Die Lizenz zum Lieben

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Die Frau mit dem strahlenden Lächeln - ist sie die Komplizin eines gesuchten Verbrechers? Um die Wahrheit herauszufinden, folgt Nick der schönen Kim von einem Luxusliner bis in ihr Heimatdorf. Tag und Nacht beschattet der Agent die beliebte Lehrerin - und verliert dabei sein Herz. Er kann nicht glauben, dass Kim schuldig ist. Alles, was er will, ist, ihr nahe zu sein. Doch neben seinem harten Job bleibt in seinem Leben kein Platz für Gefühle. Nick muss eigentlich einen kühlen Kopf bewahren. Doch was sind schon Verbote gegen den Zauber dieser Frau?


  • Erscheinungstag 18.08.2012
  • Bandnummer 1851
  • ISBN / Artikelnummer 9783864946240
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Strahlend kam Kim Cassidy aus ihrem Flieger und fiel dem hochgewachsenen Uniformierten am Flughafen von Atlanta um den Hals. Der blonde Hüne von Polizist, der sie direkt am Gate erwartete, war ihr geliebter großer Bruder Jackson.

„Willst du, dass ich noch mehr graue Haare bekomme?“, fragte Jackson und drückte Kim sekundenlang fest an sich.

Kim erwiderte wortlos seine Umarmung. Dann lehnte sie sich zurück und lächelte ihn an. „Hast du wieder demonstrativ mit deiner Dienstmarke gewinkt?“

„Na, und wenn schon?“, entgegnete Jackson ohne Reue.

Drei Schritte hinter ihm standen die Männer der Airport-Security und musterten ihn misstrauisch. Er gab ihnen ein Zeichen und rief: „Ab hier übernehme ich. Ich lasse sie nicht mehr aus den Augen.“

Kim lachte.

„Kommen Sie freiwillig mit, Miss, dann verzichten wir auf Handschellen“, sagte Jackson, fasste sie unter und zog sie vom Gate fort.

Die Männer der Airport-Security wirkten verständlicherweise verärgert. Einige von Kims Mitreisenden auf dem Flug von Heathrow nach Atlanta sahen ihr schockiert hinterher. Sie wussten ja nicht, dass Kim es beinah gewohnt war, an ihrem Heimatflughafen so von der Polizei empfangen zu werden.

„Also wirklich, Baby: Piraten!“, bemerkte Jackson kopfschüttelnd und schwang sich ihr Handgepäck über die Schulter.

Wieder musste Kim lachen. „Es waren nur ein paar“, erklärte sie.

„Das hat man mir aber anders erzählt.“

Kim seufzte innerlich. So, wie sie ihren Bruder kannte, hatte er längst alles über die Geschichte in Erfahrung gebracht. Vermutlich wusste er über den Vorfall mehr als sie selbst, obwohl er hier in Atlanta Tausende von Kilometern entfernt gewesen war.

Jacksons Fürsorglichkeit raubte Kim manchmal den letzten Nerv. Aber natürlich rührte es sie auch. Es tat einfach ab und zu gut, sich behütet zu fühlen.

„Diesmal konnte ich wirklich nichts dafür“, betonte sie. „Ich lag in meinem Liegestuhl auf dem Sonnendeck und habe in aller Unschuld an meinem Drink genippt, einem köstlichen Cocktail mit so einem kleinen Papierschirmchen, als plötzlich …“

… ihr Kreuzfahrtschiff von Piraten angegriffen worden war!

Zuerst hatte sie das für einen schlechten Witz gehalten. Da gewann sie eine Mittelmeer-Kreuzfahrt auf einem Luxusliner, und was geschah? Ihr Traumschiff wurde von Piraten überfallen. So etwas konnte auch nur Kimberley Cassidy passieren. Bis dahin war sie überzeugt davon gewesen, dass es seit Jahrhunderten keine Piraten mehr gab.

