Diagnose: filmreif!

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Lola kennt ihn erst eine halbe Stunde - und will ihm ihr Herz öffnen! Dabei hat Dr. Jake Lewis ihr gesagt, dass er sie für genauso oberflächlich hält wie viele Frauen in Hollywood. Warum flattern dann hundert Schmetterlinge in ihrem Bauch, wenn Jake sie nur anspricht?


  • Erscheinungstag 24.03.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751506069
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Lola! Wo steckst du? Lola!“, tönte eine ungeduldige Frauenstimme aus dem Wohnwagen.

Lola Bennett blieb einen Augenblick stehen und holte tief Luft.

Der Tag fing ja gut an. Hinter ihr murmelten der Regisseur, der Regieassistent und der Hauptdarsteller kaum verhohlen ihren Unmut. Unsinnigerweise fühlte Lola sich schuldig, dass die Frau, von der sie engagiert worden war, den Filmbetrieb aufhielt und damit die Produktionskosten in die Höhe trieb. Dabei konnte Lola nun wirklich nichts dafür, dass die überspannte Aktrice über leichte Magenkrämpfe klagte, die wahrscheinlich auf den übermäßigen Genuss ihres Grünkohl-Weizenkeim-Smoothies zurückzuführen waren.

Sei froh, sagte Lola sich. Das ist dein Traumjob, die Leiter zu den Sternen, der Fuß in der Tür …

Pah! Persönliche Assistentin von Filmstar Cameron Fontaine zu sein mochte für irgendeine arme Seele der tollste Job der Welt sein, doch für Lola entwickelte er sich mehr und mehr zum Albtraum. Manchmal erschien es ihr sogar verlockender, wieder als Kellnerin zu arbeiten. Aber dann brauchte sie sich nur umzublicken, die ruhmgeschwängerte Hollywood-Luft zu atmen, die Schauspieler über ihre Skripte gebeugt zu sehen – Drehbücher wie das, an dem sie gerade schrieb –, und schon durchrieselte sie wieder das prickelnde Gefühl, genau da zu sein, wo sie immer hingewollt hatte: in Los Angeles.

Nur hier konnte sie ihre wilden, verrückten Träume verwirklichen. In der Stadt der Engel.

Hätte nur Cameron Fontaine etwas mehr von der Sanftmut eines Engels …

„Lola!!“ Ihren Stimmbändern schien nichts zu fehlen.

„Ja, Miss Fontaine?“ Lola öffnete die Wohnwagentür. Eine schwere Duftwolke schlug ihr entgegen, die perfekt abgestimmte Mischung aus Zedernholz, Weihrauch und Sandelholz. Dazu Zitronenmelisse, die laut Aromatherapie Klarheit und Fokussierung fördern sollte.

Um einem Erstickungsanfall zu entgehen, wartete Lola einen Moment, setzte ein Lächeln auf und trat ein. Lächle und arbeite. Lächle und arbeite. „Hallo! Ich hoffe, es geht Ihnen besser. Hier ist das Paracetamol, das ich besorgen sollte. Und Ihr koffeinfreier Latte mit Cashewmilch.“

„Du bist ein echter Schatz.“ Die Hauptdarstellerin lag wie hingegossen auf dem weißen Ledersofa, die Hand anmutig auf der Stirn, und lächelte tapfer. Lola hatte oft genug gesehen, wie sie dieses besondere Lächeln vor dem großen goldgerahmten Badezimmerspiegel geübt hatte. „Sag mal, Süße, was wird am Set geredet? Geraten sie schon in Panik? Ich wette, der Regisseur ist am Schwitzen. Du kannst sie beruhigen, ich komme gleich. Ich muss erst meine Kräfte sammeln.“

„Vielleicht sollten Sie nicht nur trinken, sondern etwas Richtiges essen?“

„Machst du Witze? Die nächsten Wochen muss ich jeden Tag in dieses Teenie-Kostüm passen. Und ruf diesen Arzt an … wie hieß er noch gleich? Kim? Sag ihm, dass ich ihn brauche.“

Ging es ihr gar nicht um Aufmerksamkeit? War sie tatsächlich krank? Cameron Fontaine mochte ihre Starallüren haben, aber sie war eine hart arbeitende Schauspielerin mit hohen Ansprüchen an sich selbst. „Selbstverständlich“, antwortete Lola. „Ich kümmere mich sofort darum.“

Zuerst griff sie jedoch nach einer neuen Mineralwasserflasche und drehte sie auf.

