Die Eiskönigin und der Milliardär

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Ein sexy Playboy wie Milliardär Jeremy Barker löst bei Alice nur frostige Abwehr aus. Er hält sie für eine Eiskönigin? Umso besser! Sie will ja mit ihm zusammen arbeiten und nicht ins Bett. Doch je näher der charmante Verführer ihr kommt, desto brüchiger wird ihre eisige Fassade …


  • Erscheinungstag 09.11.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783751504386
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Ich müsste eigentlich besser drauf sein, dachte Jeremy, während er sich in seinem Schreibtischstuhl zurücklehnte und die Füße auf die Tischplatte mit eingelassener Lederschreibfläche legte. Dabei ist mein Leben doch nahezu perfekt. Ich bin kerngesund, stinkreich und – dem Himmel sei Dank – Single. Außerdem sind meine Tage als Chef-Anlageberater in der Londoner Filiale der Barker-Whittle-Bank vorbei. Wie unglaublich befreiend!

Für seinen hyperehrgeizigen Vater zu arbeiten hatte Jeremy nicht gerade Spaß gemacht. Er war zwar verdammt gut in seinem Job gewesen, doch trotz der Anerkennung und großzügigen Boni der letzten Jahre zog er es vor, sein eigener Herr zu sein. Daher hatte er einen Teil seines kürzlich gemachten Vermögens dazu genutzt, einen strauchelnden Verlag zu übernehmen und in ein florierendes Unternehmen zu verwandeln. Ganz schön schräg, wenn man bedachte, dass es eigentlich nur ein Zufallskauf gewesen war.

Ursprünglich hatte Jeremy sich als Bauträger selbstständig machen wollen und als Erstes ein Haus in einer der besten Wohngegenden Mayfairs erstanden. Doch der Verlag, der sich in das Gebäude eingemietet hatte, hatte darauf bestanden, zu bleiben, bis der Mietvertrag auslief. Also hatte Jeremy beschlossen, der Verlagsleitung ein Angebot zu unterbreiten, das sie nicht ablehnen konnte, und den Verlag in einem anderen Gebäude unterzubringen, um das Haus in Mayfair sanieren zu lassen und in drei Luxuswohnungen aufzuteilen.

Doch es war alles ganz anders gekommen. Die Leute bei Mayfair Books waren ihm rasch ans Herz gewachsen, und auch das alte, holzvertäfelte und mit Antiquitäten eingerichtete Haus hatte ihm so gefallen, wie es war – etwas schäbig zwar, aber mit sehr viel Charme und Charakter.

Gespräche mit den Angestellten und ein Blick in die Buchhaltung hatten jedoch rasch offenbart, dass der Verlag dringend eine Verjüngungskur brauchte. Jeremy, der bis dato keine Ahnung von der Branche gehabt hatte, war es dank seiner Intelligenz und seiner guten Beziehungen – darunter zur Marketingabteilung eines renommierten Londoner Verlags – gelungen, das Unternehmen finanziell zu sanieren.

Jetzt, ein Jahr später, war er Chef von Barker Books, dessen Namen er geändert und in ein florierendes Verlagshaus verwandelt hatte. Im letzten Quartal hatten sie sogar Gewinne erzielt. Jeremy ging seitdem jeden Morgen glücklich zur Arbeit, ganz anders als während seiner Zeit in der Bank.

Sein Job konnte also nicht daran schuld sein, dass er so unzufrieden war.

Genauso wenig sein Liebesleben, denn das lief wie immer prima, obwohl sein Fokus seit der Verlagsübernahme mehr auf seiner Arbeit als auf den Frauen lag.

Trotzdem kam er sexuell nicht zu kurz. Es fiel ihm nie schwer, willige Frauen zu finden, die ihn zu den zahlreichen gesellschaftlichen Anlässen begleiteten, zu denen er regelmäßig eingeladen wurde. Ein Mann seiner gesellschaftlichen Stellung und mit seinem Geld war überall ein gern gesehener Gast.

