Bleib diese eine Nacht, Prinzessin!

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Prinzessin Carliz ist daran gewöhnt, dass alle ihre Wünsche erfüllt werden! Doch es gibt einen Mann in ihrem Leben, den sie will, aber nicht haben kann. Denn beharrlich kämpft der Jet-Set-Milliardär Valentino Bonaparte gegen die Leidenschaft zwischen ihnen an. Aus traurigen Gründen, von denen die verliebte Prinzessin nichts ahnt. Auch als sie endlich eine berauschende Nacht lang auf seinem Anwesen am Mittelmeer zusammenfinden, schickt Valentino sie am nächsten Tag fort. Doch diesmal geht die Prinzessin mit mehr als mit Tränen in den Augen …


  • Erscheinungstag 18.02.2025
  • Bandnummer 042025
  • ISBN / Artikelnummer 9783751534642
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Noch nie war Prinzessin Carliz ungeladen in eine Trauung geplatzt.

Sie erhielt mehr als genug Einladungen. Es gab kaum einen Grund, sich noch eine zusätzliche Feier anzutun.

Doch diese Hochzeit war anders.

Ihr ganzes Leben hing davon ab, heute das Richtige zu tun. Was sich natürlich sehr dramatisch anhörte, aber der reinen Wahrheit entsprach.

Die Hochzeit würde ihr Leben in ein Davor und ein Danach teilen. Es lag allein an ihr, diesen Tag zu einer guten Erinnerung zu machen oder zu einer unsäglich traurigen. Carliz wusste genau, dass danach nichts mehr wie früher sein würde.

„Nur kein Druck“, murmelte sie trocken vor sich hin, als sie das kleine Rennboot bestieg, das sie in der Marina di Pisa gebucht hatte, zehn Kilometer außerhalb der Stadt, die für ihren schiefen Turm bekannt war.

Sie ging das ganze Unterfangen wie ein Rätsel an, die sie schon immer gerne gelöst hatte. Sich darauf zu konzentrieren, wie sie es auf eine Privatinsel voller Wachleute und zu einer der aufsehenerregendsten und bestgeschützten Trauungen des Jahres schaffen sollte, war interessanter, als sich zu fragen, wie sie etwas so Dummes tun konnte.

Das größte Rätsel jedoch war und blieb Valentino Bonaparte, Vale für seine Freunde, zu denen sich Carliz nicht unbedingt zählte.

Ihr ganz persönlicher Fluch war ihr Entschluss, dieses Rätsel ohne Kompromisse zu lösen.

Das Boot samt Kapitän zu mieten stellte kein Problem dar. Sie war eine Prinzessin, und auch wenn die italienische Küste alle Touristen willkommen hieß, waren die reichen doch besonders beliebt. Carliz über diesen strahlend blauen Teil des Mittelmeers zu befördern, war also kein Problem. Besonders nicht an einem so herrlichen Sommertag. Die kleine Insel, die sich seit Generationen im Besitz von Valentinos Familie befand, war zwar über eine lange Sandbank mit dem Festland verbunden, doch so ging es schneller.

Während das Boot mühelos durch die Wellen schnitt, wickelte sich Carliz sorgfältig einen Seidenschal um den Kopf. Auf dieser Reise betrachtete sie sich als Heldin der Geschichte, die tapfer tat, was getan werden musste, egal wie hoch der Preis dafür war.

Da spielte es auch keine Rolle, dass sie wusste, wie undankbar Valentino sich zeigen würde.

Seine Familie nahm für sich in Anspruch, direkt von Napoleon abzustammen, doch niemand nahm diese Behauptung ernst. Einmal hatte sie Valentino auf einer Party sagen hören, seine Linie der Bonapartes stamme eher von einem besonders fantasiebegabten Ziegenhirten ab. Denn das war alles, was es auf der Insel gab. Ziegen, wilden Oleander und drei Herrenhäuser. Eines gehörte dem als unausstehlich geltenden Milo Bonaparte, der Valentino und dessen unehelichen Halbbruder Aristide in einem öffentlich ausgetragenen Dauerkonflikt hatte groß werden lassen. Als sie achtzehn waren, hatte ihr Vater die ganze Insel – bis auf die Landzunge, auf der er selbst lebte – in zwei Hälften aufgeteilt und seinen Söhnen aufgetragen, ihm zu beweisen, welcher von ihnen es am ehesten verdiente, nach seinem Tod alles zu erben. Denn es würde nur einen Erben geben.

