenheit als Countrystar gefragt, das fand er sehr angenehm. Eigentlich kannte er es genau anders herum: dass sich andere Leute nicht für ihn selbst interessierten, sondern nur für die Rolle, die er verkörpert hatte. Das war einer der Gründe, warum er am liebsten keine neuen Menschen mehr in sein Leben ließ.

Und während er es sehr erfrischend fand, mit jemandem zusammen zu sein, der nichts von ihm zu erwarten oder zu fordern schien, war es gleichzeitig gefährlich. Auf keinen Fall wollte er zu viel von sich preisgeben, nur um irgendwann festzustellen, dass er schon wieder der falschen Person vertraut hatte.

3. KAPITEL

Noch zwei Tage später musste Josie immer wieder an ihre Fahrt in die Stadt mit Luke denken. Wenn man die Gelegenheit bekam, hinter seine eher schroffe Fassade zu blicken, war er ein richtig charmanter, humorvoller Mann. Mit seinen Lachfalten und den unglaublich blauen Augen war er direkt …

sexy.

Sie schüttelte den Kopf, um diesen unerwünschten Gedanken wieder loszuwerden und stürzte sich in die Arbeit. Nachdem sie das Essen vorbereitet hatte, machte sie einen kleinen Spaziergang mit Lukes Mutter Alice. Mit der älteren Frau verstand sie sich inzwischen bestens.

„So“, sagte Lukes jüngster Bruder Cade, als er nach dem Abendessen sein Geschirr in die Küche brachte. „Hast du dir eigentlich schon mal unsere Ställe angeschaut?“

„Nein“, erwiderte Josie. Während sie sich im Ranchhaus sehr wohlfühlte, hatte sie es bisher vermieden, das Gelände zu erkunden. Der ganze Außenbereich war ihr irgendwie ein bisschen unheimlich.

„Ich kann dich morgen früh gern rumführen“, bot Cade ihr an. „Um elf habe ich einen Termin mit jemandem, der sich für eins meiner Pferde interessiert, wie wär’s dann mit zehn Uhr?“

Josie fuhr mit dem Geschirrtuch über die Arbeitsplatte. Sie fühlte sich gewissermaßen verpflichtet, sich die Ranch genauer anzuschauen, immerhin arbeitete sie hier. Außerdem wusste sie nicht, wie sie Cades Angebot ablehnen sollte. „Das klingt gut“, sagte sie also. „Vielen Dank!“

Am nächsten Morgen ging Josie um kurz vor zehn aus dem Haus, um sich auf den Weg zu den Ställen zu machen. Der Hund Hank trottete ihr hinterher. Heute trug sie Jeans und Tennisschuhe – für den Stall wahrscheinlich auch nicht optimal, aber immerhin besser als ihre Stiefel mit den acht Zentimeter hohen Absätzen.

Vor dem Stallgebäude machte sich Hank einfach aus dem Staub. Und während sich Josie noch nach dem Hund umsah, kam auch schon Cade auf sie zu. „Mach dir keine Sorgen, er kennt sich hier perfekt aus“, rief er ihr zu. „Und wie sieht’s bei dir aus? Können wir loslegen?“

Lächelnd wandte sie sich wieder dem gutaussehenden Cowboy zu. „Ja, sehr gern.“

Sie folgte ihm in das riesige helle Stallgebäude. Der Geruch nach Pferden, Leder und Heu erinnerte sie an die Reitstunden, die sie als Teenager genommen hatte. Im Stall gab es etwa ein Dutzend Boxen, alle leer, und eine überdachte Reitarena. In die außergewöhnlich hohe Decke waren Oberlichte eingelassen.

„Wow, das ist ja toll!“, staunte Josie.

Cade schob sich seinen Cowboyhut zurecht. „Tja, wir haben hier eine Menge Arbeit reingesteckt.“

Josie nickte. „Das sehe ich.“

Es war offensichtlich, wie sehr Cade diesen Ort liebte und wie stolz er auf seine Arbeit war. Die Pferde waren nebenan untergebracht, allesamt wirklich schöne Tiere. Als die beiden wieder in den Eingangsbereich kamen, fanden sie sich plötzlich Luke gegenüber.

Kaum fiel sein Blick auf Josie, spannte diese sich merklich an.

Skeptisch betrachtete er sie und Cade. Den schien das nicht zu stören, er erwiderte den Blick seines Bruders gelassen und wirkte dabei sehr selbstzufrieden. Dann nickte er ihm zu.

Josie bemerkte, wie Lukes Miene sich etwas verfinsterte. Vielleicht störte er sich ja daran, dass sie gerade in seinen Bereich vorgedrungen war? Eigentlich hielt sie das für unwahrscheinlich, aber wer wusste schon, was in Luke vorging?

Breit grinsend schaute Cade zwischen den beiden hin und her. „Na, großer Bruder, willst du übernehmen? Ich zeige Josie gerade unsere Ranch.“ Er schaute auf seine Armbanduhr. „Aber ich bin gleich mit jemandem verabredet, der sich ein Pferd anschauen will.“ Er berührte sie kurz am Arm. „Ist es in Ordnung, wenn Luke weitermacht? Du bist bei ihm in guten Händen.“

Luke nickte ihr zu, seine Miene blieb allerdings ausdruckslos. „Okay, ich habe gerade Zeit.“

„Super, dann bis später.“ Pfeifend zog sich Cade zurück, und Josie sah ihm hinterher. Hatte er alles extra so eingefädelt? Jetzt war sie also mit Luke allein. Sie blickte ihn an und wartete darauf, dass er etwas sagte. Irgendetwas.

