Bianca Extra Band 32

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

WENN SICH DAS HERZ NACH LIEBE SEHNT von RIMMER, CHRISTINE
Träge wacht Jordyn auf, dreht den Kopf - und sieht ihren alten Freund Will neben sich. Was ist passiert? Hat sie etwa mit ihm …? Eines ist klar: Die Heiratsurkunde auf dem Nachttisch kann nicht echt sein. Sie liebt Will nicht! Oder sieht ihr Herz das anders und hat sie ausgetrickst?

DEIN KUSS HEILT MEINE WUNDEN von WILKINS, GINA
Seine Hände auf ihrer Haut - und die letzten zehn Jahre ohne ihn sind wie ausradiert! Jenny kann nur noch an die Leidenschaft denken, mit der Gavin sie geküsst hat. Erst als der Rausch der Erregung verfliegt, fällt ihr ein, wie sehr der Polizist sie damals verletzt hat …

DAS MÄDCHEN UND DER MILLIONÄR von CARSON, CARO
Die quirlige Diana stellt sein Dasein völlig auf den Kopf - und Quinn MacDowell kann sich ihrem überwältigenden Charme nicht entziehen. Mit ihr könnte sich der berühmte Arzt sogar eine Familie vorstellen - doch Diana will am Morgen danach einfach so aus seinem Leben verschwinden …

SECHS WOCHEN IM PARADIES von WEAVER, AMI
High Heels, knallenge Jeans und perfekt gestylt - als Josie auf seiner Ranch ankommt, ist Luke Ryder entsetzt: Dieses Modepüppchen soll seinen Haushalt führen? Am liebsten würde er sie sofort zurückschicken. Wäre da nicht dieses verheißungsvolle Funkeln in Josies Augen …


  • Erscheinungstag 07.06.2016
  • Bandnummer 32
  • ISBN / Artikelnummer 9783733732516
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Christine Rimmer, Gina Wilkins, Caro Carson, Ami Weaver

BIANCA EXTRA BAND 32

CHRISTINE RIMMER

Wenn sich das Herz nach Liebe sehnt

Wir müssen die Hochzeit widerrufen! Will weiß: Wenn er bei Verstand gewesen wäre, hätte er Jordyn niemals geheiratet. Sie ist süß und sexy – aber keine Frau fürs Leben! Zumindest dachte er das bislang …

GINA WILKINS

Dein Kuss heilt meine Wunden

Nach ihr hat er sich gesehnt! Kaum sieht Gavin seine Exfreundin Jenny, steht er in Flammen. Wie gerne würde er sie an sich ziehen! Obwohl er befürchtet, dass sie ihn im Stich lässt – wie schon einmal …

CARO CARSON

Das Mädchen und der Millionär

In den Armen von Dr. Quinn MacDowell schwebt Diana über das Parkett. Sie genießt den Tanz – und sie weiß, dass es mit einem so bedeutenden Mann keine Zukunft für ein einfaches Mädchen wie sie geben kann …

AMI WEAVER

Sechs Wochen im Paradies

Luke Ryder: Sänger, Rancher – und Josies Traummann! Leider lebt er auf einer Farm in Montana, weitab der Zivilisation. Eine Welt, die nicht ihre ist. Sie muss gehen – aber Lukes Küsse schmecken so süß …

1. KAPITEL

„Irgendwie erinnerst du mich an ein Mädchen aus meiner Kindheit“, raunte eine wohlbekannte tiefe Stimme in Jordyn Leigh Cates Ohr. „Ein niedliches kleines Ding war das, ist mir ständig hinterhergelaufen …“

Jordyn fuhr herum. Ihr gegenüber stand ein umwerfend gut aussehender Cowboy. Einer, den sie schon ihr ganzes Leben lang kannte. „Will Clifton!“, rief sie aus. „Du spinnst ja wohl. Ich bin dir bestimmt nicht hinterhergelaufen. Nie im Leben.“

„Bist du wohl.“

„Bin ich nicht.“

„Doch!“

Sie lachte. „Wir klingen wie zwei Kindergartenkinder!“

„Du vielleicht!“, erwiderte er und schenkte ihr sein berühmtes schiefes Lächeln, mit dem er schon zahlreiche Mädchenherzen gebrochen hatte. Damals, in ihrem Heimatort Thunder Canyon. „Hat immer Spaß gemacht, dich ein bisschen zu ärgern.“

Jordyn trank einen Schluck Hochzeitsbowle aus ihrem Pappbecher. „Ich habe schon gehört, dass ihr auch hier auf der Hochzeit seid, du und deine Brüder.“

„Ja, wir sind draußen im Maverick Manor untergekommen.“ Das imposante Holzhaus im Südosten der Stadt hatte lange leer gestanden, bis es im letzten Jahr zu einem Hotel mit rustikalem Charme umgebaut worden war.

Sie warf ihm einen herausfordernden Blick zu. „Außerdem habe ich so ein Gerücht gehört. Du sollst dir eine Ranch hier in Rust Creek Falls gekauft haben, stimmt das?“

„Ja, allerdings.“ Stolz schwang in seiner Stimme mit, und seine strahlend blauen Augen leuchteten. „Ein wundervolles Stück Land in der Talebene, ein paar Meilen östlich von der Stadt. Am Dienstag ist Schlüsselübergabe.“

Jordyn freute sich für ihn. Sie konnte sich gut daran erinnern, dass er schon immer von einer eigenen Ranch geträumt hatte. „Herzlichen Glückwunsch!“

„Danke.“

Schweigend lächelten sie sich an. Will trug ein weißes Hemd, darüber eine schokobraune Weste und eine typische Westernkrawatte: Sie bestand aus einem schmalen Stück Schnur, das von einer Spange zusammengehalten wurde. Ein schwarzer Cowboyhut, schwarze Jeans und schicke schwarze Stiefel vervollständigten das Outfit.

Er zupfte an einer blonden Locke, die sich aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst hatte. „Gut siehst du aus.“

Ihr wurde angenehm warm. Will war fünf Jahre älter als sie und hatte sie früher immer wie ein kleines Kind behandelt. Aber wenn er sie jetzt so ansah, fühlte sie sich ganz anders wahrgenommen. Sie klimperte kurz mit den Wimpern. „Danke, Will.“

Er tippte sich an den schwarzen Cowboyhut. „Ich sage doch nur die Wahrheit. Du siehst wirklich toll aus und passt auch farblich sehr gut ins Bild.“

„Tja, heute ist alles rot-weiß-blau“, erwiderte sie und blickte an ihrem knielangen, trägerlosen Brautjungfernkleid aus Chiffon hinunter. Es war so blau wie das blaue Rechteck der US-amerikanischen Nationalflagge. Da die Hochzeit am 4. Juli, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, stattfand, war die ganze Feier farblich darauf abgestimmt.

Vor etwa zwei Stunden hatte Braden Traub, der zweitälteste Sohn einer alteingesessenen Rancherfamilie, der blonden, elfengleichen Jennifer MacCallum das Jawort gegeben. Die beiden jungen Leute hatten beschlossen, ihre Hochzeit mit einem großen Picknick im Park der Kleinstadt Rust Creek Falls zu feiern. Auf allen Picknicktischen lagen rot-weiß-karierte Decken aus Wachstuch. Rote, weiße und blaue Sonnensegel spendeten Schatten.

Außerdem hatten die Veranstalter eine mobile Holz-Tanzfläche aufgebaut. Die sechsköpfige Band, die gerade spielte, war gar nicht mal schlecht. Jordyn wippte im Takt zur Musik. In diesem Augenblick tanzte ein großer Mann mit weißem Cowboyhut an ihnen vorbei. Er hatte eine kurvenreiche Brünette im Arm. Plötzlich blinzelte er Jordyn zu.

Und Jordyn blinzelte zurück. „Hey, Cowboy!“, rief sie und winkte mit ihrem Brautjungfernstrauß aus roten Rosen.

„Wer ist das denn?“, wollte Will sofort wissen.

Ruhig erwiderte sie seinen Blick. „Ach, ich habe vorhin mal mit ihm getanzt …“ Und sie hatte vor, das sehr bald zu wiederholen. Allmählich spielte sich Will ihr gegenüber wieder viel zu sehr als großer Bruder auf. Gerade wollte sie noch einen Schluck Bowle trinken, da nahm er ihr den Pappbecher aus der Hand. „Hey, was soll das?“, protestierte sie.

Grinsend schnüffelte er an dem Getränk. „Was ist da eigentlich drin? Etwas Härteres?“

Sie atmete hörbar aus. „Nein, das ist nur Bowle. Ein bisschen Saft, ein bisschen Limo und noch viel weniger Sekt. Aber wenn dir das auch schon zu viel ist, kannst du dich ja da drüben am Kindertisch anstellen.“ Schwungvoll wies sie mit ihrem Rosenstrauß auf den Tisch, an dem gerade die jüngeren Partygäste bedient wurden.

Will betrachtete sie aufmerksam und ziemlich argwöhnisch. „Ich frage ja nur, weil du so ausgesprochen gute Laune hast, Jordyn Leigh. Viel zu gute Laune, könnte man fast sagen.“

„Viel zu gute Laune gibt es nicht.“ Verärgert funkelte sie ihn an. „Und sag bitte nicht noch mal Jordyn Leigh zu mir.“

„Warum denn nicht? So heißt du doch.“

„Schon, aber du sagst das so, als wäre ich immer noch eine achtjährige Göre mit Zahnlücke und Rattenschwänzen, die die alten Jeans und Hemden ihrer älteren Geschwister auftragen muss.“

„Dabei bist du inzwischen eindeutig erwachsen“, sagte Will und prostete ihr mit dem Pappbecher zu, den er ihr eben weggenommen hatte, und trank ihn in einem Zug aus.

Sollte sie sich darüber etwa ärgern? Ach, was. Ärger und Frust brachten einfach nichts. Das hatte sie sich auch schon in der Kirche gesagt, als sie ein kleines bisschen wehmütig geworden war. Weil sie auch auf dieser Hochzeit wieder nur Brautjungfer war und keine Braut.

Aber das war kein Grund, sich hängenzulassen. Da freute sie sich lieber über den schönen Sommertag hier in Montana und den blauen, wolkenlosen Himmel. Außerdem hatte sie heute schon mit einem sehr attraktiven Cowboy getanzt. Wer weiß, was noch alles passieren würde? Will hatte recht: Sie hatte wirklich ausgesprochen gute Laune, und die wollte sie sich von ihm auf keinen Fall verderben lassen.

Daher nahm sie sich einen neuen Pappbecher mit Stars-and-Stripes-Aufdruck und füllte ihn randvoll. Als Will ihr den Becher hinhielt, den er ihr eben abgenommen hatte, schenkte sie ihm ebenfalls großzügig ein.

Dann prosteten sie sich zu und tranken ihre Bowle.

Der Rest dieses Nachmittags zog wie ein verblichener, schlecht zusammengeschnittener Farbfilm an Jordyn vorbei. Sie und Will waren die ganze Zeit zusammen, und das genoss sie. Sehr sogar. Bisher hatte er sie immer wie ein unreifes kleines Mädchen behandelt. Aber seit sie sich mit der Hochzeitsbowle zugeprostet hatten, war plötzlich alles anders gewesen.

Auf einmal begegneten sie sich auf Augenhöhe und verstanden sich dabei ganz wunderbar. Gemeinsam bedienten sie sich am Grillbüfett und bei der Hochzeitstorte. Dann schauten sie bei seinen Brüdern vorbei, beim Brautpaar und bei Jordyns Freundinnen, den anderen Brautjungfern.

Schließlich lernten sie Elbert und Carmen Lutello kennen, ein ziemlich ungleiches Paar. Der kleine, schmächtige Elbert mit der Hornbrille war Verwaltungsbeamter. Seine Frau Carmen arbeitete als Amtsrichterin. Sie war breitschultrig und einen Kopf größer als ihr Mann. In der Ehe hatte offenbar sie die Hosen an. Erstaunlicherweise passten Elbert und Carmen wunderbar zusammen. Sie liebten sich sehr und waren berührt von der romantischen Hochzeit.

Jordyn fand die beiden einfach nur toll. Sie und Will tranken noch ein paar Becher von der leckeren Bowle und tanzten mehrmals miteinander. Mit dem Cowboy mit dem weißen Hut tanzte sie nicht noch einmal. Tatsächlich hatte sie ihn längst vergessen. Für sie gab es jetzt nur noch Will. Der Park, das Hochzeitspicknick und die anderen Gäste wurden immer mehr zur wohlig-nebligen Hintergrundkulisse ihrer magischen Begegnung.

