Das Versprechen deiner süßen Küsse

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Nie hat Aurora ihre Jugendliebe Nico Caruso vergessen! Aber Nico verließ ihr Heimatdorf auf Sizilien, um seine eigenen Wege zu gehen und die Schatten der Vergangenheit hinter sich zu lassen. Als sie sich Jahre später zufällig wiedersehen, ist Nico ein millionenschwerer Geschäftsmann - und attraktiver als je zuvor! Wieder spürt Aurora dieses Prickeln in seiner Nähe. Vergeblich kämpft sie gegen ihre Gefühle für ihn an. Doch was, wenn ihr Herz noch einmal gebrochen wird?


  • Erscheinungstag 14.07.2020
  • Bandnummer 2448
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714253
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Darf ich Ihnen Aurora vorstellen? Sie wird mir heute über die Schulter schauen.“

Nico Caruso sah nicht von dem Computer auf, als seine Assistentin Marianna sein großzügiges Büro in Rom betrat. Er runzelte bloß die Stirn.

„Aurora Messina aus dem sizilianischen Hotel“, fuhr Marianna weiter fort, weil sie davon ausging, dass Nico mit dem Namen der jungen Frau nichts anfangen konnte.

Doch das tat er.

Aurora Messina, vierundzwanzig Jahre alt, sechs Jahre jünger als er.

Aurora Eloise Messina mit ihren samtbraunen Augen und dem dichten Haar, das irgendwo zwischen dunkelbraun und schwarz changierte. Ach, ja … Aurora, deren Haut im Sonnenlicht golden leuchtete.

„Erinnerst du dich nicht an mich, Nico?“

Die vertraute rauchige Stimme klang provokativ, und das weiße Vintagekleid, das sie trug, schien das sizilianische Sonnenlicht, die frische Ozeanbrise und den zarten Jasminduft aus den elterlichen Gärten eingefangen zu haben … zumindest kam es Nico so vor.

„Wie unhöflich von dir, mich zu vergessen“, fuhr Aurora fort. „Wenn man bedenkt, wie oft du in meinem Bett geschlafen hast.“

Erschrocken sog Marianna den Atem ein, aber Nico ließ sich nicht so leicht beeindrucken.

„Aber niemals mit dir darin“, konterte er ungerührt.

„Richtig“, stimmte Aurora mit einem Lächeln zu.

Sie hatte hart daran gearbeitet, nicht immer gleich rot zu werden, sobald Nico in ihrer Nähe war. Trotzdem fiel es ihr in diesem Moment schwer, gelassen zu bleiben. Die atemberaubende Aussicht auf Rom hinter dem großen Fenster blieb fast unbemerkt, weil Aurora kaum etwas außer Nico registrierte … er war an diesem Montagmorgen mehr als genug Reiz für ihre Sinne.

Sein dichtes schwarzes Haar war akkurat geschnitten, und er war glatt rasiert. Er duftete nach Aftershave, und sie ging um den Schreibtisch, um ihn höflich zu begrüßen. Immerhin kannten sie sich schon eine ganze Weile.

Aber als Nico seine Hand hob, um sie aufzuhalten – seine schwarzen Augen warnten sie davor, ihm näher zu kommen – wich Aurora zurück, als ob er sie geschlagen hätte.

Sie wusste, dass sie häufig etwas zu übereifrig agierte. Doch nach reiflicher Überlegung, wie sie ihm am besten begegnete, hatte sie beschlossen, ihn einfach wie einen alten Freund zu behandeln.

Allerdings machte Nico ihr dabei einen Strich durch die Rechnung, und das tat weh. Aurora versuchte, sich die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.

„Nimm Platz“, sagte er zu ihr und wandte sich dann an seine Assistentin. „Marianna, lass uns anfangen. Wir haben viel zu tun.“

„Zuerst noch …“, unterbrach Aurora ihn und nahm die große Ledertasche von ihrer Schulter, anstatt sich hinzusetzen. Dann holte sie eine Flasche Tomatensoße hervor und stellte sie auf den makellosen, hochglanzpolierten Nussbaumschreibtisch. Sekunden später stellte sie eine zweite Flasche daneben.

