Die Countess, die ich liebte

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

"Die Leute lieben es, zu tratschen - und ich liefere ihnen gute Geschichten." Lady Beatrice genießt ihren schlechten Ruf - und willigt ein, den zurückhaltenden Andrew Robson zu umgarnen. Doch was als harmloser Scherz begann, bringt ihr Herz ernsthaft in Gefahr …


  • Erscheinungstag 21.04.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751506465
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Andrew Robson spürte das dringende Bedürfnis, seinem Vetter Foxworthy eins auf die Nase zu geben. Wenn er sich noch eine Geschichte über die Augen von Miss Soundso oder die Brüste von dieser und jener Dame oder sonst irgendetwas über eine Frau anhören müsste …

Mit dem Brandy in der Hand taumelte Fox zur Seite. „Du bist noch Jungfrau.“

Andrew nahm sein Kontobuch vom Tisch. „Mein Leben geht dich nichts an.“

„Wie oft habe ich dich eingeladen, mich zu einem Treffen zu begleiten? Doch du hast immer abgelehnt.“ Fox trank den Brandy in einem Zug und starrte gähnend in das leere Glas. „Ich habe Durst“, murmelte er und zog an der Klingelschnur, um einen Diener zu rufen.

„Bedien dich gefälligst selbst“, erwiderte Andrew barsch.

Fox füllte sein Glas und sah Andrew eindringlich an. „Wen hast du gehabt?“

Andrew ergriff seinen Brandy, ließ das Getränk im Glas kreisen. „Ein Gentleman spricht nicht von solchen Dingen.“

„Genau wie eine Jungfrau. Dabei habe ich dir von jeder meiner Eroberungen erzählt, seit ich entdeckt habe, was sich unter meinen Breeches verbirgt.“

„Vermutlich ist nur die Hälfte dieser Geschichten wahr.“

„Ich gebe nichts auf Zahlen, mein Freund.“ Fox runzelte die Stirn. „Du bist mein Vetter, mein Blut, doch du hast keine Vorstellung von den wahren Freuden des Lebens. Du wirkst immer missmutig und bist gekleidet wie jemand, der trauert. Wahrscheinlich hast du guten Grund, so auszusehen. Keine Frau, die dich zum Lächeln bringt.“

Andrew runzelte die Stirn. „Ich musste dich schon vor so vielen Ehemännern beschützen, dass ich es mir selbst lieber erspare.“

Fox grinste. „Die Männer ziehen voreilige Schlüsse. Wegen meines Aussehens können sie es nicht ertragen, wenn ich mit ihren Frauen spreche. Sie gehen gleich davon aus, dass ich Hintergedanken hege.“

„Was ja auch der Fall ist.“

„Aber du nicht. Hast du je bei dieser Hannah gelegen, von der du so hingerissen warst?“

„Natürlich nicht. Solchen Frauen nimmt man nicht ihre Tugend!“

„Sie war nicht mehr so unschuldig, als sie letzten Sommer mit mir das Bett teilte.“

Rasende Wut stieg in Andrew auf. „Du hast Hannah nicht ihre Unschuld geraubt.“ Er schlug mit der Handfläche auf seinen Schreibtisch. „Selbst du wärest zu so etwas nicht imstande.“

Schulterzuckend hielt Fox sein Glas hoch. „Wir waren verliebt. Das solltest du auch mal probieren.“ Er schenkte ihm jenes schiefe Grinsen, bei dem die Damen in Verzückung gerieten. „Du wärest viel glücklicher, wenn du öfter mal deine Hose runterlassen würdest.“

Andrew ging einen Schritt auf seinen Vetter zu, das Kontobuch fest in der Hand. Er würde es ihm vielleicht nicht an den Kopf werfen, könnte ihn damit jedoch zu Boden strecken. „Du hast es gewagt, ihre Unschuld zu rauben? Unverzeihlich!“

Fox sah etwas in Andrews Augen, was ihn schnell hinter den Schreibtisch treten ließ. „Es war wahrhaftig nicht schade um sie, Andrew. Glaub mir. Nur eine weitere Biene, die um meinen Nektar kreiste.“

„Ich bring dich um.“

„Andrew.“ Fox stellte das Glas auf den Tisch und hielt, während er zurückwich, beide Hände hoch. „Mein unschuldiger Vetter. Du empfindest nur so, weil du dein kleines Zepter noch nicht in die richtigen Hände gegeben hast.“

„Du bist tot …“ Als Andrew das Buch auf den Tisch schleuderte, hätte er beinahe das Tintenfass getroffen. Eine Blumenvase fiel auf den Teppich. Er rannte um den Schreibtisch herum. Fox machte einen Satz zur Seite.

„Zu meiner Beerdigung“, erklärte Fox erhobenen Hauptes, „werden viele bestürzte Damen kommen.“

„… ein langsamer Tod. Ein qualvoll langsamer Tod.“ Als Andrew vortrat, zermalmte er Glasscherben und eine Blume unter seinem Fuß, wodurch sich der Duft von Rosen im Raum ausbreitete.

„Ich werde in die Ewigkeit übergehen mit einem immerwährenden Lächeln auf den Lippen.“ Fox’ Worte endeten in Gelächter.