Plötzlich küsste Will sie. Mitten auf der Tanzfläche. Vorsichtig hob er ihr Kinn mit einem Finger an, und dann drückte er seine sinnlichen Lippen sanft auf ihre. Und während sie sich im Takt der Musik bewegten, küsste er sie immer weiter.

Er konnte hervorragend küssen. Jordyn kam sich dabei vor wie eine Märchenprinzessin, die gerade aus ihrem hundertjährigen Schlaf erwachte und jetzt eine ganz neue Welt für sich entdeckte – endlich! Von so einem Kuss hatte sie inzwischen nicht mehr zu träumen gewagt.

Außerdem hatte er ihr gesagt, wie wunderschön er sie fand.

Oder hatte sie sich das nur eingebildet?

Inzwischen war sie sich nicht mehr so sicher. Je mehr es in Richtung Abend ging, desto diffuser wurde ihre Wahrnehmung. Als es schließlich dunkel wurde, passierten einige wirklich seltsame Dinge. Zum einen wurde eine junge Frau aus der Dalton-Familie abgeführt, weil sie sich nicht davon abbringen ließ, im Springbrunnen zu baden.

Und zum anderen fanden sich Jordyn und Will plötzlich Hand in Hand auf dem Parkplatz wieder, der zwischen dem Park und der Tiermedizinischen Klinik lag. Vor ihnen stand Elbert Lutello, der gerade einen Aktenkoffer aus seinem pinkfarbenen Cadillac holte. „Als Staatsdiener bin ich immer gut vorbereitet und habe lieber ein paar Dokumente zu viel dabei“, verkündete er feierlich. „Man weiß ja nie, ob man sie nicht mal dringend gebrauchen kann …“

Im nächsten Moment waren Jordyn und Will schon wieder im Park, immer noch Hand in Hand. Um sie herum funkelte die Partybeleuchtung, während sich immer mehr Gäste um sie versammelten. Vor ihnen stand Carmen Lutello und lächelte sie warmherzig an.

Ja, und dann?

An den Rest konnte Jordyn sich nicht mehr erinnern. Sie wusste nur noch, dass die Party irgendwie weitergegangen war und dass Will sie immer wieder geküsst hatte – lange, intensiv und sehr, sehr gefühlvoll. Und dass ihr jeder Kuss einen wohligen Schauer durch den Körper gesandt hatte.

Sie waren nicht die Einzigen, die sich küssten. Wo auch immer sie entlanggingen, überall kamen sie an eng umschlungenen Paaren vorbei. Kein Wunder, in einer so wunderschönen Nacht nach einer so romantischen Hochzeitszeremonie …

Als Jordyn am nächsten Morgen in der Pension Strickland’s Boarding House aufwachte, fühlte sie sich nicht mehr so wunderbar leicht wie am Abend davor. Stattdessen lag sie bleischwer in ihrem Bett, während eine Horde winziger Bauarbeiter ihr Gehirn mit Presslufthämmern traktierte. So kam es ihr jedenfalls vor. Außerdem war ihr speiübel.

Eine Weile lang blieb sie einfach still liegen und hielt die Augen geschlossen – in der Hoffnung, dass die Bauarbeiter irgendwann von ihrem Projekt abließen und ihr Magen sich wieder beruhigte. Irgendwann zwang sie sich, tief durchzuatmen und die Augen zu öffnen. Ihr Blick fiel auf die Zimmerdecke.

Und die gehörte bestimmt nicht zur Pension Strickland’s Boarding House.

Schmerzlich verzog Jordyn das Gesicht. Sie drehte den Kopf zum Nachttisch: ein wunderschönes Stück, das offenbar aus recyceltem altem Holz gefertigt war. Ihr Nachttisch in der Pension war dagegen ein billiges Spanplattenmodell gewesen. Auch die Uhr auf dem Nachttisch kam ihr vollkommen unbekannt vor.

Und – Moment mal! – war es wirklich schon nach zwölf Uhr mittags? Sie schluckte die Magensäure hinunter, die ihr gerade die Speiseröhre hochstieg. Dann drehte sie den Kopf quälend langsam zur anderen Seite.

Du liebe Güte, das konnte doch wohl nicht wahr sein! Das war ja … Will!

Sie blinzelte und schaute schnell weg. Und dann wieder hin.

Doch, da lag er neben ihr auf dem Bauch und schlief tief und fest. Das Gesicht hatte er abgewandt, und sein Haar hob sich pechschwarz vom weißen Kissen ab. Die kräftigen Arme und die breiten, muskulösen Schultern waren nackt, sein durchtrainierter Rücken auch, und zwar bis zur schmalen Taille. Die Bettdecke verbarg seinen restlichen Körper.

Wie bitte? Sie lag in einem fremden Bett neben Will Clifton, der dazu noch möglicherweise vollkommen nackt war? Das war zu viel! Das hielt ihr Magen nicht mehr aus!

Mit einem entsetzten Aufschrei schlug sie die Bettdecke zurück und stürmte ins angrenzende Badezimmer.

Will fuhr hoch, als die Badezimmertür mit einem lauten Knall ins Schloss fiel.

„Huch?“ Er drehte sich auf den Rücken und setzte sich abrupt auf. „Was ist denn hier …?“ Ein stechender Schmerz durchfuhr seinen Kopf, und er presste beide Hände vors Gesicht.

Dann erst hörte er die Geräusche.

Offenbar war er nicht allein. Irgendjemand war im Bad, und diesem Jemand ging es gerade gar nicht gut.

Will stöhnte und strich sich das zerzauste Haar aus der Stirn. Dann ließ er den Blick durchs Zimmer gleiten. Am Stuhl neben dem Bett blieb er hängen. Dort lagen zusammengeknüllt seine Sachen von gestern. Darüber war ein hübsches blaues Kleid drapiert, zusammen mit einer glitzernden Damenhandtasche und einem verwelkten Strauß roter Rosen.

Erneut hörte er ein Röcheln und Würgen aus dem Badezimmer. Er ließ den Blick am Stuhl entlang nach unten schweifen und entdeckte auf dem Boden ein Paar blau funkelnde Brautjungfernschuhe mit roten Sohlen.

Das Kleid, die Schuhe, der Strauß … das alles kam ihm verdammt bekannt vor.

Und dann durchfuhr es ihn: Jordyn?

War das Jordyn Leigh Cates, die sich gerade im Bad übergab? Hatte das kleine Mädchen etwa … die Nacht in seinem Bett verbracht?

Er rieb sich die Augen und versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, was gestern Nacht passiert war.

Immerhin konnte er sich daran erinnern, dass sie den ganzen Nachmittag und auch den ganzen Abend zusammen gewesen waren und sich dabei bestens verstanden hatten. Aber was war danach geschehen? Und wie waren sie beide zusammen in seinem Hotelzimmer gelandet?

Er schlug die Bettdecke zurück und stellte fest, dass er nur noch seine Boxershorts trug – sonst nichts. Sollte das heißen …?

Und die arme Jordyn! Nach den Geräuschen aus dem Bad zu urteilen, ging es ihr gar nicht gut. Will stand schnell auf und zog seine schwarze Jeans unter ihrem zarten blauen Kleid hervor. Auf dem Weg zum Badezimmer streifte er sie sich über. Dann klopfte er leise an die Tür. „Jordyn? Ist alles …?“

Sie stöhnte. Offenbar war überhaupt nichts in Ordnung. „Lass mich in Ruhe, Will. Komm bloß nicht hier rein!“

„Aber ich …“

„Nein, bleib draußen. Ich bin sofort fertig.“

Er ließ den Kopf nach vorn sinken, bis seine Stirn die Tür berührte. Hatte er heute Nacht etwa wirklich mit der kleinen Jordyn Leigh geschlafen? Was hatte er da bloß angerichtet! Wenn ihre Eltern oder ihr jüngerer Bruder Wind davon bekamen, dann war er dran. Aber richtig. „Jordyn, es tut mir so leid …“

„Lass mich einfach in Ruhe!“

„Sag Bescheid, wenn ich irgendetwas für dich tun kann …“

Darauf antwortete sie gar nicht erst. Stattdessen hörte er wieder Würgen und Röcheln.

Schließlich schleppte er sich zurück zu dem zerwühlten Bett und setzte sich auf die Kante. Er stützte die Ellbogen auf die Knie und ließ den Kopf hängen. In diesem Moment fiel sein Blick auf das Dokument, das vor ihm auf dem Boden lag.

„Wie bitte?“ Er hob es auf. Mehrere Minuten lang starrte er fassungslos darauf. Aber da konnte er so lange starren, wie er wollte: Das Papier war und blieb eine Heiratsurkunde, samt Stempel und Unterschrift der Stadtverwaltung.

Hatten sie nicht gestern einen Verwaltungsbeamten kennengelernt?

Einen kleinen, schmächtigen Typen mit Hornbrille? Elton oder Eldred oder so. Und war der nicht mit so einer großen Frau verheiratet gewesen, einer Richterin?

Will blinzelte, aber dadurch lichtete sich der Nebel in seinem Kopf nicht. Er konnte sich beim besten Willen an keine Trauungszeremonie erinnern.

Trotzdem war er sich ziemlich sicher, dass sie gestern wirklich mit einem Verwaltungsbeamten und seiner Frau gesprochen hatten, die Richterin war. Es war also nicht ausgeschlossen, dass seine schlimmsten Befürchtungen zutrafen. Immerhin hielt er den amtlichen Beweis dafür in den Händen.

In diesem Moment blieb sein Blick an seinem Ringfinger hängen und an dem schmalen goldenen Reif, den er trug. Oder war er bloß aus Messing?

Letztlich spielte die Materialfrage keine Rolle, es lief doch auf dasselbe hinaus: Er trug einen Ehering. Außerdem stammte die Unterschrift auf der Heiratsurkunde eindeutig von ihm. Und Jordyn hatte ebenfalls unterzeichnet.

So unwahrscheinlich es sich auch anfühlte: Allem Anschein nach hatten er und Jordyn Leigh gestern geheiratet.

2. KAPITEL

Will hörte ein Klicken von der Badezimmertür; offenbar kam Jordyn gerade zurück ins Zimmer. Er legte die Heiratsurkunde auf seinen Nachttisch und stand langsam auf, um sich der Frau zuzuwenden, mit der er offenbar seit gestern Abend verheiratet war.

Jordyn Leigh stand noch im Türrahmen. Unter ihren großen blauen Augen hatten sich dunkle Ringe gebildet. Ihr sonst so rosiger Teint wirkte leicht grünlich, und ihre vollen Lippen zitterten.

Sie trug einen Frotteebademantel des Hotels. Die Hände hatte sie in die Taschen geschoben und den Kopf so weit eingezogen, dass sie ein bisschen wie eine Schildkröte aussah, die in ihrem Panzer Schutz suchte. Das goldblonde Haar fiel ihr in glänzenden Wellen über die Schultern.

Bei ihrem Anblick fühlte Will sich noch viel schlechter. Unwillkürlich musste er an ihre gemeinsame Kindheit denken: daran, wie sie als Kleinkind mit ihren hellen Löckchen unter dem Rasensprenger im Vorgarten durchgelaufen war. Er sah sie als Neun- oder Zehnjährige vor sich, wie sie mit Rattenschwänzen und in alten Jeans auf den Pferden der Nachbarranch geritten war.

Und dann kam ihr Abschlussball …

Will wusste nicht mehr, warum er ausgerechnet an diesem Abend bei den Cates vorbeigeschaut hatte. An ihren Anblick konnte er sich aber nur zu gut erinnern. Sie hatte eine Hand auf das Treppengeländer gelegt und war ganz langsam die Stufen zum Eingangsbereich heruntergekommen. Sie trug ein rosafarbenes Satinkleid, das Haar hatte sie mit Clips hochgesteckt, die mit funkelnden Strasssteinen besetzt gewesen waren.

Eine so wunderhübsche junge Frau hatte etwas viel Besseres verdient als den Schlamassel, in den sie gerade hineingeraten war.

Er räusperte sich. „Jordyn, ich …“

„Ich ziehe mich jetzt an“, unterbrach sie ihn. „Dann fahre ich sofort in meine Pension. Und wenn du weißt, was gut für dich ist, dann erzählst du niemandem, was heute Nacht passiert ist.“

Was dachte sie eigentlich von ihm? Gut, gestern Abend hatte er sich ihr gegenüber wohl nicht besonders zuvorkommend verhalten, aber sie glaubte doch wohl nicht im Ernst, dass er damit auch noch angeben würde? „Jordyn, ich würde nie …“

„Hör auf, mir reicht’s jetzt.“ Mit der linken Hand zog sie den Ausschnitt des Bademantels ein Stück zusammen. Sofort erkannte er, dass sie keinen Ehering trug.