In der Regel verbrachte er anschließend die Nacht mit seiner jeweiligen Begleitung, wobei er vorab immer klarstellte, dass nichts Dauerhaftes daraus entstehen würde. Er hielt nichts von der Liebe oder womöglich – Gott bewahre! – der Ehe! Gott sei Dank akzeptierten die meisten Frauen das anstandslos, denn gebrochene Herzen waren auch nicht gerade Jeremys Ding.

Da ihm also auf Anhieb kein Grund für seine derzeitige Unzufriedenheit einfiel, würde er wohl einmal gründlich über sich selbst und sein Leben nachdenken müssen – etwas, das er sonst um jeden Preis vermied.

Er hielt nicht viel von Selbstanalyse oder Psychotherapien. Seinen Brüdern zumindest hatte das nicht weitergeholfen. Außerdem wusste Jeremy auch ohne Seelenklempner, warum er so war, wie er war. Seine negative Einstellung zur Ehe war eindeutig auf die ständigen Scheidungen und neuen Hochzeiten seiner Eltern zurückzuführen. Und darauf, dass sie ihn mit acht in ein Internat gesteckt hatten, wo man ihn gnadenlos terrorisiert hatte.

An jene Jahre dachte er so ungern zurück, dass er die Erinnerungen lieber verdrängte und sich stattdessen glücklichere Zeiten ins Gedächtnis rief – seine Jahre an der Londoner Universität zum Beispiel. Dort hatte man ihn endlich intellektuell gefordert. Seine guten Noten hatten seine Großmutter mütterlicherseits wiederum so erfreut, dass sie ihn zu ihrem Erben eingesetzt hatte – unter der Voraussetzung, dass er in Oxford weiterstudierte.

Das hatte Jeremy getan, und sein großzügiges Privateinkommen – Gran war kurz nach seiner Immatrikulation gestorben – hatte ihm jenen luxuriösen Lebensstil ermöglicht, an den er sich rasch gewöhnt hatte. Für die Uni hatte er gerade genug getan, um sein Examen zu bestehen, aber ansonsten hatte er nur ein Ziel verfolgt: Spaß zu haben. Er hatte so viel gezecht, dass das auch ins Auge hätte gehen können, wenn seine beiden neuen Freunde nicht etwas vernünftiger gewesen wären als er.

Beim Gedanken an Sergio und Alex ließ Jeremy den Blick zu dem Foto von ihnen dreien auf seinem Schreibtisch wandern. Alex’ Frau Harriet hatte es bei Sergios Hochzeit mit seiner früheren Stiefschwester gemacht, bei der Alex und Jeremy Trauzeugen gewesen waren. Jeremy glaubte inzwischen zwar nicht mehr, dass Bella so geldgierig wie ihre Mutter war, konnte sich jedoch trotzdem nicht vorstellen, dass die Ehe halten würde. Liebe verging früher oder später, das war nun einmal so.

Schade, dass er seine besten Freunde kaum noch zu Gesicht bekam. Das letzte Mal hatten sie sich bei Alex’ Hochzeit mit Harriet in Australien gesehen. Er vermisste die Zeiten, als sie alle noch in London gewohnt und einander regelmäßig getroffen hatten – als sie noch Junggesellen und keine Milliardäre gewesen waren.

Und noch nicht fünfunddreißig. Dieses Alter hatte ihr Auseinandergehen besiegelt – das und der Verkauf ihres WOW-Weinbar-Franchise-Unternehmens an eine amerikanische Firma. Damit hatte sich alles verändert. Der Junggesellenclub, den sie in Oxford gegründet hatten, war hinfällig geworden und damit womöglich auch ihre Freundschaft.

Seufzend nahm Jeremy die Füße vom Schreibtisch. Er beugte sich vor, griff nach dem Foto und betrachtete stirnrunzelnd die drei lächelnden Gesichter.

