Das Geheimnis der Kronprinzessin

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Bislang konnte Therese ihrem geliebten Ehemann, dem attraktiven Kronprinzen von Isole de Rei, keinen Erben schenken. Und sie kennt den Grund dafür. Das Geheimnis lastet schwer auf ihr, bis sie nur noch eine Möglichkeit sieht: Sie muss Claudio die Trennung anbieten …


  • Erscheinungstag 10.07.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751507745
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Manchmal kommt das Leben einer Prinzessin einer lebenslangen Haftstrafe in Alcatraz sehr nahe“, murmelte Therese, während sie sich für einen weiteren Dinnerempfang im Palazzo di Scorsolini zurechtmachte und den Reißverschluss ihres mintgrünen Lieblingskleides zuzog.

Es lag jedoch nicht an der Aussicht eines weiteren Dinners mit König Vincente und den anderen Würdenträgern, die zu Besuch waren, dass sie so frustriert war. Sie liebte den König von Isole dei Re, war ihm sogar näher als dem eigenen Vater.

Trotzdem gab es Zeiten, da wünschte sie, Claudio und sie hätten ihr eigenes Heim und nicht nur die Privatgemächer im königlichen Palast von Lo Paradiso. So schön und luxuriös die Suite auch war, sie ließ nur wenig Intimsphäre zu, wenn von Therese und Claudio erwartet wurde, die meisten Mahlzeiten im großen Speisesaal einzunehmen. Die Pflichten einer Prinzessin hatten Vorrang vor persönlichen Bedürfnissen, und an manchen Tagen verkraftete Therese das eben weniger gut. Der heutige Tag zum Beispiel … für sie war er wie ein Fegefeuer gewesen, und sie brannte darauf, die Nachrichten, die sie von ihrem Arzt in Miami erhalten hatte, ihrem Mann mitzuteilen. Sie war absichtlich in die Staaten geflogen, um größtmögliche Diskretion zu garantieren.

Fast wünschte sie, sie hätte es nicht getan. Denn hätte die Presse Wind davon bekommen, könnte sie es sich jetzt ersparen, Claudio zu informieren.

Ein feiger Gedanke. Und sie war kein Feigling.

Doch selbst als kultivierte und gewandte Diplomatentochter konnte sie nicht gleichgültig dem Ende ihrer Ehe entgegensehen. Anders als ihre Eltern bestand das Leben für sie nicht aus einer Folge von politischen und gesellschaftlichen Maßnahmen und Gegenmaßnahmen. Nein, das reale Leben hielt Kummer bereit.

Claudio war gerade mit dem Anstecken seiner goldenen Manschettenknöpfe beschäftigt und zog dann die Hemdsärmel mit knappen, effizienten Bewegungen gerade. Dieses vertraute Bild würde ihr fehlen.

„Ich denke, ich werde es deiner Mutter sagen.“ Seine Mundwinkel zuckten, das dünne Lächeln verlieh seinem klassisch schönen Gesicht einen zynischen Ausdruck.

Auf dem Weg zu ihrer Schmuckschatulle blieb Therese mitten im Raum stehen. „Das wagst du nicht.“

Claudio fand die Anstrengungen ihrer Mutter, die bezwecken sollten, endlich von den oberen Zehntausend akzeptiert zu werden, überaus amüsant, Therese dagegen ließen sie keineswegs so kalt. Schließlich diente sie selbst als die Leiter, auf der ihre Mutter emporklettern wollte.

„Ich habe keine Lust, mir zum hundertsten Male anzuhören, wie glücklich ich mich schätzen kann, dass aus mir eine Prinzessin geworden ist, oder welch privilegiertes Leben ich führe.“ Ganz zu schweigen davon, wie absolut erstaunlich es sei, dass Claudio ausgerechnet sie ausgewählt habe, wo ihm doch die begehrenswertesten Frauen der Welt zu Füßen lagen. Gerade diesen Teil der Rede wollte Therese nicht hören.