„Hausgemachte Passata von meiner Mutter“, verkündete Aurora. „Und hier ist Limoncello von meinem Vater.“

Nico warf Marianna einen genervten Blick zu, die ihrerseits versuchte, einen neutralen Gesichtsausdruck zu wahren. Aurora verwandelte seinen glänzenden Schreibtisch in einen Marktstand! Er richtete seine schwarzen Augen auf sie.

„Die brauche ich nicht“, sagte er knapp und machte eine abweisende Handbewegung. „Du kannst das wieder mitnehmen.“

„Nein!“

Zuerst keine richtige Begrüßung, und jetzt das! Nico verhielt sich nicht so, wie sie es erwartet hatte. Wieso gab er nicht zu, dass er den Geschmack dieser hausgemachten Soße vermisste? Warum lud er sie nicht spontan zum Essen ein, damit sie die Köstlichkeiten gemeinsam probieren konnten?

Das wäre typisch sizilianisch gewesen, aber wann hatte sich Nico schon an die Traditionen seiner Heimat gehalten? Niemals! Denn ansonsten wäre sie, Aurora, ja längst mit ihm verheiratet!

Aurora Eloise Caruso.

Schon als Teenager hatte sie diese Unterschrift geübt und den Namen immer wieder laut vor sich hin gesprochen.

Jetzt wurde sie doch noch ein bisschen rot im Gesicht.

„Du weißt genau, dass meine Familie mich nie ohne Geschenke zu einem Besuch bei dir schicken würde“, sagte sie ärgerlich.

„Dies ist kein Besuch, sondern ein Job“, stellte er klar. „Du machst hier ein Praktikum von fünf Tagen, um dich auf die Eröffnung eines neuen Hotels vorzubereiten, was zeitlich schon ziemlich eng bemessen ist. Und jetzt räum den Kram von meinem Tisch!“

Nico wusste, wie streng er klang, andererseits musste er sich nun einmal durchsetzen – und nicht nur gegen Aurora.

Die Leute aus Silibri waren erst seit etwa achtzehn Stunden in Rom, und er hatte jetzt schon genug von ihnen. Francesca, die Regionalleiterin werden sollte, hatte für ihn unten am Empfang sogar eine Salami hinterlegen lassen! Glaubte sie, so etwas könne man in Rom nicht kaufen?

Und Pino, der im neuen Hotel als Chefportier vorgesehen war, hatte irgendwie seine private Telefonnummer herausgefunden. Wahrscheinlich hatte er sie direkt von Aurora bekommen. Ihr hatte er sie gegeben … damals.

Daran wollte Nico jetzt lieber nicht denken.

Jedenfalls hatte Pino ihn gestern Abend gleich nach seiner Ankunft angerufen und wissen wollen, wann und wo sie sich zum Essen treffen würden. Natürlich hatte Nico abgelehnt.

Das Dörfchen Silibri war in Rom eingefallen und schien fest entschlossen, ihm ein Stück Heimat mitzubringen. Dabei war Nico seit seinem sechzehnten Lebensjahr auf der Flucht vor dieser Herkunft!

Was zog ihn immer wieder dorthin zurück? War es sein schlechtes Gewissen oder sein Pflichtgefühl? Er wusste es wirklich nicht.

„Räum bitte den Tisch ab, Aurora“, wiederholte er in warnendem Ton.

„Aber ich will das auch nicht haben.“ Widerwillig schüttelte sie den Kopf. „Ich möchte mir neue Schuhe kaufen und brauche den Platz im Koffer.“ Ihre Augen wurden schmal. „Das heißt, wenn ich in meiner Freizeit überhaupt shoppen gehen darf?“

Ihre sarkastische Bemerkung hätte ihn fast zum Lächeln gebracht. Aber nur fast.

Ein Lächeln. Ein Kuss. In Bezug auf Aurora konnten einen diese Dinge ordentlich in Schwierigkeiten bringen.

