Die Caruthers - Sexy Junggesellen und wilde Herzensbrecher (3-teilige Serie)

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Ein Millionär und Herzensbrecher

Kinley ist Profi genug, um die Hochzeit von Nate Caruthers Bruder zu planen! Aber Nate sagen, dass er der Vater ihrer Tochter ist? Niemals! Schließlich hat der Milliardär sie einst eiskalt abserviert. Wenn nur diese unwiderstehliche gegenseitige Anziehung nicht wäre …

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  • Erscheinungstag 15.04.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751506649
  • Seitenanzahl 438
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Katherine Garbera

Die Caruthers - Sexy Junggesellen und wilde Herzensbrecher (3-teilige Serie)

IMPRESSUM

Ein Millionär und Herzensbrecher erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2017 by Katherine Garbera
Originaltitel: „Tycoon Cowboy’s Baby Surprise“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARA
Band 390 - 2018 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Victoria Werner

Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format in 04/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751506502

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

„Pack die Koffer, Kin, du gehst auf Reisen.“ Jacs Veerling kam in Kinley Quintens Büro gesegelt. „Büro“ war ein etwas ungenauer Begriff für den riesigen Arbeitsraum, den Kinley mit Willa Miller teilte, der anderen Hochzeitsplanerin, die für Jacs arbeitete.

Jacs besaß den Verstand von Madeleine Albright, die Figur von Sofia Vergara und den Geschäftssinn von Estée Lauder. Sie war fünfzig, sah aus wie vierzig und hatte sich einen Namen gemacht mit der Planung von Hochzeiten, von denen noch Jahre später in den Medien die Rede war, auch wenn die Paare sich längst getrennt hatten. Sie trug das Haar kurz, und die Farbe wechselte mit den Jahreszeiten. Jetzt, zu Beginn des Sommers, hatte sie sich für ein Platinblond entschieden, das ihre blauen Augen betonte.

„Wer fährt? Wir beide? Wir alle drei?“ Kinley sah sie fragend an. Der Firmensitz befand sich im Gebäude des Chimera, eines Hotels und Casinos in Las Vegas, aber sie arbeiteten auf der ganzen Welt – wo auch immer ihre prominenten Kunden es sich wünschten.

„Nur du, Kin“, sagte Jacs. „Ich habe einen Vertrag mit Hunter Caruthers unter Dach und Fach gebracht. Die Hochzeit soll in Texas stattfinden, deiner Heimat. Als ich deinen Namen erwähnte, sagte er, dass er dich kennt. Echt Glück für uns. Ich nehme an, das hat den Ausschlag für seine Entscheidung gegeben – soweit ich weiß, hatte er auch ein Angebot von einer Firma aus Beverly Hills.“

Caruthers.

Wenigstens war es Hunter und nicht sein Bruder Nate.

„Ich kann nicht.“

Willa beendete abrupt ihr Telefonat mit einem Kunden und versprach zurückzurufen. Sie sah zu Jacs hinüber, die Kinley mit ihrem legendären Widerspruch-zwecklos-Blick bedachte.

„Wie war das? Ich muss mich verhört haben.“

Kinley atmete tief durch und legte ihre Hände auf den Tisch, wobei sie vage registrierte, dass der Lack auf dem Nagel ihres Mittelfingers gesprungen war. Aber das spielte im Moment keine Rolle. Sie musste ihre aufsteigende Panik in den Griff bekommen. Sie hatte nicht die Absicht, nach Texas zurückzukehren.

Niemals.

„Ich kann nicht. Es ist ziemlich kompliziert und sehr persönlich. Ich möchte nicht weiter darauf eingehen. Bitte, lass Willa fahren.“

Jacs lehnte sich gegen Kinleys Schreibtisch, der übersät war mit Katalogen für Brautmoden und Fotos von Blumenarrangements. „Er hat nach dir gefragt. Persönlich. Das ist das einzige ‚Persönlich‘, das für mich eine Rolle spielt. Bringt es dich um, wenn du nach Texas fährst?“

„Nein, natürlich nicht.“ Kinley wollte Nate nicht wiedersehen. Nicht einmal an einer Begegnung mit ihrem eigenen Vater war ihr gelegen. Das wöchentliche Telefonat per Skype war genug. Sowohl für sie als auch für ihre zweijährige Tochter Penny.

„Geht es um deine Kleine?“, fragte Jacs.

Sie hatte Kinley schon beim Einstellungsgespräch klargemacht, dass sie zwar selbst keine Kinder wollte, dass sie die Aufgaben einer Mutter aber sehr ernst nahm. In dieser Hinsicht brachte sie stets Verständnis für Kinleys Probleme auf und kam ihr großzügig entgegen.

„Mehr oder weniger. Sie hat sich gerade an den Rhythmus der Tagesbetreuung hier im Casino gewöhnt. Geht es nur um ein Wochenende?“

„Äh … nein. Du müsstest längere Zeit vor Ort sein. Wahrscheinlich sechs Monate. Ich würde dir noch zwei weitere Kunden in Texas anvertrauen – einen Footballspieler der Dallas Cowboys, der andere spielt Basketball für San Antonio. Damit dürftest du gut ausgelastet sein.“

„Wo würde ich wohnen?“ Kinley ahnte, dass sie aus der Sache nicht herauskam.

„Ich habe ein Haus in einem netten Vorort gemietet – ich glaube, er heißt Five Families. Fünf Familien. Ein merkwürdiger Name für einen Stadtteil.“

„Könnte ich irgendetwas sagen, was deine Meinung ändert?“, fragte Kinley schließlich.

„Nein. Der Kunde möchte dich, und du hast keinen Grund, nicht zu fahren. Oder?“

Doch! Nate Caruthers. Der Mann, der ihre Welt für ein leidenschaftliches Wochenende in Las Vegas aus den Angeln gehoben hatte. Der Mann, der der Vater ihrer Tochter war – und sie schroff abgewiesen hatte, als sie ihn anrief, um ihm von seinem Kind zu erzählen. Kühl hatte er entgegnet, dass das, was in Vegas passiert sei, auch in Vegas bleiben solle. Er war der ältere Bruder ihres neuen Klienten und lebte immer noch auf der Familienranch außerhalb von Cole’s Hill. Aber das alles wollte sie Jacs nicht erzählen. Vor allem wollte sie deswegen nicht ihren Job aufs Spiel setzen.

Blieb nur zu hoffen, dass Nate so sehr mit der Rockin’ C Ranch beschäftigt war, dass er keine Zeit haben würde, sich um die Hochzeitsvorbereitungen seines Bruders zu kümmern.

„Nein, habe ich nicht. Wann soll ich anfangen?“, fragte Kinley.

„Montag. Lori kümmert sich um die Details. Du fliegst am Freitag, damit du übers Wochenende Zeit hast, dich einzurichten. Ich habe auch deine Nanny mit eingeplant. Halt mich auf dem Laufenden.“ Damit war Jacs schon wieder auf dem Weg in ihr Büro.

Kinley warf einen Blick auf das gerahmte Foto ihrer kleinen Tochter, das auf ihrem Schreibtisch stand. In ihrem Innern schien sich alles zu verkrampfen. Nach dem deprimierenden Telefonat mit Nate hatte sie sich geschworen, nicht zuzulassen, dass er Penny genauso im Stich ließ, wie sie es mit ihrem eigenen Vater erlebt hatte. Sie konnte nur hoffen, dass sie sich an diesen Vorsatz halten konnte, wenn sie wieder in Cole’s Hill war. Dazu musste sie nur eines tun: Nate aus dem Weg gehen. Eigentlich kein Problem – wäre das Kaff nicht so klein gewesen, dass das mehr oder weniger unmöglich war.

Nate Caruthers hatte einen leichten Kater, als er seinen Pick-up auf dem Kurzzeitparkplatz vor der Filiale der First National Bank in Cole’s Hill abstellte. Er griff nach seiner Sonnenbrille und stieg aus. Sein jüngerer Bruder war zurück in der Stadt, und das hatten sie natürlich gefeiert – bis in die frühen Morgenstunden.

Die Bank war noch geschlossen. Er lehnte sich gegen die Mauer und zog sich den Stetson-Hut über die Augen, um die fünf Minuten bis zur Öffnung zu warten.

„Nate? Nate Caruthers?“

Eine Stimme aus seiner Vergangenheit. Eine Stimme, die er mit dem heißesten Wochenende verband, das er je erlebt hatte. Er schob den Stetson hoch und sah auf.

Kinley Quinten.

Er stieß unwillkürlich einen leisen Pfiff aus.

Sie hatte sich verändert. Wieder einmal. Sie trug ein weißes Kleid aus einer Art Spitzenstoff. Es endete eine Handbreit über dem Knie und ließ ihre Arme frei. Sie wirkte elegant. Kultiviert. Nicht wie das Partygirl, mit dem er vor fast drei Jahren ein Wochenende in Vegas verbracht hatte. Sein Blick glitt an ihren Beinen hinunter zu einem Paar abartig hoher High Heels. Sie schien direkt einem der noblen Neiman-Marcus-Kataloge entsprungen zu sein, die er bei seiner Mutter gesehen hatte.

Zwischen ihnen mochte ein Altersunterschied von fünf Jahren bestehen, aber das hatte damals in Vegas keine Rolle gespielt. Sie war dreiundzwanzig gewesen, er achtundzwanzig.

„Die Augen sind hier oben“, bemerkte sie kühl.

Er löste sich von der Wand und schenkte ihr ein Lächeln, das schon manche Frau hatte schwach werden lassen. „Sorry“, grinste er. „Du siehst umwerfend aus.“

„Soll das ein Kompliment sein?“ Sie zog eine dunkle Sonnenbrille aus ihrer Handtasche und setzte sie auf.