Sie hatten sich auf dem jeweiligen Teil der Insel ihre eigenen Prachtbauten errichten lassen.

Es war allgemein bekannt, dass die beiden Bonaparte-Söhne, wenn auch unterschiedlicher Herkunft, einst eng befreundet gewesen, jetzt aber Todfeinde waren. Manch einer glaubte, die Feindschaft gründete darauf, dass sie beide auf die Erbschaft hofften, doch das schien wenig logisch zu sein, da beide Männer mit eigenen Unternehmen schwindelerregend reich geworden waren.

Aber Carliz wusste auch, dass Valentino jahrelang mit einem Konflikt leben konnte, ohne das Bedürfnis zu verspüren, ihn aufzulösen. Als zöge er es vor, unglücklich zu sein. Was auch ein Grund dafür ist, dass ich heute hier bin, sagte sie sich, als das Boot anlegte.

Das und die Tatsache, dass sie selbst überhaupt nichts vom Unglücklichsein hielt.

Zuerst allerdings musste sie herausfinden, wo die Trauung stattfand. Die Insel war zwar klein, aber groß genug, um in drei Teile mit jeweils einem eigenen Anwesen unterteilt zu werden. Die Wahrscheinlichkeit, in die falsche Richtung zu laufen, war groß, und was dann? Sie bezweifelte, dass es auf Privatinseln Taxistände gab.

Wenn sie ehrlich war, hatte sie diesen Teil nicht besonders gut durchdacht. Wenn ihr Vater noch am Leben wäre, hätte sie ihn mit ihrer Unvernunft zur Verzweiflung getrieben. Aber das hätte sie auch mit einem Eintritt ins Kloster geschafft.

Stattdessen hatte sie, nachdem ihre ernsthafte ältere Schwester nach dem Tod des Vaters den Thron bestiegen und ihre Mutter sich in einen wandelnden Gedenkschrein verwandelt hatte, einfach gemacht, wozu sie Lust hatte.

Denn ihrer Meinung nach war genau das der Sinn und das Privileg der königlichen Nachkommen, die keine Thronerben waren.

Und so war sie in der gesamten Geschichte ihres winzigen Königreichs das erste Mitglied ihrer Familie, das die Universität besucht hatte. Und das auch noch in England, umgeben von Bürgerlichen. Im Anschluss an ihr Kunststudium hatte Carliz mit dem Gedanken an ein Bohème-Leben gespielt, aber schnell herausgefunden, dass sie dafür zu königlich war. Sie konnte malen, was sie wollte – und das tat sie wirklich gerne –, doch was die Menschen sahen, waren nicht ihre Bilder, sondern die Regentschaft ihrer Schwester.

Also hatte sie Mila – Königin Emilia für alle anderen – damit aufgezogen, dass es nunmehr ihre Pflicht sei, den Stachel im Fleisch der royalen Familie zu spielen.

Du kannst tun, was du möchtest, hatte ihre Schwester mit der ihr eigenen Gelassenheit erwidert. Alles, was ich erwarte, ist, dass deine Skandale unterhaltsam sind, aber nicht blamabel.

Das hatte Carliz versprochen. Und sie stand zu ihrem Wort.

In den folgenden Jahren hatte sie ihr Licht in ganz Europa erstrahlen lassen, an den warmen Stränden Spaniens und in den prächtigen Villen und Jachten an der Côte d’Azur. Sie war in der Schweiz Ski gelaufen, unter den Palmen und auf den breiten Boulevards von Los Angeles herumspaziert und hatte eine Saison lang inneren Frieden und veganes Essen – die einander ihrer Erfahrung zufolge eher ausschlossen – in einem entlegenen Canyon bei Malibu ausprobiert.

