Dich werde ich immer begehren

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Wohler als in Travis’ Armen fühlt sich Natalie nirgends. Niemand kann ihr etwas anhaben, keiner kann sie bedrohen! Vergessen ist das schlimme Erlebnis, als sie von Räuber überfallen wurde. Aber kann sie auch vergessen wieso sie Travis schon einmal verlassen hat?


  • Erscheinungstag 12.08.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733718183
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Travis Whelan stieg zusammen mit Scheich Darin ibn Shakir, einem Freund aus dem „Texas Cattleman’s Club“, aus dem Privatflugzeug. Sie waren gerade auf dem kleinen Flughafen von Royal, Texas, gelandet, und Travis hatte nur drei Dinge im Sinn – eine heiße Dusche, ein kaltes Bier und mindestens eine Woche lang ununterbrochen schlafen. Und, würde er das bekommen?

Natürlich nicht. Darin und er waren zu einer Silvesterparty auf David Sorrensons Ranch eingeladen. Aber der knappe Text der Einladung, die sie bei ihrer Ankunft auf dem Flugfeld erhalten hatten, täuschte sie beide nicht. Davids Party war nicht der eigentliche Grund, warum sie dorthin beordert wurden. Travis und Darin wussten beide, dass der „Cattleman’s Club“ wieder einen wichtigen Fall aufzuklären hatte.

„War in der Nachricht ein Hinweis, was los ist?“, fragte Travis seinen Freund, der ausdruckslos neben ihm auf dem Beifahrersitz seines silberfarbenen Geländewagens saß.

„In der Einladung stand nichts“, antwortete Darin und starrte weiter geradeaus.

„Es muss verdammt wichtig sein, wenn es nicht bis übermorgen warten kann. Da treffen wir uns doch ohnehin, um über den Obersbourg-Fall zu sprechen“, meinte Travis und lenkte seinen Wagen auf die Straße, die zur TXS-Ranch führte.

Darin nickte kurz. „Es hat den Anschein.“

Überrascht schaute Travis ihn an. Darin war in einer ausgesprochen redseligen Stimmung, was nicht viel besagte, denn normalerweise beschränkte er seine Antworten auf ein oder zwei Worte, und das auch nur, wenn man ihn direkt ansprach. Ansonsten schwieg er. Er war ein Einzelgänger, dessen Miene stets genauso düster wirkte wie die schwarze Kleidung, die er ständig trug.

Zwei Monate hatten sie zusammen daran gearbeitet, den Attentäter zu finden, der versucht hatte, Mitglieder der königlichen Familie der Obersbourgs zu ermorden. In dieser Zeit hatte Travis den mysteriösen, grübelnden Scheich kaum näher kennengelernt. Eigentlich wusste er von Darin nur, dass dieser so viel schwarzen Kaffee trank, dass er wahrscheinlich schwarzes Blut vergießen würde, sollte er sich beim Rasieren schneiden, und dass er absolut nichts mit dem ganzen Drum und Dran seiner eigenen königlichen Herkunft zu tun haben wollte und es vorzog, allein zu arbeiten.

Während er seinen Wagen auf die Auffahrt zur TXS-Ranch lenkte, gähnte Travis herzhaft und sah auf die Uhr am Armaturenbrett. Wenn er Glück hatte, würde er kurz und knapp über die nächste Mission des Clubs informiert werden, dann würde er jemanden bitten, Darin nach Haus zu fahren, und zusehen, dass er selbst noch vor Beginn des neuen Jahres in seinem Bett lag.

Niemand in Royal würde wohl vermuten, dass er als stadtbekannter Playboy und Staatsanwalt so das neue Jahre beginnen wollte. Doch die Leute sahen nur die sorgfältig aufgebaute Fassade, die Travis errichtet hatte, um seine Arbeit für den „Cattleman’s Club“ zu verbergen – wie Travis wirklich war, das wussten sie nicht.

