Der ruchlose Plan des feurigen Spaniers

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Diego Navarro hat einen skrupellosen Plan. Er wird Liliana, die schöne Verlobte seines Bruders, entführen - und sie selbst zu seiner Braut machen! Schließlich erhält derjenige von ihnen, der zuerst verheiratet ist, das Milliardenerbe des Großvaters. Doch als Diego mit Liliana auf seine paradiesische Privatinsel fliegt und sie dort heiratet, erkennt er seinen Riesenfehler. Denn die junge Amerikanerin glaubt an die Liebe, gibt sich ihm voll ehrlicher Leidenschaft hin - und bringt damit das kalte Herz des ruchlosen Spaniers in Gefahr!


  • Erscheinungstag 27.08.2019
  • Bandnummer 2402
  • ISBN / Artikelnummer 9783733712402
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Diego Navarro hatte Talent dafür, ständig sein Spielzeug kaputt zu machen.

Es hatte damals mit einem Holzauto angefangen, als er noch ganz klein war. Er hatte es nicht absichtlich zerstört, sondern nur testen wollen, wie stabil es war. Dafür hatte er es auf den Boden gedrückt und war hinterhergelaufen. Als er jedoch stolperte und auf sein liebstes Spielzeug stürzte, war ein Rad des Autos abgebrochen.

Seine Mutter hatte ihn liebevoll getröstet. Ihm die Tränen fortgewischt, die Teile des Holzautos aufgehoben und gesagt, dass es nicht schlimm sei.

Diegos Vater hatte jedoch nur lachend das zerbrochene Spielzeug an sich genommen und es ins Feuer geworfen.

„Wenn etwas kaputt ist, muss man es wegwerfen“, hatte er dabei düster gesagt.

Diese Worte hatten viele Jahre später in Diegos Kopf nachgehallt, als er am Grab seiner Mutter stand und beobachtete, wie sein Vater völlig emotionslos auf ihren Sarg hinunterblickte.

Diego hasste seinen Vater.

Dennoch war er ihm sehr viel ähnlicher als seiner Mutter. Sie war eine liebevolle und sanfte Frau gewesen, wie ein Engel. Ihr harter, gefühlloser Ehemann hatte ihr das Herz gebrochen. Dabei hatte er einst gelobt, sie zu lieben und zu ehren …

Diego hatte sein ganzes Leben lang immer wieder bewiesen, dass alles, was er anfasste, irgendwann kaputt ging. Bei einem Wutanfall kurz nach dem Tod seiner Mutter hatte er auf der Familienranch einen Schuppen mit den Oldtimern seines Vaters darin abgebrannt. Sein Vater hatte gewusst, wer für das Feuer verantwortlich war, und Diego hatte in der ständigen Angst gelebt, nun auch sterben zu müssen.

Doch stattdessen hatte sein Vater ihn voller Stolz und Anerkennung angesehen.

Das war für Diego noch viel schlimmer gewesen, denn es bedeutete, dass er wie sein Vater war.

Die nächsten Jahre hatte er versucht, sich mit dieser Tatsache abzufinden, und sein Schicksal immer wieder herausgefordert. Zu seinem achtzehnten Geburtstag hatte er von seinem Vater einen Sportwagen geschenkt bekommen, den er auf einer kurvigen Bergstrecke gegen eine Felswand setzte. Die Straße führte direkt an der Küste entlang, und er hatte Glück gehabt, dass er nicht ins offene Meer gestürzt war.

Diego empfand es jedoch als Strafe, dass er überlebt hatte. Es wäre für ihn wie eine Erlösung gewesen, auf den Meeresboden zu sinken und jung zu sterben, bevor er noch mehr Schaden anrichten konnte und noch mehr Menschen verletzte – ein Schicksal, das ihm unausweichlich vorausbestimmt war, wie ihm schien.

Im Laufe der Jahre fügte er sich immer mehr in sein scheinbar unausweichliches Schicksal und hinterließ eine Schneise der Verwüstung, wo immer er sich aufhielt.