Gerade wollte sie zu dem Stuhl gehen, über dem immer noch ihr blaues Kleid lag, da stellte er sich ihr in den Weg. „Hey, warte doch mal! Ich möchte gern noch mit dir sprechen, bevor du wieder gehst.“

„Das ist jetzt wirklich das Letzte, wonach mir ist.“ Sie versuchte sich an ihm vorbeizudrücken, aber er hielt sie an den Schultern fest.

„Lass mich bitte los!“

Ihre schlanken Arme fühlten sich zart und verletzlich an. „Du zitterst ja am ganzen Körper!“

„Mir geht’s bestens.“

„Das stimmt nicht.“

„Doch.“ Jetzt hörte sie gar nicht mehr auf zu zittern. Will hätte sie am liebsten an sich gezogen, befürchtete jedoch, sie damit nur noch mehr zu verschrecken. Sie mussten unbedingt in Ruhe über das reden, was zwischen ihnen geschehen war. Im Moment wirkte Jordyn aber so verwirrt und nervös, dass er ihr lieber erst mal nichts von der Heiratsurkunde erzählen wollte.

Oder wusste sie etwa längst, dass sie jetzt verheiratet waren? Vielleicht konnte sie sich ja noch an den letzten Abend erinnern? Aber darüber konnten sie sich später immer noch unterhalten. Jetzt musste er erst mal dafür sorgen, dass sie sich entspannte und vielleicht einen Happen aß.

Jordyn versuchte sich aus seinem Griff zu lösen. „Lass mich gefälligst los!“

Stattdessen schob er sie sanft zum Bett. „Nein, du setzt dich jetzt bitte hin, bevor du mir noch umkippst.“

Als er ihr einen vorsichtigen Schubs gab, gaben auch schon ihre Knie nach, und sie sank auf die Matratze. „Oje!“, seufzte sie. Jetzt war es endgültig vorbei mit ihrer gespielten Tapferkeit. Sie ließ die Schultern sinken und vergrub das Gesicht in den Händen. „Ach, Will, was ist hier eigentlich los? Ich kann mich an gar nichts erinnern!“

„Entspann dich erst mal ein bisschen“, beruhigte er sie. „Leg die Füße aufs Bett und den Kopf aufs Kissen und mach dir keine Sorgen, okay?“

Auf einmal befolgte sie doch seine Anweisungen.

„Sehr gut“, sagte er und deckte sie behutsam zu. „Möchtest du ein Glas Wasser?“

Mit ihren großen blauen Augen blickte sie ihn besorgt an. Dann biss sie sich auf die Lippen und nickte. Will holte eine Wasserflasche aus der Minibar und schob Jordyn ein paar Kissen in den Rücken, während sie sich aufsetzte. „Ich hole dir gleich noch eine Kopfschmerztablette und bestelle beim Zimmerservice Frühstück“, schlug er vor. „Danach können wir uns in Ruhe unterhalten.“

Sie trank einige Schlucke Wasser. „In Ordnung“, brachte sie leise hervor. „Eine Kopfschmerztablette wäre jetzt wirklich nicht schlecht. Und du hast schon recht. Wir sollten dringend über diese Sache reden.“

Will brachte Jordyn das Essen ans Bett, das der Zimmerservice gebracht hatte. Sie aß ein Stück trockenen Toast und trank etwas Tee – mehr bekam sie nicht herunter. Will setzte sich mit seinem Tablett neben das Bett und ließ sich sein Frühstück aus Eiern, Speck, Bratkartoffeln und einem Muffin schmecken. Dazu trank er mehrere Tassen Kaffee.

Schließlich stellte er die beiden Tabletts draußen auf den Gang vor ihre Zimmertür ab.

Als er wieder ins Zimmer kam, zupfte Jordyn nervös an der Bettdecke. „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, Will. An die Hochzeit kann ich mich ja noch erinnern …“

Er zuckte zusammen. „Wie bitte, die Hochzeit hast du mitbekommen?“

Sie betrachtete ihn, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank. „Ja, darum ging es doch die ganze Zeit: Braden Traub und Jenny MacCallum haben geheiratet. Du glaubst doch wohl nicht ernsthaft, dass ich das nicht mehr weiß!“

Allmählich beruhigte sich sein Herzschlag wieder. „Doch, doch, natürlich.“

„Hattest du das etwa vergessen?“

„Nein.“

„Ich verstehe dich nicht, Will.“

Wie sollte sie auch? Er verstand ja selbst nicht, was passiert war. „Gibt es noch etwas, an das du dich erinnerst?“

Sie zog sich den Frotteebademantel zurecht und atmete tief durch. „Na ja, an das Picknick im Park zum Beispiel. Jedenfalls zum Großteil. Und dass wir miteinander getanzt haben …“ Verlegen zupfte sie an der Bettdecke. „Aber je später es geworden ist, desto weniger kriege ich von dem Abend zusammen. Da habe ich nur noch ganz verschwommene, komische Bilder vor Augen.“

Plötzlich kam ihm ein düsterer Gedanke. „Vielleicht hat dir ja jemand etwas in deine Bowle gekippt?“

„Ach Quatsch, das ist doch völlig abwegig.“

„Ist es eben nicht. So was passiert immer wieder, obwohl das für uns erst mal schwer vorstellbar ist. Aber was ist zum Beispiel mit diesem selbstverliebten Typen mit dem weißen Cowboyhut? Der dir zugezwinkert hat, als er an uns vorbeigetanzt kam?“

„Das war kein selbstverliebter Typ. Ich fand ihn sogar sehr nett. Und so etwas kann ich mir von ihm nicht vorstellen.“ Sie schaute aus dem Fenster. Von hier aus hatte man einen guten Ausblick auf das Hotelgelände.

„Jetzt schließ das nicht gleich automatisch aus“, beharrte Will. „Weißt du noch, ich habe doch auch ein paar Schlucke aus deinem Becher getrunken. Vielleicht hat es uns beide dadurch erwischt. Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?“

Sie begegnete zwar seinem Blick, schien in Gedanken aber woanders zu sein. „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass mir der Mann etwas in die Bowle geschüttet hat. Das war ein durch und durch anständiger Mensch.“

„Und woher weißt du das so genau?“

Sie wandte sich ab. „Also gut, dann hat er auf mich eben einen anständigen Eindruck gemacht. Außerdem hatte er gar nicht die Gelegenheit, etwas in meinen Becher zu tun. Wir haben ein einziges Mal miteinander getanzt, und als ich mir den Becher mit der Bowle geholt habe, war er ganz woanders.“

„Sicher?“

„Ja. Der Einzige, der mir problemlos etwas in die Bowle hätte schütten können, bist du.“

Entsetzt starrte er sie an. „Du glaubst doch wohl nicht im Ernst …“

„Natürlich nicht. Aber ich glaube auch nicht, dass der Cowboy mit dem weißen Hut so etwas getan hat.“ Inzwischen hatte Jordyn nicht mehr die Bettdecke in Arbeit, sondern knetete sich stattdessen die Hände. „Ehrlich gesagt mache ich mir im Moment eher Gedanken, ob …“ Sie drehte sich weg und räusperte sich. „Na ja, ob du und ich …“ Schließlich sah sie ihm doch ins Gesicht. Aus ihren großen Augen sprach die Angst. „Haben wir miteinander geschlafen, Will?“

Mist, dachte Will. Das war eine klare und sehr direkte Frage, aus der er sich nicht so einfach herauswinden konnte. Aber wie sollte er Jordyn möglichst schonend beibringen, dass er das selbst nicht wusste?

Weil er nicht schnell genug reagiert hatte, sprach sie gleich weiter: „Hoffentlich weißt du das wenigstens, ich habe nämlich keine Ahnung. Ich weiß auch nicht, wie wir in deinem Hotelzimmer gelandet sind, sondern kann mich nur schemenhaft an den letzten Abend erinnern. Ich erinnere mich, dass wir getanzt haben und viel gelacht. Und irgendwann haben wir uns auch geküsst …“ Ihre viel zu blassen Wangen erröteten.

Auch erinnerte er sich an die Küsse. Daran, wie Jordyn geduftet und wie süß sie geschmeckt hatte … und wie gut sich ihr schlanker Körper in seinen Armen angefühlt hatte. „Das weiß ich auch noch – dass wir uns geküsst haben.“

„Ja, aber haben wir letzte Nacht …? Sag mir bitte die Wahrheit!“

Damit musste er jetzt wohl rausrücken. „Das weiß ich leider auch nicht, Jordyn.“

Sie starrte ihn an, als hätte er ihr gerade ins Gesicht geschlagen. „Na, toll.“ Das Blut schoss ihr verstärkt in die Wangen. Diesmal nicht vor Scham, sondern vor Wut. „Dann habe ich wohl keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.“

„Jetzt werd bloß nicht ungerecht. Du kannst dich doch auch an nichts erinnern“, gab er schroff zurück; immerhin war er selbst ziemlich frustriert. Doch als ihr die Tränen in die Augen schossen, bereute er seinen scharfen Tonfall sofort. „Hey, bitte nicht weinen …“

Zu spät. Dicke Tränen liefen ihr über die Wangen. „Ich … ich kann nicht anders. Ich bin doch noch Jungfrau.“

Ihm blieb der Mund offen stehen.

Sie seufzte traurig. „Jedenfalls war ich das bis gestern“, fügte sie hinzu und wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht. „Jetzt sieh mich nicht so an! Oje, ich kann gar nicht glauben, dass ich dir das eben wirklich gesagt habe …“

„Mach dir keine Sorgen, es ist alles in Ordnung …“

„Ist es eben nicht, also tu bitte nicht so, als ob.“

„Glaub mir doch bitte, dass ich so eine Situation nie ausgenutzt hätte“, sagte er eindringlich. Aber sicher war er sich trotzdem nicht, denn schließlich konnte er sich selbst an nichts erinnern.

„Na wunderbar, jetzt habe ich mich so richtig bloßgestellt. Nun weißt du auch, dass ich noch Jungfrau bin … oder war.“ Sie schlug sich die Hände vors Gesicht und weinte bitterlich. Ihre Schultern hoben und senkten sich bei jedem verzweifelten Schluchzen.

Will wusste nicht, wie er sie wieder beruhigen konnte, und so blieb er einfach neben ihr sitzen und wartete ab. Dabei kam er sich unheimlich schäbig vor. Als ob es nicht schon schlimm genug war, dass er möglicherweise mit der kleinen Jordyn Leigh geschlafen hatte: Erschwerend kam hinzu, dass sie auch noch Jungfrau gewesen war.

Sie schlug die Bettdecke zurück und untersuchte das Laken. Dann zog sie mehrere Taschentücher aus der Schachtel, die auf dem Nachttisch stand, und putzte sich die Nase. „Blut habe ich keins gefunden, und es fühlt sich auch nicht so an, als wäre etwas passiert“, stellte sie fest, warf die Taschentücher in Richtung Papierkorb und zog sich wieder die Decke über den Körper.

Was wohl gerade in ihrem Kopf vorging? Will hatte nicht die leiseste Ahnung. Verzweifelt suchte er nach aufmunternden Worten. „Na ja, immerhin haben wir vorher noch geheiratet“, sagte er schließlich.

„Wie bitte?“, schrie sie auf. „Wir haben – was? Bist du jetzt völlig verrückt geworden?“ Sie schleuderte ihm ein Kopfkissen entgegen.

Er fing es mit beiden Händen auf.

Erneut schrie Jordyn auf. „Will, was hast du da am Finger?“

Vorsichtig nahm er das Kissen zur Seite und schaute sie an. „Wie bitte?“

„Du hast ja auch auf einmal einen Ring!“

„Was meinst du mit ‚auch‘?“

Sie murmelte etwas Unverständliches, schlug wieder die Decke zurück und stand auf.

„Wo willst du jetzt hin?“, wollte er wissen.