Er musste schmunzeln, als er daran dachte, wie sehr sich die allgemeine Einschätzung von seinem wahren Ich unterschied. Nur seine jüngere Schwester Carrie und sein bester Freund Ryan Evans kannten bis zu einem gewissen Grad die Wahrheit. Im Grunde seines Herzens war Travis ein schlichter Cowboy, der sich in Jeans und einem alten Arbeitshemd viel wohler fühlte als in Anzug und Krawatte. Und häufig genug verbrachte er seine Samstagabende gemütlich auf der Couch in seinem Wohnzimmer – mit einer Tüte Popcorn und einem kalten Bier – und sah sich einen alten Film an. Allein.

Als er an die alten Filme dachte, tauchte das Bild der Frau vor seinen Augen auf, die ihn für diese Filme begeistert hatte. Wie verbrachte sie die Silvesternacht? Sah sie sich ihren Lieblingsfilm in den Armen eines anderen Mannes an?

Dieser Gedanke versetzte Travis einen Stich, und er musste sich daran erinnern, dass die Geschichte lange vorbei war. Zwischen ihnen hatte es nicht funktioniert, und es war sinnlos, noch länger darüber nachzugrübeln. Natalie Perez hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass sie ihn nie wieder sehen wollte.

Er parkte seinen Wagen hinter einer Reihe von Fahrzeugen, die von einem kleinen Sportjaguar bis zu diversen Jeeps reichten, stieg zusammen mit Darin aus und ging auf das Haus zu, aus dem Musik und fröhliches Lachen drangen.

Travis gähnte erneut, als er auf die Klingel drückte. Sobald man Darin und ihn darüber informiert haben würde, was los war, würde er verschwinden. Auf ein kaltes Bier könnte er zur Not auch verzichten, nichts jedoch würde ihn von einer heißen Dusche und seinem breiten Bett abhalten. Was auch immer anlag, die Lösung des Problems würde bis morgen früh warten müssen.

Die Tür wurde geöffnet, und David Sorrenson strahlte Travis und Darin an. „Wir haben schon Wetten abgeschlossen, wann ihr zwei wohl endlich auftauchen würdet.“

„Na, das ist ja eine nette Begrüßung. Ich wünsche dir auch einen guten Abend, David“, meinte Travis lachend, als er und Darin das moderne Ranchhaus betraten. „Und? Wer hat gewonnen?“

„Ich glaube, Alex Kent ist der Glückliche.“ David fischte einen kleinen Zettel aus seiner Hemdtasche. Nachdem er einen Blick darauf geworfen hatte, nickte er. „Ja, Alex hat gesagt, ihr seid zwischen neun und zehn Uhr hier.“

„Wer ist noch gekommen, David?“, fragte eine attraktive kleine Blondine, die sich zu ihnen gesellte.

David schlang einen Arm um die Taille der Frau, bevor er den Kopf neigte und sie wie ein Soldat küsste, der gerade aus dem Krieg zurückgekehrt war.

Travis und Darin warfen sich einen Blick zu, und Travis stellte erstaunt fest, dass sich Darins Lippen zu einem Lächeln verzogen.

Was zum Teufel ging hier vor? Waren sie auf dem Rückflug über dem Bermudadreieck in eine andere Zeit eingetaucht, ohne es zu merken?

Darin war ungewöhnlich gesprächig gewesen. So freundlich wie zu dieser kleinen Blonden hatte er sich noch keiner Frau gegenüber gezeigt. Und jetzt lächelte der Scheich auch noch?

„Liebling, das sind Travis Whelan und Scheich Darin ibn Shakir“, stellte David sie vor und grinste dabei wie eine Katze, die gerade einen Kanarienvogel verspeist hatte. „Travis, Darin, ich möchte euch meine Frau Marissa vorstellen.“

„Deine Frau?“, fragte Travis ungläubig.

David nickte. „Und hoffentlich im nächsten Jahr um diese Zeit die Mutter meines Kindes.“

Jetzt wusste Travis mit Sicherheit, dass er in einer anderen Zeit gelandet war. David Sorrenson hatte immer beteuert, dass er nicht für die Ehe geschaffen sei und mit Kindern nichts anfangen konnte.