Deine Schwester verwöhnt dich, hatte ihre Mutter irgendwann mürrisch konstatiert. Carliz wusste nicht mehr genau wann, vielleicht zu Beginn ihrer ersten Pariser Phase. Vielleicht auch während der zweiten Saison in Mailand. Es war schwer zu sagen, denn irgendwann sahen die Nobelhäuser alle gleich aus, die Abende begannen nach Mitternacht und dauerten bis in die frühen Morgenstunden. Aber früher oder später wirst du deinen Beitrag zur Krone leisten müssen.

Ich finde, mein Beitrag in Sachen Lebensfreude ist mehr als genug, hatte Carliz nur halb im Scherz geantwortet. Ich bringe Mila zum Lachen.

Du wirst heiraten müssen. Ihre Mutter lachte nicht. Das tat sie nie, seit sie ihre Trauer mit sich herumschleppte wie eine Rüstung. Deine Schwester ist noch kinderlos. Selbst du weißt, was das bedeutet. Auch du trägst Verantwortung, Carliz, ob es dir gefällt oder nicht.

Dabei war es gar nicht so, dass Carliz Verantwortung ablehnte. Aber da war diese Ruhelosigkeit in ihr, eine Art Sehnsucht, die alles durchdrang. Sie war gut darin, sorglos zu lachen oder einen witzigen Kommentar zu machen, eine lustige Geschichte so zu erzählen, dass sämtliche Partybesucher in Gelächter ausbrachen. Sie schaffte es, die Stimmung in jedem Raum, den sie betrat, zu verändern. Sie war überzeugt davon, dass es eben diese Ruhelosigkeit war, die ihr diese Dinge ermöglichte. Denn sie trieb nicht nur auf der Oberfläche und behandelte auch andere Menschen nicht, als täten sie es.

Aber diese Fähigkeiten wurden nicht als Gabe angesehen. Es waren einfach Party-Tricks. Und obwohl es ihrer Meinung nach Aufgabe der Reserve-Prinzessin war, auf so vielen Partys wie möglich zu glänzen, waren ihre Tricks anscheinend nicht genug.

Sie hatte viel darüber nachgedacht, was sie tun könnte, um nicht nur dekorativ zu sein, sondern auch etwas Gutes zu bewirken.

Außerdem war Carliz insgeheim bewusst geworden, dass dieses funkelnde Auftreten in den Metropolen der Welt sie allmählich langweilte, auch wenn sie es nicht eilig hatte, einen Ehemann zu finden, den ihre Mutter als standesgemäß bezeichnen würde. Eine Freundin hatte ihr Wohltätigkeitsarbeit vorgeschlagen, wie sie fast jede reiche Erbin leistete, um zumindest guten Willen zu zeigen.

Und Carliz hatte herausgefunden, dass sie diese Tätigkeit wirklich liebte. Sie hatte mit Waisenkindern gearbeitet, zu Hause und im Ausland und zum allerersten Mal einen Blick darauf erhalten, was es bedeutete, etwas Sinnvolles zu tun, anstatt ein Leben im Luxus zu führen.

Doch dann war sie Valentino begegnet.

Sie blieb auf dem felsigen Strand stehen und stieß die Luft aus, denn allein an ihn zu denken, veränderte die Temperatur. Die der Luft. Des Himmels. Ihres Körpers. Allein der Gedanke an ihn ließ sie schwindeln.

So war es, seit ihre Blicke sich getroffen hatten.

Um einander festzuhalten.

Es war auf einer Wohltätigkeitsgala in Rom gewesen. Der Abend war mild, und so hatte fast die gesamte Veranstaltung draußen stattgefunden. Im Schein der Lichterketten hatte alles warm und hell gewirkt.

Nur nicht er.

Er war atemberaubend. Dichtes dunkles Haar, ein sinnlich ernster Mund und Augen, hellblau wie der Himmel und besonders auffallend wegen seines olivfarbenen Teints. Er war anbetungswürdig.

Und doch hatte er auch etwas Unerbittliches an sich. Seine scharf geschnittene Nase, die ausgeprägten Wangenknochen und sein ausgesprochen athletischer Körperbau, den auch der maßgeschneiderte Anzug nicht verbergen konnte.

Carliz fühlte sich sofort zu ihm hingezogen, als hätte er sie in die Arme geschlossen.

Oh, wie sehr wünschte sie sich, er hätte es getan!

