Das Glück kam in der Christnacht

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Tannenduft, Kerzenglanz, Zimtsterne: Für den Arzt Patrick ist das ein Albtraum, seit seine Frau ihn und die beiden Kinder vor zwei Jahren am Weihnachtstag verließ. Aber nicht in seinen kühnsten Träumen ahnt er, wer in diesem Jahr am Heiligen Abend an seine Tür klopft …


  • Erscheinungstag 03.12.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733738976
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Patrick schritt eilig durch die Flügeltüren der Entbindungsstation, wo er schon erwartet wurde.

„Nabelschnurvorfall!“, rief Maggie, die diensthabende Hebamme, aufgeregt. „Ich habe dem Anästhesisten Bescheid gesagt, und die OP wird auch schon vorbereitet. Tut mir leid, dass ich dich aus deinem Meeting reißen musste, aber es ist wirklich dringend.“

„Kein Problem, Maggie.“ Patrick zog sein Jackett aus und hängte es über einen Stuhl. „Ed, wie sieht’s aus?“

„Wir müssen einen Kaiserschnitt machen, und zwar so schnell wie möglich“, antwortete der Assistenzarzt. „Aber die Patientin weigert sich, das ist das Problem. Du musst sie überzeugen, Patrick. Hier ist ihre Akte.“

Patrick überflog rasch die Dokumente, dann trat er an das Bett der Patientin. „Hallo Katherine“, begrüßte er sie lächelnd. „Ich bin Patrick Buchannan, der leitende Oberarzt, und ich …“

„Ich weiß schon, was Sie sagen wollen“, fiel ihm die junge Frau ins Wort. „Aber ich möchte keinen Kaiserschnitt, ich will mein Baby ganz normal zur Welt bringen. Ach, wäre ich doch bloß daheim geblieben!“

„Es war sehr gut, dass Sie hergekommen sind“, erwiderte Patrick ruhig, um die Patientin nicht unnötig zu beunruhigen. „Das hier ist ein Notfall, und wir müssen so schnell wie möglich handeln. Die Nabelschnur könnte während der Geburt abgeklemmt werden, was die Blutzufuhr zu ihrem Baby unterbrechen würde. Das ist sehr gefährlich für das Kind. Deshalb werden wir um einen Kaiserschnitt leider nicht herumkommen.“

Katherine schluchzte auf, und Patrick drückte tröstend ihren Arm. „Sie brauchen keine Angst zu haben, Katherine. Alles ist schon vorbereitet, es wird alles gut.“

Sie wischte sich die Tränen weg und sah ihn ängstlich an. „Sagen Sie das auch nicht nur, weil Weihnachten vor der Tür steht und Sie schnell nach Hause wollen?“

Patrick lächelte. „Ganz bestimmt nicht. Heiligabend ist erst morgen, und bis dahin halten Sie Ihr Baby längst in den Armen. Außerdem habe ich alle Weihnachtsvorbereitungen schon erledigt. Alle Geschenke sind gekauft, der Truthahn ist im Kühlschrank, und ich darf heute erst nach Hause kommen, wenn meine Kinder ihre Geschenke für mich eingepackt haben. Ansonsten würde ich ihnen die Überraschung verderben, und das wäre doch gar nicht schön, oder?“

Das entlockte Katherine ein mattes Lächeln, und sie willigte schließlich widerstrebend ein. „Also gut, dann machen Sie eben einen Kaiserschnitt. Aber ich möchte keine Vollnarkose, geht das?“

„Natürlich, bei Ihnen sehe ich da kein Problem. Der Eingriff kann auch unter lokaler Narkose durchgeführt werden. Dabei bleiben Sie wach und können Ihr Baby gleich zu sich nehmen.“ Er wandte sich erneut an Maggie. „Ist Gary schon bereit?“

Maggie nickte. „Ist schon im OP.“

„Gary Clarke ist ein sehr erfahrener Anästhesist“, erklärte Patrick der Patientin. „Bei ihm sind Sie in den besten Händen.“

„Und wer wird mich operieren?“, fragte sie ängstlich und hoffnungsvoll zugleich. „Sie?“

