Die Carramer Krone - Inselreich der Leidenschaft - 3 Romane

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Drei Königkinder auf der Suche nach der großen Liebe! Vor dem Hintergrund der zauberhaften Inselkette Carramer folgen Sie den Prinzen Lorne nd Michel und Prinzession Adrienne de Marigny auf Ihren verschlungenen Wegen ins perfekte Glück!

DIE INSEL DER DELFINE
Alice kommt sich wie Cinderella vor: Der gut aussehende Prinz Lorne de Marigny rettet sie am Strand seines Inselreichs vor dem Ertrinken und nimmt sie als Gast in seiner Sommerresidenz auf. Dort liest er ihr nicht nur jeden Wunsch von den Augen ab, sondern küsst sie auch noch leidenschaftlich. Aber muss sie sich deshalb alles von ihm vorschreiben lassen?

DIE SCHÖNEN SCHWESTERN
Aufgeregt wie noch nie fliegt die bezaubernde Caroline Temple auf die Insel Agnes. Wird Prinz Michel de Marigny merken, dass sie anstelle ihrer Zwillingsschwester Eleanor gekommen ist? Vor Jahren wurden Eleanor und er miteinander verlobt, doch ihre Schwester hat längst einen anderen. Carolins Traum aber bleibt es, Michels Herz zu erobern. Wird er sich erfüllen?

VERLIEBT, PRINZESSIN?
Tief enttäuscht erfährt Prinzessin Adrienne de Marigny den wahren Grund, warum der vermögende Pferdezüchter Hugh Jordan in ihr südpazifisches Inselparadies gekommen ist: Er will ihrer Familie den berühmten Zuchthengst Carazzan abkaufen! Trotz ihrer Gefühle für ihn muss sich Adrienne eingestehen: Hughs leidenschaftlicher Kuss geschah wohl nur aus Berechnung …


  • Erscheinungstag 02.03.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733776916
  • Seitenanzahl 390
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Valerie Parv

Die Carramer Krone - Inselreich der Leidenschaft - 3 Romane

IMPRESSUM

Die Insel der Delfine erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© by Valerie Parv
Originaltitel: „The Monarch’s Son“
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA
Band 190 - 2001 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Michaela Rabe

Umschlagsmotive: LuckyBusiness, Horastu / Thinkstock

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733774394

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

Allie Carter spürte die Unterwasserströmung und wusste, sie war in Schwierigkeiten. Die Strömung war zu stark, es hatte keinen Sinn, dagegen anzuschwimmen. Sie konnte nur noch versuchen, ihren Kopf über Wasser zu behalten.

Ihr Instinkt verlangte, zum Ufer zurückzuschwimmen, aber ihr Verstand prophezeite ihr den sicheren Tod. Allie begann, parallel zum Strand zu schwimmen. Früher oder später würde die Strömung in ruhigeres Wasser übergehen, und dann konnte sie an Land. Aber es würde ein langer Fußmarsch zurück zum Saphir Beach werden, wo sie ins Wasser gegangen war.

„Lass dich tragen, kämpfe nicht dagegen an“, sagte sie sich laut, um die aufsteigende Panik in den Griff zu bekommen. Ohne großen Erfolg, da sie unentwegt an die Haie denken musste, die hier im tieferen Wasser oft genug gesichtet worden waren. Vielleicht frisst diese Art nur Frauen aus Carramer und keine Australierinnen, dachte sie. Aber das war reines Wunschdenken. Immerhin lenkte es sie von den zunehmenden Schmerzen in den Schultern ab.

Gerade als sie glaubte, keine Kraft mehr zu haben, an Land zu kommen, schwächte sich die Strömung ab. Hastig schwamm Allie auf den kleinen Strand zu. Erschöpfung und das Salzwasser schränkten ihre Sicht ein, aber sie nahm auf dem Sand eine Bewegung wahr. Dort war jemand! Oder war das auch nur Wunschdenken?

Als sie endlich das flache Wasser erreichte, war sie so schwach, dass sie nicht einmal aufstehen konnte. Sie blieb keuchend in der Brandung liegen. Ihre Augen brannten höllisch, sie konnte kaum etwas sehen. Wellen brachen über ihr zusammen und drohten sie wieder hinauszuziehen, doch sie hatte nicht die Kraft, sich dagegen zu wehren.

Plötzlich wurde sie von starken Armen hochgehoben und die letzten wenigen Meter zum Strand getragen.

„Es ist gut. Sie sind jetzt in Sicherheit“, hörte sie eine kräftige Männerstimme mit französischem Akzent sagen. Dann lag sie auf einmal mit dem Bauch auf einem festen Untergrund, und ein schwerer Druck lastete auf ihrem Rücken. Sie versuchte zu protestieren, aber kein Laut kam heraus. Der Druck wechselte rhythmisch, bis sie hustete und einen kräftigen Schwall Salzwasser ausspuckte.

„So ist es besser“, erklang die befehlsgewohnte männliche Stimme. „Bleiben Sie liegen, bis ich einen Arzt geholt habe.“

Benommen stützte sie sich auf einem Ellbogen auf und versuchte ihren Retter zu erkennen. Ein hoch gewachsener, breitschultriger Mann stand über sie gebeugt. Seine Stimme klang besorgt, während er ihr ein zusammengefaltetes Handtuch als Kopfkissen unter den Kopf legte. Mit einem weiteren wischte er ihr vorsichtig das Gesicht ab. Dabei stieg ihr ein schwacher Duft in die Nase, irgendetwas Teures, Französisches, und sehr, sehr männlich.

„Ich brauche keinen Arzt. Wenn ich mich ein paar Minuten ausruhen kann, geht es mir besser“, krächzte sie und hoffte, sie klang überzeugender, als es sich in ihren Ohren anhörte.

„Ihnen geht’s noch lange nicht gut. Sie sind fast im Griff der Schlange ertrunken.“ Es klang diesmal eindeutig missbilligend.

Allie wusste, sie war erschöpft, aber sie hatte keine Halluzinationen. „Die Schlange?“

„Ein örtlicher Aberglaube. Ihr Australier würdet es eine Unterwasserströmung nennen. Sie sind offenbar noch nicht lange in Carramer, sonst würden Sie wissen, wie gefährlich der Saphir Beach für Uneingeweihte ist.“

Sie wusste selbst, wie dumm sie gehandelt hatte, und dass sie wirklich beinahe ertrunken wäre. Das musste ihr nicht auch noch ein Fremder auf die Nase binden. „Woher hätte ich es denn wissen sollen?“, reagierte sie unwirsch. „Die einzigen Hinweistafeln waren in der Landessprache, und die beherrsche ich zufällig nicht!“

„Wie überraschend.“

Der Sarkasmus war nicht zu überhören. Sie rappelte sich hoch und sah, dass sie auf einer dicken gewebten Matte unter einem großen Sonnendach lag, das aussah wie das Zelt eines Wüstenscheichs. Ihr wurde unangenehm klar, dass sie auf einem der vielen Privatstrände des Inselkönigreichs Zuflucht gefunden hatte. Und sein Besitzer schien nicht sonderlich darüber erbaut zu sein.

Ihre Augen hatten sich so weit erholt, dass sie den Mann genauer betrachten konnte. Er hatte ein scharf geschnittenes, aristokratisches Gesicht, wie aus Stein gemeißelt. Nur ein winziger Muskel zuckte an seinem Kinn.

Seine obsidianschwarzen Augen funkelten sie unter fast ebenso schwarzem Haar an. Irgendwie kam er ihr bekannt vor, aber sie war so erschöpft, dass sie kaum klar denken konnte.

Eine andere Frage kam ihr in den Sinn. „Woher wissen Sie, dass ich Australierin bin?“

Er runzelte die Stirn. „Wenn Ihr Akzent Sie nicht verraten hätte, dann Ihre Schönheit und die direkte Art bestimmt.“

„Wollen Sie mir weismachen, Sie erkennen Australierinnen auf Anhieb?“

Er nickte. „Ihre besondere körperliche Robustheit un­terscheidet sie von der Zartheit der Frauen von Carramer, auch wenn sie so schlank und wohlproportioniert sind wie Sie, Miss …“

„Alison Carter.“ Sie war froh, dass ihre Stimme inzwischen weniger krächzend klang. „Allie für meine Freunde.“

„Alison.“ So wie er ihren Namen aussprach, gehörte er nicht zu ihren Freunden. „Ich bin Lorne de Marigny.“

„Freut mich, Sie kennenzulernen, Monsieur de Marigny.“ Sie ging auf seinen förmlichen Ton ein, unwillkürlich benutzte sie dabei auch die örtliche französische Anrede. In Australien hätte sie ihn ohne nachzudenken einfach beim Vornamen genannt, aber seine zurückhaltende Art und sein ernstes Gesicht rieten ihr, es nicht zu tun. Sie stand ein wenig mühevoll auf. „Danke für Ihre Hilfe, aber jetzt gehe ich besser.“

Die Landschaft drehte sich vor ihren Augen, und sie schwankte. Sofort legte er ihr den Arm um die Schulter und hielt sie fest. „Sie sind nicht in der Lage, auch nur irgendwohin zu gehen, bis der Arzt es Ihnen erlaubt hat.“

Sein Arm fühlte sich so gut an, dass sie sich am liebsten an ihn gelehnt und ihm die Entscheidungen überlassen hätte. Er schien es gewohnt zu sein, und sie war müde, so unendlich müde. Allie riss sich zusammen. Monsieur de Marigny hatte sichtlich etwas gegen ihre Anwesenheit, also durfte sie ihm nicht weiter zur Last fallen. „Nein, danke. Sie haben mehr als genug getan. Es tut mir leid, dass ich Sie hier gestört habe, aber ich gehe jetzt.“

Sein dunkler Blick bohrte sich förmlich in ihre Augen. „Und wie genau wollen Sie das bewerkstelligen?“

So weit hatte sie noch nicht vorausgedacht. „Ich werde wohl zu Fuß nach Allora zurückgehen. Ich wohne dort in einem kleinen Hotel.“

Eine kurze Handbewegung zeigte arrogant, was er von ihrem Vorhaben hielt. „Sie sind viel zu schwach für einen Fußmarsch über mehrere Meilen zur Stadt zurück.“

Sie blickte ihn überrascht an. „Hat die Strömung mich so weit getragen?“

„Es sieht so aus.“ Er klang amüsiert.