Andrew erkannte, dass sein Cousin sich der Tür näherte. Er sprang über eine Ecke des Schreibtisches, packte Fox’ Rockschoß und zog ihn zurück. Sie stürzten beide zu Boden.

Fox hustete und schnaufte.

Andrew drückte seinen Vetter fest zu Boden. Mit dem Halstuch konnte er den Schurken stillhalten.

„Ich verzeihe dir, wenn du mich umbringst, aber verletze mein Gesicht nicht“, knurrte Fox. „Ich werde dir eine Frau besorgen. Deine ungestillten Leidenschaften lassen dich zu einem Barbaren werden.“

Andrew verdrehte das Halstuch. „Wenn du es wagst, eine weitere Frau zu ruinieren, wirst du den Tag nicht mehr erleben, um es zu bereuen.“

„Du … erwürgst mich …“ Fox’ Stimme erstarb.

Andrew lockerte er den Griff. „Du wirst um Hannahs Hand anhalten.“

„Das kann ich nicht“, sagte Fox. „Sie ist in Lord Arvin verliebt. Ich habe ihr gestattet, mich bei seinem Namen zu nennen, und wir waren beide zufrieden.“

Andrew verharrte in der Bewegung. „Das finde ich überaus merkwürdig.“

Er rutschte ein Stücke weg, damit sich Fox aufsetzen konnte.

„Kein Wunder“, erwiderte Fox, schüttelte sich und zupfte sein Halstuch zurecht. „Du hast keine Ahnung von Leidenschaft. Du brauchst eine Frau wie Sophia Swift, die sie dich lehrt.“

Andrew stand auf und klopfte seine Knie ab. „Dieser irrsinnigen Frau werde ich mich keinen Schritt mehr nähern. Sie hat mich gebissen!“

Fox hielt inne. „Frauen beißen manchmal. Das ist nur im Spiel.“

Mit schnellen Bewegungen zog Andrew sein weißes Leinenhemd aus der Hose und hob es vorn hoch. Er deutete auf eine Narbe auf seiner Brust.

„Sie. Hat. Mich. Gebissen“, brachte er gepresst hervor.

Fox beugte sich vor und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. „Perfekt aneinandergereihte Zähne hat sie, das steht schon mal fest.“

Das war in seinem sechzehnten Lebensjahr geschehen. Sein Vater war der Meinung gewesen, dass Andrew gewisse Erfahrungen mit dem schönen Geschlecht machen müsse.

Sophia, nur wenige Jahre älter als Andrew, hatte versprochen, ihm alles zu zeigen, was es zu wissen gelte. Anfangs war es wunderbar mit ihr gewesen, doch das hatte nicht länger als bis zum ersten Kuss gedauert. Sie war alles, was er sich hätte wünschen können – bis ihre Leidenschaft sie übermannt hatte.

„Zum Teufel.“ Fox starrte auf die Narbe. „Und sie war willig?“

„Ja. Aber ich danach nicht mehr.“ Andrew ließ sein Hemd wieder sinken. „Eines Tages wird meine Ehefrau diese Narbe sehen.“

Fox blinzelte. „Mach dir darüber keine Gedanken. Als du eine Dame – eine gebrechliche Großmutter – vor einem Taschendieb gerettet hast, wurdest du vom Dieb gebissen. Er wurde nach Newgate gebracht und zum Tode verurteilt.“ Dann blitzte es in seinen Augen. „Oder du erzählst einfach die Wahrheit.“ Nach einem tiefen Atemzug legte er eine Hand auf seine Brust und sagte mit theatralischer Stimme: „Eine Frau, von der Leidenschaft in den Wahnsinn getrieben.“

„Sie ist einfach verrückt.“ Andrew schüttelte den Kopf. „Fingernägel wie Krallen und … drei Spiegel.“ Zu sehen, wie die wirre Frau ihn aus drei verschiedenen Perspektiven um Verzeihung bat, war ihm wie ein Albtraum vorgekommen.

„Vielleicht komme ich auf dein Angebot zurück.“ Fox schaute zur Decke auf. „Um zu sehen, ob du die Wahrheit sagst.“

„Oh, lass dich von mir nicht abhalten. Ihr beide werdet bestimmt Spaß miteinander haben.“ Er schüttelte den Kopf. An jenem Abend hatte er geglaubt, mit einem wild gewordenen Tier im gleichen Raum zu sein. Am Anfang war Sophia genauso aufgeregt gewesen wie er selbst, doch als sie erkannte, was geschehen war, musste er sie beruhigen. Eine Stunde lang versicherte er ihr, dass es nicht wehtun würde, obwohl er in Wahrheit höllische Schmerzen litt. Danach verspürte er nicht mehr den Wunsch, eine derartige Begegnung zu wiederholen.

„Du musst endlich lernen, was es heißt, zu leben.“ Aus Foxworthys Kehle erklang ein verächtlicher Laut.

