Collection Baccara Band 348

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DER HOTEL-TYCOON UND DIE NANNY von LANE, ELIZABETH
Sie darf sich nicht in Wyatt verlieben! Schließlich ist der attraktive Hotel-Tycoon ihr Boss. Und Leigh bewegt sich mit ihrem Job als Nanny ohnehin schon auf gefährlichem Terrain … Was, wenn er herausfindet, warum sie sich wirklich um das Baby seiner Tochter kümmert?

NIE WIEDER OHNE DEINE KÜSSE von GREEN, CRYSTAL
"Ich werde sie heiraten!" Als Frauenschwarm Jackson sieht, wie unwohl sich die hübsche Laila angesichts einer Horde von Verehrern fühlt, eilt er ihr zu Hilfe. Aber was als Spaß beginnt, wird bald ernst: Plötzlich spürt der bekennende Single, dass er diese Frau besitzen will …

EIN FEUERWERK AUS LEIDENSCHAFT von HARDY, KATE
Adam sucht eine Braut. Nur vorübergehend natürlich. Der Playboy denkt nicht mal dran, sich fest zu binden. Doch genau das wünscht sich sein kranker Vater. Also spielt Adams Nachbarin Kerry seine Verlobte - und entfacht in ihm ein unerwartetes Feuerwerk der Leidenschaft …


  • Erscheinungstag 09.12.2014
  • Bandnummer 0348
  • ISBN / Artikelnummer 9783733722449
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Elizabeth Lane, Crystal Green, Kate Hardy

COLLECTION BACCARA BAND 348

ELIZABETH LANE

Der Hotel-Tycoon und die Nanny

Schon der Anblick der bezaubernden Leigh versetzt Wyatt in höchste Erregung. Dabei darf er an eine Affäre nicht mal denken: Die Nanny für das Baby seiner minderjährigen Tochter ist tabu! Als Leigh ihn jedoch verführerisch küsst, ist es mit seiner Selbstbeherrschung fast vorbei. Nur das unbestimmte Gefühl, dass sie ihm etwas verheimlicht, kann sein Verlangen jetzt noch zügeln …

CRYSTAL GREEN

Nie wieder ohne deine Küsse

Heiraten? Nein, danke! Schönheitskönigin Laila hält nicht viel von der Ehe – bis Jackson in der Stadt auftaucht. Der charismatische Öl-Tycoon ist so verboten sexy, dass Laila zum ersten Mal in ihrem Leben brennende Sehnsucht spürt … und tatsächlich an den Bund fürs Leben denkt. Aber wird Jackson, selbst ein unverbesserlicher Playboy, sich von ihr zähmen lassen?

KATE HARDY

Ein Feuerwerk aus Leidenschaft

Kerry schwärmt für ihren wahnsinnig attraktiven Nachbarn Adam. Es gibt nur ein Problem: Sie ist nicht sein Typ. Deswegen fällt sie auch aus allen Wolken, als er ausgerechnet ihr einen Antrag macht. Gut, sie soll nur vorübergehend seine Braut spielen. Doch wer sagt, dass der begehrte Arzt nicht schwach wird, wenn Kerry ihn leidenschaftlich verführt?

1. KAPITEL

Dutchman’s Creek, Colorado

KINDERMÄDCHEN für Neugeborenes gesucht.

Ab sofort. Nähe Wolf-Ridge-Resort.

Diskret. Erfahrung bevorzugt.

Lebenslauf und Referenzen an wr@dcsentinel.com

Wyatt Richardson blickte verzweifelt auf den Stapel Lebensläufe vor sich. Bisher hatten sich drei Teenager, eine Frau aus Guatemala, die kaum Englisch sprach, und eine gestresste junge Mutter mit einem zweijährigen Kind vorgestellt. Es war zum Verrücktwerden. Keine von denen war auch nur annähernd geeignet für den Job als Kindermädchen.

Wenigstens hatte ihn keine von ihnen erkannt mit seiner ausgebleichten Baseballkappe. Vielleicht hätte er sich doch an eine Agentur wenden sollen, statt in der Lokalzeitung von Dutchman’s Creek zu inserieren. Aber Agenturen stellten Fragen, und das wollte er auf keinen Fall. Dies war eine Privatangelegenheit. Bisher hatte er niemandem erzählt, dass Chloe, seine 16-jährige Tochter, im örtlichen Krankenhaus einen Jungen zur Welt gebracht hatte.

Leigh Foster, 26 Jahre. Wyatt überflog den Lebenslauf, der vor ihm lag. Wenigstens passte das Alter dieser letzten Bewerberin, denn ihr Diplom als Journalistin würde ihr nicht viel nützen. Und sie hatte lediglich als Schülerin mal babygesittet, das war alles. Laut Lebenslauf arbeitete sie derzeit halbtags bei der Lokalzeitung.

Er seufzte. Dann bat er die Empfangsdame, Miss Foster hereinzuschicken.

Das Klappern von hohen Absätzen wurde lauter, jemand mit einem flotten, selbstbewussten Gang näherte sich seinem Büro. Gleich darauf ging die Tür auf. Vor Wyatt stand eine gertenschlanke, attraktive junge Frau in dunkelblauem Kostüm mit kurzem Rock. Ihr kastanienbraunes Haar war zu einem flotten Pagenkopf geschnitten. Die Frau gefiel ihm. Aber leider war er auf der Suche nach einem Kindermädchen und nicht nach einer Verabredung.

„Mr Richardson.“ Mit ausgestreckter Hand kam sie auf seinen Schreibtisch zu. Verdammt, woher wusste diese Frau seinen Namen? Gut sie arbeitete für die Lokalzeitung und wusste vermutlich, wer die Anzeige aufgegeben hatte. Aber sie war auch Reporterin. War sie wirklich wegen des Jobs hier, oder war sie auf eine Klatschgeschichte aus?

Langsam stand Wyatt auf und schüttelte ihr die Hand. Die Jacke ihres Kostüms war ein wenig aufgegangen, wodurch eine kupferfarbene Seidenbluse sichtbar wurde, die sich eng an Miss Fosters Körper schmiegte. Schnell blickte Wyatt der Frau wieder ins Gesicht und bedeutete ihr mit einem Kopfnicken, auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch Platz zu nehmen. Sie setzte sich auf den vorderen Rand des Stuhls und schlug die langen Beine übereinander.

„Sagen Sie, Miss Foster, Sie haben Journalismus studiert, weshalb bewerben Sie sich als Kindermädchen?“

Ein Lächeln umspielte ihre vollen Lippen. „Im Moment arbeite ich nur zwanzig Stunden die Woche und wohne bei meiner Mutter. Mein Bruder geht noch zur Schule. Ich würde gerne etwas zu den Haushaltskosten beitragen.“

„Es geht also nur ums Geld?“

„Nein.“ Leigh starrte auf ihre Hände. Als sie wieder zu ihm aufsah, bemerkte Wyatt erst, wie schön ihre Augen waren. Ein leuchtendes Braun mit Gold gesprenkelt und von dichten langen Wimpern eingerahmt.

„Ich mag Kinder“, fuhr sie langsam fort, und ihre Worte klangen einstudiert. „Ich würde gern mehr Erfahrung im Umgang mit Babys bekommen. Natürlich kann ich Ihnen nicht sagen, wie lange ich bleiben werde …“ Ihre Stimme klang heiser. „Wenn Sie trotzdem Interesse haben, erzählen Sie mir doch bitte etwas mehr über die Arbeit.“

Leigh faltete die Hände im Schoß zusammen und sah dabei so verletzlich aus, dass Wyatt sie am liebsten in die Arme genommen hätte. Ja, er hatte Interesse. An dieser Frau. Und im Moment schien Leigh Foster seine einzige Kandidatin zu sein.

Andererseits musste er aber auch sichergehen, dass sie die Situation nicht ausnutzen würde. Er räusperte sich und zog einen Aktenkoffer unter dem Tisch hervor. „Ich werde natürlich Ihren Hintergrund prüfen müssen, aber ehe wir weitermachen, möchte ich Sie bitten, eine Vertraulichkeitserklärung zu unterschreiben.“

Leigh riss überrascht die Augen auf. „Natürlich, aber wieso …?“

„Die Privatsphäre meiner Familie ist mir äußerst wichtig.“ Mit diesen Worten schob er ein Blatt Papier über den Schreibtisch. „Sie müssen zustimmen, dass Sie nichts von dem, was Sie hier sehen oder erfahren nach außen tragen. Sie dürfen nichts davon veröffentlichen oder weitererzählen, nicht mal Ihrer Mutter. Haben Sie das verstanden?“

Leigh lehnte sich nach vorn und überflog das Dokument, was den Blick auf ihren verlockenden Ausschnitt freigab. Schnell zwang sich Wyatt, wegzusehen. Wenn er wollte, dass sie den Job annahm, wäre es nicht gut, wenn sie ihn dabei erwischte, wie er ihr in den Ausschnitt starrte.

„Haben Sie Fragen?“

„Nur eine, Mr Richardson“, antwortete Leigh und sah ihn mit ihren atemberaubend schönen Augen an. „Haben Sie einen Kugelschreiber?“

Ganz ruhig, Leigh, ermahnte sie sich selbst. Wenn sie schnell genug unterschrieb, würde Wyatt hoffentlich das Zittern ihrer Hand nicht bemerken.

Die Vertraulichkeitserklärung war nicht das Problem. Es war für Leigh eine Selbstverständlichkeit, niemandem etwas über ihre Arbeit zu erzählen. Wenn Wyatt allerdings herausbekäme, weshalb sie wirklich hier war, würde sie in großen Schwierigkeiten stecken …

Sie wusste nämlich viel mehr über den Mann, als sie vorgab. In seinen jungen Jahren war er ein berühmter Skifahrer gewesen, der mehrere Medaillen bei den Olympischen Spielen gewonnen hatte. Als er nach Colorado zurückgekommen war, hatte er Wolf Ridge gekauft, eine heruntergewirtschaftete Ferienanlage, in der damals nur Einheimische herumhingen. In den letzten 15 Jahren hatte Wyatt die Ferienanlage zu dem gemacht, was sie heute war: ein international bekannter Wintersportort, der Aspen und Vail in nichts nachstand.

Der Grund, warum sie den Job wollte, war ein sehr persönlicher, aber davon durfte Wyatt Richardson nichts erfahren.

Sie musste nur aufpassen, dass er ihr nicht auf die Schliche kam.

„Zufrieden?“ Leigh schob das unterschriebene Blatt über den Schreibtisch. „Ich bin nicht auf der Suche nach einer Story, ich brauche einen Job.“

„Dann wollen wir mal sehen.“ Er zog die Baseballkappe vom Kopf und strich sich durch das dichte braune Haar. Etwas über vierzig musste er sein, hatte Leigh ausgerechnet. Die schwarze Jeans und der graue Pullover konnten seine straffe muskulöse Figur nicht verbergen. Sein kantiges Gesicht war braun gebrannt, was seine strahlend blauen Augen noch mehr zur Geltung brachte.

