Gefangen zwischen Misstrauen und Verlangen

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Ist sie eine Spionin? Oder plant sie gar Sabotage? Gio Valenti, Besitzer einer exklusiven Hotelkette, ist alarmiert: Stella White, die Tochter seines schärfsten Rivalen, ist in seinem Luxushotel in Rom abgestiegen. Gio sieht nur eine Möglichkeit herauszufinden, was sie im Schilde führt: Er sucht ihre Nähe! Dass er sich vom ersten Augenblick an zu dieser Schönheit hingezogen fühlt, macht seinen Plan hochriskant. Denn schon bald muss sich der italienische Milliardär zwischen quälendem Misstrauen und brennendem Verlangen entscheiden …


  • Erscheinungstag 23.12.2025
  • Bandnummer 2732
  • ISBN / Artikelnummer 9783751535281
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Annie West

Gefangen zwischen Misstrauen und Verlangen

1. KAPITEL

„Bereit?“

Stella sah ihrem Vater in die Augen, suchte nach Wärme oder Zustimmung. Aber Alfredo Barbieri zeigte wie immer keinerlei Gefühlsregung.

Jetzt mal ehrlich, was hatte sie denn erwartet? Überschwänglichen Dank? Eine herzliche Umarmung? Ganz bestimmt nicht. Das war nicht seine Art.

Sie befeuchtete sich die trockenen Lippen, wollte etwas sagen, aber er nickte nur ungeduldig und wandte sich der großen bogenförmigen Türöffnung zu.

„Ich …“ Stella suchte noch nach den richtigen Worten, da hakte er sie schon unter, nahm fest ihre Hand und setzte sich in Bewegung, sodass ihr nichts anderes übrig blieb, als ihm zu folgen.

Nach einem kurzen Seitenblick auf seine Tochter bemerkte er: „Ich wusste, dass du zur Vernunft kommst. Schließlich bist du eine Barbieri.“

Ein höheres Lob konnte es in seinen Augen nicht geben. Doch ihre innere Stimme flüsterte: Du bist keine echte Barbieri. Das wirst du auch nie sein.

Sie schüttelte den Kopf, wobei die schwere Spitze ihres Schleiers raschelte, der sie bei der drückenden Sommerhitze zu ersticken drohte. Wie sehr sie sich nach einer erfrischenden Brise sehnte!

Es ist nicht zu spät. Du kannst immer noch aussteigen.

Um was zu tun? Welche andere Zukunft gab es denn für sie?

Die Zukunft, von der sie geträumt hatte, war nichts gewesen als eine reine Fantasie. Der Traum war verpufft, und sie blieb mit einem gebrochenen Herzen zurück.

Das Leben war kein Wunschkonzert. Stella wusste aus bitterer Erfahrung, so etwas wie Glück war nur mit harter Arbeit und Akzeptanz der Realität zu erreichen.

Als sie ins kühle Innere der kleinen Barockkirche eintauchten, wurden ihre Zweifel beinahe übermächtig. Ebenso wie das Verlangen, nach draußen in den hellen, sonnigen Tag zu fliehen.

Stella blinzelte, um sich an das dämmrige Licht im Innern zu gewöhnen. Die Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt. Neugierige Gesichter wandten sich ihr zu, alle starrten sie an.

Sie spürte, wie ihr Vater sich vor Stolz in die Brust warf, während er sie gemessenen Schritts zum Altar führte, wobei er den anwesenden Gästen grüßend zunickte. Wie viele von ihnen kannte sie? Ein Dutzend? Zwei? Sie hatte keine Ahnung, wer die meisten dieser Menschen waren.

Ganz im Gegensatz zu ihrem Vater. Er hatte zusammen mit Eduardos Mutter die Gästeliste für die heutige Zeremonie sorgfältig zusammengestellt und dabei sicher nichts dem Zufall überlassen.

Ihr Blick huschte den langen Gang entlang zu dem Mann, der auf sie wartete. Eduardo Morosi. Er sah aus wie ein Cover-Model von GQ, mit dem dazu passenden umwerfenden Lächeln.