„Was sonst? Die Männer in Kalifornien müssen blind sein, wenn du dir in dieser Hinsicht nicht sicher bist.“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich lebe in Las Vegas.“

„Wirklich? Seit wann? Ich dachte, du hättest nur dein Examen dort gefeiert. Wie wäre es, wenn wir einen Kaffee trinken gehen, sobald ich hier in der Bank fertig bin? Dann können wir einander auf den neuesten Stand bringen.“

„Nein. Ich bin beruflich in der Stadt, Nate. Außerdem haben wir vor drei Jahren alles gesagt, was es zu sagen gab.“

Die Tür neben ihm glitt auf und ließ einen Schwall kühler Klimaanlagenluft heraus. Kinley bedeutete ihm voranzugehen, aber er schüttelte den Kopf. „Ladies first.“

Sie schnaubte gereizt und ging an ihm vorbei.

Er beobachtete ihre Bewegungen. Sah den Schwung ihrer Hüften bei jedem ihrer festen Schritte. Wahrscheinlich wäre sie nicht erbaut gewesen von seinen Blicken, aber er bemerkte, dass auch Stewart, der Manager der Bank, ihr unverhohlen nachsah.

Nate stellte sich hinter ihr an den Schalter.

„Es tut mir leid, dass ich damals am Telefon so unhöflich war. Könnten wir bitte zusammen einen Kaffee trinken?“ Seine Mom sagte immer: „Wer nicht fragt, bekommt nicht, was er will.“ Und er wollte Kinley. Zumindest wollte er ein wenig mit ihr flirten, bevor er zur Ranch zurückfuhr.

Sie seufzte. „Einen Kaffee, mehr nicht. Okay?“

„Wieso? Es könnte doch sein, dass du anschließend Lust hast, mich noch einmal zu sehen.“

Sie schüttelte den Kopf. „Dazu reicht die Zeit nicht. Ich bin beruflich hier.“

„Was heißt beruflich?“, wollte er wissen. „Arbeitest du für die NASA?“

„Nein, ich bin Hochzeitsplanerin. Ich soll die Hochzeit von Hunter vorbereiten.“

„Großer Gott!“

Die Frau am Schalter forderte Kinley auf, näher zu treten. Nate beobachtete sie. Nicht nur ihre Garderobe hatte sich verändert. Sie strahlte eine Stärke aus, die ihm bei ihrem gemeinsamen Wochenende nicht aufgefallen war. Aber vielleicht war das auch nur darauf zurückzuführen, dass sie sich damals ganz auf den Spaß konzentriert hatten.

Kinley beendete ihre Transaktion und machte ihm Platz. Er unterhielt sich mit Maggie, die schon hier arbeitete, solange er denken konnte. Als er fertig war, sah er sich um und stellte fest, dass Kinley an der Tür auf ihn wartete.

Sie hielt ihr Smartphone in der Hand und tippte offensichtlich eine Nachricht an jemanden. Dabei hatte sie sich die Sonnenbrille auf den Kopf geschoben und konzentrierte sich. Sie wirkte sehr ernst.

Er fragte sich, was in den vergangenen drei Jahren in ihrem Leben passiert sein mochte. Gleichzeitig wurde ihm klar, dass er kein Recht hatte, sich dafür zu interessieren. Er hatte ihre Affäre beendet, weil ihr Vater für seine Familie arbeitete. Und weil er selbst ungeeignet war für feste Beziehungen. Ebenso wie für Monogamie.

Aber als er sie jetzt so sah, erinnerte er sich daran, wie gut das Wochenende gewesen und wie schwer es ihm gefallen war, sie abblitzen zu lassen, als sie angerufen und gesagt hatte, sie wolle ihn wiedersehen.

Sie sah auf, als er näher kam.

„Ich kann heute Morgen nicht mit dir Kaffee trinken. Mein Boss hat um zehn Uhr einen Termin mit einem potenziellen Klienten angesetzt.“

„Dann verschieben wir es auf ein andermal?“

„Abgemacht.“ Sie hielt ihm die Hand hin.

Sie wollte ihm die Hand schütteln? Hielt sie das hier für einen Geschäftsabschluss? Er nahm ihre Hand. Bemerkte, wie glatt und klein sie sich in seiner anfühlte. Er ließ seinen Daumen über ihre Knöchel gleiten und hob ihre Hand dann an seine Lippen, um einen Kuss daraufzuhauchen.

„Ich melde mich“, versprach er. Als er zu seinem Pick-up ging, stellte er fest, dass sein Kater verflogen war.

Kinley verdrängte alle Gedanken an Nate, während sie das Besprechungszimmer für den Termin mit dem Basketballspieler und seiner Verlobten vorbereitete. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Die Tagesbetreuung, bei der sie Penny angemeldet hatte, war zwei Blocks weiter. Sie konnte es schaffen, noch kurz hinüberzugehen, um nach Penny zu sehen.

Schon wanderten ihre Gedanken zurück zu Nate.

Verdammt.

Er hatte sie überrascht. Obwohl sie gewusst hatte, dass sie ihm begegnen würde, hatte sie nicht so schnell damit gerechnet. Irgendwie hatte sie gehofft, sich zuerst einmal einrichten zu können. Sie stand in der Tür und betrachtete den Tisch, auf dem sie eine Reihe künstlicher Hochzeitstorten und Blumenarrangements verteilt hatte.

Ihr Smartphone klingelte. Es war Jacs auf Skype. Sie nahm das Gespräch an.

„Hasst du mich jetzt, weil du in Texas bist?“, wollte Jacs wissen.

„Nein, das nicht, aber ich hätte gern etwas mehr Zeit gehabt vor dem ersten Termin heute Morgen.“

„Tut mir leid, aber die beiden brennen darauf, zu heiraten. Es soll so schnell wie möglich gehen – und dennoch einzigartig sein. Du musst wirklich alle Beziehungen spielen lassen, um das hinzubekommen. Aber ich bin sicher, du schaffst das. Lass dich von der Braut nicht irritieren. Sie scheint leicht hysterisch zu sein. Auf jeden Fall hat sie mich heute Morgen schon vollgetextet.“

„Damit werde ich fertig. Ich habe heute Nachmittag einen Termin bei der Konditorin hier aus dem Ort für die Caruthers-Gainer-Hochzeit. Falls sie uns kein gutes Angebot machen kann, will ich sehen, ob wir Carine aus L. A. einfliegen lassen können.“

„Brauchst du noch irgendetwas hier aus dem Büro?“

„Vielleicht nach dem Zehn-Uhr-Termin. Wir haben noch das Kleid von der O’Neill-Peterson-Stornierung. Vielleicht ist diese Braut glücklich damit. Wir müssen ihr ja nicht sagen, dass es für eine andere Frau designt wurde.“

„Eine gute Idee. Ich werde Lori bitten, dir die Entwürfe zu mailen, damit du sie der Braut zeigen kannst.“

Jacs verabschiedete sich. Kinley ließ den Blick ein letztes Mal durch den Raum schweifen. Dabei wurde ihr plötzlich klar, dass sie sich den rechten Handrücken rieb – auf den Nate sie geküsst hatte.

Sie schüttelte den Kopf über sich selbst. Sie war eindeutig nie über ihn hinweggekommen. Sie hatte sich nicht nach ihm verzehrt, dazu war sie zu vernünftig – oder zumindest redete sie sich das ein –, aber sie dachte immer noch an ihn.

Sie erinnerte sich ganz genau an alles, was damals in Vegas zwischen ihnen gewesen war. Manchmal erwachte sie schweißgebadet, weil sie von Nate geträumt hatte.

Für gewöhnlich dauerte es nicht lange, diese Gedanken wieder zu verdrängen. Sie hatte sich einzureden versucht, dass er bestimmt nicht so gut aussah wie in ihrer Erinnerung, aber sein Anblick heute in der engsitzenden Jeans hatte ihr das Gegenteil bewiesen.

Und das gewisse Prickeln, das ihren Körper durchlaufen hatte und auf ein Verlangen hindeutete, das seit der Geburt ihrer Tochter geschlafen hatte, ließ sich nicht ignorieren. Vielleicht hatte Willa recht. Vielleicht war es Zeit, dass sie sich mal wieder verabredete.

Sie würde sich einen netten Mann suchen – einen aus Vegas – und ihn auf einen Drink einladen. Oder vielleicht würde sie in eine Bar gehen und sehen, ob sich dort etwas ergab … Um was zu tun? Sie war nicht mehr das Partygirl von früher.

Sie war eine Mutter. Wenn sie ehrlich war, erschien ihr die Vorstellung, auszugehen und jemanden kennenzulernen, absurd. Das wäre mit viel zu viel Aufwand verbunden. Mit einem Aufwand, der ihr irgendwie widerstrebte.

Sie schnappte sich ihre Tasche und die Schlüssel und schloss die Bürotür hinter sich ab. Sie wollte nach Penny sehen. Ihre Tochter erdete sie immer irgendwie. Sie machte ihr klar, was wirklich wichtig war.

Während sie die Straße hinunterging, dachte sie über ihren Lebensweg nach. Bei der Scheidung ihrer Eltern war sie noch ein richtiger Wildfang gewesen, die Tochter der Haushälterin einer der reichsten Familien in Cole’s Hill. Nun lebte sie in einem der Häuser, in dem ihre Mutter geputzt hatte, und plante die Hochzeit für den Sohn vom Boss ihres Vaters. Sie hatte das Gefühl, es weit gebracht zu haben.

Nicht, dass es an den Berufen ihrer Eltern irgendetwas auszusetzen gegeben hätte. Aber sie war anders. So war es schon immer gewesen.

Sie betrat die Tagesbetreuungsstätte und wurde zu dem Raum geführt, in dem Penny und die anderen Zweijährigen spielten. Ihre Tochter war mitten in einer Gruppe, die an ein paar Malwänden beschäftigt war. Kinley ging zu Penny und blieb neben ihr stehen.

„Mama.“ Die Kleine ließ ihren Stift fallen und schlang die Arme um die Beine ihrer Mutter.

„Hey, Süße.“ Kinley beugte sich zu ihr hinab. „Was malst du denn da?“

„Pferd.“

Kinley schob ihrer Tochter eine rote Haarsträhne hinter das Ohr und gab ihr einen Kuss. „Es gibt viele Pferde hier in der Gegend.“

„Pop-Pop?“

Penny hatte die Ranch bei den vielen Skype-Telefonaten mit Marcus gesehen. Beim letzten Mal hatte er sein Tablet mit in den Stall genommen und ihr sein Pferd gezeigt. Die Kleine konnte es gar nicht erwarten, ihren Pop-Pop zu besuchen und das Pferd zu sehen.