„Jawohl, das mache ich.“

„Sie brauchen wirklich keine Angst zu haben, Katherine“, versicherte Maggie sanft. „Dr. Buchannan ist unser bester Spezialist auf diesem Gebiet, er hat auch mein Baby per Kaiserschnitt geholt. Und das war vor sieben Jahren, als er noch Assistenzarzt war. Glauben Sie mir, er ist der Beste hier im Team.“

Endlich war Katherine überzeugt und wurde gleich darauf in den Operationssaal geschoben. Nachdem die Narkose eingeleitet war, führte Patrick den Kaiserschnitt durch. Die Operation verlief glatt und ohne jegliche Komplikationen, und schon wenig später hielt Katherine ihren kleinen Sohn im Arm.

Patrick ließ die junge Mutter ihr Neugeborenes für einige Minuten halten, dann übergab er es dem Kinderarzt. Während der das Baby gründlich untersuchte, vernähte Patrick die OP-Wunde, wobei Maggie ihm assistierte.

„Das ging unglaublich schnell und reibungslos“, sagte sie bewundernd. „Du bist wirklich ein Genie, Patrick Buchannan.“

Patrick lächelte. „Danke für das Kompliment, Maggie. Und als Zeichen deiner Bewunderung könntest du mir einen Tee kochen, wenn wir fertig sind, okay?“

Maggie lachte. „Das ist wieder typisch Mann! Kaum macht man euch ein Kompliment, werdet ihr schon übermütig. Aber klar, ich mach dir gerne einen Tee, nur bezweifle ich, dass du auch Zeit haben wirst, ihn zu trinken.“

Patrick verzog das Gesicht. „Das bezweifle ich allerdings auch.“

„Aber dafür hast du ja an Weihnachten frei.“

„Gott sei Dank! Das wird das erste Weihnachtsfest seit Jahren, das ich daheim bei meinen Kindern verbringen kann.“

„Soll ich kommen und den Truthahn für euch braten?“, scherzte Maggie, und Patrick grinste.

„Jetzt wirst du aber übermütig, Maggie. Vergiss nicht, dass du verheiratet bist, das würde deinem Mann bestimmt nicht passen.“

Wieder lachte Maggie. „Ach, der braucht sich keine Sorgen machen, obwohl … bei dir könnte ich schon schwach werden, Patrick Buchannan. Aber jetzt mal Spaß beiseite – Tom Hunter hat Bereitschaft über die Feiertage. Und wenn seine Sally gerade dann ihr Baby kriegt, musst du trotzdem kommen. Tom traut doch keinem außer dir, er würde durchdrehen, wenn du dann nicht da wärst.“

„Ich habe Sally vorhin erst gesehen, sie ist gut drauf und wird bestimmt nicht vor dem Sechsundzwanzigsten entbinden. Dieses Jahr feiere ich in Ruhe mit meinen Kindern und lasse mir den Truthahn schmecken. Das heißt, falls ich das verdammte Ding überhaupt hinkriege. So, Katherine, das wär’ geschafft.“ Er lächelte der jungen Mutter aufmunternd zu. „Sie kommen jetzt gleich auf die Station, und später schau ich noch einmal nach Ihnen, einverstanden?“

Tränen der Rührung traten Katherine in die Augen. „Vielen Dank, Dr. Buchannan, ich bin so froh, dass alles gut gelaufen ist. Es tut mir leid, dass ich vorhin so stur und uneinsichtig war, das war echt dumm von mir. Sie sind ein toller Arzt, Ihre Frau ist wirklich zu beneiden.“

Patrick lächelte matt und zog die sterilen Handschuhe aus. „Das glaub ich eher weniger. Meine Exfrau würde Ihnen sagen, dass diese wundervollen Ärzte für gewöhnlich lausige Ehemänner sind.“ Er drückte ihr die Hand. „Dann bis später, Katherine.“

Als Patrick kurz darauf unter der Dusche stand, dachte er über seine letzte Bemerkung zu Katherine nach. Ein lausiger Ehemann sei er gewesen, hatte er gesagt, und das hatte er tatsächlich ernst gemeint. Zumindest hatte seine Exfrau Carly ihn dafür gehalten, und wahrscheinlich hatte sie damit sogar recht. Aber daran konnte er nun auch nichts mehr ändern, denn sie waren längst geschieden.