„Nein, wirklich, Jax“, fuhr sie fort. „Wusstest du, dass heutzutage noch Piraten die Meere unsicher machen? Wie soll man denn das ahnen?“

Jackson warf ihr im Gehen nur einen kurzen Blick zu und klappte mit der freien Hand sein Handy auf. Er tippte eine Taste, hob das Telefon ans Ohr und sagte: „Ich habe sie. Gesund und munter … Ja, in anderthalb Stunden sind wir da, wenn ich das Blaulicht aufs Dach setze.“

„Wir haben kein Recht auf Blaulicht und Sirene“, stellte Kim fest und versuchte, ihm das Telefon aus der Hand zu nehmen.

Ungerührt hielt ihr Bruder das Handy außer Reichweite, klappte es zu und steckte es wieder ein. „Ich könnte immer noch die Handschellen rausholen“, bemerkte er warnend.

„Dann erzähle ich dir ab jetzt kein Wort mehr“, erklärte Kim. „Weder über die Reise, noch über den Mann, den ich dort kennengelernt habe.“

Jackson wurde hellhörig. „Ein Mann?“

Sie nickte und ein strahlendes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.

„Jax …“, seufzte sie verträumt. „Ich glaube … Nein, ich weiß es: Ich habe mich verliebt.“

Jackson starrte sie an. Abrupt blieb er stehen und brachte die Kolonnen von Flugreisenden hinter ihnen zum Halten. Unwilliges Gemurmel erhob sich, Reisende schimpften leise vor sich hin und schlugen schnell einen Bogen um Bruder und Schwester. Alle hatten es eilig, zu ihrem Gepäck zu kommen.

„Sag mir nur, dass es keiner von den Piraten ist“, bat Jackson. Seiner Miene war anzusehen, dass er nichts für ausgeschlossen hielt.

„Nein!“, rief Kim empört.

Jackson nickte erleichtert. „Das wäre ein echter Grund für die Arrestzelle gewesen. Da wärest du schon wieder zur Vernunft gekommen!“

„Er ist kein Pirat! Er hat mich vor den Piraten gerettet“, erklärte Kim. Ihre Augen leuchteten bei der Erinnerung daran.

„Oh“, sagte ihr Bruder nur und setzte sich wieder in Bewegung. „Ist er ein Cop?“

„Nein.“

„Er arbeitet für einen Wachdienst?“

Kim wusste, dass ihr Bruder von privaten Sicherheitsfirmen nicht viel hielt.

„Nein“, sagte sie wieder.

„Ein Soldat?“, versuchte Jackson es weiter.

„Nein. Nichts in der Richtung. Er war einfach nur da und … Er war unglaublich. Er hat mich in Sicherheit gebracht und mitgeholfen, den Überfall abzuwehren. Du wirst ihn mögen, Jax, wenn du ihn erst siehst.“

„Willst du ihn uns etwa demnächst vorstellen?“

„In ein paar Tagen wollen wir uns hier wieder treffen. Er musste erst noch nach Hause.“

„Und wo ist das …?“

„Kalifornien.“

„Kalifornien? Der Mann gefällt mir nicht.“

„Jax, du hast ihn noch nicht mal gesehen. Du kannst ihn doch nicht einfach ablehnen, nur, weil er aus Kalifornien ist.“

„Natürlich kann ich das“, erklärte ihr Bruder entschlossen.

Sie durchquerten den Terminal, in dem es von Menschen wimmelte, und betraten die Rolltreppen, die hinunter zur Gepäckausgabe führten. Kim lehnte sich an ihren Bruder.

„Jax, komm schon, sei nicht so.“ Sie hatte natürlich gewusst, dass ihr Bruder es überhaupt nicht mögen würde, wenn sie wegen eines Mannes so weit von der Familie fortzog. Über diesen Gedanken war sie selbst auch nicht recht glücklich.

Seit dem Krebstod ihrer Mutter vor vier Jahren waren sie und ihre Geschwister noch enger zusammengerückt. Ihre Familie – Jackson mit seiner Frau, sowie ihre beiden älteren Schwestern mit ihren Familien – bedeutete Kim mehr als alles auf der Welt.

Ihr Vater war wie Jackson Polizist gewesen und bei einem Ladenüberfall erschossen worden, als Kim zwei Jahre alt gewesen war. Damals hatte der elfjährige Jackson begonnen, die Vaterrolle für seine drei kleinen Schwestern zu übernehmen. Kim verstand, dass er seine Rolle teilweise zu ernst nahm. Aber inzwischen war sie vierundzwanzig, und langsam musste ihr Bruder sich daran gewöhnen, dass sie auf sich selbst aufpassen konnte und wollte.