Also musterte er sie ruhig und zog nur leicht eine Augenbraue hoch. „Mir ist völlig egal, was du machst, wenn du frei hast, Aurora.“

„Gut.“

„Doch im Moment sollten wir den Kram hier loswerden und uns an die Arbeit machen“, schloss er. „Wir sind schon spät dran.“

„Ich nehme es“, schaltete Marianna sich hastig ein. „Und ich besorge die Stoffmuster für das Meeting nachher.“

„Stoffmuster?“

„Heute soll die Entscheidung wegen der Silibri-Uniformen fallen.“

„Welche Entscheidung?“ Nico atmete tief durch, um seine Verwirrung zu überspielen. Ernsthaft? Seit wann musste er sich persönlich um irgendwelche Uniform-Auswahlverfahren kümmern?

„Sie mögen das Grün nicht“, erwiderte Marianna.

„Aber das wird in all meinen Hotels verwendet. Ich möchte die Einheitlichkeit gew…“

Nico unterbrach sich selbst. Seine Einwände würden bis zur Besprechung warten müssen. Darum nickte er seiner Assistentin nur ungeduldig zu, die alle Flaschen vom Tisch nahm und eilig den Raum verließ.

Sie wirkte viel zerstreuter als sonst, aber diesen Effekt hatte Aurora eben auf Menschen, fand zumindest Nico.

Verwundert sah er dabei zu, wie sich Aurora auf den Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch setzte. „Solltest du Marianna nicht auf Schritt und Tritt folgen?“

„Ich wollte diesen kurzen Moment unter vier Augen nutzen, um mich für meine Indiskretion zu entschuldigen“, behauptete sie. „Weil ich diesen kleinen Scherz über damals gemacht habe, als du in unserem Haus gewohnt hast.“

Irgendwie klang das wahnsinnig unpassend, denn es gab nichts Amüsantes an dieser Geschichte. Verlegen schnitt Aurora eine Grimasse. Ihr Vater hatte den jungen Nico schlafend im Park aufgefunden – nachdem Nico von seinem eigenen Vater verprügelt worden war – und darauf bestanden, dass er mit zu ihnen nach Hause kam. Sie hatten ihm Auroras Zimmer zur Verfügung gestellt und sie auf einem Gästebett im Elternschlafzimmer untergebracht.

„Entschuldigung angenommen“, brummte er und widmete sich wieder seinen Unterlagen.

Er war sauer, das merkte sie deutlich. Und sie ärgerte sich über sich selbst. Es war ihr wichtig gewesen, möglichst selbstbewusst aufzutreten, wenn sie ihn traf, aber das war gründlich schiefgegangen.

„Na, jedenfalls waren wir ja nie zusammen im Bett“, plauderte sie weiter und stieß unter dem Tisch sein Knie spielerisch mit ihrem Fuß an. „Du hast mir die Jungfräulichkeit auf der Couch geraubt!“

Ihr stockte der Atem, als Nico plötzlich ihren Knöchel packte und kurz festhielt. Für eine Sekunde wünschte sie sich, er würde mit dieser warmen, kräftigen Hand ihr Bein hochfahren, doch stattdessen blickte er sie nur finster an.

„Ich habe sie nicht geraubt, Aurora. Du hast sie mir bereitwillig geschenkt“, korrigierte er sie und ließ ihren Knöchel los. „Um genau zu sein, hast du mich regelrecht angebettelt.“ Er drehte sich zu seinem Computer um. „Das ist alles längst vergessen.“

Lügner.

Für Nico war Sex eine gelegentliche, wenig emotionale Notwendigkeit. Er beschränkte sich auf bedeutungslose Affären in seiner Hotelsuite und nahm keine Frau mit zu sich nach Hause.

Kein Vergleich zu dem hitzigen, zügellosen, leidenschaftlichen Intermezzo, das er mit Aurora erlebt hatte. Nichts war damit vergleichbar!

„Vergessen?“, hakte sie nach.