„Vielleicht zeigt sie ja mehr Verständnis für dein so augenscheinliches Hadern mit deinem Schicksal als ich.“ Claudios Tonfall ließ erahnen, dass er nur zum Teil scherzte, und seine Augen blickten ernst und forschend.

„Ich hadere nicht mit meinem Schicksal.“ Besagtes Schicksal hatte ihr soeben einen vernichtenden Schlag versetzt, aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, es Claudio zu sagen.

Ihr anscheinend so wunderbares Leben stand unter einem Fluch, wahrscheinlich von Anfang an. Sie war nur zu blind gewesen, es zu erkennen. Sie hatte geglaubt, ein Märchen würde wahr, bis sie herausfand, welche Qualen einseitige Liebe verursachte. Dieses „Glücklich-bis-an-ihr-Lebensende“ erlebten vielleicht die Prinzessinnen in den Geschichten … oder jene, die um ihrer selbst willen geliebt wurden, so wie die Frauen, die die anderen Scorsolini-Prinzen geheiratet hatten.

„Wieso vergleicht sich dann meine Ehefrau mit einem Strafgefangenen?“

Claudio stand groß und beeindruckend vor ihr. Er war ein Mann, von dem Frauen träumten – schwarzes Haar, braune Augen und ein Gesicht wie von einem sizilianischen Künstler gemeißelt, mit einem Grübchen am Kinn, das von einer Charakterstärke zeugte, auf die zu verlassen Therese sich angewöhnt hatte. Sein Duft hüllte sie ein und machte ihr erneut klar, wie sehr sie ihn vermissen würde.

Sie musste schlucken, bevor sie sprechen konnte. „Ich sagte nicht ‚das Leben als deine Frau‘, sondern ‚das Leben einer Prinzessin‘.“

„Die du nicht wärst, hättest du mich nicht geheiratet.“

„Stimmt.“ Sie seufzte. „Entschuldige, ich wollte dich nicht beleidigen.“

Vorsichtig umfasste er ihr Gesicht, eine Geste, die jede Faser ihres Körpers erzittern ließ. Außerhalb des ehelichen Bettes berührte er sie so selten, dass sie nicht wusste, wie sie damit umgehen sollte, wenn es passierte. „Ich bin nicht beleidigt, sondern besorgt.“

Der zärtliche Klang seiner Stimme brach ihr fast das Herz. Er hatte doch nichts Falsches getan … außer sich die unpassende Frau zu seiner Prinzessin ausgesucht. „Es ist einfach nur … es war ein harter Tag.“

Er bog ihr Gesicht sanft empor, sodass sie seinem durchdringenden Blick nicht ausweichen konnte. „Warum?“

Therese befeuchtete ihre trockenen Lippen und wünschte sich erneut, sie müssten nicht zu dem Dinner mit seinem Vater hinunter. Wünschte sich noch stärker, die Schmerzen in ihrem Unterleib rührten nur von normalen Monatskrämpfen her. Das hatte sie damals angenommen, nachdem sie die Pille absetzte, um eine Familie zu planen.

„Ich habe den ganzen Tag mit Vertreterinnen aller möglichen Frauenorganisationen von Isole dei Re zugebracht, um die Notwendigkeit von Vorschulkindergärten zu diskutieren.“

Claudio runzelte die Stirn. Wieso sollte sie das so aufreiben? Sie hatte doch ständig solche Treffen. „Ich dachte, Tomassos Frau ist da der Vorreiter.“

„Maggie verträgt den Hubschrauberflug nicht mehr, seit sie schwanger ist. Aber sie wollte das Treffen nicht absagen. Also bot ich ihr an, den Vorsitz zu übernehmen. Im Nachhinein denke ich, ich hätte die Frauen nach Diamante zu Maggie bringen sollen.“

„Maggie und du, ihr seid euch doch einig über dieses Thema. Ihr habt oft genug darüber geredet, du kannst doch sicher alle Punkte abdecken.“

„Da sind die Frauenvertreterinnen anderer Meinung.“ Therese verzog das Gesicht. „Ihrer Ansicht nach ist eine Frau, die nie für ihren Lebensunterhalt arbeiten musste und selbst keine Kinder hat, nicht kompetent, die Belange berufstätiger Mütter zu verstehen. Maggie sei da die Richtige, und ich solle mich doch bitte raushalten.“

„Das haben sie gesagt?“ Er klang eher neugierig als empört. Weil er nicht ahnen konnte, wie sehr die Bemerkung geschmerzt hatte.