„Und was soll ich Ihrer Meinung nach tun?“ Das kam ziemlich spitz heraus.

„Ein Arzt wird Sie sich ansehen. Kommen Sie, meine Villa liegt hinter der Anhöhe.“

„Als Nächstes sagen Sie mir, Sie haben einen Arzt auf Abruf bereitstehen.“

Lorne blickte sie kaum an. „Da muss ich Ihnen zustimmen.“

„Und einen Chauffeur und einen Hubschrauber samt Pilot, nehme ich an?“, spottete sie.

Er neigte leicht den Kopf. „Neben anderem Personal, ja.“

Sie fühlte sich auf einmal wie ein Fisch auf dem Trockenen. Entweder hatte dieser einnehmende Fremde Wahnvorstellungen, oder aber er war tatsächlich ein Mann von Bedeutung. Sie straffte die Schultern. Beides war ihr eigentlich egal. „Ich sehe hier niemanden“, sagte sie und blickte sich betont um.

Sein Blick spießte sie auf. „Stellen Sie mein Wort infrage?“

Es hörte sich an, als wäre ihm das noch nie passiert. Vielleicht wurde es Zeit, dass jemand es einmal wagte.

„In Australien nennen wir die Dinge so, wie wir sie sehen“, erklärte sie und deutete auf den menschenleeren Strand.

Er atmete tief ein, und sie konnte fast fühlen, wie sehr er sich beherrschen musste. „Geben Sie sich keinen Illusionen hin, wir werden inzwischen von mehreren Punkten aus beobachtet. Dieser Strand ist für die Öffentlichkeit gesperrt, und das ist auch bekannt. Mein Personal ist so ausgebildet, mir wenigstens den Anschein von Privatsphäre zu vermitteln.“

So ganz anders als bestimmte Fremde, sollte es eigentlich heißen.

„Hören Sie, ich habe es nicht darauf angelegt, mich ausgerechnet hier an Ihren Privatstrand schwemmen zu lassen!“ Allmählich gingen ihr sein überhebliches Getue und seine beleidigenden Andeutungen auf die Nerven. Was konnte wohl eine gewöhnliche Touristin im Bikini diesem athletischen Mannsbild schon antun? „Wenn einer von Ihrem … Personal so freundlich ist, mich zurück nach Allora zu bringen, sind Sie mich sofort los.“

Er runzelte die Stirn. „Sind Sie immer so aufreizend beharrlich?“

„Nur nachdem ich fast ertrunken wäre“, versicherte sie ihm müde. Sie hatte einfach keine Lust, sich weiter mit Mr Arroganz abzugeben, und wenn ihm halb Carramer gehören sollte.

Das nahm er ihr nicht ab. Sie sah es ihm an. „Also, wenn ich ehrlich bin, bezweifle ich, dass nur der Kampf mit der Schlange diese Neigung bei Ihnen erweckt.“

Sie sagte sich, er hatte ihr immerhin das Leben gerettet. Also lenkte sie ein. „Als ich vier war, nannte meine Mutter mich Miss Dickkopf, weil ich ziemlich stur sein konnte. Ich schätze, ich habe mich seitdem nicht geändert.“

„Ich schätze, Sie haben sich ausnehmend geändert, seit Sie vier waren“, bemerkte er trocken und musterte sie dabei so unverhohlen, dass klar war, was er meinte.

Dies erinnerte sie daran, wie viel ihr weißer Bikini zeigte. Sie hatte vergessen, ihren eigenen Badeanzug einzupacken, und sich notgedrungen gestern in einer der Boutiquen einen Bikini kaufen müssen. Die Insel schien knapp an Stoffvorräten zu sein. Die beiden winzigen Streifen zeigten mehr, als dass sie etwas verdeckten.

Na und, dachte sie trotzig. Schließlich muss ich mich meines Körpers wirklich nicht schämen. Sie war zwar kein Supermodel, aber sorgfältig überlegte Essgewohnheiten und viel körperliche Bewegung hatten ihrem Körper genau die richtigen Rundungen an den richtigen Stellen gegeben.

Dennoch verursachte Lornes eingehende Musterung ih­res Körpers ein seltsames Prickeln in ihrem Bauch. „Sie übernehmen besser die Führung“, schlug sie Lorne vor, doch leicht verunsichert.

Er neigte leicht den Kopf, sichtlich amüsiert. „Das werde ich auf jeden Fall.“

Als er ihren Arm ergriff und sie den schmalen Weg über die Düne führte, hatte sie das Gefühl, an der Stelle zu brennen. Überrascht schaute sie hin. Keine Flammen, nur gewöhnliches Fleisch und Blut. Es musste an ihrer Erschöpfung liegen, dass es ihr jetzt noch heiß über den Rücken lief. Vielleicht war sein Rat doch richtig, sich ärztlich untersuchen zu lassen.

„Was führt Sie nach Carramer? Machen Sie hier Ur­laub?“, fragte er, während sie Mühe hatte, mit seinen langen Beinen Schritt zu halten. Er bemerkte es und verlangsamte sein Tempo.

Sein desinteressierter Ton verriet, dass er nur höflich Konversation machte. „Es ist ein Arbeitsurlaub“, erwiderte sie. „Ich bin hergekommen um zu malen.“

„Sind Sie Künstlerin?“

Wieder dieser missbilligende Ton, und sie fragte sich nach dem Grund. Sie seufzte. „Genau das möchte ich he­rausfinden. Zu Hause in Brisbane gebe ich Kunstunterricht an einer Mädchenschule, aber ich habe immer schon Malerin werden wollen. So beschloss ich, meine Ersparnisse dazu zu benutzen, um herauszufinden, was ich wirklich kann.“

„Warum ausgerechnet Carramer? Sie könnten doch auch in Australien malen, oder?“

Sie nickte. „Das könnte ich, aber dort gibt es zu viele Ablenkungen.“

Er hob eine Augenbraue. „Zum Beispiel durch einen Mann?“

Ablenkungen durch eine Familie, für die ich immer zur Verfügung stehe, dachte sie und unterdrückte den aufsteigenden Ärger. Hin- und hergerissen zwischen einer kränkelnden Mutter, die von ihr erwartete, dass sie kaum von ihrer Seite wich, und einer verwöhnten Schwester, hatte Allie niemals genug Geld oder Zeit für sich selbst gehabt. Ihr Vater hatte die Familie verlassen, als sie sechzehn gewesen war, und ihre Mutter hatte sich von da an voll und ganz auf sie gestützt. Sie war ständig irgendwie krank, sodass sie niemals richtig arbeiten konnte, und so hatte Allie ihren Traum aufgegeben, die Kunstschule zu besuchen. Stattdessen war sie Lehrerin geworden, um die Familie zu ernähren und ihrer Schwester das Studium zu ermöglichen.

Dann, vor ein paar Monaten, hatte ihre Mutter die Bombe platzen lassen. Sie hatte verkündet, einen Nachbarn zu heiraten. Er hatte wohl während Allies Arbeitszeit um ihre Mutter geworben, denn sie selbst hatte nie etwas davon mitbekommen. Es wurde zwar nicht ausgesprochen, aber es war klar, von nun an sollte Allie ihr eigenes Leben führen. Man bedankte sich bei ihr, zeigte ihr aber deutlich, weitere Opfer seien nicht notwendig.

Lorne hielt ihr Schweigen fälschlicherweise für Zustimmung. „Hat dieser Mann Sie betrogen?“

Allie starrte ihn verwirrt an. „Nein, ich meine, es gibt keinen Mann. Ich bin aus persönlichen Gründen hergekommen.“

Er sah sie skeptisch an. „Sie wollen mir erzählen, eine Frau mit Ihrem Aussehen hat keinen Mann, der zu Hause auf sie wartet?“

Sie hatte sich ab und an mit einem Kollegen getroffen, aber er war noch fordernder als ihre Familie gewesen – und dagegen, dass sie Urlaub nahm. Wohl, weil sie ihm dann nicht mehr zur Verfügung stand. Als er dann andeutete, er würde vielleicht nicht mehr für sie da sein, wenn sie zurückkehrte, hatte sie spontan mit ihm Schluss gemacht.

„Es wartet zu Hause kein Mann mehr auf mich“, erklärte sie, konnte aber einen bitteren Unterton dabei nicht verhindern.

„Ich nehme an, Sie haben Ihren eigenen Bedürfnissen den Vorrang gegeben.“ Es klang wie ein Urteil.

Sein Ton gefiel ihr nicht. Sie hatte genug davon, sich von anderen durch die Gegend scheuchen zu lassen, nur um dann wie ein nutzloses Teil abgelegt zu werden, das man nicht mehr brauchte. Es war an der Zeit, einiges zu ändern. Unbewusst hob sie stolz das Kinn. „Und was ist daran falsch?“

Er antwortete nicht sogleich. „Meiner Erfahrung nach ist es nicht richtig, sich über die Bedürfnisse anderer hinwegzusetzen.“

Nichts lag ihr ferner. Aber was wusste er schon, welche Verantwortung sie all die Jahre hatte tragen müssen? So wie er aussah und wie er von seiner Villa und seinem Personal redete, musste er sich bestimmt nur um sich selbst sorgen.

Sie warf ihm einen Seitenblick zu, verwirrt, wie widersprüchlich sie auf ihn reagierte. Einerseits mochte sie seine herrische Art nicht, und doch erregte er sie auf seltsame Weise. Sie brachte die Schmetterlinge in ihrem Bauch zur Ruhe und betrachtete ihn so, wie er sie betrachtet hatte. Er war groß, aber nicht einschüchternd riesig. Ungefähr einen Kopf größer als sie selbst. Und seine Haltung verriet Kraft und Durchsetzungsvermögen.

Unwillkürlich stellte sie sich vor, wie seine dunklen Augen in Momenten der Freude aufleuchteten und sich sein voller Mund zu einem Lächeln verzog. Ein Schauer rann ihr über den Rücken.

