Du bringst die Sonne zurück in mein Leben

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Bei einer gemeinsamen Geschäftsreise sieht Weingutbesitzer Enzo Bartolini seine engste Vertraute Sylvie jäh mit anderen Augen. Zum ersten Mal bemerkt er ihre atemberaubende Schönheit - und spürt heftiges Verlangen. Aber Sylvie ist tabu für ihn! Sein Leben wird überschattet von einem Familiengeheimnis; er könnte ihr nie das Glück bieten, das sie verdient. Doch als Sylvie ihn mit einem verlockenden Kuss überrascht, kann er trotz allem nicht widerstehen … Wird es ihr gelingen, die Düsternis von seiner Seele zu nehmen?


  • Erscheinungstag 06.04.2021
  • Bandnummer 072021
  • ISBN / Artikelnummer 9783733718664
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Paris, Frankreich, Juli

„Herzlichen Glückwunsch! Ich wusste, du schaffst es!“

Enzo Bartolini blickte die wunderschöne Frau an seiner Seite an. An der Aufregung in ihrer Stimme und dem Funkeln in ihren Augen erkannte er, dass sie sich mehr über seinen Sieg freute als er.

Dabei sollte es genau andersherum sein. Eigentlich war er derjenige, der glücklich sein sollte. Der sich fühlen sollte, als hätte er einen Meilenstein erreicht.

Jahrelang hatte er auf diesen Tag hingearbeitet. Und heute stand er endlich hier, aber die Auszeichnung kam ihm bedeutungslos vor. Statt tiefer Freude fühlte er nur Leere. Keine Zufriedenheit, nicht das Gefühl, sein Vater wäre stolz auf ihn.

Enzo zwang sich zu einem Lächeln. Doch ihm war, als verdiente er diesen Sieg nicht.

Jahrelang hatte er seinen Vater gedrängt, endlich mit seinen Weinen an internationalen Wettbewerben teilzunehmen. Immer wieder erklärte Enzo ihm, dass durch eine solche Auszeichnung die Preise steigen würden. Aber sein Vater war stur geblieben. Ihm reichte es, jeden Tag auf seinem Weingut zu arbeiten und einen anständigen Gewinn zu machen. Auszeichnungen oder internationale Anerkennung bedeuteten ihm nichts.

Enzo dagegen sehnte sich danach. Sehnte sich nach etwas, das die tiefe Leere in seiner Brust füllen konnte. Früher hatte er dort die bedingungslose Liebe seiner Eltern gespürt. Aber dann waren die beiden aus seinem Leben gerissen worden.

Dabei hatten seine Eltern nur kurz in die Stadt fahren wollen. Doch dann geschah der entsetzliche Unfall, und ein einziger Sekundenbruchteil veränderte das Leben von Enzo und seinen beiden Schwestern für immer.

Als Enzo an die Unfallfotos dachte, stieg Übelkeit in ihm auf. Wahrscheinlich hätte er auf die Polizei hören sollen, statt zu verlangen, dass man ihm die Bilder zeigte. Aber er hatte einfach nicht glauben können, dass seine lebensfrohen Eltern gestorben waren. Er brauchte einen Beweis.

Und den hatte er bekommen. Ein Foto reichte aus. Bei dem Blick auf den zerstörten Wagen verließ ihn jede Hoffnung, dass seine Eltern noch lebten. Nicht der kleinste Funke blieb zurück. In dem Augenblick hatte er gedacht, das wäre der schlimmste Tag in seinem Leben.

Doch wie gründlich hatte er sich getäuscht!

Schnell schob Enzo die düsteren Gedanken beiseite. Heute ging es um seinen Sieg. Wenigstens geschah endlich einmal wieder etwas Gutes in seinem Leben. Aber warum fühlte es sich nicht gut an?

Mit einer Hand griff er zu seinem Kragen, um die Fliege zu lockern und den obersten Hemdknopf zu öffnen.

