Kettenhemd und zarte Haut

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England, 1250. Um sein gestohlenes Land zurückzugewinnen, kehrt Ritter Robert of Penrith aus dem Exil zurück: Damit seine Nachfahren wieder rechtmäßige Besitzer von Penrith werden können, will er die Tochter seines Feindes erobern und heiraten. Zu seiner Überraschung bietet ihm seine gute Freundin Morwenna dabei ihre Hilfe an. Doch ein einziger heißer Kuss zwischen ihnen entfacht ein verhängnisvolles Verlangen, das alle Pläne gefährdet. Denn die arme Müllerstochter zu lieben, heißt, sein Land für immer zu verlieren. Sie dagegen nicht zu lieben, bedeutet ein Leben im Unglück. Es scheint keinen Ausweg zu geben …


  • Erscheinungstag 23.12.2025
  • Bandnummer 443
  • ISBN / Artikelnummer 9783751531795
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Michelle Willingham

Kettenhemd und zarte Haut

PROLOG

England, 1205

Sie würden alle sterben.

Robert of Penrith starrte auf die anderen Gefangenen. Die Waffenknechte hatten vier von ihnen zusammengekettet, während sie weiter in südlicher Richtung fuhren. Eine schwere Plane auf dem Karren schirmte sie von der Umgebung ab, und die massive Tür war von außen verriegelt.

Eine lähmende Stille senkte sich herab, denn sie alle waren starr vor Angst. Niemand von ihnen vermochte zu sagen, ob ihre Familienangehörigen den Überfall überlebt hatten, aber die Burg hatte schweren Schaden genommen. Nie würde Robert den Qualm oder die sengende Hitze vergessen, nachdem die Kämpfer des Königs Feuer gelegt hatten. Gewiss, die steinernen Außenmauern würden stehenbleiben, doch im Innern der Burg war alles in Flammen aufgegangen.

Die Schreie hallten immer noch in seinem Kopf nach. Männer waren gestorben, durchbohrt von Schwertern. Frauen hatten unter Qualen geschrien, ehe auch sie neben den Männern hingeschlachtet wurden. Clarine, die zweite Gemahlin seines Vaters, hatte ihm eindringlich geraten sich zu verstecken, um am Leben zu bleiben. Robert drehte sich vor Scham der Magen, denn er hatte auf ihre Worte gehört. Er war kein Kämpfer, und jetzt verfluchte er sich dafür, ein Feigling zu sein. Selbstverachtung durchflutete ihn, aber er war nun einmal davongelaufen, ohne zu wissen, was aus seiner Stiefmutter geworden war. Oder aus all den anderen. Aber Clarine hatte recht gehabt – er war es seinen Leuten schuldig, zu überleben, um eines Tages Vergeltung zu üben.

Jetzt, da der König angegriffen und den Earl of Penrith, Roberts Vater, seiner Ländereien beraubt hatte, war Degal zweifellos tot. Bei dieser kalten Gewissheit schnürte sich Robert die Kehle zu, und er schloss die Augen.

Du hast kein Recht, Trauer zu verspüren oder Angst zu haben. Du musst stark sein und dich um deine Leute kümmern.

Er atmete bewusst gleichmäßig und zwang sich, Ruhe zu bewahren. Jetzt war nicht die Zeit, über das Schicksal seiner Familie nachzudenken. Furcht würde ihm nicht zur Flucht verhelfen. Er musste den gegenwärtigen Ort der Gefangenschaft genau betrachten und einen Weg nach draußen finden.

Robert war immer schon gut darin gewesen, Dinge auseinanderzubauen und wieder zusammenzusetzen. Wieso sollte es ihm also nicht gelingen, aus diesem Karren zu fliehen, vorausgesetzt, seine Mitgefangenen gingen ihm zur Hand? Die junge Frau oder ihren kleinen Bruder hatte er noch nie zuvor gesehen, da er die meiste Zeit für sich im Bergfried verbracht hatte, aber dafür kannte er Piers ziemlich gut.

„Das ist alles deine Schuld!“, fuhr ihn sein Halbbruder an. „Du bist der Grund, warum sie uns entführt haben.“ Er zerrte an seinen Ketten, und Robert zweifelte nicht daran, dass Piers ihn erwürgen würde, wenn er nur könnte. Sein Bastard-Halbbruder hatte seine Wut immer wie einen unsichtbaren Schild getragen, und er war stets der Erste, die Fäuste sprechen zu lassen, selbst wenn er den Kampf meistens verlor.

Nicht, dass Robert besser kämpfen konnte. Als Kind war er kränklich gewesen, und Clarine hatte ihn gezwungen, im Haus zu bleiben. Daher hatte er Stunden mit seinen Buchrollen zugebracht und sich Wissen angeeignet, während die anderen Jungen mit den Holzschwertern geübt hatten. Jetzt indes wünschte er, er hätte auf seinen Vater Degal gehört, denn dann wüsste er jetzt wenigstens, wie man mit einem Schwert oder Dolch umging.