„Richtig. Pop-Pop arbeitet auf einer Ranch. Da gibt es viele Pferde.“

„Will Pferde sehen“, sagte Penny sehnsüchtig.

„Vielleicht schaffen wir es nicht“, sagte Kinley ausweichend. Ihr lag nichts daran, mit der Kleinen zur Rockin’ C Ranch zu fahren und dabei das Risiko einzugehen, Nate über den Weg zu laufen. Sie hatte nicht die Absicht, ihm von Penny zu erzählen. Er hatte vor langer Zeit mehr als deutlich gemacht, wo seine Interessen lagen. Eine eigene Familie gehörte nicht dazu. „Pop-Pop kommt hierher in die Stadt und besucht uns.“

„Ja!“

Kinley hoffte inständig, dass Penny das Thema damit auf sich beruhen ließ. Sie blieb bis zur Frühstückspause der Kleinen und verabschiedete sich dann mit einer Umarmung und einem Kuss von ihr.

Irgendwie brachte sie das Meeting mit dem Basketballspieler und seiner Verlobten hinter sich. Es gelang ihr, die Braut dazu zu überreden, sich die Skizzen des Kleids anzusehen, das sie schon hatten anfertigen lassen. Meredith mochte den Entwurf, hatte aber noch ein paar Änderungswünsche.

Gedankenversunken fuhr Kinley anschließend zur Bluebonnet Bakery, um über die Torten für die Caruthers-Hochzeit zu sprechen.

Sie sah einen vertrauten Pick-up mit dem Logo der Rockin’ C Ranch vor dem Gebäude stehen, aber das hatte sicher nichts zu bedeuten. Bestimmt hatte die Ranch mehrere Pick-ups dieser Art. Wahrscheinlich gehörte der Wagen Hunter.

Als sie jedoch die Konditorei betrat, stellte sie fest, dass ihr Gefühl sie nicht getrogen hatte. Nate stand am Tresen, zusammen mit seinem mittleren Bruder Ethan, mit Hunter und einer Frau, die wohl dessen Verlobte war. Derek, der zweitälteste der Caruthers-Brüder, war Chirurg und hatte wahrscheinlich keine Zeit, Torten zu probieren.

„Hallo, alle zusammen“, sagte Kinley.

Sie musste das Ganze professionell angehen. Das konnte sie.

„Hi, ich heiße Ferrin Gainer“, stellte die junge Frau sich vor. „Es freut mich, dich kennenzulernen.“

„Ich freue mich darauf, euch bei der Planung eures großen Tags zu helfen. Ich habe vereinbart, dass wir die Verkostung im Hinterzimmer machen.“ Kinley deutete in die Richtung. „Geht schon vor, ich komme gleich nach.“

Alle gingen hinüber. Alle bis auf Nate.

„Was machst du hier?“, fragte sie ihn.

„Ich bin der große Bruder des Bräutigams. Er hat mich gebeten zu kommen, also bin ich hier“, sagte Nate. „Deswegen wollte ich, dass wir uns vorher treffen. Nur, um einiges klarzustellen. Wie gesagt – ich habe mich blöd verhalten, und es tut mir leid. Ich möchte nicht, dass bei Hunters Hochzeit irgendetwas zwischen uns steht.“

Oh.

Das klang so vernünftig. Ihr wurde klar, dass ihre Rückkehr nach Cole’s Hill mehr Folgen hatte, als sie hätte ahnen können. Wegen Nate drohte sie ihre Professionalität zu verlieren. Zum einen, weil ihr Puls sich bei seinem Anblick beschleunigte. Zum anderen, weil er der Vater ihrer Tochter war und sie es ihm noch nicht gesagt hatte. Dieses Geheimnis zu wahren konnte sie teuer zu stehen kommen.

„Tut mir leid, ich bin heute ein wenig gereizt. Das muss wohl am Jetlag liegen.“ Bei einem Zeitunterschied von nur einer Stunde zwischen Las Vegas und Texas wusste sie selbst, dass das weit hergeholt war.

„Das macht doch nichts, das geht jedem mal so. Nach der Verkostung können wir irgendwo zusammen etwas trinken und reden. Das ist wohl mehr als überfällig.“

Sie nickte. Sie musste vorher kurz mit Pippa sprechen, der Nanny, und sicherstellen, dass Penny am Abend versorgt war. „Ich habe noch einen Termin, aber dann können wir uns auf einen Drink treffen.“

Es wäre so viel einfacher gewesen, Nein zu sagen, wenn Nate nicht so … so nett und charmant wäre. Und wenn es Penny nicht gäbe. Aber sie war nun einmal da. Kinley hatte eine Entscheidung gefällt. Eine Entscheidung, die sie vielleicht noch einmal überdenken musste.

2. KAPITEL

Torten probieren! Manchmal fragte sich Nate, wie weit es mit seiner Familie gekommen war. Er gönnte Hunter sein Glück und die Hochzeit, aber das alte Leben war ihm lieber gewesen. Die Caruthers konnten ebenso gut arbeiten wie feiern. Anständige Mütter brachten ihre Töchter vor ihnen in Sicherheit.

„Was meinst du?“ Hunter zog Nate beiseite.

„Wozu?“

„Den Torten. Welche gefällt dir besonders?“

Nate schüttelte den Kopf. „Mir gefällt die Idee, dass die Torte des Bräutigams an ein Fußballfeld erinnert.“

„Darüber haben wir doch schon vor einer Viertelstunde geredet. Wo warst du mit deinen Gedanken?“

Er sah zu der hübschen Rothaarigen hinüber, die ihnen die verschiedenen Füllungen und Arten von Tortenguss zeigte. Kinley. Sie beschäftigte ihn viel zu sehr. Es war dumm gewesen, sie auf einen Drink einzuladen, aber nun konnte er keinen Rückzieher mehr machen.

„Lass es lieber“, sagte Hunter.

„Was meinst du?“ Nate wusste sehr wohl, was sein Bruder im Sinn hatte.

„Sie gehört quasi zur Familie“, sagte Hunter. „Marcus ist wie ein Vater für uns. Du lässt besser die Finger von ihr!“

Zu spät. Nate erinnerte sich nur zu deutlich an das gemeinsame Wochenende mit Kinley. Er konnte es nicht vergessen – das wollte er auch nicht. Er versuchte sich einzureden, dass es in seiner Erinnerung sicher besser war, als es in Wirklichkeit gewesen war. Aber er wusste, dass das nicht stimmte. Er musste daran denken, wie Kinley ihm am Morgen in der Bank die Hand gereicht hatte – und an die Gefühle, die er bei der Berührung verspürt hatte.

„Ich sehe sie ja nur an.“

„Dann pass auf, dass es dabei bleibt“, sagte Hunter streng.

Nate schlug seinem Bruder auf die Schulter. „Du hast mir nichts zu sagen.“

„In diesem Fall schon. Ferrin möchte, dass diese Hochzeit etwas ganz Besonderes wird. Und das heißt, dass keiner von euch dreien querschießt. Also reiß dich zusammen.“

„Wann hat sich einer von uns je zusammengerissen?“ Nate grinste. Er hatte nicht die Absicht, Hunter bei seiner Hochzeit irgendwelche Steine in den Weg zu legen. Er selbst hatte zwar nichts mit Hochzeiten im Sinn, aber er mochte Ferrin und war überzeugt, dass sie perfekt war für seinen Bruder. Hunter hatte das Dasein als Single nicht so genossen wie die anderen Brüder. Die Freundin, die er am College gehabt hatte, war ermordet worden, und der Verdacht war auf ihn gefallen. Zehn Jahre hatte es gedauert, bis der wahre Täter gefunden wurde. Die einzigen Frauen, mit denen Hunter dann zusammen gewesen war, waren Frauen gewesen, die einen gewissen Kick aus der Situation zogen … bis Ferrin in sein Leben trat.

„Ich werde nichts tun, was deine Hochzeit beeinträchtigen könnte“, versprach Nate.

Hunter klopfte ihm auf die Schulter. „Ich weiß. Du hast dich ja immer um mich gekümmert.“

„Irgendjemand muss es ja tun.“ Nate liebte alle seine Brüder und stand jederzeit für sie ein.

„Seid ihr zwei jetzt endlich fertig?“, rief ihre Mutter den beiden in diesem Moment zu.

„Wir kommen schon. Ich habe gerade gesagt, wie gut mir die Mandarinenfüllung geschmeckt hat.“ Nate war froh, sich gerade noch rechtzeitig an diese letzte Füllung erinnert zu haben.

„Die gefällt mir auch am besten“, sagte Ferrin.

„Mir auch.“ Hunter strahlte seine Braut so hingerissen an, wie Nate es noch nie bei ihm gesehen hatte. Was war mit Hunter passiert?

„Dann ist das entschieden“, sagte Kinley. „Die anderen Wünsche habe ich notiert. Seid ihr zufrieden mit dieser Konditorei? Sonst könnte ich noch eine Konditorin aus Beverly Hills kommen lassen, die euch ihre Kreationen vorstellt.“

„Wir möchten möglichst alles hier aus der Gegend haben“, sagte Ferrin. „Darüber haben Hunter und ich schon gesprochen.“

Kinley machte sich Notizen. Nate musste daran denken, wie er sie einmal auf dem Schulhof weinend unter einem Baum vorgefunden hatte – ihre Lehrerin hatte gesagt, sie habe die schlechteste Handschrift ihrer Klasse.

Er schüttelte den Kopf. Woher kamen plötzlich diese alten Erinnerungen? Er hatte stundenlang mit ihr unter dem Baum gesessen und Schreiben geübt, bis ihre Schrift halbwegs passabel gewesen war. Es war ja nicht so, als hätte er selbst eine schöne Schrift gehabt, aber er hatte es schon immer gehasst, in irgendetwas nicht der Beste zu sein. Deswegen hatte er viel geübt, und er erinnerte sich noch sehr gut, wie dankbar die kleine Kinley ihm für seine Hilfe gewesen war.