Ich würde ihn gern so malen, wie er jetzt aussieht, dachte sie. Er trug eine schmale schwarze Badehose, aber dennoch wirkte er aristokratisch, wie ein Ritter in voller Montur. Er sah aus, als wäre er sich seines Platzes in der Welt bewusst.

Sie unterdrückte einen Anflug von Neid. Es musste ein wundervolles Gefühl sein, zu wissen, wer man war und was man tun wollte. Etwas, nach dem Allie noch auf der Suche war.

„Was tun Sie hier?“, fragte sie impulsiv.

Einen Moment lang wirkte er verblüfft, dann sagte er: „Was ich tue? Man könnte sagen, ich leite etwas.“

„Sie meinen Manager? Geschäftlich? Oder in der Regierung?“

Er presste die Lippen zusammen. „Sie sind noch nicht lange in Carramer, oder, Alison?“

„Eine Woche, aber ich habe vor, so lange zu bleiben, wie mein Geld reicht. Warum fragen Sie? Sollte ich wissen, wer Sie sind?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, aber ich denke, Sie werden es herausfinden.“

Sie schaute in die Richtung, in die sein Kopf wies und sah eine Gestalt, die von einem der Bäume hinter dem Strand heruntersprang. Dann sah sie einen Mann hinter einer viel kleineren Gestalt am Strand herjagen.

„Nori“, sagte Lorne so gefühlvoll, dass Allie ihn neugierig ansah. Er breitete die Arme aus, und das Kind warf sich hinein, schlang ihm beide Arme um den Nacken. „Was machst du denn hier? Du solltest doch deinen Mittagschlaf halten, oder?“

„Ich brauche keinen Mittagsschlaf mehr, ich bin jetzt ein großer Junge“, piepste der Kleine.

Allie empfand eine seltsame Enttäuschung. Ohne Zweifel waren die beiden Vater und Sohn. Die Ähnlichkeit war zu groß. Er war also verheiratet.

Das Kind blickte von der Fremden zu seinem Vater. „Dies ist Alison Carter. Sie hat Probleme mit der Schlange gehabt und fühlt sich nicht ganz wohl“, erklärte Lorne.

Der kleine Junge nickte ernst. „Ich weiß, man muss ganz vorsichtig wegen der Schlange sein, und ich darf nur mit meinem Kindermädchen baden gehen.“

Allie musste lächeln. Mit seinen leuchtenden dunklen Augen und der honigfarbenen Haut war Nori wirklich ein süßes Kind. „Vielleicht sollte ich auch nur mit meinem Kindermädchen baden“, spaßte sie.

Der Kleine sah sie verächtlich an. „Du bist viel zu groß für ein Kindermädchen. Wenn ich groß bin, habe ich auch keins mehr.“

Allie lachte. „Wie alt bist du, Nori?“

„Ich bin jetzt ein großer Junge. Ich bin vier.“ Er hielt drei kurze Finger hoch.

Ohne nachzudenken, streckte Allie die Hand aus und drückte einen weiteren Finger hoch. „Das sind vier Finger.“

Das Kind runzelte die Stirn. „Ich weiß. Ich habe nur Spaß gemacht.“

In diesem Augenblick kam ein solide gebauter Mann in einem weißen Hemd und dunkler Hose herangeschlendert. „Entschuldigen Sie die Störung, Eure Hoheit. Nori bestand darauf, zu Ihnen zu gehen, und noch bevor wir ihn zurückhalten konnten, war er uns schon entwischt.“

Allie erstarrte. Eure Hoheit? Kein Wunder, dass Lorne erwartet hatte, sie würde ihn kennen. Nun erinnerte sie sich, was sie im Reiseführer gelesen hatte. De Marigny war der Name der Herrscherfamilie von Carramer. Sie war einfach in die königliche Residenz gestolpert. Es war ein Wunder, dass er sie selbst aus dem Wasser geholt hatte, anstatt seine Wachen zu rufen. Sie war nur froh, dass sie sich nicht noch mehr blamiert hatte.

„Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, Eure Hoheit. Ich hatte keine Ahnung“, sagte sie. Es fiel ihr schwer, ihren Ärger zu beherrschen. Er hätte ihr ruhig die Wahrheit sagen und ihr damit eine Menge Peinlichkeiten ersparen können.

Er tat es mit einer Handbewegung ab. „Es war für mich eine neue Erfahrung, nicht erkannt zu werden.“

„Es freut mich, Ihnen eine kleine Ablenkung geboten zu haben, Eure Hoheit“, gab sie ungnädig zurück. „In Carramer herrscht wohl ein Mangel an Hofnarren.“

Ihre Verärgerung schien ihn zu überraschen. „Im Gegensatz zu Ihrer Annahme habe ich mich nicht auf Ihre Kosten amüsiert. Ich hatte vor, mich Ihnen vorzustellen, sobald Sie sich ein wenig erholt hatten.“

„Dann tun Sie es besser jetzt gleich. Ich möchte mich nicht zu einem noch größeren Narren machen!“

Obwohl sie leise gesprochen hatte, blickte der Bodyguard sie erstaunt an. Es kam wohl nicht oft vor, dass jemand so zu den Mitgliedern der königlichen Familie sprach. Bevor Lorne etwas erwidern konnte, sagte der Mann: „Ich habe die Ehre, Ihnen seine Hoheit, Prinz Lorne de Marigny, Herrscher des souveränen Königreichs von Carramer, vorzustellen.“

„Sie … Sie sind der Herrscher des ganzen Landes?“, fragte sie schwach, weil sich alles um sie herum drehte.

Lorne nickte. „So scheint es.“

Die ausgestandene Todesangst und dass sie vom Monarchen höchstpersönlich gerettet worden war, musste zu viel für ihre angegriffenen Nerven gewesen sein. Der erschrockene Ausruf des Bodyguards und Lornes Befehl, ihm den Jungen abzunehmen, war das Letzte, was Allie hörte, bevor sie den Sand auf sich zukommen sah.

2. KAPITEL

Als Lorne Allie auf die Arme hob, beruhigte er automatisch seinen Sohn: „Es ist alles in Ordnung, Nori. Miss Carter ist nur vom Kampf mit der Schlange müde. Geh mit Robert zurück ins Haus. Ich komme mit Miss Carter nach.“ An den Bodyguard gewandt, sagte er: „Bitten Sie den Arzt zu mir.“

Allie rührte sich nicht, als Lorne sie das zweite Mal innerhalb einer Stunde auf den Armen hielt. Besorgt sah er auf ihr blasses Gesicht. Es wirkte durchscheinend wie das einer Porzellanpuppe. Leichte violette Schatten lagen unter den Augen. Lorne verfluchte sich stumm, weil er nicht darauf bestanden hatte, dass sie sich sofort von einem Arzt untersuchen ließ.

Als er sie über den feinen weißen Sand hinüber zur Villa trug, wurde ihm klar, dass es ihm Spaß gemacht hatte, sich mit ihr zu unterhalten. Sich mit einer Frau auf gleichberechtigter Ebene zu treffen, war für ihn etwas sehr Außergewöhnliches, denn fast jeder hier erkannte ihn auf den ersten Blick und verhielt sich dementsprechend ehrfürchtig. Zuerst war es wie ein Schock gewesen, dass sie ihn nicht erkannt hatte. Dann aber hatte es ihm gefallen, als Mann und nicht als Monarch behandelt zu werden.

Idiot, schalt er sich sogleich. Hatte er denn nicht genügend aus der Erfahrung mit Noris Mutter gelernt? Chandra war auch Australierin gewesen und ebenso erfrischend in ihrer Art wie Allie, als sie sich bei einem offiziellen Besuch ihrer Heimat kennenlernten. Er hatte sich in die frühere Miss Australien verliebt und sie gegen den Rat seiner Minister als seine Braut nach Carramer mitgebracht.

Der Traum hatte nur so lange gedauert, bis sie begriff, dass ihre Pflichten als Mitglied der königlichen Familie, anders als nach ihrer Wahl zur Miss Australien, nicht nach einem Jahr endeten. Während einer ihrer heftigen Auseinandersetzungen hatte sie Lorne an den Kopf geworfen, sie habe schon immer Prinzessin werden wollen. Nun, wo sie ihr Ziel erreicht hatte, sähe sie keinen Sinn mehr darin, sich mit den lästigen Pflichten herumzuschlagen, die damit verbunden waren.

Die Mutterschaft war für sie eine noch größere Last, und nur zu gern überließ sie ihren Sohn voll und ganz einem Kindermädchen. Weder Kind noch Mann waren Chandra wichtig. Sie verbrachte ihre Zeit lieber damit, sich in Paris an den neuesten Modeschauen zu ergötzen und in der Aufmerksamkeit zu baden, die ihr als Prinzessin zuteil wurde.

Aus Verzweiflung hatte Lorne ihre Ausgaben gekürzt, sodass sie gezwungen war, längere Zeit zu Haus zu verbringen. Sie beschuldigte ihn, ein Tyrann zu sein, keine Rücksicht auf ihre Gefühle und Bedürfnisse zu nehmen. Nach und nach fand sie alles im Königreich unerträglich – einschließlich ihrer Ehe. Lorne fühlte sich einsamer als vor der Hochzeit.

Irgendwann hatte er es satt, ständig zu hören, was alles in Australien besser sei. Aber das, was Chandra wirklich von ihm wollte, konnte er nicht tun – sie von ihrem Ehegelübde befreien, damit sie zwar Prinzessin bleiben, aber ihr Leben in vollen Zügen genießen konnte.

In seinem Land wurde eine Ehe fürs ganze Leben geschlossen. So etwas wie eine Scheidung gab es nicht. Ein Ehepaar konnte zwar getrennt leben, blieb aber bis zum Tod miteinander verheiratet. Chandra hatte verlangt, dass Lorne das Gesetz änderte, aber er hatte sich geweigert, wusste er doch um die Folgen der Scheidungen auf die Kinder in anderen Ländern. Wäre er nicht Herrscher von Carramer gewesen, hätte er ihr erlauben können, von ihm getrennt zu leben. Aber er hatte nicht vor, seinem Volk ein schlechtes Beispiel zu bieten.