An jenem Abend trug sie ein rotes Kleid – und fühlte sich selbst wie in Flammen stehend.

Sie erinnerte sich daran, wie sie seinen Blick auf sich gezogen hatte, nur um im nächsten Moment in seinen Armen zu liegen. Als hätte sich keiner von ihnen bewegt. Als hätte sie das Schicksal an der Hand genommen und aus der versammelten Menge heraus auf die Mitte der Tanzfläche geführt.

Das war unmöglich, das war ihr klar. Einer von ihnen musste sich auf den anderen zubewegt haben. Irgendeine Form der Verständigung, der Kommunikation war da gewesen – aber sie wusste nicht welche. Alles, woran sie sich erinnerte, war dieser sengende Blick.

Sie spürte ihn noch immer. Andauernd.

Und dann, noch viel besser, das einzigartige Gefühl, in seinen Armen zu liegen.

Keiner von ihnen hatte gesprochen. Es war zu intensiv gewesen, zu überwältigend.

Sie hatte es sich nicht eingebildet. So war sie nicht. Und sie hatte es auch in seinem Gesichtsausdruck gesehen. Das Staunen. Und da war noch etwas – dasselbe Erschrecken, das auch sie über die Macht verspürte, die sie erfasst hatte.

Denn so etwas konnte nicht real sein.

Es gab keine Liebe auf den ersten Blick. Jeder wusste das.

„Sag mir, wie du heißt“, forderte er sie irgendwann auf, und beim Klang seiner Stimme spürte sie erbebend, wie diese sie veränderte, für sich beanspruchte. Und als sein Blick der Gänsehaut auf ihren Armen folgte, überlief sie ein Schauer.

„Carliz“, hauchte sie. „Carliz, Prinzessin des Königreichs Las Sosegadas.“

„Ich bin Valentino“, erwiderte er, wobei er seinen Nachnamen absichtlich für sich behielt, genau wie seinen Spitznamen. Keiner von ihnen war für diesen Moment gewappnet, obwohl es damals wie heute vieles leichter gemacht hätte.

Nach dem letzten Takt der Musik zog er sie von der Tanzfläche. Und da standen sie, beide nicht in der Lage, Luft zu holen. Beide … verwandelt.

Sie konnte sich noch gut an den Ausdruck ungläubigen Staunens in seinem Gesicht erinnern, dasselbe Staunen, das auch sie erschaudern ließ. Als er wieder imstande war, sich zu bewegen, führte er sie durch die Menge. Angesichts dessen, wer sie waren, hätte der Anblick Aufsehen erregen müssen, doch niemand hatte jemals darüber gesprochen.

Für sie war völlig offensichtlich, was da zwischen ihnen passiert war. Es war unfassbar sinnlich. Unglaublich körperlich.

So richtig.

Als sie die Schatten außerhalb der historischen Anlage erreichten, drückte er sie gegen eine verfallene Mauer und sah ihr tief in die Augen.

„Carliz“, murmelte er gepresst, als wäre allein ihr Name aus seinem Mund eine Qual. „Carliz, das in diesem Augenblick bin nicht ich.“

Sie brachte kein Wort heraus. Erstickte fast an der Intensität dieses Moments. Sein Blick, das sehr reale Gefühl, in einen Abgrund zu stürzen, sich im freien Fall zu befinden. Sie hatte das Gefühl, dass es keinen Weg zurück gab. Was hier passierte, ließ sich nicht mehr rückgängig machen.

Einem unwiderstehlichen Drang folgend, fuhr sie mit den Fingern sanft die sinnlichen, scharfen Konturen seines schönen Gesichts nach. Und als sie ihn berührte und seine Wärme spürte, stieg ein leises Geräusch in ihrer Kehle auf.

Seine Haut versengte sie beinahe. Sein Körper war wie eine Waffe, und als sie mit den Fingern über seine zusammengepressten Lippen fuhr, öffnete er sie und umhüllte ihre Fingerspitzen mit überwältigender Hitze.

Dabei lernte sie etwas über sich selbst.

Dunkle, magische Dinge.

Die sie alle im selben Moment durchfluteten, eine Lektion in Leidenschaft, Vorfreude, Sehnsucht und Begierde.