Vor allem nach dem Anruf ihres Arztes. „Ja.“

„Nur gut, dass du in Diplomatenkreisen erzogen wurdest und immer die Contenance in Person warst.“

„Du meinst, es würde dir schaden, wenn ich ihnen meine Meinung gesagt hätte?“

Claudio lachte amüsiert auf. „Als ob du das getan hättest.“

„Vielleicht habe ich es ja.“

Er schüttelte den Kopf. „Niemals. Ich kenne dich.“

„Vielleicht nicht so gut, wie du denkst.“ Es war erschreckend, wie wenig er wirklich von ihr wusste. Er ahnte nicht einmal, dass sie ihn liebte. Er war völlig zufrieden mit der Vernunftehe, die ihre und seine Mutter untereinander ausgemacht hatten.

„Und? Hast du?“, fragte er, eine Augenbraue hochgezogen.

Wie gerne hätte sie mit Ja geantwortet, nur um ihm zu zeigen, dass er falsch lag. „Nein. Aber ich hätte gerne.“

„Was wir wollen und was wir uns erlauben, sind oft völlig verschiedene Dinge. Es ist nur ein weiterer Beweis für deine Eignung in der Position der zukünftigen Königin, dass du dir dessen bewusst bist und dich an bestimmte Einschränkungen hältst.“

Sie drehte sich um und legte den Schmuck an. „Und dann fragst du, warum ich eine Prinzessin mit einem Häftling vergleiche?“

„Bist du unglücklich, Therese?“

„Nicht mehr als andere Menschen auch.“ Von Kindesbeinen an hatte man ihr beigebracht, ihre wahren Gefühle zurückzuhalten. Aber sie war des Versteckspiels müde.

„Also bist du unglücklich!“ Claudio klang schockiert.

Der Mann, legendär in Diplomatenkreisen für seinen Takt und sein Einfühlungsvermögen, war ein bornierter Holzklotz, wenn es um sie ging! „Zwei der Damen ließen deutlich durchblicken, dass ich dir längst einen Erben hätte schenken sollen.“

„Und das irritiert dich?“ Der Schock war nicht abgeflaut. „Das sollte es nicht! Sicherlich wirst du schon bald die freudige Nachricht bekannt geben können.“

Er streute Salz in die Wunde, die der Anruf ihres Arztes gerissen hatte, ohne es zu wissen. „Und wenn nicht?“

Seine großen warmen Hände umfassten sanft ihre Schultern. „Sei nicht bedrückt, dass du noch nicht schwanger bist. Wir versuchen es doch erst seit ein paar Monaten. Der Arzt hat uns erklärt, dass es bei Frauen, die jahrelang die Pille genommen haben, länger dauern kann. Und wir wissen doch, dass alles in Ordnung ist.“

Schlimmer als Salz … ein glühender Dolch mitten in ihr Herz … Vor drei Jahren, als sie heirateten, hatte Claudio veranlasst, dass sie beide sich einer Reihe von Untersuchungen unterzogen, um herauszufinden, ob sie Kinder miteinander haben konnten. Da Therese immer gewusst hatte, dass von ihr erwartet wurde, den nächsten Thronfolger zur Welt zu bringen, hatte sie nichts dagegen einzuwenden gehabt. Die Resultate bestätigten damals, dass alles normal war. Die Blutgruppen passten zueinander, und sie war gesund wie jede andere Frau in ihrem Alter.