„Es ist nur dieses eine Mal passiert, und das ist lange her.“

„Vier Jahre ist nicht lange.“

Das war Ansichtssache, jedenfalls hatte Nico seitdem einen hohen Preis dafür gezahlt. Dieser eine Ausrutscher hatte ihn Millionen gekostet. Gut zehn Millionen.

Obwohl die Kosten für ein neues Hotel das kleinere Übel waren, verglichen mit einer weiteren Nacht unter dem Dach der Messinas.

Als sie aufstand und zum Fenster ging, sah er nicht hoch.

Diese Situation konnte man nur als Hölle bezeichnen! Nico war sich im Klaren darüber, wie mies er Aurora behandelte. Er hätte niemals mit ihr schlafen dürfen.

Sie hätten heiraten sollen. Natürlich war keiner von ihnen beiden je gefragt worden. Es war einfach eine feste Annahme gewesen. Das Haus ihrer Großmutter war Auroras Vater Bruno übertragen worden, und er hatte es instandgehalten, damit sie und Nico nach ihrer Hochzeit darin leben konnten.

Doch Nico hätte sich nichts Schlimmeres vorstellen können, als in diesem verfluchten Dorf festzusitzen – in unmittelbarer Nähe zu seinen Schwiegereltern – und in den Weinbergen zu schuften.

Aurora hatte es gefasst aufgenommen, als er ihr mitteilte, dass sie nie heiraten würden. Sie hatte gelacht und etwas geantwortet wie: Dem Himmel sei Dank.

Das Sonnenlicht hatte ihre großen Augen zum Glitzern gebracht, daran konnte er sich noch gut erinnern. Sie war erst sechzehn gewesen – ein dünnes, unerfahrenes Mädchen. Danach war er ihr jahrelang nicht mehr begegnet.

Oh, aber als sie sich schließlich wiedertrafen …

Verstohlen beobachtete er, wie sie auf die Vatikanstadt hinunterstarrte. Er konnte sich einfach nicht auf seinen Computerbildschirm konzentrieren. Es gab eben nichts Schöneres als eine attraktive sizilianische Frau.

Dunkle Augen und fast schwarzes Haar, sinnliche Kurven und ein höchst verführerisches Dekolleté. Direkt unter ihren reizvollen Brüsten wurde das weiße Kleid von einem schmalen Lederband zusammengehalten. Sie sah unheimlich sexy aus in diesem Outfit.

Am liebsten hätte er ihr den Stoff von den Schultern gezerrt, um ihre Brüste freizulegen, Aurora dann auf seinen Schoß gezogen und sie anständig in Rom willkommen geheißen!

Sein Blick fiel auf ihre Schuhe. Unscheinbar. Ganz im Gegensatz zu ihren spektakulären nackten Beinen. Und er wusste genau, was sich dazwischen verbarg. Und wie unglaublich feurig sie sein konnte! Er musste gewaltig aufpassen, sich nicht die Finger an ihr zu verbrennen.

Denn was er wirklich wollte, war ein Leben unter fester Kontrolle.

Aurora merkte, wie sie angestarrt wurde, und sie genoss das kribbelnde Gefühl, das diese Gewissheit in ihrer Magengegend auslöste. Und auch etwas tiefer …

Seit dieser verhängnisvollen Nacht hatte sie Nico natürlich schon öfter gesehen, war aber nie wieder allein mit ihm gewesen.

Jetzt waren sie es, wenn auch nur für wenige kostbare Momente. Im Stillen – oft auch vor einem Spiegel – hatte sie sich auf diese Gelegenheit vorbereitet und sich geschworen, auf jeden Fall Haltung zu bewahren. Und was tat sie nun?

Neckte und provozierte diesen verstockten, unterkühlten Mann, um eine Reaktion zu erzwingen. Diesen umwerfenden Mann, der sie für alle anderen seiner Zunft verdorben hatte!

Sie bereute es nicht, ihre Jungfräulichkeit an ihn verloren zu haben. Das würde sie niemals bereuen.

Angestrengt bemühte sie sich um einen lockeren Plauderton. „Mir gefällt Rom.“

„Schön.“

„Am frühen Morgen gefällt mir die Welt besonders gut. Heute war ich unterwegs und …“

Schweigend wandte Nico sich wieder seinem Bildschirm zu.