Die Frauen verließen den Raum. Ethan und Hunter blieben mit Nate zurück. Hunter schüttelte den Kopf, und Nate bemerkte, dass Ethan Kinley nachsah.

„Wow! Kinley hat sich wirklich verändert!“ Ethan seufzte hingerissen. „Da kommt einem Mann doch wirklich …“

„Hör auf! Dir kommt gar nichts, Eth!“

Beide Brüder sahen verblüfft zu ihm herüber. Nate begriff, dass er sich dummerweise ohne zwingende Notwendigkeit preisgegeben hatte. Aber es ließ sich nun einmal nicht leugnen: Er begehrte diese Frau. Sie hatte ihm einmal gehört, und er kannte sich gut genug, um zu wissen, dass er versuchen würde, sie noch einmal zu haben. Es würde sicher nicht länger dauern als ihre Pläne für Hunters Hochzeit, aber wie auch immer – unter gar keinen Umständen sollte irgendein anderer Mann, schon gar nicht einer seiner Brüder, sie haben.

„Dazu hat die Lady selbst ja vielleicht auch etwas zu sagen“, konterte Ethan.

Nate zuckte mit den Schultern. „Ich gehe nachher mit ihr auf einen Drink.“

Ethan hob die Hände. „Okay, okay. Ich wollte ja nur sagen, dass sie beileibe nicht mehr das kleine Mädchen ist, das immer hinter uns hergeritten ist.“

„Nein, das ist sie nicht“, stimmte Nate zu. Er dachte an all die Veränderungen, die er im Laufe der Zeit an Kinley beobachtet hatte – und wie sehr er jede einzelne genossen hatte. Sie war einmal ein Partygirl gewesen, aber inzwischen war sie reifer geworden, und er spürte eine neue innere Stärke an ihr. Sie hatte sich verändert, im Gegensatz zu ihm. Nur eines war klar, er begehrte sie immer noch. Und er war sicher, dass sie noch nicht fertig waren miteinander.

Er hatte es in ihren Augen gesehen, als er ihre Hand in seiner gehalten hatte. Vielleicht war sie nur interessiert, vielleicht war es auch mehr. Was auch immer es war – er wollte es herausbekommen.

Ferrin war ein krasser Gegensatz zu der Braut, mit der Kinley es am Morgen zu tun gehabt hatte. Sie standen im Büro der Konditorei und besprachen noch ein paar Details. Eine hysterische Braut hätte nie gleich den ersten Vorschlag angenommen, aber genau das tat Ferrin. Ihre Mutter war Professorin an der University of Texas in Austin. Da sie es zum Termin in der Konditorei nicht geschafft hatte, fragte Ferrin vorsichtig, ob Kinley etwas dagegen habe, die endgültige Entscheidung noch bis zum Samstag aufzuschieben, sodass ihre Mutter auch noch ihre Meinung sagen konnte.

Es fiel Kinley leicht, dem zuzustimmen. Überhaupt war die Entscheidung in Fragen, die das Essen betrafen, einfach – oder sollte es zumindest sein. Sie musste sich ein Lachen verkneifen, als sie sah, wie die Caruthers-Brüder Probehäppchen verputzten und so taten, als sei ihnen der Geschmack wichtig. Sogar Ma Caruthers wusste, dass ihre Jungen sich nicht für Kuchen interessierten. Sie waren hier, weil Ferrin ihren Verlobten um seine Meinung gebeten hatte und weil sie gefragt hatte, ob seine Brüder nicht auch etwas dazu sagen wollten.

Das war wirklich süß.

Die enge Verbindung zwischen den Familienmitgliedern war etwas, worum Kinley die Brüder immer beneidet hatte. Ein Einzelkind zu sein war nicht schlimm, aber sie hatte sich doch häufig einsam gefühlt. Ihre Eltern waren wegen der Arbeit oft nicht zu Hause gewesen, daher war sie den Caruthers nachgelaufen, wenn sie alleine war. Und nun plante sie die Hochzeit für Hunter … es war fast unglaublich.

Sie machte sich noch ein paar Notizen. „Ferrin, wie sieht es für den Rest der Woche mit deiner Zeit aus? Ich würde gern die Frage des Kleides mit dir klären. Ich arbeite mit ein paar Designern aus New York und Beverly Hills zusammen, aber ich habe auch eine Freundin in London, die gerade erst anfängt. Ihre Kleider sind sehr exquisit, und ich glaube, sie würden dir gut stehen.“

„Donnerstag und Freitag unterrichte ich vormittags am College von Cole’s Hill, aber nachmittags habe ich Zeit“, entgegnete Ferrin.

„Das ist gut. Ich kann dir einiges an Material zukommen lassen, damit du dir die Entwürfe einmal ansehen und entscheiden kannst, welche Richtung dir gefällt.“

Während des Gesprächs kam Hunter herein, und Kinley registrierte, dass Ethan und Nate direkt hinter ihm waren. Sie wusste nicht mehr genau, worüber sie sich unterhalten hatten, aber danach zu urteilen, wie die drei Männer sie ansahen, durfte sie wohl davon ausgehen, dass es um sie gegangen war.

„Hunter, ihr könnt bitte gehen“, rief Ferrin den Männern zu. „Wir besprechen gerade das Hochzeitskleid. Damit möchte ich dich an unserem großen Tag überraschen.“

„Klingt gut.“ Hunter gab ihr einen Kuss, bevor er mit seinen Brüdern im Schlepptau wieder entschwand.

„Möchtest du meine Meinung hören?“, fragte Ma Caruthers. „Ich weiß, du hast deine Mutter, und du möchtest die Entscheidung vielleicht lieber mit ihr treffen.“

„Natürlich möchte ich deine Meinung auch sehr gerne hören“, versicherte Ferrin ihr, bevor sie sich an Kinley wandte. „Erzähl mir, wie es weitergeht, nachdem ich mir die Entwürfe angesehen habe.“

„Sobald du dich für eine Richtung entschieden hast, lasse ich verschiedene Modelle kommen, die du anprobierst. Dann kannst du dich auf einen Designer festlegen oder auf den Typ Kleid, den du möchtest. Anschließend schickt der Designer deiner Wahl jemanden, der deine Maße nimmt.“ Kinley liebte diese Prozedur. Das Brautkleid war der springende Punkt, der den Unterschied machte. Essen, Trinken und Musik waren verglichen damit zweitrangig.

„Das klingt sehr … ermüdend. Um nicht zu sagen, ein wenig abschreckend“, bemerkte Ferrin.

Kinley legte ihr einen Arm um die Schultern. „Mach dir keine Sorgen. Ich bin die ganze Zeit an deiner Seite. Es soll deine Traumhochzeit werden.“

Ferrin umarmte sie. Zum ersten Mal, seit sie die Maschine in Texas verlassen hatte, war Kinley froh, hierhergekommen zu sein. Ferrin war die Art Braut, die ihr Freude an ihrem Beruf machte.

„Danke.“

„Ich habe dir doch gesagt, du bist bei ihr in den besten Händen“, sagte Ma Caruthers.

„Es ist wunderbar, wie sehr du mir geholfen hast. Ich bin dir wirklich dankbar“, sagte Ferrin zu ihrer zukünftigen Schwiegermutter und lächelte sie liebevoll an.

„Ich habe keine Töchter, aber ich hoffe, dass du mir eines Tages eine Enkeltochter schenkst. Es ist mir doch eine Freude, dir zu helfen.“

Kinley spürte, wie sie rot wurde. Sie hatte nur an sich und Nate gedacht bei ihrer Entscheidung, den Namen von Pennys Vater für sich zu behalten. Nate war zügellos und noch nicht bereit, sesshaft zu werden – sie war sich nicht sicher, ob er es je sein würde. Aber seine Mutter und sein Vater … sie waren sympathische Menschen. Menschen, die sich ein Enkelkind wünschten.

Und sie hatten bereits eines.

Kinley entschuldigte sich und verließ die Konditorei. Es war ein heißer Sommernachmittag, und sie wünschte, sie hätte die Hitze für ihr Unbehagen verantwortlich machen können. Aber sie kannte die Wahrheit. Sie hatte das Geheimnis um Penny zu lange für sich behalten. Jetzt konnte sie ihre Tochter nicht mehr ganz nebenbei mit den Caruthers bekannt machen, ohne dass die Familie gekränkt war – und das zu Recht. Ihr wurde klar, dass sie sich etwas zu viel zugemutet hatte mit ihrer Rückkehr nach Cole’s Hill.

Nun saß sie in der Klemme. Sie hatte die Wahl: entweder bleiben und hoffen, dass niemand weiter auf Penny achtete – und dass ihre Schuldgefühle erträglich blieben. Oder die Flucht ergreifen.

Sie wusste, welche Alternative ihr lieber gewesen wäre. Aber sie war noch nie feige gewesen, und sie wollte nicht, dass Penny irgendwann das Gefühl hatte, man könne vor seinen Problemen davonlaufen. Kinley musste sich überlegen, wie sie Nate am besten beibrachte, dass er eine Tochter hatte. Je eher sie es tat, desto besser für alle.

Nate hatte mehr oder weniger erwartet, dass Kinley ihre Verabredung absagte. Er ging mit Ethan auf einen Drink in eine Bar, während er darauf wartete, dass sie ihre Termine erledigte. Was war es nur, was ihn so nervös machte, wenn es um Kinley ging? Sein Verhältnis zu anderen Frauen, mit denen er Dates gehabt hatte, hatte sich meist sehr schnell entspannt. Er wusste, was sie mochten und wie er ihnen dazu verhelfen konnte.

Bei Kinley war es anders.