„Nicht“, unterbrach Sylvie seine Bewegung. „Noch nicht. Ich brauche erst noch ein Foto von dir.“

Er hielt inne und schaute sie an. In den vergangenen Monaten war Sylvie DeLuca zu einer guten Freundin geworden. Ihr strahlendes Lächeln erhellte jeden Augenblick, ganz gleich wie finster seine Stimmung war. Und sie war eine gute Zuhörerin. Auch wenn er zugeben musste, dass er normalerweise nicht viel redete.

Im weichen Licht des Pariser Mondscheins, bemerkte er zum ersten Mal Sylvies unglaubliche Schönheit. Wie war ihm das all die Zeit entgangen?

„Hier ist der perfekte Platz für ein Foto!“ Sie deutete mit einem Arm hinter ihn. „Es wird großartig aussehen.“

Er schaute sich um. Hinter ihnen ragte der hell erleuchtete Eiffelturm in den dunklen Nachthimmel. Eigentlich ein Klischee. Aber trotzdem unglaublich beeindruckend.

„Bleib genau dort stehen.“ Sylvie zog das Handy aus ihrer strassbesetzten schwarzen Handtasche. „Und jetzt dreh dich zu mir um.“

Er begriff, dass sie ein Foto von ihm machen wollte. Von ihm ganz allein. So allein, wie er jeden Tag verbrachte. Bei dem Gedanken verschwand das Lächeln aus seinem Gesicht. Er wollte nicht alleine sein. Wenigstens nicht heute Nacht.

Heute Nacht brauchte er Sylvie an seiner Seite. Sie hatte viel getan, um ihn auf diese Reise begleiten zu können. Als erfolgreiche Hochzeitsplanerin war ihr Terminkalender randvoll. Sie hatte extra eine Angestellte einarbeiten müssen, die in ihrer Abwesenheit das Geschäft leiten konnte.

Aber jetzt war sie hier und fesselte seine gesamte Aufmerksamkeit. Und er war nicht der Einzige, der den Blick nicht von ihr abwenden konnte.

Das schwarze Oberteil mit dem strassbesetzten trägerlosen Mieder umspannte ihre zierliche Taille, ein schlichter weißer Tüllrock schmiegte sich an ihre Hüften und fiel weich bis zu den Knöcheln. Zierliche schwarze, Schwindel erregend hohe Sandaletten betonten ihre schlanken Füße mit den lackierten Zehennägeln.

Von der Geschäftsfrau im eleganten Hosenanzug hatte sie sich in eine atemberaubende Schönheit verwandelt, die jedem Mann den Kopf verdrehte. Ihm ganz besonders. Das Gefühl gefiel ihm nicht. Mit einem Mal wusste er nicht mehr, wie er sich in ihrer Gegenwart verhalten sollte.

Er wollte sie in seine Arme ziehen und ihre weichen, sinnlichen Lippen küssen. Doch er widerstand dem Verlangen. Gerade noch. Sie waren Freunde. Mehr nicht. Auch wenn sie in diesem Kleid wie eine Göttin aussah und das Make-up ihre verführerischen Augen und die hohen Wangenknochen betonte.

Mit einer Handbewegung signalisierte Sylvie ihm, dass er einen Schritt zur Seite treten sollte. „Noch ein kleines Stück. Perfekt.“ Sie drückte auf den Auslöser.

Bei dem Anblick ihres Lächelns hob sich seine gedrückte Stimmung. „Komm her, wir machen auch noch ein Foto von dir.“

Sylvie schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin heute nicht wichtig. Du hast die Auszeichnung bekommen.“

„Aber ohne dich hätte ich vielleicht gar nicht teilgenommen.“ Das stimmte. Immer wieder hatte sie ihn ermuntert, seinen Wein bei dem angesehenen Wettbewerb einzutragen.

Legte sich bei seinen Worten etwa eine zarte Röte auf ihre Wangen? Im Mondlicht konnte er es nicht genau erkennen. Vielleicht kannte er sie einfach schon gut genug um zu ahnen, welche Worte sie zum Erröten brachten.

Dieser Wettbewerb war kein unbedeutendes regionales Treffen, sondern ein internationaler Event. Ehrlich gesagt, hatte Enzo nicht geglaubt, dass es für sein kleines privates Weingut auch nur die geringste Chance gegen die großen etablierten Winzer gab.