Überrascht hatte sie nur, dass Claudio mit dem Nachwuchs noch etwas warten wollte. Bis heute war sie sich über seine Motive im Unklaren. Hätten sie doch nur nicht gezögert. Denn jetzt war es zu spät. Die Chance, Kinder zu bekommen, war für immer vorbei.

Angesichts dessen, was kommen musste, ertrug sie selbst die schlichte Berührung nicht.

Hilfloser Ärger packte Claudio, als Therese sich von ihm losmachte und sich abwandte. Ihre weiblichen Kurven übten einen Reiz auf ihn aus, der ihn Tag und Nacht verfolgte. Er wollte sie packen, sie an sich reißen und eine Antwort verlangen, warum sie nach drei Jahren Ehe seine Berührungen nicht mehr ertrug. Doch das wäre die Handlung eines unzivilisierten Mannes. Der Kronprinz von Isole dei Re konnte es sich nicht erlauben, derart unkontrolliert zu handeln.

Schon seit Monaten wich sie ihm aus. Dennoch war er jedes Mal bestürzt und verärgert, denn bis dahin hatte er immer eine außerordentlich leidenschaftliche Reaktion von Therese erfahren. Weder verstand er ihren plötzlichen Sinneswandel noch konnte er sich daran gewöhnen.

Bis vor wenigen Monaten hätte er auch jeden Eid geschworen, dass Therese ihn liebte. Sie hatte es zwar nie ausgesprochen, aber in den ersten zwei Jahren hatte sie ihm auf vielfache Weise gezeigt, dass sie mehr empfand als nur die Genugtuung einer Frau in einer vorteilhaften Ehe. Liebe hatte nie zu den Voraussetzungen gehört, also hatte es ihn nicht zu sehr interessiert – bis jetzt, da er keine Anzeichen mehr davon erkannte.

Nicht, dass er dieses Gefühl notwendig brauchte, aber er fragte sich doch, wohin und warum es verschwunden war. Aufgefallen war es ihm, nachdem Therese die Pille abgesetzt hatte. Zuerst glaubte er, der Grund läge in den hormonellen Veränderungen ihres Körpers, dass sie ihn im ehelichen Bett abwies. Doch anstatt sich von selbst einzupendeln, geschah es in letzter Zeit immer häufiger, dass sie sich ihm versagte. Er war Zurückweisung von Frauen generell nicht gewohnt, von seiner Ehefrau jedoch war es völlig inakzeptabel.

Mittlerweile war ihm auch der Gedanke gekommen, dass sie nicht schwanger werden wollte. „Willst du mein Kind nicht empfangen? Hast du Angst vor der Schwangerschaft?“

Therese zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen. „Doch, ich wünsche mir ein Baby von dir. Mehr als alles andere. Wie kannst du nur etwas anderes vermuten!“

Sie sprach mit solchem Nachdruck, dass er nicht zweifeln konnte. „Dann gibt es nichts an dieser Situation, was dich aufregen sollte. Schon bald werden die Klatschmäuler verstummen, wenn die Ankündigung deiner Schwangerschaft erfolgt. Bis dahin … Das nächste Mal schickst du diese Frauen von den Organisationen eben zu Maggie.“

Vor dem Spiegel frisierte Therese sich das lange, seidige braune Haar zu einem lockeren Knoten. „Und damit ist alles in Ordnung?“

„Das sollte es sein.“ Man merkte ihm leichte Ungeduld an. „Ich verstehe dich nicht. Du bist schon mit wesentlich penetranteren Leuten fertig geworden.“

Therese zuckte stumm mit den Schultern und ging auf die Tür zu. Sie war so schön, eine fast ätherische Erscheinung, auch wenn die Kurven ihrer schlanken Figur sie eindeutig als Frau auswiesen. Als sie an ihm vorbeiging, hielt er sie am Arm fest.

Sie blieb stehen und sah ihn mit ihren wunderschönen Augen an. Eine Verletzlichkeit lag darin, die er nicht verstand und die ihm noch weniger gefiel.