Jeremy beneidete seine Freunde nicht um ihre Ehen, aber er fand die Vorstellung deprimierend, dass er sie von jetzt an kaum noch sehen würde. Sie würden sich um ihre Ehefrauen und ihre Kinder kümmern und nicht um ihn. Eines Tages würden sie sich kaum noch an ihn erinnern oder höchstens mit einem Gefühl vager Zuneigung, wenn sie sein Foto zufällig in einem alten Album entdeckten.

„Wer ist dieser Mann, Dad?“, könnte Alex’ Sohn irgendwann fragen, da Harriet demnächst einen Jungen erwartete.

„Ach, das ist Jeremy, ein alter Freund von früher. Wir haben zusammen in Oxford studiert. Er war Trauzeuge auf unserer Hochzeit. Großer Gott, ich habe ihn schon ewig nicht gesehen.“

Frustriert knallte Jeremy das Foto mit der Vorderseite nach unten auf den Schreibtisch und griff nach seinem Handy. „Verdammt, so weit werde ich es gar nicht erst kommen lassen“, grummelte er, während er Alex’ Nummer wählte.

Als ihm einfiel, dass es in Australien mitten in der Nacht war, legte er auf und beschloss, stattdessen eine Mail zu schicken und sich als Taufpate anzubieten, wenn es so weit war. Nachdem er das erledigt hatte, richtete er das Foto wieder auf, stellte es an seinen Ehrenplatz zurück und setzte sich hin, um die aktuellen Verkaufszahlen zu überprüfen. Er war noch nicht weit gekommen, als jemand energisch an seine Tür klopfte.

„Kommen Sie rein, Madge“, sagte er.

Madge betrat sein Büro genauso flott, wie sie alles machte. Sie war Mitte fünfzig, schmal und unscheinbar. Jeremy hatte sie kurz nach der Übernahme des Verlags eingestellt, da die Sekretärin des Vorbesitzers gekündigt hatte. Madges pragmatische Art und ihre Erfahrungen im Verlagswesen hatten ihn tief beeindruckt. Er mochte sie sehr – eine Zuneigung, die auf Gegenseitigkeit zu beruhen schien.

„Wir haben ein Problem“, kam sie ohne Umschweife zur Sache.

„Und das wäre?“

„Kenneth Jacobs kann bei der Wohltätigkeitsversteigerung heute nicht Auktionator sein, weil er total heiser ist. Ich konnte ihn am Telefon kaum verstehen.“

„Okay“, sagte Jeremy, obwohl er nur Bahnhof verstand. Er wusste nur, wer Kenneth Jacobs war. Kein Wunder, er war der einzige Bestsellerautor des Verlags, dessen blutrünstige Thriller eine riesige Fangemeinde hatten, obwohl er nie gut vermarktet worden war. Trotzdem war Kenneth dem Verlag immer treu geblieben. Als verknöcherter alter Junggeselle war er etwas nachlässig, wenn es ums Geschäft ging. Jeremy hatte Kenneths frühere Bücher inzwischen unter neuem Cover als eBooks veröffentlicht.

„Was für eine Wohltätigkeitsauktion?“

Ungeduldig verdrehte Madge die Augen. „Oje! Gut, dass Sie mich haben. Ihr Kurzzeitgedächtnis ist wirklich miserabel.“

„Dafür habe ich ein fotografisches Gedächtnis“, protestierte Jeremy.

„Wenn das so ist, werde ich in Zukunft alles für Sie abfotografieren, anstatt es Ihnen mitzuteilen“, konterte Madge.

Jeremy mochte Madges trockenen Humor, auch wenn er ihn manchmal nervte. „Machen Sie das, Madge. Doch bis dahin seien Sie so gut und erklären mir noch mal, worum es sich bei dieser Auktion handelt. Und inwiefern ich das Problem mit Kenneth beheben soll.“ Inzwischen ahnte er bereits, worum es ging. Er war schließlich nicht auf den Kopf gefallen.