„Sei nett zu ihm, wenn er kommt, ja?“, bat sie, als sie das noch stillstehende Gepäckband erreichten.

Denn sie wusste einfach, dass Eric der Richtige war. Der Mann ihres Lebens! Natürlich war alles ein bisschen verrückt gewesen, eine klassische stürmische Romanze eben.

Jackson neben ihr seufzte tief. Kim hängte sich bei ihm ein. „Ich weiß, was du sagen willst: Dass man sich in so kurzer Zeit nicht ernsthaft verlieben kann, stimmt’s?“

Ihr Bruder warf ihr einen Seitenblick zu. „Du hast mir nicht einmal seinen Namen genannt.“

Kim schüttelte den Kopf. „Damit du ihn sofort durch euren FBI-Computer jagen kannst?“

Ihr Bruder zuckte die Achseln. Er schien nichts dabei zu finden, jeden Mann, mit dem sie ausging, als Erstes gründlich durchzuchecken.

„Nein“, erklärte sie fest. „Ich sage dir seinen Namen nicht.“

„Wirklich süß, die Kleine.“ Harrys leicht scheppernde Stimme drang aus Nick Cavanaughs kabellosem Headset, während er der jungen Frau und ihrem Begleiter durch den Flughafen von Atlanta folgte.

„Habt ihr herausgefunden, wie der Kerl durch die Absperrungen gekommen ist?“, gab Nick leise zurück. Er sprach in das Mikro seines Headsets. Die Zeiten, in denen Agenten Ohrstöpsel und Mikrofon diskret am Körper verbergen mussten, waren vorbei. Jetzt sah er einfach aus wie jemand, der ständig telefonierte.

„Komm schon, Nick, tu nicht so, als hättest du nichts bemerkt. Die ist doch zum Anbeißen“, tönte Harry in Nicks Ohr.

Nick brummte nur. Seine rechte Schulter schmerzte und erinnerte ihn ständig an sein kleines, dummes Missgeschick auf dem Luxusliner. Der verunglückte Sprung an Deck hatte ihm wieder einmal gezeigt, dass er nicht mehr zwanzig war.

„Ich habe gehört, du hast sie stundenlang auf dem Sonnendeck beobachtet. Ich weiß nicht, ob ich das verkraftet hätte.“

„Dafür werde ich gut bezahlt“, entgegnete Nick kurz.

Seine Vorgesetzten beim Geheimdienst gingen einfach davon aus, dass er den Anblick atemberaubender Schönheiten im Bikini verkraften und gleichzeitig seinen Auftrag im Auge behalten konnte.

„Also, wie hat der Kerl es durch die Security zu ihr ans Gate geschafft?“, fragte er noch einmal.

„Er behauptet, er sei ein Cop.“

„Ein Polizeibeamter holt sie vom Flugzeug ab?“ Was hatte die Frau verbrochen, bevor sie an Bord des Kreuzfahrtschiffes gegangen war?

„Du hast nicht gesehen, wie sie ihn begrüßt hat“, bemerkte Harry in seinem Ohr. „Er wollte sie wohl kaum verhaften. Gib uns noch eine Minute. Wir überprüfen, ob er tatsächlich ein Cop ist.“

„Okay“, sagte Nick im Gehen.

„Vielleicht ist sie nicht so süß und unschuldig, wie sie aussieht“, begann Harry wieder. „Auf dem Schiff gönnt sie sich einen heißen Urlaubsflirt, und zu Hause wartet ihr fester Freund auf sie?“

„Keine Ahnung, Harry.“

Nachdem sie den Piratenüberfall auf das Schiff vereitelt hatten, war in letzter Minute entschieden worden, Kim Cassidy weiter zu beschatten. Bis jetzt wussten sie noch nichts über die Frau, außer dass sie Kontakt zu dem Mann gehabt hatte, den sie suchten. Recht innigen Kontakt, wie es aussah.