„Lola, worauf wartest du? Ruf ihn an!“

Sie schenkte ein Glas voll. „Hier ist Wasser für Ihre Tabletten. Nehmen Sie sie am besten gleich, umso schneller wirken sie.“

Es würde ein sehr langer Tag werden, und Lola freute sich jetzt schon auf ihren Feierabend, wenn sie mit einem guten Buch ins Bett fiel, um der Realität zu entfliehen. Der Realität, die nicht so rosig war, wie sie erwartet hatte. Kein Filmstudio interessierte sich für ihr Manuskript, kein Regisseur hatte es bisher gelesen.

Mehr als einmal hatte sie überlegt, nach London zurückzukehren … Aber wie demütigend wäre es, nach Hause zu kommen und nicht nur eingestehen zu müssen, dass sie versagt, sondern auch, dass sie ihre Familie belogen hatte? Abgesehen davon brauchte sie das Geld, das ihr der an manchen Tagen verhasste Job brachte, um die unverschämt hohe Miete für ihr schäbiges Apartment zu zahlen. Und um nicht zu verhungern.

„Möchten Sie, dass ich die Krankenschwester des Filmstudios hole? Sie ist vor Ort und kommt sicher gern …“

„Sagtest du Krankenschwester? Schätzchen, ich habe Preise gewonnen, hol mir einen Arzt. Diesen Doktor Kim.“ Cameron schloss die Augen. Die Unterhaltung war beendet.

Lola betrachtete sie einige Sekunden lang. Man brauchte kein Mediziner zu sein, um mit einem Blick zu erfassen, dass sich die Schauspielerin bester Gesundheit erfreute. Ihr blondes Haar schimmerte, ihr Teint war rosig und glatt, und sie atmete gleichmäßig, während ein leichtes Lächeln auf ihren fotogenen Lippen lag.

Aber Lola war eine pflichtbewusste Assistentin. Sie zog ihr Handy aus der Tasche und wählte.

„Hallo!“ Cameron hatte sie angewiesen, stets mit einem Lächeln in der Stimme zu sprechen. „Ist dort die Hollywood Hills Klinik? Ja? Großartig! Ich rufe im Namen von Cameron Fontaine an. Sie braucht einen Arzt. Einen Moment bitte, ich frage kurz nach.“ Lola nahm das Telefon vom Ohr. „Ist es ein Notfall, Miss Fontaine?“

Die perfekt gezupften Brauen gingen in die Höhe, das makellose Gesicht wirkte heiter und völlig schmerzfrei. „Es kommt darauf an, was sie unter Notfall verstehen. Ich möchte einen Arzt sehen – also sollten sie sich beeilen.“

„Geht es um Leben oder Tod?“

„Ich denke …“ Sie schürzte die Lippen, ließ eine theatralische Pause folgen. „Nicht wirklich.“

„Liegen Sie im Sterben, Miss Fontaine?“

„Oh nein. Nein, nein, natürlich nicht. Aber sagen Sie das denen nicht.“ Cameron richtete sich graziös auf und strich sich das Kostüm der Sternenkriegerin glatt. Dabei zeichneten sich ihre perfekt definierten Bauchmuskeln ab, die im letzten Monat auf jedem Promi-Magazin zu sehen waren, nachdem die Schauspielerin in den Wellen vor Hawaii herumgetollt war – während Lola in L. A. zurückblieb, um in Camerons Villa in Bel Air den Frühjahrsputz zu überwachen, die Hunde in den Hundesalon zu bringen und für den Tag ihrer Rückkehr einen Lunch für fünfzig Personen zu organisieren.