Am meisten schadete er mit seinem Lebenswandel jedoch sich selbst.

Alles, was er berührte, ging in Flammen auf oder zerbrach.

So wie Karina. Sie war sein einziger Versuch gewesen, eine echte Beziehung mit jemandem aufzubauen.

Im Gegensatz zu ihm selbst war Matías, sein Bruder, ein tadelloser, durch und durch anständiger Mensch. Er war schon immer so gewesen, so wie auch Diego schon immer diese dunkle Seite an sich gehabt hatte. Matías hatte hohe Moralvorstellungen, und als Diego in jungen Jahren klar geworden war, dass er nie an seinen Bruder würde heranreichen können, da hatte er sich immer mehr von ihm distanziert.

Stattdessen hatte er Karina kennengelernt. Sie war aufregend, hübsch und voller Lebendigkeit gewesen und hatte ihr Leben noch schneller und intensiver gelebt als er selbst. Ihre Welt hatte aus Drogen, Sex und wilden Partys bestanden. Karina verkörperte all das, was er in seinem Leben suchte, um sich darin zu ertränken und seinen Kummer zu vergessen.

Nach einer kurzen Kennenlernphase hatte er Karina geheiratet, um sie für immer an sich zu binden.

Doch auch sie hatte er zerstört.

Es tat ihm wirklich leid, vor allem wegen des unschuldigen, ungeborenen Lebens, das mit ihr starb, aber sein Herz war durch Karinas Tod nicht gebrochen worden. Es war bereits an dem tragischen Tod seiner Mutter zerbrochen. Nun konnte es zumindest kein zweites Mal mehr brechen.

Dennoch lasteten Karinas Tod und der seines ungeborenen Kindes schwer auf seinen Schultern, wie ein dunkler Mantel aus Schuld und Traurigkeit.

Es war sein Schicksal – er hatte sich damit abgefunden.

Diego nahm einen großen Schluck Whisky und sah sich um. Er befand sich wieder einmal auf Michael Harts altmodischem Landsitz in New England. Sie spielten Karten, so wie der alte Mann es immer zu tun pflegte, bevor er zu den geschäftlichen Dingen überging.

Diego hatte zwar den Ruf, ein leidenschaftlicher Spieler zu sein, aber in Wahrheit hatte er sein Vermögen nicht in den Casinos von Monte Carlo gewonnen, sondern durch kluge Geschäfte hart erarbeitet. Er war ein hervorragender Investor, zog es aber vor, das nicht an die große Glocke zu hängen. Es war ihm lieber, wenn in den Schlagzeilen von seinem zügellosen, dekadenten Lebenswandel berichtet wurde, statt von seinen Geschäftserfolgen.

Diego hatte vor, einen Teil von Michael Harts Unternehmen zu kaufen. Außerdem gab es noch einen anderen Grund für seine Anwesenheit auf dem Landsitz – Michael Harts Tochter Liliana. Seitdem er sie vor zwei Jahren zum ersten Mal gesehen hatte, war er fasziniert von der schönen Erbin mit den engelhaften Gesichtszügen und den langen, weißblonden Haaren, die sie wie ein Heiligenschein umgaben.

Liliana war liebenswert und zart – nicht wie so viele andere amerikanische Erbinnen, die sich in High Heels und engen Kleidern präsentierten und wilde Partys feierten. Sie war zurückhaltend und bescheiden, wie eine zarte Rose. Jedes Mal, wenn er sie sah, wollte er die Hand ausstrecken und sie berühren.

Auch wenn er ihr dabei vermutlich Schaden zufügen würde – so wie wenn man bei einer Rose die empfindsamen Blütenblätter zerdrückt.

Er war kein ehrenwerter Mann – er war ein Kämpfer. Sein Großvater spielte ihn und Matías gerade gegeneinander aus. Der alte Mann hatte verschiedene Bedingungen gestellt, die die Brüder erfüllen mussten. Der Sieger würde das gesamte Familienvermögen sowie die Familienranch erben. Eine der Vorgaben war, dass sie bis zu einem bestimmten Termin eine Frau fanden und heirateten.