„Ich sehe dich nicht gern so.“

„Ich weiß. Dein Leben muss ohne jegliche Komplikation verlaufen, jeder hat seine Rolle ohne Fragen oder Widerspruch zu erfüllen. Jede Minute deines Tages ist genau reglementiert, Überraschungen sind nicht im Plan einkalkuliert.“

„Ich achte auch sehr darauf, dass dem so ist.“

„Ja, sogar bei der Wahl deiner Ehefrau. Sie musste allen notwendigen Anforderungen entsprechen. Erst hast du mich überprüfen lassen, dann hast du mich selbst geprüft, ob ich für die Rolle als deine principessa und zukünftige Königin geeignet bin. Ich bin sicher, du hättest in mir nie eine Quelle der Frustration gesehen.“

Sie hatte recht, nur verstand er nicht, warum sie auf einmal so bitter klang. Vor drei Jahren hatte es sie keineswegs gestört. „Du verkörperst alles, was ich mir von einer Ehefrau wünsche. Natürlich musste ich mit Hinblick auf meine Position und die Zukunft sehr genau auswählen. Und du warst und bist perfekt für mich, cara.“

Selbst der Kosename ließ sie zusammenzucken, so als würde jedes Zeichen von Intimität zwischen ihnen ihr Qualen bereiten. Dabei waren sie Mann und Frau. Es existierte keine intimere Beziehung.

Claudio zog sie an sich, ignorierte, dass sie sich unwillkürlich versteifte. „Wir müssen nicht zum Dinner nach unten gehen.“

Erstaunt hob sie die Augenbrauen. „Dein Vater bewirtet Würdenträger aus Venezuela.“

„Das sind nur seine Angelfreunde.“

„Es sind akkreditierte Diplomaten.“

„Ihm wird es gar nicht auffallen, wenn wir nicht teilnehmen. Ich meine, es gibt interessantere Dinge, mit denen wir unseren Abend verbringen können, als sich Anglerlatein anzuhören.“

„Reden?“

„Das war es eigentlich nicht, was ich im Sinne hatte.“

Mit ausdruckslosem Gesicht entzog Therese sich seinen Armen. „Das wäre unhöflich.“

Hatte sie einen anderen Mann gefunden, dem sie ihre Zärtlichkeit schenkte? In seiner Arroganz konnte er keine andere Erklärung für ihr abweisendes Verhalten ihm gegenüber finden. Hinzu kam, dass sie sich manchmal verhielt, als wäre sie in einer anderen Welt. Heiße Wut durchfuhr ihn bei diesen Gedanken, so heiß, dass er sich kaum zu beherrschen vermochte. Er hasste es. Schließlich hatte er Therese geheiratet, um solch emotionellen Aufruhr in seinem Leben zu vermeiden.

Nur deshalb hatte er seinen Verdacht auch nicht geäußert. Er kannte Therese besser als jeder Mann die eigene Frau kannte. Das hatte er sichergestellt, und alles, was er über ihren Charakter in Erfahrung gebracht hatte, wies sie als eine Frau von enormer Integrität aus. Etwas Unehrenhaftes würde sie nie tun.

Allerdings war sie auch eine außergewöhnlich leidenschaftliche Frau gewesen. Wenn das eine sich also ändern konnte, war es nicht möglich, dass auch das andere umschlug? Er wollte es nicht glauben, aber er musste Gewissheit haben.

Er würde sich an die Detektei wenden, die Tomasso benutzt hatte, um Maggie ausfindig zu machen. Sie sollten Thereses Tagesablauf aufzeichnen. Hawke, so hieß der Mann. Absolut diskret und kompetent in dem, was er tat.

Claudio war fest entschlossen, das Geheimnis um das seltsame Verhalten seiner Frau zu lüften.