„Die werden uns nicht töten“, log Robert. „Denn sonst wären wir schon längst tot.“ Doch in Wahrheit hatte er keine Ahnung, was nun geschehen würde oder warum man sie gefangen genommen hatte.

Es sei denn, sie waren die einzigen Überlebenden.

Diesen Gedanken verscheuchte er sogleich wieder. Es gab keinen ersichtlichen Grund, die Bediensteten oder die Dorfbewohner umzubringen. Der König hatte Anspruch auf die Burg erhoben, in der Robert aufgewachsen war, und brauchte daher Dutzende Leibeigene, die das Land bestellten. Aber wieso hatten sie dann die junge Frau und ihren kleinen Bruder mitgenommen? Robert hatte die beiden nie im Bergfried wahrgenommen, daher konnte er sich nicht erklären, wie man Bruder und Schwester als Druckmittel einzusetzen gedachte.

Der jungen Frau hing das Haar ins Gesicht, es fiel ihr üppig auf die Schultern, als hätte sie es zu Zöpfen geflochten, die sich gelöst hatten. Robert vermochte nicht viel über sie zu sagen, außer dass ihr fröstelte, denn sie schlang sich beide Arme um den Leib. Ihre Kleidung war schlicht, sie trug einen eher unförmigen, kittelartigen Rock aus ungefärbter Wolle, was bedeutete, dass sie zu den Leibeigenen gehörte.

Ihr kleiner Bruder sah ganz blass aus, als befürchtete er, jeden Moment sterben zu müssen. Und er hatte allen Grund, Todesängste auszustehen.

„Die werden uns foltern“, fuhr Piers fort und zog, so fest er konnte, an seinen Ketten. „Und dann werden sie uns benutzen, um unseren Vater zu zwingen, das zu tun, was der König verlangt.“

Robert war überrascht, dass sein Halbbruder offenbar davon ausging, ihr Vater sie noch am Leben. Nach dem brutalen Angriff auf Penrith konnte Robert sich kaum vorstellen, dass Degal zu den Gefangenen gehörte. Auf der anderen Seite hatte Piers nicht ganz unrecht. Dem König zu trotzen, war das eine – es war aber ganz etwas anderes, herausfordernd aufzutreten, während jemand anders gefoltert wurde. Bei dem Gedanken zog sich Robert der Magen zusammen, und erneut erfasste ihn Furcht.

„Hört auf damit“, flehte die junge Frau. „Ihr macht Brian Angst.“

Doch auch in ihrer Stimme schwang Furcht mit. Robert sah, wie angespannt sie dort kauerte, als wolle sie sich abschirmen. Ihrem Tonfall lag ein Schmerz zugrunde, und Robert fragte sich, ob die junge Frau im Verlauf des Überfalls verletzt worden war. Schon wollte er sich erkundigen, ob es ihr gut gehe, überlegte es sich dann aber anders, da sie ihm wie ein verwundetes Tier vorkam, das er nicht einschätzen konnte.

„Brian sollte vielleicht wirklich Angst haben“, gab Piers scharf zurück. „Und du auch, Morwenna.“

„Genug“, fuhr Robert leise dazwischen. „Wenn wir uns jetzt streiten, kommen wir nie von diesem Karren.“

Das drückende Schweigen verstärkte den Schrecken nur noch, den sie alle verspürten. Sie mussten einen Fluchtweg finden, es war ihre einzige Chance, am Leben zu bleiben.

Robert zwang sich erneut, Ruhe zu bewahren. Er schätzte, dass sie inzwischen gut eine Stunde unterwegs waren, was bedeutete, dass sie nicht mehr weit von Colford Abbey entfernt sein konnten – von jener Abtei, in der sein Onkel Oswald als Pater lebte. In Gedanken begann er, sich einen Plan zurechtzulegen, auch wenn die Einzelheiten noch keine Gestalt angenommen hatten. Es war zu dunkel, um draußen etwas erkennen zu können, doch er versuchte sich zu vergegenwärtigen, wie die Tür des Karrens beschaffen war. Gewiss war sie von außen verriegelt, doch es handelte sich nicht um eine solide Eichentür oder ein ehernes Tor in einem Verlies. Die Wagenbespannung bestand aus grobem Tuch und ruhte auf einem Gerüst aus gebogenen Holzsparren, aber die Scharniere der Tür wiesen keine festen Bolzen, sondern Stifte auf. Robert musste lediglich einen Weg finden, um diese Stifte herauszuschlagen.

„Wir müssen die Tür dort aushebeln, ehe wir für die Nacht haltmachen“, raunte er den anderen zu. „Dann verstecken wir uns im Wald und suchen Unterschlupf in der Abtei.“ Der Plan hörte sich gut in seinen Ohren an. Allerdings mussten sie fliehen, solange der Karren noch in Bewegung war.