Als er damals bei der Olympiade die Goldmedaille gewonnen hatte, war er von einer bekannten Zeitschrift zu einem der zehn heißesten Männer gekürt worden. Leigh wusste jetzt warum.

Seit etwa zehn Jahren war er geschieden, und Leigh zweifelte nicht daran, dass zahlreiche Frauen sich nach ihm die Finger abschleckten. Aber Wyatt hatte es irgendwie geschafft, sein Privatleben aus dem Licht der Öffentlichkeit fernzuhalten. Natürlich redete man im Ort, aber das war Leigh egal. Schließlich wollte sie nicht seine Geliebte werden.

Obwohl sie zugeben musste, dass der Gedanke daran ein wohliges prickelndes Gefühl in ihrem Schoß auslöste …

„Erzählen Sie mir von dem Baby“, forderte sie ihn auf.

„Ja. Das Baby.“ Wyatt atmete deutlich hörbar aus. „Es ist das Kind meiner Tochter. Sie ist 16.“

„Sie haben eine Tochter?“ Gespielt überrascht riss Leigh die Augen auf.

„Ja. Sie heißt Chloe. Ihre Mutter und ich haben uns scheiden lassen, als sie noch klein war. Danach habe ich sie nicht oft gesehen. Doch aus Gründen, auf die ich nicht näher eingehen möchte, werden Chloe und ihr Baby bei mir wohnen.“

„Und was ist mit dem Vater des Kindes?“ Leighs Puls raste, aber sie versuchte, ruhig und freundlich zu bleiben.

„Chloe will mir nicht sagen, wer er ist. Sie sagt, es sei sowieso vorbei. Ich nehme an, es ist irgendein Junge aus der Schule oder so. Wenn ich den je zu fassen kriege …“ Statt weiterzureden zerdrückte er wütend seine Baseballkappe und ließ sie mit einem Seufzer wieder los.

„Aber das ist das kleinste Problem. Chloe will das Baby auf jeden Fall behalten, obwohl sie noch so jung ist.“ Seine blauen Augen durchbohrten sie. „Das Kindermädchen, das den Job bekommt, wird sich also um zwei Kinder kümmern müssen. Verstehen Sie?“

„Ich glaube schon, Mr Richardson.“

„Gut. Und bitte nennen Sie mich Wyatt.“ Er stand auf, nahm den Aktenkoffer und setzte die Baseballkappe wieder auf. „Gehen wir.“

„Was, wohin denn?“ Erstaunt sprang sie auf.

„Wir fahren ins Krankenhaus, denn ich möchte, dass Sie Chloe kennenlernen. Wenn sie einverstanden ist, bin ich bereit, sie für eine zweiwöchige Probezeit einzustellen. Das lässt mir genügend Zeit, jemand anderen zu finden, falls es mit Ihnen nicht klappen sollte. Auf dem Rückweg können wir über Ihr Gehalt sprechen.“

Zwei Wochen. Na ja, das war schon mal besser als nichts. Und wenigstens würde sie das Baby sehen. Leigh trippelte in ihren hochhackigen Schuhen neben Wyatt her, bemüht mit ihm Schritt zu halten.

„Mein Auto steht hinten.“ Galant hielt Wyatt ihr die Tür auf. Die warme Oktobersonne blendete sie, als sie aus dem dämmrigen Bürogebäude hinaustraten. Auf der anderen Seite der Stadt leuchteten die Bäume an den Berghängen in den prächtigsten Herbstfarben. Der kühle Wind kündigte den Winter und mit ihm den Schnee an. Die Skifahrer würden bald wieder scharenweise anreisen.

„Vorsicht“. Mit festem Griff stützte er ihren Ellbogen und führte sie um ein Loch im Asphalt herum. Aber selbst, als sie an der Stelle vorbei waren, hielt er sie weiterhin fest.

Irgendwie hatte sie gehofft, er führe einen schnittigen Sportwagen, aber das einzige Fahrzeug weit und breit war ein schwarzer Hummer. „Entschuldigen Sie den Koloss“, murmelte Wyatt. „Das ist mein Winterfahrzeug. An meinem anderen Auto werden die Bremsen repariert.“

Nachdem er ihr die Tür geöffnet hatte, stellte Leigh entsetzt fest, dass sich der Boden der Karosserie in Oberschenkelhöhe befand und es keine Stufe gab, um in das Auto hineinzuklettern. Wie sollte sie da nur reinkommen, ohne sich absolut lächerlich zu machen? Der enge Rock und die hohen Schuhe, die sie extra für das Vorstellungsgespräch angezogen hatte, waren für solch sportliche Aktivitäten definitiv nicht geeignet.

Wortlos stand Wyatt hinter ihr. Wartete er darauf, dass sie ihren Rock anhob, um in den Wagen zu steigen, oder was?

Leigh drehte sich um und sah ihn irritiert an. „Könnten Sie vielleicht …“

Sein Grinsen überraschte sie. „Ich habe nur gewartet, dass Sie mich fragen. Wenn ich Sie einfach hochgehoben hätte, hätten Sie mir vermutlich eine Ohrfeige verpasst.“

Mit diesen Worten hob er sie hoch, als wiege sie überhaupt nichts. Leighs Atem stockte, als sie seinen starken Griff um ihre Taille herum spürte. Die wohlige Wärme seiner Hände hielt sogar noch an, als sie sich anschnallte. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Während er um das Auto herumging, zwang sie sich, ein paar Mal tief durchzuatmen.

Wyatt Richardson war ein unwiderstehlich attraktiver Mann, der sie mit seinem sanften Blick völlig durcheinanderbrachte. Aber er würde bald ihr Arbeitgeber sein und es war besser, wenn sie ihm nicht zu nahe kam. Sonst bestand die Gefahr, dass er die Wahrheit über sie herausfand – und das durfte auf keinen Fall geschehen!

Der Motor sprang an und Leigh lehnte sich im Sitz zurück. „Ihre Tochter ist also im Krankenhaus. Wann kam das Baby denn zur Welt?“

„Gestern. Eine unkomplizierte Geburt. Beiden geht es gut und sie werden vermutlich morgen entlassen.“

„Was ist mit der Mutter Ihrer Tochter? Lebt sie hier?“

Wyatt zuckte merklich zusammen. „Meine Exfrau lebt mit ihrem neuen Mann in Chicago. In ihrer Ehe läuft’s nicht so gut, deshalb hat sie letzte Woche ein Flugzeug gechartert und Chloe hierher geschickt.“

„Tut mir leid, aber das ist ja abscheulich.“

„Urteilen Sie nicht so hart. Die ganze Situation ist für uns alle sehr schwierig. Ich wusste nicht mal, dass Chloe schwanger war, bis sie vor meiner Tür stand. Und ich bin immer noch schockiert.“

Aber was ist mit Ihrer armen Tochter? Leigh sprach das natürlich nicht laut aus. Vorerst durfte sie sich so was nicht erlauben.

Wyatt bog in eine Seitenstraße ein, die zum Krankenhaus führte. „Tut mir leid, ich wollte Ihnen das eigentlich erst erzählen, wenn Sie Chloe kennengelernt haben. Aber jetzt wissen Sie wenigstens, auf was Sie sich eventuell einlassen. Chloe hat eine schwere Zeit hinter sich. Und ich weiß überhaupt nicht, wie ich ihr helfen kann.“

„Wenigstens machen Sie sich Sorgen um sie. Das zählt viel.“

Wyatt lachte verbittert. „Versuchen Sie das mal Chloe zu erklären. Sie findet, dass meine Sorge ungefähr 15 Jahre zu spät kommt.“

Sie hatten das Krankenhaus erreicht. Wyatt parkte den Hummer und ging um das Fahrzeug herum zur Beifahrertür. Nachdem er ihr die Tür geöffnet hatte, streckte er die Arme aus, und Leigh legte ihre Hände auf seine muskulösen Schultern. Mit beiden Händen packte er sie an der Taille und hob sie hinunter. Als sie vor ihm stand, trafen sich ihre Blicke. Müde lächelte er sie an. Vermutlich hatte er ein paar schlaflose Nächte verbracht. Leigh hatte das Gefühl, dass er in diesem Moment ein besorgter unsicherer Mann war, der möglicherweise zum ersten Mal in seinem Leben nicht wusste, wie es weitergehen sollte.

Einen Moment lang, ließ er seine Hände auf ihrer Hüfte liegen. Dann zog er sie schnell wieder weg und nahm ihren Arm. „Kommen Sie, gehen wir rein.“

Leigh kannte sich im Krankenhaus gut aus, denn sie hatte dort schon öfter jemanden besucht. „Waren Sie hier, als das Baby geboren wurde?“, wollte sie wissen, als sie nebeneinander hergingen.

„Ich habe die Geburt leider verpasst, weil ich ein Geschäftstreffen hatte. Aber ich habe Chloe sofort danach besucht.“

Wyatt blieb vor einer Zimmertür, die nur angelehnt war, stehen. „Hier ist es.“

„Gehen Sie rein, ich warte hier draußen, bis Sie so weit sind, mich Chloe vorzustellen.“

„Danke“, murmelte Wyatt leise, straffte die Schultern, klopfte sachte und trat ins Zimmer.

Chloe saß im Bett und hielt sich einen kleinen Spiegel vor das Gesicht, während sie Wimperntusche auftrug. Vielleicht lag es an Chloes kastanienbraunen Locken, dass Wyatt das komische Gefühl hatte, vor ihm säße ein kleines Mädchen, das mit dem Make-up seiner Mutter spielt.

„Hallo, Schatz“, begrüßte Wyatt seine Tochter freundlich.

„Hallo, Daddy“, antwortete Chloe in gereiztem Ton. Der Strauß Rosen, den ihr Vater ihr geschickt hatte, lag im Waschbecken.

„Wie geht es dir?“

Chloe schraubte die Wimperntusche zu. „Meine Freundinnen kommen später, um das Baby zu sehen. Er heißt übrigens Michael. Ich nenne ihn Mikey.“

„Hast du deine Mutter angerufen?“

„Ich habe ihr eine SMS geschickt“, meinte Chloe achselzuckend. „Sie ist mit Andre unterwegs nach New York. Er hat dort irgendeine Ausstellung.“

„Sie kommt also nicht her, um das Baby zu sehen?“

„Wieso sollte sie? Ich will sie hier nicht sehen.“ Sie machte einen Schmollmund und zog sich mit einem dunkelroten Lippenstift die Lippen nach.

Wyatt schob einen Stuhl an das Bett. „Wir müssen uns unterhalten, Chloe.“

Feindselig sah sie ihn an. „Was gibt’s? Du weißt doch, dass ich ihn behalten werde.“

Allerdings. Obwohl er einige Male versucht hatte, ihr das auszureden. „Ja, das habe ich verstanden. Und ich möchte, dass du weißt, dass du und Mikey bei mir immer ein Zuhause haben werdet. Aber was ist mit dem Rest? Hast du dich denn jemals um ein Baby gekümmert?“

Chloe sah ihren Vater mit ihren blauen Augen ausdruckslos an.