Therese bereute es, nicht auf Claudios Vorschlag eingegangen zu sein. Und selbst wenn es ihm nur um Sex gegangen war … eine Erinnerung mehr, von der sie in der leeren Zukunft ohne ihn zehren könnte. Sie saß da, mit einem aufgesetzten Lächeln, und ließ die Unterhaltung an sich vorbeifließen. Claudio hatte recht gehabt. König Vincente und seine Angelfreunde waren viel zu beschäftigt, sich mit Anekdoten und Episoden zu übertrumpfen, als dass ihnen Claudios und Thereses Anwesenheit aufgefallen wäre.

Während des Dinners war Claudio zu einem geschäftlichen Anruf gerufen worden. Therese hatte gewusst, dass er nicht zurückkommen würde. Arbeit war ihm immer wichtiger gewesen als ihre Gesellschaft. Als man sich zum Kaffee in den Salon begab, entschuldigte Therese sich, um sich zu zurückziehen.

Schon den ganzen Tag hatte sie leichte Krämpfe, auch wenn ihre Monatsblutung noch nicht fällig war. Mit jedem Zyklus wurden die Schmerzen stärker und beschränkten sich nicht mehr nur auf die Zeit ihrer Regel. Laut Aussage des Arztes war das bei ihrer Diagnose normal. Angenehm war es nicht.

Es wurde auch immer schwieriger, diesen Zustand vor Claudio zu verbergen. Doch bald schon … Bald würden die Laborresultate schriftlich vorliegen, sie würde sie Claudio zeigen, und er würde die Ehe annullieren.

Der Gedanke war viel schlimmer als die Unterleibsschmerzen. Therese verdrängte ihn und konzentrierte sich auf die Gegenwart.

Vielleicht würden ihr ein heißes Bad und zwei von den leichten Schmerztabletten helfen. Die Tabletten, die der Arzt ihr verschrieben hatte, nahm sie nicht gern. Dann fühlte sie sich wie erschlagen. Sie verabscheute es. Ihr Kopf war dann wie in Watte gepackt. Häufig konnte sie sich nicht erinnern, was sie an diesen Tagen gemacht hatte. Das Erschreckendste war, dass es Claudio nicht einmal auffiel. Wenn sie einen Beweis brauchte, dass sie nichts anderes als ein praktisches Gebrauchsstück für ihn war, war es das.

Wie konnte einem Mann nicht auffallen – selbst einem Mann, der sich um die Gegebenheiten eines normalen Alltagslebens nicht zu kümmern brauchte –, dass seine Frau das Verhalten einer Drogensüchtigen an den Tag legte? Nie verlor er auch nur ein Wort darüber, wenn sie wegen der Schmerzmittel vollkommen weggetreten war. Sicher, sie musste zugeben, dass sie versuchte, es vor ihm zu verbergen. Es nagte nur an ihr, dass es ihr so mühelos gelang.

Läge ihm etwas an ihr, wäre es bestimmt nicht so einfach.

Mit einem schweren Seufzer drehte Therese den Wasserhahn auf und bereitete sich ihr Schaumbad vor. Keine Frau hatte es verdient, zu lieben und genau zu wissen, dass keine Hoffnung auf Gegenliebe bestand.

Langsam ließ sie sich in das duftende warme Wasser gleiten und schloss die Augen. Sie mochte vielleicht eine halbe Stunde im Bad gewesen sein, als sie im angrenzenden Schlafzimmer Geräusche wahrnahm. Doch sie war zu entspannt, um sich Gedanken darüber zu machen.

„Wenn du da drinnen eingeschlafen bist, werde ich mehr als nur verärgert sein.“

Sie hob die Lider an, sah Claudio neben der Wanne stehen und spürte schlagartig die Wirkung, die seine Nähe immer auf sie hatte. Kein Mann sollte so großartig aussehen dürfen. „Ich schlafe nicht. Es besteht also kein Grund, sich aufzuregen.“

„Es sah aber so aus, als würdest du schlafen“, meinte er vorwurfsvoll, dabei betrachtete er sie mit einem Blick, der besagte, dass die Sorge um ihre Sicherheit nicht alles war, was ihn beschäftigte.

