Dich will ich erobern

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"Ich kann nicht bei dir bleiben!" War Jill für ihn nur eine schnelle, unwichtige Eroberung? Gerade umarmte Rick sie noch, jetzt offenbart er ihr, dass er gehen muss. Für immer! Schweren Herzens gibt sie ihn frei - und weiß, dass sie ohne ihn nicht mehr leben kann …


  • Erscheinungstag 19.04.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733787325
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

„Erzähl mir von Großvaters Heldentat“, bat der achtjährige Rick Covelli.

Seine Großmutter Vittoria Covelli lächelte. Der Junge war das Ebenbild ihres verstorbenen Ehemannes Enrico, nach dem er auch benannt worden war.

Si, mein Junge. Aber ich habe dir die Geschichte doch schon so oft erzählt.“

Der kleine Enrico hüpfte auf seinem Bett herum. „Bitte, Nonna“, bettelte er. „Ich möchte von Italien hören und wie Großvater im Krieg ein Flugzeug geflogen ist.“

Vittoria sah ihn ernst an. „Du darfst nicht so herumspringen.“ Es machte sie traurig, dass dieser süße Junge wegen seines Asthmas nicht wie andere Kinder spielen konnte.

Ricks schmale Brust hob und senkte sich, als er sich in die Kissen zurücklegte und nach Luft rang. „Alles okay“, versicherte er. Seine schwarzen Augen waren groß vor Aufregung.

Vittoria saß auf der Bettkante. Es war dasselbe schmiedeeiserne Bett, das sie mehr als dreißig Jahre mit ihrem geliebten Mann geteilt hatte.

„Vor vielen Jahren lebte meine Familie, die Perrones, in einem kleinen Ort in der Toskana. Ich war noch ein junges Mädchen, und es herrschten schlimme Zeiten. Der Krieg zerstörte das Land und die Leute, doch unser kleines Dorf blieb glücklicherweise verschont. Bis eines Tages das Flugzeug deines nonno nicht weit von unserem Haus entfernt abstürzte.“

„Und du hast Großvater Enrico gerettet.“

Vittoria hob die Hand. „Nicht so schnell.“

„Entschuldige. Erzähl bitte weiter, Nonna.“

Sie nickte. „Es war ein amerikanisches Flugzeug. Es war angeschossen worden und versuchte, zurück zu seinem Stützpunkt zu kommen, doch es stürzte nur ein paar Meilen von unserem Haus entfernt in ein Feld ab. Am nächsten Tag fand ich U. S. Army Sergeant Enrico Covelli in unserer Scheune. Dort hatte er sich versteckt, nachdem es ihm gelungen war, sich aus dem Flugzeugwrack zu befreien. Er war am Bein verwundet und hatte viel Blut verloren.“

Vittoria erinnerte sich an den Tag, als wäre es gestern gewesen. Obwohl ziemlich lädiert, war Enrico Covelli der faszinierendste Mann gewesen, den sie bislang mit ihren siebzehn Jahren gesehen hatte. Und ein Feind.

„Ich wusste, dass ich ihn der Militärpolizei hätte übergeben müssen, doch ich habe heimlich seine Wunden versorgt und bin bei ihm geblieben, während er gegen das Fieber ankämpfte. Nach ein paar Tagen kehrten seine Kräfte zurück. Er sprach italienisch mit mir. Er war Amerikaner, aber italienischer Herkunft. Seine Eltern kamen aus Rom. Ich konnte ihn nicht den Soldaten übergeben.“

„Nein, Nonna“, bestätigte Rick und schüttelte den Kopf. „Du musstest ihn verstecken.“

„Aber ich hatte Angst, dass er entdeckt wird.“

Und dann war das Unvermeidliche geschehen: Vittoria und der Amerikaner hatten sich ineinander verliebt.