„Na ja, erstens …“ Wyatt räusperte sich verlegen. „Wie willst du ihn füttern?“

Entsetzt riss Chloe die Augen auf. „Du meinst, ob ich ihn … Auf keinen Fall! Ich will doch nicht für den Rest meines Lebens einen Hängebusen haben. Außerdem werde ich sicher nicht die ganze Zeit zu Hause sitzen. Sobald du mir ein Auto kaufst, bin ich …“

„Das mit dem Auto kann warten“, antwortete Wyatt. Es war schwer, nicht die Geduld zu verlieren. „Du musst dich um das Kind kümmern. Weißt du überhaupt, wie man eine Windel wechselt?“

Völlig entgeistert starrte Chloe ihn an. „Mein Gott, Daddy. Dafür stellen wir doch ein Kindermädchen ein.“

Da die Tür nur angelehnt war, konnte Leigh das Gespräch der beiden mithören. Auf einmal wurde ihr bewusst, auf was sie sich da einließ. Sie wusste nun, was er damit gemeint hatte, als er gesagt hatte, sie würde sich um zwei Kinder kümmern müssen. Und Chloe schien nicht gerade ein einfaches Kind zu sein. Am liebsten hätte Leigh sich umgedreht und wäre weggerannt. Nur der Gedanke an das Baby hielt sie noch hier.

„Tut mir leid, dass Sie das hören mussten.“ Wyatt streckte den Kopf zur Tür heraus. Die Frustration war ihm anzusehen.

„Ich bin ganz froh, dass ich es gehört habe.“ Leigh folgte Wyatt ins Zimmer. Als sie Chloe mit ihren Shirley-Temple-Locken und den himmelblauen Augen im Bett sitzen sah, musste sie sofort an ein Porzellanpüppchen denken.

„Chloe, das ist Miss Foster. Ich würde sie gerne als Kindermädchen für deinen Sohn anstellen, es sei denn, du hast etwas dagegen.“

Chloe musterte Leigh langsam von oben bis unten. Dann sah sie ihren Vater an. „Okay, die sollte passen.“ Ihr Ton war herablassend.

„Danke.“ Je weniger sie sagte, umso besser, beschloss Leigh.

Verstohlen sah Chloe zur Tür. „Ich hoffe, ihr bleibt nicht mehr lange. Meine Freundinnen kommen gleich, um Mikey zu sehen.“

„Wir wollten gerade gehen.“ Wyatt ging zur Tür, durch die in diesem Moment eine Krankenschwester mit einem kleinen blauen Bündel im Arm hereinkam.

Leigh hielt inne und wandte sich an Chloe. „Da ich mich um deinen Sohn kümmern soll, würde es dir was ausmachen, wenn ich ihn kurz halte?“

„Meinetwegen.“ Chloe hatte ihre Aufmerksamkeit bereits wieder dem kleinen Spiegel zugewandt.

Als die Krankenschwester ihr das Baby in den Arm legte, zitterten Leigh die Hände. Das Baby fühlte sich so klein und leicht an. Sie wagte kaum zu atmen, als sie mit einer Hand die Decke etwas hinunterschob. Der kleine Mikey hatte eindeutig die Augen seiner Mutter und auch ihre kastanienbraunen Locken. Aber Leigh sah sofort die anderen Merkmale – die etwas gebogene Nase, das breite Kinn, die leicht abstehenden Ohren und die dunklen geraden Augenbrauen.

Leigh hatte Mühe, die Tränen zurückzuhalten. Es bestand kein Zweifel mehr. Der kleine Mikey war das Kind ihres Bruders.

2. KAPITEL

Völlig überwältigt von ihren eigenen Gefühlen, drehte Leigh sich zu Wyatt um. „Es wird Zeit, dass Sie beide sich kennenlernen.“ Mit diesen Worten legte sie Chloes Vater das kleine blaue Bündel in die Arme.

Dieser zögerte zunächst, nahm das Baby dann aber unbeholfen in die Hände und hielt es von sich wie ein Glas lebender Bienen. Leigh war entsetzt, als sie Wyatts gleichmütigen Gesichtsausdruck sah. Gut, er hatte nicht darum gebeten, Großvater zu werden, aber ein wenig Zuneigung hätte er ja zeigen können. Wie konnte man so gefühllos bleiben, wenn man ein Baby in den Armen hielt?

Schnell sah Leigh zu Chloe hinüber. Aber die schien mehr mit sich beschäftigt zu sein. Leigh seufzte, als sie daran dachte, was ihr bevorstand. Es würde sicher nicht leicht werden, vielleicht war es sogar unmöglich, aber sie würde alles daransetzen, aus diesen drei Leuten eine kleine Familie zu machen.

Wyatt blickte auf das winzige Gesicht hinunter. Das Kind hatte Chloes blaue Augen, ihre kastanienbraunen Locken und den schön geformten Mund. Aber es hatte auch Gesichtszüge, die Wyatt völlig fremd waren. Der unbekannte Junge, der sich genommen hatte, was er gewollt hatte, hatte seine Spuren hinterlassen.

Der Junge, der Chloes Leben zum Entgleisen gebracht hatte.

Unwillkürlich schoss Wyatt die Frage durch den Kopf, ob er versucht hätte, seine Tochter davon zu überzeugen, das Baby nicht auszutragen, wenn er rechtzeitig von der Schwangerschaft erfahren hätte. Chloe war sein einziges Kind, und er hatte große Pläne für sie gehabt. Universität, Karriere, Heirat und eventuell Kinder zum richtigen Zeitpunkt. Aber es war zu spät, das Baby war da, und seine Tochter schien fest entschlossen zu sein, es zu behalten. Irgendwie würden sie das Beste daraus machen.

Als ob das Baby seine Sorge gespürt hätte, begann es auf einmal zu weinen. Wyatts Magen krampfte sich zusammen. Was jetzt? Er wusste nicht das Geringste über Babys. Was tat man denn, wenn sie weinten?

„Nehmen Sie ihn bitte.“ Wyatt übergab Leigh das wimmernde Kind. Er war immer stolz darauf gewesen, mit jeder Situation fertig zu werden, aber im Moment war er schlichtweg überfordert.

Leigh drückte das Baby zärtlich an sich. Sofort hörte der Junge auf zu schreien und kuschelte sich an ihren warmen Körper, wobei sein rosiger Mund instinktiv etwas zum Saugen suchte. Leigh strich mit der Fingerspitze über den kleinen seidigen Kopf. Der Junge war so winzig, so süß und so hilflos. Wie sollte sie es schaffen, diesen Job zu erledigen, ohne dabei ihr Herz an das Kind zu verlieren?

Aber Leigh hatte keine Zeit länger darüber nachzudenken, denn plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und kreischende Teenager stürmten ins Zimmer.

„Chloe! Ist das dein Baby?“

„Wow, es ist so winzig!“

„Darf ich es halten?“

Drei hübsche, modisch gekleidete Mädchen drängten sich um Leigh. Sie hatten Geschenke und Einkaufstüten mitgebracht, die sie auf das Bett warfen. Leigh überließ den kleinen Mikey einem der Mädchen. Als sie zu Wyatt hinübersah, deutete dieser mit einem Kopfnicken in Richtung Tür. Es war Zeit für die Erwachsenen zu gehen.

„Sie scheinen etwas durcheinander zu sein. Wie wär’s mit einem Kaffee?“, schlug Wyatt vor, als sie draußen im Flur standen. Dabei strich er Leigh mit der Hand über den Rücken, was in ihr einen wohligen Schauer auslöste.

„Das wäre toll, danke. Wir sind wohl beide etwas durch den Wind.“ Leighs Knie zitterten. Gott sei Dank waren Chloes Freundinnen gekommen, sie hätte sonst womöglich die Fassung verloren.

Es war Kevins Baby. Ihr kleiner Neffe. Aber sie durfte es unter keinen Umständen irgendjemandem erzählen.

Leigh und ihr kleiner Bruder hatten sich immer sehr nahegestanden, obwohl er so viel jünger war als sie. Letzten Frühling hatte Kevin ihr gestanden, ein Mädchen geschwängert zu haben: „Sie heißt Chloe Richardson – ihrem Dad gehört Wolf Ridge und sie geht auf diese versnobte Privatschule. Sie hat mir eine SMS geschickt, dass sie schwanger ist. Ich wollte ein Mann sein und Verantwortung zeigen, aber sie meinte nur, ich solle mir keine Gedanken machen, sie würde es sowieso wegmachen lassen. Dann würde sie wegziehen und mich wollte sie nie wieder sehen. Bitte, Leigh, versprich, dass du es nicht Mom erzählst.“

Leigh hatte ihr Versprechen gehalten, weil sie gedacht hatte, dass sich das Problem von selbst erledigen würde. Vor ein paar Tagen, während sie die Anzeigen für die Zeitung Korrektur gelesen hatte, hatte sie gesehen, dass Wyatt Richardson ein Kindermädchen suchte. Ein diskreter Anruf im Krankenhaus hatte bestätigt, was Leigh befürchtet hatte.

Es Kevin zu erzählen, kam nicht infrage. Es schien, als habe er seine Zeit als rebellischer Teenager endlich hinter sich, denn er sprach davon, aufs College zu gehen. Die Nachricht, dass er einen Sohn hatte, würde ihn vermutlich wieder aus der Bahn werfen und womöglich seine Zukunft ruinieren. Das durfte Leigh nicht riskieren. Aber sie wollte unbedingt Kevins Baby kennenlernen und sich darum kümmern.

„Es ist zwar nicht gerade der vornehmste Ort, aber dafür schmeckt der Kaffee ganz gut.“ Wyatt hielt Leigh die Tür zur Cafeteria des Krankenhauses auf und begleitete sie zu einem freien Tisch, wo Leigh sich setzte, während er zwei Tassen Kaffee holen ging.

Nachdem er schließlich ihr gegenüber Platz genommen hatte, lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und sah sie aus zusammengekniffenen Augen an. „Und, was denken Sie?“

Leigh antwortete nicht sofort. Erst nach einer Weile sah sie von ihrem Kaffee auf. „Das Baby ist süß. Aber ich habe das Gefühl, dass Ihre Tochter schreckliche Angst hat. Sie wird auf sehr viel Hilfe angewiesen sein.“

„Sind Sie bereit, ihr zu helfen?“

Leigh betrachtete ihn über den Rand ihrer Tasse hinweg. Vor ihr saß ein erfolgreicher Geschäftsmann, ein Gewinner in jeder Hinsicht. Aber sie sah auch einen müden Mann, unrasiert und mit Ringen unter den Augen. Einen Vater, der am Ende seiner Weisheit angelangt war, und Leigh wusste genau, was er von ihr hören wollte. Obwohl sie nicht ganz ehrlich sein durfte, so musste sie doch in einer Sache offen sein.

„Angenommen, ich nehme den Job an, werde ich natürlich mein Bestes geben. Aber ich werde für das Baby da sein, Wyatt. Chloe ist Ihr Kind. Wenn Sie meinen, Sie sind aus dem Schneider, weil ich Chloes Erziehung übernehmen werde, liegen sie falsch. Sie braucht ihren Vater. Verstehen Sie, was ich meine?“

Einen Augenblick lang sah Wyatt aus, als hätte sie ihn mit einem Schlauch nass gespritzt. Dann verdunkelte sich sein Blick und er zog eine Augenbraue hoch. Hatte sie zu viel gesagt? Ihre Chance womöglich verspielt?