Er runzelte die Stirn. Wenn er das Gesetz geändert hätte, würde Chandra dann heute noch leben? Das würde er niemals erfahren. Nach einem heftigen Streit mit ihm war sie zu ihrem Wagen gestürzt und wie eine Verrückte davongerast, hatte die Kontrolle über das Fahrzeug verloren und war übers Kliff hinab ins Meer gestürzt. Chandra hatte ihre Freiheit wieder gefunden, aber auf eine Art, die ihn sein Leben lang verfolgen würde.

Die Frau in seinen Armen stöhnte leise und riss ihn in die Gegenwart zurück. Ihr inzwischen getrocknetes nussbraunes Haar wehte gegen seine Schulter. Wie leicht sie ist, dachte er unbewusst. Der Kontakt mit ihrem schlanken Körper erinnerte ihn ungewollt daran, dass er seit Chandras Tod vor einem Jahr nicht mehr mit einer Frau zusammen gewesen war, eine lange Zeit für einen gesunden, starken Mann.

Wieder runzelte er die Stirn. Wieso ließ ihn ausgerechnet Alison Carter an sein enthaltsames Leben denken? Nach Chandra hatte er keinerlei Lust darauf, sich mit einer Ausländerin einzulassen, besonders nicht mit einer Australierin. Wie hieß es doch? Ein gebranntes Kind scheut das Feuer.

Aber an dieser Frau musste etwas Besonderes sein, etwas, das ihn in einer Weise berührte, die er lieber nicht näher erforschen wollte. Je schneller der Arzt sie für gesund erklärte, desto besser für alle Beteiligten.

Als sie die Villa erreichten, wanderte Dr. Pascale mit besorgter Miene auf der Terrasse auf und ab. Nur zögernd ließ sich Lorne Allie von einem seiner Hausangestellten abnehmen, damit der Arzt sie untersuchen konnte.

„Bringen Sie sie in die Rosensuite“, befahl er. Es erschien ihm selbstverständlich, sie in seiner prachtvollsten Gästesuite unterzubringen. Dann wandte er sich an Dr. Pascale. „Berichten Sie mir bitte sogleich nach Ihrer Untersuchung über ihren Zustand.“

„Ich nehme an, Sie haben ein besonderes Interesse an der jungen Dame?“, fragte der Arzt neugierig.

Dr. Pascale hatte Lorne vor einunddreißig Jahren auf die Welt gebracht und war einer der wenigen Menschen, die so vertraulich mit ihm reden durften. Lornes Eltern waren bei einem Zyklon ums Leben gekommen, als er zwanzig war, und der Arzt war für ihn eine Art Vaterfigur geworden. Aber heute irritierte ihn seine Distanzlosigkeit.

„Sie ist eine Fremde, die unsere Hilfe braucht, Alain. Ich möchte Sie bitten, sie ihr zukommen zu lassen.“

Der Arzt ließ sich nicht im Mindesten von Lornes missbilligendem Ton beeindrucken. „Wie Sie wünschen, Eure Hoheit.“ Es gelang ihm, den Titel mit einem Hauch von Tadel zu versehen.

Sofort bedauerte Lorne seine Zurechtweisung. Alains Tadel war berechtigt. Egal, wie sehr das unerwartete Auftauchen der Australierin ihn durcheinanderbrachte, es gab ihm nicht das Recht, sich einem guten Freund gegenüber unwirsch zu verhalten. Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. „Warten Sie, Alain. Es tut mir leid, dass ich so gereizt war. Tun Sie, was Sie für sie tun können, ja?“

Der Arzt lächelte ihn amüsiert an. „Wie Sie wünschen, Eure Hoheit.“ Das klang wärmer als gerade eben.

Als der Arzt endlich zurückkehrte, hatte Lorne geduscht und sich umgezogen. Er trug jetzt ein offenes weißes Hemd und eine schwarze Hose. Er war überrascht, wie ungeduldig er auf den Arzt gewartet hatte.

„Die junge Dame hat keinerlei bleibenden Schaden durch ihr Erlebnis mit der Unterwasserströmung davongetragen“, informierte ihn Dr. Pascale.

„Aber warum ist sie dann ohnmächtig geworden?“

„Ich möchte Erschöpfung als Grund annehmen.“

„Durch ihren Kampf gegen die Strömung?“

„Nicht nur, würde ich sagen. Sie ist ausgelaugt und leicht anämisch. Sie hat zugegeben, seit Jahren keinen Urlaub mehr gemacht zu haben. Und ich nehme an, seit sie in unser schönes Land eingereist ist, hat sie nicht viel Schlaf bekommen.“

„Ich nehme an, sie verbringt ihre Nächte mit anderen Urlaubern ihres Alters …“

„Das bezweifle ich“, meinte Dr. Pascale trocken. „Sie wohnt im Shepherd Lodge.

„Ich verstehe.“ Lorne verstand wirklich. Shepherd Lodge wurde von Nonnen geleitet, die streng darauf achteten, dass ihre Gäste gewisse Anstandsregeln befolgten. Die jungen Frauen, die dort wohnten, nahmen die spartanische Ausstattung und die Einrichtung, dass jeder Pflichten übernahm, gern in Kauf, weil es dort sauber und konkurrenzlos billig war. Er ahnte, was Alison Carter bewogen haben mochte, sich dort einzumieten.

„Ich habe ihr etwas gegeben, damit sie ein wenig zur Ruhe kommt“, fuhr Dr. Pascale fort. „Soll ich dafür sorgen, dass sie zum Lodge zurückgebracht wird, wenn sie wieder wach ist?“

Lorne kannte den Arzt gut genug, um zu wissen, welche Antwort er erwartete. „Sie wissen so gut wie ich, dass ich sie in einem solchen Zustand nicht dorthin schicken kann“, bemerkte er leicht gereizt. „Die Nonnen bestehen darauf, dass sich die Gäste tagsüber nicht in den Räumen aufhalten. Man muss schon mit einem Bein im Grab stehen, damit sie eine Ausnahme machen.“

„Dann kann sie für ein, zwei Tage in der Rosensuite bleiben, bis sie wieder obenauf ist?“

Lorne nickte und fragte sich insgeheim, ob er nicht seinen Kopf untersuchen lassen sollte. „Ja, für einen Tag oder so. Und lassen Sie bitte bei den Nonnen Bescheid geben, dass Miss Carter hier bei mir wohnt, damit sie keine Vermisstenanzeige erstatten.“

Der Arzt hob eine Augenbraue. „Und Sie waren sauer auf mich, weil Sie bei mir Hintergedanken vermuteten. Was meinen Sie, wie der Tratsch blühen wird, wenn diese Information die Runde macht!“

Lorne seufzte schwer. „Wie immer haben Sie recht. Lassen Sie erklären, Alison hätte hier eine Stellung als … als Noris Gesellschafterin für den Rest ihres Urlaubs angetreten.“

Alain hatte den Anstand, nicht zu grinsen. „Sie gehen natürlich davon aus, dass sie diese Regelung akzeptiert.“

„Selbstverständlich wird sie das.“ Lorne sah ihn verwundert an. „Wenn ich es anordne.“

Dr. Pascale zuckte mit den Schultern. „Gerade Sie sollten doch wissen, welchen Unabhängigkeitsdrang Australierinnen entwickeln können. Miss Carter scheint mir da keine Ausnahme zu sein. An Ihrer Stelle würde ich sie auf nette Weise bitten, dann sagt sie vielleicht Ja.“

Jemand nett zu bitten gehörte nicht zu Lornes Gepflogenheiten. Er war es einfach nicht gewohnt. Als Herrscher von Carramer war sein Wort mehr oder weniger Gesetz. Zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, ob dies nicht mit zum Scheitern seiner Ehe beigetragen hatte. Aber da er es nie mehr erfahren würde, schob er den Gedanken beiseite.

„Ich werde es mir überlegen.“

„Ich höre, wenn ich entlassen bin“, meinte der Arzt leichthin. „Aber ich werde über Nacht hierbleiben, falls Ihre junge Dame mich braucht.“

„Sie ist nicht meine junge Dame“, erwiderte Lorne ärgerlich. „Obwohl es ja so aussieht, als würde ich sie erst einmal am Hals haben.“

„Zeigen Sie es ihr nur, dann löst sich das Problem ganz von allein. Sie wird so schnell wie der Blitz verschwinden!“, meinte Dr. Pascale. „Die meisten gesunden jungen Männer würden es nicht als Last empfinden, eine junge Dame über Nacht als Gast bei sich zu haben.“

Lorne bedachte ihn mit einem vernichtenden königlichen Blick, aber er wusste, das hätte er sich auch sparen können. „Die meisten gesunden jungen Männer müssen auch kein Land regieren.“

„Oder haben schlechte Erfahrungen mit einer australischen Schönheit hinter sich“, bemerkte der Arzt trocken. „Nicht alle Frauen von dort sind wie Chandra. Einige von ihnen genießen es, in Carramer zu leben. Meine Frau zum Beispiel. Gute Nacht.“

Bevor Lorne eine passende Antwort einfiel, war Dr. Pascale fort und er allein. Noch nie war ihm sein Privatapartment so leer vorgekommen.

„Gut, dass du wach bist. Papa hat gesagt, keiner darf dich stören, bis du von allein aufwachst.“

Es dauerte einen Moment, ehe Allie den Jungen am Fuß­ende des Betts mit ihrer Umgebung in Zusammenhang bringen konnte. Als dann die Erinnerung einsetzte, richtete sie sich abrupt auf.

„Wie spät ist es?“, fragte sie den kleinen Jungen, der sie mit großen Augen anstarrte.