Aber Sylvie hatte darauf bestanden, dass er das nur herausfinden konnte, indem er teilnahm. Irgendwann hatte er nachgegeben. Schließlich gab es nichts zu verlieren.

Das Blitzlicht von Sylvies Handykamera riss ihn aus seinen Gedanken. „Das ist nicht fair“, sagte er. „Ich will auch ein Bild haben.“

„Ich schicke es dir.“

„Nein, das reicht nicht. Ich möchte eins von uns beiden zusammen machen, um mich an diesen Abend zu erinnern.“

Erst als er die Worte ausgesprochen hatte, wurde ihm die Bedeutung klar. Aber vielleicht machte er sich einfach zu viele Gedanken. Natürlich konnte er nicht abstreiten, wie sehr sie ihn reizte. Aber er durfte nicht vergessen, dass sie eine gute Freundin seiner Schwester war. Seine Freundin. Es wäre ein Fehler, dieser Anziehung nachzugeben.

Sylvie war keine Frau für eine Nacht. Sie war eine Frau, die man näher kennenlernte, in die man sich verliebte, die man heiratete. Und damit war sie zu diesem Zeitpunkt genau der falsche Typ Frau für ihn.

Er schüttelte den Kopf. Was war bloß los mit ihm? Normalerweise ließ er seine Gedanken bei Sylvie nie in diese Richtung wandern. Warum ausgerechnet heute Nacht?

Lag es an Paris? Oder hatte er einmal zu oft mit Champagner auf seinen Sieg angestoßen? Daran musste es liegen. An dem Gedanken hielt er fest wie ein Ertrinkender an einer Schwimmweste. Dabei fühlte es sich viel mehr an, als wäre Sylvie sein Rettungsring.

In diesem Moment stellte sie sich neben ihn. Wie aus Reflex legte er einen Arm um ihre Schultern. Selbstverständlich nur für das Selfie. Er wunderte sich, wie natürlich sich die Berührung anfühlte. Doch als sie sich enger an ihn lehnte, begann sein Herz wild zu klopfen.

Ignoriere es einfach. Gleich hast du es hinter dir. „Jetzt bitte lächeln“, sagte er. Oder zumindest glaubte er, es gesagt zu haben. Denn sein Herzschlag dröhnte so laut in seinen Ohren, dass er seine eigenen Worte nicht hörte. Er drückte auf den Auslöser. Fertig. Geschafft.

Als er seinen Arm zurückziehen wollte, stoppte sie ihn: „Nein. Nicht. Mach noch eins.“

Er versuchte, seinen rasenden Herzschlag zu ignorieren. Schließlich ging es nur um ein Foto. Sylvie war nur eine Freundin. Noch einmal hielt er das Handy in die Luft. „Bereit?“

Als sie nicht antwortete, drehte er den Kopf zu ihr. Im selben Moment schaute sie ihn an. Mit den hohen Absätzen war sie einige Zentimeter größer als sonst, doch immer noch kleiner als er.

Er wusste, er sollte sich wegdrehen, anstatt tief in ihre wunderschönen braunen Augen zu schauen. In ihrem Blick las er, dass sie in diesem Moment mehr wollte als Freundschaft. Und zum Teufel noch mal, das wollte er auch. So viel mehr.

Sylvie spürte, wie ihr Herz für einen Schlag aussetzte, und ihr Atem ging schneller.

Ohne nachzudenken, hob sie den Arm und legte ihre Hand auf seine frisch rasierte Wange. Wenn sie nicht jetzt in diesem Moment ihren ganzen Mut zusammennahm, würde sie sich nie wieder trauen.

Seit so langer Zeit träumte sie davon, und wenn sie diesen Augenblick verstreichen ließ, würde sich ihr Traum niemals erfüllen. Denn eins hatte sie in ihrem Leben gelernt: Man musste die schönen Momente genießen, so gut es ging. Denn davon gab es nicht sehr viele, und sie gingen schnell vorbei.

Aber dieser Moment gehörte ihr. Enzo war der Mensch, der sie glücklich machte. Und in diesem Moment strömten so viele intensive Gefühle auf sie ein, dass sie gar nicht für jedes einen Namen fand.