Matías war zu anständig, um sich nur aus finanziellen Gründen irgendeine Braut zu suchen, Diego hatte damit jedoch keine Probleme.

Wenn er Liliana Hart heiratete, würde er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – er bekam Liliana und konnte gleichzeitig die Sache mit dem Erbe lösen. Es ging ihm gar nicht um das Erbe an sich, sondern darum, gegen seinen Bruder zu gewinnen. Und um Liliana. Er wollte sie. Sie brachte sein Blut in Wallung wie keine andere Frau je zuvor.

Vielleicht wäre Michael Hart bereit, ihm im Gegenzug zu einer Investition in seine Geschäfte die Hand seiner Tochter zu versprechen?

Diego hätte sich weitaus mehr über die diktatorischen Vorgaben seines Großvaters geärgert, wenn sie ihm nicht die perfekte Gelegenheit gegeben hätten, der hübschen jungen Frau näher zu kommen.

Plötzlich erblickte er im Augenwinkel eine Bewegung und erkannte, dass es Liliana war. Sie stand im Türrahmen, spähte in den großen Raum und verschwand dann schnell wieder. Ein verwegenes Grinsen stahl sich auf Diegos Lippen. Er leerte sein Glas in einem Zug, stand auf und entschuldige sich bei den anderen Kartenspielern. Niemand wagte es, ihm Fragen zu stellen, als er Liliana mit großen Schritten hinterherging.

Er sah gerade noch, wie sie am Ende des langen Flures um die Ecke bog. Der dicke orientalische Teppich dämpfte seine Schritte, als er ihr nacheilte. Vor einer angelehnten Tür blieb er stehen, horchte und trat ein. Dort, hinter einem der ledernen Clubsessel in der kleinen Bibliothek, stand sie.

„Ms. Hart, wir hatten heute noch keine Gelegenheit, uns zu begrüßen“, sagte er lächelnd.

Lilianas Wangen färbten sich rosa. Sie wurde immer rot, wenn sie sich mit ihm unterhielt. Diego gefiel das, denn es bedeutete, dass sie ihn ebenfalls attraktiv fand. Was ihn allerdings nicht sonderlich überraschte, denn er wusste, wie gut er aussah. Falsche Bescheidenheit war noch nie sein Ding gewesen.

Ihre Faszination für ihn würde es ihm leicht machen, sie für sich zu gewinnen.

„Mr. Navarro. Ich wusste nicht … also … normalerweise nehme ich an den Geschäftstreffen meines Vaters nicht teil“, murmelte sie verlegen.

„Aber bei dem Geschäftsessen vor ein paar Wochen waren Sie doch auch dabei.“

Liliana sah auf ihre Hände. „Das war etwas anderes.“

„Tatsächlich? Ich habe fast den Eindruck, dass Sie mir aus dem Weg gehen, tesoro.“

„Was bedeutet tesoro?“, wollte sie wissen.

„Es bedeutet Schatz auf Spanisch“, erwiderte er und trat einen Schritt auf sie zu.

„Und warum nennen Sie mich so?“, fragte sie.

Diego stutzte. Ihre Arglosigkeit erstaunte ihn. Anscheinend hatte sie wirklich wenig Erfahrung mit Männern – zumindest mit Männern wie ihm. Mit Schurken wie mir, dachte er grimmig.

„Aber das sind Sie doch, oder? Für Ihren Vater sind Sie sicherlich ein wertvoller Schatz.“

„Ja, im Sinne von Handelsgut“, erwiderte sie schulterzuckend.

Diego lachte. „Tja, Geld regiert die Welt.“

„Es wäre so schön, wenn es anders wäre.“

„Gesprochen von einer Frau, die immer Geld im Überfluss hatte“, sagte er grinsend.

„Ich brauche keinen Luxus, sondern nur meine Bücher.“

Diego zog die Augenbrauen hoch. „Mir ist das wahre Leben lieber als eine staubige Bibliothek voll mit den Abenteuern anderer Menschen“, antwortete er.