Lola seufzte stumm und sagte ins Telefon: „Sagen Sie ihm bitte, er möchte so schnell wie möglich herkommen. Danke … Ja, das werde ich.“ Lola trennte die Verbindung und gab weiter, was die freundliche Dame am anderen Ende gesagt hatte. „Der Arzt wird bald hier sein. Er operiert noch, macht sich danach aber gleich auf den Weg.“

„Danke, du bist ein Schatz.“ Diesmal war ihr Lächeln echt.

Was immer Miss Fontaine geplagt hatte, schien sich in Wohlgefallen aufgelöst zu haben. Allerdings war sich Lola sicher, dass die Schmerzen zeitgleich mit dem Doktor wieder auftauchen würden.

„Entschuldigen Sie, Dr. Lewis, ein Anruf für Sie.“

„Schon wieder? Ich sagte doch, ich will nicht gestört werden.“

„Aber es ist das Filmstudio …“

„Jetzt nicht.“ Jake atmete tief die antiseptisch riechende Luft ein und wandte sich wieder seinem Patienten zu, einem neunzehn Jahre alten Footballspieler, der an einem Typ-2-Neurofibrom litt. Ständiges Ohrensausen, zunehmendes Taubheitsgefühl im linken Arm und unerwartete Stürze hatten auf einen großen Tumor am Gleichgewichtsnerv hingedeutet, was durch Untersuchungen schließlich bestätigt worden war.

Mit etwas Glück und Jakes Fähigkeiten sollte der Junge nach diesem Eingriff in der Lage sein, einen Ball zu fangen und weiterzugeben. Jake hoffte auch, dass er ihm das Hörvermögen zurückgeben konnte. Allerdings war das nicht sicher, und möglicherweise würde der junge Spieler seinen Traum von der Nationalmannschaft aufgeben müssen.

Die Zukunft des Jungen hing von dieser Operation ab, und da verlangte irgendeine störrische Schauspielerin, dass Jake zum Set rausfuhr? Und weswegen? Wahrscheinlich hatte sie Husten. Oder hörte die Flöhe husten!

Okay, vielleicht hatte er seine Vorurteile nicht im Griff, aber seiner Erfahrung nach war am Drehort im normalen Alltag noch nie ein Neurochirurg gebraucht worden. Notfälle ja, aber sie hatten gesagt, es sei keiner. Schon beim ersten Anruf.

Der OP-Helfer zögerte, den Hörer noch in der Hand. „Aber …“

„Wenn es ein Notfall ist, sollen sie 911 anrufen, und ich empfange sie dann in der Notaufnahme. Ansonsten fahre ich hin, sobald ich mit dieser komplexen Neurofibrom-OP fertig bin. Falls das für sie zu hoch ist, erklären Sie ihnen, dass ich Hirnchirurg bin. Sie dürfen gern drei Mal raten, was mich gerade hier festhält.“

Als James Rothsberg ihn über einen Headhunter für die Hollywood Hills Klinik angeworben hatte, war das der größte Karrieresprung in Jakes Berufsleben gewesen. Eine Gelegenheit, mit den besten Medizinern zusammenzuarbeiten, die Kalifornien zu bieten hatte. Und er verdiente genug, um seinen Eltern mit Zins und Zinseszinsen zurückzuzahlen, was sie für ihn mühsam zusammengespart hatten. Es reichte sogar für private Krankenpflege. Sein Vater hatte gesundheitlich stark abgebaut, und seine Mutter war auch nicht mehr die Jüngste.

Dass seine Eltern sich weigerten, Geld von ihm anzunehmen, stand auf einem anderen Blatt.

Zu dem neuen Job gehörte allerdings auch die Verpflichtung, im Extremfall einzuspringen, wenn in den Filmstudios ein Arzt gebraucht wurde. Und nachdem Dr. Kim wegen familiärer Angelegenheiten plötzlich Urlaub nehmen musste, war dieser Extremfall eingetreten. Jake blieb nichts anderes übrig, als damit zu leben, dass er es mit empfindlichen Egos zu tun bekam, die mindestens einen Facharzt verlangten, wenn sie ein Pflaster brauchten.