„Dad möchte, dass ich nach San Angelo fahre und mich um einen unserer Verträge kümmere. Die Schürfrechte müssen erneuert werden, und er ist sich nicht sicher, ob wir den Vertrag verlängern oder die Rechte verkaufen sollten.“ Ethan war der Anwalt der Familie, arbeitete aber auch für eine große Kanzlei. Bis vor Kurzem hatte er in Houston gearbeitet, erledigte aber jetzt das Gros der Arbeit von seinem Büro in Cole’s Hill aus. „Anschließend fliege ich für ein paar Tage nach L. A.“

Ethan hatte eine Freundin in Los Angeles. Sie wussten es alle, auch wenn er sie nie erwähnte. Nate ging davon aus, dass es nichts Ernstes war oder dass sie verheiratet war. Da er nicht wollte, dass seine Brüder sich in seine Angelegenheiten einmischten, verkniff er sich alle Fragen.

„Kein Problem. In dieser Woche steht nichts weiter an.“

„Wann ist denn dein Date mit Kinley?“, fragte Ethan.

„Wir wollen nachher einen Drink zusammen nehmen.“

„Einen Drink? Das ist kein Date.“

„Nicht?“

„Nein, natürlich nicht. Wir beide haben hier einen Drink zusammen, und das ist ja wohl kein Date!“

„Hm, ja, stimmt. Aber ich habe noch nie ein Problem damit gehabt, aus Drinks mehr zu machen.“

„Das hat keiner von uns“, sagte Ethan. „Kannst du es glauben, dass Hunter jetzt heiratet? Ich dachte … ich glaube, wir alle dachten, er findet nie eine Frau, die ihm vertraut.“

„Ich weiß.“ Nate musste daran denken, wie oft er seinen Bruder hatte verteidigen müssen, wenn jemand das Gespräch auf die Vergangenheit brachte. Die Gerüchteküche wusste, dass die Familie Hunter freigekauft hatte, aber in Wahrheit hatte die Polizei nie genügend Beweise gehabt, um ihn des Mordes anzuklagen. Nicht, dass das für die öffentliche Meinung eine Rolle gespielt hätte. „Ich freue mich, dass er jetzt so glücklich ist. Ich habe mir keinen von uns je verheiratet vorstellen können, aber bei ihm könnte man fast neidisch werden.“

„Stimmt. Ferrin ist unglaublich wichtig für ihn. Er scheint ein neuer Mensch geworden zu sein.“

Ja, Hunter war ein neuer Mensch, keine Frage. Ein Mann, der die Last der Vergangenheit abgeschüttelt hatte, freigesprochen von dem Verdacht der Schuld, den er zehn Jahre mit sich herumgeschleppt hatte.

„Der Verdacht hat ihn wirklich sehr belastet. Gut, dass das jetzt ausgeräumt ist.“

Ethan lachte. „Du sagst es. Ganz was anderes … Dylan Gallagher hat eine Cessna, die er uns anbietet. Er will sich etwas Größeres kaufen.“

„Wofür braucht er das?“

„Offenbar hat er eine Freundin an der Ostküste, die er besuchen möchte. Ich sehe mir die Cessna heute Nachmittag mal an. Sie wäre vielleicht gut als Ersatz für die alte Maschine, die wir abstoßen wollten.“

„Eine gute Idee. Wenn du findest, wir sollten sie kaufen, unterstütze ich dich.“

„Ich wollte, wir könnten alles so einfach regeln.“

Ehe Nate darauf etwas sagen konnte, meldete sein Smartphone den Eingang einer SMS. Er leerte sein Glas und erhob sich. „Mit mir ist alles einfach. Du bist derjenige, der ständig Probleme macht.“

Ethans Lachen folgte ihm bis zur Tür. Er ließ seinen Pick-up stehen und ging von der Bar zu dem Restaurant hinüber, wo Kinley auf ihn wartete. Die Sonne ging schon unter, als er um die Ecke bog und sie am Eingang stehen sah. Die Strahlen der Sonne umschmeichelten ihre Kurven und ließen ihr rotbraunes Haar leuchten. Er verharrte für einen Moment, als ihm bewusst wurde, wie viel ihm an diesem Treffen lag.

Er hatte sie verletzt, als sie ihn aus Vegas anrief. Dies war vielleicht ein Neustart. Das brauchte er, denn ganz gleich, was er am Telefon gesagt hatte – ein Wochenende mit ihr war nicht genug gewesen …

3. KAPITEL

Kinley aß rasch mit Penny und der Nanny zu Abend, bevor sie zu dem Treffen mit Nate fuhr. Dieser Abend war wichtig. Sie entschied sich für ein graues Kleid, das an der Taille gerafft war und bis zu den Knien reichte. Dazu wählte sie ein Stück von dem alten Schmuck, den sie in einem Antiquitätenladen in Melrose erstanden hatte. Das war ein Jahr vor dem Tod ihrer Mutter gewesen.

Wenn sie den Schmuck jetzt trug, musste Kinley immer an ihre Mom denken. Sie berührte die Brosche wie einen Talisman und hoffte, dass damit etwas vom Mut ihrer Mutter auf sie übertragen wurde. Sie hatte Angst vor dem Treffen mit Nate.

Sie hatte damals die einzig mögliche Wahl getroffen, als sie sich entschied, Penny zu bekommen und allein großzuziehen. Aber die Umstände hatten sich geändert, und es war an der Zeit, eine neue Entscheidung zu treffen.

Sie hörte eine Gruppe Leute näher kommen und sah auf. Bianca Velasquez und ihre Freunde. Kinleys Mom hatte bei der Familie Velasquez geputzt, und Bianca und Kinley waren gute Freundinnen gewesen. Bianca schickte ihre Freunde vor, um zu Kinley herüberzukommen und sie zu umarmen.

„Ich wusste gar nicht, dass du wieder in der Stadt bist“, sagte sie überrascht.

„Und ich dachte, du bist noch in Spanien.“ Biancas Ehemann war unlängst bei einem Autounfall ums Leben gekommen und hatte sie und ihren achtzehn Monate alten Sohn hinterlassen. Kinley und Bianca hatten per E-Mail Kontakt gehalten. Da sie beide alleinerziehende Mütter waren, hatten sie viele Gemeinsamkeiten.

„Ich bin vor Kurzem wieder hierhergezogen. Mom und Dad wollten es unbedingt. Außerdem hat mir Texas gefehlt. Hast du heute Abend schon etwas vor? Setz dich doch zu uns.“

„Ich bin nur für ein paar Monate hier, um Hunters Hochzeit zu planen“, erklärte Kinley. „Ich treffe mich gleich mit jemandem, aber ein andermal können wir etwas unternehmen.“

„Das machen wir. Wir können uns ja zusammen mit den Kindern verabreden.“

„Sehr gerne.“ Kinley umarmte ihre Freundin. Nach dieser unglücklichen Melange aus Geheimnissen und Schuldgefühlen tat es ihr gut, ein freundliches Gesicht zu sehen und ganz normale Pläne zu schmieden.

Bianca winkte ihr noch einmal zu, bevor sie ins Restaurant verschwand. Kinley drehte sich um und sah in diesem Moment Nate auf sich zukommen. Er hatte sich seit ihrer ersten Begegnung nicht umgezogen, trug immer noch die dunkle Jeans mit einem Designerhemd und handgenähten Lederstiefeln. Er ging wie ein Mann, der seinen Platz in der Welt gefunden hatte, selbstsicher und souverän.

Irgendwie störte sie sich an seinem Auftreten. Sie hatte ihr ganzes Leben lang um einen Platz in der Gesellschaft kämpfen müssen. In jüngeren Jahren war es ihr vielleicht nicht so bewusst gewesen, aber heute umso mehr. Ein Teil der Last war sicher das, was sie ihm sagen musste – und nicht zu wissen, wie sie es ihm sagen sollte.

„Nate, wie schön, dass du es geschafft hast.“ Diese Worte klangen auch in ihren eigenen Ohren falsch. Sie zwang sich zu einem Lächeln.

„Es war meine Idee, also konnte ich schlecht Nein sagen.“ Er zwinkerte ihr zu, bevor er ihr eine Hand auf den Rücken legte, um sie zum Eingang zu führen.

Sie versuchte, die Hitze zu ignorieren, die seine Berührung in ihr auslöste. Sie durfte nicht an das letzte Mal denken, als er sie dort berührt hatte.

Sie waren beide nackt gewesen, und er hatte sie in dem großen Bett auf den Bauch gerollt, um sie zu massieren. Es hatte damit geendet, dass er tief in ihr gewesen war und sie ein ums andere Mal kommen ließ. Diese Erinnerung löste einen Schauer reinen Verlangens in ihr aus.

Es war lange her, seit ein Mann sie so berührt hatte. Kinley war zu erschöpft gewesen, um an Dates zu denken – nun kam ihr der Gedanke, das könnte ein Fehler gewesen sein.

Sie wollte, es hätte wenigstens einen anderen Mann seit Nate in ihrem Leben gegeben – quasi als eine Art Puffer.

Jetzt streckte Nate die Hand aus, um ihr die Tür aufzuhalten. Sie war gleichermaßen erleichtert wie enttäuscht darüber, ihn nicht mehr an ihrem Rücken zu spüren.

Sie trat ein und blieb einen Moment stehen, um sich an das gedämpfte Licht zu gewöhnen. Sie musste aufpassen, dass sie nicht die Selbstbeherrschung verlor – damit verlöre sie auch die Kontrolle über die Situation, und das konnte sie sich nicht leisten.

Kinley ließ den Blick umherschweifen und entdeckte einen freien Platz in einer Nische, der ihnen etwas Intimität zusicherte.

Es war ein Fehler gewesen, Kinley zu berühren. Das musste Nate sich eingestehen, als er ihr durch das Restaurant folgte. Im Geiste durchlebte er wieder, wie er das letzte Mal ihren Rücken berührt hatte. Er erinnerte sich daran, wie die Nachmittagssonne in ihr Hotelzimmer geschienen und wie samtig ihre Haut auf den weißen Laken ausgesehen hatte. Sie hatte Sommersprossen auf dem Rücken, und er hatte sich Zeit genommen, jede einzelne zu berühren und zu küssen, bevor er Kinley erneut geliebt hatte.