Statt einer Antwort verschwand sie im Badezimmer. Kurze Zeit später kam sie zurück, setzte sich auf die Bettkante und hielt ihm einen Ring vor die Nase, der seinem extrem ähnlich sah – er war nur ein bisschen kleiner. „Der hat heute an meinem Finger gesteckt, und ich habe einen Riesenschreck bekommen“, gestand sie. „Da habe ich ihn schnell abgenommen und erst mal unter den Stapel mit den Ersatzhandtüchern geschoben.“

Sie legte das Schmuckstück auf dem Nachttisch ab und sah Will wieder an. „Ich kann mich an keine Trauungszeremonie erinnern …“, begann sie. „Das heißt … da war doch dieser kleine Mann mit der schwarzen Hornbrille. Dieser Verwaltungsbeamte. Kannst du dich an den auch noch erinnern?“

„Allerdings. Er war mit seiner Frau da, und die war Richterin.“

Jordyn nickte. „Ich habe neben dir gestanden, das weiß ich noch. Und wir haben uns an den Händen gehalten. Um uns herum standen lauter Menschen, und vor uns die Richterin. Und dann …“

„Ja?“

Sie stieß einen langen Seufzer aus, der sehr traurig klang. „Dann habe ich einen Filmriss.“

Will konnte es kaum ertragen, sie so deprimiert zu erleben. Er stand auf und ging zu ihr. Immerhin wich sie nicht zurück, als er sich neben sie setzte. Daher nahm er seinen restlichen Mut zusammen und legte einen Arm um sie. „Sieh es doch einmal positiv.“

„Gibt es an der Sache überhaupt etwas Positives?“

„Klar. Du hast dich doch für die Ehe aufgespart. Und wenn überhaupt etwas zwischen uns passiert ist, waren wir immerhin verheiratet.“

Zunächst erwiderte sie darauf gar nichts, sondern löste sich nur aus seiner Umarmung und blickte ihn fassungslos an. „Und das soll positiv sein?“

Also hatte er schon wieder mitten ins Fettnäpfchen getreten. „Ist es das nicht?“

„Ach, du verstehst das einfach nicht. Ich habe nicht auf die Ehe gewartet, sondern auf die große Liebe. Oder wenigstens auf ein ganz besonderes Gefühl.“

Will kratzte sich nervös am Hals. „Wie bitte?“

„Ja, ich wollte warten, bis ich etwas ganz Besonderes für einen einzigartigen Menschen empfinde. Und, nein, im bewusstlosen Zustand mit dir zu schlafen ist nicht das, was ich mir unter ‚etwas Besonderes‘ vorstelle. Und die Ringe beweisen noch lange nicht, dass wir wirklich verheiratet sind. So etwas ist doch erst durch eine Heiratsurkunde rechtskräftig, oder?“

Mehrere Sekunden lang sah er sie schweigend an, während er darüber nachdachte, ob er ihr sein Fundstück zeigen sollte. „Aber wenn es so eine Heiratsurkunde gibt, würdest du glauben, dass wir wirklich verheiratet sind?“, hakte er nach.

Sie kniff die Augen zusammen. „Ist das jetzt eine Fangfrage?“

„Warte mal kurz.“

„Hey, wo willst du hin?“, rief sie ihm hinterher, als er über die Matratze auf die andere Seite kroch. „Was machst du denn da?“

Er krabbelte zurück und schwang die Beine über die Bettkante, sodass er wieder neben Jordyn saß. Dann hielt er ihr das Dokument entgegen. „Schau dir das mal an. Die Urkunde ist echt.“

„Tja, das Standesamt hat übers Wochenende geschlossen“, sagte Will, als er seinen Pick-up kurze Zeit später vor Jordyns Pension parkte. „Aber morgen ist wieder ganz normaler Betrieb. Dann fahren wir am besten ganz früh nach Kalispell. Vielleicht ist die Ehe ja noch gar nicht amtlich, und wir können alles wieder rückgängig machen.“

Jordyn starrte durch die Windschutzscheibe nach draußen. Im Moment war noch nicht viel los auf der Straße. Wenn sie sich beeilte, konnte sie schnell in der Pension verschwinden, bevor irgendjemand mitbekam, dass sie immer noch das gleiche Kleid trug wie gestern auf der Feier.

Gerade wollte sie die Tür öffnen, da griff Will sie am Arm. „Also bis morgen dann, okay?“

Sie schluckte, dann nickte sie. „Ja, gleich morgen früh fahren wir los. In Ordnung.“

Er sah ihr tief in die Augen, als erwartete er noch etwas von ihr. Aber sie hatte keine Ahnung, was das sein könnte. Zum Glück klingelte genau in diesem Moment sein Handy, und er ließ sie wieder los.

„Bis morgen also“, wiederholte er und hielt sich das Telefon ans Ohr.

Jordyn nutzte die Gelegenheit, aus dem Auto zu steigen und zu dem baufälligen alten Haus zu laufen, in dem sie untergebracht war. Drinnen rannte sie die Treppe zum zweiten Stock hoch und in ihr Zimmer. Kaum hatte sie die Tür geschlossen und sich von innen dagegen gelehnt, da klingelte auch schon ihr Handy.

Sie zog das Telefon aus der Handtasche und warf es dann auf die Kommode. „Will“ stand auf dem Display. Irgendjemand musste gestern seine Nummer einprogrammiert haben. Und er hatte offenbar auch ihre. „Woher hast du meine Telefonnummer?“, sprach sie in den Hörer.

„Das weiß ich nicht. Wahrscheinlich haben wir gestern noch Nummern ausgetauscht.“

Natürlich, warum auch nicht? Schließlich hatten sie gestern schon eine ganze Menge anderer Dinge ausgetauscht: Ringe, Eheversprechen, Küsse, möglicherweise noch mehr … Sie stöhnte auf.

„Ist alles in Ordnung, Jordyn?“

„Nein, überhaupt nicht. Wo bist du jetzt eigentlich?“

„Immer noch draußen vor der Pension, in meinem Wagen.“

„Und warum bist du noch nicht weitergefahren?“

„Weil Craig mich eben angerufen hat.“ Craig war Wills ältester Bruder.

„Das klingt aber gerade nicht gut, oder täusche ich mich da?“

„Na ja, Craig war gestern dabei, als wir geheiratet haben. Er und die halbe Stadt.“

Die halbe Stadt? Na toll. „Ich hatte dir ja schon gesagt, dass gestern ein paar Menschen um uns rumgestanden haben.“

„Schon, aber das ist noch nicht alles.“ Seine Stimme klang erschreckend düster.

Jordyn schleuderte sich die blauen Glitzerschuhe von den Füßen und ließ sich an der Tür entlang zu Boden gleiten. „Nicht?“

„Craig meinte, dass inzwischen die ganze Stadt über uns spricht. Über die Hochzeit im Park und unseren, ähm, heißen, leidenschaftlichen Kuss nach der Trauung …“

Schlagartig waren ihre Kopfschmerzen wieder da, noch viel schlimmer als vorher. „Na und? Das ist doch ganz normal, dass man sich nach einer Trauung küsst. Ist das jetzt endlich alles?“

„Leider immer noch nicht.“

„Was gibt es denn noch?“

„Wir stehen in der Rust Creek Falls Gazette.“ Das war die Tageszeitung der Kleinstadt.

„Wie bitte?“

„Na ja, da erscheint doch immer diese Klatschkolumne, die irgendein anonymer Reporter zusammenschreibt …“

Das sagte ihr allerdings etwas. Niemand wusste, wer hinter der Kolumne steckte, die immer wieder die intimsten Neuigkeiten aus dem Privatleben der Stadtbewohner ans Licht brachte. Jordyn seufzte. „Oh, nein …“

„Oh, doch. Craig hat mir erzählt, dass es im heutigen Bericht ausführlich um dich und mich und unsere Überraschungshochzeit geht.“

„Und was steht genau drin?“

„Das kann ich noch nicht sagen, dafür muss ich mir erst mal die Gazette kaufen.“

Sehnsüchtig ließ Jordyn den Blick über ihr Bett mit dem gehäkelten Überwurf gleiten. Am liebsten würde sie sofort darin verschwinden und sich die Decke über den Kopf ziehen.

„Wir müssen unbedingt noch mal über alles reden und uns genau überlegen, wie wir mit der Sache umgehen wollen, Jordyn. Wir müssen …“

„Will?“

„Ja?“

„Ich muss mich jetzt erst mal ausruhen.“

„In Ordnung.“ Er seufzte.

„Danke.“

„Aber vergiss nicht, dass wir gleich morgen früh zusammen nach Kalispell fahren, ja? Um acht hole ich dich ab.“

„Alles klar.“ Sie legte auf. Als Nächstes rief sie ihre Vorgesetzte im Kindertagesheim Sara Johnston an. Wenn sie morgen nach Kalispell wollte, musste sie sich den Tag freinehmen. Das erwies sich zum Glück als unproblematisch – im Gegensatz zu manchen anderen Dingen, die ihr noch bevorstanden …

Zuerst legte Will einen Stopp bei dem Gemischtwarenladen Crawford’s General Store ein, um sich eine Ausgabe der Rust Creek Falls Gazette zu organisieren. Im Laden waren schon zwei Frauen mittleren Alters damit beschäftigt, sich lautstark über den neuesten „Skandal“ auszutauschen.

Will schlüpfte an ihnen vorbei nach draußen, setzte sich in seinen Wagen und fuhr direkt zum Maverick Manor, seinem Hotel außerhalb der Stadt. Erst als er in seinem Zimmer angekommen war und die Tür hinter sich abgeschlossen hatte, schlug er die Seite mit der Klatschkolumne auf. Zunächst ging es darin um alle möglichen kuriosen Ereignisse aus der Stadt. Erst gegen Ende der Kolumne widmete sich der mysteriöse Autor Wills und Jordyns Hochzeit.

Will fand, dass sie in dem Bericht gar nicht so schlecht wegkamen, viel besser, als die beiden tratschenden Frauen im Gemischtwarenladen es hatten aussehen lassen. Wenn er nicht direkt betroffen gewesen wäre, hätte er die Geschichte vielleicht sogar romantisch gefunden.

So oder so wusste jetzt offenbar jeder im näheren Umkreis, dass er und Jordyn verheiratet waren. Und in einer so konservativen Kleinstadt wie Rust Creek Falls nahmen die Leute ein Eheversprechen sehr ernst. Wenn er und Jordyn also jetzt nicht richtig handelten, würden sie beide bald sehr dumm dastehen.

Je länger er über die Angelegenheit nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass er und Jordyn sich genau überlegen mussten, was sie als Nächstes tun wollten. Sie konnten eben nicht so einfach nach Kalispell fahren und alles rückgängig machen – dafür war es inzwischen zu spät.

3. KAPITEL

Als Will am nächsten Morgen vor Jordyns Pension hielt, wartete sie bereits vor der Eingangstür, in ausgeblichenen Jeans und einem kurzen weißen T-Shirt. Sobald sie ihn erblickte, sprang sie auf und lief die Stufen hinunter. Dabei zauberte die Morgensonne bronze- und kupferfarbene Reflexe in ihr goldblondes Haar.

„Hi.“ Sie schenkte ihm ein etwas unsicheres Lächeln und zog dann die Beifahrertür hinter sich zu. Ein leichter Duft nach Blumen, frischem Gras und reifen Pfirsichen wehte zu ihm – ein Duft, den er schon Samstagabend an ihr wahrgenommen hatte.

„Guten Morgen“, begrüßte er sie. „Hast du gut geschlafen?“ Kaum hatte sie sich angeschnallt, fuhr er auch schon los.

Statt einer Antwort warf sie ihm bloß einen Seitenblick zu. Du spinnst ja wohl. Dann starrte sie geradeaus auf die Straße.

Auf dem Highway versuchte Will sie in ein Gespräch über belanglose Dinge zu verwickeln, etwa über das Wetter und ihre Tätigkeit im Kindertagesheim. Aber sie reagierte nur sehr einsilbig auf seine Fragen.

Dann fragte er sie, ob sie schon einen Blick in die Gazette geworfen hätte.

„Ja.“ Das war alles, was sie dazu zu sagen hatte.

Die restliche Fahrt saßen sie schweigend nebeneinander.

In Kalispell stellte Will den Wagen vor der Bezirksverwaltung ab. Gemeinsam gingen sie in das Gebäude. Das Büro des zuständigen Verwaltungsbeamten befand sich im zweiten Stock. Allerdings war er ausgerechnet heute offenbar nicht da.

„Vielen Dank auch, Elbert“, murmelte Jordyn.

Von der Frau, die sich stattdessen um ihr Anliegen kümmerte, erfuhren sie, dass ihre Heiratsurkunde tatsächlich der Verwaltung vorlag und ihre Heirat damit rechtskräftig war.