„Okay, alle zurück an die Arbeit“, drückte er aufs Tempo. „Konzentrieren wir uns, jetzt wird es knifflig …“

Drei Stunden später, nachdem er in einer bedrückenden Unterhaltung versucht hatte, den Eltern seines jungen Patienten ehrlich, aber auch hoffnungsvoll zu antworten, fuhr Jake auf das Gelände des Filmstudios. Seine Laune hätte nicht schlechter sein können. Ein Leben lang hatte er darauf hingearbeitet, Neurochirurg zu werden, und jetzt landete er als Vertretungsarzt in Hollywood! Er zeigte seinen Berechtigungsausweis vor und wurde zum Drehort gelotst.

Jake fand sich in einer anderen Welt wieder. Vor ihm die Attrappe eines zerborstenen Raumschiffs auf einem Wüstenplaneten. Um ihn herum Kreaturen mit drei Augen oder zwei Köpfen, die seltsamerweise sehr irdische Waffen trugen. Dazu ein Haufen Kabel und Leitungen, über die man schnell stolpern konnte. Um eine riesige Filmkamera standen besorgt dreinblickende normale Menschen herum, die irgendetwas auf einem Bildschirm betrachteten.

„Hey?“, sprach er einen Mann an, der eine Leiter an ihm vorbeitrug. „Wo finde ich Cameron Fontaine? Ich bin Arzt. Sie hat ein paar Mal angerufen, es scheint dringend zu sein.“

„Sie ist in ihrem Wagen. Geradeaus und dann links.“ Müde deutete der Mann quer übers Gelände. „Der größte Wohnwagen, Sie können ihn nicht verfehlen. Tun Sie uns den Gefallen und machen Sie sie wieder fit. Sonst drehen wir hier noch alle durch.“

Jake folgte den Hinweisen des Mannes und gelangte auf einen Parkplatz, auf dem ein gutes Dutzend Wohnwagen stand. Tatsächlich war der in der hintersten Ecke deutlich größer als die anderen.

„Entschuldigen Sie? Kann ich Ihnen helfen?“

Eine ärgerliche Stimme mit britischem Akzent ließ ihn herumfahren. Vor ihm stand eine junge Frau mit wildem rotem Haar und hellem Teint, auf dem sich Sommersprossen tummelten. Ihrem Stirnrunzeln nach zu urteilen, war sie nicht begeistert, ihn hier zu sehen.

„Ich suche Cameron Fontaine. Sie hatte um einen Besuch gebeten – ich bin Dr. Lewis.“

„Sie sind der Arzt? Wo ist Kim? Sie erwartet ihn.“

Glauben Sie mir, Lady, ich will auch nicht hier sein. „Dr. Kim ist zurzeit beurlaubt, und ich vertrete ihn.“ Jake nahm sich vor, mit James zu reden, sobald er wieder in der Klinik war. Das konnte doch bestimmt jemand anders übernehmen. Jemand, der weniger stark beschäftigt und fachlich weniger qualifiziert war. Jemand, der für den Filmzirkus mehr übrighatte.

Die Frau vor ihm schüttelte den Kopf, sodass die roten Locken auf ihren Schultern tanzten. Ihr Haar schimmerte wie poliertes Kupfer, und sie hatte schokoladenbraune Augen, groß … und voller Missbilligung. Sie trug ein Top in der Farbe ihrer Augen. Jake hatte keine Ahnung, warum ihm das überhaupt auffiel. Schwarze Skinny Jeans schmiegten sich an …

Lass es, ermahnte er sich. Er würde sie nicht von oben bis unten mustern und ihre Attraktivität einschätzen wie alle in dieser Stadt, wo Aussehen das Wichtigste war. Bestimmt war sie eins von den zahlreichen Möchtegern-Filmsternchen, geblendet vom Ruhm der Stars. Hübsch war sie allerdings. Nicht wie die hochgewachsenen gertenschlanken Brünetten, die in seinem Leben ein und aus gingen, aber sie hatte etwas, das sie von anderen abhob. Eine zerbrechliche Schönheit.