Nichts konnte sie davon abhalten, diese eine Sache zu tun. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen. Selbst mit ihren hochhackigen Schuhen war sie nicht groß genug, um Enzo in die Augen zu schauen.

Plötzlich war ihr Gesicht seinem so nah. Es kam ihr vor, als wären seine Lippen nur einen Atemzug von ihrem Mund entfernt. Verlangen erfasste sie, so stark, so heftig. Sie konnte nicht widerstehen. Konnte nicht an die Folgen denken.

Sie beugte sich vor und legte ihre Lippen auf seine. Sie spürte, wie er zusammenzuckte. Also überraschte ihn ihr Kuss? Wirklich? Auch wenn sie noch Jungfrau war, war sie nicht völlig naiv. Ihr war nicht entgangen, mit welchem Blick er sie den Abend über angeschaut hatte, wenn er glaubte, sie merkte es nicht.

Ihr ganzer Körper vibrierte, doch sein Mund unter ihren Lippen blieb regungslos. Nein. Bitte. So durfte das hier nicht enden. Sie spürte einen Stich in ihrem Herzen.

Für diesen Kuss hatte sie jeden Funken Mut gebraucht, den sie besaß. Denn sie wusste, wenn sie nicht den ersten Schritt machte, würde er es niemals tun.

Fast glaubte sie, sich geirrt zu haben. Vielleicht hatte sie seine Blicke falsch gedeutet. Doch plötzlich legte er einen Arm um ihre Taille und zog sie enger an sich. Sie folgte seiner Bewegung, legte die Hände auf seine Schultern und spürte seine harten Muskeln unter ihren Fingern. Muskeln, die von stundenlanger Arbeit in den Weinbergen stammten.

Sie schmiegte sich an ihn. Ihre Knie drohten nachzugeben. Noch nie war sie so geküsst worden. Und sie wollte, dass er ihr noch mehr zeigte. Viel, viel mehr.

In diesem Moment löste Enzo sich von ihr und lehnte seine Stirn an ihre. Sein Atem ging schnell. „Sylvie, ich …“

„Sag es nicht.“ Sie wusste genau, dass er sich für den Kuss entschuldigen wollte. Aber das würde diesen Moment zerstören. Diesen wundervollen, ganz besonderen Moment.

„Aber ich hätte es nicht so weit kommen lassen dürfen.“

„Was, wenn ich wollte, dass es so weit kommt?“ Mutig suchte sie seinen Blickkontakt. „Ich habe dich zuerst geküsst, Enzo. Ich sehne mich schon so lange danach, dich zu küssen. Heute Abend habe ich endlich den Mut gefunden.“

Wow! Wo kamen diese Worte her? Normalerweise sprach sie nie so ungehemmt mit Männern. Vielleicht war das auch der Grund, aus dem sie noch nie eine Beziehung geführt hatte. Der Grund, aus dem sie noch nie die Nacht mit einem Mann verbracht hatte.

Früher hatte sie ihre wenigen Erfahrungen mit Männern damit erklärt, dass sie ihre kranke Mutter pflegte. Aber inzwischen lag der Grund nur noch bei ihr. Was auch immer passierte oder nicht passierte, war ihre Entscheidung.

Und sie wollte nicht mehr länger zusehen, wie das Leben an ihr vorüberzog. Es war Zeit, ihr Leben in die Hand zu nehmen, statt die Zeit mit Tagträumen zu verschwenden.

Jetzt, in diesem Moment, wollte sie Enzo. Sie vertraute ihm mehr als jedem anderen Menschen. In den letzten Monaten hatten sie beinahe jeden Tag zusammen verbracht. Sie kannte ihn, und er kannte sie.

Er besaß ein gutes Herz. Sie hatte seine Fürsorglichkeit schätzen gelernt. Und seine Familie bedeutete ihm viel.

Ganz zu schweigen von seinem unverschämt guten Aussehen. Sie sehnte sich danach, die Geheimnisse zu entdecken, die sie in seinen dunklen Augen sah.