Sprachlos starrte Jordyn sie an.

Will blieb bei ihrem ursprünglichen Plan und erkundigte sich nach der Möglichkeit, die Ehe zu annullieren.

Die Frau blickte sie mitfühlend an, um ihnen dann zu erklären, dass es sehr schwierig würde. So etwas sei nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich, zum Beispiel wenn ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen den Eheleuten bestand. „In Ihrem Fall wäre eine einvernehmliche Auflösung der Ehe ratsamer“, fuhr die Frau von der Verwaltung fort. „Das würde bedeuten, dass Sie beide gemeinsam die Scheidung einreichen – ein einfaches und faires Verfahren.“

Sie überreichte ihnen einen Riesenstapel Dokumente. „Wenn Sie alles ausgefüllt haben, kommen Sie bitte gemeinsam wieder hierher. Dann erhalten Sie innerhalb von zwanzig Tagen einen Termin für eine Anhörung, aber das ist eine reine Formsache. Unterm Strich sind Sie also spätestens zwanzig Tage nach Abgabe des Antrags geschieden.“

Als sie wieder in Wills Pick-up saßen, war Jordyn immer noch erschreckend still.

Wie kann ich bloß zu ihr durchdringen? fragte sich Will. „Ich glaube, wir müssen uns noch mal in Ruhe über alles unterhalten“, schlug er ihr vor.

Sie schüttelte bloß den Kopf. „Ich möchte jetzt so schnell wie möglich wieder in die Pension“, erklärte sie. „Bitte.“

Er fuhr die Hauptstraße entlang und bog rechts in Richtung Zentrum ein. Zwei Querstraßen weiter lenkte er den Wagen auf einen Parkplatz, der zu einem hübschen, kleinen Café gehörte.

Jordyn warf ihm einen mürrischen Blick zu. „Was soll das denn werden?“

„Ich muss jetzt erst mal frühstücken. Hast du schon was gegessen?“

Sie blitzte ihn verärgert an. „Ich habe dir doch eben gesagt, dass ich sofort wieder zur Pension möchte.“

Er legte den Arm um ihre Rückenlehne und beugte sich zu ihr. „Dann hast du also noch nichts gegessen.“

Wortlos starrte sie ihn an. Ihre volle Unterlippe zitterte leicht.

Am liebsten hätte Will sie jetzt an sich gezogen und ihr versichert, dass sie die Sache schon in den Griff bekämen. Doch sein Gespür sagte ihm, dass sie auf seine Berührung sehr empfindlich reagieren würde. „Wir müssen beide dringend etwas essen. Und außerdem sollten wir uns noch mal unterhalten.“

Sie biss sich auf die Lippe. Schließlich nickte sie. „In Ordnung.“

Im Café nahmen Will und Jordyn an einem Tisch ganz in der Ecke Platz. Sofort kam die Serviererin, um ihnen Kaffee einzuschenken. Will bestellte sich ein Steak mit Spiegeleiern. Jordyn orderte eine Portion Pfannkuchen mit Bacon – aber nur weil Will sie so eindringlich ansah, dass sie sich nicht traute, nur bei ihrem Kaffee zu bleiben.

Schweigend nippten sie an ihren Tassen, bis die Bedienung das Essen servierte.

Jordyn goss etwas Ahornsirup über die Pfannkuchen, knabberte an einer Bacon-Scheibe und hoffte insgeheim, dass Will sich inzwischen doch nicht mehr ausführlich über ihre ungeplante Eheschließung unterhalten wollte.

Aber da hatte sie sich getäuscht: Kaum hatte er sich ein halbes Steak und zwei von drei Spiegeleiern einverleibt, beugte er sich zu ihr. „Wir müssen uns eine bessere Strategie überlegen“, raunte er ihr zu.

Jordyn legte die Gabel mit dem halben Bacon-Streifen zurück auf den Teller. „Was meinst du damit?“

Er schnitt sich noch ein Stück Steak ab und trank einen Schluck Kaffee. „Jordyn … ich weiß ja, wie sehr dich die Sache belastet, und ich will es bestimmt nicht noch schlimmer machen … Aber hast du schon mal darüber nachgedacht, dass du schwanger sein könntest?“

Ihr zog sich der Magen zusammen. Dann schob sie ihren Teller zur Seite. „Nein, ich …“, wisperte sie. „Um Gottes willen, nein!“ Über diese Möglichkeit hatte sie noch gar nicht nachgedacht!

Er sah ihr ins Gesicht. „Ich habe für den Fall der Fälle immer ein Kondom dabei“, erklärte er. „Und das ist noch in meiner Brieftasche.“

„Oh.“

Er hob eine Augenbraue. „Du nimmst nicht zufällig die Pille?“ Als sie den Kopf schüttelte, fuhr er fort: „Möchtest du dir vielleicht vorsichtshalber die Pille danach besorgen?“

Auch das verneinte Jordyn. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich schwanger bin. Und wegen der Pille danach … nein, das kommt für mich nicht infrage.“

„Okay. Trotzdem können wir eine Schwangerschaft nicht ausschließen. Es ist ja nicht völlig abwegig, dass wir Samstagnacht miteinander geschlafen haben.“

Plötzlich begannen ihre Wangen zu glühen. „Was willst du eigentlich von mir?“

„Ganz ehrlich?“ Will wartete kurz, bis sie erneut nickte, dann erwiderte er: „Ich finde es gut, wenn wir noch ein bisschen verheiratet bleiben.“

„Aber ich …“

„Moment mal, hör mir doch erst mal zu.“

Sie legte beide Hände um ihre Kaffeetasse. „Ja?“

„Wenn du wirklich ein Kind von mir bekommen solltest, würde ich nicht in eine Scheidung einwilligen. Dann möchte ich zusammen mit dir daran arbeiten, dass wir eine gute Ehe führen.“

Am liebsten hätte Jordyn behauptet, dass eine Schwangerschaft absolut ausgeschlossen war. Aber das konnte sie nicht. Falls sie wirklich schwanger sein sollte, dann würden sie eben gemeinsam dafür sorgen, dass das Kind ein gutes Zuhause bekam. Da hatten Will und sie die gleichen Wertvorstellungen. „Okay, das sehe ich genauso“, sagte sie. „Wenn es um ein Kind geht, dann bin ich auch dafür, dass wir verheiratet bleiben.“

Er atmete langsam aus. „Gut.“

„Aber ich bin mir ganz sicher, dass ich nicht schwanger bin.“

„Schön, aber du kannst die Möglichkeit im Moment trotzdem nicht ausschließen.“

„Ich weiß, aber … ich hatte mir meine nähere Zukunft eigentlich anders vorgestellt. Die meisten Leute glauben immer noch, dass ich nur nach Rust Creek Falls gezogen bin, um hier meinen zukünftigen Ehemann kennenzulernen. Und vielleicht stimmt das sogar. Jedenfalls habe ich auch ein bisschen darüber nachgedacht. Ehrlich gesagt bin ich nämlich eine hoffnungslose Romantikerin.“

Will bestrich ein dreieckiges Stück Toast dick mit Erdbeerkonfitüre. „An dir ist überhaupt nichts hoffnungslos, Jordyn Leigh.“

Bei seinen Worten wurde ihr unwillkürlich warm ums Herz. „Na gut, ein hoffnungsloser Fall bin ich vielleicht nicht.“ Sie lächelte verhalten. „Dafür aber ganz schön romantisch. Ich wünsche mir die wahre Liebe und möchte nur deswegen heiraten. Inzwischen haben alle meine vier Schwestern den Mann fürs Leben gefunden und auch geheiratet … nur ich noch nicht. Da bin ich natürlich ein bisschen enttäuscht, aber das heißt noch lange nicht, dass ich deswegen kein ausgefülltes Leben habe. Es gibt auch andere Dinge, die mir wichtig sind. Mein Beruf zum Beispiel. Da habe ich noch einige Pläne.“

Will schob sich einen weiteren Bissen Steak in den Mund. „Was hast du denn vor?“

Sie warf ihm einen skeptischen Seitenblick zu. „Willst du das wirklich wissen?“

„Auf jeden Fall; sonst hätte ich dich nicht gefragt.“

Na dann, dachte sie. „Ich habe ein paar Fernuni-Seminare belegt, weil ich mich auf einen Abschluss in Kindheitspädagogik vorbereiten will. Und ich habe inzwischen beschlossen, doch nicht in Rust Creek Falls zu bleiben. Ich fühle mich hier zwar ganz wohl und habe auch Freunde gefunden … aber den Mann fürs Leben habe ich leider nicht kennengelernt. Darum wollte ich mich ein bisschen in die große, weite Welt hinauswagen.“

„Und was heißt das genau?“

„Das heißt, dass ich nach Missoula ziehen will, um dort an der Universität mein Studium abzuschließen.“

Missoula lag etwa zweieinhalb Autostunden von Kalispell entfernt und war mit knapp 70.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt im Bundesstaat Montana.

„Ich bin auch schon eingeschrieben und habe ein bisschen Geld dafür angespart. Ich möchte unbedingt diesen Abschluss machen, damit ich mich beruflich weiterentwickeln kann. Im August ziehe ich aus Rust Creek Falls weg, und es ist mir vollkommen egal, was irgendwelche engstirnigen Leute hier dazu sagen.“

Will legte sein Besteck beiseite und schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass dir das egal ist, mir ist es übrigens auch nicht gleichgültig. Du sollst dich nicht für das schämen, was Samstagnacht zwischen uns passiert ist. Und auch wenn du aus dieser Gegend wegziehst – ich wohne dann ja immer noch hier, wenn ich demnächst meine Ranch beziehe. Ich will auf keinen Fall in dem Ruf stehen, ein Mann zu sein, der seine Verpflichtungen nicht ernst nimmt.“

„Aber wenn es doch gar keine richtige Verpflichtung ist …“

„Natürlich ist das eine richtige Verpflichtung“, gab er etwas ruppig zurück. „Schließlich sind wir rechtskräftig verheiratet. Wahrscheinlich nicht, bis dass der Tod uns scheidet. Trotzdem sollten wir das beide sehr ernst nehmen. Ich habe ja schon gesagt, dass wir uns eine bessere Strategie überlegen müssen. Und ich habe mir auch schon etwas überlegt. Wenn wir es so machen, kannst du trotzdem ab Herbst in Missoula studieren.“

Sie schluckte. „Wirklich?“

„Ja. Wann fängt das Semester an?“

„Die Orientierungsveranstaltungen beginnen in der vorletzten Augustwoche.“

„Das passt doch gut. Dann bleiben wir diesen Sommer erst mal verheiratet, und du ziehst mit mir auf meine neue Ranch.“

Jordyn setzte sich kerzengerade auf. „Wie bitte? Ich soll bei dir einziehen?“

„Ja. Und falls dich irgendjemand nach deinem Studium in Missoula fragt, erzählst du den Leuten einfach, wie stolz ich auf dich und deine Pläne bin und wie sehr ich dich dabei unterstütze. Weil das nämlich dein Lebenstraum ist und ich finde, dass du ihn auf jeden Fall verwirklichen sollst.“

Sie grinste schief. „Oh, du mein Held!“, scherzte sie.

Will ging nicht weiter darauf ein. „Und dann sagst du noch, dass du während deines Studiums natürlich so oft wie möglich zu mir nach Hause kommst. Weil wir es nämlich kaum aushalten können, uns so selten zu sehen.“

„Ach ja?“

Er nickte. „Wann kannst du ungefähr sagen, ob du schwanger bist oder nicht?“

„Das geht mir gerade alles etwas zu schnell, Will. Ich finde …“

„Wann weißt du es?“, wiederholte er.

