Die Sauveterre-Geschwister - 4-teilige Serie

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Lernen Sie in Dani Collins fantastischen Romanen die Erben des Sauveterre-Vermögens kennen

VERBOTENE LIEBESSCHWÜRE UNTER TAUSEND STERNEN

Sinnlich und unwiderstehlich! Als Prinz Kasim überraschend in ihrem Atelier auftaucht, gerät die berühmte Modedesignerin Angelique Sauveterre in Panik. Denn seit einem dramatischen Ereignis in der Vergangenheit ist sie misstrauisch Fremden gegenüber. Bei Kasims Anblick jedoch fühlt sie zum ersten Mal die Macht heißen Begehrens. Ihm folgt sie sogar in sein fernes Wüstenreich, wo der mächtige Scheich ihr Nächte unendlicher Erfüllung schenkt. Doch dann zerbricht ihr Liebestraum in tausend Scherben, denn sie erfährt: Kasim wird heiraten …

GEGEN JEGLICHE VERNUNFT

So berühmt, so reich und so verboten sexy! Für die junge Unternehmerin Cinnia Whitley ist Henri Sauveterre nicht nur der Mann ihrer Träume, gemeinsam setzen sie vor brennender Leidenschaft jedes Bett in Flammen. Das Problem? Seit einem dramatischen Erlebnis in der Vergangenheit sind für den prominenten Tycoon feste Bindungen tabu. Aber dass er auch keine Gefühle zu haben scheint, ist für Cinnia das Signal, ihrem Mr. Perfect Adieu zu sagen. Doch schlimm genug, dass sie ihn nicht vergessen kann, ihre hitzige Affäre hat auch süße Folgen …

SCHEINVERLOBUNG MIT DEM MILLIARDÄR

"Was willst du von mir?", fragte sie spöttisch. "Frag mich das noch einmal, wenn du bereit bist, dir die Antwort anzuhören!" Isidora ist außer sich! Ihr Boss Ramon Sauveterre hält während einer Pressekonferenz um ihre Hand an. Sie ahnt, warum er dieses gefährliche Spiel spielt: Er will die Aufmerksamkeit von seiner labilen Schwester lenken, um sie vor verleumderischen Schlagzeilen zu schützen! Aber dass Isidora nun seinen Brillantring tragen soll, obwohl von Liebe keine Rede sein kann? Oh nein. Ramon ist skrupellos und arrogant! Leider ist er aber auch der einzige Mann auf der Welt, der sie mit einem Blick aus seinen grünen Augen schwach werden lässt …

ZAUBER DER LEIDENSCHAFT IN PARIS

Nur eine heimliche Liebesnacht in seinem Pariser Luxuspenthouse! Mehr kann Xavier der verführerischen Trella, mit der er auf dem Wohltätigkeitsball unvergessliche Stunden verbrachte, nicht bieten. Denn als Kronprinz von Elazar muss er der Pflicht gehorchen und eine Adlige heiraten. Als er erfährt, dass seine Nacht mit der bürgerlichen Schönen nicht folgenlos blieb, steht Xavier plötzlich vor der schwersten Entscheidung seines Lebens: Soll er sich wie geplant dem Wohl seines Landes unterordnen - oder zum ersten Mal auf sein Herz hören?


  • Erscheinungstag 02.08.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733737603
  • Seitenanzahl 576
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Dani Collins

Die Sauveterre-Geschwister - 4-teilige Serie

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2017 by Dani Collins
Originaltitel: „Pursued by the Desert Prince“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 2297 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Rita Koppers

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733708566

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

Angelique Sauveterre seufzte leise auf. Gerade hatte einer ihrer Leibwächter sie darüber informiert, dass Kasim ibn Nour, der Kronprinz von Zhamair, eingetroffen sei und sich augenblicklich mit ihr treffen wollte.

Müde lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück. Nach dem anstrengenden Tag heute wollte sie eigentlich nur noch ihre Ruhe haben.

„Natürlich. Bitte bringen Sie ihn in mein Büro“, befahl sie. Ihr blieb wohl nichts anderes übrig, als den ungebetenen Gast zu empfangen.

Hasna hatte zwar angekündigt, dass ihr Bruder ihr einen Besuch abstatten würde, wenn er in Paris war, aber gerade heute?

Angelique wusste nicht, warum Kasim sich überhaupt mit ihr treffen wollte. Schließlich war sie nur die Designerin, die Hasnas Brautkleid entworfen hatte, doch sie nahm an, dass er mit ihr über ein Überraschungsgeschenk sprechen wollte. Wahrscheinlich würde dieses Treffen nicht lange dauern und sicher ganz angenehm werden. Ihr Tag mit Prinzessin Hasna und ihren Angehörigen war jedenfalls komplikationslos verlaufen.

Auch wenn es sie noch immer anstrengte, von zu vielen Menschen umgeben zu sein. Sie lebte lieber zurückgezogen, doch die Vergangenheit hatte sie dazu gezwungen, ihre Schüchternheit zu überwinden. Inzwischen konnte sie sich sogar in der Öffentlichkeit behaupten, auch wenn ihr jeder Auftritt Herzklopften bereitete.

Sie sehnte sich nach dem Tag, an dem ihre Schwester Trella bereit war, das Werbegesicht von Maison des Jumeaux zu werden. Ein ironischer Gedanke, da ihre Zwillingsschwester das gleiche Gesicht hatte wie sie selbst. Während sie ihren Lippenstift nachzog, wurde Angelique bewusst, wie sehr sie sich wünschte, Trella könnte jetzt an ihrer Stelle sein, um sich mit dem Bruder der Braut zu treffen.

Sie wünschte sich so sehr, dass es ihrer Zwillingsschwester endlich besser ging.

Aber sie würde sie nicht drängen. Trella hatte große Fortschritte gemacht, ihre Ängste zu überwinden, besonders im letzten Jahr. Sie war fest entschlossen, an Hasnas und Sadiqs Hochzeit teilzunehmen, und es sah so aus, dass sie es tatsächlich schaffen würde.

Angelique stand auf und drehte sich prüfend vor dem großen Standspiegel hin und her, der in der Ecke des Büros stand. Sie trug eine schwarze, weich fallende Hose, eine helle Jacke mit besticktem Revers und eine silberfarbene Bluse, die ihr Gesicht leuchten ließ. Das Make-up war noch nahezu perfekt, doch ihre Frisur löste sich langsam auf.

Schnell zog sie die Nadeln aus ihren Haaren und fuhr sich mit den Fingern durch die brünetten Locken, die ihr um die Schultern fielen. Zu lässig?

In diesem Moment klopfte der Wachposten, der vor der Tür stand, sodass ihr keine Zeit mehr blieb, ihr Haar zu richten. Sie ging zur Tür und öffnete.

Angelique war wie geblendet. Der Prinz sah wirklich umwerfend aus. Dunkle braune Augen, die beinahe schwarz wirkten. Ein ebenmäßiges Gesicht mit gerader Nase. Und sein Mund – die Oberlippe hatte definitiv etwas Erotisches.

Alles andere an ihm wirkte kühl und geschliffen wie ein Diamant. Auch wenn sein Land dafür bekannt war, ultrakonservativ zu sein, kam er ohne Kopfbedeckung auf seinen schwarzen, kurz geschnittenen Haaren. Er trug einen perfekt geschnittenen Anzug, und ihr geschultes Auge erkannte, dass er eine athletische Figur hatte.

Sie schluckte. Schalte dein Hirn ein, Angelique.

„Eure Hoheit. Angelique Sauveterre. Willkommen. Treten Sie bitte ein.“

Sie hielt ihm nicht die Hand hin, weil das für eine Frau in seiner Heimat Zhamair ein Fauxpas wäre.

Er hingegen streckte ihr die Hand entgegen, und es durchzuckte sie, als er seine starke Hand um ihre schmalen Finger schloss. Hitze färbte ihre Wangen, was er zu bemerken schien und sie noch mehr erröten ließ. Sie hasste es, so leicht durchschaubar zu sein.

„Hallo.“ Kein Danke, dass Sie sich mit mir treffen oder Nennen Sie mich Kasim.

„Danke, Maurice“, murmelte sie dem Wachmann zu. „Sie können jetzt gehen.“

Sie war sehr vorsichtig, wenn es darum ging, mit Männern allein zu sein, die sie nicht kannte. Übrigens auch bei Frauen. Doch seine Verbindung zu Hasna und Sadiq ließen den Prinzen vertrauenswürdig erscheinen. Wenn ein Mann in seiner Position sich etwas zuschulden kommen ließe, würde die ganze Welt davon erfahren. Zudem würde sie sowieso kein Risiko eingehen.

Außerdem hatte sie den verborgenen Notfallknopf an ihrem Amulett.

Jetzt hatte sie beinahe das Gefühl, in Panik zu geraten. Ihr Herz schlug schneller, und ihr Magen verkrampfte sich. Eben noch war sie erschöpft gewesen, jetzt fühlte sie sich von neuer Energie erfüllt, aber seltsam wehrlos.

Sie war nervös wie ein Schulmädchen, was völlig untypisch für sie war. Ihre beiden sehr eigensinnigen Brüder hatten sie gelehrt, sich gegen starke männliche Energie zu behaupten.

Aber so etwas wie jetzt hatte sie noch nie erlebt. Es fühlte sich gefährlich an, sich mit dem exotischen Prinzen in ihrem Büro einzuschließen. Dabei ging es nicht um eine äußere Gefahr, der sie gelernt hatte, aus dem Weg zu gehen, sondern um eine in ihr selbst. Als läge ihre Seele entblößt vor ihm.

„Bitte setzen Sie sich“, lud sie ihn ein und deutete auf die Sitzgruppe. Auch wenn das Büro keine Außenfenster hatte, hielt sie sich in diesem Raum sehr gerne auf, weil sie so die Welt ausschließen konnte. Sie verbrachte viel Zeit auf ihrer Seite des Schreibtisches und an dem Skizzentisch.

Trellas Platz auf der anderen Seite war leer, da sie sich auf das Familienanwesen in Spanien zurückgezogen hatte. Doch sie arbeiteten hier oft zusammen in einvernehmlichem Schweigen.

„Ich habe gerade frischen Kaffee gemacht. Möchten Sie eine Tasse?“

„Ich werde nicht lange bleiben.“

Das sollte eigentlich eine gute Nachricht sein, denn sie reagierte zu stark auf ihn. Trotzdem war sie enttäuscht. Sehr seltsam! Dabei achtete sie streng darauf, sich nicht auf andere Menschen einzulassen und Distanz zu wahren.

Da er sich offenbar nicht setzen wollte, presste sie ihre zitternden Hände gegen die Rücklehne eines Sessels, den sie immer benutzte, wenn sie Besuch von Kunden hatte. „Ich nehme an, dass Sie etwas wegen der Hochzeitsvorbereitungen mit mir besprechen möchten?“

„Nur, dass Sie mir Ihre Rechnung schicken sollen.“ Er trat vor und legte eine Karte auf Trellas Schreibtischseite.

Fasziniert folgte sie seinen Bewegungen. Wer war wohl sein Schneider? Dieser Anzug war perfekt designet.

Nervös schob sie sich eine Haarsträhne hinter ihr Ohr, um von ihrer Röte abzulenken.

„Ihre Majestät hat das gleiche Angebot gemacht, also hätten Sie sich nicht herbemühen müssen. Aber das Kleid ist ein Hochzeitsgeschenk für Sadiq und die Prinzessin.“

Kasim entging nicht, wie selbstverständlich sie Sadiqs Vornamen benutzte. „Das hat Hasna mir auch gesagt. Ich ziehe es aber vor zu bezahlen.“

Sein Blick wirkte streitlustig und verwandelte das Gespräch in eine Konfrontation.

Warum war er so unnachgiebig?

Ach du lieber Himmel! Glaubte er vielleicht, sie und Sadiq hätten etwas miteinander?

Natürlich musste er auf diesen Gedanken kommen. Glaubte man den Schlagzeilen, ging sie mit halb Europa ins Bett. Wenn sie nicht gerade Drogen nahm oder sich mit ihren Models herumstritt.

„Sadiq ist ein alter Freund der Familie.“ Sie zog sich hinter die kühle Maske zurück, die sie der Welt zeigte, war aber entsetzt, dass er diese schrecklichen Dinge über sie glauben könnte. „Wir tun das gern für ihn.“

„Wir.“ Sein Blick wurde schmal.

„Ja.“ Von ihrer Schwester würde sie nichts sagen oder davon, was ihre Familie Sadiq schuldete, weil er ihnen Trella zurückgebracht hatte. Dass er für seine Heldentat nie den Ruhm hatte einstreichen wollen, war der Grund, warum er ihnen ein so wertvoller Freund war. „Wenn das alles ist …“ Bewusst gab sie vor, das letzte Wort zu diesem Thema zu haben. „Ich muss jetzt nämlich die letzten Vorbereitungen für Ihre Schwester treffen.“

Kasim musste seinem zukünftigen Schwager für seinen Geschmack gratulieren. Angelique Sauveterre war von einem süßen Mädchen zu einer atemberaubenden jungen Frau herangewachsen.

Ihre langen brünetten Haare fielen ihr in einem schimmernden Vorhang über die Schultern, und ihre Augen, die im Internet von einem nichtssagenden Grau waren, leuchteten tatsächlich in einem faszinierenden grünlichen Braun. Sie war groß und schlank, gebaut wie ein Model, obwohl sie diejenige war, die Models einkleidete. Ihre Haut hatte einen Goldton, der sicher von den spanischen Vorfahren ihrer Mutter stammte.

Die Kameras fingen sie selten mit einem Lächeln auf, und wenn doch, ähnelte es dem der Mona Lisa: distanziert und indifferent.

Auch jetzt hatte sie diesen Blick, obwohl sie ihn bei der Begrüßung offen angelächelt hatte. Sie war so verlockend schön, dass Kasim einen Moment vergessen hatte, warum er gekommen war.

Vielleicht war ihre fesselnde Art der Grund dafür, warum Sadiq ihr verfallen war.

„Ist heute alles gut verlaufen?“ Soweit er wusste, hatte an diesem Tag die letzte Anprobe für Hasnas Brautkleid und die der Brautjungfern in diesem Haus stattgefunden. Außerdem waren weitere Kleider für Hasna vorgeführt worden. Sobald die letzten Handgriffe erledigt waren, würde alles eingepackt und für die Hochzeit im nächsten Monat nach Zhamair verschifft werden.

„Alle Frauen schienen sehr zufrieden“, gab sie zurück.