Jetzt blieben die junge Frau und der blonde Riese an ihrer Seite so abrupt mitten im Gewimmel stehen, dass Nick nicht anders konnte, als schnurstracks an ihnen vorbei weiter zu gehen.

In dem Gedränge streifte er die Frau leicht an der Schulter und bekam eine Welle weicher blonder Locken ins Gesicht. Ein himmlischer Dufthauch stieg ihm in die Nase, und fast wäre er unwillkürlich stehen geblieben.

Sie roch hinreißend. Das hatte er schon auf dem Schiff gemerkt. Und die Empfindungen, die ihr Anblick in ihm auslöste, hatten Nick seit Tagen ungewohnt zu schaffen gemacht.

Er war gezwungen gewesen, Kim Cassidy stundenlang auf dem Sonnendeck im Auge zu behalten. Sie lag da in ihrem atemberaubenden gelben Bikini und er hatte zugesehen. Er hatte zugesehen, wie sie sich eingecremt hatte. Hatte zugesehen, wie sie bunte Cocktails getrunken und sich die süßen Lippen geleckt hatte. Wie sie sich auf ihren perfekten Bauch gerollt und dann in den Nacken gegriffen und die Bänder ihres Oberteils gelöst hatte. Er hatte auf ihren goldenen Nacken gestarrt, während ein Kollege ihm ins Ohr flüsterte, wie viel Nick dafür bezahlen würde, wenn er sie mit einer Ladung Eiswasser dazu brachte, aufzuspringen. Und ihr Oberteil auf der Liege zurückzulassen.

Nick holte tief Luft bei der Erinnerung an die Folterqualen, die Kim Cassidy ihm schon bereitet hatte.

„Was hat sie gerade gesagt?“, fragte Harry in seinem Ohr. „War da nicht von ‚Liebe‘ die Rede?“

Nick straffte sich. Wenn Liebe ins Spiel kam, wurde alles heillos kompliziert. Das wusste er aus jahrelanger Erfahrung. Leute, die glaubten, verliebt zu sein, handelten unberechenbar, unlogisch, oft unglaublich albern. Sie regten sich auf, sie wurden verletzt, sie waren auf Rache aus und ruinierten dabei ihr Leben und oft genug auch das der anderen. Alles im Namen der Liebe.

„Hast du es auf Band?“, fragte Nick. „Können wir reinhören?“

Der Geräuschpegel war hoch, aber Kim Cassidys Stimme war ihm inzwischen genauso vertraut wie ihr Duft.

Er konnte seinen Zustand vor seinen Kollegen verbergen, aber nicht vor sich selbst. Seit Tagen fiel es ihm schwer, den süßen, singenden Südstaaten-Tonfall der Frau aus dem Kopf zu bekommen. In den letzten beiden Nächten war er mit dem Klang ihrer Stimme im Ohr eingeschlafen und hatte Dinge geträumt, die ihn schweißgebadet aufwachen ließen und den Rest der Nacht wach hielten.

Die Art, wie sie lachte. Das strahlende Lächeln, das sie so oft zeigte. Das Glitzern in ihren hübschen blauen Augen. Und, immer wieder, ihr Anblick in diesem winzigen gelben Bikini.

Entgegen der verbreiteten Ansicht unter seinen Kollegen war er nicht unmenschlich, nur diszipliniert und konzentriert. Und besser als die meisten darin, seine Gefühle zu verbergen. Zudem war er äußerst misstrauisch, erst recht hübschen Frauen gegenüber, ob sie unschuldig sein mochten oder nicht.

Jetzt hörte er sie: „Ich glaube … Nein …“ Das Band knisterte. „… sicher … Ich bin verliebt.“

Nick seufzte tief.

„Was denkst du?“, hörte er Harry. „So, wie Weyzinski die letzten paar Tage an ihr dranhing, ist er der Auserwählte, oder?“

„Verdammt, ich weiß es nicht, Harry.“

Er musste hoffen, dass es Eric Weyzinski mit der jungen Frau ebenso ernst war, wie ihr offenbar. Dass der Mann auf dem Schiff nicht nur mit ihr geflirtet hatte, sondern jetzt entweder tatsächlich herkam, um Kim Cassidy zu sehen, oder dass sie zu ihm reiste und Nick auf diese Weise zu ihm führte.