Sie seufzte. „Wahrscheinlich in zwei oder drei Wochen. Ich habe einen ziemlich regelmäßigen Zyklus.“

„Okay. Falls du schwanger sein solltest, bleiben wir verheiratet und tun alles, um eine gute Ehe zu führen und dem Kind ein schönes Zuhause zu bieten. Und falls nicht, reichen wir Ende Juli die ausgefüllten Scheidungspapiere ein. Dann bist du bis Mitte August geschieden.“

Nervös drehte sie den Salzstreuer hin und her. „Ich bin mir bloß nicht sicher, ob das alles so gut ist …“

„Aber ich. Hast du noch weitere Fragen?“

Am liebsten hätte Jordyn ihn gepackt und kräftig geschüttelt. „Ja, eine Frage hätte ich schon.“

„Schieß los.“

„Sollen wir auf deiner Ranch auch in einem Zimmer schlafen?“

Will wirkte etwas beleidigt. „Was denkst du eigentlich von mir? Ich will mich nicht an dich ranmachen, sondern dir nur helfen.“

„Also, ich glaube ja, dass es am besten wäre, wenn wir einfach reinen Tisch machen würden, um dann beide unser Leben weiterzuleben.“

„Da irrst du dich. Meine Idee ist viel besser. Wo war ich eigentlich gerade? Ach ja, natürlich haben wir getrennte Zimmer. Aber ansonsten machen wir alles zusammen und schauen zu, dass es zwischen uns reibungslos klappt.“

„Aber damit spielen wir doch allen anderen etwas vor.“

„Eben nicht. Wir sind ja vor dem Gesetz verheiratet. Wie wir das privat umsetzen, geht niemanden sonst etwas an. Und falls du wirklich schwanger sein solltest, ist es auch am besten für das Baby, in eine gut funktionierende Ehe hineingeboren zu werden. Du musst auch mal an das Baby denken.“

Jetzt konnte Jordyn ihr halb belustigtes, halb nervöses Lachen nicht mehr ganz unterdrücken.

Will zog die dunklen Augenbrauen zusammen. „Was ist daran so lustig?“

„Na ja … du bist irgendwie lustig. Du sprichst schon von einem gemeinsamen Baby, obwohl wir nicht mal wissen, ob wir überhaupt miteinander geschlafen haben.“

Wieder wirkte er etwas gekränkt. „Ich rede von der Möglichkeit, und die können wir nicht ausschließen. Jedenfalls hat meine Ranch drei Schlafzimmer, und ich kann nur eins davon beziehen. Du bekommst eins von den beiden anderen.“

Eben hatte sie noch über ihre etwas absurde Situation gelacht, aber jetzt bekam sie schlagartig Angst. „Bestimmt gibt es trotzdem jede Menge Klatsch und Tratsch über uns“, gab sie zu bedenken.

„Na und? Lass die Leute doch reden. Wenn sie mitbekommen, was für ein nettes, glücklich verheiratetes Paar wir sind, wird es ihnen irgendwann langweilig. Dann suchen sie sich schon ein anderes Thema.“

„Ich dachte bloß …“

In diesem Moment kam die Serviererin an ihren Tisch, um die Kaffeetassen aufzufüllen. „Kann ich Ihnen noch etwas bringen?“

„Danke, wir würden gern zahlen.“ Will nahm die Rechnung entgegen, und die Serviererin räumte den Tisch ab. Als sie wieder gegangen war, betrachtete er Jordyn einige Sekunden lang schweigend. „Was dachtest du bloß?“, hakte er schließlich nach.

Sie fuhr sich durchs Haar. „Willst du das wirklich alles so durchziehen?“

„Ganz bestimmt. Ich habe mir diesen Plan ja ausgedacht.“

Jordyn konnte nur staunen. Früher war Will ihr mit seiner Überheblichkeit und Besserwisserei auf die Nerven gegangen. Vielleicht hatte sie sich damals ja getäuscht, und er hatte wirklich vieles besser im Blick gehabt als sie. Und wenn sie schon „aus Versehen“ jemanden heiraten musste, dann hatte sie mit Will wahrscheinlich das bestmögliche Los gezogen.

Er hatte schon immer ihr Wohlergehen im Blick gehabt und sie unterstützt. Und das würde er auch jetzt tun. „Du bist wirklich ein toller Mann, Will“, sagte sie. „Ein echter Held. Und diesmal meine ich das vollkommen ernst.“

„Bist du denn mit meinem Vorschlag einverstanden?“, hakte er nach.

Jordyn hatte immer noch ihre Zweifel. Aber wenn es möglicherweise um die Zukunft eines ungeborenen Kindes ging, dann wollte sie lieber auf Nummer sicher gehen. „Ja, in Ordnung“, willigte sie ein.

Einen Moment lang sahen sie sich schweigend in die Augen. „Gib mir bitte deine Hand“, sagte Will schließlich.

Sie streckte ihm die rechte Hand entgegen.

„Nein, deine linke Hand.“ Aus der Brusttasche seines Westernhemdes holte er den Ehering, den sie am Tag davor in seinem Zimmer hatte liegen lassen.

Als Jordyn den Ring erblickte, füllten sich ihre Augen mit heißen Tränen. Sie spürte einen Stich in der Herzgegend – aber es war ein angenehmer Schmerz. „Du hast ja wirklich an alles gedacht!“

Es zuckte um seine Mundwinkel. „Gib mir jetzt bitte deine Hand, Jordyn Leigh“, wiederholte er.

Sie hielt ihm die linke Hand hin, und er steckte ihr den Ring wieder an den Finger. Dann streckte sie auch die rechte Hand aus, und er umfasste sie ebenfalls. Da saßen sie nun und hielten sich über der Tischplatte an den Händen.

„Vielen Dank“, flüsterte sie ihm zu. Dabei zitterte ihre Stimme nur ein ganz kleines bisschen.

4. KAPITEL

Auf der Rückfahrt nach Rust Creek Falls warf Will Jordyn immer wieder kurze Seitenblicke zu.

Ihr war sofort klar, dass ihm noch etwas im Kopf herumspukte. „Was ist los, Will? Sag es mir einfach.“

„Also, die Nacht von heute auf morgen …“

„Ja, was ist damit?“

„Ich schlafe heute ja zum letzten Mal im Hotel. Morgen ziehe ich auf meine neue Ranch.“

„Ja, das hast du mir schon am Samstag erzählt. Als ich noch einen halbwegs klaren Kopf hatte.“

„Ich finde es am besten, wenn du bei mir im Hotelzimmer schläfst. Immerhin sind wir verheiratet. Da müssen wir uns nach außen hin auch so verhalten.“

Erst wollte Jordyn sich weigern und einwenden, dass es auf diese eine Nacht bestimmt nicht ankäme. Außerdem hatten sie sich auf getrennte Schlafzimmer geeinigt. Und sie konnten im Maverick Manor schlecht zwei Einzelzimmer buchen, wenn sie nach außen als glücklich verheiratetes Paar gelten wollten.

Andererseits hatte sie ja schon einmal in Wills Bett geschlafen. Und diesmal wäre sie immerhin bei vollem Bewusstsein. „In Ordnung, dann übernachte ich eben in deinem Zimmer im Maverick Manor.“

Als Jordyn später an Wills Hotelzimmertür klopfte, war er gerade mitten in einem Telefonat. Er öffnete ihr und sprach weiter in sein Handy: „Ja, Mom. Stimmt, ich hätte dich vorher anrufen sollen, das tut mir wirklich leid. Ich verstehe ja, dass du gern dabei gewesen wärst, aber … es war so: Ich konnte mein Glück kaum fassen, dass Jordyn Leigh wirklich Ja gesagt hat. Da wollte ich die Sache so schnell wie möglich amtlich machen, bevor sie es sich anders überlegt.“

Er warf Jordyn einen Seitenblick zu, grinste und zog seine dunklen Augenbrauen hoch. Na, wie mache ich das gerade? schien er damit sagen zu wollen.

Jordyn fand ihn ziemlich überzeugend.

Will schwieg einige Sekunden lang und hörte seiner Mutter zu. „Ja, genau, morgen“, erwiderte er. „Dann ziehen wir zusammen auf die Ranch. Danke, ja, das mache ich. Ja, sie ist auch hier – Moment mal, ich gebe sie dir!“

Jordyn ließ ihre Reisetasche auf den Boden fallen und sah Will mürrisch an. Musste er sie gleich so vorführen? Dann nahm sie das Telefon entgegen. „Hallo Carol.“

„Ich freue mich so für euch, Jordyn!“ Wills Mutter war offenbar sehr gerührt, denn sie klang ganz verheult. „Ich habe mir ja schon immer gedacht, dass sich zwischen euch etwas anbahnt, obwohl das sonst niemand für möglich gehalten hätte.“

Das glaubst du doch selbst nicht, dachte Jordyn. „Ja, und damit lagst du absolut richtig!“, log sie. „Schade, dass du uns jetzt nicht sehen kannst.“ Erneut warf sie Will einen finsteren Blick zu, aber der grinste bloß breit und hielt beide Daumen nach oben.

„Na, das ist ja ein Ding“, sagte Wills Mutter, dann fuhr sie in einem verschwörerischen Tonfall fort: „Und ich dachte schon, dass Will nie die richtige Frau für sich findet. Aber jetzt verstehe ich alles. Er hat nur darauf gewartet, dass er endlich nach Rust Creek Falls ziehen kann … deinetwegen! Und jetzt bist du meine Schwiegertochter! Ach, es wäre schön, wenn wir euch diesen Sommer gleich besuchen könnten …“

„Ja, das wäre wirklich toll“, gab Jordyn schwach zurück. Aber auch ganz schön unangenehm und komisch.

„Na ja, und wenn das nicht klappt, sehen wir uns auf jeden Fall an Thanksgiving.“

Oh, wirklich?

„Will hat mir schon erzählt, dass du ab August in Missoula studierst, aber er hat mir versprochen, dich über die Feiertage abzuholen und mit dir bei uns vorbeizuschauen. Und zu Weihnachten seid ihr natürlich auch da.“

„Ähm, ja, natürlich …“

„Ach, meine Liebe, ich freue mich schon so!“

Jordyn ließ sich ganz auf ihre Rolle ein und gab zurück, dass sie es ebenfalls gar nicht erwarten könne, Carol wiederzusehen.

Nachdem Carol Clifton sich weitere zehn Minuten fröhlich über die Überraschungshochzeit ausgelassen hatte, wollte sie noch einmal mit ihrem Sohn sprechen.

Jordyn überreichte Will das Telefon so schnell, als wäre es eine heiße Kartoffel, griff nach ihrer Reisetasche und verschwand im Bad. Dort konnte sie immerhin die Tür hinter sich zuziehen, während Will seiner Mutter immer detailliertere Lügengeschichten erzählte.

Jordyn stellte ihre Kosmetiktasche auf die Ablage, kämmte sich schnell die Haare und legte etwas Lipgloss auf. Gerade war sie aus dem Bad ins Hotelzimmer zurückgegangen, da klingelte ihr Handy. Diesmal war ihre Mutter dran, die genau wie Carol Clifton ganz außer sich vor Freude war – und gleichzeitig unendlich enttäuscht, dass Jordyn ihr vorher nichts von der Hochzeit erzählt hatte.

Erschöpft ließ sich Jordyn mit dem Handy aufs Sofa sinken. Als Nächstes kam ihr Vater ans Telefon, um ihr zu gratulieren. Und kaum hatte sie aufgelegt, rief auch noch ihre Schwester Jasmine an.

Nachdem Jordyn alle Gespräche beendet hatte, blickte sie zu ihrem frisch angetrauten Ehemann hoch, der sie gerade neugierig beobachtete. „Es wäre toll, wenn ich heute niemanden mehr anlügen müsste“, seufzte sie und legte das Handy auf den niedrigen Beistelltisch.

„Hey …“ Mit großen Schritten kam er zu ihr, setzte sich neben sie und legte einen Arm hinter sie auf die Rückenlehne.

Jordyn atmete sein Aftershave ein, das dezent nach Leder und Gewürzen duftete. Auf seinem kantigen Kinn zeichnete sich ein dunkler Bartschatten ab. Seine Augen schimmerten hellblau wie ein Gletscher, und die Iris war von einem dunkleren Ring umgeben.

„Das sind doch keine Lügen“, belehrte er sie in dem gleichen Tonfall, in dem er früher mit ihr gesprochen hatte, als sie noch ein Kleinkind gewesen war.

„Ach, nein? Hast du nicht eben deinen Eltern erzählt, dass wir sie Thanksgiving und Weihnachten besuchen würden?“

„Das ist nicht völlig ausgeschlossen.“

„Aber nur, falls ich schwanger sein sollte, und das ist nicht sehr wahrscheinlich. Und jetzt stell dir mal vor, wie lustig es noch wird, wenn wir unseren Freunden und unserer Familie erzählen müssen, dass es mit uns beiden leider doch nicht funktioniert hat.“

Er betrachtete sie mehrere unangenehme Sekunden lang. Schließlich sagte er: „Willst du lieber einen Rückzieher machen? Falls ja, sag mir das jetzt bitte.“

Eigentlich müsste ich Ja sagen und dem ganzen Zirkus ein Ende setzen, dachte sie. Aber insgeheim wollte sie das nicht.