Heißes Verlangen durchlief ihn. Was auch immer er sich eingeredet hatte, was dieses Treffen anbetraf − es war alles Unsinn. Es gab nur eine Wahrheit: Er begehrte sie. So zu tun, als gäbe es noch andere Motive, wäre reiner Selbstbetrug gewesen.

Kinley setzte sich an den freien Tisch in der Nische. Es war hier dunkler als im Rest des Restaurants, nur eine Lampe im Stil einer alten Gaslaterne hing an der Wand. Die künstliche Flamme flackerte leicht. Hier saßen sie abgeschiedener als erwartet.

Er wollte sich neben sie setzen, aber sie schüttelte den Kopf und deutete auf den Platz ihr gegenüber. Er nahm auf der harten Bank Platz und hoffte, dass die Unbequemlichkeit ihn etwas abkühlen würde, aber vergebens. Seine Beine stießen unter dem Tisch an ihre. Der blumige Duft ihres zarten Parfums stieg ihm in die Nase. Es war der Duft des Sommers – und er weckte den Wunsch in ihm, diesen Sommer mit ihr zu verbringen.

Er war kein Mann für lange Beziehungen, und sie war nur kurz in der Stadt. Es sollte für sie beide ganz einfach sein. Aber sein Bauchgefühl warnte ihn. Es konnte nicht einfach sein. Zuerst einmal brachte ihr Job sie in Kontakt mit seiner Familie. Sehr oft sogar. Zweitens war ihr Dad sein Verwalter, und Nate wollte nichts tun, um dieses Verhältnis zu gefährden. Dazu kam – und das war ausschlaggebend –, dass Kinley ihn ziemlich sicher bereits abgeschrieben hatte.

Er musste einen Weg finden, sie davon zu überzeugen, dass er mehr war als nur ein reicher Playboy. War sie diese Mühe wert?

Noch während er sich die Frage stellte, wusste er, dass die Antwort nur ein uneingeschränktes Ja sein konnte. Sie hatte etwas an sich, das in ihm den unbezwingbaren Wunsch weckte, sie wieder zu besitzen.

„Was trinkst du?“ Seine Stimme war fast zu laut für die Intimität dieser Nische.

„Mineralwasser mit einem Schuss Zitrone.“

„Das kann ich an der Bar nicht bestellen, wenn sie mich nicht auslachen sollen.“

„Dann bestelle ich es selbst. Was möchtest du?“ Ihr Ton war sachlich. Ganz offensichtlich war er allein mit seiner Hoffnung, die Situation könnte der erste Schritt zu erneuter Zweisamkeit sein.

„Ich habe nur Spaß gemacht, Kin. Ich hole die Drinks.“

Es dauerte gut fünf Minuten, bis er an ihren Tisch zurückkehrte. Er stellte die Gläser ab, bevor er sich wieder setzte.

„Es tut mir leid, dass ich wegen des Drinks überreagiert habe. Ich bin heute Abend ein wenig nervös“, gestand sie.

„Ist das Planen von Hochzeiten so stressig?“ Er trank einen Schluck Bier und lehnte sich zurück.

„Manchmal. Ferrin ist ausgesprochen nett und macht mir den Job sehr leicht. Die zweite Braut, mit der ich momentan zu tun habe, ist etwas schwieriger.“

„Ich wäre nie auf die Idee gekommen, du könntest als Hochzeitsplanerin arbeiten“, sagte Nate. Als Kind war sie immer sehr burschikos gewesen. Sie gehörte zu den Mädchen, die stets mit den Jungen mithalten wollten. Seine Eltern hatten ihn und seine Brüder ebenso behandelt wie die Kinder der Angestellten, die auf der Ranch arbeiteten. Das hieß, alle mussten dieselben Arbeiten verrichten, und alle bekamen ein eigenes Pferd, um das sie sich kümmern mussten. Nate hatte diese Tradition beibehalten, als er die Leitung der Ranch vor einigen Jahren von seinem Vater übernommen hatte.

Der Reichtum der Caruthers basierte auf der Rinderzucht, aber dazu war später auch die Förderung von Erdöl gekommen. Vor fünfzehn Jahren hatte Kinleys Vater den Aufbau eines Gestüts angeregt.

„Ich nehme an, du kennst mich so gut wie gar nicht“, sagte sie. „Ich plane gern Hochzeiten.“

„Du magst recht haben, dass ich nicht alles von dir weiß“, räumte er ein, „aber ich möchte behaupten, dass es Teile von dir gibt, die ich sehr gut kenne.“

Himmel hilf, wie recht er hatte. Kinley wurde rot wie eine Tomate, was man bei ihrer hellen Haut leider bestens sehen konnte.

„Hör auf, Nate“, sagte sie. „Bitte sprich nicht wieder von diesem Wochenende oder davon, dass wir miteinander geschlafen haben. Es wäre mir lieber, deine Brüder und deine Eltern wüssten nichts davon.“

Er beugte sich vor. „Hier sind nur wir beide, Kin, und wir wissen, was passiert ist.“

„Das stimmt. Und wir wissen auch beide, wie es ausgegangen ist … Oder geht das nur mir so?“

„Ich habe mich bereits dafür entschuldigt.“ Typisch Frau, dass sie ihn immer wieder an seine Fehler erinnern musste!

„Ich weiß. Und ich habe deine Entschuldigung akzeptiert. Was ich mit meiner Bemerkung nur sagen wollte, ist, dass wir wie Öl und Wasser sind – das passt nicht zueinander.“

Er fand, dass sie ausgezeichnet zueinander passten. Aber sich auf diese Diskussion einzulassen würde Kinley nur noch weiter aufbringen und damit weiter entfernen von dem Ende, das er sich für sie beide erhoffte. Er musste sich entspannen. „Ich bin nicht mehr der Mann, der ich vor drei Jahren gewesen bin.“

Sie nickte mit einem leichten Lächeln. Als sie die Finger miteinander verwob, bemerkte er, dass sie an ihrem Mittelfinger einen schmalen Ring trug. „Ich bin ganz eindeutig auch nicht mehr dieselbe Frau wie damals“, sagte sie. „Was hat sich denn bei Nate Caruthers geändert?“

Kinley wusste, dass sie ablenkte, aber sie brauchte noch etwas Zeit. Sie spielte mit der Zitronenscheibe am Rande ihres Glases, schob sie nervös hin und her – um nicht daran denken zu müssen, dass Nate ihr gegenübersaß. Mit seinen Knien umschloss er ihre Beine. Der grobe Stoff seiner Jeans kratzte an ihrer Haut. Sie versuchte, sich zurückzuziehen, aber es endete nur damit, dass sie ihr Bein an seinem rieb.

Sie warf einen Blick zu ihm hinüber, um zu sehen, ob er es bemerkt hatte.

Er hatte es bemerkt, sagte aber nichts dazu. Stattdessen trank er sein Bier. Sie beobachtete fasziniert das Spiel seiner Muskeln, als er schluckte und sich dann zurücklehnte. Dabei drückte er seine Beine erneut an ihre.

„Ich kümmere mich immer noch um unsere Investitionen, aber hauptsächlich kümmere ich mich um die Ranch. Dad wollte sich aus dem Tagesgeschäft der Rockin’ C zurückziehen. Und du weißt ja, dass es ein Vollzeitjob ist. Deswegen habe ich dann übernommen“, erklärte ihr Nate.

Die Rockin’ C war eine der größten Ranches in Texas. Neben der Rinderzucht und einem Gestüt war sie auch in der Erdölförderung aktiv. Insgesamt arbeiteten mehr als hundert Familien für das Unternehmen. Das Ganze erinnerte an die Ewings aus der Fernsehserie Dallas.

„Wo leben deine Eltern jetzt?“

„Immer noch auf der Ranch. Mom wollte ein kleineres Haus, also haben sie sich ein Haus mit fünf Schlafzimmern an dem See gebaut.“

„Und das ist klein?“ Kinley lachte.

„Für sie schon. Außerdem wollte sie Platz haben für all ihre Enkelkinder. Sie hofft, dass wir irgendwann alle sesshaft werden.“

Wieder verspürte Kinley einen Nadelstich. Ihr Schuldbewusstsein meldete sich. „Wann wird es denn dazu kommen?“

„Noch nicht so bald, was mich betrifft. Hunter scheint bisher der Einzige von uns zu sein, der an eine eigene Familie denkt. Aber nach zehn Jahren Hölle, die er hinter sich hat, wird es wohl auch Zeit, dass er zur Ruhe kommt.“

„Diese Sache mit dem Mord … Das war wirklich hart. Ich habe die Sache von Kalifornien aus verfolgt. Ich meine, da war der Hunter, mit dem ich aufgewachsen bin – und dann der Hunter, wie er im Fernsehen gezeigt wurde. Ich bin wirklich froh, dass sie den Täter endlich gefasst haben.“

„Das sind wir alle. Mom wahrscheinlich am allermeisten.“

„Er hat das Happy End bekommen, das er verdient hat“, sagte Kinley. Sie verband es mit der Hoffnung, dass es auch für sie vielleicht irgendwann ein Happy End gab, sobald sie die Sache mit Nate geklärt hatte. Vielleicht hatte die Geheimniskrämerei um Pennys Vater sie in den vergangenen Jahren davon abgehalten, sich wieder mit Männern zu treffen.

Sie wusste selbst, dass das nicht stimmte. Sie wusste, es lag nur an ihrer Angst, wieder einem Mann zu vertrauen. Oder genauer gesagt, ihrem Herzen zu vertrauen. Sie hatte gedacht, dass ihre Gefühle für Nate der Beginn von etwas Ernsterem sein könnten, aber letzten Endes war es dann doch nur Lust gewesen.

Und diese Lust regte sich auch jetzt wieder.