Stella atmete langsam ein und aus, um ihren rasenden Herzschlag zu beruhigen. Der süßliche Duft der unzähligen Blüten, mit denen die Kirche geschmückt war, verursachte ihr leichte Übelkeit.

Vergeblich. Ihr raste das Herz, und der Magen drehte sich ihr beim Geruch der Lilien um.

Ausgerechnet Lilien! Ihr Duft rief sofort eine Erinnerung an Verlust und Trauer wach. Sie dachte an den Tag, als sie verzweifelt am Sarg ihrer Mutter gestanden hatte.

Stella riss sich zusammen und rang sich ein Lächeln ab, von dem sie hoffte, dass es halbwegs echt wirkte.

Vor ihr liefen sechs kleine Blumenmädchen den Gang entlang, hübsch anzusehen in zartem Rosa. Das war nicht unbedingt Stellas Lieblingsfarbe, doch sie hatte Signora Morosi die Wahl gelassen. Sie und Eduardo waren sich einig, dass die heutige Zeremonie mehr für ihre Eltern als für sie selbst bestimmt war. Sie sollten das große Ereignis haben, nach dem sie sich so sehr sehnten. Bald würde es vorbei sein, und sie konnte sich endlich entspannen.

Doch je näher sie dem Altar kam, desto weniger entspannt fühlte sie sich.

Das langärmelige Spitzenkleid mit der langen Schleppe und dem schweren Satinfutter fühlte sich viel zu eng an, obwohl es eine Maßanfertigung war. Das Mieder schnürte ihr die Lungen ein, sodass ihr das Atmen schwerfiel. Ihr kunstvoll zu einer Hochsteckfrisur gelegtes Haar zog an ihrer Kopfhaut und würde ihr bald Kopfschmerzen bereiten.

Währenddessen verschlimmerte sich das flaue Gefühl in ihrem Magen. Nervosität, sonst nichts. War nicht jede Braut an ihrem Hochzeitstag nervös?

Obwohl – dies war keine gewöhnliche Hochzeit, und auch ihre Ehe würde nicht die Art von Ehe sein, die man für gewöhnlich erwartete. Doch das war ihr egal, für Stella würde sich alles erfüllen, wonach sie sich sehnte. Sie und Eduardo mochten und respektierten einander. Die Ehe mit ihm garantierte ihr Sicherheit und eine eigene Familie. Beides hatte sie seit dem Tod ihrer Mutter schmerzlich vermisst.

Und beruflich … Endlich würde sie die Chance bekommen, die sie nach Jahren harter Arbeit, Loyalität und hervorragender Leistungen verdiente.

Ihr Vater hatte es versprochen, nun musste er es nur noch einlösen.

Stella straffte die Schultern und richtete den Blick auf ihren zukünftigen Ehemann. Das zweite große Plus in ihrer Ehe würde Ehrlichkeit sein. Sie war ganz offen zu ihm gewesen und er zu ihr. Zu ihrer beider Überraschung hatte ausgerechnet diese Offenheit sie zusammengeführt.

Zu oft war Stella auf die Lügen und falschen Versprechungen anderer Menschen hereingefallen. Damit war jetzt Schluss.

Der Strauß zitterte in ihrer Hand. Stella umklammerte ihn fester und ignorierte den Schmerz in ihrer Brust.

Auf den vorderen Kirchenbänken entdeckte sie ihre Halbbrüder, mit ernsten Gesichtern und in eleganten Anzügen. Die Ehefrauen an ihrer Seite wirkten mit ihren verbissenen Mienen so, als rechneten sie im Stillen aus, wie viel Stellas Brautkleid wohl gekostet hatte.