„Es fühlte sich an, als hätte ich die ganze Stadt für mich allein. Na ja, nicht die ganze …“

Sie dachte an die Cafés und Märkte, die gerade geöffnet worden waren, und an die Straßenkehrer, die zu dieser frühen Stunde ihr Tagwerk begannen. Der Spaziergang hatte sie auf dieses wichtige Gespräch mit Nico vorbereiten sollen … damit sie ruhig und gefasst blieb. So wie die aparten Schönheiten, mit denen er sich sonst umgab.

Jedes Mal, wenn sie davon in den Medien las, bereitete ihr das bittere Magenschmerzen.

„Heute Abend wollen wir alle zusammen eine Sightseeingtour machen“, verkündete sie und klang selbst für ihre eigenen Ohren wie eine einfältige Touristin. „Freust du dich schon auf die große Silibri-Eröffnung?“, erkundigte sie sich fröhlich.

„Ich bin froh, wenn sie vorüber ist.“

Wenn er endlich alles an seine leitenden Angestellten und Manager abgeben konnte! Wenn die Sache von allein lief und sich nicht mehr in der stressigen Aufbauphase befand.

Die Atmosphäre im Büro wurde immer angespannter, und Nico war erleichtert, als Marianna auftauchte und unter Auroras genauer Beobachtung mit ihm seinen heutigen Zeitplan durchging.

Er hatte in fünfzehn Minuten mit dem Hotelpersonal von Silibri einen Termin, danach bestand sein Tag aus zahlreichen Treffen mit Buchhaltern, Finanziers und Anwälten. Außerdem teilte Nico seiner Assistentin mit, dass er in dieser Nacht nicht im Hotel bleiben würde.

„Sie haben ein Frühstücksmeeting um sieben, und der Hubschrauber ist für neun Uhr gebucht.“ Marianna runzelte leicht die Stirn. „Normalerweise bleiben Sie doch hier, wenn Sie am nächsten Tag wegfliegen.“

„Ich werde heute Abend zu Hause schlafen“, verkündete Nico tonlos. „Können wir jetzt meinen Silibri-Zeitplan abgleichen? Ich möchte schnellstmöglich den Arzt meines Vaters aufsuchen.“

„Du fährst nach Hause?“ Aurora blinzelte verwirrt. „Warum machst du das, wenn wir doch alle hier sind?“

„Es ist kein Familientreffen“, seufzte er. „Du bist wegen deiner Ausbildung hergekommen.“

„Signor Caruso und ich gehen jeden Morgen seinen Terminplan durch, Aurora“, erklärte Marianna. „Das perfekte Timing spielt im Arbeitsalltag eine wichtige Rolle.“

„Natürlich“, stimmte Aurora zu, wunderte sich aber trotzdem darüber, dass Nico Rom sofort verlassen wollte, nachdem sie angereist war.

Sie sprachen noch eine Weile über anstehende Aufgaben, danach hielt Nico die Tür für beide Frauen auf und folgte ihnen dann in den Konferenzraum.

Augenblicklich bereute er, direkt hinter Aurora zu gehen, denn der Duft von ihr hüllte ihn bei jedem Schritt ein und erinnerte ihn an die Chemie, die so leicht zwischen ihnen aufflammte. Die Anziehungskraft war immer noch da.

Im Sitzungssaal wartete bereits die gesamte Silibri-Abordnung, und sie begrüßten ihn herzlich. Viel zu herzlich.

„Hey, Nico! Wie schön, dich zu sehen!“

Und es wurden noch mehr Geschenke auf den Tisch gelegt. Unter anderem hatte ihm Francesca hausgemachte Biscotti und Kaffee mitgebracht.

Nur Vincenzo, sein Marketingmanager, saß steif da und beobachtete mit starrer Miene das fröhliche Durcheinander im Raum. Er strich sich nervös über das kastanienbraune Haar und warf Nico einen leicht fassungslosen Blick zu.