„Und wie willst du das anstellen?“, höhnte sein Halbbruder. „Etwa mit Zauberei? Diese Tür kannst du nicht von innen öffnen.“

„Aber ich kann versuchen, sie an den Scharnieren auszuhebeln. Vielleicht reicht schon ein Scharnier.“ Robert versuchte zuversichtlich zu klingen, wusste indes nicht, wie ihm das Vorhaben ohne Werkzeug gelingen sollte.

„Was ist mit den Wachen?“ Brians Stimme klang brüchig. „Wir haben doch keine Waffen.“

„Doch, haben wir.“ Morwenna hob ihre Ketten an. Ihre Stimme klang eisig, als sie weitersprach. „Wenn es einer wagt, uns anzugreifen, werde ich ihn hiermit erdrosseln.“ Der Verbitterung in ihrer Stimme konnte man entnehmen, wie viel Hass sich in dieser Frau aufgestaut hatte. Eines musste man ihr lassen: Auch wenn sie keinem der Entführer körperlich gewachsen war, so besaß sie doch einen starken Willen.

Robert hatte den Platz mit dem Jungen getauscht und besah sich die beiden Scharniere genauer. Sein Gefühl verriet ihm, dass es ihm gelingen müsste, die Stifte zu entfernen, wenn er nur einen Gegenstand fand, mit dem er sie heraushebeln könnte. Rasch blickte er sich um und sah, dass am Ende der Ladefläche des Karrens ein Stück Holz wie ein Splitter vorstand. Robert streckte die Hand danach aus und riss den Splitter ab, auch wenn er sich dabei an der Hand verletzte. Ohne groß über den stechenden Schmerz nachzudenken, setzte er den Splitter am unteren Scharnierstift wie einen Hebel an.

„Das wird nichts“, grummelte Piers.

Doch Robert achtete nicht weiter auf ihn und benutzte seine eherne Fessel wie einen Hammer, um den Splitter weiter unter den Stift zu treiben. Gut möglich, dass es nicht klappte, aber das war sein einziger Plan. Wieder setzte er den Splitter an und schlug zu. Doch der Stift im Scharnier rührte sich nicht. Eiskalte Luft drang von außen herein, Roberts Hände waren halb taub. Noch einmal schlug er mit der Kette, mit der man ihn an den Händen gefesselt hatte, gegen den Stift, und plötzlich, wie durch ein Wunder, sprang der Stift aus dem Scharnier. Robert wollte bereits den zweiten Stift lockern, als der Karren zum Stehen gebracht wurde. Von außen machte sich jemand an der Tür zu schaffen, die kurz darauf aufschwang.

Zwei Waffenknechte tauchten auf, einer der beiden hatte sein Messer gezückt. Robert wich sofort zurück, wobei er den Scharnierstift vor den Blicken der Wachen verbarg.

„Hör auf mit dem Krach!“, verlangte der Wächter und drohte ihm mit dem Messer. Dann kletterte er in den Karren, wandte sich halb zu seinem Begleiter um und fügte hinzu: „Ich sorge schon dafür, dass sie still sind.“

Es war so düster, dass Robert das Gesicht des Mannes nicht sehen konnte, aber seine Anspannung nahm zu. Die Tür wurde wieder von außen zugedrückt, allerdings hörte man nicht das schabende Geräusch des Riegels. Alle schwiegen bedrückt, und im nächsten Moment setzte sich der Karren wieder in Bewegung.

„Du bist ja eine ganz Hübsche, wie?“, sagte der Waffenknecht zu Morwenna. Sie antwortete darauf nicht und hielt den Kopf gesenkt. Der Mann griff ihr unsanft ins Haar und riss ihren Kopf zurück, sodass sie vor Schmerz aufschrie.

Unweigerlich schloss sich Roberts Hand fester um den Holzsplitter. Der Kämpfer des Königs war unmittelbar neben ihm, doch Robert wusste nicht, wie er die junge Frau beschützen sollte. Zumal der Wächter ein Messer in der Hand hielt.

Seine erste Eingebung lautete, sich bloß nicht einzumischen, da er nur den Zorn des Wächters auf sich ziehen würde. Und niemand vermochte einzuschätzen, ob Morwenna dann noch mehr darunter zu leiden hätte. Aber andererseits konnte Robert nicht einfach nur zuschauen, wenn jemand anders in Gefahr war …

Während er noch überlegte, wie er der Frau am besten helfen könnte, bemerkte er, dass sie die Kette an ihren Händen fest umklammert hielt – offenbar hatte sie sich auf das Schlimmste eingestellt, aber Robert bezweifelte, dass sie dem Waffenknecht gewachsen war.

Im selben Augenblick berührte Piers ihn an der Schulter, und als Robert sich seinem Halbbruder zuwandte, sah er, wie dieser stumm auf die Tür des Karrens zeigte. Das Scharnier hatte sich weiter gelockert, weil der Weg so uneben war und der Karren heftig durchgeschüttelt wurde. Die Tür hing vollkommen schief in den Angeln. Mit etwas Glück würde ihnen jetzt die Flucht gelingen.