Wyatt richtete sich in seinem Stuhl auf, und Leigh machte sich auf alles gefasst.

„Gut. Sie haben keine Angst, offen auszusprechen, was Sie denken. Das wird Ihnen bei Chloe auf jeden Fall nützlich sein.“

„Aber haben Sie gehört, was ich gesagt habe?“

„Ich habe es gehört und werde es mir merken. Wir werden sehen, wie es läuft.“ Er zog einen Stift aus der Tasche und schrieb etwas auf eine Serviette. „Dies ist das wöchentliche Gehalt, das ich Ihnen zahlen werde. Ich denke, das ist ausreichend.“

Er schob die Serviette über den Tisch. Leigh schnappte nach Luft, als sie die Zahl sah. Es war mehr als doppelt so viel wie das, was sie sich erhofft hatte. „Das ist … sehr … großzügig von Ihnen“, brachte sie mühsam hervor.

„Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich jeden Cent redlich verdienen. Sie werden anfangs rund um die Uhr gebraucht werden. Wenn sich alles etwas eingespielt hat, werden wir über Ihren Arbeitsplan und Ihre Freizeit sprechen. Ich werde in den nächsten Tagen einen Vertrag für Sie aufsetzen. Die Vertraulichkeitserklärung, die Sie unterschrieben haben, wird Teil davon sein. Einverstanden?“

„Einverstanden.“ Leigh hatte das Gefühl, als habe sie gerade ihre Seele verkauft. Aber sie tat das schließlich für Kevins Sohn. „Wann wollen Sie, dass ich anfange?“

„Wie wär’s mit sofort? Das Kinderzimmer muss eingerichtet werde. Eigentlich wollte ich, dass es vor der Geburt des Babys fertig ist, aber Chloe konnte sich nicht entscheiden, was sie wollte. Ich habe im Babyladen bereits alles abgesprochen. Sie können dort heute noch alles kaufen, was gebraucht wird – Kleidung, Windeln, ein Bettchen, das volle Programm. Und nur Topqualität, bitte. Es wird alles bis heute Abend geliefert werden.“

Wyatt stand auf. Er war auf einmal voller Energie und Ungeduld. „Anschließend haben Sie ein paar Stunden Zeit, Ihre Arbeitsstelle bei der Zeitung zu kündigen, Ihre Sachen zu packen, und sich dann bei mir zu melden.“

„Sie wollen, dass ich heute Abend bereits einziehe?“

„Wenn das Baby morgen heimkommt, muss das Kinderzimmer fertig sein. Wissen Sie, wo ich wohne?“

„Ja.“ Wer kannte sein Haus nicht? Es war nicht zu übersehen. Majestätisch stand es auf einem Felsen oberhalb des Ortes. Selbst im Dunkeln würde sie dort hinfinden. Irgendwie war es Leigh jedoch unbehaglich zumute.

Wyatt Richardson hatte sich von ganz unten nach oben gearbeitet und alles durch reine Willenskraft erreicht. Schon wenige Sekunden, nachdem sie den Job angenommen hatte, versuchte er, ihr Leben komplett in die Hand zu nehmen, und tat so, als sei sie sein Eigentum.

Natürlich würde sie einiges in Kauf nehmen, schließlich war er jetzt ihr Arbeitgeber. Aber wenn dieser Mann dachte, er könne sie wie einen Fußabtreter behandeln, hatte er sich schwer getäuscht. Sie würde sich für den kleinen Mikey einsetzen und für sein Wohl sorgen, selbst, wenn sie dabei mit Wyatt aneinandergeraten würde.

Kevins Sohn hatte einen Teenager als Mutter, eine Großmutter, die sich überhaupt nicht für ihn interessierte, und einen unwilligen Großvater, der alles, was die Familie betraf, dem Kindermädchen übertrug. Als Leigh im Krankenhaus Wyatt das Baby gereicht hatte, hatte er es behandelt wie eine tickende Zeitbombe. Und noch kein einziges Mal hatte er Mikeys Namen ausgesprochen. Für ihn war er einfach „das Baby“.

Nun lag es an Leigh, an all dem irgendetwas zu ändern. Sie hoffte nur, dass sie weise und stark genug war für eine solche Herausforderung.

Wieder hob Wyatt sie in seinen Hummer, wobei er zu ignorieren versuchte, wie gut sie sich anfühlte. Ihr dezenter Duft betörte ihn. Er ließ seinen Blick über ihre langen schlanken Beine gleiten, als sie auf den Sitz kletterte, und malte sich aus, wie sie sich um seine Hüften legten.

Wenn sie wüsste, was er dachte, würde sie ihm vermutlich einen Tritt verpassen. Was war nur in ihn gefahren? Er hatte doch schließlich genug Sorgen mit Chloe und dem Baby.

Es war ihm immer leicht gefallen, Frauen fürs Bett zu finden. Wieso musste er plötzlich ausgerechnet so heftiges Verlangen nach einer Frau verspüren, die für ihn tabu sein sollte?

Aber möglicherweise war es ja gerade das, was ihn reizte: die Gefahr. Eine Affäre mit dem Kindermädchen war eine riskante Sache, wenn Chloe und das Baby auch im Haus wohnten.

Hör auf, ermahnte er sich selbst, schlug die Autotür hinter Leigh zu, ging um das Auto herum und kletterte auf den Fahrersitz. Als er sah, wie sie ihren Rock zurechtzog, sagte er: „Es gibt übrigens keine Kleidervorschrift bei uns im Haus. Packen Sie sich also was Bequemes zum Anziehen ein, Jeans und Turnschuhe oder so.“

Leigh lachte. „Das dachte ich mir. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Ihren Enkel interessiert, was ich trage.“

„Meinen Enkel. Oh, Gott. An den Gedanken muss ich mich erst noch gewöhnen.“

„Es geht hier nicht um Sie, sondern ausschließlich um ein unschuldiges Baby, das ganz viel Liebe braucht, und um ein junges Mädchen, das lernen muss, eine Mutter zu sein. Sie werden für beide da sein müssen.“

Ist das nicht Ihre Aufgabe? Wyatt sprach diesen Gedanken nicht aus. Leigh hatte ihm klar gemacht, wie sie über familiäre Verantwortung dachte. Aber tat er denn nicht genug, indem er Chloe und das Baby bei sich aufnahm, ihnen alles kaufte und ein Kindermädchen anstellte?

Damals, als er noch verheiratet gewesen war, hatte seine Frau Tina sich immer beschwert, dass er nie zu Hause war. Verdammt noch mal, er hatte gearbeitet und seine Frau und Tochter versorgt. Er war fest entschlossen gewesen, ihnen ein besseres Leben zu bieten, als er selbst es als Junge gehabt hatte.

Sogar nach der Scheidung hatte er gut für sie gesorgt. Tina hatte ein tolles Haus bekommen, und seiner Tochter hatte er nicht nur großzügigen Unterhalt gezahlt, sondern ihr zum Geburtstag und zu Weihnachten auch immer teure Sachen geschenkt.

Hatte er also nicht genug getan? Wie konnte man von ihm erwarten, einen verwöhnten Teenager mit einem Baby großzuziehen, nur damit seine Exfrau sich mit ihrem 27-jährigen Mann ein schönes Leben machen konnte?

„Da drüben steht mein Auto.“ Leigh zeigte auf einen rostigen Wagen. Ein Blick genügte, und Wyatt wusste, dass sie mit dieser Rostlaube im Winter niemals die kurvige Straße hinaufkommen würde. Er würde ihr vor Wintereinbruch ein besseres Fahrzeug kaufen müssen.

Wyatt parkte den Hummer, stieg aus und öffnete ihr die Tür. Leigh lehnte sich aus dem Fahrzeug und streckte ihm die Arme entgegen, damit er sie herausheben konnte. In dem Moment, in dem Wyatt ihre Taille umfasste, blieb Leigh mit dem Absatz ihres Stöckelschuhs an der Fußmatte hängen. Sie verlor das Gleichgewicht und purzelte auf Wyatt hinab.

Er schaffte es gerade noch, sie festzuhalten. Einen kurzen Moment lang klammerte sie sich an ihn, die Arme um seinen Hals geschlungen. Ihr Rock rutschte hoch, während sie langsam an ihm hinunterglitt. Wyatt unterdrückte ein Stöhnen, als er ihren warmen wohlgeformten Körper an seinem Schoß verspürte.

Leigh musste seine Erregung gespürt haben, denn sie schnappte überrascht nach Luft. Oh, Gott, das war so peinlich! Als ihre Füße endlich den Boden berührten, stolperte sie, und Wyatt stützte sie noch einen Moment, ehe sie einen Schritt zurückwich. Ihr Haar war zerzaust, und ein Schuh lag noch im Fahrzeug. Verschämt schob sie ihren Rock nach unten.

„Entschuldigung“, murmelte sie. „Ich habe Ihnen doch hoffentlich nicht wehgetan, oder?

Wyatt lachte verlegen. „Nein, gar nicht. Aber für das Manöver hätte man uns verhaften können“, versuchte Wyatt die Situation mit einem Witz zu retten.

Aber Leigh war scheinbar nicht besonders angetan von seinem Humor, denn sie blickte ihn streng an. Trotz ihres aufreizend kurzen Röckchens war sie offensichtlich eine überkorrekte Person.

„Entschuldigen Sie, aber ich brauche meinen Schuh.“ Leicht schwankend hielt Leigh sich an der Fahrzeugtür fest. Wyatt holte den Schuh und ihre braune Ledertasche aus dem Wagen.

„Kommen Sie klar?“, fragte er, nachdem Leigh sich den Schuh wieder angezogen hatte.

„Ja. Ich werde direkt von hier zum Babyladen fahren und anschließend nach Hause. Bei Anbruch der Dunkelheit werde ich bei Ihnen sein.“

„Sie können bei mir zu Abend essen. Denken Sie bitte daran, in dem Babyladen nichts von Chloe und dem Baby zu erwähnen. Alles, was die dort wissen müssen, ist, wer die Rechnung bezahlt und wohin alles geliefert werden muss.“ Er nahm eine Visitenkarte aus der Tasche und schrieb seine Handynummer auf die Rückseite. „Rufen Sie mich an, wenn Sie Fragen haben.“

Leigh steckte die Visitenkarte in ihre Handtasche, nahm ihre Autoschlüssel heraus und ging, ohne sich noch einmal umzudrehen, über den Parkplatz zu ihrem Auto. Kam es ihm nur so vor, oder war sie plötzlich sehr distanziert? Oder verärgert?

Sie schlug die Autotür hinter sich zu und startete den Motor. Mit quietschenden Reifen fuhr sie davon. Nun war er sich sicher. Die Frau war wegen irgendetwas eingeschnappt. War er zu streng mit ihr gewesen, oder hatte er ihr zu viele Anordnungen gegeben? Aber er bezahlte schließlich ihren Lohn, da war es seiner Meinung nach das Beste, wenn sie gleich von Anfang an wusste, was von ihr erwartet wurde.