Endlich hatte sie den vorderen Teil der Kirche erreicht, und ihr Vater gab sie frei, damit sie neben ihren zukünftigen Ehemann treten konnte. Eduardo lächelte beruhigend, und Stella wollte fest daran glauben, dass alles gut werden würde. Es würde funktionieren, ganz bestimmt. Als er die Hand um ihre schloss, zuckte sie nicht zurück. Sie verglich seine Berührung nicht mit der eines anderen Mannes, ganz bestimmt nicht.

Stella ignorierte das Summen in ihren Ohren und das Unbehagen, das die überdimensionalen Lilienarrangements ihr verursachten, drückte Eduardo die Hand und richtete den Blick auf den Priester.

Auch nach all den Jahren, die sie auf Sizilien lebte, empfand sie es immer noch als besondere Herausforderung, einem Gottesdienst zu folgen, obwohl sie die italienische Sprache inzwischen perfekt beherrschte. Heute versuchte sie erst gar nicht, sich auf die Worte des Priesters zu konzentrieren. Alles, was zählte, waren die Gelübde, die sie ablegen würden. Sie atmete tief durch, blendete alles um sie herum aus.

Deshalb merkte sie es auch erst zu spät.

Erst als der Priester verärgert an ihr vorbeischaute und Eduardo stirnrunzelnd den Kopf wandte, registrierte sie, dass die Zeremonie nicht nach Plan verlief.

In der Kirche wurde es abrupt still. Dann erklang ein Rascheln, ein Flüstern, das im hinteren Teil der Kirche einsetzte und dann an Intensität zunahm.

Jemand kam näher, das spürte sie am plötzlichen Kribbeln in ihrem Nacken. Auf einmal schien die Atmosphäre wie aufgeladen.

Ihr Herz machte einen Satz, und sie schnappte nach Luft.

Sei nicht albern, dachte sie. Wer auch immer diese Unterbrechung verursachte, es war ganz bestimmt nicht …

„Was wollen Sie hier?“, bellte ihr Vater. „Das ist eine private Familienfeier.“

„Privat? Wohl kaum“, erklang eine tiefe Stimme. „Sie haben die halbe Insel eingeladen.“

Stella erstarrte. Ihr Herz machte einen Sprung. Das konnte nicht sein. Das war völlig unmöglich …

Sie griff sich mit der Hand an die Brust, ihr Blick traf Eduardos. Sie las darin Besorgnis und Schock. Was las er wohl in ihrem?

Wut. Etwas anderes konnte es nicht sein, trotz des erschreckenden Durcheinanders ihrer Gefühle.

Was für eine Frechheit, ihre Hochzeit zu stören! Dieser unerträglich unverschämte Kerl!

Sie raffte ihre schweren Röcke und wirbelte aufgebracht herum. Ihr raste der Puls, als ihr Blick auf den Mann wenige Schritte entfernt fiel.

Allein sein Aufzug … Abgewetzte, verblichene Jeans, die sich um seine kräftigen Oberschenkel schmiegten, schwarzes T-Shirt und Lederjacke. Das Haar zerzaust, das Gesicht unrasiert. Als wäre es nicht schon schlimm genug, die Hochzeitszeremonie zu stören, wirkte sein lässiges Äußeres wie eine zusätzliche Beleidigung.

Stella gab sich alle Mühe, sich immun zu machen gegen den Anblick seiner hochgewachsenen Gestalt, seiner breiten Brust und der kräftigen Schultern. Sie ignorierte seine fein gemeißelten, viel zu attraktiven Züge, schaute ihm stattdessen in die Augen. Nie im Leben hatte sie so viel Kälte im Blick eines Menschen gesehen.

Kälte und gleichzeitig etwas wild Loderndes, das sie zu versengen schien. Kalter Zorn.

Was bildete er sich ein! Als ob er einen Grund gehabt hätte, über irgendetwas wütend zu sein!

„Ah, die errötende Braut. Und ganz in Weiß gekleidet. Was für ein Klischee.“

Früher hätte sein arrogantes Grinsen sie verletzt. Doch jetzt war sie viel zu benommen, um auch nur irgendetwas zu empfinden.