Sichtlich genervt verdrehte sie die Augen. „Ja, ein echter Mann der Tat. Ich finde es wichtig, sich die Zeit zu nehmen und etwas über das Leben und die Welt zu lernen, statt sich einfach gedankenlos in jedes beliebige Vergnügen zu stürzen.“

„Mir war nicht klar, dass Sie so gesellschaftskritisch sind.“

„Ja, das passt überhaupt nicht zu meinem hübschen Äußeren, ich weiß.“

„Wer hat Ihnen denn den Unsinn erzählt?“, fragte er und ging noch einen Schritt auf sie zu.

„Mein Vater.“

Diego schüttelte den Kopf. „Damit liegt er falsch. Es macht Sie nur noch attraktiver.“

Sie sahen sich schweigend an, und Diego fühlte ein ungewohntes Sehnen. Natürlich begehrte er sie. Ihre unschuldige Art hatte etwas Unwiderstehliches, auch wenn er normalerweise eher auf erfahrene Frauen stand. Doch da war noch etwas anderes. Etwas, das tiefer ging.

Schließlich senkte Liliana den Blick und drehte sich weg. Der Schein des Feuers fiel auf ihre langen, weißblonden Haare. Fast wirkte es, als würde sie selbst von innen glühen.

Diego ging zu ihr. Sie drehte sich nicht um. Sanft strich er ihre Haare zur Seite, wobei seine Fingerspitzen die empfindliche Haut an ihrem Hals berührten.

„Du bist wirklich wunderschön, Liliana.“

Sie sah ihn mit einem wachsamen Blick über die Schulter an und sagte: „Das habe ich schon oft gehört. Normalerweise wollen die Männer dann etwas von meinem Vater.“

„Tatsächlich?“, erwiderte er. Es lag ihm auf der Zunge, zu sagen, dass auch er etwas von ihrem Vater wollte. Nämlich sie. Doch er behielt es lieber für sich.

„Ja, mein Vater ist ein einflussreicher Mann.“

„Das bin ich auch“, sagte Diego und legte ihr sanft eine Hand auf die Hüfte. Er spürte, wie sie sich unter seiner Berührung versteifte. „Glaub mir, tesoro, ich brauche weder das Geld noch die Unterstützung deines Vaters.“

„Wirklich nicht?“, fragte sie zweifelnd und hob eine Hand, so als wolle sie sein Gesicht berühren. Doch als wäre ihr plötzlich bewusst geworden, was sie da tat, zuckte sie zurück und geriet dabei ins Taumeln. Diego griff nach ihr und umfasste ihre Taille. Gemeinsam prallten sie gegen den Kaminsims. Liliana spürte, wie sich Diegos Oberkörper gegen ihren Busen presste.

Sie sah mit großen blauen Augen zu ihm auf. „Entschuldigung“, flüsterte sie und versuchte, sich zu befreien.

„Willst du wirklich gehen?“, flüsterte Diego.

„Ich muss“, erwiderte sie. „Ich bin dir heute absichtlich aus dem Weg gegangen.“

Unbewusst war sie auch zum Du übergegangen.

„Ich habe dich trotzdem gefunden.“

„Willst du gar nicht wissen, warum ich dich gemieden habe?“

Etwas in ihrer Stimme ließ ihn aufhorchen, und es interessierte ihn auf einmal wirklich. Er ließ Liliana los und trat einen Schritt zurück.

Plötzlich sah er den funkelnden Diamanten an ihrer linken Hand. „Warum, Liliana?“, fragte er gepresst.

„Wie ich schon sagte: Viele Männer sehen in mir eine gute Möglichkeit, um näher an meinen Vater heranzukommen. Nun, einer von ihnen hat ein Angebot unterbreitet, das mein Vater nicht ablehnen konnte … und ich auch nicht.“

In Diego brodelten Wut und Enttäuschung. Seine Stimme klang hart, als er hervorpresste: „Tatsächlich? Komisch, dass dein Vater kein Wort davon erwähnt hat.“

„Hast du etwa auch mit ihm um mich gefeilscht?“

„Ja“, gab Diego unumwunden zu, verschwieg dabei jedoch, dass er ihrem Vater Geld angeboten hatte, statt andersherum, wie sie sicherlich dachte. Dass es ihm nur um sie ging.