Madge stieß einen ungeduldigen Seufzer aus. „Ich hätte gedacht, das Wort Wohltätigkeitsauktion sei selbsterklärend, aber darum geht es hier nicht. Nach der letzten Wohltätigkeitsveranstaltung haben Sie gesagt, dass ich keine Einladungen mehr für Sie annehmen soll, weil Sie sich lieber die Pulsadern aufschlitzen, als schlecht zu essen und sich unerträglich langweilige Reden anzuhören. Dass Sie bereitwillig jede Summe spenden, sich aber nicht freiwillig Folterqualen aussetzen lassen würden, seitdem Sie nicht mehr für Ihren Vater arbeiten. Sie haben gesagt …“

„Ja, ja“, unterbrach Jeremy sie ungeduldig. „Ich weiß, was Sie sagen wollen. Aber die letzte Wohltätigkeitsveranstaltung war ein Dinner, nicht etwas so Interessantes wie eine Auktion. Beschränken Sie sich doch bitte auf die Fakten, anstatt mir irgendwelche Vorträge zu halten.“

Madge wirkte für einen Moment ganz betreten. „Okay. Also, die Auktion findet im Ballsaal des Chelsea Hotels statt, um Geld für zwei Frauenhäuser in der Innenstadt zu sammeln. Vor der Auktion wird es ein Dinner mit erstklassigem Essen geben. Schon allein dabei müsste eine Menge Geld zusammenkommen, da jeder Sitzplatz ein kleines Vermögen kostet. Ich nehme an, die gesamte High Society wird zugegen sein.

Kenneth sollte eigentlich die Auktion übernehmen und dabei auch das Privileg versteigern, namentlich als Charakter in seinem nächsten Buch erwähnt zu werden. Andere Autoren haben so was schon gemacht, aber Kenneth noch nie. Der arme Kerl ist völlig fertig und fühlt sich schuldig, weil er Alice im Stich lassen muss. Sie ist diejenige, die alles organisiert hat. Wie dem auch sei, ich habe ihm gesagt, dass Sie für ihn einspringen.“

„Ach, ist das so?“, fragte Jeremy und zog gespielt missbilligend eine Augenbraue hoch.

Madge wirkte für einen Augenblick ganz verunsichert, doch dann musste sie lächeln. „Sie nehmen mich mal wieder auf den Arm, oder?“

Jeremy grinste nur.

Madge war erleichtert. Sie mochte Jeremy sehr. Was Frauen anging, war er vielleicht etwas zügellos – zumindest hatte sie so etwas gehört –, aber er war ein guter Mensch und ein noch besserer Chef. Er war intelligent, besonnen und überraschend empfindsam. Sie zweifelte nicht daran, dass er sich eines Tages in die richtige Frau verlieben und sie heiraten würde. „Sie können einen manchmal ganz schön verunsichern. Soll ich denn jetzt Alice anrufen und ihr sagen, dass Sie den Job übernehmen? Oder wollen Sie das lieber selbst machen?“

„Was schlagen Sie vor, Madge?“

Auch das gefiel Madge an ihrem Chef. Dass er sie nach ihrer Meinung fragte – und manchmal sogar auf sie hörte. „Ich finde, Sie sollten sie selbst anrufen, damit sie beruhigt ist. Sie wirkte ganz schön gestresst. Ich habe den Eindruck, dass sie den Job noch nicht lange macht.“

„Okay.“ Jeremy nickte. „Geben Sie mir ihre Nummer.“

Madge hatte die Nummer schon parat.

„Sie sind ganz schön durchtrieben“, sagte er, als sie ihm den Zettel hinhielt.

„Und Sie sind sehr hilfsbereit“, erwiderte sie lächelnd, bevor sie ihn allein ließ.