Aber man hatte sie alle an einer langen Kette zusammengebunden, sie könnten nur gemeinsam von dem Karren springen, und sobald einer von ihnen strauchelte, kämen die anderen nicht mehr schnell voran.

„Dann wirst du doch bestimmt nichts gegen einen Kuss einzuwenden haben, wie?“, höhnte der Wächter und streckte bereits die Hand nach der Frau aus. „Oder muss ich dir erst dein hübsches Gesicht mit dem Messer verunstalten?“

„Fass mich nicht an“, entfuhr es ihr im Flüsterton.

Der Wächter schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht, und Morwenna schrie auf.

In diesem Moment hasste Robert sich selbst. Spätestens jetzt hätte er den Wächter angreifen müssen, um die Frau zu retten, aber er hatte in seinem ganzen Leben noch gegen niemanden kämpfen müssen und wusste überhaupt nicht, wie er das anstellen sollte.

Dann spürte er den Splitter, um den sich seine Hand geschlossen hatte. Im selben Moment vernahm er ein leises Klirren, es kam von der Kette, die in Morwennas Händen ruhte. Und plötzlich ahnte Robert, dass die junge Frau ihren Peiniger ganz bewusst an sich heranließ.

„Ich kann dich anfassen, wie es mir passt, du kleines Luder“, kam es knurrend von dem Wächter.

Als er sich auf sie stürzte, schlang Morwenna ihm mit einer geschickten Drehung die Kette um den Hals und zog. Doch sie war nicht kräftig genug, um dem Mann tatsächlich die Luft abzudrücken, daher gelang es ihm, sich aus den Kettengliedern herauszuwinden.

„Das war gar nicht klug, du Biest!“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Dafür wirst du sterben!“

Robert konnte nicht länger untätig herumstehen – aber er ahnte, dass es böse enden würde. Dieser Wächter hatte das Töten gelernt, während Robert lediglich anderen Rittern beim Kämpfen zugesehen hatte. Verzweifelt überlegte er, was er tun könnte, und näherte sich dem Waffenknecht von hinten.

„Nein!“, kam es Morwenna in flehendem Ton über die Lippen, als der Wächter grob am Kragen ihres schlichten Kleids riss. Sie versuchte, weiter vor dem Mann zurückzuweichen, und in diesem Moment verspürte Robert, wie ihn eine ungeahnte Ruhe überkam. Jegliches Denken trat in den Hintergrund, es gab kein Abwarten oder Abwägen mehr – nur noch den Drang, zu handeln.

Und ehe er weiter darüber nachdenken konnte, holte Robert zum Schlag aus und rammte dem Wächter den Holzsplitter in den Hals. Warmes Blut rann ihm über die Finger, ehe der Wächter sich ihm halb zuwandte, beide Augen weit vor Schreck und Entsetzen aufgerissen.

Schon war Piers aufgesprungen, hatte dem Mann das Messer entwendet und stach damit zu – die Klinge bohrte sich tief in die Brust des Wächters. Kraftlos sackte der Mann auf die Bodenplanken des Karrens und blieb reglos liegen.

Einen Moment lang war Robert wie gelähmt und starrte auf den leblosen Körper, doch dann wandte er sich der jungen Frau zu. „Alles in Ordnung?“

Morwenna nickte und versuchte, ihr halb zerrissenes Kleid zu richten. „Wir müssen hier raus“, wisperte sie dann.

Robert wusste, dass sie recht hatte. Sie alle konnten nur überleben, wenn sie jetzt sofort handelten. Die Tür hing immer noch schief in den Angeln, und bei jeder Unebenheit, den die Karrenräder mitnahmen, lösten sich die Scharniere weiter. Draußen war es so dunkel, dass man kaum etwas sehen konnte, doch nun drängten sie sich zu viert an der lockeren Tür.

„Wir müssen zusammen springen“, betonte Robert leise, „und dann laufen wir in den Wald.“

„Aber wenn die uns wieder einfangen?“, fragte Brian voller Angst.

„Wir dürfen uns nicht fangen lassen“, kam es leise von Piers, der die Klinge an der Tunika des toten Wächters abwischte und das Messer dann einsteckte. Morwenna sah bleich aus, als sie zu ihnen trat und sich das halb zerrissene Mieder an die Brust drückte. Robert nahm seinen Umhang ab und reichte ihn der jungen Frau.

„Danke“, wisperte sie.

Sie bedeckte sich damit, und kurz darauf zählte Robert leise vor: „Bei drei springen wir, also, eins, zwei, drei …“

Gemeinsam sprangen sie von dem fahrenden Karren und landeten im Schneematsch. Als sie sich dann aufrappelten und in Richtung Wald flüchteten, spürte Robert, wie ihm die Luft in den Lungen brannte. Keiner schaute zurück, sie rannten um ihr Leben.