Patrick fluchte unterdrückt. Hatte er sich nicht vorgenommen, dieses Jahr an Weihnachten nicht über seine gescheiterte Ehe nachzudenken? Was hatte es für einen Sinn, das alles noch mal durchzugehen? Sich zum x-ten Mal zu fragen, was er hätte tun können, um die Ehe noch zu retten?

Nach dem Duschen ging Patrick ins Büro und seufzte auf, als er den großen Stapel Akten sah, der auf seinem Schreibtisch lag. Gerade griff er nach der ersten, als die Tür aufging und Maggie reinkam, mit einer Pralinenschachtel in der Hand.

„Die sind von der Patientin, die du gestern entbunden hast“, verkündete sie fröhlich und setzte sich ihm gegenüber auf den Stuhl. „Nimm dir gleich ein paar, bevor sie alle sind.“ Sie nahm sich selbst eine Praline und schob sie genüsslich in den Mund. „Katherine ist jetzt auf Station, und dem Baby geht es bestens. Sie will es Patrick Gary nennen.“

Patrick grinste. „Solange es nicht Gary Patrick ist, hab ich nichts dagegen.“

Maggie verdrehte die Augen. „Ihr Männer seid unmöglich, ständig müsst ihr miteinander konkurrieren. Ich frage mich, wie ihr im selben Bergrettungsteam sein könnt, ohne euch gegenseitig in eine Felsspalte zu stoßen.“ Sie legte die Pralinenschachtel auf den Tisch und sah Patrick prüfend an. „Sag mal, ist alles in Ordnung? Ich meine, weil Katherine vorhin …“

Patrick winkte ab. „Ach, nicht der Rede wert, sie konnte ja nicht wissen, dass ich geschieden bin.“

„Hat Carly sich bei dir gemeldet? Will sie an Weihnachten die Kinder sehen?“

Patrick kniff die Lippen zusammen. „Nein, hat sie nicht.“ Er wollte jetzt nicht über Carly sprechen, das machte ihm nur schlechte Laune. „Sie hat nur eine Weihnachtskarte geschickt, mit einem Scheck. Von dem Geld soll ich den Kindern etwas kaufen, weil ich besser wüsste, was sie wollen oder brauchen.“

Zorn flammte in ihm auf, wenn er daran dachte, wie kalt und lieblos das gewesen war. Anstatt die Kinder anzurufen, schickte Carly einfach einen Scheck. Als ob ein Kind sich über so was freuen würde! Am liebsten hätte er sie angerufen und ins Telefon gebrüllt, doch der Kinder wegen hielt er sich zurück. Alfie und Posy hatten unter der Trennung ihrer Eltern schon genug gelitten.

„Puh, das ist nicht gerade schön.“ Maggie runzelte die Stirn. „Sag mal, hast du schon mal daran gedacht, dir wieder eine Frau zu suchen? Versuch’s doch mal, das kann doch nicht so schwer sein.“

Da lachte Patrick spöttisch. „Nicht so schwer – hast du eine Ahnung! Welche Frau ist denn schon scharf auf einen Mann, der zwei kleine Kinder und zudem Tag und Nacht Bereitschaft in der Klinik hat, kannst du mir das sagen?“

„Okay, okay, das ist nicht unbedingt so leicht, das geb ich zu“, räumte Maggie ein. „Aber deine Kinder wünschen sich eine neue Mum, das habe ich schon mitbekommen. Besonders Alfie merke ich das an, er macht immer wieder mal Bemerkungen in diese Richtung. Und was dich betrifft, du könntest wirklich …“

„Maggie, jetzt hör mir mal zu. Ich weiß es ja zu schätzen, dass du dich um mich sorgst, aber das ist wirklich nicht nötig. Die Kinder und ich kommen schon zurecht, das kannst du mir ruhig glauben. Außerdem ist mein Leben auch ohne Frau schon kompliziert genug.“ Er nahm sich eine Praline aus der Schachtel. „Sind da Nüsse drin? Die mag ich nämlich nicht. Ihr Hebammen wisst doch immer so genau, was in den Pralinen steckt.“