Nachdem Wyatt ein paar Häuserblocks weit gefahren war, musste er wegen Bauarbeiten von der Hauptstraße abbiegen. Die Umleitung führte durch eine schmale Straße, die er seit Jahren mied. Zu viele schlechte Erinnerungen verbanden ihn mit dieser Gegend.

Hier war er aufgewachsen.

Seine Mutter arbeitete als Zimmermädchen in einem Motel und sein Vater war arbeitslos. Jedes Mal, wenn sie ihr Gehalt bekam, forderte er das Geld ein, um es anschließend zu versaufen. Wenn er es nicht bekam, schlug er seine Frau so lange, bis sie es herausrückte.

Als Wyatt sich einmal eingemischt und versucht hatte, seine Mutter zu verteidigen, hatte sein Vater ihn windelweich geprügelt.

Während seine Mutter ihm damals die Striemen, die sein Vater ihm mit dem Gürtel zugefügt hatte, mit Salbe einrieb, schwor er ihr, dass er ihr Leben verändern würde. Eines Tages wäre er reich genug, um ihr all die Dinge zu kaufen, die sie nicht hatte. Und sie würde nie wieder im Motel fremde Betten beziehen und Toiletten putzen müssen.

Er hatte zwar sein Ziel erreicht, aber seine Mutter hatte seine sportlichen Erfolge nicht mehr erlebt. Sie war an Krebs gestorben, als Wyatt noch auf die Highschool ging.

Sein Vater war wegen Totschlags ins Gefängnis gekommen und später dort an einem Herzinfarkt gestorben.

Wyatt zwang sich, die Bilder von damals aus seinen Gedanken zu verbannen. Er folgte den Umleitungsschildern und war kurz darauf wieder auf der Hauptstraße.

Das Wichtigste für ihn war immer gewesen, ein viel besserer Mann zu werden, als sein Vater es gewesen war. Und das war ihm auch gelungen. Wieso hatte er dann solche Schwierigkeiten, mit seiner Tochter klarzukommen?

Natürlich liebte er Chloe. Er hatte immer gut für sie gesorgt und ihr nie etwas verwehrt, um sie glücklich zu machen. Doch plötzlich wurde ihm bewusst, dass er trotz all der Dinge, die er für sie getan und für sie gekauft hatte, nicht im Geringsten wusste, was es hieß, ein Vater zu sein.

3. KAPITEL

Leigh bog in die Seitenstraße ab und schaltete das Fernlicht ein. Bisher hatte sie nicht daran gezweifelt, Wyatts Haus zu finden, aber es war stockfinster hier draußen. Eigentlich wollte sie schon lange dort sein, aber die Besorgungen hatten mehr Zeit in Anspruch genommen als erwartet.

Sie hätte nie gedacht, dass man so viele Dinge für ein Baby brauchte und dass es so lange dauerte, sie auszuwählen. Als sie den Babyladen endlich verlassen hatte, dröhnte ihr der Kopf und ihre Füße schmerzten in den Stöckelschuhen.

Anschließend hatte sie noch kurz beim Zeitungsverlag haltgemacht und gekündigt, bevor sie nach Hause gefahren war, um ein paar Sachen zu packen. Kevin und ihre Mutter hatten sie mit Fragen bombardiert, während sie hastig ein paar Kleidungsstücke und ihren Waschbeutel in einen Koffer geworfen hatte. Leigh hatte lediglich etwas von einem geheimen Auftrag gemurmelt, die beiden aber gleich beruhigt, dass es nichts Gefährliches war. Vermutlich dachten sie, sie würde für die CIA arbeiten oder so.

Sie hasste es, Geheimnisse vor ihrer Familie zu haben, aber sie durfte nichts verraten. Kevins Baby – ihr Neffe – brauchte ihre Hilfe, und sie würde für den kleinen Mikey da sein, komme, was wolle.

Plötzlich tauchte vor ihr auf der Straße etwas großes Braunes auf. Trotz des riesigen Schrecks brachte Leigh den Wagen gerade noch rechtzeitig zum Stehen. Beinahe hätte sie das Reh überfahren, das nun zwischen den Tannen am Straßenrand verschwand.

Leigh zitterte am ganzen Leib und sank über dem Lenkrad zusammen. Was tat sie da eigentlich? Wieso fuhr sie überhaupt diese dunkle Bergstraße hinauf zu einem Kerl, den sie kaum kannte. Einem Kerl, der ihren Puls höherschlagen ließ, jedes Mal, wenn er sie mit seinen tiefblauen Augen ansah.

Der unglückliche Zwischenfall vom Nachmittag, als sie sozusagen aus dem Hummer in seine Arme gepurzelt war, ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Wyatt war das vermutlich nur furchtbar peinlich gewesen. Aber der Gedanke an den kurzen Moment, in dem sie seine Erregung gespürt hatte, löste ein Feuer in ihr aus. Wie sollte sie für diesen Mann arbeiten, wenn sie bei seinem Anblick kaum klar denken konnte?

Aber Wyatt war zunächst einmal gar nicht ihr größtes Problem. Sie hatte sich im Babyladen ein dickes Buch über Babys gekauft, in dem alles stand, was man wissen musste. Sie hatte früher zwar ein paar Mal auf Babys aufgepasst, aber das war alles.

Wenn sie das Kinderzimmer eingerichtet hatte, würde sie die ersten paar Kapitel in dem Buch lesen, damit sie wenigstens das Wichtigste wusste, wenn das Baby morgen heimkam. Auf keinen Fall durfte sie nämlich einen Fehler machen, der dem Kind irgendwie schaden könnte.

Nach einer Weile fuhr sie langsam weiter. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, ehe sich die dichten Tannen links und rechts von der Straße lichteten und sie vor sich einen steinigen Hang erblickte. Ganz oben sah sie ein erleuchtetes Fenster.

Nach ein paar weiteren Kurven kam sie endlich vor dem Haus an. Sie stellte den Motor ab und stieg aus. Wyatt stand mit verschränkten Armen auf der großen Steinveranda und blickte ihr entgegen.

„Na endlich. Ich wollte schon einen Suchtrupp nach Ihnen ausschicken. Wieso haben sie nicht angerufen, dass es später wird?“ Leigh kam sich vor, als sei sie 15 und viel zu spät nach Hause gekommen.

„Tut mir leid. Mein Handy-Akku war leer. Und es hat alles länger gedauert, als ich gedacht habe. Ich hatte nicht mal Zeit, mich umzuziehen.“ Ihr Kostüm war verknittert und ihre Füße in den hohen Schuhen angeschwollen. Als sie den Kofferraum öffnete, um ihren Koffer herauszuholen, kam ihr Wyatt zuvor. Er trug das Gepäck vor ihr her zum Haus und stellte es in der Eingangshalle ab.

„Hat der Babyladen die Sachen geliefert?“

„Ja, bereits vor ein paar Stunden. Der Lieferant hat auch gleich das Bettchen zusammengebaut, aber alles andere ist noch in den Kartons. Sie werden ordentlich anpacken müssen.“

„Kann mir denn niemand dabei helfen?“ Irgendwie hatte sie ein Dienstmädchen oder so erwartet, aber außer ihnen beiden schien niemand im Haus zu sein.

„Nein, nur Sie und ich sind hier. Das Abendessen steht im Ofen, falls sie Hunger haben.“

„Ich sterbe gleich vor Hunger.“ Erst jetzt merkte sie, dass ihr Magen knurrte. „Sie kochen?“

„Oh nein. Ich habe nur ein paar Kleinigkeiten im Kühlschrank. Wenn ich was Anständiges essen will, lasse ich es mir vom Restaurant der Ferienanlage kommen. Heute gibt es Lasagne. Sie können Ihre Sachen hier stehen lassen, bis wir gegessen haben.“

Nachdem Leigh ihre Schuhe und ihren Blazer ausgezogen hatte, folgte sie Wyatt in einen großen offenen Raum. Massive Holzbalken stützten die hohe Decke. Die gesamte Nordseite des Raumes bestand aus Fenstern. Vorhänge gab es nicht, denn das Haus lag so abgelegen, dass von außen niemand hereinsehen würde.

Im offenen Kamin brannte ein Feuer, und es war angenehm warm. Auf der rechten Seite erblickte Leigh einen eleganten Essbereich, aber Wyatt führte sie in die hell erleuchtete Küche, wo ein kleiner Tisch für sie beide gedeckt war.

Wyatt forderte Leigh auf, Platz zu nehmen, und holte die Lasagne aus dem Ofen. Eine Schüssel mit Salat und eine Flasche Wein standen schon auf dem Tisch, daneben lag ein Baguette.

„Ich schenke uns Wein ein, und Sie verteilen die Lasagne. Ja?“ Er reichte ihr einen Pfannenheber. „Kann sein, dass das Essen etwas verkocht ist.“

Leigh schöpfte ihnen beiden eine Portion Lasagne auf die Teller. Verkocht schien sie nicht zu sein und sie duftete köstlich.

„Greifen Sie nur gut zu. Wir haben noch viel Arbeit vor uns.“

„Vor uns? Heißt das, Sie helfen mir?“

„Beim Auspacken der Kisten auf jeden Fall. Allerdings müssen Sie alles einrichten, denn ich weiß nicht, was am praktischsten ist. Ich hoffe, Sie ziehen sich noch etwas Bequemeres an.“

„Natürlich.“ Leighs Wangen begannen zu glühen, als sein Blick an ihrer eng anliegenden Seidenbluse hängen blieb. Schnell wechselte sie das Thema. „Haben Sie außer mir denn keine Angestellten in diesem großen Haus?“

„Sie meinen einen Butler, einen Chauffeur und einen Koch?“, fragte er schmunzelnd. „Ein Haufen Angestellter hier würde mich wahnsinnig machen. Ich kann die Spülmaschine einräumen, an die Tür gehen, wenn es klingelt, und mein Auto selbst fahren. Mittwochs kommt eine Putzkolonne aus dem Hotel und macht sauber. Ich mag’s lieber ruhig.“

Leigh nahm einen Schluck Wein und beschloss, darauf nicht zu antworten. Mit der Ruhe und dem Frieden im Haus würde es nämlich ganz bald vorbei sein.

Das Zimmer, das Wyatt für Leigh vorgesehen hatte, lag im ersten Stock und war genau wie der Rest des Hauses eingerichtet: rustikal und ziemlich maskulin, aber bequem. An einer Wand hingen verschiedene gerahmte Schwarz-Weiß-Fotos vom Himalaja. Auf einem der Fotos war Wyatt mit einem Vollbart zwischen zwei Sherpa-Trägern abgebildet.

Eine Tür führte ins angrenzende Kinderzimmer, in dem kistenweise Sachen aus dem Babyladen standen. Leigh streifte ihren Rock und die Bluse ab, zog sich eine Jeans und ein Sweatshirt über und beschloss, sofort mit der Arbeit loszulegen.

Wyatt war gerade dabei, einen Schaukelstuhl auszupacken, als Leigh barfuß ins Kinderzimmer kam.