Denn Nicks Leute hatten ihre Sache vermasselt, als die Passagiere von Bord gingen. Sie hatten Weyzinski verloren, und es war immer noch nicht endgültig heraus, ob er ihr gesuchter Mann war oder nicht.

Das war Nicks Job: Den Übeltäter ausfindig zu machen, aus dem Verkehr zu ziehen und dann den nächsten Fall anzugehen. Daraus bestand sein Leben, und es war ihm recht so.

„Hör zu“, sagte Harry in seinem Ohr. „Der Typ an ihrer Seite hat eine Dienstmarke. Er ist Cop in Magnolia Falls, einer Kleinstadt nördlich von Atlanta. Das scheint auch der Wohnort der süßen Kleinen zu sein. Sein Nachname ist übrigens ebenfalls Cassidy.“

„Sag mir nicht, er ist ihr Ehemann“, murmelte Nick.

„Dann würde sie wohl kaum von einer Solo-Reise zurückkehren und ihm verkünden, sie sei verliebt in einen anderen“, bemerkte Harry.

Nick zuckte die Achseln. Er hatte schon mehr als eine unglückliche Ehefrau erlebt, die ihrem Mann so etwas ins Gesicht schleuderte.

„Es geht weiter“, sagte Nick leise. Er verließ den Zeitungskiosk, an dem er Zuflucht genommen hatte, und heftete sich wieder unauffällig an die Fersen des Paares.

Sie erreichten die Rolltreppen, und Nick drängte sich rücksichtlos an einem älteren Paar und einer Frau mit Baby vorbei und stand jetzt wieder in Hörweite.

Sein Knie schmerzte, und in der Schulter zog es. Er war nicht mehr so fit wie früher, der kleine körperliche Einsatz gegen die Piraten hatte ihm unwillkommene Grenzen aufgezeigt. Er fühlte sich alt. Alt und zynisch. Aber er war immer noch besser in seinem Job als die meisten. Achtunddreißig war kein Alter für einen Agenten!

Er und sein Team waren den möglichen Hintermännern einer Gruppe moderner Piraten auf der Spur, die vor der nordafrikanischen Küste vorbeifahrenden Schiffen auflauerten. Zunächst hatten die Piraten Privatboote geentert und gestohlen, was ihnen in die Hände fiel. Dann hatten sie sich immer größere Ziele vorgenommen, erst Luxusjachten und jetzt Kreuzfahrtschiffe. Die Folgen konnten unabsehbar sein: Geiselnahmen, enorme Lösegeldforderungen, Terrorismus … Man hatte beschlossen, sie aufzuhalten.

Der Geheimdienst hatte einen Hinweis bekommen, und Nick war an Bord des Luxusliners gewesen, seit das Schiff acht Tage zuvor in Rom ausgelaufen war.

An Bord hatten sich sechshundert Mann Besatzung und über tausend Passagiere befunden. Darunter die hübsche junge Frau, die Nick nun beschattete. Der Mann, mit dem sie an Bord so viel Zeit verbracht hatte, stand in Kontakt zu den Piraten und hatte ihnen möglicherweise helfen sollen, das Schiff in ihre Gewalt zu bekommen.

Nick und seine Leute hatten sich sehr spät erst auf Eric Weyzinski konzentriert. Es hatte zu viele mögliche Verdächtige gegeben, um in der kurzen Zeit alle zu überprüfen. Als ihr Verdacht auf Weyzinski fiel, war die Kreuzfahrt fast vorüber gewesen. Und dann war es Weyzinski im Hafen gelungen, einen ihrer Männer abzuhängen.

Eine der wenigen Spuren, die sie zu dem Mann führen konnten, war nun Kimberly Ann Cassidy aus der Kleinstadt Magnolia Falls in Georgia. Falls die Angaben stimmten.

Mit knapper Not war Nick noch an Bord ihres Fliegers in die USA gekommen, und am Flughafen in Atlanta erwarteten Kollegen ihn vor Ort. Sie wussten nicht einmal, ob Kim Cassidy ihr richtiger Name war. Sie wussten nicht, ob sie mit Weyzinski zusammenarbeitete oder ein unschuldiges Opfer war.