Maggie grinste. „Hm, das kommt davon, weil wir zu viele davon essen. Aber die ist okay, die ist mit Karamell gefüllt. Und was Beziehungen betrifft, die müssen ja nicht immer kompliziert sein.“

„Meine offensichtlich schon.“

„Ach, das war doch nur, weil Carly nicht die Richtige für dich war. Such dir eine nette und intelligente Frau, die Kinder liebt und davon träumt, mit einem Arzt verheiratet zu sein.“

„Ich träume aber von was anderem.“ Patrick schob sich die Praline in den Mund und nickte anerkennend, denn sie schmeckte wirklich gut. „Und zwar von einer heißen Nymphomanin, die sich beim Sex winden und verbiegen kann wie eine Schlange.“

Da lachte Maggie schallend. „Na, du machst mir aber Spaß! Ich dachte, du wünschst dir eine Frau, die was im Kopf hat und nicht so oberflächlich ist wie deine Exfrau. Oder willst du mich nur auf den Arm nehmen, Patrick Buchannan?“

Patrick lächelte. „Genau das war meine Absicht. Damit du endlich Ruhe gibst.“

Doch Maggie dachte nicht daran. „Was ist denn mit diesem Mädchen aus Chicago? Die hat dir doch gefallen, oder nicht?“

Patrick seufzte wieder. „Mags, kannst du es nicht endlich lassen?“

„Sie hat dir ganz schön den Kopf verdreht, nicht wahr?“

„Ach was, ich kenne sie doch kaum. Wir waren nur einen einzigen Tag zusammen, das ist so gut wie nichts.“ Und eine Nacht, die mir nicht mehr aus dem Kopf geht … Schon sah er Hayley wieder vor sich – mit ihrem seidig weichen dunklen Haar, den endlos langen Beinen und diesem unwiderstehlichen Mund …

„Hast du ihre Handynummer?“

„Nein, die hat sie mir nicht gegeben.“ Patrick lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wahrscheinlich hatte sie kein Interesse, mich wiederzusehen.“

„Quatsch, wie kann man einen Mann wie dich nicht wiedersehen wollen? Wahrscheinlich ist sie ein grundanständiges Mädchen, und es war ihr peinlich, dass sie gleich am ersten Tag mit dir ins Bett gegangen ist. Deshalb hat sie sich am nächsten Morgen auch klammheimlich aus dem Staub gemacht, bevor du wach geworden bist.“

Patrick runzelte die Stirn. „Wie kommst du denn auf so was? Warum sollte ihr das peinlich gewesen sein? Sie wirkte ziemlich selbstbewusst und …“

„Das hat nichts zu sagen“, wandte Maggie ein. „Gerade Frauen, die nach außen hin sehr selbstbewusst erscheinen, stecken häufig voller Zweifel.“

„Nun lass mal gut sein, ja?“ Patrick zerknüllte das Konfektpapier und warf es in den Mülleimer. „Ich hätte dir erst gar nichts von dieser Bekanntschaft erzählen sollen, damit du mich nicht ständig damit nervst. Und bitte sag auch deinen Kolleginnen nichts, sonst …“

Wieder grinste Maggie. „Sonst was? Sie geht dir nicht mehr aus dem Kopf, gib’s doch endlich zu.“

Patrick stand auf. „Ja, ich denke noch an sie – bist du jetzt zufrieden?“

„Ist sie hübsch?“

„Sehr hübsch.“

„War es schön mit ihr?“

Patrick dachte an die wundervollen Stunden, die er mit Hayley verbracht hatte, und lächelte versonnen. „Ja, das war es in der Tat.“ Hayley hatte ihn mit ihrer fröhlichen Art immer wieder zum Lachen gebracht, während Carly ihn in den letzten zwei Jahren ihrer Ehe ständig nur mit Vorwürfen überhäuft hatte, bis es schließlich zur Trennung gekommen war.