Vittoria erzählte weiter: „Bevor Enrico zu seiner Einheit zurückkehrte, versprach er mir, nach dem Krieg zu mir zu kommen. Er wollte mich heiraten und mit nach Amerika nehmen. Dann küsste er mich zum Abschied und verschwand in der Dunkelheit.“

Der kleine Enrico nahm eine Schachtel mit einer Medaille vom Nachttisch. „Großvater hat das Verwundetenabzeichen bekommen.“

„Si“, stimmte Vittoria zu. „Ich wusste nicht einmal, ob er es geschafft hatte, das Land zu verlassen. Ein weiteres Jahr verging, und dann war der Krieg zu Ende.“ Tränen traten ihr bei der Erinnerung in die Augen. „Ich war sicher, dass er gefallen war, denn ich erhielt kein Lebenszeichen von ihm.“

„Aber er ist nicht gestorben.“

Vittoria ergriff die Hand ihres Enkels. „Monatelang habe ich gewartet. Nichts. Dann kam der Tag, an dem Giovanni Valente bei meinem padre um meine Hand anhielt.“

„Dein Vater wollte, dass du einen bösen Mann heiratest.“

„Nein, Rick. Giovanni war nicht böse“, erklärte sie. „Ich habe ihn nur nicht so geliebt, wie ich meinen Enrico liebte. Aber meine Familie hat mich gedrängt, ihn wegen seines Vermögens zu heiraten. Selbst während des Krieges war es den Valentes gelungen, ihr Weingut zu behalten. Mein Vater erkannte, dass sie eines Tages wieder sehr reich sein würden. Uns war nichts geblieben, außer zwei Ringen, die die erstgeborene Tochter bei ihrer Heirat erhielt. Und das war ich.“

Die Erinnerung daran stimmte sie immer noch traurig. Sie hatte die weiße Seide von Enricos Fallschirm zu einem Hochzeitskleid verarbeitet. So hatte sie zumindest etwas von ihrer wahren Liebe bei sich gehabt.

„Mein Vater gab Giovanni die Ringe als Verlobungsgeschenk.“

„Aber Großvater hat dich vor dieser Ehe bewahrt.“

Vittoria lächelte. Wie oft hatte sie diese Geschichte ihren Kindern und jetzt ihren Enkelkindern erzählt? „Si, er kehrte in der Woche, in der ich Giovanni heiraten sollte, zurück.“

Sie erinnerte sich genau an den Tag. Sie war fast in Ohnmacht gefallen, als Enrico auf sie zugekommen war, sie in seine Arme geschlossen und geküsst hatte. Er war zurückgekehrt, wie er es versprochen hatte.

„Dein nonno hielt um meine Hand an, doch mein padre beharrte darauf, dass ich einem anderen versprochen sei. Enrico ließ sich davon nicht beeindrucken. Wir suchten gemeinsam die Familie Valente auf und erklärten, dass ich Giovanni nicht heiraten könne.“

„Waren sie ärgerlich?“

„Was meinst du wohl? Giovanni hat getobt! Er merkte jedoch sehr schnell, dass er keine andere Wahl hatte, als mich freizugeben. Aber er weigerte sich, mir die Ringe auszuhändigen.“

„Oh, Nonna, was hast du getan?“

„Wie konnte ich die Trauringe bei einem Mann lassen, der nicht mein Ehemann werden würde? Enrico kämpfte dafür, dass Giovanni die Ringe herausrückte. Schließlich fügte sich Giovanni widerstrebend, aber er gab uns nur den Ring für den Bräutigam. Den Ring der Braut schob er auf seinen kleinen Finger als Andenken an seine gestohlene Braut. Dann belegte seine Mutter die Ringe mit einem Fluch … Erst wenn beide Ringe wieder zusammengefügt sind, werden die Covellis Glück in der Liebe haben.“

Vittoria erhob sich und trat an den Schrank. Mit zittrigen Händen öffnete sie ihn, schob ein paar Kleidungsstücke beiseite und holte eine kleine Schachtel heraus. Obwohl Enrico niemals an die Macht des Fluchs geglaubt hatte, wusste Vittoria, dass irgendetwas ihre Liebe all die Jahre überschattet hatte.