„Hören Sie zu, Valenti, Sie sind hier nicht willkommen.“ Ihr Vater stürmte nach vorne, die großen Hände zu Fäusten geballt. Ihre Halbbrüder sprangen von ihren Plätzen und bauten sich drohend hinter ihm auf.

Giancarlo Valenti ignorierte sie. Nichts deutete darauf hin, dass ihn die drei massigen Gestalten auch nur im Geringsten beeindruckten.

Stella öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Eduardo kam ihr zuvor. „Ich muss Sie bitten, zu gehen. Wenn Sie meiner Frau und mir gratulieren möchten, warten Sie bitte draußen.“

„Aber sie ist doch noch nicht Ihre Frau, oder?“

Ihr Vater begann zu fluchen, doch Eduardo sprach ruhig weiter. „Ich habe keine Ahnung, was Sie hier wollen, aber …“

„Wirklich nicht?“

Giancarlo verzog die Lippen zu einem gefährlichen Grinsen. Stella hasste sich dafür, dass sie ihn trotzdem noch attraktiv fand. Er war der beste Beweis dafür, dass gutes Aussehen nicht zwingend mit einem guten Charakter einherging.

Sie hob das Kinn, schleuderte mit ihren Blicken winzige Messer in seine Richtung. Wenn Blicke töten könnten, hätte er sich jetzt in einen Haufen glühender Asche zu ihren Füßen verwandelt.

„Nein“, sagte sie laut und deutlich. „Mir fällt kein Grund ein, warum du hier sein solltest.“

Plötzlich, ohne Vorwarnung, entwich ihre Energie wie die Luft aus einem geplatzten Ballon. Sie konnte einfach nicht mehr.

Die letzten Monate waren entsetzlich gewesen. Sie hatte sich eingeredet, sie müsse nur die Hochzeit überstehen, dann käme alles in Ordnung. Doch nun hatte sie auf einmal keine Kraft mehr. Ihr wurden die Knie weich, sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. „Gehen Sie, Signor Valenti.“

Sie wollte ihm den Rücken zukehren, hielt aber inne, als er antwortete, und zwar so laut, dass alle es hören konnte: „So leicht wirst du mich nicht los. Ich bin hier, um diese Farce zu beenden.“

Im nächsten Moment brach Tumult aus, als ihr Vater sich auf den Eindringling stürzte. In letzter Sekunde konnte Eduardo ihn stoppen, packte mit eisernem Griff seinen zum Schlag erhobenen Arm. „Willst du es noch schlimmer machen, Barbieri? Du spielst ihm doch nur in die Hände, wenn du ihn schlägst“, zischte er ihrem Vater zu.

Jetzt eilten auch ihre Halbbrüder zu Hilfe, wenn auch zu spät, und hielten ihren Vater fest.

Eduardo, kultiviert und unerschütterlich wie immer, strich sich mit den Fingern durch seine makellose Frisur. Er schüttelte den Kopf, sah sie an und murmelte: „Wir müssen das unter vier Augen besprechen. Pater?“, wandte er sich an den aufgeregten Priester. „Irgendwo müssen wir doch reden können.“

„Dafür ist es zu spät.“ Die Augen des Eindringlings funkelten wild. „Sie werden sie sie nicht heiraten. Sie gehört mir.“

Empört keuchte Stella auf und funkelte ihn wütend an, die Hände in die Hüften gestemmt.

„Wofür hältst du dich? Einen Fürsten aus dem Mittealter? Ich bin nicht das Eigentum eines Mannes.“

Obwohl ihr Vater sie genau so behandelt hatte, wie eine Ware, mit der man Handel treiben konnte.

„Raus hier!“, fauchte sie. „Du bist hier nicht willkommen.“

Seine Augen blitzten. „Oh, ich verschwinde sofort. Und du kommst mit mir.“ Mit eisernem Griff umschloss er ihren Arm.