„Und da hast du nicht mal ihre Handynummer verlangt?“, fragte Maggie ungläubig. „Ich hätte dich für cleverer gehalten.“

„Immerhin war ich clever genug, um zu erkennen, dass aus uns nichts werden kann.“ Patrick griff nach seinem Mantel und zog ihn an. „Selbst wenn ich ihre Nummer hätte, was würde mir das nützen? Sie lebt in Chicago, ich hier in England, wie soll das gehen?“

„Also war’s das dann?“, fragte Maggie enttäuscht.

„So ist es. Ich hab nur einen Tag und eine Nacht mit ihr verbracht und hätte nie ein Wort darüber verloren, wenn du nicht das unglaubliche Talent hättest, Informationen aus mir herauszuquetschen, die ich gar nicht preisgeben will.“

Maggie lächelte. „Du bist mir eben wichtig, und ich finde, du hättest es verdient, dich wieder zu verlieben.“

„Ich habe meine Kinder, das genügt.“ Er nahm seinen Aktenkoffer in die Hand und ging zur Tür. „Meinst du, es geschieht ein Wunder und wir finden noch eine Hebamme, die bereit ist, an Weihnachten zu arbeiten?“

„Wohl kaum. Ich hoffe nur, dass an Heiligabend nicht noch mehr Geburten dazukommen, das könnten wir dann nicht mehr stemmen.“

„Ruf mich einfach an, wenn’s brennt, dann komme ich“, versprach Patrick. „Zur Not nehme ich die Kinder mit, die sind das gewöhnt und können in meinem Büro oder im Spielzimmer bleiben.“

Maggie lächelte. „Das wäre schön, ich hab die beiden schon eine Weile nicht mehr gesehen. Aber ich hoffe nicht, dass ich dich rufen muss, du brauchst die Zeit für dich und deine Kinder. Und noch was, Patrick: Ich bin froh, dass du den Job in Chicago nicht angenommen hast. Du würdest mir sehr fehlen, wenn du nicht mehr hier wärst. Aber du hast schon mit dir gekämpft, nicht wahr?“

Das hatte er in der Tat, denn wenn er das Angebot angenommen hätte, hätte er Hayley wiedersehen können. Schon mehrmals war er drauf und dran gewesen, ihre Nummer rauszufinden und sie anzurufen, doch was sollte er dann zu ihr sagen? Hi, ich bin’s – dieser Typ aus England, mit dem du eine heiße Nacht verbracht hast? Willst du nicht deinen Job kündigen und zu mir nach England kommen? Nein, das wäre lächerlich gewesen. Er kannte Hayley kaum und konnte nicht von ihr erwarten, dass sie seinetwegen gleich ihr ganzes Leben aufgab.

„Nein, hab ich nicht“, schwindelte er Maggie an. „Mir ist schnell klar geworden, dass ich nicht mein ganzes Leben ändern will wegen eines neuen Jobs. Das wäre nicht fair den Kindern gegenüber.“ Er blickte auf die Uhr. „Ich muss jetzt gehen, Mags. Morgen ist Heiligabend, und ich hab Alfie und Posy versprochen, dass ich zu Hause bin.“ Dann lächelte er schelmisch, denn es kam ihm ein Gedanke. „Und falls du tatsächlich eine Frau für mich suchst, dann bitte eine, die gern sexy Unterwäsche trägt.“

Bei dem Gedanken an die sexy roten Strümpfe, die Hayley in seinem Hotelzimmer hatte liegenlassen, wurde es Patrick ganz heiß. Ihre Unterwäsche war so scharf gewesen, dass er jede Nacht daran denken musste …

„Okay, ich gebe mir die größte Mühe“, meinte Maggie fröhlich. „Und jetzt geh endlich heim und kümmere dich um euren Truthahn. Wir sehen uns dann nach Weinachten wieder, ja?“

Patrick seufzte. „Musst du mich unbedingt an den Truthahn erinnern? Ich würde lieber Drillinge entbinden als einen Truthahn braten.“

Wieder lachte Maggie. „Frohe Weihnachten, Patrick.“

„Das wünsche ich dir auch. Und was den Truthahn betrifft – da hoffe ich auch noch auf ein Wunder!“

1. KAPITEL

Kaum war Hayley aus dem Taxi gestiegen, rutschte sie auch schon auf dem glatten Boden aus und landete schmerzhaft auf dem Hosenboden.