Ihre Fingerspitzen kribbelten vor Verlangen, sein dichtes dunkles Haar zu berühren. Und sein Mund … wie verführerisch seine Lippen auf sie wirkten, hatte sie wohl gerade bewiesen.

Einen Moment lang antwortete Enzo nicht. In seinem Blick las sie Überraschung über ihre direkten Worte. Ein Teil von ihr war stolz auf ihren Mut, doch gleichzeitig fürchtete sie sich vor seiner Zurückweisung.

„Sylvie, ich bin an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich keine feste Beziehung anfangen kann. Ich …“

Sie legte einen Finger auf seine Lippen. „Ich bitte dich nicht um etwas Festes. Ich bitte dich nur um das Hier und Jetzt.“

Sie sah ein Zögern in seinen Augen.

„Ich will dich nicht verletzen.“

Es berührte sie, wie sehr er sie schützen wollte. Sie lächelte ihn beruhigend an. „Das wirst du nicht. Du warst immer so gut zu mir.“ Ihr Herz raste, während sie diese offenen und ehrlichen Worte aussprach.

Er schaute sie schweigend an.

Was würde sie tun, wenn er ihr eine Abfuhr erteilte? Wenn ihr ganzer Mut zu nichts führte? Immerhin hatte sie nicht die geringste Erfahrung damit, einen Mann zu verführen. Vielleicht machte sie sich gerade unendlich lächerlich.

„Möchtest du das hier im Hotel weiterführen?“ Seine Stimme klang so dunkel und samtig wie das Tiramisu, das sie zum Dessert gegessen hatten.

Als sich ihre Blicke trafen, erkannte sie tiefes Verlangen in seinen Augen. Mit einem Mal verschwand ihre Unsicherheit, und eine ungekannte Glut stieg in ihrem Inneren auf. Es kam ihr vor, als stünde ihr Körper vor Begehren in Flammen.

Sie brachte kein Wort heraus, also stellte sie sich auf Zehenspitzen und presste ihre Lippen auf seine. Dann vertiefte sie den Kuss, öffnete sich für ihn. Zeigte ihm, wie sehr sie wollte, dass diese Nacht noch nicht vorbei war.

Denn das hier war erst der Anfang.

Vorsichtig löste sie sich von ihm, nahm seine Hand und ging mit ihm zurück in Richtung Hotel.

Sein Daumen strich über ihren Handrücken. Sie spürte die Schwielen von der harten Arbeit in den Weinbergen. Das Gefühl erregte sie. Alles an Enzo erregte sie.

Der Rückweg verlief schweigend. Als sie vor der Tür zu ihrem Hotelzimmer standen, schlug ihr Herz wild und pumpte Adrenalin durch ihren ganzen Körper. Endlich würde sie herausfinden, warum ihre Freundinnen immer diesen verträumten Gesichtsausdruck bekamen, wenn sie von ihren Liebhabern erzählten.

Nicht, dass Enzo ihr Liebhaber war. Sie wusste nicht genau, was er für sie war, denn Freundschaft war ein viel zu einfaches Wort für ihre Beziehung, die immer komplizierter wurde.

Sie drehte sich zu ihm. „Hast du es dir anders überlegt?“

Er hob seine dunklen Augenbrauen.

Hatte sie etwas Falsches gesagt? Selbstzweifel nagten an ihr, und sie senkte den Kopf. Sein Schweigen verstärkte ihre Unsicherheit nur noch mehr, und sie biss sich nervös auf die Unterlippe.

In diesem Moment legte er einen Finger unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht zu sich auf. „Warum denkst du, ich würde es mir anders überlegen? Du bist die schönste, wunderbarste Frau, die ich je kennengelernt habe. Ich kann nur nicht glauben, dass du mich auch willst.“

„Das tue ich.“ Ihre Stimme war ganz leise, doch an seinem Gesichtsausdruck sah sie, dass er sie verstanden hatte.

Wie konnte er all die Monate über nicht merken, dass sie ihn begehrte? Sie war sicher, dass jeder es ihr am Gesicht ablesen konnte, sobald sie Enzo anschaute.