„Wir sind alle sehr froh für Hunter. Wie viele Hochzeiten hast du schon geplant?“, wollte Nate wissen. „Wie bist du zu diesem Job gekommen?“

Sie nippte an ihrem Mineralwasser und genoss den Aufschub, den er ihr unwissentlich gewährt hatte. „Insgesamt waren es knapp zwanzig Hochzeiten. Alle sehr anspruchsvoll und ausgefallen. Ich habe mich um eine Stelle als persönliche Assistentin für Jacs beworben. Als eine ihrer Hochzeitsplanerinnen ausfiel, hat sie mir eine Chance gegeben.“

„Kein Wunder, dass sie es dir zugetraut hat. Solange ich dich kenne, hast du noch nie vor etwas gekniffen“, sagte Nate. „Ganz gleich, wie sehr sich die Äußerlichkeiten geändert haben mögen – der Kern ist immer geblieben.“

Das war so ungefähr das Netteste, was ihr je jemand gesagt hatte. Dass es ausgerechnet von Nate Caruthers kam, ließ ihr das Herz schwer werden. „Danke.“

„Das ist schon in Ordnung. Ich hätte daran denken sollen, als du mich damals angerufen hast. Stattdessen fühlte ich mich irgendwie bedrängt, und das wollte ich nicht. Auch wenn wir ein Wochenende zusammen verbracht haben, bist du keine Frau, die ein Mann einfach so abtun sollte.“

Kinley hatte keine Ahnung, was sie darauf sagen sollte. Die Tatsache, dass er noch nicht bereit gewesen war, Verantwortung zu übernehmen, ließ ihren Entschluss, ihm von Penny zu erzählen, ins Wanken geraten. War er jetzt bereit? Wie sollte sie sicher sein?

Sie wollte jetzt alles richtigstellen. Für Nate. Für Ma Caruthers. Für sich selbst. Aber sie hatte eine Verantwortung gegenüber Penny. Sie musste entscheiden, was am besten war für ihre Tochter – nie zu wissen, wer ihr Vater war, oder es zu wissen und dann enttäuscht zu werden.

Es war eine schwere Entscheidung.

Um sie fällen zu können, brauchte es mehr als ein Mineralwasser und eine Unterhaltung. Vielleicht war es Feigheit, aber sie beschloss, sie wollte den Mann, der Nate heute war, erst besser kennenlernen, bevor sie ihn wissen ließ, dass er eine Tochter hatte.

Das war sie Penny und auch sich selbst schuldig. Und auch Nate, der den Gerüchten zufolge immer noch ein ausschweifendes Junggesellenleben führte.

„Ich weiß nicht, ob ich während dieses Wochenendes in Vegas bereit für mehr gewesen wäre“, bekannte sie. „Aber jetzt lasse ich es eindeutig nicht mehr so locker angehen.“

„Könnte ich dich zu einem Essen überreden?“, fragte Nate.

Sie zögerte. Ihre Tochter war versorgt. Kinley hatte versprochen, sie um halb acht anzurufen, und das konnte sie immer noch tun.

Wenn sie sich entscheiden sollte, Nate alles zu sagen, dann musste sie mehr Zeit mit ihm verbringen. Ein gemeinsames Essen schien eine unverfängliche Gelegenheit zu sein, damit zu beginnen.

4. KAPITEL

Normalerweise wäre Nate zum Essen in den Country Club gegangen, hätte dann ein paar Runden Pool mit seinem Bruder Derek gespielt und hätte den Abend schließlich feuchtfröhlich im Bull Pit ausklingen lassen. Stattdessen saß er nun Kinley gegenüber, aß ein Steak und hörte sich an, was sie über das letzte Buch erzählte, das sie gelesen hatte.

Er wollte nicht weiter darüber nachdenken, dass es einer der besten Abende war, die er in letzter Zeit erlebt hatte. Sie erzählte sehr lebhaft und wirkte entspannt, nachdem er alles unterdrückt hatte, das vielleicht zu sexy war. Mit leuchtenden Augen erklärte sie einen Teil des Buches, der ihr besonders zusagte. Als sie lachte, schien sich in ihm alles zusammenzuziehen, und sein Puls ging schneller.

„Das ist das Witzigste, was ich seit Langem gelesen habe. Während ich es las, dachte ich, dieses Mädchen könnte ich sein! Ist dir so etwas je passiert?“

„Nein, aber ich hatte ja auch immer meinen Dad als Vorbild. Er hat mir den Mann gezeigt, der ich einmal sein wollte.“

„Dein Dad ist wirklich der Beste“, sagte sie.

Etwas in ihrer Stimme ließ die Frage in ihm aufkommen, ob Marcus nicht ein ebenso guter Vater gewesen war. Sein Vater lebte für seine Söhne und ließ es sie spüren. Er hatte starke Prinzipien und erwartete, dass sie sich daran hielten, aber er behandelte sie immer mit Liebe.

„Und dein Dad?“ Nate sah sie fragend an.

„Er war nicht grausam oder etwas in der Art. Aber er hat immer viel gearbeitet, wenn ich am Wochenende zu Hause war. Ich glaube, ich habe mehr von deinem Dad gesehen als von meinem.“

Darüber hatte Nate nie nachgedacht. Jetzt fragte er sich, ob er selbst nicht vielleicht den einen oder anderen seiner Angestellten davon abhielt, so viel von seinen Kindern zu sehen, wie er wollte. Er dachte nie viel über die Kinder nach, die auf der Ranch lebten. Sein Leben unterschied sich sehr von dem seiner Angestellten, da er schon lange nicht mehr direkt mit der Arbeit auf der Ranch befasst war. Er verbrachte die meiste Zeit im Büro in Cole’s Hill, um das Unternehmen, zu dem sich die Ranch ausgeweitet hatte, zu managen.

„Das wusste ich nicht“, sagte er – und begriff, dass es sehr vieles von Kinley gab, das er nicht wusste.

Irgendwie war er immer davon ausgegangen, dass sie ebenso aufgewachsen war wie er. Er erinnerte sich, wie sie die Wochenenden auf der Ranch verbracht hatte. Sie war ihm immer als eine Art Mädchen-Ausgabe seiner selbst erschienen.

„Woher solltest du?“, sagte sie. „Inzwischen haben mein Dad und ich eine sehr gute Beziehung. Sie ist nur anders als dein Verhältnis zu deinen Eltern.“

„Ich habe mich sehr gefreut, als sie in ihr neues Haus gezogen sind. Nicht, dass ich sie aus dem Haus geworfen hätte, aber ich bin doch sehr gern auf der Ranch, auch wenn ich mein Stadthaus hier liebe.“

„Hättest du nicht mit deinen Eltern zusammenleben können?“

„Doch, schon, aber dann hätte Mom all die Frauen kennenlernen wollen, die ich mit nach Hause bringe, und das wäre doch gelegentlich unangenehm gewesen.“

„Das kann ich mir vorstellen. Hast du nach wie vor kurze Affären?“

„Ja, meistens. Aber heute Abend bin ich hier mit dir.“

„Hier geht es ja nicht um eine Affäre. Wir essen zusammen, um eine freundschaftliche Basis zu finden, damit Hunter und deine Familie nicht merken, was zwischen uns war.“

Er hätte glücklich darüber sein sollen, dass sie ihn so nahm, wie er war.

Aber andererseits …

Er wollte nicht, dass sie ihn so leicht abtat. Ja, er war ein eingefleischter Cowboy, der sich gern mit einer Frau eine kurze schöne Zeit gönnte. Aber für die richtige Frau könnte er sich vielleicht auch ändern.

Das war allerdings noch ein großes Fragezeichen. Kinley hatte alles Recht der Welt, ihn zunächst einmal nur in die Kategorie Freund einzuordnen.

„Das ist okay. Aber um das festzuhalten: Du bist nicht wie die anderen.“

Ihre Pupillen weiteten sich für einen Moment, und er begriff, dass ein Teil von ihr hoffte, er könne der Richtige sein. Er sah es in ihrem Blick.

„Wirklich?“

Ihr Ton enthielt so viel Hoffnung, dass es schon fast wehtat. Er hatte Angst, sie zu verletzen. Bisher war ihm gar nicht klar gewesen, wie leicht es dazu kommen konnte. Er hatte gedacht, sie sei wie er. Eben die weibliche Version. Ein Partygirl, wie er ein Partyboy war. Und wie er allmählich zu einem erfolgreichen Geschäftsmann gereift war, nahm er es auch bei ihr an. Aber in ihrem Blick sah er eine Hoffnung, die er bisher noch nie dort gesehen und die er auch nicht erwartet hatte.

Sie wollte einen Helden.

Keinen Playboy.

Konnte er das sein? Konnte er der Mann sein, den sie wollte?

Der egoistische Teil seiner selbst wollte so tun, als habe er ihren Blick nicht bemerkt, und einfach so weitermachen. Aber er war immer stolz darauf gewesen, in allen seinen Beziehungen ehrlich zu sein, und ein So-tun-als-ob war auch eine Art Lüge. Vielleicht sogar die schlimmste Art der Lüge.

„Ja. Du bist etwas Besonderes“, sagte er schließlich.

Sie tastete nach ihrem Wasserglas und trank einen Schluck. „Du bist mir auch … unvergesslich“, bekannte sie dann.

Er begriff, er konnte sie wieder haben, wenn er wollte. Wenn er den Mund hielt. Aber er war bereits zu dem Schluss gekommen, dass er ihr nichts vormachen wollte – auch wenn die Versuchung groß war.

Ihre Lippen waren voll und weich. Am liebsten hätte er sich vorgebeugt und sie geküsst − um sich davon abzuhalten, etwas zu sagen, was ihr Bild von ihm ruinierte.

Kinley war verunsichert. Sie glaubte, etwas in Nate gesehen zu haben, was den Wunsch in ihr weckte, er wäre der Mann, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen könnte. Und auch wenn sie als alleinerziehende Mutter zurechtkam, gab es Zeiten, in denen sie davon träumte, die perfekte Familie zu haben, die sie sich schon als Kind gewünscht hatte. Damals hatte sie sich geschworen, sollte sie selbst einmal Kinder haben, wollte sie es richtig machen. Dann wollte sie eine Familie haben, wie sie sie aus dem Fernsehen und aus der Werbung kannte.