Für einen kurzen Moment wollte Nico Vincenzo dazu auffordern, sich zu entspannen. Wusste er denn nicht, wie man die Dinge in Sizilien anging? Kannte er diesen besonderen Humor und die Herzenswärme nicht? Unterhaltungen – auch geschäftliche – waren dort eine echte Kunstform, besonders in Silibri!

Aber natürlich hatte Vincenzo davon keine Ahnung. Er stammte aus der Filiale in Florenz.

„Fangen wir an“, sagte Nico laut und entschlossen. Er wollte diese Besprechung schnell hinter sich bringen.

Aurora sollte stellvertretende Marketingleiterin werden. Das hatte sie zwar nicht studiert, aber sie kannte sich in der Gegend gut aus und machte gerne Fotos. Außerdem hatte sie viele gute Ideen.

Vincenzo sprach von der allgemeinen Aufregung, die vor Ort wegen der bevorstehenden Eröffnung herrschte. Es gab sogar ein paar landesweite Interviewanfragen für verschiedene Tourismusmessen, das Frühstücksfernsehen und dergleichen.

„Ich werde mich darum kümmern“, schloss Vincenzo.

„Du kannst dir die Aufgaben mit Aurora teilen“, warf Nico ein.

„Aber ich hatte ein spezielles Medientraining“, widersprach sein Marketingmanager. „Aurora ist vom Typ her ziemlich … kraftvoll und direkt. Unser Ansatz ist dagegen eher eine sanfte Einladung von edler …“

„Vincenzo“, schnitt Nico ihm das Wort ab. „Das eben gerade war kein Vorschlag. Du wirst dich mit ihr absprechen und die anfallenden Aufgaben unter euch aufteilen!“

Damit tat Nico ihr keinen Gefallen. Vincenzo war ein eitler und selbstsüchtiger Mann, aber ein brillanter Manager auf seinem Gebiet. Andererseits strahlte Aurora mit ihrer Leidenschaft, ihrem lauten Lachen und ihrer unvoreingenommenen Liebe zu Silibri eine viel authentischere Anziehungskraft aus, als es Vincenzo jemals könnte.

„Nächster Punkt“, verkündete Nico und nickte Francesca zu.

„Die Anprobe der Uniformen hat sich verzögert“, begann sie.

„Dann erledigen Sie das zügig“, sagte er, wohlwissend, dass es bestimmt nicht einfach werden würde.

„Ich habe es versucht, aber das Personal hat Probleme mit der Farbwahl.“

„Und der Stoff …“ Es war das erste Mal, dass Aurora etwas sagte. „Die Wolle ist zu schwer und das Grün … Das ist total unvorteilhaft. Wir sehen damit aus wie Waldwichtel!“

Verständnislos starrte Nico sie an. Irgendwie entglitt ihm seine Souveränität, wenn Aurora in der Nähe war. Sie brachte ihn aus der Ruhe und machte es ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen.

Die dunkelgrünen Uniformen … Sie sahen unheimlich elegant aus und funktionierten ausgesprochen gut in England und Frankreich. Doch Aurora verglich sie mit Waldwichteln!

Aurora schenkte ihm ein schiefes Lächeln und konnte sehen, wie sehr er darum kämpfte, es nicht zu erwidern. Sie schaute immer noch erwartungsvoll auf Nicos schöne Lippen, als Vincenzo sich räusperte und sprach.

„Wir finden, dass die Kleidung in Silibri ruhig etwas legerer ausfallen darf.“

„Es ist ein Fünf-Sterne-Hotel.“ Nico schüttelte den Kopf. „Ich möchte nicht, dass meine Mitarbeiter zu lässig aussehen.“

„Natürlich nicht“, stimmte Vincenzo eilig zu. „Aber man könnte ein schönes französisches Leinen in Marineblau mit gestärkten weißen Hemden kombinieren.“

„Dann sehen wir doch aus wie Seeleute“, schmollte Aurora.