„Herzlichen Glückwunsch“, brachte Travis schließlich hervor, nachdem er den ersten Schock verkraftet hatte. „Was hat sich während unserer Abwesenheit noch alles getan?“

„Andover hat vor ein paar Tagen geheiratet“, verkündete David, der sich offensichtlich über Travis’ Verwunderung köstlich amüsierte. „Im Moment ist er gerade auf Hochzeitsreise in Europa.“

„Ich fasse es nicht.“ Feixend schüttelte Travis den Kopf. „Hat noch jemand von unseren Bekannten die Reihe der glücklich Vermählten verstärkt?“

„Noch nicht.“ David lachte. „Aber wer weiß, du und Darin, ihr könntet die nächsten Clubmitglieder sein, die zum Altar schreiten.“

Travis hob abwehrend die Hände. „Ich nicht. Ich bin nicht für die Ehe geschaffen.“

„Nein.“ Die Antwort des Scheichs war schlicht, doch sein Tonfall und sein Blick machten seinen Standpunkt mehr als deutlich.

Bevor sich alle von der Überzeugungskraft erholt hatten, die hinter Darins einsilbiger Antwort steckte, kam Ryan Evans zu der Gruppe in der Eingangshalle geschlendert. „Hallo, Travis, wird ja auch mal Zeit, dass du auftauchst. Du hast mich heute Abend fünfundzwanzig Dollar gekostet. Wenn du eine Stunde eher gekommen wärst, dann hätte ich den Pott gewonnen.“

„Hallo, Ryan.“ Travis umarmte seinen besten Freund brüderlich und klopfte ihm auf die Schulter. „Wie geht es dir sonst so, außer dass du mal wieder eine Wette verloren hast? Du bist nicht eingefangen worden, während wir weg waren, oder?“

Ryan schnaubte. „Eher lernt ein Esel fliegen.“

David lachte. „Ich überlasse es Ryan, euch auf den neuesten Stand zu bringen“, meinte er und wandte sich ab, um sich wieder um seine anderen Gäste zu kümmern. „Außerdem muss ich Alex sagen, dass er die Wette gewonnen hat, und ihm seinen Gewinn auszahlen.“

Während David und seine Frau davongingen, bedeutete Ryan den Neuankömmlingen, ihm zu der Bar zu folgen, die am anderen Ende des Zimmers aufgebaut war. „Kommt, lasst uns ein Bier trinken, und ich erzähle euch alles.“

Nachdem Travis von dem jungen Mann, den David als Barkeeper angeheuert hatte, eine Flasche Bier bekommen hatte, legte er den Kopf zurück und trank einen großen Schluck. Das war jetzt das kalte Bier; nun fehlten ihm nur noch die Dusche und eine Mütze voll Schlaf.

„Bevor du uns von diesem neuen Fall erzählst, möchte ich gern wissen, ob es Carrie gut geht.“ Er sah sich um. „Ist sie heute hier?“

„Deine Schwester?“, fragte Darin und trank einen Schluck schwarzen Kaffee, den er sich vom Barkeeper hatte geben lassen.

Travis nickte. „Sie im Auge zu behalten, ist fast ein Vollzeitjob.“

Ryan wandte sich an Darin. „Ja, und während ihr zwei in Obersbourg wart, musste ich für Travis Babysitten.“ Er lächelte verschmitzt. „Doch heute habe ich mal frei. Carrie und ihre Freundin Stephanie Firth organisieren irgendeinen Highschool-Ball oder so etwas Ähnliches.“

Lachend meinte Travis: „Aber wie ich sehe, hast du das Ganze überlebt.“

„Carrie-Bärchen war nicht gerade glücklich darüber, dass ich sie ständig überwacht habe“, meinte Ryan, wobei seine braunen Augen funkelten. „Doch ich kann dir mit hundertfünfzigprozentiger Sicherheit sagen, dass sie noch immer genauso rein ist, wie am Tag deiner Abreise nach Obersbourg.“ Er trank einen Schluck Bier. „Allerdings bin ich verdammt froh, dass du wieder zu Hause bist. Jetzt kannst du sie übernehmen. Im Augenblick hat sie ein Auge auf den neuen Doktor in der Stadt geworfen und versucht, alles über ihn herauszubekommen.“

„Wie heißt der Typ? Was weißt du über ihn? Ist er mit Carrie schon ausgegangen?“ Wie Schüsse aus einem Maschinengewehr feuerte Travis seine Fragen an Ryan ab, denn er war alles andere als erfreut über das, was sein Freund ihm erzählte.