„Das ist schon viel besser“, bemerkte er, als er ihre legere Kleidung sah. „Aber wo sind Ihre Schuhe?“

„Meine Füße tun so weh. Ich bin es nicht gewohnt, den ganzen Tag hohe Schuhe zu tragen. Ich kann nicht mal mehr Turnschuhe anziehen.“

Wyatt stand auf und deutete auf den Schaukelstuhl. „Vielleicht kann ich den Schmerz ein wenig lindern. Setzen Sie sich.“

„Aber wir müssen das Zimmer einrichten“, antwortete Leigh zögernd.

„Hinsetzen und keine Widerrede.“

Sie hasste es, herumkommandiert zu werden, aber er war schließlich ihr Chef und wollte was für ihre Füße tun. Das konnte sie ihm doch nicht abschlagen.

Als sie im Schaukelstuhl Platz nahm, ging er vor ihr in die Hocke und nahm ihren linken Fuß in die Hände. „Ich habe mit so vielen Sportverletzungen zu tun gehabt, ich kenne mich mittlerweile ein wenig aus.“

Mit seinen kräftigen Händen begann er ihren Fuß durchzukneten, von den Zehen bis zur Ferse. Leigh spürte, wie sie sich langsam entspannte und wie der Schmerz nachließ. Sie schloss die Augen und seufzte behaglich.

Wyatt lachte. „Tut gut, nicht wahr?“

„Mhm-hm“, war alles, was Leigh hervorbrachte. Nur nicht aufhören! Unweigerlich malte sie sich aus, wie es wohl wäre, wenn diese Hände andere Stellen an ihrem Körper berührten. Sie war, seit sie ihre Verlobung vor elf Monaten gelöst hatte, mit keinem Mann mehr zusammen gewesen. Langsam erwachte ihr Körper und reagierte auf Wyatts Berührungen. Sie waren ganz allein in diesem großen Haus, und nebenan stand ein Doppelbett …

Jetzt hör aber auf, ermahnte sie sich selbst. Mit Wyatt zu schlafen, war eine völlig verrückte Idee. Sie durfte mit diesem Mann nicht intim werden, sonst würde die Situation noch komplizierter werden.

Als sie die Augen öffnete, sah Wyatt sie lächelnd an. Ahnte er etwa, was sie gedacht hatte?

„Wie gefällt Ihnen Ihr Zimmer?“, unterbrach er die unangenehme Stille zwischen ihnen.

„Es ist toll, aber es wird mir vermutlich schwerfallen, morgens aus den Federn zu kommen. Das Bett sieht so gemütlich aus.“

„Chloe hat das Zimmer für sie ausgesucht. Sie wollte, dass Sie direkt neben dem Kinderzimmer sind, damit Sie hören, wenn das Baby nachts schreit.“

„Und wo schläft Chloe?“

„Ihr Zimmer ist unten. Sie will nicht aufgeweckt werden vom Weinen des Babys.“

Ach, so stellte Chloe sich das also vor? Leigh unterdrückte einen bissigen Kommentar. Das war ein Thema, das sie mit Chloe besprechen musste, nicht mit ihrem Vater.

„Ich kann mir vorstellen, was Sie denken.“ Wyatt nahm ihren rechten Fuß und begann, diesen zu massieren. „Aber seien Sie bitte am Anfang noch etwas nachsichtig mit Chloe. Sie muss sich erst an die neue Situation gewöhnen, körperlich und seelisch. Ihre Mutter hat sich für ihren neuen Mann entschieden und Chloe weggeschickt, obwohl sie schwanger war. Das war hart für sie.“ Er drückte ihre Füße nun fester, was beinahe wehtat. „Wenn ich jemals diesen Kerl erwische, der sie geschwängert und sich danach aus dem Staub gemacht hat …“

„Wir sollten lieber anfangen.“ Leigh zog ihren Fuß zurück und stand auf. Sie war sich nämlich nicht sicher, ob sie ihren Mund halten konnte, wenn Wyatt weiter ihren Bruder beschimpfte.

Das Ganze war nach einer Party passiert. Sowohl Chloe als auch Kevin waren mehr als nur beschwipst gewesen. Außerdem hatte Chloe Kevin zurückgewiesen, als er Verantwortung übernehmen wollte. Aber das konnte Leigh ihrem neuen Arbeitgeber nicht erklären – heute nicht und vermutlich niemals.

Seufzend machte sie sich daran, Bettwäsche für das Babybettchen und Handtücher auszupacken. „Diese müssen wir alle waschen und trocknen, ehe wir sie verwenden können. Wenn Sie mir sagen, wo die Waschmaschine ist, mache ich das.“

„Der Wäscheraum liegt direkt neben der Küche. Ich packe in der Zwischenzeit weiter aus. Sie können alles einräumen, wenn Sie wiederkommen.“

„Okay.“ Leigh nahm das Waschmittel und die Wäsche und ging zur Treppe. Ein wenig Abstand von Wyatts überwältigender Nähe würde ihr guttun. Die körperliche Anziehung, die Leigh in seiner Anwesenheit verspürte, wurde ihr gerade etwas zu viel …

Wenn das Baby morgen erst mal da wäre, würde es sicherlich einfacher werden. Dann konnte sie sich auf das Kind konzentrieren und es lieben … Nein, nicht lieben, wies sie sich selbst zurecht. Sie war hier, um Mikey einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Irgendwann würde sie loslassen und sich von ihm trennen müssen. Sie durfte ihn nicht lieb gewinnen, denn sonst würde ihr die Trennung das Herz brechen.

Wyatt stand auf dem Balkon im ersten Stock. Vor etwa zwei Stunden waren Leigh und er mit dem Einrichten des Kinderzimmers fertig geworden, und eigentlich hatte er erwartet, todmüde ins Bett zu fallen. Aber er war noch zu wach und aufgewühlt, um schlafen zu gehen.

Er und Leigh hatten fleißig gearbeitet, jeder auf seine Aufgaben konzentriert. Von der sexuellen Spannung, die während der Fußmassage eindeutig zwischen ihnen geknistert hatte, war nichts mehr zu spüren gewesen. Doch Wyatt hatte das Gefühl nicht vergessen. Der Anblick von Leighs geschlossenen Augen und ihren leicht geöffneten Lippen hatte seine Fantasie unglaublich angeregt. Für ihn war das Gesicht immer das Anziehendste an einer Frau gewesen. Er stellte sich Leighs wunderschönes Gesicht auf einem Kissen vor, wie sich ihr verzückter Ausdruck vor Lust noch verstärkte …

Zu mehr als einer Fußmassage würde es aber auf keinen Fall kommen, das wusste er. Schließlich arbeitete Leigh für ihn. Frauen fürs Bett konnte er haufenweise kriegen, aber gute Kindermädchen waren selten.

Der Mond war nur eine schmale silberne Sichel am dunklen Nachthimmel. Ganz weit unten sah Wyatt zwischen den Tannen die Lichter der Ferienanlage wie Diamanten funkeln. Der Sommer war vorbei, aber es waren noch viele Wanderer hier. Und wenn erst die Skisaison begann, würden die Touristen scharenweise anreisen. Schon jetzt überprüften seine Angestellten alle Lifte und Abfahrten und bereiteten sich auf den ersten großen Schneefall vor.

Ein kühler Wind wehte, und Wyatt konnte bereits den nahenden Winter riechen. Er hatte den Wechsel der Jahreszeiten und die Veränderungen, die dieser brachte, immer genossen. Aber nun würde sich alles um ihn herum verändern, und er hatte keinerlei Erfahrung damit.

Leigh hatte recht, Chloe würde ihn brauchen. Aber wie sollte er sie erziehen und unterstützen? Was brauchte seine Tochter von ihm? Sein eigener Vater hatte ihn vernachlässigt und geschlagen. Was, wenn er selbst auch kein guter Vater sein konnte? Aufgrund dieser Unsicherheit hatte er sich von Chloe ferngehalten, als sie ein Baby und Kleinkind gewesen war. Er hatte es verpasst, eine vertrauensvolle Beziehung zu ihr aufzubauen. Konnte man so eine Beziehung jetzt noch herstellen? Und wie sollte er damit anfangen?

Was das Baby betraf … Daran wollte er überhaupt nicht denken. Zumindest nicht heute Abend. Denn wenn er selbst nicht wusste, wie man ein guter Vater war, woher sollte dann ein 16-jähriger Teenager wissen, wie man eine gute Mutter war? Dieses Baby würde ihre Zukunft zerstören. Seit er von der Schwangerschaft erfahren hatte, hatte er versucht, Chloe davon zu überzeugen, dass es das Beste wäre, den Jungen an eine fürsorgliche Familie abzugeben. Aber sie hatte sich nicht davon abbringen lassen, das Baby zu behalten.

Wyatt hoffte, dass sie zur Vernunft kommen würde, sobald sie merkte, dass ein Baby nicht dasselbe wie eine neue Puppe war.

Alles hing von Leigh ab. Sie musste irgendwie Ordnung in sein und Chloes neues Leben bringen. Hoffentlich würde sie es schaffen, sich gut um das Baby zu kümmern und gleichzeitig die nötige Geduld aufzubringen, um mit der Zicke, die Chloe manchmal sein konnte, fertig zu werden.

Auf einmal übermannte ihn die Müdigkeit. Morgen würde er Chloe und das Baby heimholen, es würde ein anstrengender Tag werden. Es war wohl besser, wenn er nun endlich ins Bett ging.

Als er an der Treppe stand, bemerkte er, dass am Ende des dunklen Flurs noch ein Lichtschein unter der Tür zu Leighs Zimmer hervordrang. Es war halb zwei Uhr morgens. War mit Leigh alles in Ordnung? Langsam ging er den Gang entlang und blieb vor ihrer Tür stehen. Kein Laut war zu hören. Er klopfte leise und wartete einen Moment. Nichts. Vorsichtig drückte er die Klinke hinunter und öffnete die Tür einen Spalt.

Leigh lag, den Kopf auf zwei übergroße Kissen gestützt, tief schlafend im Bett. Einer der dünnen Träger ihres schwarzen Nachthemds war ihr über die Schulter gerutscht und gab den Blick auf die weiche weiße Haut ihres Brustansatzes frei.

Hatte sie auf ihn gewartet? Was für ein Blödsinn! Nichts an ihrem Verhalten hatte irgendeinen Anlass gegeben, so etwas überhaupt zu denken.

Doch weshalb hatte sie das Licht nicht ausgemacht? Im nächsten Moment wusste Wyatt warum. Auf der Bettdecke neben ihr, wo es ihr vermutlich aus den Händen gefallen war, lag ein dickes Taschenbuch. Von Weitem konnte er den Titel lesen: Rund ums Baby – Praktisches für die werdende Mutter.

Leigh hatte für ihren neuen Job gepaukt und war dabei eingeschlafen.

So viel wusste sie also doch nicht über Kinderpflege. Wyatt schmunzelte. Nein, rausschmeißen würde er sie deshalb nicht. Aber er wollte sie wissen lassen, dass er ihrem kleinen Schwindel auf die Schliche gekommen war. Er würde das Buch auf den Nachttisch legen und die Lampe ausschalten, dann würde sie vermutlich am nächsten Morgen ahnen, was passiert war.