„Kann ich ihn sehen, Nonna?“, bat Rick.

Sie kehrte zum Bett zurück. Vorsichtig öffnete sie das Kästchen. Auf schwarzem Samt gebettet lag ein goldener Ring mit einem blutroten Rubin, der von funkelnden Brillanten umgeben war. Vor mehr als dreißig Jahren hatte dieser Ring mit dem zweiten eine perfekte Einheit gebildet, und Vittoria betete immer noch dafür, dass es eines Tages wieder so sein möge. Vor allem, nachdem sie ihren geliebten Enrico im vergangenen Jahr verloren hatte.

„Toll! Ich wette, er ist eine Million Dollar wert.“

„Oh, Enrico. Er wird mit Geld nicht zu bezahlen sein, wenn du die Liebe findest, die diesen Fluch beendet.“

1. KAPITEL

Es fiel Rick Covelli nicht leicht, nach Haven Springs, Indiana, zurückzukehren.

Vor sechs Jahre war er von zu Hause fortgegangen und nur einmal kurz zurückgekehrt. Zur Beerdigung seines Vaters vor zwei Jahren. Er hoffte, dass seine Familie den verlorenen Sohn wieder in ihrem Schoß aufnehmen würde.

Rick betrat „Maria’s Ristorante“, atmete den vertrauten Duft ein und erinnerte sich an eine glücklich Kindheit. Seine Aufregung wuchs, als er sich an den Gästen vorbeidrängte, die auf einen Tisch warteten. Das Lokal schien gut zu laufen.

Eine Kellnerin näherte sich ihm. „Wie viele Personen, Sir?“

Rick betrachtete die junge Frau. Die dichten, honigblonden Haare fielen ihr in weichen Locken über die Schultern. Auf der Nase hatte sie lustige Sommersprossen. Als sein Blick auf ihre großen, blauen Augen fiel, erkannte er sie. Jill Morgan. Er hatte sie nie vergessen.

„Ich brauche keinen Tisch. Ich suche Maria.“

Jill schaute ihn überrascht an. Auch sie erinnerte sich an ihn. „Ich … hole sie.“ Sie eilte davon.

Schmerzliche Erinnerungen an jenen Tag vor zwei Jahren wurden wach – den Tag, an dem sein Vater beerdigt worden war, und Freunde der Familie ins Haus gekommen waren, um ihr Beileid zu bekunden. Rick hatte schließlich die Kondolationen nicht länger ertragen, egal, wie gut sie auch gemeint waren, und war nach draußen gegangen, um etwas frische Luft zu schnappen. Dort war er einem blauäugigen Engel begegnet – Jill Morgan.

Rick wurde aus seinen Gedanken gerissen, als jemand seinen Namen rief. Von der anderen Seite des Raumes kam seine Mutter auf ihn zugelaufen. Die kleine grauhaarige Frau begrüßte ihn mit einem alles verzeihenden Lächeln und einer herzlichen Umarmung. „Oh Rick, du bist nach Hause gekommen!“

Zögernd sah er sie an. „Freust du dich wirklich, mich zu sehen?“

Tränen strömten Maria Covelli über die Wangen, als sie sein Gesicht umfasste und ihn küsste. „Du bist mein Sohn. Natürlich freue ich mich.“

Rick hatte vor Rührung einen Kloß im Hals. Gleichgültig, was passierte, er konnte immer auf seine Mutter zählen.

Nachdem auch nonna Vittoria und seine Schwester Angelina ihn willkommen geheißen hatten, setzten sie sich an den Tisch, der für die Familie und die Angestellten reserviert war.

„Oh Junge, du musst halb verhungert sein!“, rief Maria entsetzt. „Du bestehst ja nur noch aus Haut und Knochen!“ Bevor er protestieren konnte, war sie schon in der Küche verschwunden. Nonna folgte ihr auf den Fersen.