„Du bist wie alle anderen“, sagte Liliana enttäuscht und wandte sich von ihm ab. „Gut, das zu wissen.“

„Das ist jetzt völlig belanglos. Ich bezweifle, dass wir uns jemals wiedersehen werden.“

Liliana lachte freudlos. „Doch, das werden wir. An Weihnachten, an Geburtstagen und bei anderen Familienfesten.“

„Weshalb sollten wir uns da sehen?“, fragte Diego verwirrt.

„Weil ich deinen Bruder heiraten werde.“

2. KAPITEL

Liliana konnte es kaum glauben.

Sie würde heiraten.

Sie hatte ihr bisheriges Leben sehr behütet auf dem großen Anwesen ihrer Familie in den USA verbracht, und wenn sie verreist war, dann immer unter den wachsamen Augen ihres Vaters oder eines Au-pairs.

Zum allerersten Mal war sie wirklich frei.

Seit gut zwei Wochen war sie nun schon in Spanien bei Matías.

Ihrem Verlobten …

Unfassbar!

Sie hatte mit ihm in dieser Zeit jedoch weniger Worte gewechselt als in den Jahren zuvor mit seinem Bruder Diego.

Liliana schüttelte unwirsch den Kopf. Sie wollte nicht schon wieder an Diego denken. An seine dunklen Augen, seinen durchdringenden Blick und an sein verwegenes Lächeln. Seufzend sank sie auf die Kante ihres Bettes und ballte die Hände zu Fäusten. Matías und Diego sahen sich so ähnlich. Beide waren unheimlich attraktiv, und soweit sie das beurteilen konnte, war Matías ein viel besserer Mensch als Diego. Eigentlich hätte es egal sein können, welchen der beiden Brüder sie heiratete. Doch das war es nicht.

Es ging nicht nur um Diegos umwerfend gutes Aussehen. Er faszinierte sie. Er hatte eine beeindruckende, dunkle Ausstrahlung, und sie hatte sich vom ersten Moment an zu ihm hingezogen gefühlt. Es war wie ein dunkles, verzehrendes Feuer, das in ihr brannte, und jedes Mal, wenn sie ihm begegnete, loderten die Flammen höher.

Liliana gestattete sich nicht, im Internet nach Informationen über ihn zu suchen, auch wenn sie das zu gerne getan hätte. Sie war jetzt hier, bei Matías, und würde ihn auf Wunsch ihres Vaters heiraten. Matías war ein anständiger Mann, und ihr Vater wollte gerne die Geschäftsbeziehungen mit ihm vertiefen.

Ich sollte dankbar sein für die gute Wahl und mich in mein Schicksal fügen, ermahnte sie sich. Sie schuldete es ihrem Vater.

Trauer spiegelte sich auf ihrem Gesicht wieder, als sie daran dachte, dass er ihretwegen die Liebe seines Lebens verloren hatte. Ihre Mutter war bei der Geburt ihrer Tochter gestorben, und noch immer gab Liliana sich die Schuld daran. Sie wollte eine gute Tochter sein. Die Tochter, die ihre Mutter sich gewünscht hätte und die ihren Vater stolz machte.

Deshalb würde sie Matías ohne Widerspruch heiraten.

Sie hatte immer gewusst, dass ihr Vater bei der Wahl ihres Ehemannes ein Wörtchen mitzureden haben würde. Sie hatte es würdevoll und gelassen hingenommen, weil sie wusste, dass es ihre Pflicht war. Nur Diego gegenüber hatte sie sich ihren Unmut anmerken lassen, sonst niemandem.

Doch es war sinnlos, sich jetzt über diese Dinge den Kopf zu zerbrechen.