Viel zu langsam legte er Carliz eine Hand in den Nacken und hielt sie fest.

Da wusste sie, dass er sie küssen würde.

Es war, als hätte sie ihr ganzes Leben lang nur auf diesen Moment gewartet. Er näherte sich ihrem Gesicht und als sein Mund den ihren bedeckte, war sein Kuss pure Magie. Mit jeder Bewegung seiner Zunge drang er unumkehrbar in ihr Herz ein und verwandelte die Hitze in ihr in ein flammendes Inferno.

Als er sich von ihr löste, zitterten sie beide am ganzen Körper.

Dann, noch während sie Valentino ansah, frustriert darüber, dass ihre Lippen sich nicht länger berührten, trat er einen Schritt zurück. Er kniff die Augen zusammen, fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht und gab ein Geräusch von sich, das reine Qualen ausdrückte.

„Das darf nicht passieren“, sagte er.

Carliz seufzte leise. „Ich glaube, es ist schon passiert.“

„Aber es darf nicht passieren.“ Er fixierte sie mit dunklem Blick. „Und es wird nicht wieder passieren.“

Bis heute verstand sie nicht, wie er sich so abrupt umdrehen und einfach gehen konnte. Als wäre das, was zwischen ihnen vorgefallen war, nur ein Traum. Als wäre nie etwas geschehen.

Aber sie ging ihm nicht hinterher. Blieb an die Mauer gelehnt stehen, das Gefühl in sich, ohne Halt ins Bodenlose zu stürzen.

Erst später konnte sie ihre Beine wieder bewegen.

Und irgendwann auch wieder atmen, als hätte sie eine ganz neue Fertigkeit gelernt.

Und als sie sie endlich richtig beherrschte, zog sie in die Schlacht.

Das rief sie sich in Gedächtnis, als sie durch eine Hecke hindurch auf eine Straße trat, der mehrere elegant gekleidete Menschen folgten, hin zu einem prächtigen Anwesen auf einem Hügel vor ihnen.

Wenig später erkannte sie, dass nicht das Haus, sondern eine kleine Kapelle am Fuß des Hügels ihr Ziel war. Eine Kapelle mit Blick auf das Meer.

Ein hübscher Ort, um zu heiraten, dachte sie und gratulierte sich zu der nüchternen Feststellung, als würde nicht alles in ihr gegen Valentinos Hochzeit rebellieren. Vom Haus oben auf dem Hügel konnte man die Prozession beobachten, und Carliz kam nicht umhin, sich zu fragen, ob er jetzt dort oben stand und zu ihnen hinuntersah. Wartete.

Darauf, eine Frau zu heiraten, die nicht Carliz war.

Sie schob sich das Seidentuch so weit wie möglich übers Gesicht und richtete den Blick auf den Boden, denn sie wollte nicht erkannt werden. Jedenfalls noch nicht.

Drei Jahre lang hatte sie dafür gesorgt, dass die Paparazzi und sie selbst Valentino Bonaparte auf den Fersen blieben. Ihr ganz aus dem Weg zu gehen, war ihm nicht gelungen, aber er hatte sie nie wieder berührt. Doch jedes Mal, wenn ihre Blicke sich begegneten, war es wie ein Feuerwerk, und dafür hasste er sie.

Vielleicht hasste er auch, dass sie einfach nicht lockerließ.

Carliz selbst fand, dass eigentlich sie ihn hassen sollte. Dafür, dass er sie an dem Abend in Rom einfach stehen gelassen hatte, trotz dem, was da zwischen ihnen gewesen war. Dafür, dass er sie geküsst hatte, als wäre sie die einzige Frau auf der Welt und als könnte er ohne sie nicht mehr leben. Um dann die Dreistigkeit zu besitzen, genau das zu tun.

Drei Jahre hatte sie damit zugebracht, die Beziehung, die er und sie nicht führten, in einen der größten Skandale Europas zu verwandeln. Mehr als einer knappen Andeutung einer Boulevardzeitschrift gegenüber oder eines anonymen Tipps an eine andere bedurfte es dafür nicht. Sie hatte dafür gesorgt, beim Verlassen der Orte gesehen zu werden, an denen er sich aufhielt, und dafür, dass es aussah, als würde sie dabei versuchen, sich vor den Kameras zu verstecken.