Er verzog das Gesicht. „Keine Ahnung, ich bin erst vier. Du bist sogar früher als ich ins Bett gegangen, Miss Carter.“

Allie musste lächeln. „Ja, das stimmt. Aber nenn mich doch Allie. Das sagen alle meine Freunde zu mir, und ich hoffe, du wirst auch mein Freund.“ Sie stützte sich auf dem Ellbogen auf und klopfte auf den Platz neben sich. „Komm her.“

Er brauchte keine zweite Einladung. „Du sprichst so komisch.“

„Ich bin aus Australien. Deswegen hört es sich für dich so komisch an.“

Er machte es sich neben ihr gemütlich. „Meine Mummy ist aus Australien gekommen. Ist das wie der Himmel?“

Irgendetwas stimmte hier nicht. „Australien ist ein Land wie Carramer, Nori“, erklärte sie und fügte sanft hinzu: „Ist deine Mummy im Himmel?“

Das Kind nickte, und seine Augen schimmerten auf einmal. „Papa sagt, wir können sie dort nicht besuchen, aber sie hat es dort sehr, sehr gut.“

Allies Herz krampfte sich zusammen. Lornes Frau war also auch Australierin gewesen und vor Kurzem gestorben. Sie erinnerte sich, wie kalt Lorne auf ihre Nationalität reagiert hatte. Offenbar hatte sie ihn schmerzlich an seinen Verlust erinnert. Er muss seine Frau sehr geliebt haben, dachte sie, und eine Welle der Traurigkeit überkam sie. Wie würde es sein, so geliebt zu werden …

„Ich bin sicher, dein Daddy hat recht, Sweetheart“, versicherte sie dem kleinen Jungen mit bebender Stimme.

Er nickte, sein Gesicht hellte sich auf. „Hast du in Australien ein kleines Känguru?“

Er fragte es so ernst und süß, dass sie ihn am liebsten geherzt hätte, aber sie zögerte. Durfte man einen Kronprinzen herzen, selbst wenn er erst vier Jahre alt war? So legte sie nur den Arm um ihn. Er kuschelte sich sogleich dichter an sie.

„Nein, Kängurus sind Wildtiere und leben im Busch, nicht in Häusern“, erklärte sie. „Aber ich habe schon einmal einen Koalabären geknuddelt. Sie sind wirklich niedlich, so wie du.“

Der Vergleich gefiel ihm offensichtlich nicht. „Ich bin nicht niedlich. Aber einen Koala würde ich auch gern einmal knuddeln.“

„Es gibt sie nur in Australien und einigen Zoos. Aber weißt du was …?“, sagte sie spontan. „Ich habe einen Plüschkoala in meinem Gepäck in Allora. Ich verspreche dir, ich schicke ihn dir, sobald ich wieder dort bin.“

„Das ist nicht nötig. Nori hat genügend Spielzeug“, ertönte eine strenge Stimme von der Tür her.

Allie drehte sich um. Lorne stand da, und seine Miene verhieß nichts Gutes. Er trug ein hellblaues Polohemd mit einem Monogramm auf der Brusttasche, dazu eine marineblaue Hose. Beides unterstrich seine athletische Figur. Instinktiv zog Allie die Bettdecke bis zum Kinn hoch.

Beim Anblick seines Vaters krabbelte Nori vom Bett, tauchte unter seinem Arm hindurch und verschwand schleunigst nach draußen.

„Es wäre mir lieber, wenn Sie meinem Sohn nicht irgendwelche Flausen über Australien in den Kopf setzen“, bemerkte der Prinz grimmig.

Was hatte sie denn getan? „Ich habe ihm nur einen Plüschkoalabären versprochen“, erklärte sie. „Ich habe ihn für den Fall mitgebracht, dass ich ein Geschenk brauche. Es ist also kein Problem.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust und stand da wie die personifizierte Missbilligung. „Für Sie vielleicht nicht. Aber Nori stellt sich Australien bereits als eine Art Disneyland vor, wo alles viel aufregender ist als in seiner Heimat.“

Der Junge verbindet wohl alle Australier mit seiner Mutter, und deshalb sind sie alle mit der gleichen Zauberkraft versehen, dachte Allie. Ob Lorne wohl weiß, wie sehr er seine Mutter vermisst? Aber sie hielt sich zurück. Sie hatte ihm gegenüber schon genug Fehler begangen.

„Wegen gestern, Eure Hoheit …“, begann sie förmlich, so weit das möglich war angesichts der Tatsache, dass sie im Bett lag. „Es tut mir leid, dass ich gestört habe. Vielen Dank für die ärztliche Untersuchung und dass ich mich hier ein wenig ausruhen durfte, aber nun sollte ich zurück nach Allora.“

„Alain – Dr. Pascale hat Ihnen sieben Tage Ruhe verschrieben“, informierte er sie. Erfreut schien er nicht darüber zu sein. „Er hat gesagt, Sie seien ausgelaugt und leicht anämisch.“

Das klang, als wäre sie ihm eine einzige Last. „Ich hatte nicht geplant, vor Ihren Füßen zusammenzubrechen, Euer Hoheit“, erklärte sie verstimmt. „Ich bin sicher, in meiner Unterkunft erhole ich mich ebenso gut wie hier. Gestatten Sie mir also, dass ich mich anziehe und mich auf den Weg mache.“

Sie erinnerte sich dunkel, dass der Arzt ihr beim Umziehen geholfen hatte, nachdem er ihr Kleidung gebracht hatte. Sie schaute sich um und entdeckte einen Kleiderständer am Fenster. Mehrere Kleidungsstücke hingen darüber.

„Sie bekommen die Sachen selbstverständlich zurück“, fügte sie noch hinzu.

Der Prinz schüttelte den Kopf. „Die Kleidung ist unerheblich. Dr. Pascale wünscht, dass Sie bleiben.“

Da ist er der Einzige, dachte sie bissig und setzte sich abrupt auf. Dabei vergaß sie allerdings, dass sie nur ein hauchdünnes Nachthemd trug, unter dem sich ihre Rundungen deutlich abzeichneten. Nur mit Mühe widerstand sie dem dringenden Verlangen, die Bettdecke wieder hochzureißen.

„Da habe ich wohl noch ein Wörtchen mitzureden, oder?“

Offenbar hatte sie sich im Ton vergriffen. Sie sah es an seinen Augen. „Wenn Sie aus Carramer wären, wüssten Sie es besser“, kam es von oben herab.

„Weil Sie der Prinz und ich ein Niemand bin?“, konterte sie. Er mochte zwar hier der Herrscher sein, aber nicht ihr Herrscher. Und es wurde Zeit, ihm das deutlich zu sagen.

Falls ihre Bemerkung hier als Hochverrat galt, nahm er es erstaunlich ruhig. „Ihr Status ist unerheblich. Ich meinte damit nur Dr. Pascales Anordnung, Sie bräuchten Ruhe und Erholung.“

Das konnte nur heißen, dass er sie lieber gestern als heute wieder loswurde. Aber er wollte wohl nicht riskieren, dass sie nochmals ohnmächtig wurde, bevor der Arzt nicht sein Okay gab. Und ehrlich gesagt fühlte sie sich schwächer, als sie zugeben mochte.

Der Prinz schien Gedanken lesen zu können. „Sie sind noch schwach“, konstatierte er. „Ruhen Sie sich jetzt aus. In Ihrer Unterkunft wurde bereits Bescheid gegeben, dass Sie hierbleiben. Ihr Gepäck wird im Lauf des Vormittags hergebracht.“

„Sie denken ja wirklich an alles“, erwiderte sie aufsässig.

Er überging ihren Ton geflissentlich. „Genau. Um irgendwelchen Gerüchten gleich den Boden zu entziehen, wurde mitgeteilt, Sie würden für eine gewisse Zeit Gesellschafterin des Kronprinzen sein.“

Das war eine interessante Neuigkeit, da er doch offensichtlich nicht wollte, dass sie in die Nähe seines kleinen Sohns kam.

„Und bin ich das?“

„Natürlich nicht. Nori schien Ihre Gesellschaft zu mögen, aber man kümmert sich bereits hervorragend um ihn.“

Und er ist ein einsamer kleiner Junge, dachte sie. Aber das würde sein Vater nicht gern hören. „Dann kann ich leider nicht bleiben“, sagte sie und schlug die Bettdecke zurück.

Das war ein Fehler, wie sie gleich darauf erkannte, als sie die Beine aus dem Bett schwang. Das Nachthemd bedeckte kaum ihre Schenkel. Sicher, am Strand hatte Lorne sie im Bikini gesehen, aber jetzt befanden sie sich in einem Schlafzimmer.

Lorne de Marigny war ein Mann, sie eine Frau. Allie wusste nicht mehr, wann zuletzt sie sich so zutiefst weiblich gefühlt hatte während der Zeit, als sie für ihre Mutter und Schwester die Haushälterin und Ernährerin gespielt hatte.

Aber er sollte nicht sehen, wie unbehaglich ihr zumute war. Allie drückte die Schultern durch und erhob sich würdevoll. Sie wünschte nur, der Raum würde sich nicht um sie drehen und ihr den Auftritt verderben.

„Marsch wieder ins Bett. In diesem Zustand gehen Sie nirgendwohin“, befahl er. Aber seine Stimme klang diesmal sanfter, und er kam herüber, um sie zu stützen. „Warten Sie, ich helfe Ihnen.“

Sie hätte sehr gut allein stehen können, hätte er sie nicht berührt. Aber sobald er ihren Arm ergriff, wurden ihr die Knie butterweich. Sie sackte gegen ihn.

„Ich werde hier nicht unter falschen Behauptungen bleiben“, beharrte sie, auch wenn ihr Herz auf einmal wie verrückt klopfte. Es musste mit ihrem geschwächten Zustand zu tun haben!

Seine dunkle, tiefe Stimme erklang dicht an ihrem Ohr. „Offenbar müssen Sie erst noch lernen, dass man niemals Nein zu einem Herrscher sagt.“

Lorne mochte sein Personal vielleicht damit einschüchtern, aber sie kam aus einem Land, wo die Gleichheit oberstes Gut war. Respekt war etwas anderes, aber er musste verdient werden. Und so wie er mit ihr umsprang, würde das bestimmt nicht der Fall sein.

„Und Sie müssen noch lernen, dass Australier unabhängige Menschen sind, die sich nicht gern etwas von anderen sagen lassen“, sagte sie so kühl wie möglich.

Er musterte sie grimmig. „Während meiner Ehe wurde mir der Abscheu der Australier gegen Autorität sehr deutlich gemacht, aber Sie befinden sich jetzt in Carramer. Sie werden bleiben, weil der Arzt es so angeordnet hat.“ Er fügte nicht hinzu, dass es ein Befehl war, aber die Worte hingen in der Luft.

„Oder was? Werfen Sie mich sonst über die Klippen ins Meer, wie es Ihre Vorfahren mit unbotmäßigen Untertanen taten?“ Rebellisch schob sie ihr Kinn vor. Leider kam sie seinem Gesicht damit viel zu nahe.