Diego hatte nicht einmal um ihre Hand angehalten.

Aber was, wenn er es vorgehabt hatte?

Liliana seufzte tief. Plötzlich hörte sie Schritte auf dem Flur, und ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie saß regungslos auf der Bettkante und hoffte inständig, dass es nicht Matías war.

Warum sollte er sie gerade jetzt besuchen? Er hatte in den vergangenen zwei Wochen kaum mit ihr gesprochen, geschweige denn versucht, sie zu küssen. Er benahm sich ihr gegenüber immer zuvorkommend und höflich. Außerdem war er schrecklich um ihr Wohl besorgt. Wann immer sie das Haus verließ, sorgte er dafür, dass man ihr einen Sonnenschirm brachte, um ihre blasse, sensible Haut zu schützen. Ganz so, als wäre sie eine Eisskulptur, die unter der gnadenlosen Sonne Spaniens einfach zerschmelzen würde.

Sie war vielleicht den Argusaugen ihres Vaters entkommen, aber dafür hatte ihr Verlobter jetzt die Rolle des übervorsichtigen Bewachers übernommen.

Heute hatte er ihr zum ersten Mal etwas zugetraut und sie aus den Augen gelassen. Es hatte auf der Ranch einen Unfall mit einem der Pferde gegeben. Ein Stallbursche war verletzt worden, und Matías hatte sich in den darauffolgenden Stunden um den Jungen gekümmert. Liliana hatte die Gelegenheit genutzt und war in Ruhe alleine auf der Ranch umherspaziert. Sie hatte es genossen, sich etwas umzusehen, ohne dass ihr dabei jemand auf Schritt und Tritt folgte wie eine besorgte Glucke.

Es war fast schon amüsant – Matías benahm sich beinahe wie ein beschützender großer Bruder und nicht wie ein Verlobter. Zumindest nicht so, wie sie sich einen Verlobten vorstellte.

Es war vermutlich kein gutes Vorzeichen für ihre zukünftige Ehe, dass sie darüber sehr erleichtert war.

Liliana hatte nie erlebt, wie ein verheiratetes Paar im Alltag miteinander umging. Sie wusste nicht genau, was für eine Ehe ihre Eltern geführt hatten, aber die Erzählungen ihres Vaters ließen vermuten, dass es eine leidenschaftliche Beziehung gewesen war. Auf jeden Fall hatte es ihrem Vater das Herz gebrochen, als seine Frau so unerwartet gestorben war.

Liliana fand es schwer vorstellbar, eine so innige Beziehung zu einem anderen Menschen zu haben. Vor allem nicht mit Matías.

Eigentlich wollte sie mit niemandem so eine enge Bindung eingehen.

Die Schritte entfernten sich wieder, und Liliana seufzte erleichtert. Sie war noch nicht bereit dafür, Matías körperlich näher zu kommen. Das war natürlich lächerlich, schließlich würden sie sehr bald miteinander verheiratet sein.

Der Gedanke daran, ihn zu küssen, war nicht irgendwie abstoßend. Es war nur so, dass sie jedes Mal, wenn sie die Augen schloss und es sich vorstellte, seine gut aussehenden, kantigen Gesichtszüge sich veränderten und plötzlich Diego statt Matías vor ihrem inneren Auge erschien.

Liliana hatte sich noch nie irgendwelchen Schwärmereien und Kleinmädchenfantasien hingegeben. Sie hatte immer gewusst, dass ihr Vater für sie eine Ehe arrangieren würde, und dass es sinnlos war, sich zu verlieben. Sie war keine Prinzessin, und ihr Leben war kein Märchen. Es würde kein weißer Ritter kommen und sie retten.

Doch dann hatte sie ihn kennengelernt.

Liliana fragte sich, ob man das, was sie für Diego fühlte, eine Schwärmerei oder Verliebtheit nennen konnte. Sie dachte plötzlich über Dinge nach, die die gut erzogene Liliana von früher niemals in Betracht gezogen hätte.