Rick lächelte seine Schwester an. „Es ist schön, wieder zu Hause zu sein.“

Durch das Fenster hatte Jill das Motorrad auf der Main Street gesehen, als sie gerade einen Gast bediente. Doch nie im Leben hätte sie vermutet, dass der Fahrer Rick Covelli sein könnte. Der Sohn, der seine Familie verlassen und damit das Herz der Mutter gebrochen hatte.

Und dann war er ins Lokal geschlendert, groß, schlank, ganz in Schwarz gekleidet, lächelnd. Ein Traummann. Sein Haarschnitt war kurz genug, um zivilisiert genannt werden zu können, und trotzdem so lang, dass er ihm ein wildes Aussehen verlieh. Das Gefährlichste waren jedoch seine schwarzen Augen. Ein Blick in diese Augen, und eine Frau träumte von Dingen, von denen sie besser nicht träumte.

Jill holte tief Luft, als sie seine breiten Schultern und die muskulöse Brust betrachtete. Zu der schwarzen Lederjacke trug er ein schwarzes, eng anliegendes T-Shirt und schwarze Jeans.

Sie riss sich von seinem Anblick los und steuerte auf die Küche zu. Rick Covelli war anders als alle Männer, die sie bisher kennengelernt hatte. Und sie hatte nicht damit gerechnet, ihn jemals wieder zu sehen.

„Jill“, rief Maria aus der Küche. Ihre Augen strahlten vor Glück.

Jill eilte zu ihr. „Ja, Maria?“

„Würdest du Rick bitte das Essen bringen und ihm sagen, dass ich sofort wieder bei ihm bin?“

„Natürlich.“ Jill lächelte, obwohl ihr nicht danach zumute war. Innerlich bebend nahm sie den Teller und verließ die Küche.

Rick trank einen Schluck von seinem Chianti. Langsam wich die Spannung von ihm, die er verspürte, seit er die Grenze nach Indiana überquert und das Ortsschild von Haven Springs passiert hatte.

Es gab viele Dinge in seinem Leben, die er bedauerte. Vor allem war er unglücklich darüber, dass er es nicht geschafft hatte, eine freundschaftliche Beziehung zu seinem Vater aufzubauen.

Rafaele Covelli sen. war gestorben, bevor Rick sich mit ihm versöhnen konnte.

„Entschuldige, bitte.“

Eine leise weibliche Stimme erregte Ricks Aufmerksamkeit. Jill Morgan. Ihre frische, natürliche Schönheit faszinierte ihn und zog ihn magisch an. Normalerweise bevorzugte er den reiferen, weltgewandten Typ von Frau.

„Deine Mutter hat mich gebeten, dir das Essen zu bringen“, sagte sie.

Sie reichte ihm einen Teller mit Marias berühmten fettuccine alla marinara. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen. „Danke.“ Rick nahm ihr den Teller ab, und dabei berührten sich ihre Hände. Hastig zog sie ihre zurück.

„Ich habe das Brot vergessen“, erklärte sie und verschwand, bevor er sie daran hindern konnte.

Rick dachte an den Tag, an dem sie sich kennengelernt hatten. Es war nach der Beerdigung seines Vaters gewesen.

Er war mit einer Flasche Wein hinaus in den Garten gegangen. Schluchzend hatte er sich auf die verwitterte Bank fallen lassen, die er mit seinem Vater geschreinert hatte, als er gerade acht Jahre alt gewesen war.

Es war einfach nicht fair. Sein Vater war noch so jung gewesen. Warum war er gestorben? Und dann auch noch durch einen dummen Unfall.

Rick wurde vom Schuldbewusstsein überwältigt. Wenn er hier gewesen wäre – wenn er der Sohn gewesen wäre, den sein Vater sich gewünscht hatte – dann hätte er Seite an Seite mit Rafaele gearbeitet. Vielleicht hatte er verhindern können, dass sein Vater unter den Trümmern des einstürzenden Hauses begraben wurde. Jetzt konnte er seinem Vater nicht mehr sagen, dass … dass es ihm leidtat.