Wie ihm zugetragen worden war, waren alle begeistert gewesen von den Kleidern, dem importierten Likör, den Sandwiches und dem Gebäck.

„Hasna scheint keine Beschwerden gehabt zu haben“, spielte er diese Tatsache herunter. „Deshalb will ich ihr den Ärger ersparen, all das zurückgeben zu müssen, was Sie ihr versprochen haben.“

Angelique war groß mit ihren High Heels. Zwar kleiner als er, aber größer als die meisten Frauen, die er kannte. Kerzengerade stand sie da, und ihre Lider flatterten, als würde sie über eine passende Antwort nachdenken.

„All das, was wir für sie angefertigt haben“, verbesserte sie, und ihre Stimme klang scharf und gefährlich wie ein Degen. „Warum, in aller Welt, wollen Sie ihr das nicht zugestehen?“

„Ihre Empörung können Sie sich sparen“, riet er. „Es geht nicht darum, jemanden zu verurteilen. Ich habe selbst Geliebte gehabt. Irgendwann ist es an der Zeit, sie gehen zu lassen. Und Ihre Zeit ist jetzt gekommen.“

„Sie glauben, ich bin Sadiqs Geliebte. Und dass ich, als seine Geliebte, angeboten habe, das Brautkleid und die Aussteuer für seine Braut anzufertigen. Ziemlich großzügig von einer Geliebten, meinen Sie nicht?“

Sie spie die Worte aus, als sei sie tief beleidigt.

Er schob die Hände in seine Hosentaschen.

„Es ist jedenfalls sehr großzügig, für eine so große Gesellschaft eine private Modenschau in einem weltbekannten und exklusiven Modehaus in Paris zu arrangieren.“ Nicht nur seine Mutter und Schwester waren anwesend gewesen, sondern auch Sadiqs Mutter und Schwestern, außerdem Cousinen und Freundinnen von beiden Seiten.

Die Kosten für diesen Tag waren natürlich nicht so hoch, um seinen Reichtum zu gefährden. Auch die Familie des Bräutigams konnte es sich leisten. Und Angelique musste sicher ebenfalls nicht draufzahlen, wenn man bedachte, wie reich ihre Familie war.

„Wäre dieser Nachmittag der einzige Posten, den Sie zum Nulltarif angeboten haben, hätte ich nicht einmal mit der Wimper gezuckt“, erklärte er. „Aber das Kleid? Ich kenne den Geschmack meiner Schwester.“ Er konnte sich vorstellen, dass der Betrag mindestens sechsstellig war. „Und als Zugabe noch Kleider für den Rest der Gesellschaft? Einschließlich der Mutter der Braut und der des Bräutigams?“

„Sadiqs Eltern und seine Schwestern sind auch Freunde der Familie.“

„Plus eine gesamte Garderobe für Hasna für den Anfang ihrer Ehe“, vervollständigte er ungläubig. „Und all das ohne Bezahlung? Das ist mehr als nur ein Geschenk von einer ‚Freundin der Familie‘. Hätte ich eher davon gewusst, dann hätte ich schon vorher etwas unternommen, nicht erst heute.“

Hasna hatte zwar ununterbrochen über ihren großen Tag geplaudert, aber was interessierten ihn die genaueren Details? Er war froh, dass sie aus Liebe heiratete, und wollte, dass alles gut verlief. Aber Einzelheiten über das Essen, das Dekor oder welche Farbe man tragen sollte, waren nicht von Bedeutung für ihn gewesen. Bis ihm aufgefallen war, dass sie weit unter dem Budget lag – was ihr überhaupt nicht ähnlich sah. Erst da hatte er sie gefragt, wann sie die Rechnung für das Kleid erwarten würde.

„Wäre ich Sadiqs Geliebte, hätte ich doch auf einer fetten Provision bestanden. Ich hätte ihm gesagt, er solle seine Braut herschicken, als Ausgleich dafür, dass ich seine Unterstützung verliere – die ich nebenbei bemerkt nicht brauche.“ Die Schärfe in ihrer Stimme durchschnitt die Luft wie eine Klinge. „Aber so ist es nicht gewesen. Hasna wusste nicht einmal, dass Sadiq uns kennt. Sie dachte, er habe all das heimlich arrangiert, um sie zu überraschen. Wir sind diejenigen, die sich entschlossen haben, ihm nichts in Rechnung zu stellen.“

„Ja, schon komisch, dass er der Frau, die er vorgibt zu lieben, diese ach so enge Freundschaft verheimlicht“, gab er spöttisch zurück. „Ich hätte ja verstanden, wenn er Sie abgefunden hätte.“ Er hätte es zwar nicht gebilligt, nachdem Hasna so hart um diese Beziehung gekämpft und ihn schließlich davon überzeugt hatte, dass Sadiq ihre Gefühle erwiderte, aber zumindest hätte er den Grund für dieses lächerliche Arrangement verstanden.

„Haben Sie das mit Sadiq besprochen?“, fragte sie frostig, die Arme vor der Brust verschränkt. „Denn damit beleidigen Sie nicht nur ihn, sondern auch mich.“

„Sadiq ist schlicht nicht fähig, das zu tun, was nötig ist. Ich werde ihm nachträglich dazu raten.“

„Ich schlafe nicht mit Sadiq!. Und ich schlafe auch nicht mit Männern, die verheiratet sind, oder verlobt.“

„Sicher haben Sie damit aufgehört, nachdem die Verlobung verkündet worden ist. Ich habe genaue Kenntnis darüber, wo er sich seitdem aufgehalten hat.“

„Weiß er, dass Sie ihn beobachten lassen? Oder von diesen schrecklichen Verdächtigungen?“

„Ich verurteile nicht, dass er vorher Geliebte hatte. Das ist ja üblich.“

Obwohl es ihn ärgerte, dass sein zukünftiger Schwager gerade mit dieser Frau geschlafen hatte. Warum ihn das wurmte, wollte Kasim nicht genauer ergründen. Oder sich überlegen, wie ein so sanfter Mann es geschafft hatte, sie zu verführen. Kasim hatte Sadiq immer als ernsten und in sich gekehrten Menschen empfunden, der beinahe so naiv war wie Hasna.

Diese Frau hingegen war überraschend mutig und würde einen Mann wie Sadiq dominieren.

Was erklärte, warum sein zukünftiger Schwager nicht in der Lage gewesen war, diese Sache endgültig zu beenden.

„Und … was mache ich?“, wollte sie wissen. „Ihn beschwatzen zu bleiben, indem ich seine zukünftige Frau ausstatte. Ihre Logik ist mangelhaft, Eure Hoheit.“

Ihre Impertinenz überraschte ihn, da er ein solches Verhalten nicht gewohnt war. Nur seine Schwester war bisher frech zu ihm gewesen, hatte ihre Worte aber so gewählt, als würde sie ihn aufziehen.

Angeliques Unverschämtheit fand er stimulierend, aber auch anstrengend und ärgerlich. Offensichtlich war ihr nicht klar, mit wem sie es zu tun hatte.

„Warum widersprechen Sie mir? Ich biete Ihnen an, Sie für Ihre Arbeit zu bezahlen. Und wenn Sie sich weiter weigern, die Wahrheit zuzugeben und zu versprechen, ihn nicht mehr zu sehen, verliere ich sicher irgendwann die Geduld und ziehe bei diesem ganzen Arrangement den Stecker. Und zum Teufel mit Hasnas Tränen.“

„Das würden Sie Ihrer Schwester antun?“ Fassungslos starrte sie ihn an.

Sie hatte keine Ahnung, wie weit er gehen würde – und schon gegangen war –, um seine Familie zu schützen.

Aber er würde deshalb nicht wieder mit sich ins Gericht gehen. Es zog ihm immer noch das Herz zusammen, wenn er daran dachte, besonders da Hasna immer noch so oft weinte. Doch er hatte getan, was getan werden musste. Rücksichtslos.

Und er würde es wieder tun.

Aber er würde nicht zusehen, wie seiner Schwester erneut das Herz gebrochen wurde. Sie liebte Sadiq, und er würde der treue Ehemann sein, den sie sich wünschte. Wenn das bedeutete, schnellstens ein neues Brautkleid aufzutreiben, dann sollte es eben so sein.

Statt einer Antwort musterte er sie nur schweigend.

„Also müsste ich nur sagen, dass ich Sadiqs Geliebte bin, und dieses Problem löst sich in Luft auf?“

„Plus Sie schicken mir die Rechnung und treffen sich nie wieder mit Sadiq.“

„Ich kann Ihr Geld einer Wohltätigkeitsorganisation geben“, erklärte sie.

„Das können Sie. Wichtig ist nur, dass Sadiq nicht mehr in Ihrer Schuld steht.“

„Ach, jetzt weiß ich endlich, warum ich das machen soll“, meinte sie amüsiert. „Und ich dachte schon, dass ich die dümmste Geliebte bin, die es auf der Welt gibt.“

„Ach was, ich bewundere Ihre Intelligenz, Angelique.“

Dass er sie beim Vornamen nannte, ließ ihr Herz noch schneller schlagen.

„Sind wir jetzt schon beim Vornamen, Kasim?“ Was bildete sich dieser Mann eigentlich ein? Sie hatte Jahre gebraucht, um ein Schutzschild gegen die Welt zu errichten, und er schob es beiseite, als wäre es eine Spinnwebe.

Seine Wimpern zuckten, als sie ihn beim Vornamen nannte.

Gut so.

„Ihre Unverschämtheit mir gegenüber ist beispiellos. Sie sollten vorsichtig sein, sehr vorsichtig, Angelique.“

Sie zwang sich, ruhig zu sprechen. „Sie glauben also, ich hätte das Ganze eingefädelt, damit Sadiq in meiner Schuld steht?“

„Vielleicht nicht finanziell. Seine Familie ist reich und hat großen politischen Einfluss. Sie haben es geschafft, das Ansehen meiner Schwester zu gewinnen. Also sieht Hasna Sie nicht als Bedrohung, falls Sie Sadiq weiterhin benutzen, zu was auch immer.“

„Dürfte ich fragen, wie Sie zu dem Schluss kommen, dass ich so kaltblütig bin?“

„Wäre Ihr Herz mit im Spiel, hätten Sie diesen Auftrag zurückgewiesen. Falls Sie sich für ein gebrochenes Herz rächen wollen, wären Sie nicht so sehr darauf aus, Hasna zu gefallen. Nein. Ich sagte bereits, dass ich selbst Geliebte gehabt habe. Ich kenne praktisch denkende Frauen. Das hier ist eine Investition in Ihre Zukunft. Was ich theoretisch akzeptiere, aber nicht dann, wenn das Glück meiner Schwester auf dem Spiel steht. Das kann ich nicht zulassen. Also.“ Er deutete mit dem Kopf auf seine Visitenkarte, die er auf den Schreibtisch gelegt hatte. „Schicken Sie mir die Rechnung. Und lassen Sie Sadiq in Ruhe.“

Es schien, als wollte er gehen.

„Moment!“ Sie sprang vor und umfasste seinen Arm.

Er erstarrte und sah auf ihre Hand, bevor er den Blick wieder hob. Seine Miene zeigte Empörung und noch etwas anderes, ausgesprochen Männliches.

„Sind wir jetzt schon so vertraut, Angelique?“ Er drehte sich ein wenig und umfasste dann ihren Arm.

Wie ein Raubvogel, der sich plötzlich herabstürzt und sein Opfer einfach packt, dachte Angelique.

Die Zeit schien stillzustehen. Ihr Herz hämmerte so stark, dass sie kaum atmen konnte.

„Unser G…Gespräch ist noch nicht beendet.“ Ihre Stimme klang entsetzlich dünn. Ihr war bewusst, dass sie ihn loslassen und zurücktreten sollte, doch das männliche Interesse, das nun in seinem Blick lag, nahm sie ganz gefangen.

Angelique wusste, dass sie schön war.

Daher gab es keinen Grund, warum sie auf die nackte Begierde gerade dieses Mannes reagieren sollte. Und doch war es so.

Hitze sammelte sich in ihrem Innern … ja, auch sie begehrte ihn. Er sah sie an, als fände er sie reizvoll. Für sie war er ein sehr attraktiver Mann. Unweigerlich ging ihr Blick zu seinem Mund, und Sehnsucht stieg in ihr auf.

Er verzog die Lippen.

Sie wusste, dass er gemerkt hatte, wie sie auf ihn reagierte, und fand es amüsant. Das nagte an ihr. Es war wie ein Fluch, dass sie nicht in der Lage war, ihre Gefühle zu verbergen. Er berührte sie auf allen Ebenen. Physisch, mental, emotional … Er hatte ihr ganzes Wesen verzaubert.

„Unser Gespräch ist beendet“, erklärte er, während er nun leicht ihre Hüfte berührte. Mit der anderen Hand zog er sie einen halben Schritt zu sich heran. „Aber wenn Sie etwas Neues beginnen wollen …“

Tu es nicht, befahl sie sich, doch es war zu spät. Sein Mund senkte sich schon auf ihre Lippen, und sie hieß ihn willkommen.

2. KAPITEL

Er küsste sie mit einer Heftigkeit, als hätte er jedes Recht dazu.

Sie wusste sofort, dass er sie bestrafen wollte, aber nicht auf gewaltsame Weise. Vielmehr wollte er, dass sie reagierte, dass sie dahinschmolz und sich ihm hingab, um zu beweisen, dass er sie und diese Situation beherrschte.

Und das tat er, indem er ihren Widerstand brach, bereit, sie zu erobern.

Angelique versuchte, ihren Selbstschutz zu aktivieren, denn sie hatte sich antrainiert, jeden Angriff mit einem eigenen Angriff zu erwidern.

Also erwiderte sie seinen Kuss mit all der Empörung, die er in ihr entfacht hatte, mit all der Frustration, weil er sie so stark berührte.

Seine Hitze drang durch ihre Kleidung bis auf die Haut. Sie knabberte an seiner Oberlippe und vergrub die Finger in seinen Haaren. Es sah ihr ganz und gar nicht ähnlich, so aggressiv vorzugehen. Doch dass er es wagte, sie einzuschüchtern, stachelte sie an.

Sie spürte, wie überrascht er war und dass seine Erregung immer stärker wurde.

Und sie reagierte in gleicher Weise, wurde überflutet von Begierde und bog sich ihm entgegen, sodass sich ihre Brüste gegen seinen muskulösen Oberkörper pressten und ihr Becken gegen seines, eine Berührung, die sie beide noch mehr entflammte.

Er schlang die Arme um sie und küsste sie noch härter. Seine Hände wanderten ihren Rücken hinunter, und er umfasste ihren Po.