Seufzend presste sich Nico Daumen und Zeigefinger auf den Nasenrücken. Was zum Teufel hatte er sich eigentlich vorgestellt? Was hatte ihn dazu bewogen, ausgerechnet dieses Hotel in Silibri zu eröffnen? Er hätte das Land dort verkaufen sollen und fertig!

Wieso diskutierte er überhaupt über die Uniformen? Es war sein Hotel, und es hatte ganze vier Jahre gedauert, um endlich an diesen Punkt zu kommen. Das Problem bei diesem Silibri-Vorhaben war die Tatsache, dass die Angestellten es auch als ihr Hotel betrachteten.

Sie waren alle in den Prozess involviert, höchst motiviert und nahmen leider alles persönlich.

„Was ist mit dem gleichen Grünton wie in den anderen Hotels, aber Leinen statt Wollstoff?“, schlug Francesca vor, doch Aurora schüttelte den Kopf.

„Immer noch Waldwichtel.“

„Also, was schlägst du vor, Aurora?“ Verärgert warf Nico seinen Stift vor sich auf den Tisch.

Natürlich hatte sie spontan eine Antwort parat. „Persisch Orange.“

Aus ihrer scheinbar bodenlosen Tasche zog sie mehrere Stoffmuster hervor und reichte sie weiter an die übrigen Teilnehmer dieser Sitzung.

Es handelte sich um eine Leinenmischung, die nach ihrer Aussage absolut knitterfrei und pflegeleicht war. „Es ist die Farbe der Tempelruinen und der Kloster kurz vor Sonnenuntergang“, schwärmte sie. „Und du weißt, wie schön Silibri aussieht zu dieser Tageszeit. Mutter Natur wählt ihre Farben eben mit Bedacht aus.“

„Eine recht kühne Wahl“, kommentierte Vincenzo trocken. „Eventuell ein bisschen zu gewagt?“

„Ich finde es nicht zu gewagt. Im Grunde ist diese Aufmachung sogar recht schlicht und klar in ihrer Aussage“, widerlegte Aurora und neigte den Kopf etwas zur Seite.

Nico sah zu, wie ihre wissenden Augen Vincenzo fixierten.

„Haben Sie Angst, dass es sich mit Ihrem roten Haar beißt?“, erkundigte sie sich freundlich.

„Natürlich nicht.“ Vincenzo wurde zunehmend nervös und legte unbewusst eine Hand an seinen Kopf.

„Denn wir könnten leicht passende Schattierungen aussuchen, wobei Persisch Orange die Hauptfarbe bleibt.“

„Schattierungen“, wiederholte Vincenzo, und Nico beobachtete schweigend, wie sein Marketingmanager sich allmählich für die Idee seiner neuen Assistentin erwärmte. Und er bemerkte auch das kleine, selbstzufriedene Lächeln auf Auroras Gesicht.

Der Himmel helfe Vincenzo, mit dieser Frau zurechtzukommen!, dachte Nico und schüttelte kaum merklich den Kopf.

Sie war durch und durch Sizilianerin, so explosiv und unberechenbar wie der Vulkan Ätna, für den Sizilien berühmt war. Und wie der Berg ließ auch sie sich nicht zähmen. Sie war scharfsinnig und fleißig und …

Nein, in diese Richtung durfte er nicht weiterdenken.

„Ich werde es in Betracht ziehen“, murmelte Nico.

„In Betracht ziehen?“, wiederholte Aurora und zog die feinen Brauen hoch. „Aber was gibt es da zu überlegen, wenn die Idee perfekt ist?“

„Einiges“, entgegnete er knapp. „Nächster Punkt?“

Das Treffen war auf eine halbe Stunde angesetzt gewesen und dauerte nun schon über sechzig Minuten. Als Marianna während einer kurzen Pause auf der Toilette verschwand und Nico versuchte, sich davonzumachen, holte Aurora ihn schnell ein.