Grinsend tippte Jeremy Alice’ Nummer in sein Handy ein.

„Alice Waterhouse?“, meldete sie sich geschäftsmäßig. Ihr gestochen scharfes Englisch ließ auf eine jener privaten Mädchenschulen schließen, deren Absolventinnen unweigerlich in PR-Jobs oder bei Wohltätigkeitsorganisationen landeten, bevor sie jemanden aus ihrer Gesellschaftsschicht heirateten.

Jeremy stand nicht auf Frauen aus guten Kreisen, was bei seiner Herkunft natürlich reine Heuchelei war. Früher war er nicht so wählerisch gewesen. Wenn ein Mädchen hübsch und scharf auf ihn gewesen war, war ihr Charakter ihm genauso egal gewesen wie ihre Herkunft, doch inzwischen fand er Mädchen aus guten Familien unglaublich langweilig, sowohl im Bett als auch sonst. Ihm missfielen ihre Anspruchshaltung und ihr Bedürfnis, ständig Komplimente zu bekommen und unterhalten zu werden.

Vielleicht zogen Gegensätze sich wirklich an, denn Frauen, die für ihren Lebensunterhalt arbeiten mussten und nicht auf Daddys Geld zurückgreifen konnten, fand er sehr anziehend.

Alice Waterhouse mit dem feinen Akzent war bestimmt auch nur so eine kleine Prinzessin.

„Jeremy Barker-Whittle“, sagte er, wobei ihm die Wirkung seiner tiefen vollen und, ja, beeindruckenden Stimme durchaus bewusst war. Alex und Sergio sagten immer, er könne als Radiomoderator ein Vermögen verdienen. Menschen, die ihn nur vom Telefon kannten, waren oft überrascht, wenn sie ihn das erste Mal sahen. Meistens hatten sie mit jemandem gerechnet, der älter und kräftiger gebaut war, so wie ein Opernsänger zum Beispiel.

Tja, irren war menschlich.

Jeremy fragte sich, ob er vielleicht auch ein falsches Bild von Alice Waterhouse hatte, kam jedoch zu dem Schluss, dass das mit Sicherheit nicht der Fall war. „Ich bin Kenneth Jacobs’ Verleger“, erklärte er. „So wie es aussieht, springe ich wohl heute Abend als Auktionator ein.“

„Ach, das ist ja toll!“ Alice Waterhouses Freude und Erleichterung waren deutlich hörbar. „Madge hat schon gesagt, dass Sie das vielleicht machen. Ich wäre sonst völlig aufgeschmissen. Vielen Dank!“

Wider besseres Wissen verspürte Jeremy plötzlich so etwas wie Zuneigung. „Gern geschehen.“ Er hatte schon immer gern den Alleinunterhalter gespielt. Daher würde es ihm bestimmt Spaß machen, eine Auktion zu leiten.

„Sie können gern jemanden mitbringen“, bot Alice ihm an. „Ich habe für Mr. Jacobs zwei Plätze am Haupttisch reserviert, aber da er niemanden hatte, hätte ich neben ihm gesessen.“

„Ich bringe auch niemanden mit“, erklärte Jeremy. Er hätte zwar Ellen mitnehmen können, eine Anwältin, mit der er ab und zu etwas unternahm und deren Gesellschaft er genoss, doch sie war gerade beruflich in Washington. „Wie Kenneth bin ich ein verknöcherter alter Junggeselle“, fügte er hinzu. „Also würde ich mich über die Ehre freuen, heute Abend neben Ihnen zu sitzen.“

„Diese Freude wäre ganz meinerseits.“

„Ich nehme an, ich muss einen Smoking tragen?“

„Ja. Ist das ein Problem für Sie?“

Jeremy lächelte selbstgefällig. „Nein, ganz und gar nicht.“ Wenn man sich bei ihm auf etwas verlassen konnte, dann auf sein Stilempfinden. Er war sehr modebewusst und stets stolz auf seine makellose Erscheinung. In seiner Garderobe war alles vertreten, von lässig bis formell. Er beschloss, für den heutigen Anlass den Smoking zu tragen, den er sich für Sergios Hochzeit in Mailand hatte schneidern lassen.