„Ha“, erwiderte Andrew. „In einem Moment gehst du wie auf Wolken, im nächsten wälzt du dich wegen deines unbeständigen Herzens wie ein Betrunkener auf dem Boden. Du glaubst, verliebt zu sein, und sagst, dass sie für immer die Deine ist, doch sobald sie in deinen Armen liegt, kannst du sie nicht mehr ertragen. Anschließend hältst du sie auf Abstand und verletzt sie. Oder sie kehrt zu ihrem Ehemann zurück und vergisst dich – in diesem Fall kannst du von nichts anderem mehr reden.“

„Das ist es alles wert.“ Fox schnaubte.

Andrew lachte abschätzig. „Wenn du das nächste Mal mitten in der Nacht vor meiner Tür stehst und dich verstecken willst, weil irgendein eifersüchtiger Mann hinter dir her ist, werde ich dich an deine Worte erinnern – und dir einen Tritt in den Hintern geben.“

Das Kinn gereckt, straffte Fox die Schultern. „Ich komme dich zu Hause besuchen, weil ich Karten mit dir spielen möchte. Wegen der Wankelmütigkeit der Frauen bin ich gelegentlich etwas melancholisch. Manchmal habe ich auch einfach Pech, aber ich muss mich nie verstecken.“

„Du willst schlafen können, ohne Angst haben zu müssen, dass jemand in dein Haus einbricht und dich erschlägt. Von deinem Vater hast du nichts gelernt.“

Fox kniff die Augen zusammen. „Und du nichts von deinem.“

Andrew ballte seine Hand zu einer Faust und sah Fox eindringlich an. Keiner von beiden bewegte sich.

„Bitte entschuldige“, sagte Fox, während er die Hände hob. „Du weißt, ich habe es nicht so gemeint.“

Andrew gelang es, sich zu beherrschen. Sein Vetter erkannte nicht die Leichtsinnigkeit seines Verhaltens. Wahrscheinlich wäre er schon vor langer Zeit umgebracht worden, wenn Andrew nicht immer wieder eingeschritten wäre.

Fox musterte Andrew. „Ich hab’s nicht so gemeint. Das weißt du. Dein Vater beging einen kleinen Fehltritt in seinem Leben. Na und?“ Er zuckte mit den Achseln. „Er war besser zu uns, als es mein Vater je gewesen ist. Ich wollte nicht schlecht von ihm reden. Um ihn habe ich mehr getrauert, als ich je um meinen Vater trauern würde.“

Andrew empfand den vertrauten Schmerz des Verlustes, der jedoch durch seine Wut überdeckt wurde. Auf seinen Vater war er nicht mehr wütend, doch mit Fox lagen die Dinge anders. Immerzu stürzte er das Leben anderer Leute ins Chaos, weil er sich allein von seinen Impulsen steuern ließ. Ununterbrochen brach Fox die Herzen von Frauen, oder ihm wurde das Herz gebrochen. Danach stand er stets vor Andrews Tür. Nach wenigen Tagen ließ die vermeintliche Trauer seines Vetters zumeist nach, und er verliebte sich in eine andere.

Fox seufzte, doch dann funkelte es in seinen Augen, und er zog die Mundwinkel hoch. „Es bedrückt mich, mi tanzusehen, wie du auf der Stelle trittst.“

Andrew blinzelte. „Ich? Du bist derjenige, der immer wieder auf die Nase fällt.“

„Da hast du wohl leider recht.“ Fox wandte ihm den Rücken zu. „Ich habe mich vielleicht falsch verhalten und einer jungen Frau unwiderruflichen Schaden zugefügt.“

„Das hast du etliche Male getan.“

„Aber dieses Mal …“ Schwer atmend ließ er die Schultern sinken. „Ich befürchte, ihr Wesen war zu zart. Zu zerbrechlich. Und ich mache mir Sorgen, dass sie sich nicht davon erholen wird.“ Fox drehte sich zu Andrew. „In einer Nachricht hat mir ihre Freundin mitgeteilt, dass sie tieftraurig ist. Ich befürchte … Ich befürchte, dass sie sich das Leben nimmt.“

„Das kann nicht dein Ernst sein.“

„Doch, voll und ganz.“

„Dann musst du ihre Familie informieren, damit sie dafür Sorge trägt, dass die Frau in ihrem Unglück nicht zu weit geht.“ Er beugte sich vor. Er würde sicherstellen, dass Fox sich nicht aus seiner Pflicht stahl.

„Ich kann nicht. Sie lebt nicht bei ihrer Familie. Sie ist ein bemitleidenswertes kleines Ding. Eine Gesellschafterin, die im Schatten ihrer Herrin lebt. Nie darf sie etwas auf eigene Faust unternehmen. Die andere Frau macht sich über sie lustig, nennt sie eine alte Jungfer. Ich dachte, ich zeige ihr etwas Mitgefühl, damit sie erkennt, wie schön sie innerlich ist. Stattdessen hat sie einen Narren an mir gefressen. Als ich ihr sagte, dass ich sie nicht liebe, glaubte ich, sie würde es verstehen. Aber es heißt, dass sie sehr niedergeschlagen ist. Ich habe Angst, sie wiederzusehen. Es wird ihren Kummer nur vergrößern.“

„Du musst dich aber vergewissern, dass sie nicht noch eine größere Dummheit begeht!“