Ihre Unerfahrenheit musste so schrecklich offensichtlich sein. Wollte er wirklich mit ihr die Nacht verbringen, obwohl sie nicht die geringste Idee hatte, was sie als nächstes tun sollte? Am liebsten würde sie ihn fragen, doch ihr Mund fühlte sich trocken an, und es fiel ihr schwer, einen vernünftigen Satz zu bilden.

Aber zum Glück musste sie diesmal nichts tun. Enzo beugte sich zu ihr hinunter und legte seinen Mund auf ihren. Trotz der sanften Berührung spürte sie die Leidenschaft in seinem Kuss.

Ihr Herz setzte für einen Schlag aus, und tiefes Verlangen stieg in ihr auf. Heute Nacht würde sie sich endlich ganz als Frau fühlen und müsste ihren Freundinnen in nichts mehr nachstehen. Heute Nacht würde sie erfahren, was es hieß, die Nacht mit dem aufregendsten Mann der Welt zu verbringen.

1. KAPITEL

Toskana, sechs Wochen später

Ihn quälte ein Geheimnis. Ein Geheimnis, das er lange verdrängt hatte. Ein Geheimnis, das er schon viel zu lange mit sich herumtrug.

Enzo lief unruhig auf der riesigen Terrasse des Weinguts auf und ab. Hinter seiner Stirn pochte ein dumpfer Kopfschmerz. Seine Brust fühlte sich eng an, und das Atmen fiel ihm schwer.

Schon seit vielen Jahren wusste er, dass eins seiner Geschwister kein leiblicher Bartolini war. Seine Mutter hatte eine Affäre gehabt, und einer von ihnen stammte aus dieser Affäre.

Doch er hatte niemandem davon erzählt, hatte die ungeheuerliche Tatsache nie verraten. Denn er war fest überzeugt gewesen, selbst das Kind aus der Affäre zu sein. Nicht der leibliche Sohn des Mannes, den er bis dahin für seinen Vater gehalten hatte.

Enzo fuhr sich mit den Fingern durch sein Haar und stieß einen Seufzer aus. Er hatte ein furchtbares Chaos angerichtet. Doch selbst nach allem, was in den vergangenen Monaten passiert war, bekam er sein Leben immer noch nicht in den Griff. Es kam ihm vor, als häufte er jeden Tag neue Fehler an.

Obwohl seine Reise nach Paris nun schon Wochen zurücklag, ärgerte er sich jeden Tag darüber, wie er bei Sylvie die Kontrolle verloren hatte. Sylvie war noch Jungfrau gewesen. Jungfrau. Das Wort schien in seinem Kopf nachzuhallen wie ein Echo. Schuldgefühle lasteten wie zentnerschwere Zementsäcke auf seinen Schultern.

Sie hätte diesen besonderen Moment mit jemandem teilen sollen, den sie liebte. Blumen, Champagner und noch viel mehr romantische Gesten hätten diesen Abend begleiten sollen. Stattdessen hatte sich der ganze Abend um ihn und das Weingut gedreht. Dabei hätte es darum gehen sollen, was für eine besondere Frau Sylvie war.

Wie war ihm all das entgangen? Im Geiste ging er den ganzen Abend noch einmal durch. Hatte sie ihm zu irgendeinem Zeitpunkt gesagt, dass sie noch nie mit einem Mann zusammen gewesen war?

Nein, er war sich ganz sicher, dass sie kein Wort darüber verloren hatte. Und doch traute er sich nach dieser sinnlichen Nacht kaum, ihr gegenüberzutreten.

Es kam ihm vor, als erwartete sie etwas von ihm. Doch er hatte ihr nichts zu geben. Sein Leben war ein einziges Chaos. Noch dazu hatte er morgen Geburtstag. Nichts an dieser Woche kam ihm festlich vor. Aber das war ihm nur recht. In dieser Stimmung wollte er weder seinen Geburtstag noch irgendetwas anderes feiern.

Noch einmal seufzte er und blickte über die Ländereien, die das Bartolini Weingut umgaben. Vor Kurzem hatte seine Schwester das Haupthaus in ein Boutiquehotel umgewandelt. Kaum zu glauben, dass vor weniger als einem Jahr noch seine Eltern hier auf dieser Terrasse gestanden hatten.