Vorsichtig trat er näher ans Bett. Wie schön sie war! Die vollen Lippen leicht geöffnet, die langen dunklen Wimpern auf ihren seidenweichen Wangen ruhend, das zarte Gesicht eingerahmt von ihren kastanienbraunen Locken.

Als er sich über sie lehnte, um das Buch von der Decke zu nehmen, drehte sie sich leicht zur Seite. Der Träger ihres Nachthemds rutschte noch weiter herunter, und Wyatt erhaschte einen kurzen Blick auf ihre rosa Brustwarze.

Sofort spürte er Erregung in sich aufsteigen. Leise fluchend packte er das Buch. Sie waren allein im Haus. Was würde er tun, wenn Leigh jetzt ihre Augen öffnete? Eine Entschuldigung murmeln und sich schnell zurückziehen – oder seinen Gelüsten nachgeben?

Blöde Frage. Leigh wäre vermutlich entsetzt, wenn sie ihn über ihr Bett gebeugt sah, und würde sofort kündigen. Reiß dich zusammen, Wyatt!

Schnell legte er das Buch auf den Nachttisch, löschte das Licht und schlich sich aus dem Zimmer.

4. KAPITEL

Leigh öffnete die Augen und gähnte. Als sie auf ihren Wecker sah, erschrak sie. Halb acht. Normalerweise verschlief sie nie, wieso musste ihr das ausgerechnet heute passieren?

Beim Aufstehen sah sie das Babybuch, in dem sie gestern spät abends noch gelesen hatte, auf dem Nachttisch liegen. Wie viele Kapitel hatte sie eigentlich geschafft? Und wie viel wusste sie davon überhaupt noch? Hoffentlich hatte sie heute irgendwann etwas Zeit, noch einmal die wichtigsten Sachen durchzugehen.

Moment mal, sie konnte sich gar nicht erinnern, das Buch auf den Nachttisch gelegt und das Licht ausgemacht zu haben. Offensichtlich war jemand im Zimmer gewesen und hatte nach ihr gesehen. Und dieser jemand wusste nun also, dass sie nicht so viel Erfahrung mit Babys hatte, wie sie vorgab.

Na toll, das fing ja gut an.

Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee stieg ihr in die Nase. Schnell schlüpfte sie in ihre Jeans, zog einen schwarzen Rolli an, wusch sich kurz das Gesicht, putzte die Zähne und kämmte sich die Haare. Das musste reichen, duschen würde sie später. Sie wollte so schnell wie möglich nach unten und ihren Chef davon überzeugen, dass sie trotz Babybuch alles im Griff hatte.

Sie ging die Treppe hinunter in die Küche, wo Wyatt am Tisch saß und Kaffee trank. Er trug eine Jeans und einen dunkelblauen Kaschmirpullover, der seine blauen Augen, mit denen er sie von oben bis unten musterte, noch mehr zum Leuchten brachte.

„Kaffee steht auf der Küchentheke. Ich habe eine Tasse für Sie rausgestellt. Wie haben Sie geschlafen?“, fragte er mit freundlicher Stimme.

„Sehr gut. Das Federbett ist toll.“

„Und wie geht’s Ihren Füßen?“

„Viel besser.“ Leigh schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. „Haben Sie Milch?“

„Im Kühlschrank. Wenn Sie irgendetwas für die Küche brauchen, können Sie das unten im Restaurant telefonisch oder per E-Mail bestellen. Die Nummer und die E-Mail-Adresse stehen auf der Liste beim Telefon. Normalerweise werden die Sachen am Ende des Tages geliefert.“

„Danke. Ich werde ein paar Dinge benötigen, sobald ich weiß, was Chloe gern mag. Wann holen Sie sie und das Baby ab?“

„Kurz nach zehn. Aber ich möchte, dass Sie sie abholen.“

„Ich?“ Beinahe hätte Leigh ihre Tasse fallen lassen.

„Ich habe um 10 Uhr eine wichtige Telefonkonferenz.“ Wyatt deutete auf einen Stuhl. „Setzen Sie sich. Wir müssen uns unterhalten.“

Leigh blieb ganz vorn auf der Stuhlkante sitzen. Sie kam sich vor wie ein Kind, das bestraft werden würde.

„Wenn ich jemanden anstelle, bekommt er oder sie normalerweise eine schriftliche Beschreibung der Arbeit, die von ihm bzw. ihr erwartet wird. Da ich noch nie ein Kindermädchen angestellt habe, müssen wir uns zusammen auf die Dinge einigen, die Sie erledigen müssen.“

Leigh nickte nur. Es war vermutlich besser, im Moment gar nichts zu sagen.

„Sie haben mir deutlich gemacht, dass Sie sich hauptsächlich um das Baby kümmern werden, und das ist gut so. Aber es gibt noch ein paar andere Dinge, die wichtig sind.“

„Klar.“ Sie zwang sich, ihm in die Augen zu sehen. Sie waren so blau wie ein Bergsee – und in diesem Moment auch genauso kalt.

„Am allerwichtigsten ist mir die Privatsphäre meiner Familie. Chloes Freundinnen wissen natürlich von dem Baby, und das Krankenhauspersonal auch. All diese Personen wurden von mir angehalten, diese Angelegenheit nicht nach draußen zu tragen. Ich will nicht, dass über meine Tochter getratscht wird, und auf gar keinen Fall möchte ich, dass die Presse von all dem Wind bekommt. Unter keinen Umständen werde ich zulassen, dass der Ruf meiner Tochter durch einen leichtsinnigen Fehler ruiniert wird.“

Was? Wie konnte man diesen süßen kleinen Jungen als Fehler bezeichnen? Leigh biss sich auf die Unterlippe und nickte.

„Wollen Sie deshalb, dass ich Chloe und Mikey vom Krankenhaus abhole? Damit man sie nicht mit Ihnen zusammen sieht und erkennt?“

„Ja, das ist ein Grund.“ Wyatt stand auf und ging zum Spülbecken. „Es wird zu Ihren Hauptaufgaben gehören, dafür zu sorgen, dass alles geheim bleibt. Chloe darf das Baby zunächst aus Sicherheitsgründen und wegen der Privatsphäre nicht mit in die Öffentlichkeit nehmen. Ich bitte Sie, ihre Online-Aktivitäten zu verfolgen. Twitter, Facebook und sonstige Internetseiten, über die Informationen in die Hände der falschen Leute geraten könnten …“

„Nein.“

Überrascht sah er Leigh an, als sie aufstand. „Nein?“

„Ich bin ein Kindermädchen und keine Spionin. Ich verstehe, dass Sie sie beschützen möchten, Wyatt, aber Sie als ihr Vater sollten ihre Aktivitäten am Computer und am Telefon im Auge behalten.“

Sein Blick verfinsterte sich, aber ehe er sie unterbrechen konnte, fuhr Leigh fort: „Bedenken Sie doch bitte: Ich soll hier eine fürsorgliche Rolle übernehmen, mich um das Baby kümmern und Chloe dabei helfen, eine Mutter zu werden. Sie muss mir vertrauen können. Ich kann sie nicht unterstützen und gleichzeitig kontrollieren.“

„Soll das heißen, ich soll den Bösen spielen?“

„Sie haben doch sicher Überwachungspersonal im Ort, das das übernehmen kann.“

Wyatt schwieg. Erst als er die Tasse in die Spülmaschine gestellt hatte, drehte er sich wieder zu Leigh um. „Gut, Sie haben gewonnen – dieses Mal. Aber es gibt noch eine Sache.“

„Ich höre.“

„Chloe ist jung und klug. Wenn sie diesen Zwischenfall hinter sich bringen kann, liegt immer noch eine vielversprechende Zukunft vor ihr.“

Das Baby? Ein Zwischenfall?

„Wenn Sie sich dafür entscheidet, den Jungen großzuziehen, werde ich ihre Entscheidung respektieren“, fuhr er fort. „Aber Sie und ich wissen, dass das ihr Leben verändern wird, und nicht zum Besseren. Ich hoffe, dass sie bald zur Vernunft kommt und den Jungen zur Adoption freigibt – natürlich an eine gute Familie. Ich vertraue darauf, dass Sie sie in diese Richtung lenken werden. Das wäre nämlich auf lange Sicht das Beste für Chloe und das Baby.“

Zunächst wusste Leigh nicht, was sie dazu sagen sollte. Vernünftiger war das sicher, aber auch kaltherzig. Sie würde diplomatisch vorgehen müssen.

„Sie sind Chloes Vater, und ich kann Sie gut verstehen. Ich werde darüber nachdenken.“

„Falls Chloe sich entscheidet, das Baby wegzugeben, bedeutet das natürlich auch, dass Ihr Arbeitsverhältnis hier endet. Aber wenn Sie dazu beitragen, dass Chloe zu dieser Entscheidung gelangt, biete ich Ihnen eine Abfindung von 25.000 Dollar. Ich werde das in Ihrem Vertrag schriftlich festlegen.“

Ganz ruhig, ermahnte Leigh sich selbst. Innerlich war sie völlig erschüttert, nicht, weil er ihr eine Abfindung zahlen wollte, sondern wegen seiner eiskalten Entschlossenheit, und weil er dachte, er könne sie kaufen.

„Das ist ein großzügiges Angebot.“ Leigh zwang sich, unbekümmert zu klingen. „Ich werde es im Hinterkopf behalten. Aber langsam wird es spät. Wenn ich um zehn am Krankenhaus sein will, sollte ich …“

Leigh verstummte, denn sie spürte, wie ihr die Stimme versagte. Schnell stürmte sie aus der Küche und rannte mit großen Schritten die Treppe hinauf.

Wyatt blickte vom Balkon aus dem schwarzen Sportwagen nach, der hinter den Bäumen verschwand. Er hatte das Fahrzeug vom Ort raufbringen lassen, damit Leigh es vorerst benutzen konnte. Chloe würde nicht in den Hummer einsteigen können und über Leighs alte Rostlaube würde seine Tochter lachen.

Der 1976er Bentley, der sein ganzer Stolz war, befand sich gerade in der Werkstatt. Wyatt würde ihn später abholen und bei der Gelegenheit gleich seinem Lieferanten den Auftrag erteilen, einen Geländewagen mit Allradantrieb für Leigh zu besorgen. Chloe würde sicher um einen eigenen Sportwagen betteln, aber den würde sie erst im Frühling bekommen und auch nur, wenn sie bis dahin etwas Verantwortung gezeigt hatte.

Wyatt ließ den Blick schweifen. Er liebte diesen Ort. Seit zehn Jahren lebte er in diesem Haus mitten in der Natur. Doch sein ruhiges Leben würde sich bald ändern.

Vielleicht würde es ja gar nicht so übel werden? Heute Morgen jedenfalls hatte er es als angenehm empfunden, als Leigh in die Küche gekommen war. Das Gefühl war geblieben, bis er ihr die 25.000 Dollar angeboten hatte.