Sein Blick riet ihr deutlich, ihn nicht zu reizen, aber sein Griff wurde nur wenig fester, als er sagte: „Bitte legen Sie sich wieder ins Bett.“

Nun war sie ehrlich überrascht. „Sehen Sie – man bricht sich doch keinen Zacken aus der Krone, wenn man bitte sagt, oder?“

Kaum waren die Worte heraus, hätte sie sich am liebsten die Zunge abgebissen. Was war nur an dem Prinzen, dass sie ihren Mund einfach nicht halten konnte? Warum nur musste sie ihn ständig herausfordern?

Ein Blick in seine schwarzen Augen zeigte ihr, dass er einen inneren Kampf mit sich ausfocht. Im nächsten Moment senkte Lorne den Kopf und eroberte ihre Lippen. Wie viele Frauen hatte sich auch Allie als kleines Mädchen gewünscht, von einem echten Prinzen geküsst zu werden. Aber nichts in ihren damaligen Fantasien hatte sie auf die Wirklichkeit vorbereitet. Ihr Instinkt verriet ihr, dass Lorne mit diesem Kuss seine Macht ausspielen wollte. Sie sollte wissen, wer hier das Sagen hatte. Trotzdem wirkte die leidenschaftliche Liebkosung verheerend auf sie. Allie ertappte sich dabei, dass sie sich wünschte, der Kuss möge nie enden.

Als er sich wieder von ihr löste, war sie froh, das Bett hinter sich zu haben. Ihre Knie gaben nach, und sie sank auf die Matratze. „Mir war gar nicht klar, dass Ihre Landessitten das Recht des feudalen Herrschers auf seine weiblichen Untertanen beinhalten.“

„Das Recht des Herrschers, sich jede Frau zu wählen, bevor ein anderer es tat, ist seit Jahrhunderten nicht mehr in Anspruch genommen worden – falls es nicht ganz und gar nur ein Mythos gewesen ist“, erwiderte er gelassen. Auch sein kühler Gesichtsausdruck erinnerte sie daran, dass er sie nicht aus Verlangen geküsst hatte, sondern weil sie seine Autorität infrage stellte.

„Aber Sie glauben, es hat existiert?“ Ein Schauer überlief sie bei dem Gedanken.

Er verzog leicht den Mund, und sie wünschte, sie hätte sich eben gewehrt. Warum hatte sie es nicht?

„Es wäre sehr … erbaulich gewesen“, meinte er nach längerer Pause. „Aber es hat nichts damit zu tun, dass ich Sie geküsst habe.“

„Ich weiß genau, Sie wollten mir zeigen, dass Sie stets der Sieger sein werden – und zwar wegen Ihrer Stellung hier im Land.“

Er neigte leicht den Kopf. „Damit wissen wir beide nun, wo wir stehen.“

Damit verließ er sie, und Allie fühlte noch lange, nachdem er gegangen war, seinen Kuss auf ihren Lippen.

3. KAPITEL

Der Morgen war schon ziemlich weit fortgeschritten, als Lorne seinen Berater entließ und von seinem Schreibtisch aufstand. Er reckte sich ausgiebig und fühlte, wie sich seine verkrampften Muskeln entspannten. Ihm ging kurz der Gedanke durch den Kopf, wie es wohl wäre, einmal unbeschwert Urlaub zu machen wie andere Menschen, ohne jede Verpflichtung. So wie Alison, dachte er unwillkürlich. Keine Staatsgeschäfte machten ihr Sorgen, keine Liebesprobleme, wie es schien.

Aber ihre Liebesprobleme gehen mich nichts an, ermahnte er sich streng. Bis der Arzt ihr erlaubte, zurück in ihre Unterkunft zu gehen, war sie für ihn nur eine weitere Verpflichtung. Wenn er wollte, musste er sie nicht mehr sehen. Es gab genügend Personal, das sich um sie kümmern konnte. Wieso vergeudete er seine Zeit mit den Gedanken an sie, wo sein Sohn auf ihn wartete?

Aber auch während er sich für Noris täglichen Schwimmunterricht umzog, den er selbst gab, musste er immer wieder an Alison denken. Als er das Schwimmbecken erreichte, saß Nori mit bedrücktem Gesicht am Rand. Lorne ließ sich neben ihm nieder. „Was ist los, du Schlingel?“

„Ich bin kein Schlingel, ich bin ein guter Junge!“

Lorne nickte und unterdrückte ein Lächeln. „Aber klar bist du das.“

Nori funkelte ihn an. „Warum darf Allie mir dann keinen Koalabären schenken? Sie hat es mir versprochen, und ich möchte ihn so gern!“

Lorne überraschte die Vehemenz, mit der sein Sohn sprach. „Aber du hast doch schon so viel Spielzeug.“

„Aber keinen Koala aus Australien.“

Lorne hatte Mühe, sich nichts anmerken zu lassen. Darum also ging es. Er legte den Arm um seinen kleinen Sohn und zog ihn an sich, weil er sich auf einmal erinnerte, dass Nori nicht nur Kronprinz, sondern auch ein kleiner Junge war, dem seine Mutter fehlte. „Hat die Unterhaltung mit Miss Carter dich an deine Mama erinnert?“

Noris volle Lippen zitterten und seine Schultern zuckten, aber er weinte nicht. „Du kannst ruhig zugeben, dass du deine Mama vermisst, weißt du“, sagte Lorne sanft. „Du bist ein tapferer Junge, aber wenn wir allein sind, kannst du mir ruhig erzählen, wie du wirklich fühlst.“

Nori blickte ihn mit schimmernden Augen an. „Du bist nicht böse, wenn ich ein wenig weine?“

Lorne schüttelte den Kopf. „Nicht einmal, wenn du einen ganzen Swimmingpool voll weinst.“

Nori blickte aufs Wasser und lachte bebend. „Keiner kann so viel weinen“, meinte er in einem Ton, der verriet, wie wenig sein Vater wusste.

Chandra war für Lorne niemals die erhoffte Partnerin gewesen, aber immerhin Noris Mutter. Der Junge hatte das Recht, um sie zu trauern. „Wie viel meinst du, schaffst du denn? Eine Badewanne voll?“

Ernst streckte Nori beide Arme aus. „Vielleicht so viel.“

„Das ist eine ganze Menge. Aber wein nur so viel, wie du möchtest. Und vergiss nicht, du kannst mit mir immer über deine Mama sprechen. Oder über andere Sachen.“

„Auch über Koalas?“ Hoffnungsvoll sah Nori seinen Vater an.

Lorne unterdrückte einen Seufzer. War er in Noris Alter ebenso beharrlich gewesen? „Ja, auch über Koalas. Was meinst du, wollen wir einen Zoo besuchen, wo wir jetzt Ferien haben? Vielleicht gibt es dort einen zu sehen?“

Noris Augen leuchteten auf. „Wirklich? Kann Allie auch mitkommen? Sie hat gesagt, ich soll sie Allie nennen, und sie weiß alles über Koalas.“

Fast beneidete Lorne seinen Sohn, wie leicht er Freundschaft mit ihrem Gast geschlossen hatte. Er schüttelte den Kopf. „Allie hat anderes in ihrem Urlaub zu tun, als dir deine Zeit zu vertreiben.“

Noris kleines Kinn schob sich vor. „Sie wird mitkommen, wenn ich es ihr befehle.“

Lorne unterdrückte noch ein Lächeln. „Nicht, wenn ich dich vorher erwische.“ Gestern war ein Soldat im Innenhof sinnlos auf und ab marschiert, weil Nori es ihm befohlen hatte. Die Folge war ein ernstes Vater-Sohn-Gespräch über die Verantwortung eines Herrschers. „Habe ich nicht mit dir über Befehle gesprochen?“

Nori rutschte unruhig hin und her. „Ja, Vater. Aber es bringt nicht viel Spaß, König zu sein, wenn man den Leuten keine Befehle geben darf.“

„Genau deswegen gibt es auf Carramer auch keinen König“, erklärte Lorne. „Vor langer Zeit herrschte hier einmal ein König, der dem Volk mit seinen Befehlen das Leben schwer machte. Als sein Sohn ihm nachfolgte, schwor er, sich niemals König zu nennen und sich immer daran zu erinnern, dass er und seine Nachkommen die Menschen nicht so schlecht behandelten wie sein Vater es getan hatte.“

„Ich würde die Menschen nie schlecht behandeln“, erklärte Nori ungeduldig. Er kannte die Geschichte bereits. „Ich will nur, dass Allie mit uns in den Zoo geht. Ich mag sie – du nicht?“

„Ich kenne sie nicht sehr gut“, wich Lorne aus.

„Wenn sie mitkommt, lernst du sie besser kennen.“

„Also gut, dann kommt sie mit“, gab sich Lorne geschlagen. Bei dem Gedanken schlug sein Herz auf einmal schneller. Rasch vertrieb er die beunruhigenden Gedanken darüber. „Also, wollen wir mit unserer Schwimmstunde beginnen?“, fragte er.

„Wollen wir nach dem Schwimmunterricht in den Zoo gehen und uns die Koalas ansehen?“

Unwillkürlich glitt Lornes Blick hinüber zu den Fenstern der Rosensuite auf der anderen Seite des Swimmingpools. „Heute fühlt sich Alison dazu wohl noch nicht in der Lage. Vielleicht morgen, wenn Dr. Pascale es erlaubt.“

In diesem Moment meinte Lorne eine Bewegung hinter einem der Fenster zu sehen. Er gab sich innerlich einen Ruck. Alison Carter war nur eine momentane Ablenkung, mehr nicht. Wenn er sein Wort halten wollte, musste er sie mit in den Zoo nehmen. Aber wenn Dr. Pascale seine Einwilligung gab, würde sie anschließend in ihre Unterkunft in Allora zurückkehren, und die Sache war ausgestanden.

Vergiss sie, befahl er sich und glitt ins Wasser.

Als Allie Lorne und seinen Sohn beobachtete, empfand sie so etwas wie Bewunderung. Obwohl er bestimmt mit seinen Aufgaben als Staatsoberhaupt voll ausgelastet war, nahm er sich doch die Zeit, seinem Sohn Schwimmunterricht zu geben.