„Wenn ich verspreche …“, Fox legte sich eine Hand aufs Herz, „… dass ich in Zukunft besser aufpasse, würdest du sie bitte besuchen, um nachzuschauen, wie es ihr geht? Und erzähl ihr einfach das Gleiche wie mir: dass ich ein ruchloser Schurke bin.“

„Ich kann doch nicht so bei einer Dame vorstellig werden. Das ist undenkbar.“

Fox nahm wieder eine entspannte Haltung an. „Bei Tilly schon. Sie ist Gesellschafterin, und ihre Herrin wird heute Abend nicht zu Hause sein. Ich kann ihr eine Nachricht schicken und sie bitten, am Dienstboteneingang auf mich zu warten.“

Andrew schüttelte den Kopf. „Ich kann die arme Frau nicht glauben lassen, dass ihr Geliebter erscheint.“

„Wenn jemand sie überzeugen kann, dass ich ihre Tränen nicht wert bin, dann du. Du hast mir so oft eine Moralpredigt gehalten, dass es dir nicht schwerfallen sollte. Hilf mir noch dieses eine Mal. Ich verspreche, ich werde mich bessern.“

Beatrice stieg aus der Kutsche und die Treppe hinauf zum Eingang des Stadthauses. Die Tür wurde von innen geöffnet, und sie trat ein – bis sie mit ihrem Kleid an irgendetwas hängen blieb und sie so zum Stehenbleiben gezwungen war. Als sie sich umdrehte, zog sie den losen seidenen Saum ihres Kleides von der Türunterkante und hörte, wie der Stoff riss.

„Das hätte ich für Sie beheben können“, sagte der Butler ihres Bruders mit einer Stimme, die von einem Geist hätte stammen können. Wenn man Arthur genauer betrachtete, haftete seiner ganzen Erscheinung etwas Gespenstisches an – mit seiner hohen Statur, seiner aufrechten Haltung und wie er immer unerwartet aus dem Schatten hervortrat.

„Ich kann nicht den ganzen Tag warten“, murmelte Beatrice.

„Ich bitte um Verzeihung. Es liegt an meinem Alter, wissen Sie. Ich bin langsam.“ Sein Gesicht verriet keinerlei Gefühlsregung. „Vergesslich. Ich kann mich nur schwer daran erinnern, wie man sich zu benehmen hat.“

„Papperlapapp“, meinte sie, bevor sie ihn musterte. „Wie alt sind Sie?“

„Einhundertdrei – in Butlerjahren.“

Das Hausmädchen erschien hinter ihnen. Sie trug Beatrices Retikül, ihr Buch und ihren Lieblingsumhang aus Wolle, den sie nur in der Kutsche trug, da er bereits etwas abgetragen, aber immer noch sehr bequem war.

„Und wie viel ist das in Menschenjahren?“, fragte Beatrice den Butler.

„Daran kann ich mich nicht erinnern.“

„Arthur …“

„Ich heiße Arturo.“

„Nein, das stimmt nicht.“

Er reckte die Nase in die Luft und redete in einem Ton weiter, der eher zu König George gepasst hätte. „Ich bin mir recht sicher, Madam. Ich war dabei.“

„Sie heißen Arthur.“ Sein Vater war einst der Butler des alten Dukes gewesen. Mit ihm hatte Arthur eine Zeit lang gemeinsam gedient, und um eine Verwechslung zu vermeiden, hatte man ihn bei seinem Taufnamen genannt.

Er räusperte sich mit geschlossenen Lippen, bevor er sprach. „Wie Lady Riverton wünscht. Allerdings könnte Lady Riverton besser auf ihre Kleidung aufpassen. Mrs. Standen beschwert sich, wenn Sie nachlässig sind und sie mehr als üblich flicken muss.“

Beatrice lächelte. „Auf die eigene Frau zu hören gehört zu den Pflichten eines Ehemannes, Arthur.“

„Arturo.“

„Arthur“, erwiderte sie gebieterisch. Kopfschüttelnd bewegte sie sich in Richtung Eingangstür und hob das Kleid mit beiden Händen an, damit der Saum nicht weiter einriss. Als sie am Fuße der Treppe anhielt und sich umdrehte, kreuzten sich Arthurs und ihre Blicke.

Sie fauchte den Butler an, so gut sie konnte. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel.

Langsam ging sie, vom Hausmädchen gefolgt, die Treppe hoch.

„Verdammt“, murmelte sie, während sie ihre beschuhten Füße begutachtete. „Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe, diese Schuhe für den Besuch bei meiner Tante zu tragen.“

Voller Schmerzen erklomm Beatrice die Stufen, erleichtert darüber, im Stadthaus ihres Bruders und nicht auf ihrem Landanwesen zu sein. „Gehen Sie in die Küche, und sagen Sie Cook, dass sie etwas Köstliches zubereiten soll“, wies sie das Hausmädchen an.

Als Beatrice ihr Gemach erreicht hatte, ging sie daran vorbei und begab sich zur Kammer ihrer Gesellschafterin. Ohne anzuklopfen, öffnete sie die Tür. „Tilly. Ich konnte nicht glauben …“ Überrascht starrte sie ihre Gefährtin an. Tilly ließ den Kamm in ihrer Hand sinken.