Will starrte sie durchdringend an. „Beantworte bitte meine Frage, Jordyn.“

„Na schön. Nein, ich will keinen Rückzieher machen.“

Seine Züge entspannten sich. Vorsichtig griff er nach einer ihrer blonden Haarsträhnen und rieb sie zwischen den Fingern.

Sie umschloss sein Handgelenk. „Hör bitte auf damit.“

Mehrere Atemzüge lang sahen sie sich wie gebannt an. Jordyn spürte, wie sie die Lippen spitzte, als könnte sie gar nicht anders. Unwillkürlich musste sie an die Feier am Samstagabend denken. Daran, wie es sich zwischen ihnen angefühlt hatte, bevor ihr irgendetwas vollkommen das Bewusstsein vernebelt hatte. Seine Nähe, seine heißen Küsse …

Erschrocken stellte sie fest, dass sie schon die ganze Zeit auf seine Lippen starrte, die sich unendlich sanft auf ihren angefühlt hatten. Niemals hätte sie gedacht, dass jemand, der so stark und männlich wirkt, auch so zärtlich sein konnte.

Ausgerechnet jetzt meldete sich ihr Magen vernehmlich.

Will grinste.

Und der magische Moment war vorbei. Sie ließ sein Handgelenk los. „Mach bitte keine Witze, dafür bin ich viel zu sauer auf dich“, sagte sie mit gespielter Empörung.

„Ach Quatsch, du hast einfach nur Hunger. Am besten, wir gehen erst mal etwas Vernünftiges essen. In Kalispell gibt es einen richtig guten Italiener.“

„Wie bitte, willst du jetzt schon wieder nach Kalispell fahren?“

„Ja, warum denn nicht? Da kennen uns die Leute nicht und stellen auch keine Fragen. Also musst du dort auch niemanden anlügen.“

In dem kleinen italienischen Restaurant in Kalispell teilten sich Will und Jordyn eine Vorspeisenplatte. Dann bekam er eine Lasagne, und sie hatte Kalbsschnitzel mit Tomatensauce bestellt. Will fand, dass der Nachmittag ziemlich entspannt verlief. Auf dem Weg zum Auto schien Jordyn schon viel bessere Laune zu haben. Sie stellte ihm sogar einige interessierte Fragen zu seiner neuen Ranch.

Er erzählte ihr von dem herrlichen Blick, den man von dort aus auf die Berge hatte. „Genau so habe ich mir meine Ranch immer vorgestellt“, erzählte er. „Viel erstklassiges Weideland und fruchtbarer Boden am Fluss, wo ich Futterpflanzen anbauen kann. Außerdem gehören noch mehrere hübsche kleine Pappel- und Kiefernwäldchen dazu. Die Gebäude müssen allerdings ein bisschen überholt werden. Darum kümmere ich mich als Nächstes. Aber bewohnbar sind sie jetzt schon.“

Will hielt kurz inne und lächelte Jordyn an. Offenbar war er sehr stolz auf seinen Besitz. „Ich habe auch schon einige Rinder gekauft. Nächste Woche müssten sie da sein. Und ich habe zur Unterstützung noch ein Ehepaar angestellt. Donnerstag oder Freitag kommen sie aus Thunder Canyon und bringen meine Pferde und meine Möbel mit.“

„Und wie soll die Ranch heißen?“

„Was hältst du von der Flying-C-Ranch?“

C wie Clifton, sein Nachname. Jordyn nickte. „Gefällt mir.“ Sie erwiderte sein Lächeln.

In diesem Moment fühlte Will sich richtig wohl in seiner Haut. Alles um ihn herum machte ihn glücklich. „Dann heißt die Ranch ab heute so.“

Jordyn beugte sich nach unten und holte ein Haargummi aus ihrer Handtasche. Und während sie weiterhin geradeaus auf die Straße vor ihnen schaute, band sie ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. Dadurch, dass sie dabei die Arme über den Kopf hob, zog sie ihre kleinen, festen Brüste ein Stück mit nach oben.

Erst jetzt wurde Will klar, wie intensiv er sie gerade anstarrte. Schnell wandte er den Kopf ab und zwang sich, sich stattdessen auf die Straße zu konzentrieren.

„Dann verrat mir doch mal dein Geheimnis“, sagte sie plötzlich. „Wie kommt es, dass du dir jetzt schon eine eigene Ranch leisten kannst? Früher hast du immer erzählt, dass das noch dauern würde, bis du mindestens vierzig bist.“

„Ja, davon war ich eigentlich ausgegangen. Aber dann ist meine Großtante Wilhelmina leider vor einem halben Jahr gestorben.“

„Oh, nein, das tut mir leid. Wie alt war sie denn?“

„Mitte achtzig, sie hatte sich schon in den letzten Jahren ziemlich schwach gefühlt. Sie ist ganz friedlich eingeschlafen.“

Will erzählte weiter, dass seine Großtante ihm einen Brief hinterlassen hatte, in dem sie ihn aufforderte, sich seinen Lebenstraum zu erfüllen. Außerdem hatte sie ihm eine stattliche Geldsumme vermacht.

Die restliche Fahrt zum Maverick Mansion verbrachten Jordyn und Will schweigend.

Weil Jordyn noch Hausaufgaben für ihre Online-Kurse zu erledigen hatte, blieb sie im Hotelzimmer.

Will wollte sich mit seinen Brüdern zusammensetzen, die im selben Hotel untergebracht waren, und gegen zehn Uhr wieder zurück sein.

Also hatte Jordyn erst mal vier Stunden Zeit zum Arbeiten. Sie klappte ihren Laptop auf.

Sobald sie alle Seminaraufgaben erledigt hatte, duschte sie schnell, schlüpfte in bequeme Shorts und ein weites T-Shirt. Dann bestellte sie sich ein Sandwich und ein Getränk beim Zimmerservice, putzte sich die Zähne und legte sich aufs Bett, um ein bisschen fernzusehen.

Sie schreckte hoch, als sie die Dusche hörte. Offenbar war sie eingeschlafen, und Will war in der Zwischenzeit zurückgekommen. Sie schaltete den Fernseher aus und setzte sich aufrecht ins Bett. Ihr Herz raste – aber warum eigentlich? Eigentlich hatte sie doch keinen Anlass, aufgeregt zu sein. Natürlich war es komisch, dass sie und Will gleich in einem Bett schlafen würden.

Andererseits hatten sie schon einmal im selben Zimmer geschlafen, auch wenn sie sich überhaupt nicht daran erinnern konnte. Außerdem war er kein wildfremder Mann für sie, sondern Will, den sie praktisch seit ihrer Geburt kannte.

Plötzlich wurde das Duschwasser abgedreht. Jordyn starrte wie gebannt auf die Badezimmertür und versuchte ihr Herz dazu zu bringen, wieder ruhig zu schlagen – vergeblich, es hämmerte wie verrückt weiter.

Dann kam Will in einer Dampfwolke aus dem Bad. Er trug eine Jogginghose und ein hellgraues T-Shirt, unter dem sich seine ausgeprägte Brustmuskulatur abzeichnete. Seine Haare waren noch feucht, und er war barfuß.

Plötzlich wurde Jordyns Mund trocken.

„Sorry“, sagte er. „Ich wollte dich nicht wecken.“

„Das hast du nicht. Ich … ich wollte eigentlich auch nicht einschlafen.“ Ach, du meine Güte, dachte sie. Was erzähle ich denn da für einen Mist?

Will betrachtete sie einen Augenblick lang. „Alles in Ordnung?“

„Ja, natürlich. Den Umständen entsprechend, jedenfalls.“

Er lächelte schief. „Weißt du was? Gib mir einfach ein Kissen, dann schlafe ich auf der Couch.“

„Auf gar keinen Fall“, sagte sie, ohne darüber nachgedacht zu haben. „Das Bett ist groß genug für uns beide, und einmal haben wir ja schon zu zweit darin geschlafen.“

„Ich lege mich jetzt aufs Sofa.“

„Das ist doch viel zu kurz für dich, da hast du morgen Rückenschmerzen!“

Sein Gesichtsausdruck kam ihr gerade sehr bekannt vor: Er hatte wieder den „Heldenblick“ aufgesetzt, wie sie es früher immer genannt hatte. Damals hatte er sie so angesehen, wenn er ihr erklären wollte, wie sie sich zu verhalten hatte. Jetzt schien sein Blick eher etwas mit Selbstbestrafung zu tun zu haben. „Ich habe dir versprochen, dass wir in getrennten Schlafzimmern übernachten. Ab morgen ist das auch wieder möglich, und heute lege ich mich auf die Couch.“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und verdrehte demonstrativ die Augen. „Das ist doch lächerlich!“

„Ich finde es aber nicht fair, wenn du …“

„Pst“, machte sie – und zu seiner Überraschung hielt er wirklich inne. Schnell stand sie vom Bett auf schlug die Decke zurück und kroch darunter. „Im Schrank gibt es noch eine Wolldecke. Die kannst du ja nehmen, dann haben wir beide unser eigenes Bettzeug. Ich mache heute Nacht auch keine Dummheiten, versprochen!“

Er lachte leise. „Wirklich nicht?“

„Wirklich nicht. Und jetzt komm ins Bett.“

5. KAPITEL

Als Jordyn am nächsten Morgen aufwachte, duftete es nach frischem Kaffee.

„Guten Morgen!“ Will saß auf dem Sofa und aß eine Portion Spiegeleier, die der Zimmerservice vorbeigebracht hatte. Er wies auf ein weiteres Tablett auf dem Beistelltisch. „Für dich habe ich Rührei mit Toast bestellt. Ich hoffe, das magst du.“

Sie setzte sich auf und räkelte sich. „Wunderbar.“

„Dann komm schnell, bevor es kalt wird.“

Kurze Zeit später saßen sie nebeneinander auf dem Sofa und aßen.

Nach dem Frühstück überließ Will ihr das Bad, denn schließlich musste sie rechtzeitig bei der Arbeit sein. „Wann hast du denn Schluss?“, erkundigte er sich, als er ihr die Zimmertür aufhielt.

„Gegen drei.“

„Okay, ich hole dich vom Kindertagesheim ab, und wir fahren zusammen zu deiner Pension. Dann laden wir deine ganzen Sachen in meinen Wagen und fahren zur Ranch. Du kannst mir in deinem Auto hinterherfahren.“

„Du brauchst doch nicht …“

Er winkte ab. „Ich bin um drei Uhr da.“ Plötzlich lächelte er stolz. „Heute um zehn ist übrigens die Schlüsselübergabe.“

„Herzlichen Glückwunsch noch mal zu deiner eigenen Ranch. Das ist wirklich absolut toll!“

Er schnaufte leise. „Tja, demnächst stehe ich wohl bis zu den Knien in Kuhmist.“

„Schon, aber immerhin ist es dein eigener Kuhmist.“ Sie schlüpfte an ihm vorbei nach draußen auf den Flur. Dann reckte sie sich ihm ein Stück entgegen.

Auch er beugte sich zu ihr herunter, seine Augen leuchteten immer noch vor Vorfreude auf die große Übergabe der Ranch. „Ach, ist das schön, wenn eine Frau sich so für ihren Mann freuen kann.“

Mehrere Atemzüge lang wartete Jordyn darauf, dass er sie küsste. Auf einmal wurde ihr bewusst, was ihr gerade durch den Kopf ging, und sie wich schnell zurück. „Dann bis heute Nachmittag um drei!“

„Ich freue mich. Bis dann!“

Sie wirbelte herum und lief den Flur hinunter, das Blut schoss ihr heiß in die Wangen. Hoffentlich hatte sie sich rechtzeitig von Will abgewandt, sodass er nicht sah, wie rot sie deswegen geworden war …

„Nicht gucken, Miss Jordyn“, mahnte die kleine Sophie Lundergren.

Es war inzwischen halb eins, und die Kinder hatten alle ihre Lunchpakete aufgegessen. Sophie hatte sich neben Jordyn an den langen Picknicktisch gesetzt, der unter der riesigen Eiche im Garten des Kindertagesheims stand.

„Ich gucke wirklich nicht, versprochen!“ Sophie und ihre große Schwester Delilah hatten Jordyn die Augen verbunden.

Um sie herum kicherten die Kinder und tuschelten sich gegenseitig etwas zu. Jemand stellte etwas vor sie auf den Tisch.

„Pst, macht schnell!“, sagte ein Junge.