„Nathan Beldon heißt der Mann, aber das ist auch schon alles, was ich über ihn weiß.“ Ryan nahm sich eine Handvoll Erdnüsse aus einer Schale. „Er lebt sehr zurückgezogen und geht auf keine der Partys, zu der er eingeladen wird. Und das wurmt Carrie-Bärchen. Sie hat ihn bisher noch nicht getroffen – aber nicht, weil sie es nicht versucht hätte.“

„Es ist mir egal, wie freundlich oder unsozial dieser Kerl ist, solange er sich von meiner Schwester fernhält“, meinte Travis und runzelte die Stirn.

„Wie alt ist deine Schwester?“, fragte Darin.

„Sie ist vierundzwanzig.“ Travis schüttelte den Kopf. „Aber sie ist viel zu naiv, um sich mit irgendeinem Arzt einzulassen, über den ich nichts weiß.“

Der Scheich nickte, als verstünde er Travis’ Sorge um die einzige Schwester. Dann konzentrierte er seine Aufmerksamkeit ganz auf Ryan. „Was ist so wichtig an dem neuen Fall?“

Ryans Miene wurde augenblicklich finster. „Es ist eine verflixte Sache. Anfang November, als die Jungs sich zum monatlichen Chili-Essen versammelt hatten, kam diese Frau auf einmal ins ‚Royal Diner‘ gestolpert. Ihre Kleidung war schmutzig und zerrissen, am Kopf hatte sie eine blutende Wunde, und im Arm hielt sie ein neugeborenes kleines Mädchen.“

Travis, der gerade noch einen Schluck Bier trinken wollte, hielt mitten in der Bewegung inne. Sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen, als er die Flasche wieder senkte. „Häusliche Gewalt?“

„Nein, das war es nicht“, sagte Ryan und warf sich eine Erdnuss in den Mund. „Kurz bevor sie zusammenbrach, flehte sie David an, nicht zuzulassen, dass ‚sie‘ ihr das Baby wegnehmen.“

„Wen meinte sie damit?“, fragte Darin mit zusammengekniffenen Augen.

„Wir wissen es nicht. Sie leidet seitdem unter Gedächtnisschwund.“ Mit gerunzelter Stirn stellte Ryan seine leere Bierflasche zur Seite. „Aber wer auch immer ihr einen Schlag auf den Kopf verpasst hat, er hat seine Sache gut gemacht. Sie hat eine Woche lang im Koma gelegen, und als sie schließlich aufwachte, wusste sie nicht einmal mehr, dass sie ein Kind hatte.“

„Was sagen die Ärzte?“, wollte Travis wissen, der bereits überlegte, was der „Cattleman’s Club“, für diese Frau tun konnte.

„Der Neurologe meinte, dass ihr Gedächtnis plötzlich zurückkommen kann, vielleicht aber auch nur Stück für Stück.“ Ryan hielt kurz inne. „Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, dass sie sich niemals mehr an ihr früheres Leben erinnern kann.“ Er drehte sich um und schaute sich in dem überfüllten Raum um. „Sie ist hier irgendwo.“

Darin bedeutete dem Barkeeper, er möge seine Kaffeetasse noch einmal füllen. „Wo ist das Baby?“

„David und Marissa haben sich um die Kleine gekümmert, solange Jane im Krankenhaus war“, antwortete Ryan. „Nachdem Jane entlassen worden war, bestand sie darauf, dass das Baby hier bei den beiden blieb. Sie sagte, sie hielte es für sicherer, und wir alle kamen überein, dass sie wahrscheinlich recht hatte.“

Travis hob eine Augenbraue. „Jane?“

„Jane Doe haben wir sie genannt“, meinte Ryan und zuckte mit den Achseln. Er wandte sich wieder an Travis. „Sie hat zuerst bei Tara Roberts gewohnt. Doch dort bekam sie Drohbriefe, und schließlich hat jemand Taras Haus angezündet. Jane und das Baby wohnen seitdem hier bei David und Marissa.“

Travis fluchte. „Vor wem auch immer sie wegläuft – derjenige ist anscheinend noch immer hinter ihr her.“