Angelique keuchte auf, als er sein Becken noch fester gegen ihres drückte und ihr unmissverständlich klar machte, was er wollte.

Überwältigt von diesem Augenblick, ließ sie es zu. Sie war es gewohnt, entweder als Trophäe oder als Göttin behandelt zu werden, die hoch oben auf einem Podest stand. Doch noch kein Mann hatte sie geküsst, als sei sie eine Frau, die er nicht nur wollte, sondern nach der er sich auch sehnte.

Sie legte den Kopf zurück und ergab sich. Aber nicht ihm. Sondern dem Kuss. Und dem, was sich zwischen ihnen aufbaute.

Er murmelte etwas, was wie ein Zauberspruch klang, während er seine Lippen über ihr Dekolleté wandern ließ.

„Ja“, keuchte sie und wollte, dass er ihre Brüste entblößte und mit seinem Mund liebkoste. Doch als er seine Hand auf ihre Brust legte und sie streicheln wollte, zuckte sie zurück.

„Nicht“, versuchte sie zu sagen, doch er hatte bereits ihr silbernes Amulett umfasst, um es über ihre Schulter zu streifen.

Eben noch hatte Kasim sich in seiner Erregung verloren und sich vorgestellt, mit einer Frau von außergewöhnlichen Leidenschaft zu schlafen.

Im nächsten Moment wurde die Tür aufgestoßen und bewaffnete Männer platzten herein.

Sein Herz explodierte.

Instinktiv versuchte er, Angelique hinter sich zu ziehen, doch sie weigerte sich und rief: „Alles in Ordnung! Orchidee. Wegtreten!“

Sie hielt eine gespreizte Hand hoch, als könnte sie damit Kugeln abwehren, und versuchte, sich vor Kasim zu drängen, als wollte sie ihn mit ihrer schmalen Figur beschützen. Doch er schlang schützend seine Arme um sie, während er erst jetzt merkte, dass es die Wachmänner waren, die er auf seinem Weg hierher bereits gesehen hatte.

„Alles in Ordnung“, beteuerte Angelique mit zitternder Stimme. „Lass mich los“, sagte sie dann zu Kasim. „Damit ich die Sache regeln kann.“ Sie stieß mit der Hand gegen seine Schulter.

Kasim hielt sie so fest umklammert, dass er sich bewusst zwingen musste, seine Muskeln zu entspannen.

„Mir geht es gut“, versicherte sie den Wachmännern, während sie, sichtlich zitternd, zurücktrat. „Wirklich. Es war meine Schuld. Er hat sich meine Halskette angesehen. Ich hätte ihn warnen sollen, vorsichtig damit zu sein.“

Ihre Halskette angesehen? Ihr Lippenstift war verschmiert, und sie war rot bis unter die Haarspitzen. Ihre Wachmänner waren doch nicht dumm.

Aber sie verhielten sich sehr professionell. „Codewort?“

„Seerose. Und haben Sie das wirklich getan?“ Sie ging zu einer kleinen versteckten Vorrichtung, um etwas zurückzusetzen, dann durchquerte sie seufzend den Raum und nahm mit immer noch zitternder Hand ihr Smartphone vom Schreibtisch. „Danke. Bitte gehen Sie zurück auf Ihre Plätze.“

Die Wachmänner steckten die Waffen zurück ins Holster und schlossen die Tür hinter sich.

Während ihr Smartphone klingelte und einen Videoanruf ankündigte, setzte sie sich, nahm ein Papiertaschentuch und wischte sich vor dem kleinen Standspiegel hastig über den Mund. „Es dauert nur eine Sekunde, aber wenn ich das nicht …“

Eine männliche Stimme bellte: „Oui.“

Bonjour, Henri.“ Angelique sah immer noch verblüfft und sehr verlegen aus, versuchte aber zu lächeln.

Kasim war völlig schockiert. Dieser Kuss war so erregend gewesen, dass er nur daran denken konnte, damit weiterzumachen. Hör auf zu telefonieren.

Je m’excuse. War allein meine Schuld.“, fuhr Angelique fort. „Falscher Alarm. Es war nur eine Übung.“

„Was war denn los?“

„Lange Geschichte, und ich bin gerade beschäftigt. Kann ich dich später zurückrufen?“

„Ich sehe mir die Berichte der Security an.“

Angelique zuckte kurz zusammen und schloss die Augen. „Ja“, sagte sie in gequältem Ton und beantwortete eine Frage, die er nicht gestellt hatte. „Der Prinz ist noch hier. Kann ich dich bitte später anrufen?“

„In einer Stunde“, befahl er, und sie beendeten das Gespräch.

Angelique legte das Smartphone auf den Tisch und stieß entnervt die Luft aus.

„Als Nächstes wird Ramon anrufen, mein anderer Bruder“, meinte sie und deutete mit dem Kopf auf ihr Smartphone, das bereits wieder klingelte. „Da ist er schon. Spanische Inquisition.“ Sie schlug die Hände zusammen und verdrehte die Augen. „Sehr lustig. Danke.“

„Gibst du mir die Schuld?“ Er hätte nicht überraschter sein können über die Ereignisse eben.

Sie zuckte die Schultern, während sie die Nachricht auf ihrem Smartphone las und es wieder auf den Tisch legte.

Dann ging sie zu dem Schränkchen in der Ecke und meinte: „Wie wäre es jetzt mit einem Kaffee?“

Angelique goss zwei Tassen von dem inzwischen lauwarmen Kaffee ein. Sie brauchte etwas, um ihre Nerven zu beruhigen.

Hoffentlich wirkte dieser Vorfall sich nicht negativ auf die Hochzeitsvorbereitungen aus.

Was war nur mit ihr los gewesen, dass sie sich von Kasim hatte küssen lassen? Seit er in ihr Büro spaziert war, hatte er dafür gesorgt, dass ihre Abwehr bröckelte. Jetzt stand sie schutzlos da und hatte Mühe, sich zusammenzureißen, damit er nicht sah, wie sehr er sie durcheinandergebracht hatte.

„Milch und Zucker?“, fragte sie, um Zeit zu gewinnen.

„Schwarz.“

Sie schenkte ein und drehte sich wieder zu ihm um.

Er hatte gerade mit seinem Taschentuch ihre Lippenstiftspuren weggewischt und steckte es wieder ein. Mit ruhiger Hand nahm er die Tasse entgegen, die sie ihm zitternd hinhielt.

Schnell griff sie nach ihrer Tasse und nahm einen großen Schluck.

Gespanntes Schweigen hing im Raum.

Sie überlegte, was sie sagen könnte, musste jedoch immer wieder an den Kuss denken. Was hatte er mit etwas Neuem beginnen gemeint? Und was dachte er jetzt wohl von ihr? Dass sie so viel Wachpersonal hatte, hatte schon einige Verehrer verschreckt.

Aber er war kein Verehrer, rief sie sich in Erinnerung. Sondern ein arroganter Mann, der etwas falsch verstanden hatte. Deshalb hatte sie seinen Arm umklammert. Denn sie hatte ihn nicht gehen lassen wollen, solange er so schlecht über sie dachte.

„Ich habe darüber nachgedacht, wie viel Security ich überwinden musste, um hierher zu kommen“, sagte er und sah sie nachdenklich an. „Mir war nicht klar, dass das immer noch ein Thema für deine Familie ist.“

Ja sicher, lass uns darüber sprechen, dass meine Schwester gekidnappt wurde und wie sehr uns das alle immer noch beeinträchtigt.

Das fehlte ihr noch.

„Wir sind sehr darauf bedacht, es nicht zum Thema zu machen. Wie du wohl mitbekommen hast.“ Sie versuchte zu vergessen, wie peinlich es ihr gewesen war, von ihren Wachleuten beim besten Kuss ihres Lebens gestört zu werden. Sie war zu verwirrt gewesen, um den Fehler mit dem Notfallknopf verhindern zu können.

Auf Abstand bedacht, kehrte sie hinter ihren Schreibtisch zurück, stellte mit etwas ruhigerer Hand ihre Kaffeetasse ab und bedeutete ihm mit einem Nicken, sich zu setzen.

„Ich bleibe stehen.“

„Wie du willst.“ Sie stützte sich auf dem Schreibtisch ab. „Aber du wirst nicht gehen, bis ich es dir erlaubt habe.“

Er schnaubte, doch sie merkte, dass sie seine Aufmerksamkeit hatte, was sein hitziger Blick verriet.

Angelique schluckte. Gut, dass sie immer noch ihren Anhänger trug. Nur schade, dass er jetzt davon wusste.

„Einen Pluspunkt kannst du dir weiter zugutehalten“, versuchte sie ihn zu besänftigen, „Dass du das Brautkleid, das ich für deine Schwester entworfen haben, zurückgeben willst, weil du sie beschützen willst. Genauso geht es mir mit meiner Schwester.“

Empathie. Ein wichtiger Faktor bei einer Geiselverhandlung.

„Offensichtlich weißt du über die groben Details von Trellas Kidnapping Bescheid.“ Sie musste schlucken, weil ihre Kehle plötzlich wie zugeschnürt war.

„Ich weiß, was damals in den Nachrichten darüber berichtet wurde, ja.“

Sie warf ihm einen Blick zu, nicht sicher, was sich auf seiner Miene spiegeln würde. Vielleicht Neugier. Die Leute wollten immer grausige Details darüber wissen, warum ein neunjähriges Mädchen von ihrem Mathematiknachhilfelehrer verschleppt worden war. Fünf Tage lang hatte man Trella festgehalten, bis die Polizei sie gefunden hat. Auch bei Hasnas Anprobe heute hatte es mehr als eine Frage von verschiedenen Frauen zu diesem Thema gegeben.

Angelique war sehr geschickt darin, solchen Fragen auszuweichen, aber sie rieben jedes Mal Salz in die Wunde.

Auch wenn sie nicht sagen konnte, was Kasim dachte, schien er zu verstehen, dass dies nicht einfach für sie war, denn er wartete geduldig.

Na toll. Jetzt begannen auch noch ihre Augen zu brennen. Sie wusste, dass sie später weinen würde, wenn sie mit ihren Brüdern sprach. Nicht, weil sie sich über den Fehlalarm ärgerte, sondern weil sie nach einem so aufreibenden Tag irgendwann nicht mehr an sich halten konnte.

„Was jedoch nie publik wurde ist Sadiqs Anteil daran, dass wir Trella zurückbekommen haben.“

Kasim stellte seine Tasse auf den Tisch und verschränkte die Arme. „Erzähl weiter.“

„Kannst du nicht einfach akzeptieren, dass wir deshalb das Gefühl haben, in seiner Schuld zu stehen?“

„Wenn das so ist, hätte dein Bruder ihm Anteile von Sauveterre International geben können. Oder dein anderer Bruder, der Autorennen fährt, hätte ihm einen Rennwagen schenken können. Warum das hier?“

„Sadiq ist sehr bescheiden und hat alles abgelehnt, was wir ihm angeboten haben. Er hat sich nie damit gebrüstet, dass er mit unserer Familie verbunden ist. Er tut, was er kann, um unsere Privatsphäre zu schützen. Und genau deshalb lieben wir ihn.“

Wieder nahm sie einen Schluck von ihrem viel zu süßen Kaffee und suchte nach den richtigen Worten.

„Wie du schon sagtest, hat seine Familie sehr viel Geld. Ihm Anteile zu schenken, wäre nur eine Geste, aber nichts wirklich Bedeutsames. Und er interessiert sich überhaupt nicht für Rennwagen so wie Ramon. Doch als deine Schwester dann sagte, dass sie uns wegen ihres Kleids kontaktieren wollte, war Sadiq froh, endlich etwas gefunden zu haben.“

Maison des Jumeaux war nicht deshalb exklusiv, weil die Kleider sehr teurer waren. Nein, ihr Haus war so begehrt, weil sie und Trella sehr wählerisch in Bezug auf ihre Kundinnen waren und vor allem darauf bedacht, deren Privatsphäre zu schützen. Nicht jeder bekam einen Termin, ganz zu schweigen von einem Ballkleid mit handgesticktem Label.

„Sadiq hat sich nur auf unsere Freundschaft berufen, um zu fragen, ob wir Hasna als Kundin akzeptieren. Natürlich waren wir dazu bereit, und selbstverständlich wollten wir auch kein Geld von ihm. Ich glaube, er hat nur deshalb keinen Einwand erhoben, weil es Hasna zugutekommt, nicht ihm. Und Trella kann sich auf diese Weise ihm gegenüber erkenntlich zeigen. Um ihretwillen ist es sehr wichtig für uns alle, dass sie ihm diesen Gefallen tun darf.“

Es war Teil ihres Heilungsprozesses. Außerdem hatte Trella sich das Ziel gesetzt, an der Hochzeit teilzunehmen, komme, was wolle.

„Hat deine Schwester eine Affäre mit ihm?“

„Ist das alles, was du aus meinen Worten herausgehört hast? Nein! Und auch meine Mutter nicht, solltest du auf diese Idee kommen. Meine Familie bezahlt die Materialien, Trella und ich machen die Arbeit. Wir wollen nicht, dass Sadiq uns etwas schuldig ist, sondern nur einen Beitrag leisten für diesen besonderen Tag, der ihn glücklich macht. Das ist alles.“

Kasim fuhr sich über die Wange und dachte darüber nach.

„Du glaubst mir immer noch nicht?“ Was, in aller Welt, sollte sie denn noch tun?

„Wie hat er geholfen, diesen Kidnapping-Fall zu lösen? Wie alt war er damals? Fünfzehn? Sechzehn?“ Er klang sehr skeptisch. „Wie gut kennt er überhaupt deine Familie? Soweit ich weiß, wollte er in die Schweiz, um sich auf die Universität vorzubereiten.“

„Ich nehme an, dieses Gespräch bleibt unter uns, nicht wahr? Die Polizei hat uns gebeten, die Sache vertraulich zu behandeln, woran wir uns immer gehalten haben. Wir sprechen nie öffentlich über das Kidnapping, weil es viele Details gibt, die wir für uns behalten wollen.“

„Natürlich“, murmelte er gereizt, als sei er beleidigt, dass seine Integrität infrage gestellt wurde.