Inzwischen hatte sie sich von dem Kampf gegen die Strömung erholt, auch wenn sie immer noch ein wenig müde war.

Gestern hatte sie sich gefragt, ob sie die erotische Wirkung des Mannes, der sie gerettet hatte, überschätzt hatte. Heute gab sie sich als Antwort Nein. Und sie wusste auch, seine Wirkung hatte nichts mit seiner Position zu tun.

Warum hat mich nicht ein ganz gewöhnlicher Mann retten können, dachte sie und kaute auf der Unterlippe herum. Vielleicht wäre dann sogar eine nette, kleine Urlaubsromanze drin gewesen, schoss es ihr unerwartet durch den Kopf. Aber mit dem Herrscher über ein Inselkönigreich war das natürlich nicht möglich.

Tiefes Männerlachen drang zu ihr herauf. Nori war sicher der Grund für die Erheiterung des Prinzen. In Alison regten sich bei dem Klang jedoch sofort die Schmetterlinge im Bauch. Ein Prickeln lief ihr über die Haut, und unwillkürlich schlang sie die Arme um ihren Oberkörper. Solche Empfindungen waren völlig in Ordnung, solange ein Mann frei und interessiert war. Aber er war weder das eine noch das andere.

Ein diskretes Klopfen ließ sie zusammenschrecken.

„Herein.“

Ein Hausmädchen trat ein, Kleidung über dem Arm. „Eure Hoheit hat Sie am Fenster gesehen und bittet Sie, ihm Gesellschaft am Swimmingpool zu leisten. Ich wurde beauftragt, Ihnen eine Auswahl an Badesachen zu bringen.“

Aus dem Benehmen der Frau schloss Alison, dass sie nicht ablehnen konnte. Und ihr Bikini schien ebenfalls nicht das Richtige zu sein. Verletzt er vielleicht das Schamgefühl Seiner Hoheit? fragte sie sich ironisch. Aber danach konnte sie das Hausmädchen wohl kaum fragen …

„Sagen Sie Prinz Lorne bitte meinen Dank. Sobald ich mich umgezogen habe, komme ich nach unten.“

Als sie aus der Villa ins Freie trat, zog Prinz Lorne schon seine Bahnen durch den Swimmingpool. Sie hatte sich für einen einteiligen Badeanzug entschieden, der das genaue Gegenteil ihres knappen weißen Bikinis war. Der hohe Beinausschnitt war das einzig Provokative daran. Über dem ultramarinblauen Badeanzug trug sie einen federleichten Pareo in den Farben Ultramarin und Gold. Slipper mit Bastsohle schützten ihre Fußsohlen vor den von der Sonne aufgeheizten Fliesen um den Pool herum.

Riesige Schirme aus Seegras boten Schatten, und sie setzte sich auf eine der Liegen darunter und sog tief die nach Ingwer duftende Luft ein. Noris Schwimmunterricht schien beendet zu sein, denn der Junge war nirgendwo zu sehen. Unwillkürlich glitt ihr Blick zu der Gestalt, die unermüdlich das Wasser pflügte. Das einzige Geräusch war der Schlag von Lornes Armen und Beinen im Wasser.

Er könnte durchaus in Wettkämpfen bestehen, dachte sie, als sie seinen kraftvollen, eleganten Schwimmstil betrachtete. Seine prachtvolle Figur musste er von seinen täglichen Schwimmübungen haben. Im Vergleich dazu kam sie sich schwach und schlapp vor.

Aus mehreren Gründen, dachte sie. Einer davon war seine überwältigend männliche Ausstrahlung. Natürlich konnte sie sich ausmalen, dass er sie aus einem besonderen Interesse heraus in seine Villa aufgenommen hatte. Das wäre jedoch kaum mehr als träumerische Schwärmerei gewesen. Er war sehr wahrscheinlich von klein auf an dazu erzogen worden, ein guter Gastgeber zu sein, selbst wenn der Gast vielleicht gar nicht so willkommen war.

Eins hatte sie in ihrer kurzen Zeit auf Carramer gelernt – Gastfreundschaft gehörte zu den Haupttugenden der Einheimischen.

Die Erkenntnis, dass sie hier eigentlich nur geduldet war, trug nicht gerade zu einer guten Stimmung bei, und als Lorne aus dem Wasser stieg, runzelte sie die Stirn.

Er zog seine eigenen Schlüsse. „Wenn Sie sich immer noch unwohl fühlen, sollten Sie sich vielleicht wieder auf Ihr Zimmer begeben und sich vom Arzt untersuchen lassen.“

Um ihm zu zeigen, dass sie seine Position respektierte, schickte sie sich an aufzustehen, aber er bedeutete ihr, sitzen zu bleiben. „Der Arzt war gerade vor einer halben Stunde bei mir“, informierte sie ihn. „Er meinte, ich wäre wieder in Ordnung, sollte nur nicht übertreiben.“

Der Prinz schlang sich ein Handtuch um die breiten Schultern. „Dann müssen wir darauf achten, dass Sie sich nicht überschätzen. Der Whirlpool ist da sicher weniger belastend als ein anstrengendes Schwimmen. Ich wollte sowieso gleich hingehen – Sie können mir also Gesellschaft leisten.“

Eine alarmierende Vorstellung. „Ich bin hier gut aufgehoben“, sagte sie und schüttelte dabei heftig den Kopf.

Er sah sie herausfordernd an. „Haben Sie etwa Angst vor mir, Alison? Gestern war das nicht der Fall.“

„Gestern wusste ich auch noch nicht, wer Sie sind.“

„Und nun?“

„Und nun, wo ich weiß, Sie sind hier in der Gegend der Boss, weiß ich nicht, wie ich mich Ihnen gegenüber verhalten soll, Eure Hoheit.“

Eine steile Falte erschien auf seiner Stirn. „Gestern reizte es Sie, mich Lorne zu nennen – warum fangen Sie jetzt nicht damit an?“

„Woher wissen Sie das?“, fragte sie erstaunt.

„Sie vergessen, wie gut ich Australier kenne. Sie nennen sogar Ihren Premierminister beim Vornamen. Ein Prinz dürfte Sie da eigentlich nicht einschüchtern.“

Wetten, doch? dachte sie wütend. Er hatte offensichtlich keine Ahnung, welchen Eindruck er auf sie gemacht hatte, noch bevor sie seinen Titel kannte. Aber darauf zu beharren, ihn damit anzureden, würde sie nur verraten. Also nickte sie. „Okay, dann eben Lorne – solange man mich deswegen nicht in den Kerker wirft oder mir den Kopf abhackt.“

„Solch ein wunderschöner Kopf gehört dorthin, wo er sich gerade befindet – auf Ihre Schultern“, kam umgehend seine Antwort. „Und in meinem Palast in unserer Hauptstadt Solano gibt es keinen Kerker. Für diesen Zweck müssten Sie meinen Bruder, Prinz Michel, besuchen, der die Isle des Anges regiert. Auch wenn sie die Insel der Engel heißt, hat man dort vor langer Zeit die Verbrecher hingeschickt. Die Kerker sind immer noch als Touristenattraktion zu sehen. Sie sollten Sie sich einmal ansehen – natürlich als Besucherin.“

Ein leichter Schauer überlief sie. „Nein, danke. Ich habe einmal ein altes Gefängnis in Port Arthur auf Tasmanien besucht. Ich konnte gar nicht schnell genug wieder aus den Zellen herauskommen. Ihre Wände schienen durchdrungen von der Hoffnungslosigkeit der armen Seelen zu sein, die dort vor sich hingeschmachtet hatten.“

„Ich glaube, Michel würde Ihnen zustimmen. Als wir noch kleine Jungen waren und unsere jüngere Schwester Adrienne uns herausforderte, einmal in den Kerker zu gehen, sagte Michel fast genau das Gleiche.“

„Ich hoffe, er ist ein milder Herrscher geworden“, sagte sie.

„Sie meinen, anders als sein älterer Bruder?“

Milde war keine Eigenschaft, die sie auf Lorne anwenden würde. Es ärgerte sie, dass er sie so schnell und leicht durchschauen konnte. „Nach allem, was ich gehört habe, sind Sie ein beliebter Monarch.“

„Aber nicht bei Ihnen“, stellte er akkurat fest.

Das Gefühl beruht wahrscheinlich auf Gegenseitigkeit, erinnerte sie sich. „Mir ist sehr wohl bewusst, ich werde hier nur geduldet“, sagte sie. „Gestern haben Sie mir das Leben gerettet, und dafür bin ich Ihnen dankbar. Aber wir beide wissen, Sie möchten mich hier nur so lange wie unbedingt nötig haben.“

„Recht haben Sie“, gab er kühl zu. Es traf sie, auch wenn sie nichts anderes erwartet hatte. „Aber da gibt es ein kleines Problem.“

Misstrauisch sah sie ihn an. „Ja?“

„Nori hat Sie ins Herz geschlossen, vielleicht weil Sie ihn an seine Mutter erinnern.“

Ungewollt stiegen ihr Tränen in die Augen, und rasch senkte sie die Lider. „Heute Morgen hat er mir gesagt, er vermisst seine Mutter.“

„Sie starb vor etwas über einem Jahr“, erklärte Lorne mit rauer Stimme.

Sicherlich will er mich nicht hier haben, weil ich ihn an sie erinnere, dachte Alison.

Und sie fühlte sich noch schlechter, als er hinzufügte: „Als Sie von den Koalabären sprachen, hat es meinen Sohn an seine Mutter erinnert.“

Sie blickte ihn an, ihr war es egal, ob er ihre feuchten Augen bemerkte. „Ich kann Ihnen versichern, das war nicht meine Absicht. Er ist ein so liebenswerter kleiner Junge. Ich hätte niemals etwas gesagt, mit dem ich ihm absichtlich wehtun könnte. Gibt es eine Möglichkeit, dass ich es wieder gutmachen kann?“

„Ja, die gibt es“, sagte er knapp. „Nori mag offensichtlich Ihre Gesellschaft. Ich verbringe so viel Zeit wie möglich mit ihm, aber leider kümmern sich die Staatsgeschäfte nicht um Schulferien. Sie könnten ihm Gesellschaft leisten. Die Ferien würden ihm dann bestimmt viel mehr Spaß machen.“

Alison war unentschlossen. Wenn sie wegen Nori blieb, würde sie zwangsläufig auch seinen Vater öfter sehen. Sie wusste nicht, ob ihr das guttun würde.