Ryan nickte. „Jemand hat versucht, das Baby zu entführen, als Marissa Jane im Krankenhaus besuchte. Zum Glück war Marissa in der Lage, dem Schläger zu entkommen. Sie konnte ihn sogar beschreiben ..“ Er sah Travis und Darin bedeutungsvoll an. „Und dann ist da noch die Kleinigkeit von fünfhunderttausend Dollar, die Jane in der Wickeltasche versteckt hatte, als sie im ‚Diner‘ auftauchte. Sie kann sich nicht daran erinnern, warum sie so viel Geld mit sich herumtrug oder woher sie es hatte. Und es waren keinerlei Hinweise in der Tasche, die uns weitergeholfen hätten.“

Travis pfiff leise vor sich hin. Er bemerkte, dass sogar der normalerweise schwer zu beeindruckende Scheich aufgehört hatte, an seinem Kaffee zu nippen und Ryan mit großen Augen ansah.

„Wie ist sie auf uns gekommen?“, hakte Travis nach, als er dem Barkeeper seine leere Bierflasche reichte und den Kopf schüttelte, als der Mann ihm eine neue geben wollte.

„Sie fanden eine zerknüllte Visitenkarte des „Texas Cattleman’s Clubs“ in ihrer Hand, kurz bevor der Krankenwagen sie im ‚Diner‘ abholte.“ Ryan bedeutete Travis und Darin, ihm zu folgen. „Kommt, ich stelle sie euch vor.“

„Wer hat ihr die Karte gegeben?“ Travis überlegte, ob sie auf diese Weise ihre Identität herausfinden konnten.

„Niemand scheint es zu wissen“, antwortete Ryan auf dem Weg in die Küche.

Travis fragte sich, wie der Club dieser Frau helfen konnte. Wenn sie sich nicht erinnerte, wer sie war, wer hinter ihr her war oder warum, konnten die Mitglieder nicht viel mehr tun, als dafür zu sorgen, dass sie und ihr Baby sicher waren, bis derjenige, der es auf sie abgesehen hatte, entlarvt würde. Aber darum ging es ja im „Texas Cattleman’s Club“: ‚Beistand, Gerechtigkeit und Frieden‘ war das Motto, nach dem alle Mitglieder des Clubs lebten.

Und wenn jemand Frieden und Gerechtigkeit zu brauchen schien, dann war es diese Frau.

Als Jane die Türklingel hörte, sah sie sich ängstlich um. Der Raum war voller ausgelassener Menschen. Dies war vielleicht die Gelegenheit, auf die sie gewartet hatte. Die Aufmerksamkeit der Gäste war auf die beiden Männer gerichtet, die gerade auf David und Marissa Sorrensons Silvesterparty eingetroffen waren.

Jane stand auf und ging ruhig, aber entschlossen, durch den Flur. Sie wartete nicht ab, um zu sehen, wer die Neuankömmlinge waren. Es war ohnehin bedeutungslos. Sie würde sie sowieso nicht kennen.

Jane seufzte. Sie wusste ja nicht einmal, wer sie selbst war, und langsam sah es so aus, als würde sie das auch nie mehr erfahren.

Aber wie auch immer sie hieß, es war eindeutig, dass sie diejenigen, die mit ihr zusammen waren, in Gefahr brachte. Einige von ihnen hatten bereits Drohbriefe bekommen, und Tara hatte sogar ihr Haus verloren, weil Jane bei ihr gewohnt hatte.

Jane würde diesen Menschen immer dankbar sein für ihre Freundlichkeit und Großzügigkeit, aber sie wollte nicht länger deren Sicherheit aufs Spiel setzen. Deshalb hatte sie die schmerzliche Entscheidung getroffen, Royal mit ihrer kleinen Tochter Autumn zu verlassen.

Jane betrat das Zimmer, das sie sich mit ihrem Baby teilte, seit Taras Haus durch einen Brandstifter zerstört worden war. Hastig schrieb sie einen Brief, in dem sie sich bei allen für deren Hilfe bedankte. Dann suchte sie die Sachen ihrer Tochter zusammen und wickelte das Baby in eine warme Decke. Vorsichtig, um die Kleine nicht zu wecken, nahm Jane sie hoch und ging schnell den Flur entlang.