Okay, er hatte doch hingeschaut, und was er sah, gefiel ihm. Sie hatte einen tollen Körper. Mit Rundungen. So etwas sah man hier nicht oft … sinnliche weibliche Kurven.

Der enttäuschte Ausdruck in ihren Augen erinnerte ihn daran, dass er nicht hier war, um sich an ihren Brüsten zu erfreuen. „Na toll“, sagte sie. „Einfach großartig. Wir warten seit Stunden auf Sie, alle werden immer grantiger, geben warum auch immer mir die Schuld daran, und dann sind Sie noch nicht einmal der Richtige!“

„Holla.“ Er hatte allen Grund, frustriert zu sein, aber deswegen musste sie ihm dabei noch lange nicht Gesellschaft leisten! „Ich kann sofort wieder fahren, wenn Ihnen das lieber ist. Auf mich warten genug echte Patienten.“

„Nein, nein, nein. Bleiben Sie, wo Sie sind. Cameron will ihren Wagen nicht verlassen, und sie wird dringend am Set gebraucht. Bitte.“ Sie schien sich zusammenzunehmen und lächelte ihn an. Nicht sehr überzeugend, aber immerhin der Geist eines Lächelns. „Entschuldigen Sie. Ich bin Lola Bennett, Miss Fontaines persönliche Assistentin.“

„Jake Lewis. Neurochirurg der Filmstars … wie’s aussieht.“ Er streckte die Hand aus.

Sie ergriff sie und schüttelte sie kurz und kräftig. Ihre schlanke Hand war warm, und bei der Berührung prickelte seine Haut wie von einem leichten elektrischen Schlag. Lola Bennett blickte erst auf ihre Hände und dann ihn an. Fragend.

Im nächsten Moment blinzelte sie. „Okay! Gut! Geben wir unser Bestes, ja? Miss Fontaines Wohnwagen ist gleich hier drüben. Aber ich muss Sie vorwarnen, es könnte sein, dass sie nicht gerade begeistert sein wird, Sie zu sehen.“

Und diesmal lächelte sie wirklich. Teilnahmsvoll, ein bisschen verschmitzt, sodass in ihren dunkelbraunen Augen winzige Sternchen aufblitzten. Jake spürte, wie seine Herzfrequenz aufdrehte, während er Lola in den Wohnwagen folgte.

Er schrieb es dem bizarren Szenario zu, der außerirdischen Atmosphäre, die hier herrschte. Sein Blutdruck hatte sich eben nach der komplizierten Operation und der Fahrt durch verstopfte Straßen noch nicht wieder normalisiert. Mit Lola Bennett hatte das nicht das Geringste zu tun.

„Hallo!“ Das klang übertrieben fröhlich, und Jake meinte, eine leichte Panik in ihrer Stimme wahrzunehmen. Einen flüchtigen Moment lang tat ihm Lola Bennett leid. „Miss Fontaine? Der Arzt ist da!“

„Das wird auch Zeit. Kim? Oh, Kim, ich bin so froh, dass …“ Die blonde Schönheit, die Jake unzählige Male auf Plakatwänden in der gesamten Stadt und auf der Kinoleinwand gesehen hatte, richtete sich vom Sofa auf und starrte ihn an. „Sie sind nicht Kim.“

Sofort war Lola an ihrer Seite, redete mit ihr wie mit einem kleinen Kind, beruhigend und optimistisch zugleich. „Nein, Miss Fontaine, das ist Dr. Lewis. Jake. Er ist gekommen, um nach Ihnen zu sehen. Dr. Kim ist zurzeit nicht da.“

„Dann holen Sie ihn mir. Jack …“ Sie wedelte mit der Hand, als müsse sie einen aufdringlichen Hund verscheuchen. „… nützt mir nichts.“