Während sie im Dunkel der Nacht verschwanden, schwor Robert sich im Stillen, von nun an zu lernen, wie man sich verteidigte. Bei Gott, er würde sich nicht unterkriegen lassen und sich entschlossen zur Wehr setzen. Auch wenn er gerade einmal achtzehn Jahre alt war: Diese eine Nacht hatte alles für ihn verändert. Er würde trainieren, Tag und Nacht, bis er den Feigling hinter sich lassen würde, der er einst gewesen war.

Und eines Tages würde er Vergeltung üben und das Land seines Vaters zurückerobern.

1. KAPITEL

Zwei Jahre später

„Was glaubst du, wer gewinnen wird?“

Morwenna drehte sich bei dem Klang der männlichen Stimme um. Aufmerksam hatte sie den Übungskampf zwischen ihrem jüngeren Bruder und Piers verfolgt, doch jetzt kam Robert of Penrith auf sie zu. Das Kettenhemd schmiegte sich wie eine zweite Haut um seinen Oberkörper, das Schwert trug er griffbereit auf Taillenhöhe.

Im Verlauf der letzten beiden Jahre hatte er jede nur erdenkliche Zeit damit verbracht, das Kriegshandwerk zu erlernen. Er war kräftiger geworden und hatte den schlanken Jüngling hinter sich gelassen, tatsächlich waren seine Oberarme inzwischen so dick, dass Morwenna sie nicht einmal mit zwei Händen umspannen konnte. Mühelos konnte er ein Breitschwert mit nur einer Hand aufnehmen, Morwenna war ganz fasziniert von der Verwandlung, die dieser Mann durchlebt hatte. Sein hellbraunes Haar war wie mit Gold gesprenkelt, wenn die Sonne darauf schien, und seinen braunen Augen wohnten Wärme und Freundlichkeit inne, dass Morwenna in seinem Beisein oft ein leichtes Kribbeln im Bauch verspürte.

Leider schien er sich ihrer Gefühle nicht bewusst zu sein. Falls doch, so war er offenbar zuvorkommend genug, ihr nicht auf die Nase zu binden, dass er an ihr nicht interessiert war.

„Piers wird gewinnen“, sprach sie und verdrängte ihre müßigen Gedanken. „Aber Brian macht Fortschritte.“ Die beiden jungen Männer kämpften immer noch gegeneinander, und Morwenna sah, wie Piers einen harten Treffer gegen Brians Schild landete, doch ihr Bruder taumelte nur zwei Schritte zurück, ehe er wieder in den Angriff überging.

„Er ist kräftiger geworden, wirklich, und älter.“ Robert stand nun neben ihr, und sie spürte, wie ihre Schulter kurz seinen Arm streifte. Ihre Wangen glühten, und für zwei Herzschläge wusste sie nicht, was sie in seiner unmittelbaren Nähe sagen sollte.

Hör auf damit, schalt sie sich. Für ihn bist du lediglich eine Freundin, mehr nicht.

Seit der Flucht vor nunmehr zwei Jahren hatte er sie nicht ein einziges Mal wie eine Frau behandelt, die sein Interesse geweckt hätte. Sie wäre besser beraten, die unerwiderten Gefühle zu begraben und sich so zu verhalten, als tue all das nichts zur Sache.

Nun starrte sie auf die Ruinen von Stansbury, jener Festung, die einst Lord Penrith gehört hatte. Stansbury war ein in Vergessenheit geratener Ort, an den sie sich geflüchtet hatten, nachdem sie die Abtei verlassen mussten. Damals hatte Roberts Onkel den jungen Männern angeboten, für einige Monate bei den Mönchen zu bleiben, aber sie, eine Frau, war in der Abtei nicht erwünscht gewesen.

Anstatt sie in ein Nonnenkloster zu schicken, hatte Robert vorgeschlagen, an einem verlassenen Ort wie Stansbury das Waffenhandwerk zu erlernen. Mit der Hilfe seines Onkels hatten sie Rüstungen, Waffen und Vorräte aller Art erwerben können. Piers und Brian hatten die Aussicht auf Unabhängigkeit willkommen geheißen, und selbst Morwenna hatte gelernt, wie man mit einer Waffe umging. Seither bildeten die vier Flüchtlinge von einst eine sonderbare Art von Familie, die zusammenhielt, um zu überleben.

Morwenna richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die beiden jungen Männer auf dem Übungsplatz, die sich beide so sehr in den Kampf hineingesteigert hatten, als gäbe es nichts anderes im Leben. Sie waren so voller Tatendrang, dass sie buchstäblich bis zum Umfallen kämpfen würden, dessen war sich Morwenna sicher.

Inzwischen hatte sie gelernt, sich selbst zu verteidigen, aber der Kraft und Ausdauer dieser jungen Männer war sie nicht gewachsen. Unabsichtlich legte sie eine Hand auf den kleinen Dolch, den sie am Gürtel trug. Die Waffe hatte einst Robert gehört, aber er hatte sie ihr überlassen, damit sie sich schützen konnte. Der Dolch gab ihr Sicherheit, auch wenn sie nicht diesen Drang nach Kampf und Kräftemessen verspürte wie ihr jüngerer Bruder.