„Können war mal kurz reden? Mir ist da noch etwas eingefallen.“

„Es wurde alles in der Sitzung besprochen …“

„Es geht nicht um die Uniformen. Ich habe eine andere Idee für das Silibri-Hotel.“

„Dann diskutiere das mit Vincenzo, er ist dein direkter Vorgesetzter. Es gehört nicht zu meinen Aufgaben, mich mit den Einwänden von Assistenten zu befassen.“

Aurora missfiel seine kühle, snobistische Einstellung, und das sagte sie ihm auch. „Es ist Frühling, Nico, und die Sonne scheint. Trotzdem ist es in deiner Nähe so kalt, dass ich zittere.“

„Dann hol dir deinen Mantel! Aurora, lass mich etwas klarstellen, und das kannst du gern auch an deine Kollegen weitergeben! Du bist hier für eine Woche, um herauszufinden, wie die Dinge meiner Ansicht nach zu laufen haben. Genau so soll es dann auch im neuen Hotel organisiert sein. Du bist nicht hier, um dich zu amüsieren, Leute zu treffen oder kulinarische Köstlichkeiten auszutauschen. Ich habe kein Hotel in Silibri bauen lassen, um mein soziales Leben zu erweitern.“

Nico wollte diese unangenehme Unterhaltung endlich beenden.

„Du schaust Marianna für den Rest des Tages über die Schulter, si?“

Damit ließ er sie stehen und ging davon.

2. KAPITEL

Verflixter Mistkerl!

Auf miese und verletzende Art und Weise hatte er ihr klargemacht, dass er sie nicht um sich haben wollte.

Und wie gern hätte Aurora ihre eigenen Gefühle für ihn hinter sich gelassen! Ein für alle Mal! Sie in Grund und Boden gestampft und für immer vernichtet!

Es lohnte sich nicht, an einer Liebe festzuhalten, die nicht erwidert wurde. Oder an einer Schwärmerei …

„Aurora.“ Marianna tauchte plötzlich hinter ihr auf. „Wir müssen uns dringend unterhalten. Oder eher gesagt, du solltest mir jetzt gut zuhören!“

„Ich weiß schon, worum es geht.“

Doch sie bekam ihre Standpauke trotzdem: Wenn sie sich nicht ab sofort zusammenriss und weniger vorlaut war, würde sie den Rest der Woche dem Kantinenpersonal beim Arbeiten zugucken.

Obwohl Aurora verstand, was von ihr verlangt wurde, wusste sie einfach nicht, wie sie ihr Temperament im Zaum halten sollte. Schon gar nicht, wenn Nico in der Nähe war.

„Hallo, mein zukünftiger Ehemann“, hatte sie ihn früher immer neckisch begrüßt, wenn sie sich begegnet waren.

Dann hatte er meist spöttisch den Kopf geschüttelt und die Augen verdreht, als sei sie bloß ein frühreifer Teenager, der ständig um Aufmerksamkeit kämpfte. „Dein Vater hat gesagt, ich soll Brennholz für ihn machen“, hat Nico beispielsweise geantwortet, ohne jemals auf ihre Anspielung einzugehen.

Dennoch hatte sie stets gern dabei zugesehen, wie er Holz hackte. Und ihr Herz hatte sich vor Mitgefühl zusammengezogen, wenn er sein Oberteil auszog und sie einen neuen blauen Fleck oder eine andere Verletzung auf seinem Rücken entdeckte.

Wie konnte Geo ihm das antun? Wie konnte man Nico so hassen?

Manchmal hatte er sie angelächelt, und das waren für sie die schönsten Momente gewesen.

Nico hatte ihr nicht das Herz gebrochen, als er aus Silibri fortging – schließlich war sie damals erst zehn Jahre alt gewesen. Nein, der Herzschmerz kam erst später … bei einer seiner seltenen Stippvisiten, als Aurora schon sechzehn war.

Autor

Carol Marinelli
<p>Carol Marinelli wurde in England geboren. Gemeinsam mit ihren schottischen Eltern und den beiden Schwestern verbrachte sie viele glückliche Sommermonate in den Highlands. Nach der Schule besuchte Carol einen Sekretärinnenkurs und lernte dabei vor allem eines: Dass sie nie im Leben Sekretärin werden wollte! Also machte sie eine Ausbildung zur...
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