Wieder brach aufgeregter Tumult in der Kirche los, alle schrien durcheinander und drängten sich nach vorne. Völlig ungerührt davon erklärte er ruhig: „Glaubst du wirklich, ich lasse zu, dass du einen anderen Mann heiratest, wenn du mit meinem Kind schwanger bist?“

Die Worte schlugen ein wie eine Bombe. Aller Blicke richteten sich auf sie. Ihr Vater lief dunkelrot an, das Gesicht verzerrt vor Zorn und Verachtung.

Stella schüttelte den Kopf. Das konnte doch nicht wahr sein. Das war unmöglich.

Verzweifelt suchte sie Eduardos Blick, doch bevor einer von ihnen beiden sich rühren konnte, hatte Giancarlo Valenti sie schon fest an sich gezogen.

Wer würde ihn jetzt noch aufhalten können, da er doch um sein Kind kämpfte?

Alle verstummten, einige wichen zurück. Den Moment nutzte Valenti, um den Gang entlang zum Ausgang zu eilen, wobei er Stella wie in einem Schraubstock gefangen hielt. Sie hatte Mühe, in ihrer schweren Robe mit ihm Schritt zu halten, während sie gleichzeitig versuchte, sich aus seinem eisernen Griff zu befreien. Erst draußen gelang es ihr, ihm gegen das Schienbein zu treten, doch es nutzte alles nichts.

Bevor sie einen weiteren Befreiungsversuch starten konnte, fand sie sich plötzlich neben einer langen schwarzen Limousine mit dunkel getönten Scheiben wieder. Ein bulliger Kerl mit dunkler Brille und schwarzem Anzug hielt die hintere Tür auf.

Endlich gelang es Stella, ihrem Entführer einen weiteren heftigen Tritt zu versetzen, indem sie ihm ihren hohen Absatz auf den Rist stieß. Als er vor Schmerz aufschrie und sie abrupt losließ, warf sie ihm einen triumphierenden Blick zu.

Vor Anstrengung keuchend wich sie einen Schritt zurück. Dass er keinen Versuch unternahm, sie festzuhalten, brachte sie kurz aus dem Konzept. Sie konnte nicht recht glauben, dass er sie nach dem Auftritt in der Kirche einfach so gehen lassen würde.

„Wie hättest du’s denn gern, Stella? Sollen wir das unter vier Augen klären? Oder ziehst du es vor, die Diskussion in aller Öffentlichkeit auszutragen?“

Hinter ihnen ertönte aufgeregtes Gemurmel, es war wie eine tosende Welle, die auf sie zurollte.

Oh, wie gern hätte sie ihm sein selbstgefälliges Grinsen mit einer Ohrfeige aus dem Gesicht gewischt!

Sie straffte die Schultern. „Du … du Mistkerl! Ich hatte keine Ahnung, was es bedeutet, jemanden zu hassen, bevor ich dich kennengelernt habe.“

Selbstgefällig, wie er war, ließen ihn ihre Worte vermutlich völlig kalt. Es interessierte ihn nicht, was andere über ihn dachten. Sie schluckte schwer. Was sollte sie nur tun?

Seufzend raffte sie die Röcke, kletterte in die Limousine und ließ sich ergeben auf den Rücksitz fallen.

2. KAPITEL

Vierzehn Wochen zuvor

„Du wünschst dir also mehr Autonomie, Stella?“ Alfredo Barbieri lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl aus Leder zurück, die Ellbogen auf die Lehnen gestützt, die Finger unter dem Kinn verschränkt. Die buschigen Augenbrauen zog er vor Missbilligung zusammen. „Nicht genug, du verlangst, dass ich dir ein Hotel überlasse. Ein Hotel!“

Dieser spezielle finstere Blick war dazu bestimmt, Menschen mundtot zu machen. Meistens kam er damit durch.

Jahrelang hatte Stella alles versucht, um dem Mann, den sie erst mit zehn Jahren kennengelernt hatte, zu gefallen.