Als Alice wieder ansetzte, sich bei ihm zu bedanken, unterbrach er sie mit der Frage, wann und wo sie sich heute Abend treffen würden. Nachdem er die nötigen Infos hatte, verabschiedete er sich, legte auf und rief nach Madge.

Sofort steckte sie den Kopf zur Tür herein. „Alles geklärt?“

„Ja. Nur eine Frage noch: Sind Sie dieser Alice schon mal begegnet?“

„Nein, ich habe nur mit ihr telefoniert.“

„Für welche PR-Firma arbeitet sie?“

Verdutzt sah Madge ihn an. „Für gar keine. Ich meine … habe ich Ihnen das denn nicht gesagt? Sie arbeitet für zwei Frauenhäuser.“

„Nein, Madge, das haben Sie nicht erwähnt.“

„Sorry, ich bin heute anscheinend etwas durch den Wind. Wie dem auch sei, Alice hat erzählt, dass ihre Organisation sich das Honorar eines professionellen Spendensammlers nicht leisten kann und sie daher alles allein macht. Kein leichter Job, muss ich sagen.“

„Nein“, pflichtete Jeremy ihr bei.

Anscheinend hatte er sich doch in dieser Alice getäuscht. Klar konnte es vorkommen, dass die Töchter reicher Männer ein soziales Bewusstsein hatten und sich für die einsetzten, die weniger Glück hatten als sie, doch seiner Erfahrung nach war das eher unwahrscheinlich. Alice Waterhouse war faszinierend … und sie beeindruckte ihn tief. Er nahm sich vor, alles dafür zu tun, dass die Auktion ein Erfolg wurde. Und er freute sich schon sehr darauf, mehr über diese rätselhafte und faszinierende Frau herauszufinden.

2. KAPITEL

„Danke für die Leihgabe“, sagte Alice zu ihrer Mitbewohnerin Fiona und betrachtete sich im Spiegel. „Das ist ein tolles Cocktailkleid.“ Es war schwarz, hauteng und trägerlos. Ein dazu passender Mantel würde sie vor der kalten Abendluft schützen, bis sie das Hotel betrat, denn obwohl es bald Sommer war, war es draußen noch empfindlich kühl.

„Gern geschehen“, antwortete ihre Mitbewohnerin.

Diese Worte erinnerten Alice an ihr vorangegangenes Telefonat mit Kenneth Jacobs’ Verleger. Was für ein sympathischer Mann, und was für eine tolle Stimme. Als Auktionator eignete er sich viel besser als Mr. Jacobs.

„Ich wünschte, ich könnte heute zu deiner Veranstaltung mitkommen anstatt mit Alistairs Eltern essen zu gehen“, fügte Fiona hinzu. „Aber seine Mutter hat heute Geburtstag, und es wäre bestimmt keine gute Idee, es mir mit meiner künftigen Schwiegermutter zu verscherzen.“ Resigniert zuckte sie die Achseln.

„Wahrscheinlich nicht“, stimmte Alice zu, froh, sich über solche Dinge keine Gedanken machen zu müssen. Sie würde nämlich niemals heiraten.

„Du siehst wirklich toll aus.“ Fiona lächelte. „Ich wünschte, ich hätte deine Figur. Und deine Größe. Und dein Haar.“

Alice wunderte sich über die Komplimente. Ihr schönes blondes Haar gefiel ihr auch gut, aber ihre Figur war nichts Besonderes. Wirklich groß war sie auch nicht, höchstens im Vergleich zu Fiona, die trotzdem wahnsinnig attraktiv war. Sie hatte volles dunkles Haar, große braune Augen und einen üppigen Körper, der die Blicke sämtlicher Männer auf sich zog. Nicht, dass Alice sie darum beneidete. Aufmerksamkeit auf sich zu lenken war das Letzte, das sie wollte.