„Weißt du, dass Sadiq ein kleines Computergenie ist? Nun ja, das Internet gab es damals noch nicht so lange, aber ein paar Tools waren schon entwickelt, um Nachforschungen betreiben zu können. Wir verdanken ihm, dass Trella zurückgekommen ist Und du hast recht. Er hatte nur von uns gehört. Befreundet waren wir damals noch nicht. Er hatte in der Schule ein paar Kurse mit meinem Bruder, und als man sich Trella schnappte, stand er neben Ramon auf der Treppe. Sadiq hat gesehen, wie es passierte, und war entsetzt. Er wollte uns helfen und hat viele Stunden damit verbracht, eine Software zu entwickeln, die die Polizei schließlich auf die Spur der Kidnapper geführt hat. Wenn du noch mehr wissen willst, solltest du ihn selbst fragen.“

Tatsächlich war Sadiq ein Spezialist in Sicherheitsfragen. Inzwischen steckte er sein Können in sein Privatunternehmen – ein geheimer Nebenjob, von dem sie nur wusste, weil ihre Familie ihr den Mann vorgestellt hatte, dessen Unternehmen für ihre eigene Sicherheit sorgte. Sie war nicht einmal sicher, ob Hasna davon wusste, dass er Codes für Tec-Sec Industries entwickelte.

„Es gibt nicht viele Menschen, denen wir bedingungslos vertrauen, aber Sadiq ist einer von ihnen. Er hat Trella das Leben gerettet. Wenn er also möchte, dass ich deiner Schwester bis an ihr Lebensende Kleider designe, dann würde ich ihm diesen Gefallen nur zu gerne tun. Und ohne dich vorher zu fragen.“

3. KAPITEL

Kasim hatte nicht erwartet, dass sie eine Affäre mit Sadiq offen zugeben würde, aber mit einer Erklärung wie dieser hatte er auch nicht gerechnet. Sie warf ein völlig anderes Licht auf die Dinge, und er konnte nicht anders, als ihr glauben.

Natürlich hatte sie ihr Bestes gegeben, um sein Hirn mit diesem Kuss zu vernebeln. Deshalb müsste er in Zukunft vorsichtig sein.

„Ich weiß, Sadiq ist sehr bescheiden und hilfsbereit. Und ich kann mir vorstellen, dass er es auf sich nehmen würde, einer fremden Familie zu helfen. Aber ich werde ihn danach fragen“, warnte er.

„Tu dir keinen Zwang an.“

Sadiq würde ihre Geschichte rückhaltlos bestätigen. Es war eine geschmackvollere Erklärung für ihr Verhalten als zuzugeben, dass er eine Affäre mit ihr gehabt hatte. Auch für ihn klang sie besser, musste Kasim widerwillig einräumen.

„Vielleicht sollte ich ein paar Details an meine Eltern weitergeben.“ Schade, dass seine Mutter bereits davon wusste. Sie hatte den Verzicht auf eine Zahlung bereits dazu benutzt, seinen Vater aufzuhetzen und sich daran ergötzt, den König darüber informiert zu haben, dass es im Zusammenhang mit der Hochzeit ihrer Tochter vielleicht einen Skandal geben könnte. Sie hätte die Hochzeit leicht in Gefahr bringen können, da sie immer um die Aufmerksamkeit des Königs bemüht war, stets in Konkurrenz mit seiner Gefährtin Fatina.

Es war ermüdend, auch für seinen Vater, der ein krankes Herz hatte. Kasim erwartete eigentlich, dass seine Mutter mehr Vernunft zeigte. Fast schien es, als versuchte sie, einen Herzinfarkt zu provozieren. Vielleicht stimmte das sogar. Aber zumindest könnte er mit dieser Information ihren letzten Schlag entschärfen.

„Na schön, wenn deiner und meiner Schwester dadurch eine große Enttäuschung erspart wird“, entgegnete Angelique steif und erhob sich. „Ich nehme an, sie werden diese Information ebenfalls vertraulich behandeln.“

„Das werden sie“, versprach er und merkte, dass sie versuchte, ihn hinauszuwerfen.

Doch er war nicht bereit zu gehen, weil er ihren Kuss immer noch nicht vergessen hatte.

„Geh heute Abend mit mir zum Essen“, sagte er.

„Pah! Ist das dein Ernst?“ Sie funkelte ihn böse an. „Warum?“

„Weil es noch mehr gibt, über das wir reden müssen.“

„Zum Beispiel?“

Sein Blick ging zu dem verknüllten Taschentuch mit den Lippenstiftspuren, das auf dem Schreibtisch lag.

Angelique wandte beschämt den Blick ab. „Das war ein Fehler.“

„Ich würde es als erfolgreiche Ablenkung bezeichnen“, hielt er ihr entgegen.

Sie sah ihn wieder an. „Das war nicht meine Absicht.“

Kasim zuckte die Schultern. „Trotzdem bieten sich jetzt neue Möglichkeiten.“ Er malte sich die gleiche explosive Leidenschaft auf seidenen Laken aus. Oder auf dem Schreibtisch, hinter dem sie stand.

„Ich kann nicht“, wehrte sie pikiert ab.

„Warum nicht?“ Plötzlich kam ihm ein Gedanke. „Hast du eine Beziehung?“ Er verspannte sich.

„Dann hätte ich dich wohl nicht geküsst, oder?“

„Ich weiß nicht.“ Er entspannte sich wieder und fand allmählich Gefallen an ihrer Verärgerung, die ihre Augen blitzen ließ und ihre große Leidenschaft verriet, von der er bereits bei ihrem Kuss gekostet hatte. „Deshalb sollten wir zusammen essen, damit wir einander besser kennenlernen.“

„Hast du eine Beziehung?“, schoss sie zurück.

„Nein“, erklärte er mit finsterem Blick, er war es nicht gewohnt, dass jemand ihm so persönliche Fragen stellte.

Sie entspannte sich ein wenig, hob dann jedoch eine Braue. „Willst du weiter über Sadiq sprechen? Glaubst du mir immer noch nicht?“

„Ich will mich mit dir verabreden, Angelique, das ist doch wohl offensichtlich.“

„Du willst ein Date mit mir?“

Sie trat einen halben Schritt zurück, senkte den Blick und wirkte verunsichert.

„Ich glaube, das ist keine gute Idee. Ich verabrede mich selten.“

„Dann sollte es doch ein Vergnügen für dich sein, mit mir zu Abend zu essen.“

Ihr Lachen hätte ihn vielleicht beleidigt, hätte sie nicht einen so wunderschönen Mund.

„Ich werde mich nicht dafür entschuldigen“, erklärte sie, als er die Arme verschränkte. „Aber ich habe nicht deshalb gelacht, weil du so eingebildet bist, sondern weil du recht hast mit deiner Bemerkung.“

Sie lächelte immer noch. „Wenn ich irgendwo hingehe, wird immer großes Aufheben um mich gemacht. Und den Ärger will dir ich ersparen, weil ich ihn nicht wert bin. Ich weiß es, weil man mir das mehr als einmal gesagt hat.“ Ihr Lächeln verblasste und machte einer wehmütigen Miene Platz.

Er wollte schon sagen, dass sie in seinem Penthouse essen könnten, als ihm einfiel, dass seine Mutter, seine Schwestern und einige weibliche Verwandte sich dort aufhielten.

„Dann bei dir“, meinte er.

Sie schüttelte den Kopf. „Trella vertraut darauf, dass gewisse Orte privat bleiben, und unsere Wohnung zählt dazu.“

Dass sie ihre Schwester schützen wollte, verstand er sehr gut.

„Dann doch in einem Restaurant.“

„Ich meine es ernst, Kasim. Meine Art von Berühmtheit ist eine Bestrafung. Du würdest von heute auf morgen als mein Liebhaber geteert und gefedert.“

„Was soll’s? Schließlich habe ich die Absicht, mit dir die Nacht zu verbringen.“

„Ach ja?“, machte sie sich über ihn lustig und errötete vor Entrüstung, aber auch Erregung.

Kasim sah, wie sie mit der Zunge über ihre Lippen fuhr. Ihre Brustwarzen zeichneten sich deutlich unter dem Seidenstoff ihrer Bluse ab.

Er lächelte voller Erwartung.

„Ziemlich vermessen von dir, meinst du nicht?“, entgegnete sie schnippisch.

„Tu nicht so überrascht, Angelique.“ Sein Blick glitt zu ihren Brüsten. „Wir wollen doch beide wissen, worauf das hinauslaufen könnte. Und wenn du nicht vorher zum Essen gehen willst, können wir gleich hier und jetzt damit weitermachen. Vorausgesetzt, du nimmst zuerst deine Kette ab.“

Trotzig hob sie das Kinn. „Du wirst schon sehen, dass es eine Bestrafung ist.“ Damit ging sie an ihm vorbei zur Tür.

„Maurice“, sagte sie, als sie die Tür öffnete. „Eine Visitenkarte, bitte. Ich werde später mit dem Prinzen zu Abend essen. Wären Sie so freundlich, jemanden zu bitten, sich nach einem Restaurant seiner Wahl umzuschauen?“

Sie gab die Karte an Kasim weiter, der hinter ihr aufgetaucht war. Wenn er unbedingt so dreist sein wollte, musste er den Fluch ihrer Berühmtheit ertragen.

„Deine Männer können diese Nummer wegen der Details anrufen“, sagte Angelique.

Nachdenklich steckte er die Karte ein. „Ich hole dich um sieben Uhr ab.“

„Nicht nötig. Meine Security wird mich hinbringen.“

„So vorsichtig?“

„Das ist nun mal meine Realität“, meinte sie mit traurigem Lächeln.

Er hat mich provoziert.

Das war der einzige Grund, warum sie dem Dinner zugestimmt hatte.

Wie sie sich einredete.

Und wiederholte es Trella gegenüber, als ihre Schwester sie via Skype anrief, bevor Angelique Henri zurückrufen konnte.

„Was ist los mit dir?“, fragte Trella mit besorgtem Stirnrunzeln. „Ich fühle mich … ach, ich weiß auch nicht. Rastlos. Überdreht. Henri hat mir eine SMS geschickt, in der stand, dass dein Notruf nur ein Fehlalarm war. War es doch etwas Ernstes?“

Sie und ihre Schwester hatten kaum Geheimnisse voreinander. Mehr oder weniger unfreiwillig.

Tatsächlich bestand eine verblüffende seelische Verbindung zwischen ihnen. Ganz egal, wie weit sie voneinander entfernt sein mochten, spürten sie die jeweilige Stimmung der anderen. Sie wussten, wenn die andere Angst hatte, glücklich oder traurig war.

Ihr besorgter Anruf zeigte Angelique, dass Trella allmählich aus sich herausging. Jahrelang hatte sie unter Panikattacken gelitten, aber jetzt versuchte sie immer öfter, ihre Angst zu überwinden. Sie übte regelmäßig, unter Menschen zu gehen, damit sie an Sadiqs Hochzeit teilnehmen konnte.

Trotz der großen Fortschritte machte Angelique sich große Sorgen, dass irgendetwas bei Trella einen Rückfall auslösen könnte. Deshalb sagte sie schnell: „Ich habe mich nur vorhin zur Idiotin gemacht. Mehr war nicht.“

Über den Kuss ließ sie sich nicht näher aus, brachte Trella aber zum Lachen, als sie ihr beschrieb, wie Kasim aus Versehen den Notfallknopf ausgelöst hatte.

„Er meinte, es wäre ein Vergnügen, mit ihm zu Abend zu essen. Dem werde ich es zeigen“, murmelte sie.

„Du bist schon lange nicht mehr verabredet gewesen. Und es ist noch länger her, dass dir wirklich jemand gefallen hat“, bemerkte Trella.

Es war sinnlos, zu leugnen, wie sehr Kasim ihr gefiel.

„Ich weiß auch nicht, warum. Er ist überhaupt nicht mein Typ.“

„Wer ist schon dein Typ. Du gehst mit Männern aus, die dir ein schlechtes Gewissen machen, wenn du sie abblitzen lässt, oder mit denen du Mitleid hast.“

„Mit diesem habe ich kein Mitleid. Er ist …“ Unbeschreiblich. Sie reagierte auf ihn ganz anders, als sie es bisher erlebt hatte. Das, was sie bei ihm fühlte, ging viel tiefer.

In diesem Moment fiel ihr ein, dass sie Henri einen Rückruf versprochen hatte. Schnell fragte sie ihre Schwester: „Was ist bloß mit Henri und Cinnia los? Ich habe das Gefühl, als ob da etwas nicht in Ordnung ist.“

Trella schien zu überlegen. „Er hat mir nichts gesagt, aber jetzt, da du es erwähnst …“

Henri sagte nie ein Wort über irgendetwas, bis er entschied, dass die anderen es auch wissen sollten. Aber wenn er jemandem ein Geheimnis anvertraute, dann war Trella die Erste, der er es verriet. Sie standen sich alle nahe, hatten aber auch ihre ganz eigene Beziehung zueinander, die zurückging bis zu dem Tag, als Angelique und Trella auf die Welt gekommen waren. Ihre Zwillingsbrüder hatten ihren Schwestern die Namen geben dürfen, was bei beiden Jungen zu einem besonderen Gefühl der Verantwortung für ihr jeweiliges Baby geführt hatte.

Als seien sie ihr Eigentum, hatten Angelique und Trella sich oft zugeflüstert. Immer wieder behandelten die Jungs ihre Schwestern wie Kätzchen, die sie aus dem Tierheim geholt hatten, eine Dynamik, die ihr gesamtes Leben färbte. Alle vier liebten sich, doch Henri fühlte sich Trella mehr verbunden, Ramon hingegen Angelique.

Was nicht hieß, dass Henri gegenüber Angelique nicht weniger fürsorglich war. Seit Trella entführt worden und ihr Vater kurz darauf gestorben war, nahmen sie es noch viel genauer mit ihrer Verantwortung.

Und beide würden auf einer Erklärung für den heutigen Fehlalarm bestehen.

Angelique beendete das Gespräch und rief dann beide Brüder gleichzeitig an: „Ich kann nicht lange reden. Habe eine Verabredung“, eröffnete sie den Video-Call.

Zwei gleich aussehende Gesichter starrten sie an. Henri in seiner Wohnung in London, die er sich oft mit Cinnia teilte, Ramon aus dem Firmenbüro in Madrid. Beide schenkten Angelique ihre volle Aufmerksamkeit, wobei Henri eher ernst wirkte, Ramon hingegen ein wenig amüsiert.

„Glaubst du allen Ernstes, wir kaufen dir die Story von ‚nur deine Kette ansehen‘ ab?“, fragte Ramon.

„Willst du wirklich eine andere hören?“, meinte sie herausfordernd.

Sois prudent, Gili“, sagte Henri. „Er behält seine Frauen nicht lange und hat öffentlich verkündet, dass sein Vater ihm eine Braut aussucht – zweifellos eine Jungfrau aus Zhamair. Ich würde dir nicht zu einer Romanze raten.“

„Hast du das gehört, Ramon? Mach dir keine Hoffnungen.“

Von Henri kam kein Lachen. Er war zurzeit ein richtiger Griesgram. Angelique suchte hinter ihm nach Cinnia. Normalerweise erschien sie zumindest für ein schnelles Hallo auf dem Bildschirm.