Mit ihnen war auch die Illusion einer heilen Familie verschwunden. Seit dem Tod der Eltern gab es so viele Veränderungen, eine nach der nächsten. Nichts war mehr wie früher. In den vergangenen Monaten hatten seine Schwestern und er Entscheidungen getroffen, die ihr Leben für immer veränderten.

Seine eigene Entscheidung war vielleicht die wichtigste seines Lebens gewesen. Er hätte sich Zeit dafür nehmen sollen. Sehr viel Zeit. Doch ein Abend hatte gereicht.

Aber nach jenem Abend hatte er es weiter und weiter hinausgezögert, seine Entscheidung öffentlich bekanntzugeben.

Jetzt hatte er endlich den Mut gefunden, die Neuigkeiten bekanntzugeben, und die Sonne ging am Horizont auf, als wäre es ein Montagmorgen wie jeder andere. Als bedeuteten ihr die gigantischen Veränderungen in Enzos Leben nicht das Geringste.

Doch manche Dinge änderten sich nicht. Nicht mehr lange, dann konnten sie die Trauben ernten.

Dies war die erste Saison, in der er ganz allein für das Weingut verantwortlich war, und zugleich das beste und ertragreichste Jahr. Wie gerne hätte sein Vater gesehen, dass all ihre harte Arbeit endlich Früchte trug.

Hätte nur dieser schreckliche Autounfall ihm nicht beide Eltern genommen. Dann hätte das dunkle Geheimnis nicht seine Familie zerstört.

Jahrelang hatte Enzo geglaubt, die Antwort auf das Familiengeheimnis zu kennen. Doch dann hatte der DNA-Test gezeigt, dass in Wirklichkeit seine jüngste Schwester Gia das Kind aus der Affäre seiner Mutter war.

Der Anblick von Gias verzweifelter Miene hatte ihm das Herz gebrochen. Aber er war auch unglaublich stolz auf sie. Sie zeigte eine unglaubliche Stärke und machte sich ganz allein auf die Suche nach ihrem leiblichen Vater.

Eine solche Stärke besaß nicht jeder. Er konnte nicht sagen, ob er genauso gut damit umgegangen wäre wie seine Schwester.

„Enzo, ich habe Post für dich“, hörte er Sylvies Stimme hinter sich.

„Ich kümmere mich später darum. Leg einfach alles auf meinen Schreibtisch“, sagte er, ohne sich umzudrehen. „Danke.“

Statt in sein Büro zu gehen, stellte Sylvie sich neben ihn. „Zwei Briefe möchtest du dir vielleicht lieber direkt anschauen.“

Ihre Worte weckten seine Neugier. „Warum?“

„Die Absender sind deine Schwestern.“

Enzo spürte, wie sich ein Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. Trotz dieser turbulenten Zeit hatten seine Schwestern an seinen Geburtstag gedacht.

Sylvie reichte ihm einen Umschlag und eine Postkarte. An dem lustigen Bild auf der Postkarte erkannte er sofort, dass Gia sie ausgesucht hatte. Niemand außer ihr würde ihm eine Karte schicken, auf der ein Hund abgebildet war, der an einem Strand ein Eis schleckte.

Habe eine tolle Zeit hier. Die Villa ist fast fertig renoviert. Muss danach ein neues Haus finden, an dem ich arbeiten kann. G.

Das war alles? Suchend drehte er die Karte um. Keine Glückwünsche zum Geburtstag, kein Ich vermisse dich, kein Ich komme bald zurück. Nur eine kleine, unpersönliche Nachricht.

Seine gute Laune verpuffte. Enzo seufzte. Vielleicht war es einfach der Beweis, dass ihre glückliche kleine Familie für immer auseinandergebrochen war.

Nichts würde wieder werden wie früher. Hätte er das Geheimnis nur nicht jahrelang mit sich herumgetragen! Dann hätten sie es vielleicht noch zu Lebzeiten seiner Eltern verarbeiten können.