Leigh hatte kaum ein Wort gesagt, als er ihr geholfen hatte, die Halterung für den Babysitz im Auto zu befestigen. Dann war sie weggefahren, ohne sich zu verabschieden. Ihr Verhalten hatte ihm eindeutig gezeigt, was sie von seinem Angebot hielt.

Wyatt mochte es nicht, wenn man ihm etwas verwehrte. Wenn er gewusst hätte, wie stur Leigh war, hätte er sie erst gar nicht eingestellt.

Nicht nur stur. Irgendetwas beunruhigte ihn an dieser Frau. Irgendetwas passte nicht. Sie war zu kultiviert und selbstbewusst für einen Job als Kindermädchen. Wieso hatte sie die Stellung angenommen? Die Gründe, die sie ihm beim Vorstellungsgespräch genannt hatte, waren nicht stichhaltig genug. Und wenn sie so viel Erfahrung mit Babys hatte, wie sie vorgab, wieso hatte sie mitten in der Nacht in diesem Buch gelesen?

Wer war diese Leigh Foster? Und was wollte sie wirklich?

Leigh schaffte es, sich zusammenzureißen, bis man das Auto vom Haus aus nicht mehr sehen konnte. Dann hielt sie am Straßenrand, legte den Kopf in ihre zitternden Hände und dachte über all das nach, was Wyatt gerade gesagt hatte.

Er wollte seinen Enkel gar nicht, sondern erwartete von ihr, dass sie Chloe überredete, den Jungen zur Adoption freizugeben. Sogar Geld hatte er ihr dafür geboten!

Sie wusste, dass Wyatt in erster Linie an Chloes Zukunft dachte. Für ihn war das Baby ein einfacher Unglücksfall, den man am besten verschwieg. Und je schneller man das Kind loswurde, umso besser für alle Beteiligten. Ihr Herz rebellierte, allein bei dem Gedanken daran … Aber sie musste einen klaren Kopf behalten.

Hatte er recht? Wäre Mikey bei Adoptiveltern wirklich besser aufgehoben als bei einer Mutter, die noch ein Teenager war, und einem Großvater, der ihn nicht wollte? Doch selbst wenn Chloe sich für die Adoption entschied, es würde sicher einige Zeit dauern, bis man passende Eltern für Mikey fand.

Bis dahin würde das Baby jemanden brauchen, der auf seiner Seite stand und für seine Rechte und sein Wohlergehen kämpfte. Dieser jemand würde sie sein. Und sie würde alles tun, was in ihrer Macht stand, damit die Entscheidung – egal ob für oder gegen eine Adoption – aus Liebe und nicht aus Zweckmäßigkeit getroffen wurde.

Doch sie würde nicht für immer an Mikeys Seite sein. Wenn die Zeit gekommen war, und sie alles getan hatte, was in ihrer Macht stand …

Leigh konnte den Gedanken nicht zu Ende denken. Hastig startete sie den Motor und fuhr weiter.

Eine halbe Stunde später traf sie im Krankenhaus ein, wo Chloe ungeduldig auf sie wartete. „Wo ist Daddy?“, wollte sie wissen, ohne Leigh zu begrüßen.

„Er wartet daheim auf dich.“ Leigh lächelte Chloe freundlich an. So leicht würde sie sich von diesem Gör nicht aus der Ruhe bringen lassen. „Bist du so weit? Wenn die Krankenschwester mit Mikey kommt, fahren wir.“

Genau in dem Moment brachte die Krankenschwester das Baby und legte es aufs Bett.

Während Chloe sich fertig machte, krempelte Leigh die Ärmel von Mikeys Strampelanzug um. Genau wie Kevin hatte Mikey verhältnismäßig große Hände, seine Finger waren lang und schmal. Als sie sanft seine Handfläche streichelte, schloss er die Faust um ihren Finger. Leigh spürte den festen Griff der kleinen Hand bis in ihr Herz.

„Und los geht’s!“ Die Krankenschwester hatte inzwischen einen Rollstuhl geholt, in dem Chloe Platz nahm, während sie mit ihrem Handy SMS verschickte. Leigh wickelte Mikey in eine Decke und holte Chloes Tasche.

Sofort nahm die Krankenschwester Leigh das Baby ab und drückte es Chloe in die Arme. „Steck mal das Telefon weg, Schätzchen, und halte deinen kleinen Jungen“, fuhr sie Chloe an. Ohne Widerspruch tat das Mädchen, was ihr die Krankenschwester aufgetragen hatte, streckte dieser jedoch die Zunge heraus, als sie sich kurz umdrehte. Leigh machte sich im Geiste eine Notiz darüber. Sie musste noch viel lernen, was dieses Mädchen anging.

Kurze Zeit später waren sie bereits auf dem Weg nach Hause. Mikey saß festgeschnallt in seinem Babysitz auf der Rückbank. Chloe hatte sich auf den Beifahrersitz gesetzt. Wieder starrte sie auf ihr Handy.

„Können wir irgendwo anhalten? Ich hätte gerne eine Cola.“

Leigh blickte weiterhin nach vorn auf die Straße. „Dein Vater hat mich gebeten, dich direkt nach Hause zu bringen. Im Kühlschrank sind Getränke.“

Chloe schwieg beleidigt und spielte an ihrem Telefon herum. Schließlich steckte sie es wieder in die Tasche. „Wie heißen Sie noch mal?“, fragte sie in schnippischem Ton.

„Leigh Foster. Aber du kannst Du zu mir sagen und mich Leigh nennen.“

„Leigh Foster.“ Erst nach einer langen Pause fuhr sie fort: „Bist du mit diesem Idioten Kevin Foster verwandt?“

Leighs Puls raste. Sie atmete ein paar Mal aus und ein, ehe sie antwortete: „Es gibt einen Haufen Fosters in der Gegend. Im Telefonbuch nehmen wir eine halbe Seite ein.“

Die Antwort schien Chloe zufriedenzustellen, zumindest im Moment. „Wieso willst du Kindermädchen sein und verkackte Windeln wechseln?“

Leigh zuckte mit den Achseln. „Ich habe einen Job gebraucht. Die Bezahlung ist gut, und stell dir vor, ich mag kleine Babys, Windeln und all diese Sachen.“

„Und mein reicher, gut aussehender, alleinstehender Vater hatte nichts damit zu tun?“

„Absolut nicht.“ Genau wie der Rest ihrer Antwort war das theoretisch gesehen wahr.

„Viele Frauen haben versucht, ihn sich zu angeln, sogar ein paar Filmstars, die hier Urlaub gemacht haben. Sie waren sehr hübsch. Viel hübscher als Sie.“

Wyatts Tochter probierte aus, wie weit sie gehen konnte, das wurde Leigh nun bewusst. Sie suchte offensichtlich nach einem wunden Punkt, den sie später dazu benutzen konnte, das zu kriegen, was sie wollte. Aber das würde nicht klappen.

„Wie geht’s dir, Chloe?“, wechselte Leigh das Thema. „Du hast sicher noch Schmerzen, kann ich mir vorstellen.“

„Soll das ein Witz sein? Mir tut alles weh. Besonders mein Busen! Die Krankenschwester meinte, dass meine Milch einschießt. Ekelhaft! Es gibt doch sicher irgendwelche Pillen, die das abstellen, oder?“

„Die gab es mal. Aber man fand heraus, dass durch diese Medikamente das Risiko von Brustkrebs deutlich erhöht wird. Du wirst es also aushalten müssen, bis die Schwellung nachlässt. Außer du willst dein Baby stillen. Es ist noch nicht zu spät dafür.“

„Auf keinen Fall! Das wäre total eklig!“

„Ich fülle dir zu Hause ein paar Beutel mit Eis, die du darauf legen kannst.“ Leigh bog in die Privatstraße ein, die zum Haus führte. „Aber es wird trotzdem ein paar Monate dauern, bis du dich wieder so fühlst wie vorher.“

„Woher weißt du das alles? Hast du schon mal ein Baby bekommen? Alt genug siehst du ja aus dafür.“

„Ich bin 26 und nein, ich habe noch kein Baby bekommen. Aber die meisten meiner Freundinnen haben Kinder und sie haben mir erzählt, wie das so ist.“

Ach, wie gerne würde sie diese Freundinnen um Rat fragen. Doch da war die Vertraulichkeitserklärung. Und wenn Wyatt die E-Mails und Anrufe seiner Tochter kontrollieren konnte, konnte und würde er das bei ihr sicher auch tun.

„Warst du schon mal verheiratet?“, erkundigte sich Chloe.

„Nein, noch nie.“

„Mal mit einem Typ zusammengewohnt?“

„Ja, in Denver. Etwa ein Jahr lang. Wir waren verlobt.“ Leigh sprach nicht gern über ihre Vergangenheit, aber vielleicht half ihr das ja dabei, eine Beziehung zu dem Mädchen aufzubauen.

„Und du hast ihn nicht geheiratet? Was ist passiert?“

„Das Übliche“, Leigh lachte heiser. „Er hat mich betrogen.“

„Jungs sind manchmal solche Idioten.“ Chloe klang eher wie eine frustrierte Vierzigjährige als wie ein Teenager.

„Was ist mit deinem Vater?“ Die Frage rutschte Leigh heraus, ohne dass sie Zeit hatte, darüber nachzudenken.

„Daddy mag seine Privatsphäre und seine Frauen. Und er hat gerne die Kontrolle über alles und jeden. Er ist großzügig, und man kann alles von ihm kriegen, außer seine Zeit. Wenn du noch was wissen willst, musst du die Leute fragen, mit denen er zusammenarbeitet, die sehen ihn öfter als ich. Aber wenigstens tut er nicht so, als sei er jemand, der er nicht ist.“

Leigh zögerte. Was sollte sie darauf sagen?

„Ich würde an deiner Stelle nichts mit ihm anfangen“, fuhr Chloe fort, ehe Leigh antworten konnte. „Er lässt niemanden nahe an sich ran. Das ist einer der Gründe, wieso meine Mutter ihn verlassen hat.“

In diesem Moment klingelte Chloes Handy. „Hi Daddy … Ja, wir sind bereits auf der Privatstraße … Mikey ist auf dem Rücksitz … Gut … Bis gleich.“ Seufzend beendete sie das Gespräch. „Er ist so ein Kontrollfreak! Er überwacht jeden meiner Atemzüge. Schrecklich!“

Leigh biss sich auf die Zunge und fuhr weiter. Oh je, auf was hatte sie sich da nur eingelassen? Würde sie es schaffen, diese gestörte Familie Mikey zuliebe zusammenzubringen?

5. KAPITEL

Wyatt lief nach draußen, um die drei zu begrüßen. Als er Chloe aus dem Auto helfen wollte, winkte sie genervt ab und stieg allein aus dem Fahrzeug.

Autor

Elizabeth Lane
Immer auf der Suche nach neuen Abenteuern und guten Stories, hat Elizabeth Lane schon die ganze Welt bereist: Sie war in Mexiko, Guatemala, Panama, China, Nepal und auch in Deutschland, aber am wohlsten fühlt sie sich im heimatlichen Utah, im Westen der USA. Zurzeit lebt sie mit ihrer 18jährigen Katze...
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