„Oh, verdammt!“, rief Jack, der Taxifahrer, erschrocken. „Haben Sie sich wehgetan?“

„Nein, nein, alles okay“, wiegelte Hayley ab und dachte an den blauen Flecken, der sich bald auf ihrem Hintern zeigen würden. „Zum Glück bin ich gut gepolstert, was ganz praktisch ist, ich falle nämlich ständig hin. Ich bin so ungeschickt, dass ich manchmal sogar über meine eigenen Füße stolpere.“

Da lachte Jack. „Genau wie meine Schwester, die bleibt auch ständig hängen oder stößt sich irgendwo.“ Er stellte den Scheibenwischer an, da es wieder stärker schneite. „War nett, mit Ihnen zu plaudern, Hayley. Hat mir sehr viel Spaß gemacht. Wenn Sie wieder mal ein Taxi brauchen, rufen Sie mich gerne an.“

Hayley fand den Taxifahrer auch sehr nett, allerdings bereute sie es schon, dass sie dem ihr völlig fremden Mann so viel von sich erzählt hatte. Wieso tat sie das nur immer, warum konnte sie nicht einfach den Mund halten? Wie hatte ihr Stiefbruder erst neulich gespöttelt: Bei Hayley gibt es keinen Knopf zum Abstellen, die plaudert ohne Unterlass.

Aber was sollte sie dagegen tun, wenn die Worte einfach so aus ihr heraussprudelten? Bei zwanzig Minuten Fahrt hätte sie doch nicht einfach schweigen können, oder?

„Mach ich“, erwiderte sie lächelnd. „Was bin ich Ihnen schuldig?“

„Nichts“, meinte Jack zu ihrer Überraschung. „Ich hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß mit einem Fahrgast. Vorhin musste ich so lachen, dass ich in der Kurve fast ins Schleudern geraten wäre.“ Er stellte den Zähler auf Null. „Aber um nochmal auf das Thema von vorhin zu kommen – wenn Sie meine Meinung hören wollen, sollte Ihre Familie sich was schämen. Ich wäre stolz, wenn wir eine Hebamme in der Familie hätten, das ist doch ein ehrenwerter Beruf. Wie können Ihre Leute nur denken, Sie würden damit Ihre Zeit verschwenden? Kein Wunder, dass Sie eine Auszeit brauchen.“ Er zwinkerte ihr aufmunternd zu. „Aber jetzt vergessen Sie die alle mal und denken nur noch an Ihren Traumprinzen. Vielleicht macht er Ihnen sogar bald einen Heiratsantrag, dann freue ich mich auf die Hochzeit.“

Hayley lächelte verlegen. Auch das hatte sie Jack verraten, nämlich, dass sie auf der Suche nach dem tollsten Mann war, der ihr je begegnet war, und dass sie sogar schon davon träumte, seine Frau zu werden. „Also, wenn es wirklich dazu kommt, dann lade ich Sie herzlich ein, versprochen!“

Bei dem Gedanken, dass der Mann, den sie suchte, gar nicht weit von hier wohnen musste, schlug ihr Herz gleich schneller. Wenn sie sich hier erst mal eingelebt hatte, würde sie sich auf die Suche machen und …

„Schönes Haus“, meinte Jack anerkennend und wies dabei auf das Anwesen, vor dem Hayley stand. „Ihr neuer Arbeitgeber scheint nicht zu den Armen zu gehören. Wird bestimmt nicht schlecht, hier Weihnachten zu feiern. Da sind Sie abgelenkt und können den ganzen lästigen Familienkram vergessen.“

„Oh, ich finde Familie gar nicht lästig, im Gegenteil“, widersprach Hayley sofort. „Ich verstehe mich nur nicht mit meinen Stiefgeschwistern. Ich bin bei uns die Außenseiterin, alle anderen sind furchtbar schlau und haben hochbezahlte Jobs und elegante Wohnungen, und da falle ich völlig aus dem Rahmen. Mein Stiefvater gehört auch nicht zu den Ärmsten, und dass er ausgerechnet meine Mutter geheiratet hat, hat seinen Kindern nicht unbedingt gepasst.“

Jetzt tat sie es schon wieder – reden, reden, reden. „Wie dem auch sei, jetzt bin ich hier und schalte ab“, sagte sie deshalb schnell.