Ein Geräusch ließ Rick aufblicken. Nicht weit von ihm entfernt, vor einem Rosenbeet, stand eine Frau. Im Mondlicht konnte er erkennen, dass lockiges, blondes Haar ihr hübsches Gesicht umrahmte. Ihre Züge spiegelten gleichermaßen Sorge und Verlegenheit wider.

„Tut mir leid. Ich wollte Sie nicht stören. Ich habe etwas frische Luft geschnappt.“ Sie wandte sich ab, um zu gehen.

Plötzlich wollte Rick nicht mehr allein sein. „Du siehst aus wie ein Engel.“

„Ich bin kein Engel, Mr Covelli.“ Ihre Stimme klang traurig.

„Gut. Ich auch nicht“, scherzte er. Dann wurde er ernst. „Sag ruhig Rick zu mir. Wie heißt du?“

„Jill. Jill Morgan.“

„Jill, ich bin im Moment nicht sehr gesellig, aber … aber vielleicht könntest du ein wenig bei mir bleiben.“

Sie rieb sich über die Arme. „Ich gehe besser hinein.“

Er stand auf und zog sein Jackett aus. „Hier. Zieh das an, dann wird dir wärmer.“ Er legte ihr seine Jacke über die schmalen Schultern. „Bitte, setz dich einfach zu mir.“

Zwei Stunden lang saßen sie auf der Bank. Er sprach über seinen Vater. Sie hörte geduldig zu und unterbrach ihn nicht ein einziges Mal, um ihm irgendwelche Vorwürfe zu machen. Vielleicht hatte er sie deshalb nie vergessen.

„Wenn das nicht der verlorene Sohn ist!“

Rick kehrte mit den Gedanken in die Gegenwart zurück und blickte auf. Sein älterer Bruder Rafe näherte sich. Die beiden Männer umarmten sich.

„Ich stelle fest, dass du dich äußerlich nicht verändert hast.“

„Und du scheinst mich immer noch um mein Aussehen zu beneiden.“

Rafe lachte.

Der kräftige, ein Meter achtzig große Mann setzte sich zu Rick an den Tisch. Rafe war der Älteste der drei Covelli-Geschwister und schlug im Gegensatz zu den anderen beiden am ehesten nach dem Vater.

Rafe hatte nach dem Tod seines Vaters die Schreinerei übernommen. Er hatte hart gearbeitet, aber seine Bemühungen reichten gerade aus, das Familienunternehmen über Wasser zu halten. Das Nesthäkchen der Familie war ihre schöne und verwöhnte Schwester Angelina. Sie hatte soeben das College beendet und arbeitete im Büro von „Covelli and Sons“. Ihr Cousin, Tony Covelli, war der Finanzberater der Firma. Er führte die Bücher und teilte das Budget mit strenger Hand ein.

Jetzt war Rick nach langer Abwesenheit zurückgekehrt. War es zu spät, um seinen Platz in der Familie zu behaupten?

Jill erschien und stellte einen Korb mit Brot auf den Tisch. Sie lächelte und entfernte sich schleunigst. Rick genoss ihren Anblick.

„Du verschwendest nur deine Zeit“, meinte Rafe.

„Wovon sprichst du?“

„Jill. Du hast keine Chance bei ihr.“

Rick betrachtete Jill. Sie war groß, schlank und hatte unglaublich lange Beine. Und sie hatte etwas an sich, das einen Mann von heißen Nächten auf kühlen Satinlaken träumen ließ. Rick griff nach seinem Glas und trank einen großen Schluck. Er hoffte, damit die erregenden Gedanken hinunterspülen zu können.

„Jill Morgan hat dich also schon abblitzen lassen, Bruderherz?“, neckte Rick.