Sie trug die Amethyste, die Riverton Beatrice vor ihrer Hochzeit geschenkt hatte. Und – Beatrice rang nach Luft – Beatrices Kleid! Die Flügelärmel mit den Spitzenherzen hätte sie überall erkannt. Und das Oberteil. Zum Glück füllte Tilly es nicht so gut aus wie Beatrice. Das lose Oberteil hätte umgenäht und angepasst werden müssen.

Als Beatrices Cousine hatte Tilly zwar etwas Nachsicht verdient, aber nicht das Kleid.

„Liebste Base …“ Beatrice ließ ihre Stimme zuckersüß klingen. „Dass du dich unwohl fühltest und mich nicht zu deiner Mutter begleiten wolltest, habe ich verstanden. Jetzt frage ich mich, welche Art von Krankheit mit Amethysten geheilt werden kann.“ Tillys Gesicht war rot angelaufen, was Beatrice Genugtuung verschaffte. „Wie du vielleicht bemerkt hast, bin ich nicht so lange bei deiner Mutter geblieben wie geplant. Ich bin früher zurückgekommen, um zu sehen, ob es dir besser geht.“ Stirnrunzelnd ging sie einen Schritt auf Tilly zu und stellte fest, dass deren Gesichtsfarbe nicht allein auf ihr Unbehagen zurückzuführen war. Beatrice entdeckte einen Hauch von Rouge auf den Lippen ihrer Gefährtin und etwas Puder. „Kopfweh hast du anscheinend nicht mehr, Tilly?“

„Nein“, murmelte Tilly.

Beatrice blieb stehen. „Du wirst das Kleid augenblicklich waschen und es zurück in mein Gemach bringen. Du weißt ganz genau, dass es das schreckliche Kleid ist.“

Tilly ließ den Kopf sinken. „Ich weiß, dass du es nie trägst. Deshalb dachte ich …“

„Ich trage es nie, weil dieses Kleid gemacht wurde für … Ich trug es an dem Tag, als …“ Sie verschränkte die Arme.

„Aber er ist jetzt tot.“ Tillys Kinn schoss in die Höhe. „Wie ich hörte, ist er in den Armen einer anderen gestorben.“

„Also gut, Tilly.“ Beatrice machte einen Schritt vor. „Du kannst das Kleid haben. Behalt es. Ich werde dir deine Sachen nachschicken lassen. Sag den Stallburschen, dass du abfährst, sobald sie gegessen haben. Sag ihnen, dass sie dich zu meinem Haus fahren sollen, wo du unter der Haushälterin arbeiten wirst.“

„Das lehne ich ab. Ich bin den Geruch deiner Farben leid. Und ich bin es leid, nicht auf Soirees gehen zu können, und am meisten bin ich dich leid.“ Tilly fasste sich in den Nacken, um die Amethyste zu lösen, und schleuderte die Halskette Beatrice in die Hand. „Du bist wahrhaftig ein Biest.“ Sie zog an den Perlenohrringen, nahm sie ab und übergab sie ebenfalls Beatrice. „Aber danke für das Kleid. Es steht mir ohnehin besser als dir.“

Tilly holte einen Koffer aus dem Schrank und warf ein paar gefaltete Kleidungsstücke hinein. Ohne die Schranktür zu schließen, schlenderte sie zum Schminktisch. Nach und nach verstaute sie ihre Pinsel und Parfüms im Koffer. „Schick meine Sachen zum Haus meiner Mutter.“ Erhobenen Hauptes schritt sie durch die Kammer und hinterließ dabei den Duft von Beatrices importiertem Lavendelparfüm.

An der Tür blieb Tilly stehen und schaute über ihre Schulter. „Übrigens, die Nacht, als du deinem Mann die Vase an den Kopf geschmissen hast …“, ihre Stimme wurde zu einem Flüstern, „… habe ich ihn auf dem Sofa in der Bibliothek getröstet.“ Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss.

Beatrice schloss die Augen. Riverton. Der Schuft war seit über zwei Jahren tot, und doch verhöhnte er sie noch aus dem Grab.

Sie war aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen und bei ihrem Bruder untergekommen, um zu vergessen, aber es half nichts.

Liebe. Der größte Scherz auf Erden. Ehe. Ein Spinnennetz gigantischen Ausmaßes, in dem sich Herzen verfingen und zugrunde gingen.

Beatrice hielt den Schmuck in ihrer linken Hand, bevor sie zum Schrank ging und hineinsah. Ein Kleiderstapel. Sie nahm ein Paar Handschuhe auf, die sie gekauft hatte, konnte sich jedoch nicht erinnern, sie Tilly geschenkt zu haben. Sie warf sie zurück in den Schrank. Sollte Tilly sie behalten.

Beatrice durchwühlte noch mehr Dinge, die ihrer Cousine gehörten, und setzte sich anschließend auf Tillys Bett. Als sie sich in der Kammer umschaute, bemerkte sie die verblichenen Vorhänge. Die waren einst im Empfangszimmer gewesen und offenbar gekürzt worden. Die Tagesdecke auf dem Bett hatte früher ihr gehört …

Offenbar glaubte Tilly, sie habe ein Recht auf ausrangierte Sachen – sogar auf Beatrices Ehemann. Beatrice hielt die Amethyste hoch, die alles andere als abgetragen waren. Wahrscheinlich würde sie die Kette nie wieder anlegen. Sie hatte beim Juwelier gefragt, ob er sie in etwas Fröhlicheres umwandeln könnte.