„Ich muss für eine Woche nach Beijing, aber danach bin ich wieder in Paris. Dann kannst du es mir genau erklären“, sagte Henri.

Da kannst du lange warten, dachte sie und unterdrückte ein Schnauben. Gewöhnlich hielt Henri sich entweder in Paris oder London auf, mit gelegentlichen Besuchen in New York und Montreal. Wobei er öfter „wir“ sagte, womit er sich und Cinnia meinte, seine Geliebte seit zwei Jahren.

Ramon hingegen stellte seine Freundinnen erst dann der Familie vor, wenn sie sich bei einem gesellschaftlichen Ereignis zufällig über den Weg liefen. Für ihn waren Frauen nur ein Zeitvertreib. Und er war immer auf dem Sprung und reiste für Sauveterre International zwischen Spanien, Portugal und den südamerikanischen Staaten hin und her.

„Trella hat mir gesagt, dass ich sie morgen nicht begleiten soll“, meinte Ramon und zog die dunklen Brauen zusammen. „Hat sie dir davon erzählt?“

„Wie bitte? Nein!“ Angelique war überrascht. „Ich habe gerade mit ihr gesprochen. Sie sagte, ‚bis morgen‘. Wir wollen Hasnas Kleid fertigstellen und dann alles einpacken.“ Hatte sie ihrer Schwester die Chance genommen, ihre Bedenken zu äußern, da sie zu sehr auf sich und ihr Date mit Kasim konzentriert gewesen war?

„Sie hat erklärt, allein nach Paris reisen zu wollen. Natürlich mit Security, aber auf meine Begleitung wollte sie verzichten.“

„Mach es trotzdem“, befahl Henri. „Und falls du es nicht schaffst, werde ich meinen Terminplan ändern und sie abholen. Wo ist Mama?“

„Nein!“, warf Angelique ein. „Wir haben immer gesagt, dass Trella erlaubt sein muss, ihren eigenen Rhythmus zu finden. Und das heißt, dass wir sie nicht drängen, bevor sie bereit ist, aber es bedeutet auch, sie nicht zurückzuhalten, wenn sie sich in der Lage fühlt. Du weißt, wie viel Mühe sie sich gibt.“

„Genau deshalb sollte sie nichts überstürzen. Nein, das gefällt mir nicht“, sagte Henri rundheraus.

„Mir auch nicht“, stimmte Ramon zu.

„Wie schade“, entgegnete Angelique, obwohl auch sie sich Sorgen um ihre Schwester machte. „Ich werde hier sein“, fuhr sie fort. „Und mit dem Privatjet sind es nur ein paar Stunden. Ich fliege die Strecke ja oft.“

„Das ist etwas anderes“, brummte Ramon. „Und das weißt du.“

„Lass sie allein fliegen“, beharrte Angelique und achtete nicht darauf, dass ihre Handflächen feucht geworden waren. „Ich schreibe ihr eine SMS, dass ich sie abholen werde, sollte sie ihre Meinung ändern.“

Seufzend verabschiedete sie sich von ihren Brüdern, um sich für den Abend fertigzumachen.

Karim hatte ein Restaurant ausgesucht, das Angelique und ihre Familie wegen des ausgezeichneten Essens und der Lage oft besuchten. Es befand sich im Makricosta, einem der luxuriösesten Hotels von Paris. Das Personal war erfahren darin, die Privatsphäre zu schützen, indem sie die Gäste nicht durch die Lobby führten, sondern sie unten im Parkhaus abholen ließen und sie dann mit dem Personalaufzug hochfuhren.

Angelique fand es immer amüsant, dass die exklusivsten Gäste sich in schmucklosen Aufzügen und hell erleuchteten Fluren wiederfanden, in denen Wägelchen mit Bettwäsche und schmutzigem Geschirr standen.

Zu ihrer Überraschung entdeckte sie Kasim bereits im Aufzug, als sich die Tür öffnete. Er trug ein lässig elegantes Jackett über einem schwarzen Hemd, das am Hals offenstand.

Ihr Blut geriet in Wallung. Was hatte dieser Mann nur an sich?

„Ich wusste nicht, dass du in diesem Hotel wohnst“, sagte sie und versuchte zu verbergen, welche Wirkung er auf sie hatte, als sie und Maurice den Lift betraten.

„Habe ich auch nicht. Bis ich mich mit dir verabredet habe.“ Er hielt ihren Blick fest.

Noch nie hatte sie beim ersten Date so schnell an Sex gedacht. Vielmehr hatte sie es bei den paar Mal sehr langsam angehen lassen. Bei jeder Verabredung war sie voller Erwartung gewesen, doch wenig befriedigt wieder gegangen.

Jetzt fragte sie sich unwillkürlich, wie es wohl wäre, mit Kasim zu schlafen. Sein Kuss war sehr vielversprechend gewesen. Allein der Gedanke daran machte sie nervös.

„Falls du den Wunsch hast, ohne Publikum zu essen“, fügte er amüsiert hinzu, als wüsste er, wohin ihre Gedanken abgeschweift waren.

Der Mann war unmöglich. Er hatte sie dazu gebracht, an Sex mit ihm zu denken. Absichtlich.

Sie würde nicht durchblicken lassen, dass sein Trick funktioniert hatte, obwohl ihre geröteten Wangen sie wahrscheinlich verrieten. „Das Restaurant hier ist in Ordnung. Man belästigt mich dort selten.“

Der Oberkellner begrüßte sie freundlich mit Namen und versicherte Kasim, es sei ihm eine Ehre, ihn bedienen zu dürfen. Er führte sie zu einem Tisch am Fenster. Ein dekorativer Paravent war vor ihrer Ankunft dort aufgestellt worden, der sie von den anderen abschirmte.

Kasim schob ihr den Stuhl zurück und warf einen Blick auf den Wandschirm, als er sich setzte. „Offenbar essen wir doch, ohne gesehen zu werden.“

„Willst du denn mit mir gesehen werden? Du wärst nicht der Erste.“

„Schämen würde ich mich nicht“, gab er trocken zurück. „Du bist sehr schön. Aber wenn du dich so wohler fühlst, dann bitte.“

Angelique versuchte, sein Kompliment zu ignorieren, als ihre Getränkebestellung aufgenommen wurde. Sie hatte mit Trella besprochen, was sie anziehen sollte und sich für ein elfenbeinfarbenes Cocktailkleid mit tiefgeschnittener Taille entschieden, das knapp über den Knien endete.

Öffentliche Auftritte waren immer ein Balanceakt. Auf der einen Seite wollte sie unbemerkt bleiben, auf der anderen Seite Maison des Jumeaux im besten Licht präsentieren, sollte sie fotografiert werden.

„Nach dem, was du heute erzählt hast, glaube ich nicht, dass derzeit Gefahr besteht. Steht der hier, um dem vorzubeugen?“ Er deutete mit dem Kopf zum Wandschirm.

„Ich versuche nur, mir etwas Geheimnisvolles zu geben“, scherzte sie, doch ihre Stimme klang tonlos. „Noch ein Grund, warum ich mich nicht verabrede“, fuhr sie fort. „Du weißt bereits mehr über mich als ich über dich … wobei all das, was im Internet über mich steht, nicht stimmt.“ Sie hoffte inständig, dass er das auch wusste, und fragte sich, warum es ihr so wichtig war.

„Du hast noch keine Nachforschungen über mich angestellt?“ Skeptisch hob er seine Brauen. „Oder Hasna über mich ausgefragt?“

„Ich bin selten im Internet, weil die Chance groß ist, dort über unangenehme Berichte über mich selbst zu stolpern. Und nein. Da ich zu sehr darauf bedacht bin, meine Privatsphäre zu schützen, gestehe ich das auch anderen zu.“ Sie erwähnte nicht, dass Henri mehr als glücklich gewesen war, diese Aufgabe für sie zu übernehmen. „Deine Schwester hat in den Monaten, die ich mit ihr gearbeitet habe, nur erzählt, du hättest darauf bestanden, dass sie die Schule fertig macht. Im Gegenzug hättest du sie in ihrem Wunsch nach einer Liebesheirat unterstützt.“

„Ist das alles?“

Kurz überlegte sie, ob sie es sagen sollte, dann gestand sie leise: „Sie hat mir verraten, dass ihr vor ein paar Jahren euren Bruder verloren habt. Das tut mir sehr leid.“ Ihre Schwester lebte wenigstens noch. Und dafür war sie jeden Tag dankbar.

Kasim sah aus dem Fenster, als müsste er einen Schlag verdauen.

„Ich hätte nicht davon sprechen sollen“, murmelte sie.

„Alle wissen davon“, wehrte er ab und wandte sich ihr wieder zu, ohne dass seine Miene etwas von seinen Gefühlen preisgab.

Angelique fühlte sich wie eine Heuchlerin, weil sie behauptet hatte, nicht in die Privatsphäre anderer einzudringen. Sie wollte unbedingt wissen, welche Gedanken ihm hinter seiner versteinerten Maske durch den Kopf gingen. Er faszinierte sie. Deshalb war sie mit zum Dinner gekommen. Da. Jetzt hatte sie es sich selbst gestanden. Sie wollte mehr über ihn wissen.

„Wie es aussieht, bin ich im Vorteil.“ Er lehnte sich zurück, um sie zu betrachten. „Zu meiner Rechtfertigung muss ich hinzufügen, dass selbst beim Wetter oder den Wirtschaftsseiten Links mit deinem Namen erscheinen. Daher ist es unmöglich, nicht im Internet über dich zu stolpern.“

„Genau deshalb schaue ich lieber aus dem Fenster, um zu sehen, ob ich einen Schirm brauche, und frage meinen Portier nach Neuigkeiten. Danke“, murmelte sie, als ihr Wein eingeschenkt wurde.

Als sie wieder allein waren, meinte Kasim: „Die Geschichte von deiner Schwester beherrschte damals die Medien. Ich war ungefähr so alt wie deine Brüder, Hasna etwa in deinem Alter. Natürlich hat mich das Ganze beschäftigt. Vermutlich hat die ganze Welt angenommen, ein Recht auf Informationen über euer Leben zu haben.“

Die Menschen hatten schon lange bevor ihre Schwester gekidnappt worden war, geglaubt, Anteil an ihrem Leben nehmen zu dürfen.

Doch ihre Familie hatte gelernt zu akzeptieren, was nicht geändert werden konnte. Dass ein französischer Tycoon und seine aristokratische Frau aus Spanien eineiige männliche Zwillinge bekommen hatten, war an sich noch nicht bemerkenswert, wohl aber, dass sechs Jahre später eineiige weibliche Zwillinge folgten. Die waren zu Medienlieblingen geworden, ohne gefragt zu werden. Sie war nie nur Angelique gewesen, sondern eine der Sauveterre-Zwillinge.

Woran sie nicht eine Sekunde etwas ändern wollte. Sie liebte ihre Geschwister und trug die Bezeichnung mit Stolz. Es war die Aufmerksamkeit, der sie sich ständig ausgesetzt sahen, die sie ermüdete.

„Es ist schon fünfzehn Jahre her. Man sollte doch annehmen, dass die Faszination inzwischen abgeflaut ist“, meinte sie mit einem selbstironischen Lächeln.

„Wohl kaum, wenn deine Schwester so abgeschieden lebt. Das macht die Sache noch geheimnisvoller.“ Kurz hielt er inne. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dich so faszinierend zu finden.“ Er sah sie an, und sie war unfähig, den Blick abzuwenden. „Du bist ganz anders als alle, die ich bisher kennengelernt habe.“

Sie hatte noch ein Kompliment über ihr Aussehen erwartet. Diese Bemerkung von ihm war jedoch viel entwaffnender. Sein Geständnis gab ihr das Gefühl, dass er in ihr Innerstes geblickt hatte und die Frau in ihr sah, die bisher kaum jemand bemerkt hatte.

Wenn sie nicht aufpasste, würde er sie verführen, ehe sie wusste, wie ihr geschah.

„Ich mag deine Schwester und will nicht, dass sie verletzt wird. Sie ist reizend.“ Angelique hielt kurz inne, ehe sie hinzufügte: „Ganz anders als du.“

Er verzog den Mund und nahm einen Schluck von seinem Wein. Sein Blick hatte nichts Weiches, als er sie ansah.

Sie hielt die Luft an.

„Nur zu, Angelique. Ich würde dir vieles durchgehen lassen.“

Sie biss sich auf die Lippe und überlegte, ob sie sich entschuldigen sollte. Oder hatte sie bereits die Beziehung zerstört, die sie im Begriff waren aufzubauen?

„Hasna ist ein liebenswürdiger Mensch“, stimmte er zu. „Und du hast recht, wir beide sind sehr verschieden. Die Frauen in unserem Land führen ein anderes Leben, sodass sie sanftere Züge entwickeln.“ Kurz dachte er nach. „Zumindest habe ich deshalb immer angenommen, dass sie so weichherzig ist, ich hingegen durchsetzungsfähiger und eher praktisch veranlagt.“.

„Aber sicher bist du dir jetzt nicht mehr?“ Sie versuchte, in seiner unergründlichen Miene zu lesen. „Wenn du mich fragst, klingt das ziemlich empfindsam, dass du sie in ihrem Wunsch nach einer Liebesheirat unterstützt hast.“

Er schien ihre Worte zu überdenken.

„Der Verlust von Jamal hat sie sehr aufgewühlt. Ich will, dass sie eine glückliche Ehe führt. Und wir haben doch festgestellt, dass wir beide unsere Schwestern vor Kummer bewahren wollen, oder nicht? Hast du deshalb zusammen mit ihr ein Modehaus eröffnet?“

Sie merkte, dass er das Thema gewechselt hatte, und das machte sie neugierig. Denn etwas an der Art und Weise, wie er versuchte, Hasna für den Verlust ihres gemeinsamen Bruders zu entschädigen, kam ihr wie ein Schuldgeständnis vor.

„Trella hat angefangen, ihre eigenen Kleider zu entwerfen“, begann sie. Zu Anfang war es sehr schwer für sie gewesen. Als wäre das Kidnapping nicht schon traumatisch genug, war Trella in der Presse noch übel verrissen worden. Unter anderem hatte man sie als fett bezeichnet.