Und nun saß Nate ihr gegenüber und redete davon, dass sie etwas Besonderes sei. Er sah sie an … als ob er sich in den vergangenen drei Jahren verändert hätte. Aber das war ein reines Gefühl. Darauf konnte sie nicht bauen. Sie musste bei diesem Mann mit gesundem Menschenverstand vorgehen. Ausgerechnet. Der gesunde Menschenverstand hatte bei ihr immer ausgesetzt, wenn es um Nate ging.

Er hatte sie schon immer fasziniert. Als sie noch jünger gewesen war, war er der Caruthers gewesen, der sich um sie gekümmert hatte, wenn sie das Wochenende auf der Ranch verbrachte. In der Pubertät hatte sie sich dann in ihn verliebt. Bis über beide Ohren.

Nun stellte er wieder eine Versuchung für sie dar. Nicht durch seinen lässigen Charme und das gute Aussehen, sondern durch den Hauch eines Anzeichens dafür, dass er der Partner sein könnte, der ihr fehlte. Der Vater für Penny.

Sie griff nach ihrem Weinglas und nippte daran. Es war verrückt. Sie verrannte sich hier in ein Traumgespinst. Sie wusste, dass es keinen Bezug zur Wirklichkeit hatte. Sie wusste, dass Nate ein toller Mann war und unglaublich sexy. Er konnte jeder Frau das Gefühl geben, sie sei der Nabel der Welt für ihn. Manchmal gelang es ihr, sich einzureden, sie sei wenigstens bei diesem Wochenende in Vegas der Mittelpunkt seiner Welt gewesen. Aber dann war er weitergezogen.

Ein neues Geschäft hatte seine Aufmerksamkeit gefesselt, vielleicht auch eine neue Frau oder ein teures neues Spielzeug. Sie musste einen klaren Kopf bewahren.

Aber sie mochte ihn.

Sie hatte ihn immer gemocht. Und es war lange her, seit ein Mann sie so angesehen hatte, wie Nate es jetzt tat.

Sie hatte einen schwachen Punkt offenbart, als sie ihm sagte, er sei ihr unvergesslich. Es war so. Auch wenn sie Penny nicht gehabt hätte, die sie ständig an ihn erinnerte, wäre er ihr wahrscheinlich nie aus dem Kopf gegangen.

„Und …?“ Kinley unterdrückte ein Stöhnen. Sie konnte es mit jeder hysterischen Braut aufnehmen, die den größten Tag ihres Lebens unvergesslich machen wollte für die Welt. Doch sobald Nate ihr gegenübersaß, versiegte alles, und sie brachte keinen geistreichen Satz mehr zustande.

„Was hältst du davon, wenn wir einen kleinen Spaziergang machen? Die Stadt sponsert eine Lichtshow am Rathaus, die ziemlich gut sein soll“, schlug er vor.

Es klang nett. Und normal. Wie ein richtiges Date. War dies ein Date? Sie wollte sich nicht die Blöße geben und ihn fragen. Sie hatten sich auf ein paar Drinks verabredet, und nun war schon ein gemeinsames Essen daraus geworden. Sie hatte ein Geheimnis vor ihm, das sie lüften wollte, aber sie wusste nicht, wie. Und er hatte sie zu etwas eingeladen, das vollkommen harmlos und normal klang.

Ganz anders als das Chaos, das in ihr tobte.

„Ja, gern“, sagte sie. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Es war Zeit, Penny gute Nacht zu sagen. „Zuerst muss ich noch einen Anruf erledigen.“

Sie griff nach ihrer Tasche, um Geld für die Rechnung dazulassen, aber er hielt sie zurück. „Ich kümmere mich darum. Geh nur, und mach deinen Anruf. Wir treffen uns vor der Tür.“

Sie erhob sich und bemerkte, dass Bianca zu ihr herübersah. Die winkte ihr zu, und sie winkte zurück. Die kleine Geste machte ihr deutlich, wie sehr sie es vermisst hatte, in einer Stadt wie Cole’s Hill zu leben. Diese Menschen waren Teil ihrer Vergangenheit. Sie kannten sie. Hier hatte sie Wurzeln, die sie in Vegas nie haben würde.

Sie hatte es vermisst.

Sie wollte so viel für Penny. Nicht nur eine Bilderbuchfamilie, sondern auch Freunde wie Bianca. Eine solide Basis für ihre Kindheit, sodass sie immer wusste, woher sie kam.

Kinley verließ das Restaurant. Als sie ein Stück vom Eingang entfernt war, öffnete sie die Video-App auf ihrem Smartphone und wählte Pennys Tablet an. Ihre Tochter wartete sicher schon. Pippa nahm den Anruf entgegen und reichte dem Kind das Gerät.

„Mama!“

„Wie geht es dir, Süße?“

Penny trug ihren rosa Pyjama. Ihre roten Locken hatten sich auf dem Kissen ausgebreitet. Sie hielt ihren Plüschhasen, Mr. Beans, im Arm und wirkte schon etwas schläfrig.

„Gut. Pippa … lesen.“

Ein Buch gehörte seit jeher zu ihrem Einschlafritual. „Das ist schön. Dann schlaf gut, Süße.“

„Nacht, Mama.“

„Ich hab dich lieb.“

Penny winkte ihr mit ihrem kleinen Patschhändchen zu. „Bye-bye.“

Kinley winkte zurück. „Bye-bye.“

Sie beendete die Verbindung und verharrte einen Moment mit dem Smartphone an ihre Brust gedrückt. Sie hatte nicht gewusst, dass sie je jemanden so lieben konnte, wie sie ihre Tochter liebte. Sie würde alles tun, um sie zu beschützen.

Sie hörte Stimmen vom Eingang des Restaurants her und sah Nate mit drei Frauen reden. Sie alle waren ausgesprochene Schönheiten, und Nate war ganz der flirtende Charmeur.

War das, was sie in seinem Blick zu sehen gemeint hatte, nur ein Produkt ihrer Fantasie gewesen?

Die meisten Städte in Texas waren stolz auf ihre Geschichte, und Cole’s Hill war in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Im Gegensatz zu anderen Städten, die ihre Ursprünge auf die ersten spanischen Siedler zurückführen konnten, war Cole’s Hill lange Zeit nicht mehr als ein kleiner Flecken gewesen, auf dem die Rinder während des Trecks nach Houston getränkt wurden. Im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert veränderte sich wenig, bis Cole’s Hill zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts plötzlich zu einer der am schnellsten wachsenden kleinen Städte von Texas wurde. Jetzt vermischte es die Geschichte des Staates mit den örtlichen Traditionen, die die Gemeinde zusammenhielten.

Die fünf Familien, die Cole’s Hill einmal gegründet hatten, waren immer noch ein wichtiger Teil der Stadt. Nates Familie gehörte dazu, und er saß mit Vertretern der anderen Familien im Komitee, das die Interessen der Stadt vertrat. Die Lichtshow war ein Teil der jährlichen Sommerfestspiele.

Etwas hatte sich geändert, seit Kinley den Tisch verlassen hatte und er sie hier draußen wiedertraf. Sie war ernster als zuvor und schien Barrieren um sich errichtet zu haben. Sie sprach nicht mehr so viel und nicht so lebhaft.

„Die Lichtshow wird vom College und der Highschool organisiert. Wir haben sie gebeten, die Geschichte der Stadt in eine Lichtshow umzusetzen. Ich bin bisher noch nicht dazu gekommen, es mir anzusehen“, erklärte Nate, während sie zum Rathaus gingen.

„Das klingt doch sehr interessant. Wie lange läuft sie?“

„Jeden Abend freitags, samstags und sonntags in den Monaten Mai, Juni und Juli. Mit dem neuen Standort der NASA ist die Bevölkerung stark gewachsen, und wir wollen sichergehen, dass wir nicht vergessen, was Cole’s Hill zu etwas Besonderem macht.“

Er wusste selbst nicht, wieso er so viel von der Stadt redete, wenn er ihr doch nur sagen wollte, wie hübsch sie an diesem Abend aussah. Aber stattdessen hielt er sich lieber an ein unverfängliches Thema.

Nach dem Essen hatte er am Eingang des Restaurants einige Frauen getroffen, mit denen er im Laufe der Jahre ein paar Dates gehabt hatte. Sie kannten ihn ziemlich gut und wussten, was sie von ihm zu erwarten hatten. Keine hatte ihn je so angesehen wie Kinley beim Essen – so, als sei er mehr als nur ein flüchtiges Abenteuer. Ihr Blick hatte in ihm den Wunsch geweckt, er könne für sie wirklich mehr sein.

„Gibt es irgendwo einen Platz, von dem aus man die Show gut sehen kann?“, wollte Kinley wissen.

Die eine Seite des Platzes wurde vom Rathaus eingenommen, zwei weitere von Geschäften und Restaurants. Gegenüber dem Rathaus stand ein Hochhaus mit Büros und Luxusapartments, darunter auch ein Penthouse, das ihm gehörte. Auf dem Platz verteilt waren Bäume und Bänke. In der Mitte stand die Statue von Jake Cole, der der Stadt ihren Namen gegeben hatte. Während des Unabhängigkeitskrieges hatte er die Stadt mit seinen Männern verteidigt.

„Ich habe mir sagen lassen, dass man die Show überall gut sehen kann, wo man einen Blick auf das Rathaus hat“, sagte er, „aber ich habe einen besonderes Aussichtspunkt im Sinn.“

Er hatte seinem Assistenten Ben eine SMS geschickt und ihn gebeten, den Balkon so herzurichten, dass sie sich von dort die Lichtshow ansehen konnten. Er legte seine Hand auf Kinleys Rücken.

„Hör auf damit.“

„Womit?“

„Mich zu berühren. Ich brauche deine Hand nicht, um mich zu stützen.“

Autor

Katherine Garbera

Katherine kann sich nichts Schöneres vorstellen, als zu schreiben. Jedes Buch gibt ihr die Gelegenheit, die unterschiedlichen Verhaltensmuster der Menschen hervorzuheben. Leidenschaftliche Liebesromane zu verfassen, bedeutet für sie die Verwirklichung eines Traumes.

Die Autorin lebt mit ihrem Ehemann, den sie in "Fantasyland" kennenlernte, und den beiden gemeinsamen Kindern in Florida.

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