Aber Diego war nicht der passende Mann für sie. Ihr Vater wollte, dass sie Matías heiratete, also würde sie das tun. Sie hatte ihr Leben lang immer getan, was er von ihr erwartete. Es war ihre Pflicht. Die Bürde, für den Tod ihrer Mutter verantwortlich zu sein, lastete schwer auf ihren Schultern. Sie wollte es wiedergutmachen, indem sie die perfekte Tochter war. Denn immerhin lebte sie noch, wohingegen ihre Mutter tot war. Wie konnte sie sich also über irgendetwas beschweren?

Aber du wirst Diego niemals berühren dürfen …

„Das ist egal!“, platzte es aus ihr heraus. Liliana hatte nicht vorgehabt, die Worte laut auszusprechen. Schnell sah sie sich um, ob jemand sie gehört haben könnte.

Es war egal. Er war egal.

Sie hatte ihre Entscheidung schon vor langer Zeit getroffen. Sie hätte gegen ihren dominanten Vater rebellieren können, doch das tat sie nicht. Statt zur Universität zu gehen, hatte sie sich darin geübt, die perfekte Society-Lady zu werden. Bei den zahlreichen Geschäftstreffen und Abendveranstaltungen ihres Vaters hatte sie auf seinen Wunsch hin die Gastgeberin gespielt. Außerdem hatte sie sich von ihm einen Ehemann auswählen lassen.

Alleine der Gedanke daran, sich den Wünschen ihres Vaters zu widersetzen, ließ Liliana frösteln. Er war die einzige Familie, die sie hatte. Der einzige Mensch auf der Welt, der sie liebte. Wie konnte sie ihm da entgegentreten und ihr Glück herausfordern?

Vielleicht würde Matías sie auch eines Tages lieben.

Doch die Vorstellung ließ keine rechte Freude in ihr aufkommen.

Sie stand vom Bett auf und ging durch ihr luxuriöses Schlafzimmer. Die Ranch war riesig und sehr imposant. Doch das war für Liliana nichts Neues, sie war ihr ganzes Leben lang von Luxus und Reichtum umgeben gewesen.

Plötzlich schämte sie sich, weil es ihr so gleichgültig war.

Wie viele Frauen wären froh gewesen, Matías heiraten zu dürfen und ganz und gar seine Prinzessin zu sein? Sie wären begeistert, das wundervolle alte Herrenhaus und die riesigen Ländereien mit den vielen prachtvollen Pferden ihr Eigen nennen zu dürfen.

Doch Liliana fühlte nichts dergleichen – keine Freude, keinen Triumph, keine Begeisterung.

Nichts.

Sie trat ans Fenster, schob die Vorhänge zur Seite und schaute hinaus auf die gepflegte Rasenfläche. Das silbrige Mondlicht tauchte alles in eine unwirkliche, zauberhafte Stimmung.

Plötzlich bemerkte sie im Augenwinkel eine Bewegung. Ein Schatten huschte entlang der Büsche auf das Haus zu. Ohne weiter darüber nachzudenken, öffnete Liliana das Fenster und lehnte sich vor, um besser erkennen zu können, wer oder was dort unten langlief. Der Schatten näherte sich, und sie erkannte, dass es sich um einen Mann handelte.

Tatsächlich, dort draußen schlich ein Mann umher.

Sie sollte Matías Bescheid sagen. Jemand, der sich so verdächtig dem Haus näherte, gehörte ganz sicher nicht zum Personal. Doch dann überlegte sie, dass es sich vielleicht um ein heimliches Treffen unter Verliebten handelte, und der Mann nur seine Geliebte besuchen wollte. In dem Fall sollte sie Matías vielleicht doch nicht alarmieren. Sie wollte niemandes Liebesleben im Weg stehen, vor allem, weil sie selbst traurigerweise keines hatte.

Doch der Mann kam auf das Herrenhaus zu. Als er begann, die Wand mithilfe des Rosengitters und der Fenstersimse hochzuklettern, konnte Liliana ihm nur wie erstarrt zuschauen.