Sein offensichtliches Interesse ließ heiße Sehnsucht in ihr auflodern. Das Bad und die Schmerztabletten hatten gewirkt. Wenn sie wollte, konnte sie ihrem Verlangen also nachgeben. Sie wollte. Wenn sie ihm erst die Wahrheit eröffnet hatte und er einsah, dass es nur eine logische Konsequenz gab, würde sie den Rest ihres Lebens ohne die Gefühle auskommen müssen, die nur er in ihr erwecken konnte.

„Du kannst dir wohl nicht vorstellen, mir Gesellschaft zu leisten?“ Provozierend ließ sie den Blick über seine Gestalt gleiten. „Nur der Sicherheit halber, natürlich.“

Er kniff die Augen zusammen. „Ist das eine Einladung?“

„Was glaubst du?“

„Ich glaube, ich verstehe nicht, warum du mich gezwungen hast, eine Stunde lang an einem Tisch voller Angelfanatiker zu sitzen, wenn du in dieser Stimmung bist.“ Er stieß ein frustriertes Knurren aus, während sein Körper bereits auf die verführerische Einladung reagierte.

Therese lächelte. Wenn schon nichts anderes, so konnte daran doch kein Zweifel bestehen – dieser umwerfend aussehende Mann da vor ihr begehrte sie. „Soll das bedeuten, du hast kein Interesse?“ Sie warf ihm einen vielsagenden Blick unter gesenkten Wimpern hervor zu. „Dein Körper scheint allerdings anderer Meinung zu sein.“

„Mein Körper ist nicht derjenige, der hier die Kontrolle hat.“

Sie drückte den Rücken durch, erleichtert, als sich nicht das geringste Ziehen meldete. „Vielleicht sollte er sie einfach mal übernehmen.“

„Verdammt, Therese, was soll das?“

Claudio fluchte nie in ihrer Gegenwart. Es schockierte sie so sehr, dass sie sich wieder in das Wasser sinken ließ. Was, wenn er sie wirklich nicht wollte? Ein Mann konnte vielleicht seine körperlichen Reaktionen nicht kontrollieren, aber das hieß nicht, dass er ihnen nachgeben musste. Nicht, wenn er mit dem Kopf nicht bei der Sache war.

Er war noch verärgert über sie, weil sie ihn vorhin abgewiesen hatte, sie hätte es wissen müssen. Normalerweise jedoch gab er sich immer den Anschein, als würde ihr nachgelassenes Interesse ihn nicht im Geringsten berühren. Schließlich war er ein beschäftigter Mann. Für Sex hatte er genauso viel Zeit wie für ausführliche Gespräche mit ihr – nämlich kaum.

Schweigend, aus Angst, sonst das Betteln anzufangen, stand sie aus dem Wasser auf und griff nach dem Badelaken.

„Was machst du jetzt schon wieder?“, raunte er.

„Wonach sieht es denn aus? Ich steige aus der Wanne.“

Er gab einen Laut von sich, der ihr einen Schauer über den Rücken jagte. „Du bleibst genau da, wo du bist, du provozierende kleine Hexe.“

2. KAPITEL

„Es war nicht meine Absicht, dich zu provozieren“, bestritt Therese.

Claudio riss sich die Krawatte vom Hals und knöpfte sein Hemd auf. „Dann möchte ich dich nicht sehen, wenn du es darauf anlegst.“

Autor

Lucy Monroe
<p>Die preisgekrönte Bestsellerautorin Lucy Monroe lebt mit unzähligen Haustieren und Kindern (ihren eigenen, denen der Nachbarn und denen ihrer Schwester) an der wundervollen Pazifikküste Nordamerikas. Inspiration für ihre Geschichten bekommt sie von überall, da sie gerne Menschen beobachtet. Das führte sogar so weit, dass sie ihren späteren Ehemann bei ihrem...
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