Dann meldete sich eine ihrer beiden Vorgesetzten zu Wort, entweder Sara oder Suzie – das konnte Jordyn nicht genau sagen: „Jetzt bitte ganz vorsichtig … ja, gut so!“

Schließlich räusperte sich Saras älteste Tochter Lindy. „So, wir sind jetzt so weit“, verkündete sie. „Ihr könnt ihr die Augenbinde abnehmen.“

Mit geschickten Händen knotete jemand das Halstuch an Jordyns Hinterkopf auf und zog es weg. „Herzlichen Glückwunsch, Miss Jordyn!“, riefen Sara, Suzie und alle Kinder einstimmig.

Jordyn blinzelte und starrte fassungslos auf den riesigen Stapel an Geschenken, der sich vor ihr auftürmte – und auf den selbst gebackenen Kuchen, auf den jemand mit bunten, schiefen Buchstaben „Jordyn und Will“ geschrieben hatte.

„Oh!“ Jordyn schlug sich eine Hand vor den Mund. „Ach, du liebe Güte!“

„Das sind alles Hochzeitsgeschenke für dich!“, rief die neunjährige Lily Franklin.

„Genau!“, bestätigte der fast achtjährige Bobby Neworth. „Die ganze Küsserei ist ja voll igitt, aber Kuchen und Geschenke finde ich total cool!“

Die anderen Jungen johlten und pfiffen zustimmend.

Jordyn schluckte den dicken Kloß hinunter, der sich in ihrem Hals gebildet hatte. Ihre Gefühle fuhren gerade Achterbahn. Sie verdrängte die Lügengeschichten, in die sie sich schon verstrickt hatte, und freute sich stattdessen über die wirklich rührende Geste. „Ach, das ist ja wunderschön!“, rief sie aus. „Vielen, vielen Dank euch allen!“

„Bitte schön, Miss Jordyn“, erwiderten die Kinder – auch diesmal fast einstimmig.

„Den Kuchen haben wir gestern gebacken“, verkündete Lily stolz. „Und dann haben wir ihn mit Buttercreme bestrichen.“

„Und ich habe die Buchstaben draufgemacht“, ergänzte Bobby. „Mrs. Suzie hat mir nur ganz wenig dabei geholfen.“

„Er sieht toll aus!“, sagte Jordyn.

Jetzt schaltete sich der sechsjährige Theodore Brickman ein: „Die Geschenke haben wir auch alle selbst gebastelt!“

„Die sind bestimmt richtig toll“, erwiderte Jordyn und sah zu ihren Vorgesetzten Suzie und Sara, die nebeneinander am Tisch standen und grinsten. Jordyn blinzelte sich die Tränen aus den Augen und formte mit den Lippen ein Danke! in ihre Richtung. Sie wollte gar nicht darüber nachdenken, wie sehr sie die beiden Frauen vermissen würde, wenn sie im August nach Missoula wechselte.

„Gern geschehen“, gab Sara zurück.

Plötzlich drehte sich Delilah zu Jordyn um und blickte sie mit großen Augen an. „Miss Jordyn, bist du jetzt Mrs. Jordyn?“

„Das ist vollkommen richtig“, beantwortete Sara die Frage des Mädchens.

Suzie lachte. „So, Mrs. Jordyn. Höchste Zeit, den Kuchen anzuschneiden, oder?“

Die Kinder schienen der gleichen Meinung zu sein.

„Au ja!“

„Lecker, Kuchen!“

„Schneid ihn an, Mrs. Jordyn!“

Um drei Uhr nachmittags war Jordyn mit der Buchhaltung und der Stundenplanung für die nächsten Tage durch. Durch das kleine Fenster neben der Tür spähte sie nach draußen.

Dort wartete auch schon Will mit seinem Pick-up – pünktlich auf die Minute. Sie lächelte. Dann öffnete sie die Tür und winkte ihn zu sich ins Gebäude. Dort stellte sie ihn Suzie, Sara und den Kindern vor. Er ging mit der Situation gelassen um, beantwortete alle neugierigen Fragen, bewunderte die selbst gebastelten Geschenke und half ihr, alles in ihrem Auto zu verstauen.

„Und was hast du mit den ganzen Schmetterlingen aus Modelliermasse und Raupen aus Eierkartons vor?“

„Das weiß ich noch nicht so genau. Vielleicht hänge ich alles in meinem Schlafzimmer auf der Ranch auf.“ Erwartungsvoll lächelte sie ihn an. „Wie gefällt dir denn dein neues Anwesen?“

„Das Schönste daran ist, dass es ganz allein mir gehört.“ Er strahlte.

„Ich freue mich für dich“, sagte sie. „Herzlichen Glückwunsch!“

Er rückte sich den Cowboyhut zurecht und tippte sich an die Krempe. „Vielen Dank.“

Dann stiegen sie in ihre Wagen und fuhren zu Jordyns Pension, um ihre Sachen einzuladen.

Bevor Will und Jordyn zur Ranch weiterfuhren, hielten sie noch beim Gemischtwarenladen Crawford’s General Store, um Vorräte zu kaufen. Dort entdeckte Will auch die beiden Tratschtanten vom Sonntagnachmittag wieder. Offenbar war Einkaufen ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Als die beiden ihn und Jordyn erblickten, fingen sie sofort an zu tuscheln.

Will winkte ihnen freundlich zu.

Sie nickten lächelnd zurück – und flüsterten unbeirrt weiter.

Jordyn löste einen Einkaufswagen aus der Reihe neben dem Eingang und schob ihn zu Will. „Am besten kaufen wir erst mal Bettzeug und Putzmittel, und dann überlegen wir uns, was wir heute und morgen essen wollen.“ Als sie mit dem Wagen auf seiner Höhe war, löste er ihre Hand vom Griff und zog sie zu sich heran. Sie schnappte leise nach Luft und stützte sich an seiner Brust ab. „Will, was machst …“

Er senkte den Kopf und vergrub die Nase in ihrem glänzenden, duftenden Haar. „Hast du’s noch nicht mitbekommen?“

„Was denn?“

Er rieb die Nase an ihrer. „Die Leute beobachten uns“, raunte er ihr zu. „Und alle wissen, dass wir frisch verheiratet sind.“

Sie seufzte leise, was Will hinreißend fand. „Oh, ach so. Verstehe …“

„Wirklich?“ Er hob ihr Kinn mit einem Finger an, und dann küsste er sie sanft.

Jordyn stieß einen gepressten Laut aus, der wieder in ein leises Seufzen überging. Dann schlang sie ihm die Hände um den Hals und schmiegte ihren schlanken Körper an seinen. Es fühlte sich wunderbar an. Sie erwiderte seinen Kuss und weckte damit verschwommene Erinnerungen an die Hochzeitsparty am Samstag.

Sie duftet so frisch und schmeckt so süß. Die kleine Jordyn Leigh Cates. Wer hätte das gedacht?

Er hob den Kopf. „Wir sind doch frisch verheiratet“, raunte er ihr zu. „Und wir können die Finger nicht voneinander lassen.“

„Ah ja …“, flüsterte sie zurück. Ihre Wangen glühten rosig, und auf ihren vollen Lippen lag ein verträumtes Lächeln.

Am liebsten hätte er gar nicht mehr aufgehört, sie zu küssen.

„Heißt das, dass wir den Leuten immer wieder zeigen müssen, wie verliebt wir sind? Damit auch wirklich niemand daran zweifelt?“

„Ganz genau.“

„Wir könnten uns natürlich auch nicht darum kümmern, was die Leute denken und sagen, und einfach wir selbst sein.“ Sie wich ein Stück zurück.

Vorsichtig hielt er ihren Arm fest. „Jordyn …“

„Was ist denn?“

„Ich finde es aber besser, wenn du mich gleich noch mal küsst“, gab er zurück.

Sie kicherte leise und blickte ihn herausfordernd an.

Ihm zog sich das Herz zusammen – aber es war kein quälender, sondern ein angenehm wohliger Schmerz.

Jordyn runzelte die Stirn, als müsste sie über seinen Vorschlag erst ausgiebig nachdenken. „Okay, aber nur noch einmal“, sagte sie. „Wir müssen nämlich noch ziemlich viel einkaufen.“

„Dann sehe ich mal zu, dass es sich für dich auch lohnt.“

„Ja, gute Idee.“

Und dann küsste er sie ein zweites Mal. Nicht zu intensiv, denn immerhin waren sie in der Öffentlichkeit. Aber sehr lange und zärtlich. Das fiel ihm nicht weiter schwer, im Gegenteil: Es fühlte sich so gut an, so unendlich gut …

Viel zu gut vielleicht? Schon möglich. Aber Will wollte jetzt nicht darüber nachdenken, ob er sich zu sehr zu der Frau hingezogen fühlte, die er seit Kindertagen kannte und die er sozusagen aus Versehen geheiratet hatte.

Als sie sich erneut zurückzog, hielt er sie nicht fest. Obwohl er noch unendlich lange so mit ihr hätte dastehen können: im Eingangsbereich von Crawford’s General Store, gleich neben den Einkaufswagen.

Jordyn fand Wills Ranch wunderschön. Sie war von sanften grünen Hügeln umgeben, auf denen hier und dort Pappeln und Kiefern wuchsen. Und in der Ferne erhoben sich die schneebedeckten Gipfel der Rocky Mountains.

Die Ranchgebäude waren kreisförmig angeordnet. Neben dem Haupthaus gab es ein kleineres Haus für den Vorarbeiter und seine Familie, ein Schlafhaus für die Rancharbeiter, einen Schuppen und mehrere Koppeln. Ein Stück von den Häusern entfernt befand sich ein kleiner Teich. Er wurde durch den Bach gespeist, der sich durch das Anwesen wand.

Will und Jordyn parkten ihre Wagen nebeneinander vor einem zweistöckigen weißen Haus mit umlaufender Veranda und blauen Fensterläden.

„Das ist ja wirklich wunderhübsch!“, sagte sie, als er die Fahrertür für sie öffnete.

Er seufzte leise. „Na ja, demnächst vielleicht.“

Sie stieg aus, und gemeinsam gingen sie die verwitterten Verandastufen hoch zur blaugrauen Eingangstür. Darüber befand sich ein halbkreisförmiges Fenster.

Will steckte den Schlüssel ins Schloss. Die Tür quietschte in ihren Angeln, als er sie nach innen aufdrückte. Vom Eingangsbereich aus führte eine Treppe in den ersten Stock, links lag ein noch unmöbliertes Wohnzimmer, rechts ein leeres Esszimmer.

Er hängte seinen Hut an einen Haken neben der Tür. „Die Bausubstanz gefällt mir gut“, kommentierte er. Die Wände waren weiß gestrichen, und mächtige alte Balken stützten die Zimmerdecke. Der Boden war zwar ziemlich abgewetzt und staubig, aber aus schönen, langen Massivholzdielen gefertigt. Durch große altmodische Schiebefenster fiel Licht ins Haus.

„Das Hauptschlafzimmer ist gleich hier links, ein eigenes Bad gehört auch dazu“, erklärte er, während er geradeaus den Flur entlangging. Als Nächstes kamen sie in die Küche, in der ein ziemlich ramponierter Klapptisch und drei unterschiedliche Stühle standen. Die avocadofarbenen Schränke stammten wohl noch aus den Siebzigern.

Jordyn öffnete den farblich dazu passenden Kühlschrank. Er war leer, schien aber zu funktionieren. Und zu ihrer Überraschung war er sogar sauber. „Das ist ja super. Da können wir gleich ein paar Einkäufe unterbringen.“

Er lachte leise. „Na, dir kann man es ja leicht recht machen.“

Autor

Gina Wilkins

Die vielfach ausgezeichnete Bestsellerautorin Gina Wilkins (auch Gina Ferris Wilkins) hat über 50 Romances geschrieben, die in 20 Sprachen übersetzt und in 100 Ländern verkauft werden!

Gina stammt aus Arkansas, wo sie Zeit ihres Leben gewohnt hat. Sie verkaufte 1987 ihr erstes Manuskript an den Verlag Harlequin und schreibt...

Mehr erfahren
Caro Carson
Mehr erfahren
Christine Rimmer
Christine Rimmers Romances sind für ihre liebenswerten, manchmal recht unkonventionellen Hauptfiguren und die spannungsgeladene Atmosphäre bekannt, die dafür sorgen, dass man ihre Bücher nicht aus der Hand legen kann. Ihr erster Liebesroman wurde 1987 veröffentlicht, und seitdem sind 35 weitere zeitgenössische Romances erschienen, die regelmäßig auf den amerikanischen Bestsellerlisten landen....
Mehr erfahren
Ami Weaver
Mehr erfahren