„Die Geschichte ist eigentlich nicht so interessant. Wir hatten beide eine künstlerische Ader und haben gut zusammengearbeitet. Also haben wir es versucht.“

Im Grunde war Trella die Clevere und hatte einen exzellenten Finanzierungsplan aufgestellt. Henri und Ramon hätten jeden ihrer Vorschläge unterschrieben, um ihr etwas zu geben, bei dem sie erfolgreich sein konnte. Doch sie war entschlossen, dem Ganzen ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Feminine Stärke zeichnete jeden Aspekt von Maison des Jumeaux aus. Und Angelique war sehr stolz dazuzugehören.

„Die Presse hat einen ziemlichen Wirbel darum gemacht, dass wir mit dem Geld unserer Familie angefangen haben. Aber wir haben alles zurückbezahlt. Ich weiß nicht, warum es mir wichtig ist, dass dir das klar ist.“

„Vermutlich, damit ich nicht glaube, dass du hinter Sadiqs Geld her bist.“

„Nein.“ Sie musste lächeln, weil er sich jedes Mal versteifte, wenn sie ihm widersprach. „Wahrscheinlich deshalb, weil du Frauen respektierst, die unabhängig sind. Hast du deshalb darauf bestanden, dass Hasna die Schule abschließt?“

„Nein.“ Er wartete, bis die Vorspeisen serviert worden waren, ehe er fortfuhr. „Der eigentliche Grund ist, dass ich sie nicht so schnell in ihrem Wunsch nach einer Liebesheirat unterstützen wollte. Denn um meinem Vater diesen Deal schmackhaft machen zu können, musste ich versprechen, dass meine eigene Heirat eine arrangierte sein würde. Mit einer passenden Braut aus meinem Land, die er wählen darf.“

4. KAPITEL

„Ein ziemlich großes Opfer“, sagte Angelique, den Blick gesenkt.

„Es ist meine Pflicht. Mein Vater ist nicht gerade das, was man progressiv nennt. Ich hingegen stelle mir ein modernes Zhamair vor. Das wäre gut für unser Volk. Aber ich würde nie die Chance bekommen, unser Land in diese Richtung zu lenken, wenn ich nicht nach seinen Regeln spiele. Mein Onkel wäre mehr als glücklich, den Thron zu übernehmen, wenn mein Vater entscheidet, dass ich zu liberal bin. Mein Onkel ist allerdings noch rückständiger als mein Vater. Also habe ich der Bedingung meines Vaters zugestimmt. Doch ich habe es nicht eilig damit, meine Freiheit aufzugeben.“

„Hast du denn vor, deiner Frau treu zu sein, wenn du verheiratet bist?“

„Bis Kinder auf der Welt sind, ganz sicher. Danach …“ Er kratzte sich am Kinn. „Mein Vater hat zwei Frauen. Ich habe es nie als so erstrebenswert angesehen, mehr als eine Frau in meinem Bett zu haben.“

Neugierig sah sie ihn an. „Weil sie aufeinander eifersüchtig wären?“, vermutete sie.

„Woher weißt du das?“, gab Kasim trocken zurück.

Insgeheim glaubte er, dass die Polygamie der Grund für die Streitsucht seines Vaters war. Er bestand immer auf seinem Willen und würgte jede weitere Diskussion ab. Wenn er nicht jeden Aspekt seines Lebens mit eiserner Faust kontrollierte, würden seine beiden Frauen ihn vielleicht in Stücke reißen.

Kasim hatte während seiner gesamten Kindheit das ganze Drama hautnah miterlebt. Die Folge davon war eine starke Mauer gewesen, die er zur Abwehr um sein Herz errichtet hatte. Deshalb war er froh, eine Fremde zu heiraten. Liebe bedeutete nur Schmerz.

„War die Ehe deines Vaters mit der Königin auch arrangiert?“

„Ja.“ Kasim wusste, worauf sie hinaus wollte. „Und es war eine glückliche Ehe, bis Fatina mit ins Spiel kam. Deshalb habe ich nicht vor, etwas Ähnliches zu tun.“

„Weil du herrschen willst“, murmelte sie und schien darüber nachzudenken.

„So wie du dich um das Wohlergehen deiner Schwester sorgst, empfinde ich meiner ganzen Nation gegenüber“, erklärte er ruhig.

„Keiner von uns hat es eilig zu heiraten“, überlegte Angelique und senkte wieder den Blick. „Wir stehen uns sehr nahe, meine Geschwister und ich. Wenn ich jemandem Zutritt in mein Leben gewähre, müssen die anderen sich auch öffnen. Das erfordert sehr viel Vertrauen. Wir alle haben uns bereits schon mindestens einmal verbrannt, sodass wir vorsichtig geworden sind. Deshalb interessieren mich auch keine Affären, auch wenn im Internet etwas anderes über mich steht.“

„Allmählich erkenne ich, dass es für mich eine große Ehre sein würde, dich zu meiner Geliebten zu machen.“ Und das war sein Ernst. „Ich will dich“, betonte er. „Was muss ich dafür tun, Angelique? Warum widerstehst du der Versuchung?“

Er griff nach ihrer Hand und strich mit dem Daumen über die Innenseite ihres Handgelenks, erfreut darüber, dass ihr Puls schneller ging.

„Liegt es daran, dass ich dir nur eine einzige Nacht versprechen kann?“

„Nein“, sagte sie leise. „Das ist sogar ein Vorteil. Wie ich schon sagte, mein Lebensstil passt anderen nicht besonders.“

„Wenn du nicht genau die gleiche Anziehungskraft wie ich empfinden würdest, dann würde ich dich nach dem Essen nach Hause schicken, aber ich spüre, dass du gegen deine Gefühle ankämpfst. Was hält dich zurück? Offenbar willst du mich auch.“

Mit dem Daumen strich er zärtlich über ihren Handrücken, und Angelique hielt den Atem an.

„Mein Zimmer liegt weiter hinten im Flur. Jeder, der sieht, wie wir das Restaurant verlassen, wird glauben, dass wir zu den Aufzügen gehen.“

Ihr Puls schlug wie verrückt, als er jetzt mit seinen Lippen ihre Hand berührte.

„Ich habe mir eingeredet, diesem Dinner nur deshalb zugestimmt zu haben, damit ich dir beweisen kann, dass ich den ganzen Aufwand nicht wert bin.“

„Um mich abzuschrecken? Ich habe keine Angst“, raunte er.

Aber ich, wollte sie schon sagen. Es machte ihr entsetzliche Angst, wie sehr sie ihn begehrte.

Was würde Trella wohl in dieser Situation tun?

Diese Frage stellte sie sich schon seit ihrer Kindheit. Damals war Trella schon diejenige gewesen, die mutig vorangeschritten war, während sie selbst zurückblieb.

Schnell schob sie den Gedanken an Trella beiseite. Sie teilte fast alles mit ihrer Zwillingsschwester, aber nicht das. Nicht ihn.

Und genau das machte ihr Angst. Wer war sie, wenn nicht Trellas andere Hälfte?

Unweigerlich berührte sie ihre Brust und spürte die aufwändige Perlstickerei unter ihren Fingern. Warum hatte sie nur Trellas Kreation angezogen? Es ist eine Rüstung, vermutete sie, aber hier ging es nicht um ihre Schwester.

In diesem Moment war sie Angelique. Nur dass sie nicht wusste, was Angelique in einer Situation wie dieser tun würde. Ihre anderen Verehrer waren immer nur auf eine der Sauveterre-Schwestern aus gewesen und den Ruhm oder Einfluss, der damit einherging. Sie war mit ihnen ausgegangen, in der Hoffnung auf Erfüllung, aber die hatte sie nie gefunden.

Kasim hingegen wollte sie. Und das machte ihn so unwiderstehlich.

Außerdem hatte sie das Gefühl, dass es um mehr ging als nur pure Lust. Es war etwas Tiefgreifendes. Lebensveränderndes.

Was ihr zusätzlich Angst machte, weil es nur eine Nacht sein würde. Doch sie wusste, dass sie es ihr ganzes Leben lang bereuen würde, wenn sie ihn jetzt zurückwies.

Gedämpftes Licht erfüllte die luxuriöse Suite. Gekühlter Champagner stand auf einem Tisch am Fenster, hinter dem der Eiffelturm aufragte. Leise Klänge eines französischen Jazztrios wehten durch die Luft, mit dem verführerischen Klang eines Saxophons.

Angelique wusste nicht einmal genau, wie sie hierhergekommen war. Es fühlte sich an, als wäre sie geschwebt.

„Dieses Kleid ist wirklich wundervoll“, sagte Kasim, nahm ihre Hand, hob sie über ihren Kopf und drängte sie, sich langsam vor ihm im Kreis zu drehen. „Es ist ein Kunstwerk. Ich habe Angst, es zu berühren.“ Er ließ ihren Arm sinken, behielt ihre Hand jedoch in seiner und sah sie an. „Aber ich möchte dich berühren.“

Ihr Herz überschlug sich bei seinen Worten. Sie wand sich aus seinem Griff, ging zum Tisch und legte ihre Handtasche ab.

„Wenn du deine Meinung geändert hast, Angelique, dann sag es.“

Sie drehte sich zu ihm um. „Nein, das habe ich nicht. Ich bin nur nervös.“

„Das musst du nicht. Ich hetze dich nicht.“

Das war auch nicht nötig, denn sie tat es selbst, auch wenn sie Bedenken hatte. Aber sie wollte nicht wieder zögerlich sein, so wie ihr ganzes Leben lang. Außerdem wusste sie, dass es seit diesem Kuss am Nachmittag kein Zurück mehr gab.

Und deshalb war sie zum Dinner gekommen. Sie war ein Mensch mit tiefen Gefühlen, und das, was er in ihr weckte, war zu stark, um dem widerstehen zu können. Noch nie hatte sie sich so sehr wie sie selbst gefühlt.

Und sie wollte sie selbst sein. Wollte, dass er sie, Angelique, begehrte.

Langsam öffnete sie den Reißverschluss ihres Kleides, und Kasim schnappte hörbar nach Luft.

„Du scheinst es sehr eilig zu haben“, sagte er mit heiserer Stimme.

„Du hast doch gesagt, du hättest Angst, es zu berühren.“ Sie mied seinen Blick und hängte das Kleid vorsichtig über die Rücklehne eines Sessels.

Sie war nackt, bis auf ihre silbernen Stöckelschuhe und einen String aus Spitze.

Auf der einen Seite hatte sie Angst, sich zu ihm umzudrehen, auf der anderen Seite fühlte sie sich auf gewisse Weise wie neugeboren, so nackt und verletzlich wie sie dastand. Tränen traten in ihre Augen, weil ihr bewusst wurde, dass sie jetzt nur Angelique war.

Würde sie ihm gefallen?

„Weinst du?“, murmelte Kasim, der sich vor sie stellte und ihr Gesicht umfasste.

„Ich gestatte mir nicht oft, nur ich selbst zu sein.“ Das Leben war viel einfacher, wenn ihre Gedanken um ihre Schwester oder ein Stück Stoff kreisten. Sich nur auf den Moment einzulassen, mit all den Gefühlen, die er in ihr weckte, war beängstigend und überwältigte sie.

Langsam strich sie mit der Hand über den Aufschlag seines Jacketts, ehe sie ihn vorsichtig ansah, voller Furcht, was sie in seinem Blick entdecken würde.

Was sie darin fand, zog ihr den Boden unter den Füßen weg.

In seinem Blick stand Verlangen, aber auch etwas Zärtliches.

„Ich werde auf dich aufpassen“, versprach er mit leiser Stimme, dann senkte er den Kopf, um sie zu küssen.

Sie zuckte ein wenig zusammen, als er seine Arme um sie schlang, dann erfasste sie plötzlich Verlangen.

Kurz hielt er inne, und sein Kuss wurde sanfter. Als sie sich an ihn presste, um ihn zu ermuntern weiterzumachen, vertiefte er den Kuss wieder, so zärtlich und doch voller Leidenschaft, dass ihre Knie weich wurden.

Sie vergrub die Finger in seinen Haaren, spielte mit seiner Zunge und gab sich ganz diesem Kuss hin.

Seufzend löste er sich schließlich von ihr, warf sein Jackett zur Seite und knöpfte sein Hemd auf. Dann legte er seine Hände auf ihre nackten Hüften, eroberte wieder ihren Mund und streichelte ihren Rücken. Ein Schauer durchzuckte sie, als er sie an sich zog und sie an seine nackte Brust presste.

Angelique keuchte auf. Sie wollte mehr, mehr von ihm, strich über seine muskulösen Schultern, ehe sie mit einem gekonnten Ruck sein Hemd aus der Hose zog. Dann umarmten sie sich wieder, während sie seinen Rücken unter dem Hemd streichelte.

Haut. Lippen. Sie hatte sich nie ganz dem Verlangen hingegeben, hatte sich nie erlaubt, sich so verletzlich zu fühlen, doch jetzt blieb ihr keine Wahl. Die Zeit schien stillzustehen. Das Einzige, was sie fühlte, waren seine Hände, die ihre nackte Haut streichelten, die ihre Brüste liebkosten.

Dann beugte er sich herunter und umschloss eine harte Brustwarze mit seinem Mund. Als er sie mit seiner Zunge reizte, erschauerte sie vor purem Verlangen, und Hitze sammelte sich in ihrem Bauch. Während er die andere Brust liebkoste, fuhr sie mit ihren Fingern durch seine Haare und stieß seinen Namen aus wie eine Liebkosung.

Einen Moment später war er auf den Knien und zog ihr Höschen herunter, ehe er mit den Händen an ihren Beinen entlangstrich. Sie spürte, wie sie feucht wurde.

Angelique schloss die Augen. Er berührte sie so sanft, dass sie es zuerst kaum spürte. Doch sie war bereits so erregt, dass eine Berührung mit seiner Fingerspitze ihr Blut schon pulsieren ließ.

Sie hielt die Luft an, als er von ihr kostete, während sich alles in ihr vor Verlangen zusammenzog.

Er streichelte sie nun intensiver, und ihre Knie drohten unter ihr nachzugeben. Wieder und wieder rief sie seinen Namen.

Als sie zum Höhepunkt kam, zitterte sie am ganzen Körper und stöhnte laut auf.

Langsam stand er auf. „Schhh. Nicht so laut. Die Bodyguards könnten dich hören.“

Seine Bemerkung verletzte sie. Nicht deshalb, weil die Bodyguards vielleicht etwas mitbekommen hatten, was peinlich genug war. Vielmehr machte ihr zu schaffen, dass Kasim so ungerührt wirkte.

Langsam führte er sie zum Sofa, ihre Knie waren so zittrig, dass sie sich einfach darauf sinken ließ.