Jack lächelte. „Tja, Patchwork-Familien sind nicht immer pflegeleicht, da gibt es oftmals Eifersüchteleien.“

„Ach, eifersüchtig sind die sicher nicht auf mich, eher wohl das Gegenteil. Sie schämen sich für mich, weil ich anders bin als sie.“

Nein, Hayley wollte jetzt nicht daran denken, für wie unzulänglich ihre Stiefgeschwister sie hielten und wie sehr sie das immer wieder zu spüren bekam. Deshalb richtete sie ihren Blick lieber auf das schöne große Landhaus vor ihr. Über der Eingangstür war eine bunte Lichterkette angebracht, und durch das Fenster war ein schön geschmückter Weihnachtsbaum zu sehen. Neben dem Haus stand eine große Scheune, dahinter floss ein breiter wilder Bach, dessen frisches Rauschen zur winterlichen Stimmung passte. Zwei hohe Kiefern reckten sich wie stramme Wachposten zu jeder Seite der Scheune empor, und das Licht kleiner weißer Lämpchen blitzte durchs Geäst.

Wie auf einer Weihnachtskarte … Hayley musste lächeln. Fehlte nur noch Santa Claus, der auf seinem Rentierschlitten und mit einem Sack voller Geschenke durch die Lüfte sauste!

„Sieht aus wie aus dem Märchenbuch, stimmt’s?“, sagte Jack prompt, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „So, jetzt muss ich aber weiter. Ich wünsche Ihnen viel Glück bei Ihrem neuen Job.“

Nun wurde Hayley doch ein bisschen mulmig, denn sie hatte sich als Hauswirtschafterin beworben, worin sie jedoch keinerlei Erfahrung hatte. Was, wenn sie sich dazu gar nicht eignete?

„Warten Sie, ich …“ Sie schob nervös die Hände in die Manteltaschen. „Vielleicht hätte ich das doch nicht machen sollen. Ich hab noch nie als Haushaltshilfe gearbeitet und mich eigentlich nur um diesen Job beworben, weil ich auf der Suche bin nach einem Mann, den ich wiedersehen will. Aber ich weiß noch nicht mal, wo genau er wohnt. Er hat immer nur vom Lake District gesprochen.“

„Na ja, weit von hier kann er wohl nicht sein“, meinte Jack leichthin. „Sie haben doch gesagt, dass er Arzt ist und in einer Klinik arbeitet, und in dieser Gegend gibt es nur ein einziges Krankenhaus. Also wird er dort zu finden sein.“ Er nickte ihr aufmunternd zu. „Nur Mut, Hayley. Wenn Weihnachten vorbei ist, gehen Sie einfach hin und fragen nach ihm.“

Hayley biss sich unbehaglich auf die Lippe, denn ganz so einfach war das alles für sie nicht. „Halten Sie mich eigentlich für verrückt, weil ich den ganzen weiten Weg aus Chicago hierhergekommen bin, nur um einen Mann wiederzusehen, den ich toll finde?“

„Nein, ich halte Sie nicht für verrückt, sondern für mutig. Wenn Sie es nicht getan hätten, hätten Sie sich Ihr Leben lang gefragt, ob es nicht was hätte werden können mit diesem Traummann. Überlegen Sie doch mal, was kann denn schlimmstenfalls passieren?“ Jack zuckte die Schultern. „Dass er Sie abweist, das wäre Ihnen dann ein bisschen peinlich – und?“

Hayley atmete tief durch. „Also gut, Sie haben recht, ich geh jetzt rein. Vielen Dank noch mal fürs Fahren. Und frohe Weihnachten!“

„Das wünsch’ ich Ihnen auch.“ Jack winkte ihr noch lächelnd zu, dann fuhr er davon, und Hayley stand allein vor diesem großen, fremden Haus.