„Was ist denn mit seinem Tutor oder dem Kindermädchen – können sie nicht einspringen?“

Lorne tat den Vorschlag mit einer Handbewegung ab. „Sie sind für seine physischen Bedürfnisse da, nicht für seine emotionalen. Sie sind der erste Mensch, den er wieder angenommen hat, seit seine Mutter starb. Nach der Unterhaltung mit Ihnen hat er das erste Mal zugegeben, dass sie ihm fehlt. Vorher war er immer völlig verschlossen, wenn ich versuchte, mit ihm darüber zu sprechen.“

Ein warmes Gefühl überlief Alison bei dem Gedanken, dem kleinen Jungen geholfen zu haben. Bis sie sich erinnerte, sie war ja nach Carramer gekommen, um ihre neu gewonnene Freiheit zu genießen, nicht, um erneut Verantwortung zu übernehmen. „Ich weiß nicht …“

Wieder wurde sein Ausdruck kühl. „Mir ist klar, Sie möchten lieber unbeschwert Ihren Urlaub genießen, aber ist es wirklich zu viel verlangt, einem einsamen kleinen Jungen Gesellschaft zu leisten? Sie würden gut bezahlt und komfortabel untergebracht werden, ohne weitere Pflichten sein und großzügig Freizeit haben.“

Seine Bitte abzulehnen wäre undankbar, schließlich hat er mir das Leben gerettet, dachte Alison unschlüssig. Er hat recht, angesichts der Umstände wäre es wirklich nicht zu viel verlangt.

Schließlich kann ich meinen Urlaub fortsetzen, sobald der Prinz nach Solano zurückkehrt, sagte sie sich weiter. Das erinnerte sie daran zu fragen, für wie lange sie ihre eigenen Pläne aufschieben müsste.

„Wie lange dauern Ihre Ferien normalerweise?“, fragte sie.

„Vier Wochen. Wir sind Anfang der Woche hergekommen.“

Angesichts der spannungsgeladenen Atmosphäre und Lornes offensichtlicher Abneigung gegen sie schien ein Monat eine gefährlich lange Zeit mit ihm unter einem Dach. Andererseits, wie oft im Leben gab es eine solche Gelegenheit? „Könnte ich in meiner Freizeit malen?“, fragte sie vorsichtig.

Er nickte. Er hatte Chandra ein Studio eingerichtet, in der vergeblichen Hoffnung, sie für ein Hobby zu interessieren, um sie glücklich zu machen. Nun würde es endlich sinnvoll genutzt werden. „Ich hatte meiner verstorbenen Frau ein Studio eingerichtet, und Sie dürfen es gern benutzen, da es seitdem niemand mehr betreten hat.“

Freudige Erwartung erfasste Alison. Es hat nichts mit der Aussicht zu tun, für den mächtigsten Mann des Landes zu arbeiten, sagte sie sich selbst, wusste aber nicht, ob sie wirklich ehrlich sich selbst gegenüber war.

„Wenn Sie mich für qualifiziert genug halten, dann bin ich einverstanden – Noris wegen“, sagte sie endlich und fragte sich dabei, ob sie den Verstand verloren hatte.

„Sie haben bereits Ihr Mitgefühl für meinen Sohn bewiesen, und mehr brauche ich nicht“, informierte er sie. „Mein Sicherheitsdienst wird noch Ihre Vergangenheit prüfen, aber Sie kommen mir nicht wie eine Terroristin vor.“

„Man kann nie wissen, vielleicht hatte ich gestern eine Bombe in meinem Bikini versteckt“, sagte sie schnippisch, um ihre Verwirrung vor ihm zu verbergen.

„Mit solchen Dingen sollten Sie nicht scherzen“, tadelte er sie und brachte sie dadurch abrupt auf den Boden der Realität zurück. „Heutzutage müssen die Fragen der Sicherheit sehr ernst genommen werden. Meine Sicherheitsbeamten sind sehr diskret, aber sie werden Sie im Auge behalten, solange Nori bei Ihnen ist.“

Der Gedanke, die ganze Zeit unter Beobachtung zu stehen, jagte ihr einen Schauer über den Rücken. „Ist das wirklich notwendig?“

„Es ist zu Ihrem eigenen Schutz und zum Schutz des Kronprinzen.“

Lornes knapper Ton erinnerte sie daran, dass sie nun auf einer anderen Ebene miteinander zu tun hatten. „Man muss sich erst einmal an den Gedanken gewöhnen, Eure Hoheit“, sagte sie und benutzte absichtlich seinen Titel, um ihren neuen Status auch auszudrücken.

Sein Ausdruck wurde einen Hauch freundlicher. „Wenn wir allein sind, kann es weiterhin bei Lorne bleiben.“ Aber seine nächsten Worte nahmen ihr wieder das kurze Gefühl der Harmonie. „Es gibt noch eine weitere Bedingung.“

„Und die wäre?“, fragte sie mit gerunzelter Stirn.

„Unweigerlich wird mein Sohn über Australien sprechen. Seien Sie aufrichtig und erzählen Sie ohne Ausschmückungen, vermeiden Sie aber den Eindruck, Ihr Land wäre seinem in irgendeiner Weise überlegen. Ist das klar?“

Wofür hielt er sie eigentlich? „Ich bin qualifizierte Lehrerin. Niemals würde ich so etwas sagen“, erwiderte sie aufgebracht. „Sollten Sie Zweifel haben, überdenken Sie besser noch einmal Ihre Idee.“

Allie sprang auf, rutschte aber auf dem nassen Marmor aus. Im Nu war Lorne bei ihr und bewahrte sie vor einem bösen Sturz.

Als er sie vom Beckenrand fortriss, wurde sie gegen seine muskulöse Brust gepresst. Seine Augen blitzten sie verärgert an, aber die Hitze in ihnen machte ihn noch attraktiver. Eine Frau könnte sich in diesen Tiefen verlieren, dachte sie ungewollt.

Aber dann stellte er sie wieder fest auf den Boden. „Als Lehrerin sollten Sie eigentlich wissen, wie leicht man auf nassen Oberflächen ausrutscht.“

„Ich bin immer noch ein wenig unsicher auf den Beinen“, entschuldigte sie sich. Schließlich sollte er nicht merken, dass seine Gegenwart sie heute so schwach werden ließ.

Sofort verwandelte sich seine Ungeduld in Besorgnis. „Das ist ja kein Wunder nach dem, was Sie durchgemacht haben. Ich schlage vor, Sie kehren in Ihr Zimmer zurück, ruhen sich noch ein wenig länger aus und überlegen sich meinen Vorschlag.“

Am allerwenigsten wollte sie jetzt noch einmal über alles nachdenken und möglicherweise wieder zu Verstand kommen. „Ich habe eingewilligt zu bleiben und werde es“, sagte sie steif. „In Noris Gegenwart werde ich nicht einmal mehr meinen Crocodile-Dundee-Hut tragen.“

Der Prinz fixierte sie mit einem Blick königlicher Verachtung. „Ich nehme an, eben haben Sie mir auf Ihre seltsame australische Art zu verstehen gegeben, dass Sie meinen Wünschen zustimmen.“

Alison atmete tief durch. „Ich glaube, das habe ich damit gesagt.“

„Dann willkommen im königlichen Haushalt.“ Er nahm ihre Hand und verschränkte seine langen, schlanken Finger mit ihren. Ihr Atem ging auf einmal schneller, als hätte der Prinz viel mehr getan, als nur ihre Hand zu nehmen. Ein warmes Gefühl überflutete sie. Hastig erinnerte sie sich daran, dass sie nicht seinetwegen blieb, sondern seines Sohns wegen. Es half, die Flammen erloschen. Aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass sie jederzeit wieder aufflammen konnten, sobald Lorne de Marigny in ihre Nähe kam.

4. KAPITEL

Alison fand es seltsam, einen öffentlichen Zoo ganz für sich allein zu haben. Der Zoodirektor hatte den Zoo zwei Stunden lang für die Öffentlichkeit geschlossen, um Lorne und seine Begleitung herumzuführen. Der Prinz hatte dem Mann freundlich gedankt, aber Alison hatte ihm angemerkt, dass ihm weniger Getue lieber gewesen wäre.

Nori waren solche Gedanken fremd. Mit der endlosen Energie eines Vierjährigen rannte er von einem Gehege zum anderen, und seine Augen leuchteten vor Freude und Begeisterung.

Als sie ihm zusah, fühlte sie sich jünger und unbeschwerter denn je. „Wie er sich freut“, sagte sie zu Lorne, während sie seinem Sohn langsam folgten. „Man könnte fast denken, er wäre das erste Mal im Zoo.“

„Das ist er auch“, erwiderte Lorne.

Überrascht starrte sie ihn an. „Aber jedes Kind geht doch in den Zoo. Es gehört zur Kindheit.“

„Sie meinen natürlich normale Kinder“, bemerkte der Prinz mild, aber sie hörte den leichten Tadel in seiner Stimme.

Es war wirklich nicht notwendig, daran zu erinnern, dass Nori kein gewöhnliches Kind war. „Er ist immer noch ein kleiner Junge mit den normalen Bedürfnissen und Wünschen eines Kindes“, betonte sie. Aus einem plötzlichen Impuls heraus fragte sie: „Haben Sie denn in seinem Alter nicht den Zoo geliebt?“

Ein Schatten flog über sein Gesicht, dann war er wieder verschwunden. „Ich hatte … andere Prioritäten.“

Autor

Valerie Parv
Valerie Parv hatte schon 18 Sachbücher verfasst und schrieb für eine Zeitung beliebte Kolumnen, bevor sie die Welt der Romances entdeckte.
Im Nachhinein ist sie froh, dass sie vorher nicht wusste, wie anstrengend das Schreiben von Liebesromanen sein kann. Aber nach 50 Romances kann sie von sich behaupten, dass es...
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