Wie selbstverständlich öffnete er seinen Gürtel, zog den Reißverschluss seiner Hose herunter und zog ein Kondom aus seiner Tasche. Dann beugte er sich über sie.

„Willst du mich, Angelique?“ Er küsste ihren Hals. „Ich will es hören. Sag es mir.“

„Ich will dich“, flüsterte sie und tastete nach dem Beweis seiner Erregung. Er fühlte sich so hart an, so vielversprechend.

Fest entschlossen, ihn genauso wild zu machen wie sie sich fühlte, führte sie ihn dorthin, wo sie ihn haben wollte.

Sein Blick verriet, dass er sich kaum noch zügeln konnte. Voller Verlangen hob sie sich ihm entgegen, um ihn in sich aufzunehmen, zuckte jedoch zusammen, als er ein kleines Stück in sie eindrang. Es war schon so lange her.

Überrascht hielt er inne. „Was ist denn?“

„Nicht aufhören“, keuchte sie, klammerte sich an ihn und unterdrückte ein Stöhnen, als er ein Stück weiter in sie eindrang …

Langsam bewegte er sich in ihr, um herauszufinden, ob sie bereit für ihn war.

Angelique ließ sich auf das Kissen zurückfallen und lächelte ihn an, um ihn einzuladen, sie ganz zu nehmen.

„Diesmal sollen sie uns beide hören“, zog sie ihn auf. „Außer, du schaffst es nicht, auf mich zu warten.“

Er murmelte etwas über ihre Unverschämtheit, dann begann er, sich in ihr zu bewegen. Sie stöhnte, umklammerte seine Schultern, zog sich an ihm hoch und eroberte seinen Mund in einem leidenschaftlichen Kuss.

„Nicht aufhören“, bettelte sie. „Hör nicht auf.“

Und endlich explodierte die Welt, und er bedeckte ihren Mund mit seinem, damit nur sie hören konnten, wie sie sich in ihrer Ekstase verloren.

5. KAPITEL

Kasim hätte eigentlich sofort einschlafen müssen. Er war völlig entspannt und befriedigt. Das Bettlaken unter seinem Rücken fühlte sich weich an, und Angelique, die halb über ihm lag, wärmte ihn, sodass er keine Decke brauchte.

Sie war eingeschlafen, ebenfalls zutiefst befriedigt.

Er schloss die Augen und erinnerte sich an sanfte Hände, feuchte, volle Lippen, lange Beine, die sich um seine schlangen. Ihren Höhepunkt, der ihn noch mehr befeuert hatte. Irgendwann waren sie ins Schlafzimmer gegangen und hatten sich wieder und wieder geliebt.

Angelique war mehr als bereit gewesen, sich dem Feuer der Leidenschaft hinzugeben. Allein der Gedanke daran weckte wieder sein Verlangen.

Ein verstörender Verlust von Selbstkontrolle. Er sollte sie sofort nach Hause bringen.

Sein Körper reagierte auf diesen Gedanken jedoch, indem er seinen Arm fester um sie schloss. Am liebsten würde er sie gleich noch einmal verführen.

Eine Nacht war nicht genug.

Schlaf, befahl er sich. Schlaf, und morgen früh denkst du wieder klar.

Doch er starrte weiter an die Decke. Wenn ein Tag so perfekt gewesen war, dann gefiel es ihm, nicht schlafen zu können. So wie damals, als Kind, wenn er einen Tag mit seinem Vater in der Wüste verbracht hatte. Oder sein letzter Tag mit seinem Bruder, als er gewusst hatte, dass er ihn nie wiedersehen würde …

Sein Herz zog sich zusammen. Er verspannte sich und bezähmte sein Verlangen, Angelique erneut zu verführen und mehr als nur Vergessen in körperlicher Lust zu finden. Vielleicht auch Trost?

Nein. Er weigerte sich, so etwas auch nur zu denken.

In diesem Moment atmete sie tief ein und seufzte auf. Er wusste, dass sie aufgewacht war.

„Ich habe Durst, aber ich will mich nicht bewegen“, meinte sie mit rauer Stimme.

Er war auch durstig, hob jedoch nur seine Hand an ihren Kopf und streichelte ihn.

Seufzend löste sie sich von ihm, stand auf und ging ins Bad.

Kasim legte den Arm hinter seinen Kopf und hörte zu, wie sie duschte. Als sie in einem Bademantel wieder zurückkam, stützte er sich auf einen Ellbogen auf.

„Komm zurück ins Bett“, befahl er.

„Es war bereits ein sehr langes Dinner“, gab sie trocken zurück. „Ich will der Presse nicht noch mehr Grund zu Spekulationen geben.“ Damit ging sie weiter ins Wohnzimmer.

Angelique zitterte innerlich, völlig überwältigt von dem, was passiert war.

Hastig sammelte sie ihre Kleidung zusammen und zog sich an. Sie wusste, dass Kasim ihr gefolgt war, drehte sich jedoch nicht zu ihm um. Denn wenn sie ihn ansehen würde, nackt wie er war, würde sie sich in wenigen Sekunden erneut in seinen Armen wiederfinden.

„Du musst nicht gehen.“

„Ich sollte dich schlafen lassen.“ Sie warf ihm im Spiegel neben der Tür ein freches Lächeln zu. „Schließlich hast du hart gearbeitet.“

„Hüte deine Zunge.“ Er lachte auf, ging zu ihr und drehte sie zu sich herum. „Hättest du mir mit deiner Zunge nicht am ganzen Körper so viel Vergnügen bereitet, würde ich sie jetzt verfluchen.“

Angeliques Wangen begannen zu glühen. Nein, sie würde ihn nicht ansehen, um herauszufinden, ob er wieder erregt war.

Kichernd beugte er seinen Kopf und murmelte an ihrem Mund: „Ich mag deine kecke Art inzwischen sehr.“

Er küsste sie, liebkoste ihre Zunge mit seiner. Sie presste sich an ihn, auf der Suche nach Befriedung für ihr plötzlich wieder erwachtes Verlangen.

Schließlich löste sie sich ein wenig von ihm und sah ihm in die Augen, die vor unverhüllter Begierde leuchteten.

„Komm zurück ins Bett.“ Seine Miene wirkte entschlossen.

In hilfloser Sehnsucht überschlug sich ihr Herz, dann traten Tränen in ihre Augen, während Leidenschaft und der Wunsch nach Distanz sich einen Kampf in ihr lieferten.

„Ich möchte, dass wir diesen Abend für uns behalten, wenn das überhaupt möglich ist.“ Ihre Stimme verriet die Erregung, die er in ihr entfacht hatte, aber auch Angst, weil sie sich deshalb so machtlos fühlte. „Wenn man mich morgen früh dabei erwischt, wie ich mich verschämt hinausschleiche, würde das etwas herabsetzen, was sehr schön gewesen ist.“ Und das könnte sie nicht ertragen.

Sein Mund wurde schmal, ehe er sie herausfordernd ansah.

„Ich fliege morgen nach London. Komm mit.“

Verblüfft zuckte sie zusammen. Sie hatte sich darauf eingestellt, dass es nur eine Nacht sein würde. Eine Welle der Hoffnung überflutete sie. Ja. Mehr.

Doch gleich darauf dachte sie: Nein. Wie?

Dann fiel ihr Trella ein, der sie sich verpflichtet fühlte, und dieser Gedanke machte ein Mehr außer diesen paar Stunden unmöglich.

„Ich dachte … du schienst ziemlich deutlich gemacht zu haben, dass es keine Zukunft gibt.“ Sie suchte seinen Blick.

Seine Miene wirkte zunehmend verschlossen. „Noch eine Nacht, etwas anderes habe ich nicht gemeint.“

Autsch. Richtig.

„Je öfter wir uns sehen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir erwischt werden.“

„Versuchst du immer noch, mich abzuschrecken? Stimmt, es ist unrealistisch zu glauben, dass man es nicht herausfindet. Aber was soll’s? Wenn das der einzige Hinderungsgrund ist, dann gibt es keinen.“

„Nein, ist es nicht“, murmelte sie widerstrebend und versuchte, einen Schritt zurück zu machen. Vielleicht sollte sie nächste Woche nach Berlin fliegen? Sie sollte darüber nachdenken. Angelique hatte nie spontane Entscheidungen getroffen, vor allem nicht bei Männern.

Kasim zwang sie, ihn anzusehen.

„Was ist es dann?“, wollte er wissen.

„Trella kommt nach Paris.“

„Und?“

„Wir müssen die Aussteuer deiner Schwester fertigstellen.“

„Hasna wird doch nicht alles, was du für sie designst, schon am ersten Tag ihrer Ehe tragen. Ich übernehme die Verantwortung für die Kleidung, die zu spät eintrifft.“

„Das ist nicht der Punkt.“ Erneut versuchte sie, sich seinem Griff zu entwinden.

Doch er hielt sie fest, was sie verärgerte.

„Ich lasse Trella nie allein, wenn sie hier ist.“ Bisher hatte sie nicht einmal daran gedacht, weil es keinen Grund gegeben hatte. Entschlossen stemmte sie die Hände in die Hüften und versuchte, sich der Verlockung zu entziehen. „Vor allem nicht über Nacht.“

„Wie alt bist du?“

„Vierundzwanzig. Und kein Wort deswegen.“ Sie konnte förmlich sehen, wie er sich seine Meinung bildete. Und es stimmte ja auch. Sie alle behandelten Trella wie ein Baby, aber das hatte seinen Grund.

Allerdings würde ihre Schwester morgen allein fliegen. War es an der Zeit, ihr einfach mehr zuzutrauen?

Ergeben stand Angelique da und überlegte, wie sie ihre Brüder davon überzeugen könnte, Trella eigene Entscheidungen treffen zu lassen.

Aber was wäre, wenn sie wieder einen Rückfall erlitt? Sie versuchte gerade Gründe dafür zu finden, ihre Schwester im Stich zu lassen. Was war nur los mit ihr?

Berlin, dachte sie wieder. Das würde ihr Zeit geben, nachzudenken.

„Ist es wegen der Bodyguards? Sie können mit uns kommen“, sagte er.

„Nein. Ich meine, ja, das müssten sie. Außerdem hat Henri eine Wohnung in London, wo man sicher ist. Nein, es geht um Trella. Ich könnte sie fragen …“

„Ich frage Fremde nicht um Erlaubnis, wohin ich mit meiner Geliebten gehe.“

„Du verstehst nicht.“ Geliebte. Ihr Herz klopfte vor Aufregung.

„Dann klär mich auf.“

„Nein“, entgegnete sie unverblümt. Sie sprach nie über das, was Trella erlebt hatte. Außerdem brachte es Angelique jedes Mal fast um, wenn sie daran dachte.

„Schlafe ich mit dir oder mit deiner Schwester, Angelique?“

„Genau das ist ja das Problem“, sagte sie, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.

Kasim glaubte im ersten Moment, dass sie nur eine Show abzog und damit versuchte, ihn zu manipulieren, wie andere Frauen es gemacht hatten. Doch die Qual in ihrem Blick war echt. Instinktiv zog er sie näher, in dem Wunsch, sie zu beschützen.

Als er merkte, dass sie sich versteifte, ließ er sie los und nahm seine Hose vom Boden.

„Erklär es mir“, befahl er. Dann streifte er sein Hemd über, knöpfte es jedoch nicht zu.

„Es ist schwer“, entgegnete sie leise und hob hilflos die Hand. „Und eigentlich nicht zu verstehen. Aber so empfinde ich eben.“

Sie klang sehr verloren.

Kasim verschränkte die Arme. Zu oft in seiner Kindheit war er dem Schmerz anderer ausgesetzt gewesen – dem seiner Mutter, Fatinas oder des Königs. Und alle hatten versucht, ihn auf ihre Seite zu ziehen. Jamals innere Qual, dann Hasnas unerbittliche Trauer …

Es gab keinen Weg, anderen ihr Leid zu nehmen. Er konnte sich nur selbst schützen, damit er nicht in diesen Schmerz hineingezogen wurde.

Dass Angelique ebenfalls mit Dämonen kämpfte, sollte ihm eine Warnung sein, das Ganze abzubrechen. Doch er stand wie angewurzelt da und wollte, dass sie redete. Er wollte verstehen, warum sie sich so quälte. Wollte ihr helfen.

„Eigentlich ging es um mich.“ Ihr Blick zeigte Schuldbewusstsein. „Bei dem Kidnapping. Ich war die Ruhige, Schüchterne. Die schlecht in Mathematik war und einen Nachhilfelehrer brauchte. Es passierte am Ende des Schuljahres, und unser Chauffeur wollte uns abholen. Trella wartete bereits draußen. Sie war die Extrovertierte, die sich noch von allen verabschieden wollte. Mein Nachhilfelehrer hat ihr etwas zugerufen. Er dachte, sie sei ich. Sie ging zu ihm und sagte ihm, dass ich bald herauskommen würde. Da hat er nach ihr gegriffen.“ Sie schnippte mit den Fingern. „Einfach so. Ramon kam gerade rechtzeitig heraus, um zu sehen, was passiert ist, und hat den Van so schnell verfolgt, wie er konnte. Aber sie hatten ihre Flucht sehr gut geplant …“

Ihre Hand zitterte, als sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr strich.

„Wurde sie …?“ Er wollte die Frage nicht beenden. Was war das nur für ein Mensch, der einem neun Jahre alten Kind Gewalt antat?

„Es bleibt Trella überlassen, ob sie erzählt oder nicht, was in diesen fünf Tagen passiert ist“, sagte Angelique mit unsicherer Stimme. Doch sie wusste es. Die Antwort lag in ihrem Blick. Es musste die Hölle gewesen sein.

Kasim nahm ihre kalten Hände in seine, um sie zu wärmen.

„Du leidest an dem, was man Überlebenden-Syndrom nennt“, sagte er leise. „Das verstehe ich.“ Und das stimmte tatsächlich. Jamal hätte das Leben führen sollen, an dem Kasim sich jetzt erfreute.

„Schuldbewusstsein ist nur ein Teil davon. Wir waren bereits bekannt, obwohl wir das gar nicht wollten. Genau deshalb wurden wir zur Zielscheibe. Natürlich ist Geld geflossen, damit wir Trella zurückbekamen. Und die Presse hat sich überschlagen wegen dieser sensationellen Neuigkeit.“

Sie räusperte sich, und es war offensichtlich, dass sie mit sich kämpfte.