Das musste Nick herausfinden.

„Draußen steht ein Wagen für dich“, hörte er Harry. „Ein leuchtend roter Lexus Coupé. Tut mir leid wegen der Farbe, aber die Kiste fliegt nur so, falls es mal nötig werden sollte.“

Dann lieferte Harry ihm noch ein paar Informationen über Kims Familie, die Nick einige weitere Seufzer entlockten. Die Frau hatte einen Cop zum Bruder, einen toten Cop zum Vater und zahllose Verwandte, die alle am selben Ort lebten. Das alles in einer kleinen Stadt, in der jeder jeden kannte.

„Rate, was sie beruflich macht!“, sagte Harry lachend. „Grundschullehrerin! Für bildende Kunst!“

Er hatte es also mit einer netten, hinreißenden, absolut unschuldig wirkenden Grundschullehrerin zu tun, Nesthäkchen einer eng zusammenhaltenden Familie und Tochter eines im Dienst erschossenen Polizeibeamten.

Nick seufzte noch einmal. Kim Cassidy hatte sich in einen Mann verliebt, der mit Sicherheit ein Verbrecher war. Und er musste sie benutzen, um an den Kerl heranzukommen.

„Sie wird dich lieben, noch bevor das Ganze vorbei ist“, bemerkte Harry sarkastisch.

2. KAPITEL

Zu Nicks Erleichterung tauchte seine Reisetasche gleich unter den ersten Gepäckstücken auf. Er musste also nicht auf das ganze technische Spielzeug verzichten, das ihm die Arbeit erleichterte.

Er griff nach der Tasche, warf sie über die gesunde Schulter und versuchte, unter dem zusätzlichen Gewicht nicht allzu sehr mit dem lädierten Knie zu hinken.

Harry musste irgendwo in der Nähe sein, denn er lachte leise und bemerkte: „Du wirst alt, Nick.“

„Habt ihr sie im Blick? Dann gehe ich zu meinem Wagen“, entgegnete Nick nur.

„Ja, und leg einen Zahn zu. Wir setzen einen zweiten Wagen auf sie an, falls er dich abhängt.“

„Kein Kleinstadt-Cop hängt mich ab, der nicht mal weiß, dass ich ihm folge“, knurrte Nick.

Gleich darauf entdeckte er den winzigen knallroten Sportwagen, der aussah, als könnte er bei Bedarf tatsächlich fliegen. Er zeigte dem jungen Kollegen, der neben dem Wagen auf ihn wartete, seine Dienstmarke.

„Hier, Sir“, sagte der junge Mann und übergab ihm eine Mappe mit den jüngsten Daten für seinen Auftrag.

„Danke.“ Nick packte die Reisetasche in den winzigen Kofferraum, schwang die Schultertasche auf den Beifahrersitz und zwängte sich hinters Steuer. Vorsichtig, um sein schmerzendes Knie nicht an Lenkrad oder Armaturenbrett zu stoßen. Harry lachte wieder in seinem Ohr.

„Du Mistkerl hast diesen Wagen extra ausgesucht“, murmelte Nick. Die Kollegen zogen ihn seit Tagen mit seinen Blessuren und seinem fortschreitenden Alter auf.

Er fühlte sich steif und spürte nach dem langen Flug jeden Knochen im Leib. Wie viel Zeit zum Ausruhen würde die kleine Blondine ihm wohl in den nächsten Tagen gönnen? Vielleicht wurde sie hier von einer ganzen Handvoll Liebhaber erwartet. Theoretisch konnte auch Weyzinski schon eingetroffen sein. Kim Cassidy trieb womöglich allerhand, das nichts mit kleinen Kindern und Malunterricht zu tun hatte.

Nick ließ den Motor an und schob den Sitz bis zum Anschlag zurück, um mehr Raum für seine langen Beine zu bekommen. Er stellte die Spiegel ein und erblickte den Wagen des Kleinstadt-Cops genau dort, wo Harry es ihm angekündigt hatte. Es durfte wohl nicht schwierig werden, der jungen Frau und ihrem Bruder zu folgen.