„Das Kleid steht dir viel besser als mir“, fuhr Fiona fort. „Wenn ich es getragen habe, quollen mir immer fast die Brüste aus dem Dekolletee. Die Männer haben mich die ganze Zeit angestarrt. Alistair hat mir verboten, es je wieder anzuziehen, also gehört es dir, wenn du willst, Süße.“

Alice mochte es nicht, wenn Fiona sie „Süße“ nannte, so als sei sie viel jünger als ihre gleichaltrige Mitbewohnerin. Sie war auch nicht mehr das Mädchen, das bei seiner Ankunft in London völlig mittellos vor Fionas Tür gestanden hatte. Sie hatten dasselbe Internat besucht, aber nicht in denselben Kreisen verkehrt. Alice hatte Fionas Adresse nur deshalb gewusst, weil Fiona nach ihrem achtzehnten Geburtstag überall herumerzählt hatte, dass ihr reicher Vater ihr eine Wohnung in Kensington geschenkt hatte.

Es war Fiona hoch anzurechnen, dass sie Alice bei sich aufgenommen und sie mietfrei hatte wohnen lassen, bis Alice selbst Geld verdiente. Als Alice ein paar Wochen später hatte ausziehen wollen, hatte Fiona sie gebeten zu bleiben, weil sie ihre Gesellschaft genoss. In den sieben Jahren ihres Zusammenwohnens waren sie einander ziemlich nahegekommen. Fiona wusste, warum Alice nichts von Männern hielt, hatte jedoch noch nicht die Hoffnung aufgegeben, dass Alice eines Tages einem Mann begegnen würde, dem sie trauen und den sie lieben konnte.

„Habe ich dir schon erzählt, dass Kenneth Jacobs in letzter Sekunde als Auktionator abgesagt hat?“, fragte Alice, während Fiona sie mit Parfum einsprühte. „Er ist total heiser.“

„Oh nein!“, rief Fiona. „Wie hast du reagiert?“

„Zuerst hatte ich Panik.“

Fiona lachte. „Du und Panik? Niemals! Du hast bestimmt sofort eine Lösung gefunden.“

Fionas blindes Vertrauen in ihr, Alice’, Organisationstalent amüsierte sie immer wieder, aber neben Fiona würde sie vermutlich ruhig und gelassen wirken.

„Ich hatte großes Glück. Kenneth hat mir die Telefonnummer einer netten Dame bei Barker Books gegeben, und ehe ich wusste, wie mir geschah, hat mich der Besitzer des Verlags zurückgerufen und mir angeboten, für Mr. Jacobs einzuspringen.“

„Wow, das war echt Glück.“

„Es kommt noch besser. Dieser Typ hat nämlich eine ganz tolle Stimme und wird bestimmt ein großartiger Auktionator. Schluss mit dem Parfum, Fiona, ich muss mich fertig machen. Das Taxi wird jeden Moment hier sein. Ich treffe mich um sieben mit Mr. Barker-Whittle im Hotel.“

„Was?“

„Ich treffe mich mit …“

„Ich weiß, was du gesagt hast“, fiel Fiona ihr ungeduldig ins Wort. „Aber ich hoffe doch, wir reden hier nicht von Jeremy Barker-Whittle?“

Autor

Miranda Lee
Miranda Lee und ihre drei älteren Geschwister wuchsen in Port Macquarie auf, einem beliebten Badeort in New South Wales, Australien. Ihr Vater war Dorfschullehrer und ihre Mutter eine sehr talentierte Schneiderin. Als Miranda zehn war, zog die Familie nach Gosford, in die Nähe von Sydney.

Miranda ging auf eine Klosterschule. Später...
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