Rafe schnaubte verächtlich. „Zum Ärger unserer Mutter hat sie bisher jeden Mann abblitzen lassen, seit sie vor zwei Jahren in die Stadt gekommen ist“, erzählte Rafe. „Hast du sie beim Begräbnis unseres Vaters kennengelernt?“

Rick dachte nur ungern an die Zeit zurück. Der Schock über den Tod des Vaters, die Verzweiflung seiner Mutter, die Zeit, die er versäumt hatte, weil er nicht nach Hause gekommen war, um die Dinge ins Reine zu bringen.

„Ich habe sie anders in Erinnerung.“ Ihm war sie als schüchternes junges Mädchen im Gedächtnis geblieben, das bei ihm gesessen und ihn davon abgehalten hatte, seine Trauer im Alkohol zu ertränken. „Sie hat sich verändert.“

Rafe nickte. „Sie war damals erst einen Monat in der Stadt und machte eine schwere Zeit durch. Moa hatte gerade das Restaurant eröffnet und stellte sie ein.“

„Irgendwie hat sie sich äußerlich verändert.“

„Sie ist trotzdem nicht dein Typ.“

„Oh. Und was ist mein Typ?“

Rafe blickte seinen Bruder von der Seite an. „Sagen wir einfach, ihre Spielregeln sehen anders aus als deine.“ Er wirkte nachdenklich. „Als du damals die Stadt verlassen hast und zur Marine gegangen bist, hast du mindestens drei Mädchen mit gebrochenem Herzen zurückgelassen. Und du scheinst immer noch nicht an einer festen Beziehung interessiert zu sein. Außerdem … Warst du so lange fort, dass du den Fluch vergessen hast?“

Rick betrachtete seinen Bruder. Beide dachten in dem Moment an Dinge, die der Familie zugestoßen waren.

„Spricht Nonna Vittoria immer noch von dem zweiten Ring?“

„Seit Dads Tod ist es sogar schlimmer geworden“, erwiderte Rafe. „Ich glaube, sie sieht einen Zusammenhang zwischen dem Fluch und dem Unfall.“

Rick stieß eine leise Verwünschung aus. Als Kind hatte er nach Italien reisen und den Mann verprügeln wollen, der seiner Großmutter den Ring gestohlen hatte. Jetzt hatte er die finanziellen Mittel, den Mann zu finden, aber wahrscheinlich lebte Signore Valente gar nicht mehr.

„Mein Überraschungsbesuch macht die Sache bestimmt nicht besser.“

Rafe lachte. „Soll das ein Witz sein? Du bist nach ihrem Mann benannt worden. Sie hat dich immer angebetet.“ Er streckte die Hand aus und kitzelte ihn am Kinn. „Du warst so ein süßes Kind.“

Rick stieß die Finger seines Bruders fort. Er erinnerte sich nur daran, dass er als Kind ständig krank gewesen war und seine Großmutter ihm Geschichten erzählt hatte. „Nun ja, ich liebe Nonna auch.“

„Dann bleib eine Weile hier.“

„Du kennst mich, Bruderherz, ich halte es nicht lange an einem Ort aus.“

„Könnte an dem Fluch liegen.“

„Ach, der Fluch. Was die Liebe angeht, kann ich mich nicht beklagen.“

„Bettgeschichten zählen nicht“, stellte Rafe fest. „Hast du jemals darüber nachgedacht, warum du nicht verheiratet bist?“

Rick nickte. „Natürlich. Weil ich es nicht will.“

„Weil du noch nicht die richtige Frau gefunden hast. Was aber passiert, wenn sie dir eines Tages über den Weg läuft?“

Rick ließ seinen Blick durch das Restaurant schweifen, bis er Jill Morgans süßes, unschuldiges Gesicht entdeckt hatte. „Ich würde die Beine in die Hand nehmen und rennen, so schnell ich kann“, erwiderte er nachdenklich.