Sie sollte schreien und um Hilfe rufen, ging es ihr durch den Kopf. Doch sie tat es nicht. Sie stand einfach nur da.

Fast wirkte es, als würde sie den fremden Mann am geöffneten Fenster willkommen heißen.

Er kam immer näher, und als er nach oben blickte, sah sie seine Augen im Mondlicht blitzen. Immer noch brachte sie keinen Ton heraus und starrte ihn wie gebannt an. Erst als er ihr Fenster erreicht hatte und einen Arm um ihre Taille schlang, erwachte sie aus ihrer Starre und begann gellend zu schreien.

„Nun müssen wir uns beeilen, weil du eine Szene gemacht hast“, sagte er mit tiefer Stimme, die Liliana sonderbar bekannt vorkam. Sie beruhigte sich wieder.

Der Mann hob sie mit starken Armen über die Fensterbrüstung, und Liliana fand sich voller Entsetzen weit über dem Erdboden, mitten im Nichts hängend, wieder. Ob sie wollte oder nicht, sie musste sich an dem Mann festhalten, um nicht zu fallen. Wenn sie stürzte, würde sie sich mit Sicherheit ernsthaft verletzen. Oder Schlimmeres.

Nein, es war besser, sich an seinen breiten Schultern festzuklammern. Ihr Busen presste sich an seine feste Brust. Sein männlicher Körper strahlte eine betörende Hitze aus, und plötzlich wusste Liliana ganz sicher, in wessen Armen sie lag.

„Ein Hubschrauber wartet auf uns“, flüsterte er. „Halt dich an mir fest!“

„J… ja“, erwiderte sie unsicher.

„Gut“, sagte er und ließ sie langsam los. Liliana schlang ihre Arme noch fester um ihn, als er erstaunlich schnell wieder an der Fassade hinabkletterte.

Sie schickte ein Stoßgebet in Richtung Himmel, als ihre Füße sicher den Boden berührten. Ohne Umschweife hob er sie hoch und rannte los.

Sie hörte aus der Ferne Stimmen und Rufe. Eine dunkle Figur erschien an ihrem Schlafzimmerfenster, als sie über seine Schulter zurückblickte. Ihr Schrei hatte alle geweckt.

„Wir sind weg, bevor er sich in Bewegung setzen kann, glaub mir. Ich würde dich nicht entführen, wenn ich nicht sicher wäre, dass alles gut geht. Dafür bin ich mir zu schade.“

„Für Entführungen?“

„Für misslungene Entführungen“, sagte er ernst.

Er schob sie in ein wartendes Fahrzeug, und sie fuhren bis zum nahe gelegenen Waldrand. Dort hob er sie wieder aus dem Auto und trug sie wie einen Sack über der Schulter in den Wald.

„Warum genau entführst du mich?“, fragte Liliana. Es war schon sonderbar, dass sie überhaupt keine Angst vor ihm hatte. Sie wehrte sich ja nicht einmal!

Und sie verspürte auch keinerlei Verlangen danach. Überhaupt nicht. Vielmehr war sie neugierig, was er mit ihr vorhatte.

Schließlich hatte sie seit Wochen nur an ihn gedacht.

An Diego.

Ein Teil von ihr musste geahnt haben, dass er es war, denn warum sonst hätte sie ihm das Fenster öffnen sollen, als er sich dem Haus näherte?

Sie erreichten eine Lichtung, auf der tatsächlich ein Hubschrauber bereitstand. Diego hob sie mühelos hinein, schnallte sie an und nahm dann im Cockpit Platz.

Autor

Maisey Yates
<p>Schon von klein auf wusste Maisey Yates ganz genau, was sie einmal werden wollte: Autorin. <br/>Sobald sie mit einem Stift umgehen und ihre erste Worte zu Papier bringen konnte, wurde sie von der Leidenschaft fürs Schreiben gepackt und bis heute nicht mehr losgelassen. <br/><br/>Von da an konnte nichts und niemand...
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