Voller Unbehagen entsann sie sich jener bangen Stunden in dem Karren. Nie wieder würde sie zulassen, dass ein Mann sie angriff, um sich an ihr zu vergreifen. Tagsüber gelang es ihr, die dunklen Gedanken auf Abstand zu halten, doch manchmal schreckte sie nachts aus unruhigem Schlaf hoch und malte sich aus, wie der Wächter ihr das Kleid vom Leib riss und sie grob anfasste.

Ganz bewusst umschloss sie den Knauf des Dolchs mit der Hand, um die unliebsamen Gedanken zu vertreiben. Schließlich betrachtete sie Robert neben sich und merkte ihm an, dass er unter einer gewissen Anspannung stand. Er hatte zwar nichts gesagt, doch sie spürte, dass etwas nicht stimmte. „Ist etwas passiert?“

Er presste die Lippen aufeinander und ließ den Blick in eine unbestimmte Ferne schweifen. „Ich habe Neuigkeiten von meinem Onkel, es geht um Penrith.“

Seinem Tonfall konnte sie entnehmen, dass es keine guten Neuigkeiten waren.

„Was hat er denn gesagt?“ Morwenna wusste, dass Robert all die Monate an den Waffen geübt hatte, in der Hoffnung, eines Tages das Land seiner Väter zurückzuerobern. König John hatte dort längst einen neuen Earl eingesetzt, und dieser Adlige befehligte viele Ritter und Waffenknechte. Für Robert war es unmöglich, gegen ein derart großes Aufgebot in den Kampf zu ziehen.

„Ich habe einen Weg gefunden, das Besitztum zurückzugewinnen“, sagte er. „Ohne Blutvergießen.“

Morwenna wusste nicht, was sie davon halten sollte – zumal Robert von dieser Aussicht nicht gerade begeistert zu sein schien. „Wie?“

„Der Earl veranstaltet ein Fest zu Mittsommer. Er hat Krieger und Lords aus den nördlichen Landen eingeladen, die sich in Wettkämpfen messen sollen. Und der Sieger soll seine Tochter zur Frau nehmen – das heißt, wenn er ihre Zustimmung erhält.“

Morwenna blieb einen Moment vor Schreck das Herz stehen. „Und du … du hoffst, diese Frau zu ehelichen?“

Bitte sag Nein.

Doch leider Gottes sah sie, wie er nickte. „Wenn ich ihre Gunst erlange und sie mir ihre Hand für den Bund der Ehe reicht, werden unsere Söhne die Erben von Penrith sein.“ Robert suchte ihren Blick, und bei der Entschlossenheit, die sie in seinen Augen sah, sank ihr das Herz. „Das ist der beste Weg, den wir nehmen können, Morwenna. Auf diese Weise werde ich wiedererlangen, was ich verloren habe.“

Sie wusste, dass er recht hatte, allerdings hätte sie sich nie den unsichtbaren Schmerz ausmalen können, der ihre Gefühlswelt aus den Angeln hob. Obwohl sie versuchte, so zu tun, als unterstütze sie ihn bei seiner Entscheidung, verspürte sie diesen Stich im Herzen, ahnte sie doch, dass sie Robert für immer verlieren würde.

Sie gab sich indes keinen Illusionen hin, denn sie wusste, dass sie niemals mit einem Lord wie Robert zusammen sein könnte. Aber all diese Monate, die sie an seiner Seite verbracht hatte, lieferten ihr einen Grund zum Träumen. Und sie hatte die Absicht, seine Aufmerksamkeit zu genießen, solange sie konnte.

„Hast du einen Moment Zeit?“, fragte er sie. „Da ist noch etwas, das ich dir geben wollte, bevor ich gehe.“

Ihr Herz machte einen Höhenflug vor Vorfreude. „Gewiss. Was ist es denn?“

„Kein Geschenk im engeren Sinne“, räumte er ein. „Eher etwas, das du vielleicht gebrauchen kannst.“ Er hatte den Blickkontakt unterbrochen, und unangenehmes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus.

Kurz darauf führte er sie zu den Stallungen, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Morwenna überlegte, was er ihr wohl geben mochte, einen Welpen oder ein Kätzchen – etwas, das sie mit ihrer Liebe erdrücken könnte, wenn er fort war.

„Ich dachte nur … vielleicht gefällt es dir“, fuhr er fort.

„Aber was ist es denn?“ Sie konnte es kaum noch erwarten.

„Es ist dort drüben“, sagte er und öffnete die Pforte zur letzten Box im Stall. Morwenna trat ein und war gleich so verwirrt, dass sie die Stirn in Falten zog. Kein Anzeichen von kleinen Tieren. An dem Bretterverschlag lehnte lediglich ein arg in Mitleidenschaft gezogener Schild.

„Der wird dich schützen“, meinte er und schenkte ihr ein zögerliches Lächeln.