„Jake“, berichtigte Lola sanft und warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. „Er arbeitet auch in der Klinik, also muss er gut sein. Exzellent, wette ich.“

Jake hatte genug von diesem Eiertanz und trat einen Schritt vor. „Miss Fontaine, ich vertrete Dr. Kim in seiner Abwesenheit. Dass wir ihn zurückholen, steht außer Frage. Was ist das Problem?“

„Das kann ich nicht mit Ihnen besprechen. Kim weiß alles.“

„Oka-a-ay. Dann muss es ja in Ihren Unterlagen stehen. Ich kann auch von hier aus darauf zugreifen.“ Er zog den Reißverschluss seiner Laptoptasche auf, holte seinen Computer heraus und fuhr ihn hoch. „Seien Sie bitte versichert, dass ich an die Schweigepflicht genauso gebunden bin wie Dr. Kim. Und meine Qualifikation entspricht seiner.“ Mindestens, wenn nicht noch mehr. „Wenn Sie mir nur sagen, was Ihnen fehlt, kann ich versuchen, Ihnen zu helfen.“ Ihm war bewusst, dass er leicht genervt klang. Aber in der Klinik warteten sehr kranke Patienten auf ihn. Statt dort zu sein, wo er wirklich gebraucht wurde, musste Jake sich hier mit einer überspannten Diva herumschlagen.

Die Schauspielerin begann zu zittern. „Was mir fehlt? Der richtige Arzt, das fehlt mir. Sie sind der falsche, also gehen Sie bitte. Jetzt. Ich möchte nur mit Kim sprechen.“

Das ist nicht ihr Ernst! „Ich kann Ihnen versichern, dass …“

„Kim oder keiner.“

„Dann keiner. Er wird erst in ein paar Monaten zurückkommen, und …“

„Gehen Sie.“

Jake unterdrückte einen derben Fluch. „Ich bin den ganzen Weg hierhergefahren, und dann wollen Sie nicht einmal mit mir reden? Einfach so?“

„Einfach so. Leben Sie wohl.“ Die Aktrice ließ sich in die Kissen fallen und schloss die Augen. Was anscheinend nichts anderes bedeutete, als dass er entlassen war.

„Tut mir leid, dass ich Ihre Zeit verschwendet habe“, knurrte Jake, knallte den Laptop zu, schnappte sich seine Tasche und verschwand nach draußen. Ihre Zeit? Er ballte die Faust um den Taschengriff und marschierte wütend Richtung Wagen. Was für eine Farce!

„Dr. Lewis? Jake? Bitte, warten Sie.“ Schon wieder der Rotschopf mit dem englischen Akzent. Jake wirbelte herum. Lola stand am Fuß der Stufen zum Wohnwagen, die Hände nervös verschränkt. „Kann ich Ihnen eine Tasse Tee holen? Würde das helfen?“

„Das bezweifle ich. Die bringt mir auch nicht eine vergeudete Stunde meines Lebens zurück.“

„Aber eine Pause könnte nicht schaden. Ein bisschen runterkommen, bevor Sie zurückfahren.“ Sie blickte auf ihre Armbanduhr. „Gleich beginnt die Rushhour, der alltägliche Albtraum.“

„Ich denke, ich hatte schon einen. Sagen Sie mir bitte, dass ich aufwache und alles nur geträumt habe.“

Lola zuckte mit den Schultern. „Sie ändert schnell ihre Meinung.“

„Das kann ich auch. Und zwar jetzt gleich. Ich werde nicht wiederkommen.“

„Möglicherweise wird sie Sie darum bitten. In ungefähr fünf Minuten.“

„Ich habe zu tun. Mit Patienten, die meinen Rat und meine Hilfe wirklich schätzen. Ich kann meine Zeit besser nutzen, als mich um hypochondrische Promis zu kümmern!“

Dass er Lola trotzdem zu dem Kantinenwagen folgte, verstand er selbst nicht ganz. Er wartete sogar, während sie für ihn und sich Tee bestellte. Marke English Breakfast.