Anfänglich hatten Trauer, Dankbarkeit und der Wunsch, dazuzugehören, sie motiviert. Im Lauf der Jahre lernte sie, dass es einfacher war, dem Jähzorn ihres Vaters aus dem Weg zu gehen, indem sie sich durch nichts provozieren ließ, hart arbeitete und sich anstrengte, um sich in ihre neue Familie einzufügen. Sie tat so, als ob sie die Kränkungen und absichtlichen Ausgrenzungen nicht bemerken würde.

Aber irgendwann hatte auch sie genug. Sich anpassen, okay, aber sie hatte keine Lust, den Fußabtreter zu spielen. Es wurde höchste Zeit, sich durchzusetzen.

„Ein kleines Hotel, Papà. Und …“, fuhr sie sanft fort, als er sie unterbrechen wollte, „… du weißt genau, dass ich das schaffe. Ich bin so weit.“

Seit ihrem vierzehnten Lebensjahr hatte sie stundenweise in seinen Hotels gejobbt. Nachdem sie die Schule abgeschlossen hatte, war sie als Vollzeitkraft ins Familienunternehmen eingetreten und hatte gleichzeitig ein Wirtschaftsstudium absolviert. Sie hatte das Geschäft von der Pike auf gelernt.

„Du hast selbst gesagt, dass ich mich bewährt habe. Das Feedback zu meiner Leistung …“

„Ja, ja.“ Gelangweilt winkte er ab. „Das weiß ich alles.“

„Ich bin älter, als Enzo und Rocco es waren, als du ihnen die Verwaltung eines Hotels anvertraut hast.“

Ihr Vater legte die Handflächen auf den Schreibtisch und beugte sich mit grimmiger Miene vor. „Glaubst du, du hast es verdient, dass ich dir einen solchen Vorteil verschaffe?“

Ihre Halbbrüder wären mit Sicherheit dagegen. Als uneheliche Tochter einer fremden Frau hatten sie sie nie als echtes Familienmitglied akzeptiert. Nicht einmal die Tatsache, dass ihr Vater jahrelang Witwer gewesen war, bevor Stella während einer kurzen Affäre gezeugt worden war, konnte ihre Abneigung gegen die Halbschwester mildern.

Stella lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und ließ sich Zeit mit ihrer Antwort. Ihr Vater verachtete Leute, die nicht genug Mumm besaßen, sich ihm entgegenzustellen.

„Ja. Ich habe es verdient.“

Die Tochter von Alfredo Barbieri zu sein, war ein zweischneidiges Schwert. Sie kannte das Business wie ihre Westentasche, denn ihr Vater lebte und atmete es. Sie war mehr als qualifiziert, sowohl akademisch als auch durch ihre Erfahrung.

Gleichzeitig musste sie, weil sie die Tochter des Chefs war, härter und länger arbeiten, um sich zu beweisen.

Ihr Vater hatte ihr bereitwillig ausreichend Mittel für Dinge wie ein Auto oder ein Essen in den besten Restaurants zur Verfügung gestellt, da dies dem Ansehen der Familie zugutekam. Aber er zahlte ihr weiterhin nur einen Hungerlohn. Als würde sie immer noch Bäder putzen, anstatt eine erfolgreiche Werbekampagne für ein frisch renoviertes Hotel zu entwerfen oder die Entwicklung eines VIP-Reise-Concierge-Services zu leiten.

„Du bist ganz schön selbstbewusst, oha.“

„Ich weiß, was ich wert bin, und du weißt es auch.“

Er sagte nichts, hob nur die Augenbrauen. Stella zuckte die Schultern, gab sich möglichst gelassen, während ihr die Anspannung in den Nacken kroch. Sie hatte sich so lange auf dieses Gespräch vorbereitet, dass sie nicht klein beigeben würde, auch wenn ihr vor Aufregung ganz übel war.