Einen Moment lang konnte Morwenna kaum glauben, was er ihr da vermacht hatte: Eine Art Geschenk, das ein älterer Bruder einem jüngeren Bruder geben würde. Aber doch keiner Frau! Was, um alles in der Welt, sollte sie jetzt sagen?

„Das ist … äh … sehr nett von dir.“

„Halte ihn mal“, forderte er sie auf, griff bereits nach dem Schild und hielt ihn ihr so hin, dass sie den linken Arm durch die Lederschlaufen schieben konnte. Das Holz war schwer, aber das Gewicht ihrer Enttäuschung in ihrem Herzen war weitaus schlimmer.

Sie rang sich ein Lächeln ab und nickte. „Danke.“

Endlich ließ auch er ein Lächeln erkennen. „Ich dachte mir, dass es dir nützlich sein könnte. Wenn du einmal kämpfen musst.“

Sie setzte den Schild ab und wandte sich Robert ganz zu. „Robert, ich ziehe doch nicht in den Kampf.“

„Das weiß ich ja. Aber manchmal macht es dir Spaß, dich mit anderen zu messen.“

Unweigerlich schloss sie kurz die Augen. Die einzige Person, mit der sie gerne Zeit auf dem Übungsgelände verbrachte, war er. Sie freute sich auf diesen Zeitvertreib, und wenn es nur eine Ausrede war, bei dem Mann sein zu können, den sie von Herzen mochte. Auch wenn sie keine Kriegerin werden wollte, Morwenna wollte nicht undankbar erscheinen. „Ich danke dir, Robert.“

Er nickte, aber als sie ihn genauer musterte, fiel ihr sein angespannter Gesichtsausdruck auf. Offenbar war er sich seines Vorhabens nicht ganz sicher …

„Wann gedenkst du, nach Penrith aufzubrechen?“, fragte sie.

Er stützte sich mit einem Arm auf der Trennwand der Pferdebox ab. „Schon morgen früh. Ich möchte mich mit eigenen Augen davon überzeugen, wie es um das Besitztum meines Vaters steht. Vielleicht ist es mir sogar möglich, die Tochter des neuen Lords kennenzulernen.“

Die Schneide der Eifersucht schnitt noch ein klein wenig tiefer in ihr Herz. „So bald schon?“ Wie sollte sie ihn nur aufhalten? Robert war im Begriff, sie hier zurückzulassen, und womöglich würde sie ihn nie wiedersehen.

In Gedanken malte sie sich bereits aus, was ihm unterwegs alles widerfahren könnte. Vielleicht erkannten die Leute aus Penrith ihn und hielten ihn für den wahren Erben, vielleicht würde der neue Lord ihn sogleich aus dem Weg schaffen lassen. Vielleicht würde die Tochter des Earls ihn nicht heiraten wollen, selbst wenn er den Wettkampf gewinnen sollte.

Wenn sie ehrlich mit sich selbst war, sie hoffte, dass die Frau kein Interesse an Robert haben würde. Was wiederum lächerlich war. Denn Robert war zu einem gut aussehenden jungen Mann herangewachsen, er sah besser aus, als sie es sich je hätte vorstellen können. Jede Frau, die Augen im Kopf hatte, würde sich in ihn verlieben – genau wie sie.

In seiner Nähe sein zu können, hatte ihr so viel bedeutet, aber bei dem Gedanken, sich von ihm trennen zu müssen, zerbrachen ihre kühnsten Träume.

„Ich werde das Land zurückgewinnen, das mir zusteht“, sagte er mit Nachdruck. „Das bin ich den Menschen schuldig, die meinem Vater treue Dienste geleistet haben.“

Ohne nachzudenken, streckte sie ihm beide Hände entgegen und umfasste seine Hände. Als sie Mitleid in seinem Blick wahrzunehmen glaubte, musste sie ihre ganze Selbstbeherrschung aufbieten, sich ihre Verzweiflung nicht anmerken zu lassen. Fast hatte sie das Gefühl, er wäre ein Ritter, der in die Schlacht zog – und womöglich nicht zurückkehrte. Ihr Herz krampfte sich bei dieser Vorstellung zusammen, obwohl sie sich nach wie vor nichts anmerken ließ.

Aber sie hätte wissen müssen, dass der Tag kommen würde. Während der letzten beiden Jahre hatte er sich nicht nur rein körperlich weiterentwickelt. Immer wieder hatte er sich mit seinem Onkel, dem Pater, besprochen und erfahren, was aus den Besitztümern seines Vaters geworden war. Morwenna wusste schon lange, wie sehr er darauf brannte, den Familienbesitz zurückzugewinnen.

„Ich möchte nicht, dass du fortgehst“, murmelte sie. Sie ahnte, welchen Gefahren er ausgesetzt wäre, zumal er beileibe nicht der einzige Krieger sein würde, der Anspruch auf Penrith und die Tochter des Earls erhob.