Tee … der große Nervenberuhiger, wenn man die Briten fragte. Keine englische Fernsehserie, kein Kostümdrama, bei dem nicht mindestens zwei Mal Tee serviert wurde. Jake hasste Tee.

Aber er setzte sich zu ihr, nachdem sie das Tablett zu einem Baldachin getragen hatte, unter dem Plastiktische und – stühle standen. Lola wirkte niedergeschlagen, obwohl sie sich sehr bemühte, ihre Stimmung zu verbergen.

„Es tut mir so leid, Jake. Darf ich Sie Jake nennen? Oder ist Ihnen Dr. Jake lieber? Oder Dr. Lewis?“

„Jake ist in Ordnung.“

„Sie ist ein bisschen temperamentvoll, hat ihr Leben lang den Leuten gesagt, wo es langgeht. Und sie tun eben, was sie will.“ Sie schnipste mit den Fingern. „Ich auch, muss ich gestehen. Allerdings werde ich dafür bezahlt. Doch ich bin sicher, dass sie mit Ihnen redet, wenn sie erst in Ruhe darüber nachgedacht hat.“ Sie schenkte ihm ein beschwichtigendes Lächeln, das ihre Augen zum Leuchten brachte. „Ganz bestimmt.“

„Was auch immer sie Ihnen zahlt, es ist nicht genug. Kündigen Sie, suchen Sie sich einen anderen Job.“ Das klang arroganter, als er beabsichtigt hatte. Aber Jake war immer noch sauer. Wie konnte Lola so mit sich umspringen lassen?

Das Licht in den dunklen Augen erlosch. „Wie bitte?“

„Es ist nicht gesund, sich mit Egomanen abzugeben. Nur weil Sie wahrgenommen werden wollen, weil Sie im Showbiz Karriere machen wollen? Ist sie Ihr Ticket zum Olymp? Wollen Sie Schauspielerin werden – wie all die anderen, die hierherkommen, um sich eines Tages im Rampenlicht zu sonnen? Das ist es nicht wert, Lola. Machen Sie sich nicht von so einer Frau abhängig. Sie werden eines Tages durchdrehen.“

Lola betrachtete ihn verwundert, ja, fast ärgerlich. „Was geht Sie das an?“

Gute Frage.

Normalerweise verspürte er nicht das Bedürfnis, sich in das Leben anderer einzumischen. Im Gegenteil, er hielt sich sehr zurück. Vor allem bei Frauen, die das geringste Interesse schnell als Zeichen deuteten, dass er mehr von ihnen wollte. Was nicht stimmte. Lockere Affären ja, feste Beziehungen nein, so lief das bei ihm.

„Ich wollte nur sagen, dass es Besseres gibt, als sich als Assistentin herumschubsen zu lassen oder kleine Nebenrollen zu spielen. In der Filmbranche schaffen es die wenigsten ganz nach oben, und nur ein Bruchteil kann davon leben. Wenn Sie meine Meinung hören wollen …“

„Nein, möchte ich nicht“, unterbrach sie ihn. „Trotzdem vielen Dank, dass Sie mir den Tag endgültig ruiniert haben.“ Sie starrte auf die Dampfschwaden, die aus ihrer Tasse stiegen, riss zwei Zuckerpäckchen auf und rührte den Inhalt in den Tee.

Jake fand das sympathisch. In dieser Stadt würden die meisten Frauen lieber Staub essen als Zucker. Er sah Lola an und wurde das Gefühl nicht los, dass sich ein Gewitter zusammenbraute. Dicker Ärger lag in der Luft, und Jake gestand sich ein, dass er daran nicht schuldlos war. Mies gelaunt hatte er diese Diskussion losgetreten und damit alles noch schlimmer gemacht.

Falls Lola recht hatte und Cameron ihn bitten würde zurückzukommen, wäre es besser, sich mit ihrer Assistentin zu vertragen. Außerdem wollte er nicht, dass James von dieser Geschichte erfuhr. Sein Chef legte großen Wert darauf, dass alle seine Patienten mit Samthandschuhen angefasst wurden. Was im Grunde auch Jakes Credo war: Der Patient kam immer an erster Stelle.