„Willst du den zweiten Brief nicht öffnen?“ Sylvies Stimme riss ihn aus seinen trüben Gedanken. „Er sieht offiziell aus, mit Siegel und allem.“

Enzo schaute auf den cremefarbenen Umschlag und erkannte das lilafarbene Siegel seiner Schwester Bianca. Er schmunzelte. Bianca vergaß seinen Geburtstag nie. Er erinnerte sich noch genau an das Jahr, in dem sie eine Party für ihn geplant hatte.

Damals hatte sie leider nur ihre eigenen Freunde eingeladen. Ihre Freundinnen, um genau zu sein. Und die meisten davon waren ziemlich in ihn verliebt gewesen. Darüber hatte Bianca sich großartig amüsiert, er dagegen hatte noch nie so sehr das Ende einer Feier herbeigesehnt.

Als er den Umschlag mit den Fingern aufreißen wollte, schrie Sylvie auf. „Stopp!“

Er zögerte und schaute sie an. „Was ist?“

Ihr Blick wirkte so entsetzt, als wollte er gerade ein Heiligtum zerstören. „Warte. Mach noch nicht weiter. Ich bin sofort wieder da.“ Sie eilte zurück in die Villa.

Einen Moment lang überlegte er, den Umschlag einfach aufzureißen. Doch er wollte Sylvie nicht aufregen. Es würde sie schwer genug treffen, wenn er ihr seine Neuigkeiten überbrachte. Am besten machte er diesen Tag nicht noch schlimmer, als er sein musste.

Nach einigen Minuten kam sie zurück und reichte ihm einen silbernen Brieföffner. „Bitte sehr.“

Er öffnete den Umschlag, fein und säuberlich, wie Sylvie es sich wünschte. Im Inneren fand er eine Karte. Als er die Worte überflog, merkte er, dass es sich nicht um eine Geburtstagskarte handelte, sondern um eine Einladung. Beide Schwestern hatten seinen Geburtstag vergessen.

„Was steht dort?“, fragte Sylvie.

Doch er verspürte nicht die geringste Lust, darüber zu reden. Wortlos reichte er ihr die Karten.

„Wie wunderbar!“, rief sie aufgeregt, als sie Biancas Brief gelesen hatte. „Du bist bestimmt ganz glücklich über die Einladung zur Hochzeit deiner Schwester! Kannst du dir vorstellen, mit einem waschechten Prinzen verwandt zu sein?“

Enzo räusperte sich. „Mir ist egal, wen meine Schwester heiratet. Hauptsache sie ist glücklich.“ Er merkte selbst, wie schroff seine Worte klangen. „Jedenfalls wirkte sie sehr fröhlich, als sie nach Patazonien gezogen ist.“

„Oh ja, das finde ich auch.“ Sylvie lächelte verträumt.

Doch Enzo redete nicht gerne über das neue Leben seiner Schwester. Schließlich waren all diese Veränderungen nur durch das ungerechte Testament ihrer Eltern entstanden. Mit ihrem letzten Willen hatten sie die Geschwister gegeneinander ausgespielt und sie gezwungen, jeder für sich um das Anwesen zu kämpfen.

Ohne diese lächerliche Klausel im Testament wäre die innige Beziehung zwischen ihm und seinen Schwestern vielleicht nie in die Brüche gegangen.

Nein. Das stimmte nicht. In Wirklichkeit lag der Fehler bei ihm. Er hätte stärker kämpfen müssen, um seine Schwestern zu beschützen. Um die Familie zusammenzuhalten.

Du bist der große Bruder. Du musst auf deine kleinen Schwestern aufpassen. Sie beschützen.

Wie oft hatte sein Vater ihm diese Worte eingeprägt? Unzählige Male. Aber als die Zeit dafür gekommen war, hatte Enzo versagt.

Nicht nur seine Schwestern hatte er im Stich gelassen, er stand auch kurz davor, Sylvie furchtbar zu enttäuschen. Und genau wie seine Schwestern, ahnte sie nicht das Geringste.

Irgendetwas stimmte nicht mit Enzo. Je länger Sylvie ihn anschaute, desto stärker spürte sie es. Um genau zu sein, verhielt er sich seltsam, seit sie aus Paris zurückgekommen waren.

Autor

Jennifer Faye
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