Sie würde hintenherum in die Küche gehen, sich ein paar Flaschen Babynahrung aus dem Kühlschrank holen und dann unbemerkt durch die Hintertür hinausschleichen. Mit etwas Glück würde sie schon weit weg sein, bevor jemand ihre Abwesenheit bemerkte oder die Nachricht fand, in der sie ihr Verhalten erklärt hatte.

Nachdem sie die Milchflaschen in der Wickeltasche verstaut hatte, ging sie zur Tür. Doch gerade, als sie die Hand auf den Türknauf legte, hielt eine männliche Stimme sie auf.

„Jane, hier sind noch zwei Clubmitglieder, die ich dir vorstellen möchte“, sagte Ryan Evans hinter ihr. „Nanu, wohin willst du denn?“

Seine Stimme klang verwundert, und als Jane sich langsam umdrehte, suchte sie fieberhaft nach einer Erklärung, warum sie mit dem Baby so spät noch nach draußen wollte. „Ich dachte, ich …“

Dann bemerkte sie den Mann, der neben Ryan stand, und sie hielt abrupt inne. Etwas an ihm kam ihr vertraut vor. Er war ein wenig kleiner als Ryan, hatte hellbraune Haare, haselnussfarbene Augen und …

„Natalie“, stieß der Mann ungläubig hervor und machte einen Schritt auf sie zu.

Sie öffnete den Mund, um ihn zu fragen, warum er sie mit diesem Namen anredete, doch plötzlich, wie aus heiterem Himmel, wusste sie es. Ihr Name war Natalie – Natalie Perez. Sie war fünfundzwanzig Jahre alt und lebte in Chicago.

Blinzelnd sah sie, dass der gut aussehende Mann einen Schritt auf sie zumachte. Er hieß Travis Whelan. Er war zweiunddreißig, ein Millionär und …

Ihr Kopf begann zu schmerzen, als die Erkenntnis sie wie ein Schlag traf. Er war nicht nur irgendjemand, den sie kannte.

Travis Whelan war der Vater ihres Babys, und er war der Mann, den sie nie hatte wiedersehen wollen.

2. KAPITEL

Natalies Kopf dröhnte unbarmherzig, als das Zimmer sich um sie herum zu drehen begann. Ihr wurde schwarz vor Augen, und sie merkte, dass sie dabei war, das Bewusstsein zu verlieren. Sie drückte das Baby fest an sich, ließ die Wickeltasche jedoch fallen und tastete nach etwas, woran sie sich festhalten konnte.

„Sie wird ohnmächtig!“, hörte sie Ryan rufen. Er klang verzweifelt, und Jane registrierte kaum noch, dass sowohl er als auch Travis auf sie zugestürzt kamen.

Sie fühlte, dass jemand ihr Autumn abnahm, während im selben Moment zwei starke Arme sie auffingen und an eine breite, männliche Brust drückten. „Ich halte dich, Natalie“, sagte Travis. „Gleich wird es dir wieder besser gehen.“

Natalie hörte, wie Autumn aus vollem Hals zu schreien begann. „Meine Tochter“, stammelte sie, die sich mehr Sorgen um ihre Tochter machte als um sich selbst.

„Es geht ihr gut.“ Travis’ warmer Atem streifte ihre Schläfe, und Natalie erschauerte. „Ryan und Darin kümmern sich um sie, Darling.“

Ihre Kraft kehrte langsam zurück. Der Schock, den das Wiedersehen mit Travis und die Erkenntnis, dass sie sich an Teile ihrer Vergangenheit erinnern konnte, bei Natalie ausgelöst hatte, klang ab. „Bitte, lass mich herunter“, sagte sie und ärgerte sich, dass ihre Stimme so zittrig und verletzlich klang.

„Noch nicht, Darling.“ Der zärtliche Ton in Travis’ Stimme löste erneut einen wohligen Schauer bei ihr aus.

„Ich kann allein gehen“, beharrte sie.

Er schüttelte den Kopf. „Es ist besser, wenn du deine Beine für ein paar Minuten hochlegst.“

„Was ist los?“, fragte David, als er in die Küche kam. „Ich habe Ryan rufen hören, dass jemand ohnmächtig wird.“

„Natalie war kurz davor, in Ohnmacht zu fallen“, antwortete Travis. „Ich glaube, sie sollte sich für eine Weile hinlegen. Wo ist ihr Zimmer?“

„Natalie?“, fragte David verwirrt.