Außerdem verspürte er Gewissensbisse, dass er für Lola den Stress noch erhöht hatte. Jake ertappte sich dabei, dass er sie wieder lächeln sehen wollte.

„Lola …“

„Ach, das war nicht alles? Was wollen Sie noch aufs Korn nehmen? Auf meinem Job und meiner erbärmlichen Zukunft haben Sie ja schon herumgetrampelt. Wie wäre es mit ein paar abfälligen Bemerkungen über mein Gesicht oder meinen Körper?“

Oh ja, sie war sauer auf ihn. Und wie! In dem Ton hatte noch nie jemand mit ihm gesprochen. Goldene Funken blitzten in ihren Augen auf. Es war … nun ja, ziemlich interessant.

Lola beugte sich vor und stieß den Teelöffel in seine Richtung. „Sie wissen nicht das Geringste über mich. Wie kommen Sie dazu, mir auch nur irgendeinen Rat zu geben?“

„Ich …“

Sie ließ ihn nicht ausreden. „Tja, Dr. Allwissend, da Sie so bereitwillig eine Lebensberatung anbieten, revanchiere ich mich doch gern. Es interessiert mich nicht, wer Sie sind oder wie toll Sie in Ihrem Beruf sind. Ihre Herablassung können Sie sich sparen und Ihre Vorurteile ebenfalls, okay? Ich wollte nur freundlich sein, weil Cameron wirklich ein Miststück sein kann. Ich verstehe, dass Sie sich über ihre Starallüren geärgert haben, aber sie ist trotzdem eine hervorragende Schauspielerin und kann auch rücksichtsvoll sein. Selten, doch es kommt vor.“

Bevor er Luft holen konnte, um zu antworten, redete sie weiter. „Ich dachte, eine Tasse Tee und eine nette Unterhaltung könnten den Druck aus dem Kessel nehmen. Aber wissen Sie was? Vergessen Sie’s! In L. A. gibt es genug Ärzte, die ihren rechten Arm für diese privilegierte Position geben würden. Ärzte, die helfen wollen. Ärzte, die freundlich sind. Deshalb rufe ich jetzt einen von ihnen an, ja? Ich glaube, wir sind hier fertig.“

Sprach’s, schob ihren Stuhl zurück und stand auf. Ihr sonst blasses Gesicht war gerötet und das sonnige Lächeln nur noch eine schwache Erinnerung. Und zu seinem Leidwesen stellte Jake fest, dass Lola Bennett etwas fertigbrachte, was keine Frau je zuvor geschafft hatte: Er war drauf und dran, ihr nachzulaufen und Abbitte zu leisten.

2. KAPITEL

„Lola?“

Sie stöhnte stumm. An manchen Tagen würde sie sonst was für einen anderen Vornamen geben. Lola zögerte auf ihrem Weg zurück zum Wohnwagen und blieb schließlich stehen, während sie hoffte, dass ihre Wangen nicht mehr so knallrot aussahen, wie sie sich anfühlten.

Der Herr Doktor mochte eine Augenweide sein mit seinem kurzen dunklen Haar, den aufregend blauen Augen und einem Körper, um den ihn der Hauptdarsteller beneiden musste. Aber Jake Lewis war ein aufgeblasener Mistkerl im Maßanzug, und er sollte nicht glauben, dass er die Oberhand behielt.

Leider war er auch der einzige Arzt vor Ort, also musste sie nett zu ihm sein, denn es könnte weitere zwei Stunden dauern, einen anderen zu finden. Lola war sich nämlich ziemlich sicher, dass Cameron bald auf die Idee kam, dass sie heute doch noch mit einem Arzt sprechen musste.

Sie holte tief Luft und drehte sich zu ihm um. „Ja? Was ist denn noch?“

„Sie haben Ihren Tee nicht ausgetrunken.“

Autor

Louisa George
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