Spekulationen waren meistens besser als jede echte Geschichte.

Aber dann hatte Valentino seine Verlobung mit einer unbescholtenen Erbin makellosen Charakters bekannt gemacht.

Carliz dachte nicht gerne an jenen Tag zurück. Es war ein besonders düsterer für sie gewesen.

Selbst ihre Schwester hatte angerufen, voller Mitgefühl und Sorge … allerdings eher vor dem, was Carliz als Nächstes tun würde, und nicht darüber, wie es in deren Herz aussah.

Sie hatte die Dinge einfach nicht gut genug durchdacht. Alle Welt hatte geglaubt, Valentino und sie führten eine heiße Affäre. Da Carliz besser für ihr strahlendes Auftreten auf Partys bekannt war als für ihre Wohltätigkeitsarbeit, hatte die Öffentlichkeit ihn für sein korrektes Verhalten gelobt, Carliz jedoch kaum verhohlen für ihr wildes öffentliches Auftreten verurteilt.

Für sie war alles Spaß und ein Spiel gewesen, und sie hatte erwartet, dass Valentino sie irgendwann direkt konfrontieren würde.

Doch das hatte er nicht getan.

Und so hatte sie ihn erst nach seiner Verlobung wiedergesehen. Sie waren beide zur Geburtstagsfeier eines europäischen Adligen eingeladen gewesen, den Valentino während des Studiums kennengelernt hatte. Vielleicht aber auch in diesem furchtbar exklusiven Club, über den gemunkelt wurde.

Dieses Mal hatten sie nicht miteinander getanzt. Er war ein verlobter Mann und es war offensichtlich, dass er nicht mit einem Skandal in Verbindung gebracht werden wollte. Oder seine liebliche, makellose Verlobte, die Carliz nicht zu hassen versuchte, nur dafür, dass es sie gab.

Doch dank Carliz’ früherer Spielchen ruhten zu viele Blicke auf ihnen, als sie sich auf der Feier Auge in Auge gegenüberstanden.

„Ich hoffe, du bist zufrieden mit dir“, sagte Valentino mit funkelnden Augen und abweisender Miene zu ihr.

„So zufrieden, wie du vermutlich mit dir bist“, antwortete sie und lächelte, da man sie beobachtete. „Ganz herzlichen Glückwunsch und eine glückliche Zukunft, Valentino.“

Sie seinen Namen aussprechen zu hören, ging ihm durch und durch, das konnte sie sehen. Den Widerhall davon verspürte sie in sich selbst.

„Ich bin dir zu nichts verpflichtet“, fuhr er sie an. „Ich habe dir gesagt, dass das, was immer es auch ist, nicht sein darf. Ich habe es gesagt.“

„Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn“, erwiderte sie mit viel zu viel Gefühl in der Stimme.

„Wir hätten uns nie begegnen dürfen.“ Und dann war er wieder einfach gegangen.

Um die Schlagzeilen am nächsten Tag hatte Carliz sich nicht einmal kümmern müssen. Denn sie hatte ein Monster geschaffen, das sie nicht mehr brauchte. Die Zeitungen waren voll von Spekulationen über ihr angespanntes Zusammentreffen und über das Ende ihrer Liebe.

Voll von der untragbaren Lage, in die sie sich selbst gebracht hatte.

Voll von dem Mann, der dasselbe fühlte wie sie, das wusste sie, es aber nicht akzeptierte.

Damals hatte Carliz beschlossen, über ihn hinwegzukommen.

Dann jedoch hatte sie ihn noch einmal gesehen.

Eigentlich hätte sie gar nicht da sein sollen. Den Anlass der Veranstaltung hatte sie vergessen, sie wusste nur noch, dass sie auf einem einsamen Schloss irgendwo im ländlichen England stattgefunden hatte.

Sie war am Vorabend eingetroffen, erschöpft von einer Reihe von Unternehmungen, an denen sie früher Spaß gehabt hatte. Eine verrückte Reise von den Pazifikinseln über Rio de Janeiro nach Barcelona, um Valentino Bonaparte zu vergessen. Sie hatte Sand und Salz auf der Haut gehabt, in ihren Ohren klingelte es noch immer von zu lauter Musik, und ihr Körper würde einen Monat Ruhe brauchen, um sich von der Tanzerei zu erholen.