Zwei paar Kinderstiefel lagen vor der Eingangstür, und eine kleine rote Schaufel lag daneben. Vielleicht hatten die Kinder damit Schnee geschippt. Wieder musste Hayley lächeln, denn Jack hatte recht. Dieses Haus sah wirklich aus wie aus dem Märchenbuch, und sie kam sich vor wie Schneewittchen bei den sieben Zwergen. Ebenso wenig wie Schneewittchen wusste sie, was sie hier erwartete. Nur eines wusste sie: Da drinnen wohnte eine Familie, die ihre Hilfe brauchte, und deshalb war sie hier.

In Chicago hatte Hayley es sich noch spannend vorgestellt, Weihnachten bei fremden Leuten zu verbringen, aber jetzt war sie sich ihrer Sache gar nicht mehr so sicher. Was, wenn diese Menschen sie nicht mochten?

Hayley schluckte ihre Angst hinunter und atmete tief durch. Schlimmer als daheim würde es bestimmt nicht werden, denn die zynischen Bemerkungen und Sticheleien ihrer Stiefgeschwister konnte sie nicht mehr ertragen. Sie sei naiv und inkompetent und alles andere als eine moderne, selbstbewusste Frau, so was musste sie sich ständig anhören.

Aber hatten sie damit nicht doch ein bisschen recht? Wäre Hayley eine selbstbewusste und moderne junge Frau gewesen, hätte sie sich nicht klammheimlich weggeschlichen, nachdem sie die tollste Nacht ihres Lebens verbracht hatte, mit dem tollsten Mann, der ihr je begegnet war.

Und dann hatte sie in der Eile auch noch ihre roten Seidenstrümpfe auf dem Boden liegenlassen! Als moderne selbstbewusste Frau hätte sie sich überhaupt nicht rausgeschlichen, sondern mit diesem Traummann ein romantisches Frühstück genossen und ihm danach ihre Handynummer gegeben.

Warum war sie nur so dumm gewesen? Wütend auf sich selbst, kickte Hayley eine Ladung Schnee weg. Sie hatte den Mann ihres Lebens getroffen, eine himmlische Nacht mit ihm verbracht und war dann einfach abgehauen! Ihre Stiefgeschwister hätten sie ausgelacht, wenn sie das erfahren hätten.

Hayley atmete tief durch. Was er wohl sagen würde, wenn sie plötzlich vor ihm stand? Vielleicht dachte er auch Tag und Nacht an sie und hatte schon versucht, ihre Handynummer rauszufinden. Und wenn er sie dann endlich sah, fiel er vor Glück und Freude fast vom Hocker und machte ihr prompt einen Heiratsantrag …

Hayley gab sich einen Ruck und drückte auf den Klingelknopf.

Patrick schob die letzten Geschenke unter den bunt geschmückten Weihnachtsbaum, drehte sich wieder zu seinem zehnjährigen Sohn um und sah ihn prüfend an. „Warum guckst du denn ständig auf die Uhr, Alfie? Wartest du auf jemanden?“

Der Junge zuckte leicht zusammen. „N-nein, ich schau doch gar nicht auf die Uhr.“

„Doch, das tust du schon die ganze Zeit.“

„Es … ist bald Heiligabend, da bin ich eben aufgeregt.“ Alfies Blick ging nervös zur Tür. „Sag mal, wäre es nicht schön, wenn wir jemand hätten, der den Truthahn für uns macht?“

„Ach, das kriege ich schon selber hin.“

„Aber letztes Jahr hast du’s auch nicht hingekriegt. Du hast sogar geflucht, weil er nichts geworden ist.“

Autor

Sarah Morgan

Sarah Morgan ist eine gefeierte Bestsellerautorin mit mehr als 18 Millionen verkauften Büchern weltweit. Ihre humorvollen, warmherzigen Liebes- und Frauenromane haben Fans auf der ganzen Welt. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von London, wo der Regen sie regelmäßig davon abhält, ihren Schreibplatz zu verlassen. Manchmal sitzt Sie...

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