„Andere haben meine hervorragende Arbeit ebenfalls bemerkt. Nur zur Info, ich habe jede Menge Angebote von der Konkurrenz bekommen.“

Abrupt hieb ihr Vater mit der Faust auf die Schreibtischplatte. „Kein Barbieri arbeitet für die Konkurrenz, das lasse ich nicht zu! Ist das deine Vorstellung von Loyalität gegenüber der Familie? Nach allem, was ich für dich getan habe?“

„Aber ich bin doch keine Barbieri, oder?“, gab sie herausfordernd zurück. Trotz all ihrer Bemühungen, sich einzufügen, gehörte sie bis heute nicht wirklich zur Familie. Das ließen sie alle spüren.

Rasch verscheuchte sie die trüben Gedanken. Sie war kein kleines, unsicheres Mädchen mehr.

„Du weißt, dass ich loyal bin. Sonst würde ich längst in Rom arbeiten. Oder …“

Ihr Vater kniff die Augen zusammen. „Wer hat versucht, dich abzuwerben? Etwa Valenti?“, spie er hasserfüllt aus.

Stella schüttelte den Kopf. Zwar wusste sie nicht, warum ihr Vater mit Giancarlo Valenti verfeindet war, aber schon die Erwähnung seines Namens verdarb Alfredo regelmäßig die Laune. Das konnte sie jetzt nicht gebrauchen.

„Ich habe den Mann noch nie getroffen. Und ich verlange nur dasselbe, was du meinen Brüdern zugebilligt hast.“

„Aha, du erwartest also ein Almosen, weil du zur Familie gehörst.“

Ein selbstgefälliges Lächeln umspielte seine Lippen, als hätte sie endlich die Katze aus dem Sack gelassen.

Dieser alte Fuchs! Ständig drehte er einem das Wort im Mund um. Doch davon durfte sie sich nicht aus dem Konzept bringen lassen, sonst hätte sie verloren. „Ich möchte nur die Chance, zu zeigen, was ich kann.“

Ihre Arbeit war besser als die von Enzo oder Rocco, obwohl sie viel jünger war. Doch ihr Vater hatte sich immer geweigert, das zuzugeben.

„Eine Chance für dich und für die Firma“, bohrte er nach. „Ist es das, was du sagen willst? Weil du dich für Barbieri Enterprises engagierst?“

„Ganz genau.“

Er lehnte sich zurück, seine Augen funkelten listig. In Stellas Bauch rumorte es. Sein Lächeln machte sie nervös.

„Ausgezeichnet. Du hast hart gearbeitet, Stella. Glaube nicht, das wäre mir entgangen. Und jetzt sollst du die Gelegenheit kriegen, dein Engagement für das Unternehmen und die Familie unter Beweis zu stellen.“

Unbehagen kroch ihr über den Rücken. „Du sprichst doch nicht von dem Hotel in Taormina, oder?“

Mit einer kräftigen Finanzspritze und einer Vision könnte aus dem neu erworbenen Hotel ein Schmuckstück werden. Und dieses Kunststück wollte sie vollbringen. Das wäre ihr Sprungbrett in die Führungsetage des Unternehmens und in die Zukunft, für die sie so hart gearbeitet hatte. Doch ihr Instinkt warnte sie, dass ihr Vater noch etwas anderes im Sinn hatte.

Er wedelte lässig mit einer Hand. „Das Hotel gehört dir, das Budget, das du für die Renovierung benötigst, ebenfalls. Unter einer Bedingung.“

Aha, jetzt kam er zur Sache.

Sie hätte wissen müssen, dass er die Hürden für sie doppelt so hoch legen würde wie für ihre Halbbrüder. Das war schon immer so gewesen.

Sie stützte ihre Hände auf die Lehnen ihres Stuhls und blickte ihrem Vater furchtlos entgegen. „Welche Bedingung?“

„Du wirst heiraten und damit unsere Verbindung zu den Morosis festigen.“ Zufrieden rieb er sich die Hände. „Eduardo Morosi ist Alleinerbe eines Bankimperiums. Reich, aristokratisch und auf der Suche nach einer Frau. Stell dir vor, was wir mit dem Vermögen und den Verbindungen der Familie Morosi alles machen könnten.“

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