Ein leises Klopfen war an der Tür zu hören.

Vermutlich war es Tilly, die sie um Verzeihung bitten wollte – oder darum, die Perlenohrringe behalten zu können.

„Herein.“

Das Hausmädchen öffnete die Tür und trat einen Schritt zurück. „Entschuldigen Sie, Lady Riverton. Ich wollte Miss Tilly darüber informieren, dass eine Nachricht eingetroffen ist.“

Beatrice umklammerte den Schmuck und streckte die freie Hand aus.

In den Augen der Bediensteten stand die Erkenntnis, dass ihr keine andere Wahl blieb, als das Schreiben auszuhändigen. Langsam übergab sie es Beatrice.

Durch ein leichtes Nicken bedankte sich Beatrice und entließ das Hausmädchen.

Als die Tür geschlossen wurde, saß sie allein mit den Amethysten, den Erinnerungen und der Nachricht da. Das Kleid mit den Spitzenärmeln hatte sie auf ihrer Hochzeitsreise getragen – und an dem Tag, als sie Riverton von der schreienden Hausangestellten weggerissen hatte. Danach hatte sie die Schere ergriffen, die zu seinem Rasierzeug gehörte, um ihn sich vom Hals zu halten.

Den Spitznamen, den man ihr gegeben hatte, brachte ihren Bruder Wilson, den Architekten, zur Weißglut. Niemand wagte es, ihn in seiner Gegenwart auszusprechen, und er bestand darauf, dass sie ihren Ruf wiederherstellen sollte. In Wahrheit war er viel eher als sie dazu in der Lage, jemanden einen Kopf kürzer zu machen.

Die Ironie dessen entging ihr nicht. Sie wurde „das Biest“ genannt, obwohl ihr Bruder derjenige war, der über ein aufbrausendes Temperament verfügte.

Er hatte sich mehr über Rivertons Indiskretionen entrüstet als sie. Da sie keinen größeren Skandal verursachen wollte, hatte sie sich nach Kräften Mühe gegeben, die glückliche Fassade aufrechtzuhalten. Vermutlich hatte ihr Bruder daran gedacht, Riverton umbringen zu lassen, doch weder Beatrice noch Wilson wollten noch mehr Aufmerksamkeit erregen. Die Geschichten über ihre Familie störten sie nicht, solange sie von Abenteuern handelten und ihre Verwandten in einem guten Licht dastanden. Nach dem Zwischenfall mit der Schere waren die Anekdoten über sie jedoch alles andere als abenteuerlich gewesen. Erinnerungen an jenen Tag kamen zurück. Ihr Mann hätte die Bedienstete beinahe erwürgt, wobei das Verbrechen des Mädchens darin bestanden hatte, ihn übersehen zu haben, als sie saubere Laken ins Gemach trug. Er hatte das Mädchen für eine Art Einbrecher gehalten.

Riverton. Möge er im Fegefeuer schmoren. Für alle Ewigkeit.

Sie öffnete das Schreiben.

Tilly,

ich habe die Ohrringe aus Amethyst beschafft, die du so gerne haben wolltest. Sie könnten morgen dir gehören, wenn du Lord Andrew davon überzeugen kannst, dass du ein kümmerliches Dasein fristest und über meine Zurückweisung tief bestürzt bist. Am wichtigsten ist, dass du ihn dazu bringst, dich zu trösten und seinen Widerwillen gegen die Freuden des Lebens aufzugeben.

Er wird um Mitternacht am Dienstboteneingang erscheinen. Wenn er bis zum Morgen bleibt und du ihn zum Lächeln bringst, erhältst du die Amethyste bis morgen Abend.

Ergebenst,

F.

2. KAPITEL

Lord Andrew?

Der Name kam Beatrice bekannt vor. Sicherlich war er zu alt, um noch Jungfrau zu sein?

Während sie an dem Brief roch, erinnerte sie sich an die prickelnde Wärme, die sie zu Beginn in Rivertons Armen verspürt hatte. Er hatte die Gabe besessen, stets die richtigen Worte zu finden, um eine Frau zu beeinflussen.

Als er meinte, dass ihre kleine Statur sie noch schöner machen würde, störte es sie nicht, Schuhe ohne Absatz zu tragen. Er machte ihr sogar Komplimente zu ihrer etwas zu langen Nase und ihrem überaus lockigen braunen Haar. Riverton hatte ihr die Unsicherheit genommen und sie in seinen Bann gezogen.

Jetzt blieb ihr nichts als die Erinnerung an Verrat und das Gefühl, getäuscht worden zu sein.

Beatrice wollte keine Verehrer haben oder gar erneut heiraten, doch sie sehnte sich danach, gehalten zu werden. Die meisten Witwen konnten frei entscheiden, wem sie ihre Gunst schenken wollten, doch aufgrund ihres traurigen Berühmtheitsgrades erhielt Beatrice nicht viele Anfragen für nächtliche Treffen. In Wahrheit hatte sie nicht auf Rivertons Männlichkeit gezielt, nachdem er die Hausangestellte losgelassen hatte, auch wenn er diese Geschichte in ganz London verbreitet hatte.