Robert übte sanften Druck mit seinen Händen aus und zog sie dann zurück. „Ich habe lange genug gewartet“, sprach er. „In jener Nacht, als uns die Männer des Königs überfielen, habe ich mich wie ein Feigling benommen. Von meinem Onkel weiß ich, dass der neue Earl den Menschen von Penrith viel abverlangt, daher muss ich wissen, was er bisher angerichtet hat und wie ich es vielleicht wieder gutmachen kann.“

Sie entnahm seiner Stimme, dass es ihm um die Ehre ging. Er gedachte Penrith wiederzuerlangen, und diesen Wunsch konnte sie nachvollziehen. Aber sie wollte nicht, dass er dafür alles opferte.

„Die neuen Herren dort haben uns schon einmal gefangengenommen“, sagte sie. „Was sollte den jetzigen Earl davon abhalten, dich erneut als Gefangenen zu betrachten?“

„Der jetzige Earl hatte nichts mit dem Überfall von damals zu schaffen. Und ich kann mich nicht für immer verstecken, Morwenna. Ein solcher Mann möchte ich nicht sein.“

Sie machte einen halben Schritt auf ihn zu. „Wir mussten uns verstecken, weil wir keine andere Wahl hatten.“ Unmittelbar nachdem sie einst die Abtei verließen, lebten sie in der Angst, erneut von den Männern des Königs aufgespürt zu werden. Und nach wie vor vermochten sie nicht zu sagen, warum man sie damals gefangengenommen hatte. Seither lebten sie in einer halb verfallenen, zugigen Burg, und der einzige Trost war, dass sie nicht mehr gejagt wurden … und dass Robert immer an ihrer Seite war.

„Jetzt habe ich die Wahl“, sagte er. „Genau dafür habe ich mit eisernem Willen geübt. Wenn ich die anderen bezwingen kann, werde ich die Tochter des Earls zur Frau nehmen, und Penrith wird mir gehören.“

Morwenna spürte, dass sein Entschluss feststand, sosehr es sie auch schmerzte. Du hast geahnt, dass es so kommen würde, rief ihr eine innere Stimme in Erinnerung. Und nun war der Moment gekommen, vor dem sie sich stets gefürchtet hatte.

„Was wird aus uns anderen?“, fragte sie. „Sollten wir nicht besser mitkommen?“ Der Gedanke, mit ansehen zu müssen, wie er um die Hand einer anderen Frau anhielt, war wie ein Dolch, der sich in ihr Herz bohrte.

„Nein, ich glaube, es ist besser, wenn ich allein gehe, Morwenna. Ich möchte nicht zu viel Aufmerksamkeit auf mich ziehen.“

Sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. „Sollen wir dann hier warten?“

Er schüttelte den Kopf. „Ihr solltet auch fortgehen und von nun an euer eigenes Leben führen.“

Auch wenn sie sich kein anderes Leben vorstellen konnte, hatte sie immer gewusst, dass sie alle nicht für immer in Stansbury bleiben würden. Denn Robert hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er zurück nach Penrith wollte. Sie hatte sich an die schwache Hoffnung geklammert, zumindest so lange an seiner Seite leben zu können, bis er das Waffenhandwerk erlernt hatte. Doch jetzt war diese Schonzeit schlagartig beendet, und Morwenna graute vor der eigenen ungewissen Zukunft.

„Aber was wird denn jetzt aus mir, Robert?“, fragte sie in fast wehmütigem Ton.

„Vielleicht findest du jemanden, den du heiraten kannst.“

Als er sie ansah, spürte sie ihre eigene Befangenheit, da sie hier in dieser halb verfallenen Burg oft in den Beinlingen und der Tunika herumlief, die sie sich von ihrem Bruder geborgt hatte. Sie kam sich viel zu dünn und unansehnlich vor, mit dem spröden braunen Haar, das sie selbst mit dem Messer gestutzt hatte, sodass es ihr nicht mehr lang über den Rücken fiel, sondern ihr gerade noch bis auf die schmalen Schultern reichte. „Welcher Mann würde mich schon haben wollen?“, kam es ihr unsicher über die Lippen. Gewiss nicht der, den sie begehrte.

Er machte Anstalten, darauf etwas zu erwidern, doch sie kam ihm zuvor: „Du solltest besser nicht allein aufbrechen, es könnte gefährlich sein.“ Der wahre Grund war indes, dass sie ihn nicht an der Seite einer anderen Frau wissen wollte.

„Ich komme schon zurecht, Morwenna. Selbst wenn du nicht mehr da bist, um mir den Rücken zu decken.“ Er berührte sie spielerisch am Kinn, doch sie nahm das Mitleid in seinem Tonfall wahr. Wie gerne hätte sie Röcke oder ein Kleid getragen, vielleicht sogar eine Schleife ins Haar geflochten! Irgendetwas, damit er sie als die Frau wahrnahm, die sie so gerne sein wollte – und nicht dieses vernachlässigte Bauernmädchen, das sie in diesem Aufzug abgab.

„Ich könnte doch mitkommen, wenn du möchtest“, erwiderte sie leise. „Ich würde versuchen, mich unter die Frauen der Dame zu mischen.“

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