Ohne den Kopf zu drehen, betrachtete Nick die beiden aus den Augenwinkeln. Kim Cassidy lachte und sah glücklich und entspannt aus. Ihr Bruder trug immer noch eine eher finstere Miene zur Schau. Natürlich, eine kleine Schwester, die so hinreißend aussah und so offenherzig mit aller Welt umging, konnte einem Mann schon Sorgen bereiten.

Mr Cassidy war bestimmt nicht besonders glücklich darüber, dass seine kleine Schwester so allein auf Reisen ging. Sie mochte eine Frau sein, die öfter in Schwierigkeiten geriet. Schwierigkeiten mit Männern, naheliegenderweise.

Nick hatte die junge blonde Frau auf dem Schiff mit einer seltsamen Sehnsucht beobachtet, die nichts mit seinem Job zu tun hatte. Er hatte einfach nicht widerstehen können. Je älter und zynischer er wurde, desto mehr wollte er gern glauben, dass es noch Menschen wie diese Frau auf der Welt gab. Unschuldig, jung, sorglos, froh. Anziehend und völlig offen, ohne jede Spur von Berechnung.

Sie war ein Wesen aus einer anderen Welt. Und er gehörte nicht in ihre. Trotz allem, was er auf dem Schiff gesehen hatte, war er außerdem fast sicher, dass sie keine Frau war, die eine schnelle Affäre mit einem Mann einging.

Nick folgte dem Polizeiwagen durch den nicht zu dichten Verkehr. Er würde diese Frau wie jede andere behandeln, mit der er im Verlauf eines Einsatzes zu tun bekam. Nein, dachte er plötzlich. Sie verdient etwas Besseres.

Anderthalb Stunden später waren sie in Magnolia Falls, und der Polizeiwagen hielt an der Adresse, die Harry ihm genannt hatte.

Es war ein imposantes altes Haus, das offenbar mehrere Wohnungen enthielt. Oder aber Kim Cassidy hatte irgendwelche Einkünfte, die deutlich über das Gehalt einer Grundschullehrerin hinausgingen.

Nick parkte einen halben Block weiter und beobachtete, wie ihr Bruder ihre Taschen hineintrug und sich dann von ihr verabschiedete.

Harrys Leute waren vermutlich in diesem Augenblick damit beschäftigt, Miss Cassidys Festnetztelefon anzuzapfen. Aber fürs Erste hing jetzt alles an Nick. Eine kleine alte Frau lehnte sich aus einem Fenster im Haus gegenüber und starrte ihn an. Es ging also schon los: Kleinstadtnachbarn! Das machte seine Arbeit nicht leichter.

„Harry“, sagte Nick in sein Mikro. „Ich werde schon beobachtet. Ich muss weiter.“

„Du hast Glück“, kam es zurück. „Das Haus direkt neben der Blonden ist ein nagelneues Bed & Breakfast. Ich habe versucht, ein Zimmer zu reservieren, aber sie sagen, sie machen erst nächste Woche auf. Wenn du jetzt klingelst und deinen Charme spielen lässt, kannst du die Leute vielleicht dazu bringen, dich doch schon reinzulassen. Es ist den Versuch wert. Und dann versuch ein Zimmer nach Osten zu bekommen, idealerweise im ersten Stock. Von dort könnte es sein, dass du in die Wohnung der Kleinen sehen kannst.“

Nick fluchte leise. Der Gedanke, noch mehr von Kim Cassidy zu sehen als ohnehin schon, trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Aber er war im Dienst, er hatte hier eine Mission. Langsam rollte er mit seinem knallroten Spielzeugauto zu der Auffahrt des Bed & Breakfast.

Er strich sich durch das dichte, dunkelbraune Haar und fuhr sich übers Kinn. Das Haar war zu lang und brauchte einen frischen Schnitt, auch Rasieren war dringend angesagt. Außerdem sehnte er sich nach sauberen Kleidern, einer Dusche und einem bequemen Bett.

Während er auf das Haus zuging, setzte er eine freundliche Miene auf, die Harmlosigkeit signalisieren und gleichzeitig andeuten sollte, dass er sich am Rande der Erschöpfung befand und dringend ein Bett brauchte.

Eine ältere Frau in Trainingshosen und T-Shirt öffnete auf sein Klingeln die Tür. Sie hielt einen Staubwedel in der Hand.