Rafe hob die Augenbrauen und folgte Ricks Blick. „Dann ist Jill nichts für dich. Lass sie in Ruhe. Ich möchte nicht, dass du ihr wehtust.“

Rick schüttelte den Kopf und seufzte. „Du hast dich nicht verändert. Immer noch der große Beschützer. Aber jetzt etwas anderes. Was macht das Geschäft?“

„Manchmal würde ich am liebsten alles hinwerfen.“

Rick bemerkte die Sorgenfalten auf Rafes Stirn. „He, du hast gearbeitet wie ein Tier, um hier alles zusammenzuhalten. Niemand macht dich für die Schwierigkeiten im Geschäft verantwortlich.“

„Dad würde von mir erwarten, dass ich den Betrieb weiterführe. Wir standen kurz vor dem Konkurs, als du …“ Rafe hielt inne, schaute sich kurz um und senkte die Stimme, „… als du mir das Geld gegeben hast.“

Rick zuckte die Schultern. „Was soll’s? Ich hatte das Geld.“

Er erinnerte sich an die vielen Nächte, die sein Partner Leo Tucker und er in Texas geschuftet hatten, in der Hoffnung, endlich auf eine Ölquelle zu stoßen. Es hatte sich gelohnt. Jetzt überließen Tuck und er der Crew die körperliche Arbeit, während sie selbst nur die nächsten Bohrungen planten. Nein, Geld war kein Problem. Er hatte genug, um seiner Familie zu helfen.

„Ist es nicht an der Zeit, dass ich wie ein Covelli handle?“, fragte Rick. „Oder gehöre ich nicht mehr zur Familie?“

„Du hast immer zur Familie gehört. Du bist nur einen anderen Weg gegangen.“

„Dad konnte es nicht verstehen.“

„Doch, hat er. Aber es war schwer für ihn, dich ziehen zu lassen. Du weißt, dass ihm das Familienleben über alles ging. Und er wollte beide Söhne in der Firma haben. Vor allem dich.“ Rafe lächelte. „Er hat immer gesagt, du seiest ein begnadeter Schreiner – wie Nonno.“

„Und mein Fortgehen hat ihn enttäuscht.“

„Ich denke, du musstest zu dir selbst finden.“

Rick schenkte Rafe und sich selbst noch einen Chianti ein. „Ich hatte das Gefühl, nicht in Rafaele Covellis kleine Welt zu passen. Ich wollte einfach mehr sehen und lernen.“

Rafe trank von seinem Wein. „Ihr zwei wart völlig unterschiedliche Charaktere. Ich bin mehr wie Dad. Ich hatte nie den Wunsch, Haven Springs zu verlassen oder etwas anderes zu tun als zu schreinern. Ich habe es schon gehasst, wenn wir bis nach Louisville mussten, um einen Auftrag zu erledigen.“

„Du bleibst lieber hier, auch wenn es bedeutet, dass ‚Covelli and Sons‘ sich auf die Restaurierung von Häusern und Ladenfronten beschränken muss?“

„Du weißt, dass ich alles tun werde, um endlich wieder schwarze Zahlen zu schreiben. Aber noch wichtiger ist es, dass der Name Covelli reingewaschen wird. Diese Anschuldigung, Dad sei für den Einsturz des Gebäudes verantwortlich, macht mich fertig. Verdammt, unser Vater ist unter den Trümmern begraben worden! Wenn Dad nicht so einen großen Auftrag angenommen und Männer eingestellt hätte, von denen er nichts wusste, dann würde er vielleicht noch leben.“ Rafe schluckte. „Jeder weiß, dass Rafaele Covelli sen. niemals solch minderwertige Materialien benutzt hätte, wie man sie auf der Baustelle gefunden hat. Irgendjemand muss die Wahrheit kennen.“

Rick nickte zustimmend. „Ich werde tun, was ich kann, um dir zu helfen.“

„Das hast du schon, indem du uns Geld geliehen hast.“

Als Rafe angerufen und von der bedrohlichen finanziellen Lage der Firma gesprochen hatte, war Rick sofort eingesprungen. Er hatte seiner Familie nie erzählt, wie reich er in Texas geworden war. Seine Angehörigen hatten nicht gefragt, und er wollte nicht damit angeben. Sie wussten, dass es ihm gut ging, ahnten aber nicht, dass er praktisch über Nacht zum Millionär geworden war.