„Was hast du denn hier schon gesehen?“, erkundigte er sich. Es klang sehr höflich und distanziert, gar nicht nach dem lockeren, humorvollen Mann, mit dem sie neulich noch in die Stadt gefahren war. Offenbar waren sie jetzt wieder bei ihren förmlichen, steifen Umgangsformen gelandet. Sie unterdrückte ein Seufzen, dann wies sie auf das Stallgebäude. „Cade hat mir ein paar Pferde gezeigt, um die er sich kümmert. Ich habe keine Ahnung, was er als Nächstes vorhatte.“

„Okay.“ Luke ging ihr voran zum Ausgang des großen Stallgebäudes. „Dann zeige ich dir jetzt noch etwas.“

Neugierig folgte sie ihm nach draußen. Aber statt die wunderschöne Landschaft um sie herum zu bewundern, betrachtete sie Luke. Seine Jeans saßen so perfekt, als wären sie ihm auf den Leib geschneidert. Sie schmiegten sich eng um seinen knackigen Po und die muskulösen Beine. Am liebsten hätte sie … Sie zuckte zusammen. Was passierte da eigentlich gerade mit ihr? Sie hob den Blick, der jetzt stattdessen an seinen Schultern hängenblieb. Heute trug er ein langärmeliges T-Shirt, das seinen breiten Rücken wunderbar betonte. Du liebe Güte …

Schnell zog sie die Sonnenbrille aus den Haaren und setzte sie sich auf die Nase. Was war bloß mit ihr los? Ihr Exverlobter Russ hatte nie so ein Verlangen in ihr ausgelöst – und dabei hatte sie ihn sogar heiraten wollen.

Inzwischen näherten Luke und sie sich einer großen runden Koppel, auf der eine schlanke, sportliche Frau ein Pferd trainierte. Sie stand in der Mitte der Koppel und ließ das Tier an einer Longe um sich herumlaufen.

„Hi Nikki“, begrüßte Luke sie und blieb am Zaun stehen. „Wie läuft es denn heute?“

Der große Braune warf den Kopf zurück, kam dabei jedoch nicht aus seinem Rhythmus. Während er immer weiter innen am Zaun entlanglief, drehte sich Nikki mit der Longe langsam um die eigene Achse. Sie war groß und schlank und trug ein ärmelloses Oberteil. Ihre Arme waren muskulös und sonnengebräunt, das lange blonde Haar hatte sie zu einem losen Pferdeschwanz zusammengebunden. Darüber trug sie einen Hut.

Josie fand, dass sie Lukes Exfrau im Gesicht überraschend ähnlich sah – sofern sie das aus der Entfernung feststellen konnte. Ihr offenes Lächeln wirkte allerdings überhaupt nicht anzüglich oder herausfordernd. Aber war das Josie überhaupt wichtig? Darüber wollte sie lieber nicht nachdenken.

Nikki nickte beiden zu. „Das Pferd macht sich richtig gut“, beantwortete sie Lukes Frage. „Ich glaube, bald ist er so weit. Das habe ich Cade auch schon gesagt.“

Während Luke das Pferd in Augenschein nahm, nutzte Josie die Gelegenheit, ihn genauer zu beobachten. Sein Blick galt ausschließlich dem Pferd, und er wirkte sehr angetan. Inzwischen war das Tier in einen langsamen Trott verfallen. Josie kannte sich mit Pferden zwar nicht gut aus, fand aber dieses Exemplar außergewöhnlich schön.

„Bald ist er so weit? Was heißt das?“, hakte sie nach und stützte sich mit den Armen auf den Zaun.

„Cade bildet hier erstklassige Pferde fürs Westernreiten aus“, erklärte Luke. „Und Nikki ist eine der besten Trainerinnen, die es dafür gibt.“

Die junge Frau tätschelte dem Tier den Hals und führte es zu ihnen an den Zaun. „Luke hat das übrigens mindestens genauso gut drauf“, bemerkte sie. „Er ist einfach zu bescheiden.“ Sie grinste ihm zu, dann reichte sie Josie die Hand. „Ich bin Nikki Thurman.“

Als Josie einschlug, spürte sie an der rauen, kräftigen Hand der Frau, dass sie nicht vor körperlicher Arbeit zurückschreckte. „Und ich heiße Josie Callahan. Ich bin für ein paar Wochen als Köchin im Haupthaus eingesprungen, als Vertret...

Autor

Meg Maxwell
<p>Melissa Senate hat viele Romane für Harlequin Enterprises und andere Verlage geschrieben, inklusive ihres ersten veröffentlichten Romans „See Jane Date“, der für das Fernsehen verfilmt wurde. Unter dem Pseudonym Meg Maxwell war sie auch Autorin von sieben in der Harlequin Special Edition-Reihe erschienenen Büchern. Ihre Romane werden in über fünfundzwanzig...
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Katie Meyer
<p>Katie Meyer kommt aus Florida und glaubt felsenfest an Happy Ends. Sie hat Englisch und Religion studiert und einen Abschluss in Veterinärmedizin gemacht. Ihre Karriere als Veterinärtechnikerin und Hundetrainerin hat sie zugunsten ihrer Kinder und des Homeschoolings aufgegeben. Sie genießt ihre Tage gerne mit der Familie, ihren vielen Haustieren, Downton...
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