„Ihr Zimmer ist am Ende des Flurs“, erklärte Marissa, die hinter ihrem Mann in die Küche gekommen war.

Natalie war die ganze Sache äußerst peinlich, und sie wünschte, die anderen würden einfach gehen und vergessen, dass sie existierte. „Mir geht es gut. Wirklich.“ Sie versuchte es ein letztes Mal. „Ich habe nur leichte Kopfschmerzen.“

Aber Travis ignorierte ihre Proteste und folgte Marissa durch den Flur zu Natalies Zimmer. Als er sie vorsichtig auf das Bett gelegt hatte, setzte er sich neben sie und nahm ihre Hand in seine. „Erinnerst du dich, wer ich bin, Natalie?“

Als sie zu ihm aufsah, schossen ihr Bilder von ihrem Zusammensein durch den Kopf. Travis, den sie in dem Restaurant, in dem sie als Kellnerin gearbeitet hatte, getroffen hatte. Travis, der mit ihr zusammen lachte, während sie Popcorn aßen und gemeinsam Videos in ihrer bescheidenen Wohnung ansahen. Und Travis, der sie in seinen Armen hielt und sie mit einer Zärtlichkeit liebte, die ihr noch jetzt den Atem raubte.

Dann, genauso plötzlich, kam die Erinnerung daran, wie er sie belogen hatte. Ihr Kopf pochte, als sie noch einmal den Schmerz und die Wut durchlebte, die sie verspürt hatte, als sie herausgefunden hatte, dass er nicht der war, für den er sich ausgegeben hatte.

Er hatte ihr erzählt, er sei ein Cowboy aus Texas, der nach Chicago gekommen war, um mal etwas anderes zu tun, als den Staub zu schlucken, den die Rinderherden aufwirbelten. Doch das war meilenweit von der Wahrheit entfernt gewesen. Als er unbeabsichtigt seinen Ausweis in ihrer Wohnung hatte liegen lassen, hatte sie erfahren, dass an seiner Geschichte kein Körnchen Wahrheit gewesen war. Er war alles andere als ein normaler Mann. Nicht nur, dass er ein erfolgreicher Staatsanwalt war, nein, er war auch noch ein Multimillionär.

„Natalie, weißt du, wer ich bin?“, wiederholte er und strich ihr zärtlich ein paar Haare aus dem Gesicht.

„Ja, ich erinnere mich an dich“, antwortete sie und schloss die Augen. Die Sorge, die sie in den Tiefen seiner braunen Augen zu erkennen glaubte, war wahrscheinlich nichts weiter als eine Illusion.

„Weißt du auch, wer du bist?“, fragte er weiter.

„Ja. Ich bin Natalie Perez.“

„Kannst du dich erinnern, was geschehen ist, Darling? Oder warum du nach Texas gekommen bist?“, wollte er wissen, wobei seine Stimme so zärtlich klang, dass Natalie leicht erzitterte.

Sie öffnete die Augen und blickte ihn an. „Ich …“ Sie hielt inne, um nachzudenken. Aber so sehr sie es auch versuchte, es fiel ihr einfach nicht ein, warum sie nach Royal gekommen war. „Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich hierher kommen musste.“

„Travis, könnten wir dich einen Augenblick sprechen?“, fragte David.

Travis drehte sich um und sah David, Darin, Alex Kent und einen nervös wirkenden Ryan – der noch immer das schreiende Baby auf dem Arm hielt – an der Tür stehen. Travis schenkte Natalie ein, wie er hoffte, aufmunterndes Lächeln. „Ich bin gleich zurück, Darling.“

Er stand auf und wartete, bis Marissa seinen Platz neben Natalie eingenommen hatte, bevor er sich zu den Männern im Flur gesellte.

Alex Kent, ein weiteres Mitglied des „Texas Cattleman’s Club“, sprach als Erster. „Ryan hat uns erzählt, dass du Jane kennst. Er sagt, ihr Name sei Natalie.“

Autor

Kathie De Nosky
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