Wieder Nähe zu spüren wäre schön … Aber dass Tilly sich bezahlen ließ? Der Mann musste schrecklich aussehen.

Langsam zerknüllte sie das Papier.

Vielleicht war Tilly ebenfalls einsam. Beatrice schlang die Arme um sich. Gedämpftes Kerzenlicht konnte Wunder wirken, wenn ein Mann nicht gut aussah. Und viel Wein.

Bestimmt würde sich dieser Mann auch mit weniger zufriedengeben, als Tilly ihm bieten würde. Mit einer Jungfrau konnte man kuscheln, und er würde dennoch in dem Glauben gehen, ein wunderbares Geschenk erhalten zu haben. Vielleicht könnte sie ihn auch mit ihren Zähnen am Hals liebkosen; das hatte Riverton immer in Verzückung versetzt.

Sie stellte sich vor Tillys Spiegel und steckte ihr Haar zu einem strengen Knoten. Perfekt für meine Kostümierung als Hausmädchen.

Aber wenn Tilly ihre Kleider und ihr Parfüm tragen konnte, dann konnte sie vielleicht auch eine Bedienstetenhaube mit Bändern unter dem Kinn tragen und Tillys Kammer für sich beanspruchen. Außerdem bewahrte die Haushälterin, Mrs. Standen, ein paar Gewänder und eine Brille für Flickarbeiten auf.

Sie hoffte, dass Mrs. Standen nichts dagegen haben würde, wenn sie etwas von ihrem Parfüm benutzte. Beatrice hätte darauf schwören können, dass die ältere Frau eine Mischung aus Vanille und Zimt auftrug, da sie stets wie eine ganze Konditorei roch. Der perfekte Duft, um einen Mann zu betören, der noch immer unschuldig war. Sie würde ein bisschen Abwechslung in ihre trostlose Lage bringen und dem armen alten Mann eine Erinnerung mit auf den Weg geben, die er mit ins Grab nehmen konnte.

Er würde nie erfahren, dass sie Lady Riverton war – oder, wenn es nach den Skandalblättern ging, „Beatrice, das Biest“.

Andrew ignorierte den Blick auf die Stadthäuser von seinem Kutschenfenster aus und dachte wieder an Fox’ Worte. Dies war nur ein weiteres Beispiel dafür, wie unkontrollierte Gefühle das Leben eines Menschen zerstören konnten. Jene Frau hatte ihrem Herzen die Führung überlassen, und nun stand ihr Herz kurz davor, ihr Leben zunichtezumachen.

Es war nicht das erste Mal, dass er eine Frau wegen eines Mannes trösten musste. Fox wusste das. Vor Jahren hatte Andrew es ihm anvertraut.

Aber das war die Vergangenheit. Das Leben musste weitergehen.

Mit seiner äußeren Erscheinung hatte er sich große Mühe gegeben, denn er wusste, wie wichtig es war, Sicherheit und Autorität auszustrahlen. Das weiße Halstuch war tadellos gebunden. Der schwarze Frackrock betonte Andrews schlanke Figur und passte ihm wie angegossen. Sein Kinn brannte von der Nassrasur und der sorgfältig aufgetragenen Rasierseife, die ihn an den sanften Geruch von frisch gesägtem Holz erinnerte. Er atmete tief ein, als die Kutsche hielt.

Er befand sich am Haus des Architekten, den er einst eingestellt hatte, um Pläne für Renovierungen anzufertigen. Ein Rohling, der ihm eigentlich zu ermüdend gewesen wäre, wenn er Nash nicht übertroffen hätte. Nur weil der Mann den Ruf genoss, Leuten an die Gurgel zu springen, die nicht mit seinem Streben nach Perfektion übereinstimmten, war er noch nicht zum begehrtesten Architekten Englands aufgestiegen.

Er sah den Fahrer an. „Sind Sie sicher, dass Fox Ihnen diese Adresse genannt hat?“

Der Mann nickte. „Ja. Foxworthy sagte mir, ich solle Sie zum Eingang der Dienerschaft bringen.“

Andrew stieg aus und hoffte, dass er diese Frau noch nie getroffen hatte und nie wiedersehen würde.

Er ging die Treppe hinunter, die zum Dienstboteneingang führte. Kaum hatte er geklopft, wurde ein Riegel zurückgeschoben.

Verdammt. War das etwa Fox’ Geliebte?

Sie trug eine Brille und eine kleine Haube und erinnerte ihn so an seine Großmutter. Ihr Haar quoll unter der Haube hervor und umrahmte ihr Gesicht. Und erst ihr Kleid mit langen Ärmeln mit losen Fetzen und absonderlichen Kräuseln am Hals!

„Tilly?“, fragte er.

Sie hielt eine Kerze hoch. Noch nie hatte ihn jemand so eindringlich gemustert. „Herein. Folgen Sie mir.“

Vorsichtig eilte er ihr hinterher.