„Mein Vater musste diesen Zirkus zu unserem Vorteil nutzen. Ich sah genauso aus wie Trella, also haben sie mich als Trellas Gesicht benutzt, damit ich um ihre Freigabe bettele. Es war schrecklich, so ausgebeutet zu werden, und er hasste sich dafür, mir das anzutun. Aber wenn man verzweifelt ist …“

Tränen traten in ihre Augen. „Die ganze Zeit … Es gibt wirklich eine besondere Beziehung zwischen Zwillingen, Kasim. Bei mir und Trella ist es so. Ich wusste, dass sie entsetzliche Angst hatte und Qualen litt. Es war unerträglich. Als sie dann zu uns zurückkam, war sie völlig gebrochen. Ich habe mich genauso gefühlt.“ Ihre Lippen bebten.

Er musste sie in die Arme nehmen. Konnte nicht anders.

„Jetzt ist sie in Sicherheit, oder?“, flüsterte er in ihre Haare. „Komm zurück, Angelique. Es ist lange her. Ihr beide seid jetzt in Sicherheit.“

Sie nickte tapfer, doch er spürte, dass die dunklen Erinnerungen sie immer noch gefangen nahmen.

„Du hast Angst, sie allein zu lassen, falls wieder etwas passiert“, vermutete er.

„Ich habe immer Angst, vor allem.“ Sie schmiegte ihre feuchte Wange an seine Brust. „So bin ich eben, Kasim. Ängstlich. Introvertiert. Aber ich musste die Starke werden. Es gab für mich nur einen Weg, den Mut aufzubringen, mich vor die Kameras zu stellen und darum zu bitten, dass man sie uns zurückgibt, indem ich so tat, als sei ich sie. Ich musste in gewisser Weise Trella werden, konnte nicht mehr die ruhige, schüchterne Angelique sein, die es gewohnt war, von ihrer Schwester beschützt zu werden. Denn Trella war gebrochen. Jetzt brauchte sie meine Hilfe.“

„Wir sollten eigentlich zwei sorgenfreie Mädchen sein, aber sie ist darum betrogen worden. Ich weiß, dass sie die Herausforderung gemeistert hätte, wäre ich gekidnappt worden, also musste ich es auch für sie tun. Manchmal habe ich das Gefühl, sie zu sein und weiß nicht, wie ich es schaffen soll, einfach nur wieder ich selbst zu werden.“

„Und wer warst du heute Abend?“, fragte er leise.

Sie zögerte. „Ich habe mir den Abend gestohlen, um ich selbst zu sein.“

„Gut. Das ist die richtige Antwort.“

In gespielter Empörung stieß sie ihn gegen die Brust, doch er zog sie lachend an sich und war froh, als sie sich entspannte und ihren Kopf wieder an seine Schulter legte.

„Aber ich kann leider nicht nur das tun, was ich will. Das kann ich Trella nicht antun. Verstehst du das?“

„Du kannst nicht die Verantwortung für das Leben eines anderen Menschen übernehmen.“ Wie oft hatte er vergeblich versucht, Jamals „Problem“ zu lösen? „Du kannst einen anderen Menschen nicht für immer beschützen. Das ist euch beiden gegenüber nicht fair. Jeder ist selbst verantwortlich für sein Leben.“

„Ich weiß“, murmelte sie. „Wir müssen unser eigenes Leben führen, das wissen wir beide. Aber ich kann sie nicht dazu zwingen, und ich will nicht, dass du es erzwingst.“ Mit ernster Miene sah sie ihn an. „Wenn du willst, dass ich dich begleite, musst du mir Zeit geben, damit ich über all das erst einmal nachdenken kann.“

Er verstand sie. Doch er wusste auch, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Sein Vater sprach bereits davon, ihm eine Braut zu suchen, sobald Hasna geheiratet hatte.

„Wie viel Zeit brauchst du denn? Ich muss gleich morgen früh abreisen, und es ist bereits …“ Er ließ sie los, fand sein Handy und sah, dass es fast Mitternacht war. „Wie wäre es, wenn du einfach später nachkommst? Ich werde alles organisieren.“

„Das ist nicht nötig“, erklärte sie und seufzte ergeben. „Ich werde meine Mutter anrufen und sie fragen, ob sie Lust hat, einen Abend mit Trella in Paris zu verbringen.“

6. KAPITEL

Wenn ich dich brauche, rufe ich an.

Trellas Worte verfolgten Angelique, als sie sich heimlich nach London aufmachte. Sie sagten keinem in der Familie, dass Angelique ihre Schwester eine Nacht allein in Paris ließ. Es war besser, vollendete Tatsachen zu schaffen, zumal ihre Brüder nicht erbaut gewesen waren, sie den kurzen Flug allein machen zu lassen.

Doch Trella hatte triumphiert, dass sie es geschafft hatte.

Angelique war so stolz auf sie gewesen, dass sie sogar ein wenig geweint hatte, was Trella zum Lachen brachte. Sie hatte ihre Schwester umarmt und sie die empfindliche kleine Gilli genannt.

Trotzdem hatte Angelique ein schlechtes Gewissen. Aber Trella hatte sie förmlich angebettelt, zur Abwechslung auch einmal etwas für sich zu tun.

„Ich habe dich zu lange davon abgehalten“, hatte Trella beteuert und dann übermütig hinzugefügt: „Außerdem bin ich neugierig, was Henri und Cinnia machen. Schau mal, was du herausfinden kannst.“

Angelique hatte lachen müssen. Sollte jedoch irgendetwas schieflaufen, würde sie sich das nie verzeihen.

Auf der anderen Seite wollte sie Kasim unbedingt wiedersehen. Ein Gedanke, der ihr fremd war. Nach der Entführung war sie als Teenager vorsichtig mit Jungen und Sex gewesen. Als sie dann endlich anfing, sich zu verabreden, hatte sie es schwer gehabt, Männer zu finden, die den Vorstellungen ihres Vaters und ihrer Brüder entsprachen.

Kein Mann hatte bisher tiefe Gefühle in ihr geweckt, und sie hatte noch nie einem Mann erlaubt, sich zwischen sie und ihre Familie zu stellen.

In gewisser Weise machte es ihr Angst, welchen Einfluss Kasim auf sie hatte. Er faszinierte sie, und damit hatte er Macht über sie. Er war selbstbewusst und fast brutal ehrlich, was sie beinahe genauso verführerisch fand wie alles andere an ihm.

Sie hatte Trella nicht viel über ihren Abend mit Kasim erzählt, doch ihre Schwester hatte treffsicher erklärt: „Ich weiß, dass du mit ihm geschlafen hast. Leugne es nicht. Ich bin sogar ein bisschen eifersüchtig. Aber in positivem Sinne. Weil mir klar wird, was ich verpasse.“

Kasim hatte recht gehabt, dass Angelique am Überlebenden-Syndrom litt. Ob das der Grund war, warum sie frühere Beziehungen so schnell aufgegeben hatte? Glücklich zu sein, während ihre Schwester immer noch unter den schrecklichen Vorfällen litt, kam ihr immer unglaublich illoyal vor.

Und so empfand sie auch jetzt, weil sie sich in London mit einem Mann traf. Aber es ist ja nur eine Nacht, redete sie sich ein. Kasim hatte ihr nichts anderes versprochen – und sie ihm auch nicht. Trotzdem sehnte sie sich nach mehr.

Ihr Puls schlug schneller, als Kasim ihr eine SMS schickte, in der er versprach, sich in einer Stunde mit ihr bei der Wohnung ihres Bruders zu treffen.

Eigentlich gehörte die Wohnung der Familie. Da sie wusste, dass Henri in New York war, vermutete sie Cinnia in deren eigener Wohnung. Aus Höflichkeit schrieb sie ihr, dass sie in der Stadt sei und sich mit ihr zum Essen verabreden wolle.

Cinnias Antwort trudelte ein, als Angelique gerade die Wohnung betrat. Sie schrieb, dass sie bei ihrer Mutter sei und sich leider nicht mit ihr treffen könne.

Angelique stellte ihre Tasche in das Zimmer, das sie und Trella immer benutzten, dann sah sie nach, ob eine Flasche Weißwein im Kühlschrank stand, ehe sie ins Wohnzimmer ging. Sie fragte sich, ob sie und Kasim zum Dinner ausgehen würden und was sie anziehen sollte.

Dass sie eine weitere Nacht miteinander verbringen würden, war für sie etwas Seltenes, Kostbares, das sie wie einen Schatz behüten wollte.

„Oh nein“, murmelte sie, als ihr Blick auf den Beistelltisch fiel.

Ein aufgerissener großer Umschlag lag dort. Die verschiedensten Schmuckstücke, Ringe, Halsketten, Armbänder von unschätzbarem Wert waren herausgefallen.

Angelique ließ sich auf das Sofa fallen. Irgendwie kamen ihr die Sachen bekannt vor. War das nicht alles Cinnias Schmuck?

Was musste geschehen sein, dass sie Henri die Geschenke zurückgegeben hatte?

Angelique begann, den Schmuck zurück in den Umschlag zu packen, hielt jedoch inne, um sich ein filigranes Armband aus rosa und weißen Diamanten anzusehen, das Cinnia immer getragen hatte.

Als sie hörte, wie die Tür hinter ihr geöffnet wurde, stand sie überrascht auf. Sie glaubte, dass es Maurice sein würde, doch es war Kasim. Zwar hatte sie ihrem Bodyguard gesagt, dass sie ihn erwarten würde, hatte jedoch angenommen, man gäbe ihr Bescheid, bevor er oben auftauchte.

„Wie bist du hereingekommen?“, fragte sie und ging lächelnd auf ihn zu.

Kasim wartete, bis die Tür ins Schloss gefallen war, dann schlang er seinen Arm um Angelique und küsste sie.

„Hast du mich vermisst?“, fragte er schließlich.

„Hast du mich nicht vermisst?“ Sie versuchte, gleichgültig zu klingen, war sich jedoch bewusst, wie unsicher sie geklungen haben musste.

Er zog sie an sich, damit sie spürte, wie er sie begehrte. „Ich habe ununterbrochen an dich gedacht“, gab er zu.

„Gut zu wissen“, meinte sie leichthin. „Aber ich würde wirklich gerne erfahren, wie du ins Haus gekommen bist. Normalerweise haben nur die Bewohner Zugang.“

„Das stimmt. Man hat mir den Code gegeben, als ich heute Morgen meine Wohnung gekauft habe. Sollen wir sie uns ansehen?“ Endlich ließ er sie los, ging zur Tür und bedeutete ihr, ihn zu begleiten.

„Du … du hast heute Morgen hier eine Wohnung gekauft?“ Ihre Familie war immer wohlhabend gewesen, aber sie besaßen diese Wohnung hier nur, weil ihr Vater sie noch kurz vor seinem Tod in der Planungsphase gekauft hatte. Die Adresse war sehr exklusiv, und es gab eine lange Warteliste von Interessenten, die sich hier einkaufen wollten.

Vielleicht hatte sie unterschätzt, wie reich und mächtig Kasim tatsächlich war. Es musste ein Vermögen gekostet haben, auf dieser Liste ganz nach vorne zu rücken.

„Es ist eine gute Investition. Meine Mutter mag London.“ Er zuckte die Schultern. „Sie wird die Wohnung benutzen, wenn ich es nicht tue. Außerdem wusste ich, dass du die Privatsphäre schätzen würdest. Wie durch ein Wunder steht nichts von uns im Internet. Und ich dachte, das sollten wir feiern und verlängern unsere Glückssträhne, indem wir in meiner Wohnung bleiben. Ich habe ein Dinner bestellt, das in zwei Stunden geliefert wird.“

„Wir hätten auch hier bleiben können“, erklärte sie.

Er runzelte die Stirn. „Ich schleiche mich nicht in das Schlafzimmer eines Mädchens, das bei ihren Eltern wohnt.“

Nein, lieber gab er ein paar Millionen Pfund für eine Suite aus, die er nur eine Nacht benutzte. Für sie.

Angelique zwang sich, nicht zu viel hineinzuinterpretieren.

„Soll ich mich umziehen?“ Sie trug noch Sachen, die sie während der Reise angehabt hatte, einen dunkelblauen Rock und ein hellgelbes Oberteil, beides ihre eigenen Kreationen.

„Du siehst wunderschön aus“, entgegnete er. „Aber was auch immer du anhast, ist nur für den Aufzug.“

„Direkt wie immer.“ Sie gab sich empört, stemmte die Hände in die Hüften und merkte, dass sie immer noch Cinnias Armband in der Hand hielt. Verdammt. „Ich … ich muss das hier nur schnell weglegen und mein Handy holen.“

„Was ist das?“ Kasim umfasste ihr Handgelenk, als er das funkelnde Armband bemerkte.

Sie öffnete die Hand. „Henri hat es für Cinnia gekauft“, antwortete sie ausweichend.

In der Presse hatte man ausführlich über die Beziehung ihres Bruders berichtet, aber sie würde sicher nicht diejenige sein, die Gerüchte darüber verbreitete, dass sie vielleicht beendet war.

„Ich möchte ihn fragen, wo er es herhat. Es ist eine hervorragende Arbeit. Sieh nur, wie sorgfältig die Fassungen gearbeitet sind. Hast du je so etwas Schönes gesehen?“

Kasims Nasenflügel bebten, als er das Armband nahm und es sich genau ansah. Seine Miene wirkte angespannt, beinahe gequält. Als würde er plötzlich merken, dass sie ihn beobachtete, entspannte er sich wieder und gab ihr das Armband zurück.

„Nein“, sagte er abrupt. „Lass uns gehen.“

Ihr Herz machte einen Sprung. Die Stimmung hatte sich definitiv verändert. „Was ist los?“

„Nichts.“

Es verletzte sie, dass er sie anlog, doch sie ging zu dem Tischchen, steckte das Armband wieder in den Umschlag und nahm ihr Smartphone.

Schweigend fuhren sie mit dem Aufzug hoch.

Maurice war bei ihnen. Er hatte die Suite bereits inspiziert, obwohl Kasims Leute den ganzen Tag dort gewesen waren, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung war.

Der Grundriss ähnelte dem ihrer Familiensuite, mit einem Wohnzimmer und einem Balkon mit Blick auf die Themse. Angelique vermutete, dass die Tür neben der Bar in die Küche führte, so wie in ihrer Suite. Den Flur entlang würden die Schlafzimmer und die Badezimmer liegen.

Autor

Dani Collins

Dani Collins verliebte sich in der High School nicht nur in ihren späteren Ehemann Doug, sondern auch in ihren ersten Liebesroman! Sie erinnert sich heute immer noch an den atemberaubend schönen Kuss der Helden. Damals wurde ihr klar, dass sie selbst diese Art von Büchern schreiben möchte. Mit 21 verfasste...

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