„Ich hoffe, ich kann dich dazu überreden, eine Weile zu bleiben“, bemerkte Rafe. „Du weißt, wie sehr Mom und Nonna sich freuen würden“

Rick warf einen Blick auf seine Mutter, die sich mit einigen Gästen unterhielt. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der blonden Kellnerin zu, die mit zwei großen Tellern Spaghetti aus der Küche kam. Jill bewegte sich anmutig an den Tischen vorbei. Sein Körper reagierte sofort auf ihre verführerischen Kurven. Hier bleiben? Vielleicht.

„Ich werde darüber nachdenken.“

„Denk nicht zu sehr darüber nach, Bruderherz. Du wirst enttäuscht werden.“

„Willst du damit sagen, ich soll mich von Jill fernhalten?“

„Nein, ich versuche nur, dir klarzumachen, dass sie weder Zeit noch Lust haben wird, mit dir auszugehen.“

„Warum? Gibt es einen anderen Mann in ihrem Leben?“

Rafe machte ein selbstgefälliges Gesicht. „Das könnte man so sagen.“

„Kein Problem“, entgegnete Rick zuversichtlich.

„Oh, ich weiß nicht. Sie ist ziemlich vernarrt in ihn.“ Rafe lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Er ist seit über einem Jahr bei ihr.“

Rick schmunzelte. „Das erinnert mich an die Zeit auf der Highschool, als du mit mir gewettet hast, dass ich es nicht schaffen würde, mich mit Mary Ellen Anderson zu verabreden. Ich denke, du weißt noch, wie das ausgegangen ist.“

„Wir sind nicht mehr auf der Highschool, und Jill ist keine gewöhnliche Frau. Sie hat bisher jedem Mann in der Stadt einen Korb gegeben.“

„Ich wette, ich bringe sie dazu, mit mir auszugehen.“ Als Rafe lachte, bestand Rick auf einer Wette. „Ich meine es ernst. Ich werde es schaffen, mit Jill Morgan auszugehen. Um was wollen wir wetten?“

Rafe sah seinen Bruder nachdenklich an. „Okay, wenn du unbedingt willst … Also, falls ich gewinne, bleibst du hier, bis die Restaurierung des historischen Viertels abgeschlossen ist. Sagen wir drei Monate. Ich könnte einen guten Schreiner brauchen. Und eine billige Arbeitskraft.“ Rafe grinste. „Einverstanden?“

„Was bekomme ich, wenn ich die Wette gewinne?“, fragte Rick.

„Sag, was du willst.“

Rick betrachtete seinen älteren Bruder. Sie waren von gleicher Größe und Statur. Vielleicht war Rafe ein wenig schwerer als er selbst. Seine Augen und seine Haut waren dunkel, die schwarzen Haare kurz geschnitten. Und er gehörte zu den Menschen, die sich immer genau an die Spielregeln der Gesellschaft hielten. Es wurde Zeit, dass sich dies änderte. Wenigstens ein bisschen. „Okay, wenn ich gewinne, musst du dich tätowieren lassen.“

„Wie bitte?“, rief Rafe ungläubig. „Auf keinen Fall. Ich werde mich niemals …“

Rick lachte. „Was ist los, großer Bruder? Hast du Angst, dass die Lady meinem Charme nicht widerstehen kann?“

Autor

Patricia Thayer
<p>Als zweites von acht Kindern wurde Patricia Thayer in Muncie, Indiana geboren. Sie besuchte die Ball State University und wenig später ging sie in den Westen. Orange County in Kalifornien wurde für viele Jahre ihre Heimat. Sie genoss dort nicht nur das warme Klima, sondern auch die Gesellschaft und Unterstützung...
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