Und so hatte sie den ganzen folgenden Tag bis in den nächsten Abend hinein geschlafen. Die Party im Garten des Schlosses hatte ohne sie angefangen. Als sie aufwachte, fühlte sie sich völlig fertig und außerstande, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten.

Doch egal, in welchem Zustand sie sich befand – Carliz war gut darin, sich zusammenzureißen. Ein bisschen Make-up, und alles war gut. Ihr ging es gut. Ein hübsches Kleid, und sie wirkte lebhaft, fröhlich und was immer sonst von ihr erwartet wurde.

Aber an jenem Abend war sie ganz blass vor Erschöpfung gewesen. Und das lag nicht am Schlafmangel. Ihr Herz war schwer. Denn vielleicht hatte Valentino ja recht. Vielleicht hätten sie sich niemals begegnen dürfen.

Wenn sie sich nie kennengelernt hätten, hätte sie es nie erfahren.

Und wenn sie es nicht gewusst hätte, müsste sie jetzt nicht so leiden. Irgendwie schaffte sie es nicht, sich leicht zu fühlen, ihre Party-Miene aufzusetzen und dort rauszugehen, wo die Leute sie erwarteten, glänzend und strahlend wie immer.

Sie ging zum Fenster und betrachtete die Partygäste im Schlossgarten. Und da sah sie ihn.

Sein Anblick war Freude und Qual zugleich, dieses elektrisierende Gefühl – der wohlbekannte Blitzeinschlag – und doch zu wissen, dass all das zu nichts führte. Sie fand es so ungerecht, dass man so für einen anderen Menschen empfinden konnte, ohne dass es etwas bedeutete. Dass man sich so in jemanden verlieben konnte und gleichzeitig wusste, dass es vollkommen vergeblich war.

Sie war sich so sicher gewesen, ihn von dieser einmaligen Chance überzeugen zu können, so sicher, dass er seine Haltung ändern würde. 

Oder war das Problem vielmehr, dass sie Niederlagen nicht gewohnt war? Dass sie sich bisher nie einer echten Herausforderung gestellt hatte, wie es manche Menschen behaupteten?

Wie dem auch sei, ihr Herz war gebrochen. Und würde es bleiben, auch wenn ihr das niemand glauben würde. Lügen wollte sie nicht. Sie konnte nur Anspielungen machen und vergessen, irrige Annahmen zu korrigieren, und schon zog die Presse die falschen Schlüsse.

Aber jetzt … Jetzt konnte sie nichts tun, als damit zu leben und ihn vom Fenster aus zu beobachten. Sie wusste, dass er nicht glücklich darüber wäre, ihr hier zu begegnen. Dass er lieber so tat, als gäbe es sie nicht oder als würden sie einander nicht kennen.

Damit würde sie ebenfalls leben müssen. Und vielleicht wäre auch sie eines Tages in der Lage, sich von ihm zu distanzieren.

Es war an der Zeit, ihm Lebewohl zu sagen. Seine Hochzeit würde in wenigen Monaten stattfinden, und das war es dann. Denn ihre Skandale waren immer nur unterhaltsam gewesen, wie ihre Schwester es sich erbeten hatte. Ein verheirateter Mann durfte darin nicht vorkommen.

Vom Fenster aus beobachtete sie, wie er den Raum um sich herum beherrschte und die anderen Partygäste seine Nähe suchten.

Das musste genügen, ehe sie sich dem widmete, was ihre Mutter als Carliz’ Pflicht betrachtete. Es gab keinen Grund, das Unvermeidbare noch länger aufzuschieben. Jetzt nicht mehr.

Doch während sie zu ihm hinuntersah, entfernte Valentino sich von den anderen Gästen und trat an den Rand des Gartens in den Schatten. Er wusste nicht, dass sie hier oben war. Ihn sehen konnte. Und so wusste er auch nicht, dass sie als Einzige sah, wie er für einen kurzen Augenblick die Augen schloss und sich tiefe Trauer auf seine Züge legte.

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