Sie öffnete die Tür zu einer beengten Kammer mit einem kleinen Bett. In der Ecke stand ein großer Schrank. Ein eher unscheinbares Gemach, obwohl das schwer zu sagen war, da nur eine Kerze in weiter Entfernung vom Bett brannte.

Sie zündete eine Lampe an und stellte sie neben die Kerze. Dann zog sie den Stuhl näher an das Bett und bedeutete ihm, sich darauf zu setzen. Sie selbst nahm auf dem Bett Platz.

Das war nicht die von Kummer überwältigte Frau, die er erwartet hatte. Er setzte sich. „Anscheinend kommen Sie ganz gut über meinen Vetter hinweg.“

„Ihren Vetter?“ Sie verzog den Mund zu einer dünnen Linie. „Ja, gestern war ich schon traurig“, sagte sie. „Aber heute Morgen bin ich mit frischen Lebensgeistern aufgewacht.“

Er stand auf. „Das freut mich zu hören. Ich muss dann auch wieder los …“

Sie erhob sich ebenfalls und ergriff seine Hand.

„Ich bin so verzweifelt.“ Sie ließ die Schultern sinken. „Untröstlich.“

Als er sie anstarrte, lächelte sie. „Wenn Sie das überzeugt, etwas länger zu bleiben“, fügte sie hinzu. „Als ich Sie im Türeingang stehen sah, bin ich vollkommen genesen.“

Er betrachtete sie. „Also waren Sie nicht betrübt über den Verlust von Fox.“

„Fox? Lord Foxworthy?“ Sie beugte sich vor. „Um ehrlich zu sein, habe ich nur einmal mit ihm getanzt. Er ist etwas zu sehr von sich eingenommen, wenn Sie mich fragen. Er trägt indigofarbene Westen, damit seine Augen blauer erscheinen. Außerdem blinzelt er allzu häufig, wenn er redet.“

„Seine Mutter kauft ihm diese Westen, die er nur trägt, um ihr einen Gefallen zu tun. Trotz des ganzen Unsinns, den er von sich gibt, ist er kein schlechter Mensch. Auch wenn ihm wegen seiner Augen zu viele Komplimente gemacht wurden.“

„Ich persönlich …“, sie lächelte versonnen, „… mag schöne tiefbraune Augen.“ Sie musterte ihn. „Auch wenn es in diesem Licht schwer zu sagen ist.“ Sie lächelte. „Übrigens: Die Ohrringe. Fox kann sie behalten. Ein Treffen mit Ihnen ist schon Belohnung genug.“

Er nahm einen tiefen Atemzug. Plötzlich war alles klar. Fox würde sich nach Andrews Rückkehr einen Bestattungsanzug auswählen dürfen!

Im schwach beleuchteten Zimmer schimmerten ihre Zähne. „Ich dachte, Sie seien eher … na ja, unansehnlich. Etwas älter.“

„Apropos Alter …“ Er trat in die Mitte des Zimmers. „Wie alt sind Sie?“

„Gerade sechsundzwanzig.“

„Sie scherzen.“

Sie nahm die Brille ab.

Ohne die Brille erkannte er jetzt, dass sie jünger war, als er angenommen hatte.

„Wie alt sind Sie?“

„Achtundzwanzig.“

„Perfekt.“ Sie berührte mit der Hand ihr Gesicht. Er konnte nicht umhin, einen dunkelroten Fleck auf ihrem Handknöchel zu bemerken. Die Dame hatte sich doch nicht wegen Fox etwas angetan? Er konnte den Blick nicht abwenden. „Was ist das?“

Sie hob die Hand und schaute auf den Handrücken. „Zinnoberrot“, erwiderte sie achselzuckend. „Ich habe heute Morgen gemalt.“

„Sie haben unglaublich breite Schultern … Genau nach meinem Geschmack.“

Er unterdrückte ein Lächeln. „Danke.“

Während sie ihre Hand auf seine Brust legte, fügte sie hinzu: „Keineswegs hätte ich mit einem so attraktiven Mann gerechnet.“

„Sie werden die Ohrringe bekommen, und zwar von mir. Als Zeichen meiner Freundschaft.“

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen. Ihre Lippen berührten fast sein Ohr. „Ich werde das Geschenk aufbewahren wie einen Schatz.“ Mit den Händen strich sie sanft über seine Arme und schließlich über seine Brust. „Lord Andrew, ich hätte mir mehr Zeit genommen, wenn ich gewusst hätte, dass ich einem Mann wie Ihnen begegne.“

Leicht schmiegte sie sich an ihn. Sie roch … nicht nach einem aufdringlichen Duft, der zügellose Freuden versprach, sondern nach Heim und Herd. Nach frisch gebackenem Kuchen.

„Ich sollte gehen“, sagte er, während er sie noch immer festhielt.

„Ja, das sollten Sie, aber noch nicht jetzt. Lassen Sie mich diesen Moment auskosten. Es ist sehr lange her, dass …“, sie umschlang seine Taille. „Noch nie …“

„Noch nie?“

„Nun, noch nie war es wie bei Ihnen.“

Warme Wellen schossen durch seinen Körper. Doch er musste gehen. Als er sich aus der Umarmung zu lösen begann, stolperte sie. Er fing sie auf.

Autor

Liz Tyner
Mehr erfahren