War sie die Putzfrau oder die Besitzerin? Er musste sich schnell entscheiden. Wenn er ein Zimmer von Mrs Baker wollte, war es sicher kein glücklicher Auftakt, sie mit ihrer Putzfrau zu verwechseln.

„Ma’am“, bemerkte Harry in seinem Ohr, als er zögerte. „Sag einfach Ma’am. Wie ein echter Südstaatengentleman.“

Also konnte Harry ihn sehen! Nick hasste es, selbst beobachtet zu werden. Aber wenn es um den Job ging, konnte man sich auf Harry verlassen.

„Ma’am“, sagte Nick mit einer angedeuteten Verbeugung und seinem freundlichsten Lächeln. „Komme ich zu früh für ein Zimmer?“

„Ach je.“ Mrs Baker sah ihn an, schwenkte ratlos ihren Staubwedel und hüllte sie beide in eine dicke Staubwolke. „Wir haben noch gar nicht geöffnet. Erst ab nächster Woche.“

„Das hat man mir in der Stadt schon gesagt, aber ich hatte gehofft, ich könnte Sie umstimmen. Ich liebe alte Häuser. Sie haben so viel Charme und Charakter.“ Innerlich verdrehte Nick die Augen über sich selbst. „Und Ihr Haus sieht so einladend aus.“

„Danke“, sagte Mrs Baker zögernd. „Aber wir haben noch so viel zu tun, bevor wir offiziell eröffnen können …“

„Ich werde Sie überhaupt nicht stören. Ich kann mich ganz um mich selbst kümmern. Ich brauche nicht mal Frühstück …“

„Sie frühstücken nicht?“

Er hatte nur unterstreichen wollen, dass er als Gast keinerlei Umstände machen würde. Erwartete die Frau wirklich eine Antwort?

„Äh … nein“, sagte er. „Normalerweise nicht.“

„Jeder Mensch braucht ein anständiges Frühstück“, bemerkte Mrs Baker mütterlich.

Nick hatte nicht viel Erfahrung mit mütterlichen Frauen. Seine eigene Mutter sah er selten und den Rest der Familie, Bruder, Nichten, Neffen, praktisch nie.

„Man kommt doch nicht ohne Frühstück aus“, wiederholte Mrs Baker. „Kein Wunder, dass Sie so aussehen, so …“ Sie verstummte.

„Müde?“, schlug Nick vor.

Die Frau betrachtete ihn aufmerksam und nickte. Er sah Mitgefühl in ihren Augen.

„Ich bin mit einem Nachtflug aus Brasilien gekommen“, sagte er mit einem schiefen Lächeln. „Furchtbar. Ich bin eigentlich zu alt für so etwas.“

Harry kicherte in seinem Ohr.

„Mein Lieber, wenn Sie zu alt sind, dann stehe ich ja schon mit einem Fuß im Grab“, erklärte Mrs Baker ernst.

Darauf fiel Nick nichts mehr ein. Er stand einfach da, sah die freundliche Frau an und hoffte auf ein Wunder.

„Sind Sie verletzt?“, fragte Mrs Baker plötzlich besorgt.

Erst jetzt merkte er, dass er sich mechanisch die schmerzende Schulter rieb. „Nein, alles in Ordnung, Ma’am.“ Verletzt an Knie und Schulter, erschöpft, ohne Bett und Frühstück, wenn sie ihn nicht aufnahm. Das alles versuchte er ihr wortlos zu signalisieren, ohne direkt zu betteln.

„Wir können Sie ja in Ihrem Zustand nicht vor der Tür stehen lassen, wenn Sie sonst nirgendwohin können“, sagte sie endlich. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, dass im Erdgeschoss noch überall Baustelle herrscht …“

Autor

Teresa Hill

Teresa Hill wurde mitten im romantischen Kentucky geboren und wuchs mit dem Gedanken auf, es gäbe nichts Schöneres auf der Welt als Bücher zu schreiben. Kein Wunder, denn die Stadtbibliothek war in einer wunderschönen alten Kirche eingerichtet, und hier verbrachte Teresa richtig viel Zeit. Bücher erschienen ihr fast als heilig...

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